Das Inhouse-Verfahren - Auftragsvergabe ohne Vergaberecht?

bei uns veröffentlicht am12.01.2007

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Zusammenfassung des Autors
unter Einbeziehung der aktuellen EuGH-Rechtsprechung - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB

Die Grundregel im Vergaberecht lautet: Öffentliche Aufträge müssen ausgeschrieben werden. Sinn des Ganzen ist es, ein Zusammenwirken von öffentlichem Auftraggeber und privatem Auftragnehmer zu verhindern und potentiellen Auftragnehmern die Chance zu geben, offen um öffentliche Aufträge zu konkurrieren. Doch wo sich eine Regel findet, ist die Ausnahme nicht weit.

„Inhouse Vergabe“ ist das Verfahren, dass Behörden vor einer lästigen Ausschreibung bewahrt und ausgeschlossene Mitbewerber auf die Palme bringt. Dieses Verfahren setzt voraus, dass ein öffentlicher Auftraggeber beschließt, benötigte Leistungen nicht am freien Markt einzukaufen, sondern die Leistung selbst, also durch eigenes Personal oder Sachmittel, bildlich gesprochen „im Haus“ zu erwirken. Er ist hierbei nicht an die Vorgaben des Vergaberechts gebunden, da in diesem Fall mangels Vertragspartner kein Vertragsverhältnis und somit kein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 99 I GWB vorliegt.

Dieses Ausnahmeverfahren ist nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, sondern wurde vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelt. Ausgangspunkt war die Entscheidung Teckal, Rs. C-107/98 in welcher der Gerichtshof klar stellte, dass eine Auftragsvergabe dann nicht dem Vergaberecht unterliege, wenn Auftragnehmer eine Gesellschaft sei, über welche die Auftrag vergebende Behörde eine Kontrolle „wie über eine Dienststelle“ ausübe und wenn die fragliche Tätigkeit „im wesentlichen für die Behörde verrichtet wird, die deren Anteile inne habe. Anteilseigner war im Fall Teckal ausschließlich eine öffentliche Stelle.

Auf Grundlage dieses Urteils entwickelte sich in Europa vor dem Hintergrund anhaltender Privatisierungen im öffentlichen Bereich eine intensive Debatte darüber ob die Grundsätze der In-house Vergabe auch dann anzuwenden seien, wenn Anteilseigner der beauftragten Gesellschaft nicht nur öffentliche Stellen sondern auch Private seien. Dies war insbesondere in den Fällen umstritten, in denen zwar Private an der beauftragten Gesellschaft beteiligt waren, der Umfang der Beteiligung jedoch so gering war, dass die beteiligten Privaten keinen oder nur sehr geringen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen hatten.

Diese Rechtsunsicherheit wurde vom EuGH mit dem Urteil in der Rs. C-26/03 am 10. Januar 2005 eindeutig aus der Welt geräumt. Hier stellte der Gerichtshof im Gegensatz zur Auffassung der Bundesregierung klar, dass jede Beteiligung eines privaten Partners am Kapital einer öffentlichen Gesellschaft eine Kontrolle über diese durch den Auftraggeber „wie über eine Dienststelle“ ausschließe. Gemäß den vom EuGH im Urteil „Teckal“ entwickelten Grundsätzen hat das Fehlen einer solchen Kontrolle die Nichtanwendbarkeit der In-House Vergabe zur Folge.

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Beziehung einer öffentlichen Stelle als Auftragnehmer und ihrer Dienststelle im Wesentlichen von Zielen bestimmt würden, die im öffentlichen Interesse liegen, wohingegen die Auftragserteilung an ein Unternehmen, an dem auch nur irgendwie Private beteiligt sind, immer auch die Interessen der Privaten Anteilseigner mitgefördert würden. Die Förderung privater Interessen sei jedoch deutlich von der Förderung öffentlicher Interessen abzugrenzen und nur bei letzterer seien die Grundsätze der In-House Vergabe anwendbar. Sind Private am beauftragten Unternehmen beteiligt, käme die Auftragserteilung ohne Ausschreibung der Gewährung eines Wettbewerbvorteils für den privaten Anteilseigner durch die öffentliche Behörde gleich.

Mit dieser eindeutigen Aussage hat das Urteil erhebliche Folgen auf den gesamten „Private Partnership“ Sektor. Vater Staat dürfte nun vor jeder angestrebten Privatisierung von öffentlichen Leistungen ganz genau nachrechnen, ob sich das Unterfangen in Anbetracht der Tatsache, dass nun jeder staatliche Auftrag an die vormals öffentliche Gesellschaft ausgeschrieben werden muss, lohnen wird. Die Verwaltungsausgaben, die ein Ausschreibungsverfahren beansprucht sind nicht zu unterschätzen. Die private Wirtschaft jedoch darf sich über das Urteil freuen, denn die Pflicht zu mehr Ausschreibungen bedeutet mehr potentielle Aufträge.

Andererseits bietet das Urteil des EugH auch Trost für die Vergabstellen. Der Gerichtshof betont ausdrücklich das Recht der Behörden auf Eigenerfüllung und stellt klar, dass im Bereich der Daseinsvorsorge keine Pflicht zur Einbeziehung Privater besteht. Dies hatten von einer Vergabe ausgeschlossene Mitbewerber regelmäßig  bezweifelt. Das Gericht räumt jedoch ein, dass eine Pflicht zur Einbeziehung Privater bei Auftragsvergaben hinsichtlich der Daseinsvorsorge dann besteht, wenn die beauftrage öffentliche Stelle sich selbst am Markt beteilige und somit „private“ Interessen verfolge. Dies sei jedenfalls dann gegeben, wenn die beauftragte Gesellschaft in nicht unwesentlichem Umfang Drittaufträge ausführe.
 

 

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