Abbildung einer nackten Oberbürgermeisterin kann als Stilmittel in der Satire gerechtfertigt sein

published on 09/01/2011 19:16
Abbildung einer nackten Oberbürgermeisterin kann als Stilmittel in der Satire gerechtfertigt sein
Gesetze
Anwälte, die zu passenden Rechtsgebieten beraten
Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Authors

Rechtsanwalt

Languages
EN, FR,

Author’s summary

Ob die Nacktdarstellung einer Person der Zeitgeschichte auf einem Gemälde deren Intimsphäre verletzt, ist aufgrund einer Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechten des Künstlers zu ermitteln - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Das OLG Dresden hat mit dem Urteil vom 16.04.2010 (Az: 4 U 127/10) folgendes entschieden:

Ob die Nacktdarstellung einer Person der Zeitgeschichte auf einem Gemälde deren Intimsphäre verletzt, ist aufgrund einer Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechten des Künstlers zu ermitteln.

Sie kann zulässig sein, wenn das Bildnis einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstellt, den Abgebildeten nicht zum bloßen Objekt herabwürdigt und keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthält.

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 3.12.2009 - 3 O 2782/09 EV - aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.


Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540a Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagte) hat in der Sache Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung des auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Antrages. Zwar liegt die für eine einstweilige Verfügung erforderliche Eilbedürftigkeit vor, weil die Beklagte mit den im Verfügungsverfahren zulässigen Beweismitteln nicht nachweisen konnte, dass die Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin) von dem streitgegenständlichen Gemälde und dessen Verbreitung im Internet bereits im Juli 2009 Kenntnis hatte. Ein Verfügungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB (analog) i. V. m. §§ 22, 23 KUG besteht jedoch nicht.

Das dort vorausgesetzte Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dessen Verletzung einen Unterlassungsanspruch begründet. Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einverständnis veröffentlicht werden. Ein Bildnis in diesem Sinne stellt auch das streitgegenständliche Gemälde dar. Dem Bildnisschutz unterliegen sämtliche Darstellungsformen, d. h. neben Fotografien auch die Darstellung von Personen auf Gemälden, wie sie hier gegeben ist. Eine Verbreitung ist hier durch die Ausstellung des Gemäldes und die Einstellung auf der von der Beklagten betriebenen Homepage erfolgt, wobei der Senat ebenso wie das Landgericht davon ausgeht, dass der durchschnittliche und mit den lokalen Verhältnissen vertraute Betrachter in dem Gemälde unschwer ein Bildnis der Klägerin erkennen wird, zumal diese im Bildtitel, der auch auf der o. a. Homepage einsehbar ist, namentlich erwähnt wird.

Das streitgegenständliche Gemälde ist aber ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, dessen Verbreitung und Schaustellung kein berechtigtes Interesse der Klägerin verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG) und daher nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne ihre Einwilligung verbreitet und präsentiert werden darf. Ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern liegt immer dann vor, wenn es einen Bezug zu Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse aufweist. Ein derartiges Interesse besteht freilich nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts erfordert die Anwendung des § 23 Abs. 1 KUG dabei eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten nach Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und den entgegenstehenden Grundrechten, vorliegend mithin der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG. Diese Abwägung braucht nicht dem § 23 Abs. 2 KUG vorbehalten zu werden, sondern kann auch schon im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erfolgen. Der Beurteilung ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, der den widerstreitenden Interessen ausreichend Rechnung trägt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin scheidet eine solche Abwägung hier nicht bereits deswegen aus, weil sie auf dem streitgegenständlichen Bildnis nackt dargestellt wird. Allerdings berührt die Verbreitung von Nacktaufnahmen grundsätzlich die Intimsphäre des Abgebildeten. Diese umfasst den letzten, unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit und schafft die Distanz zum Mitmenschen, die Voraussetzung und Kennzeichnung jeder Kultur ist. Trotz einer erheblichen Veränderung in der Wahrnehmung von Sexualität und Nacktheit in den vergangenen Jahrzehnten, die dazu geführt hat, dass heute die Zurschaustellung nackter Personen in nur noch wenigen Fällen noch als Provokation angesehen, ja ihr mitunter sogar mit einem gewissen Desinteresse begegnet wird, ist daher die Verbreitung von Nacktaufnahmen ohne Einwilligung der Abgebildeten grundsätzlich unzulässig. Dies gilt auch für Personen der Zeitgeschichte, die ebenfalls die Verbreitung von Nacktaufnahmen, die regelmäßig ihre berechtigten Interessen im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG verletzt, nicht dulden müssen. Die Weiterverbreitung von Nacktfotos kann abhängig von den Umständen des Einzelfalles selbst dann untersagt werden, wenn die abgebildete Person in anderem Zusammenhang in die Erstellung der Bilder eingewilligt hatte. Dies bedeutet indes nicht, dass die Verbreitung von Nacktaufnahmen in jedem Einzelfall einer Abwägung entzogen und ohne Ausnahme als Verletzung des absolut geschützten Intimbereichs unzulässig wäre. Erst recht gilt dies für Bildnisse, die - wie das hier streitgegenständliche Gemälde - nicht unter Einbruch in den höchstpersönlichen Lebensbereich und unter Verletzung eines auch durch § 201 StGB geschützten Geheimhaltungsinteresses gewonnen wurden, sondern allein der Phantasie eines Künstlers entspringen. Dies unterscheidet ein Gemälde auch von einer Fotomontage, die dem Betrachter regelmäßig den Eindruck vermittelt, durch ein derartiges Eindringen in den auch räumlich geschützten letzten Intimbereich entstanden zu sein. Ob die Verbreitung eines solchen Bildnisses zulässig ist, bleibt vielmehr einer eingehenden Abwägung der widerstreitenden Belange vorbehalten, in die auch die Art der Darstellung mit einzubeziehen ist.

Vor diesem Hintergrund greift die Annahme des Landgerichts, die in der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildes liegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin sei allein mit der zugunsten der Beklagten streitenden Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG abzuwägen, zu kurz. Bei dem Bild „Frau O. wirbt für das Welterbe“ handelt es sich allerdings um Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne, weil es eine freie schöpferische Gestaltung darstellt, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden und in der die individuelle Persönlichkeit der Künstlerin ihren unmittelbaren Ausdruck findet. Zugleich liegt hierin jedoch eine satirische Darstellung eines aktuellen politischen Geschehens, die dem Schutz der allgemeinen Meinungsfreiheit unterfällt. Die Auffassung des Landgerichts, das Bild erfülle die Anforderungen an eine Satire nicht, weil es an einer hinreichenden ästhetischen Verfremdung fehle und der Betrachter eher eine reelle Person assoziiere, verengt die Satire in unzutreffender Weise auf den Begriff der Karikatur und verfehlt dadurch die Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes der Meinungsfreiheit. Für die Frage, ob eine Darstellung satirisch gemeint ist und als solche dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt, kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob durch die Darstellung einer Person deren wesentliche Charakterzüge von ihrem bloßen Abbild abgelöst und sodann in übertriebener und vergröberter Weise zeichnerisch zum Ausdruck gebracht werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich hierin der an einer Norm orientierte Spott über Erscheinungen der Wirklichkeit nicht direkt, sondern indirekt durch die ästhetische Nachahmung eben dieser Wirklichkeit ausdrückt. Diese Absicht kann der Beklagten, die in dem streitgegenständlichen Gemälde die Klägerin nackt vor der als bedrohlich empfundenen Kulisse der Waldschlösschenbrücke präsentiert und sie damit dem Spott der Öffentlichkeit preisgeben will, nicht abgesprochen werden. Satirische Darstellungen genießen aber einen besonders weiten Freiraum bis zur Grenze der Schmähkritik, da ihnen wesenseigen ist, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten. Die Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfordert zunächst die Trennung zwischen dem Aussagegehalt und dem vom Verfasser gewählten satirischen Gewand, damit ihr eigentlicher Inhalt ermittelt wird. Sowohl der Aussagekern als auch seine Einkleidung sind sodann daraufhin zu überprüfen, ob sie sich als Beitrag zum geistigen Meinungskampf verstehen oder ob es sich hierbei um Schmähkritik oder eine Kundgabe der Missachtung handelt oder hierdurch die Menschenwürde angetastet wird.

Nach diesen Grundsätzen ist der Aussagekern des streitgegenständlichen Bildes als zulässige Meinungsäußerung anzusehen. Wie ausgeführt, ist das Gemälde erkennbar in den Kontext der Diskussion über Planung und Streit um den Bau der Waldschlösschenbrücke in ... gerückt; es knüpft an die der Streichung aus der Liste des „Unesco-Weltkulturerbes“ vorausgehenden Bemühungen der Klägerin an, trotz der bereits begonnenen Bauarbeiten die zuständigen Unesco-Gremien für den Verbleib des Elbtals auf dieser Liste einzunehmen. Die Klägerin erscheint dabei als Befürworterin der Brücke, für die sie „wirbt“. Dies gibt im Ausgangspunkt die politische Position der Klägerin zutreffend wieder, die sich sowohl in ihrer vorherigen Position als Mitglied der Staatsregierung als auch nach Antritt ihres jetzigen Amtes als Oberbürgermeisterin für den Bau der Waldschlösschenbrücke eingesetzt und auch gegenüber den maßgeblichen Unesco-Gremien hierfür geworben hat. Dieses „Werben“ wird auf dem Gemälde in erkennbar satirischer Absicht durch die Platzierung der Klägerin mit geöffneten Armen und auf die Brücke hindeutender Pose verdeutlicht und zugleich ins Lächerliche gezogen. Dass sich die Klägerin dem Betrachter dabei nackt präsentiert, legt freilich die Interpretation nahe, sie sei bereit, für die Waldschlösschenbrücke bis zum äußersten zu gehen und sich gänzlich zu entblößen. Die Nacktheit der Klägerin kann in diesem Kontext aber auch als allegorische Darstellung der Unmöglichkeit oder Unfähigkeit der Klägerin gesehen werden, auf das Verfahren vor der Unesco über die Aberkennung dieses Titels noch Einfluss nehmen zu können. Wie die weiteren auf der o. a. Homepage abgebildeten Porträts verdeutlichen, in deren Kontext das Abbild der Klägerin steht und die daher zu dessen Interpretation herangezogen werden können, ist der weibliche oder männliche Akt das zentrale Thema im künstlerischen Schaffen der Beklagten, wobei die Nacktheit den Distanz schaffenden Rahmen des Ölgemäldes durchbricht, die Personen ungeschützt dem Blick des Betrachters preisgibt und diese damit nicht länger als Herrscherpersönlichkeiten erscheinen, sondern der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Damit wird malerisch ein Motiv aufgegriffen, wie es etwa literarisch in Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ auftaucht und von der Beklagten im Schreiben vom 16.11.2009 (Ast 6) in die Worte gefasst wurde, im Kontext des Themas bringe die Nacktheit zum Ausdruck, dass die Klägerin „nichts in der Hand habe“. In der gleichen Weise ist die Beklagte auf dem hier streitgegenständlichen Gemälde der Klägerin verfahren, der sie von ihrer Amtswürde lediglich die Bürgermeisterkette belässt. Dieser Aussagekern hält sich im Rahmen dessen, was die Klägerin als in der Öffentlichkeit stehende Politikerin hinnehmen muss. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen. Angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art sind einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen. Erfolgt die Meinungsäußerung in Form eines Gemäldes gilt dies für die malerische Umsetzung dieses Aussagekerns entsprechend. Verfolgt der Äußernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung; eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Artikel 5 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Für die Beurteilung der Reichweite der Grundrechtsschutzes aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG kommt es ferner maßgeblich darauf an, ob und in welchem Ausmaß der von den Äußerungen Betroffene seinerseits an dem von Artikel 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat die Äußerung - auch wenn sie eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft - als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten. Dies ist indes nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Hierbei spielt eine Rolle, dass das Gemälde mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke einen Vorgang illustriert, der in ... und darüber hinaus großes öffentliches Interesse erregt und zumindest die ... Öffentlichkeit erheblich polarisiert hat sowie Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen war. Trotz der zwischenzeitlich gefallenen Entscheidung für den Bau der Brücke und der in dem Bild thematisierten Aberkennung des Weltkulturerbes dauert diese Diskussion bis zum heutigen Tage an. Bei dieser Sachlage stellt sich das streitgegenständliche Gemälde, das für jeden erkennbar die ablehnende Haltung der Beklagten zum Ausdruck bringt, als Beitrag zur Auseinandersetzung in dieser Frage dar. Zu berücksichtigten ist ferner, dass auch die Klägerin sich kraft Amtes an der Kontroverse um den Bau der Brücke beteiligt und in der zugrunde liegenden Diskussion ihre Position offensiv vertreten hat, indem sie etwa - dies ist gerichtsbekannt - die Gegner des Brückenbaues u. a. als „politisch scheinheilig“ und Alternativvorschläge zu dem beabsichtigten Brückenbau als „olle Kamellen“ bezeichnet hat (Tagesspiegel vom 21.6.2009, zitiert nach www.t...de). Nach alledem handelt es sich bei der in dem Gemälde für einen durchschnittlichen Betrachter zum Ausdruck kommenden Aussage um eine zulässige Meinungsäußerung, die die Klägerin hinnehmen muss.

Auch die Einkleidung dieser Aussage, d. h. die malerische Darstellung des Kopfes der Klägerin mit einem nachempfundenen nackten Körper, den Requisiten wie Strapse und Schärpe und der leuchtend-aufdringlichen Farbgestaltung, muss die Klägerin bei einer Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechten der Beklagten hinnehmen. Der Senat hält es allerdings für ohne weiteres glaubhaft und nachvollziehbar, dass die Klägerin sich durch die Darstellung ihrer Person in ihrem Schamgefühl verletzt und in ihrer Amtsautorität beeinträchtigt sieht, wie sie im Verhandlungstermin vom 8.4.2010 dargelegt hat. Ihrer Auffassung, zuletzt im Schriftsatz vom 12.4.2010, die Nacktdarstellung eines Prominenten sei als „Abschaffung der Gürtellinie in der politischen Auseinandersetzung“ stets unzulässig, weil die Nacktheit der dargestellten Person regelmäßig keinen Sachbezug zu der dahinterstehenden Aussage aufweise, kann er sich gleichwohl nicht anschließen. Vielmehr kommt auch der Nacktdarstellung einer Person als malerischem und satirischem Ausdrucksmittel regelmäßig und auch im vorliegenden Fall ein eigenständiger Aussagegehalt zu (s. o.), der bei einer stark sexualisierenden oder eine Schmähkritik darstellenden Darstellungsweise unzulässig, im Übrigen aber nach Maßgabe des Einzelfalles zulässig sein kann, ohne dass hierdurch eine „Republik von nackten Amtsträgern“ zu befürchten wäre. Die Darstellung der Klägerin stellt trotz der auf den ersten Blick aufreizenden Gestik auf dem Bild auch keine Formalbeleidigung im Sinne des § 185 StGB dar. Zwar stellt eine Behauptung, durch die eine Person sinngemäß einer Prostituierten gleichgestellt oder deren sexuelle Verfügbarkeit aus rein finanzieller Motivation unterstellt wird, eine Missachtung der Ehre der solcherart bezeichneten Person und damit eine tatbestandsmäßige Beleidigung dar. Die Behauptung, die Klägerin habe sich im wörtlichen oder übertragenen Sinne gegenüber dem Welterbekomitee prostituieren wollen, wird der Betrachter dem Gemälde jedoch nicht entnehmen können, weil die Pose, in der sie dargestellt wird, weder bewusst aufreizend wirkt noch die ihr beigegebenen Utensilien allegorisch und nach allgemeinem Verständnis als Symbole für Prostitution angesehen werden. Einen Vorgang aus dem Sexualbereich bebildert das Gemälde ebenfalls ersichtlich nicht. Auch das Landgericht hat daher die ausgebreiteten Arme der Klägerin selbst in Verbindung mit der Nacktdarstellung nicht als Andeutung eines freizügigen Sexualverhaltens, sondern als „Ohnmachts- und Werbepose“ interpretiert. In diesem Sinne ist das Bild auch in der Öffentlichkeit verstanden worden, wie die zu den Gerichtsakten gelangten Presseausschnitte dokumentieren. Zwar wird der Blick des Betrachters durch die „offene“ Pose und die durch die eingesetzten Farben erzeugte grelle Ausleuchtung des Gemäldes auf den unbekleideten Körper der Klägerin gerichtet. Weder wird die Klägerin hierdurch jedoch in reißerischer Manier zur Schau gestellt noch als Objekt männlicher Begierde dargestellt. Vielmehr soll hierdurch ersichtlich die satirische Absicht verdeutlicht werden, die vom Schutzbereich sowohl der Meinungs- als auch der Kunstfreiheit umfasst ist. Dem streitgegenständlichen Gemälde ist auch eine frauenfeindliche oder sexistische Tendenz nicht zu entnehmen, zumal die Beklagte in ihrem sonstigen Schaffen auch Männer in gleicher Weise dargestellt hat. Ersichtlich wird die Klägerin zudem nicht in ihrem privaten Umfeld, sondern - symbolisiert durch die Amtskette - bei ihrer politischen Tätigkeit als Oberbürgermeisterin abgebildet, in deren Ausübung sie weitergehenden Einschränkungen ihrer Privatsphäre unterworfen ist (vgl. EGMR vom 25.1.2007 Vereinigung bildender Künstler v. Austria Nr. 34).

Dass sich die Beklagte bei der Darstellung der Klägerin nicht um eine Verfremdung bemüht und sich für die Einkleidung ihrer Kritik einer gegenständlichen Maltechnik bedient hat, ändert an dieser Bewertung nichts. Für die Zulässigkeit einer satirischen Darstellung in Gemäldeform kann es nicht darauf ankommen, ob die dargestellte Person in größtmöglichem Umfang verfremdet und damit für den Betrachter nicht mehr erkennbar wird. Vielmehr ist gerade die Erkennbarkeit der abgebildeten Person Voraussetzung dafür, dass der Betrachter die in dem Gemälde liegende Meinungsäußerung erkennen und bewerten kann. Es würde damit den Grundrechtsschutz des Künstlers verfehlen, wenn man die Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits in der Erkennbarkeit einerseits und in der Zuschreibung negativer Züge andererseits sähe. Die vom Landgericht zitierten Grundsätze der „Esra-Entscheidungen“ von BGH und BVerfG knüpfen zudem ausdrücklich an die „Besonderheiten erzählender Kunstformen“ an und sind auf die Beurteilung der Zulässigkeit von Gemälden auch unabhängig von den hier verfolgten satirischen Absichten nicht in dem vom Landgericht angenommenen Umfang übertragbar.

Auch das „Unterschieben“ eines fremden Körpers führt schließlich nicht zu einer Unzulässigkeit der Bildveröffentlichung. Allerdings unterliegt die Manipulation von Fotographien verschärften verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sofern derartige Fotomontagen dem Betrachter keinen Anhaltspunkt für die Manipulation geben, sondern Authentizität suggerieren und den Eindruck eines realen Geschehens vermitteln, das tatsächlich nicht wie abgebildet stattgefunden hat, kann es - wie auch bei unwahrer Wortberichterstattung - an einem legitimen Informationsinteresse fehlen. Auch bei satirischen Darstellungen, die für sich beanspruchen, eine fotographische Abbildung zu sein, dürfen einzelne Bildelemente nicht über solche Veränderungen hinaus manipuliert werden, die für den Aussagegehalt unbedeutend sind. Von einer Fotomontage unterscheidet sich ein weiblicher Akt auf einem Gemälde jedoch dadurch, dass dessen Herstellung auch bei naturalistischer Darstellung stets nur eine Interpretation der abgebildeten Person durch den Künstler darstellt. Dies prägt auch die Erwartungshaltung des Betrachters. Dieser wird unabhängig von der Frage, ob er Kopf und Körper als Einheit wahrnimmt (wovon das Landgericht in Anlehnung an die als Anlage Ast 7, Anlagenband, vorgelegte Entscheidung des LG Hamburg ausgeht) oder den Körper gedanklich „vom Kopf trennt“, nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem abgebildeten Akt um eine authentische Abbildung der Klägerin handelt, weil offensichtlich ist, dass die Klägerin der Beklagten niemals Modell gestanden hat. Auch angesichts der flüchtigen und an Kulissenmalerei erinnernden Ausführung des Gemäldes wird er nicht annehmen können, dass der Körper der Klägerin in Wirklichkeit so aussieht, wie er auf dem streitgegenständlichen Gemälde abgebildet ist. Hierin liegt der Unterschied zu einer Fotomontage, bei der es sich ebenfalls um ein manipuliertes Bild handelt, auf dem der Abgebildete nicht so gezeigt wird, wie er in Wirklichkeit aussieht, bei der aber zugleich der Betrachter über diesen Umstand getäuscht wird. Das streitgegenständliche Gemälde enthält nach alledem bereits keine unwahre Tatsachenbehauptung über den Körper der Klägerin, deren Untersagung schon im Hinblick auf diese Unwahrheit geboten wäre.

Bei dieser Sachlage tritt das Persönlichkeitsrecht der Klägerin hinter die Meinungs- und Kunstfreiheit der Beklagten zurück. Die hilfsweise von der Klägerin begehrte Anordnung nach § 938 ZPO auf Abdeckung des Intimbereichs scheidet schon deswegen aus, weil auch eine solche Anordnung einen Verfügungsanspruch voraussetzen würde, der hier aber infolge der zugunsten der Beklagten streitenden Abwägung nicht besteht.


Show what you know!
9 Gesetze

moreResultsText

{{count_recursive}} Gesetze werden in diesem Text zitiert

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di
1 Anwälte, die zu passenden Rechtsgebieten beraten

Rechtsanwalt


Die Kanzlei "Streifler & Kollegen" vertritt Sie auch in Angelegenheiten des Film-, Medien- und Urheberrechts.
Languages
EN, FR,
Anwälte der Kanzlei die zu Urheber- und Medienrecht beraten
116 Artikel zu passenden Rechtsgebieten

moreResultsText

03/01/2012 12:37

Zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die in einem "Internet-System-Vertrag" eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet-BGH vom 04.03.10-Az:III ZR 79/09
03/01/2012 12:32

bei keiner nachvollziehbaren Berechnung ersparter Aufwendungen - kein Vergütungsanspruch - LG Düsseldorf vom 28.07.11 - Az: 7 O 311/10
07/01/2011 16:46

Die Bildberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis kann auch zulässig sein, wenn einzelne Aussagen der Wortberichterstattung für unzulässig erklärt worden sind - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Artikel zu Urheber- und Medienrecht

Annotations

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2.
eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2.
das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.