Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 25. März 2009 - A 9 S 666/09

bei uns veröffentlicht am25.03.2009

Tenor

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12. Dezember 2008 - A 8 K 2237/07 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

 
Der Antrag bleibt ohne Erfolg, weil der allein in Anspruch genommene Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht vorliegt.
1. Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht nur einen Dolmetscher für die englische Sprache, nicht aber in Mende, der Muttersprache der Klägerin, geladen hat, begründet keinen Verfahrensfehler.
Nach § 17 Abs. 1 AsylVfG ist bei der Anhörung ein Dolmetscher hinzuzuziehen, der in der Muttersprache des Ausländers oder in eine andere Sprache zu übersetzen hat, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann und in der sich der Ausländer verständigen kann. Diese Regelung entspricht den Vorgaben aus Art. 13 Abs. 3 lit. b der EG-Richtlinie 2005/85 vom 01.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl.EG L 326, S. 13), wonach die Verständigung nicht zwingend in der vom Asylbewerber bevorzugten Sprache stattfinden muss, wenn es eine andere Sprache gibt, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann und in der sich der Ausländer verständigen kann. Dementsprechend wird auch bei der Entscheidung über die Zuziehung eines Dolmetschers im gerichtlichen Verfahren nach § 55 VwGO i.V.m. § 185 GVG darauf abgestellt, ob eine hinreichende Verständigung möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.09.1990 - 1 CB 6/90 -, NJW 1990, 3102).
Anhaltspunkte dafür, dass Sprachschwierigkeiten vorgelegen haben könnten, die eine Verständigung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr in ausreichendem Maße ermöglichten, sind aber nicht ersichtlich. Vielmehr gab es nach den ausführlichen und überzeugenden Darlegungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils keinerlei Verständigungsschwierigkeiten. Die Klägerin hatte im Übrigen auch keine Rügen über die bereits beim Bundesamt in englischer Sprache durchgeführte Anhörung erhoben. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihren Anspruch auf rechtliches Gehör vor dem Verwaltungsgericht nicht in ausreichender Weise hätte wahrnehmen können, sind damit nicht ersichtlich und ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem tatsächlichen Vorbringen des Zulassungsantrags. Die gegenteilige Einschätzung des Zulassungsantrags ist spekulativ und in tatsächlicher Hinsicht unsubstantiiert.
Im Übrigen erscheint zweifelhaft, ob sich die Klägerin auf die geltend gemachten Sprachmittlungsschwierigkeiten noch berufen kann. Denn sie hat eine entsprechende Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht erhoben; jedenfalls geht dies weder aus dem Protokoll noch aus dem Beschwerdevorbringen hervor. Ebenso wenig ist dargelegt, dass - und ggf. was - die Klägerin bei Anwesenheit eines Dolmetschers für ihre Heimatsprache noch hätte vortragen wollen.
2. Auch soweit „die faktische Ablehnung des Beweisantrags“ gerügt worden ist, trifft das Vorbringen des Zulassungsantrags bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu.
Das Verwaltungsgericht hat die unter Beweis gestellte Tatsache vielmehr als wahr unterstellt. Aus der Tatsache, dass hieraus nicht die von der Klägerin angenommenen Folgerungen abgeleitet wurden, ergibt sich nicht die gerügte „faktische“ Ablehnung. Denn diese Schlussfolgerungen sind im Beweisthema nicht enthalten. Der mit dem Zulassungsantrag gerügte Umstand, dass das Verwaltungsgericht aus der unterstellten Tatsache nicht die von der Klägerin erwünschten Schlüsse gezogen hat, beinhaltet somit weder eine faktische Ablehnung des Beweisantrags noch verkürzt dies den Anspruch auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht zwar, das Vorbringen der Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf seine Erheblichkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Die Vorschrift schützt aber nicht davor, dass das Gericht einem tatsächlichen Umstand nicht die vom Kläger erwünschte Bedeutung zumisst oder die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.04.1983 - 2 BvR 678/81 u.a. -, BVerfGE 64, 1 [12]; Beschluss vom 16.06.1987 - 1 BvR 1113/86 -, BVerfGE 76, 93 [98]).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Zulassungsverfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei; der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz


(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselb

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 55


§§ 169, 171a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung finden entsprechende Anwendung.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 185


(1) Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Ein Nebenprotokoll in der fremden Sprache wird nicht geführt; jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in fremder Sprac

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§§ 169, 171a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung finden entsprechende Anwendung.

(1) Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Ein Nebenprotokoll in der fremden Sprache wird nicht geführt; jedoch sollen Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache, wenn und soweit der Richter dies mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache für erforderlich erachtet, auch in der fremden Sprache in das Protokoll oder in eine Anlage niedergeschrieben werden. In den dazu geeigneten Fällen soll dem Protokoll eine durch den Dolmetscher zu beglaubigende Übersetzung beigefügt werden.

(1a) Das Gericht kann gestatten, dass sich der Dolmetscher während der Verhandlung, Anhörung oder Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. Die Verhandlung, Anhörung oder Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.

(2) Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unterbleiben, wenn die beteiligten Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind.

(3) In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedarf es der Zuziehung eines Dolmetschers nicht, wenn der Richter der Sprache, in der sich die beteiligten Personen erklären, mächtig ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.