Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 27. Apr. 2016 - W 6 K 15.1167

bei uns veröffentlicht am27.04.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Entzug seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A18, A1, B, BE, C1, C1E, M, L und T.

Mit Bescheid vom 15.10.2015 entzog das Landratsamt K. (LRA) dem Kläger die Fahrerlaubnis (Nr. 1). Der Kläger wurde aufgefordert, den Führerschein unverzüglich, spätestens fünf Tage nach Zustellung des Bescheids, zurückzugeben, wobei für den Fall der Nichtbeachtung ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht wurde (Nrn. 2 und 3). Zur Begründung verwies das LRA auf folgende Zusammenstellung der Verkehrszuwiderhandlungen, die im Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes eingetragen gewesen seien:

Datum der

1. Tat

2. Entscheidung

3. Rechtskraft

Behörde/Gericht

Tatbestand:snummer/Tatbestandstext

Aktenzeichen

Pkt.

27.10.2006

22.11.2006

12.12.2006

BG-Beh. Stadt Hagen

141723: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h.

123500: Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten.

140031795

3

02.04.2007

01.10.2007

15.10.2007

AG Kitzingen

103763: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h..

2 Owi 952 Js 16130/07

3

12.10.2008

23.06.2009

29.06.2009

AG Erlangen

141721: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h.

9 Owi 913 Js 141167/09

1

27.11.2008

08.06.2009

30.06.2009

AG Amberg

141700: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h.

33404059

3

Mit Schreiben vom 01.09.2009 sei der Kläger verwarnt und auf die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar mit Punkteabzug hingewiesen worden. Eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem solchen Seminar sei dem LRA in der Folge nicht vorgelegt worden.

In der Folge seien folgende Verstöße in das Fahreignungsregister eingetragen und der Behörde mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 04.12.2012 bekanntgegeben worden:

Datum der

1. Tat

2. Entscheidung

3. Rechtskraft

Behörde/Gericht

Tatbestand:snummer/Tatbestandstext

Aktenzeichen

Pkt.

15.04.2010

27.07.2010

26.01.2011

BG-Beh. Polizei Thüringen ZBS Artern

141723: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 37 km/h.

TH 9914-12416710/3

3

26.07.2012

02.10.2012

20.10.2012

BG-Beh. ZBS Viechtach

141721: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h.

45401068

1

Der Punktestand habe damit acht Punkte nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 StVG a. F. betragen.

Mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 30.12.2014 seien dem LRA weitere ins Fahreignungsregister eingetragene Ordnungswidrigkeiten bekannt gegeben worden:

Datum der

1. Tat

2. Entscheidung

3. Rechtskraft

Behörde/Gericht

Tatbestand:snummer/Tatbestandstext

Aktenzeichen

Pkt.

04.04.2013

29.05.2013

08.11.2013

BG-Beh. ZBS Viechtach

141721: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h.

42-4004.0982.139.5

3

12.05.2013

22.05.2013

10.01.2014

BG-Beh. ZBS Viechtach

123624: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 35 km/h.

6090-049233-13/3

3

11.12.2013

23.12.2013

14.01.2014

BG-Beh. ZBS Viechtach

123624: Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten.

6090-049233-13/3

1

15.07.2014

24.11.2014

11.12.2014

BG-Beh. ZBS Viechtach

141723: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h.

5090-045898-14/2

1

Die nach früherem Recht mit 11 Punkten bewerteten Verstöße seien nach Umrechnung zum 01.05.2014 nunmehr mit fünf Punkten zu bewerten. Unter Einbeziehung sämtlicher Verstöße habe der Punktestand somit 6 Punkte betragen.

Der Kläger sei mit Schreiben des LRA vom 22.01.2015 schriftlich verwarnt worden. Ihm sei die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme an einem Fahreignungsseminar ohne Punkteabzug mitgeteilt worden.

Mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 01.09.2015 seien dem LRA weitere ins Fahreignungsregister eingetragene Ordnungswidrigkeiten bekannt gegeben worden:

Datum der

1. Tat

2. Entscheidung

3. Rechtskraft

Behörde/Gericht

Tatbestand:snummer/Tatbestandstext

Aktenzeichen

Pkt.

11.08.2014

02.02.2015

10.02.2015

AG Würzburg

123624: Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten.

261 Owi 972 Js 17778/14

1

20.01.2015

04.05.2015

12.08.2015

AG Kitzingen

123624: Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten.

2 Owi 972 Js 5898/15

1

Die Bewertung der eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen habe nunmehr acht Punkte betragen. Mit Schreiben vom 22.09.2015 sei die Anhörung zum Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt. Der Entzug stütze sich auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Der Bescheid wurde dem Kläger ausweislich Postzustellungsurkunde am 17.10.2015 und seinem Bevollmächtigten am 19.10.2015 zugestellt.

Am 13.11.2015 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 17.10.2015 erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG für die Entziehung der Fahrerlaubnis hätten nicht vorgelegen. Eine gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG zwingend notwendige Ermahnung des Klägers sei nicht erfolgt. Es dürfe aber keine Maßnahmenstufe übersprungen werden. Gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 StVG sei die am 01.05.2014 erreichte Stufe zugrunde zu legen. Der Kläger hätte also zwingend unverzüglich nach dem 01.05.2014 ermahnt werden müssen. Auch sei eine Rückstufung gemäß § 4 Abs. 6 StVG durchzuführen. Der Punktestand verringere sich dadurch auf fünf Punkte. Hinzu komme, dass durch die zum 05.12.2014 erfolgte Gesetzesänderung hinsichtlich § 4 StVG zulasten des Klägers bezüglich seiner Tat vom 11.08.2014 ein Fall von verfassungsrechtlich unzulässiger unechter Rückwirkung gegeben sei. Hätte sich der Kläger nicht gegen die Sanktionierung des Verstoßes vom 11.08.2014 zur Wehr gesetzt, dann wären auf diese Tat noch die Regelungen des § 4 StVG in der bis zum 05.12.2014 geltenden Fassung anzuwenden gewesen. Auch habe es die Fahrerlaubnisbehörde versäumt, nach Meldung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 12.02.2014 unverzüglich eine Anordnung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 StVG a. F. zu erlassen. Damit sei dem Kläger auch die Möglichkeit verwehrt worden, durch Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung einen Punkteabbau gemäß § 4 Abs. 4 StVG a. F. zu erreichen. Schließlich sei die Verwarnung vom 01.09.2009 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Der Kläger habe mit seiner Ehefrau ab 2005 in der K.-straße 39 in W… gewohnt. Die Verwarnung sei jedoch in die K.-straße 32 zugestellt worden, die schon lange unbewohnt sei. Das LRA habe hiervon auch Kenntnis gehabt, wie ein Schreiben der Landrätin an die Ehefrau vom 12.12.2008 belege. Das LRA habe gegen das Tattagprinzip verstoßen, da das Ergreifen weiterer Maßnahmen voraussetze, dass zeitlich nach der vorausgegangenen Maßnahme eine weitere Zuwiderhandlung begangen worden sei. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des Mehrfachtäterpunktesystems, insbesondere aus der Warnfunktion. Zudem könne der deutsche Führerschein nicht mehr abgegeben werden, da ihn der Kläger am 09.10.2015 in eine rumänische Fahrerlaubnis habe umschreiben lassen. Die Durchführung von Nrn. 2, 3 und 4 des Bescheides sei daher unmöglich, die Anordnungen somit rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Landratsamtes K. vom 15.10.2015 aufzuheben.

Das LRA beantragt für den Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, ein Überspringen von Maßnahmen sei nicht erfolgt. Insbesondere sei eine nochmalige unverzügliche Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG (n. F.) nicht erforderlich gewesen. Die Verwarnung vom 01.09.2009 sei ordnungsgemäß zugestellt worden. Sie sei ausweislich der Postzustellungsurkunde am 02.09.2009 an die Ehefrau des Klägers übergeben worden. Aus den Meldesystemauszügen vom 21.01.2015 und vom 22.10.2015 ergebe sich, dass der Kläger vom 25.01.1988 bis zum 01.01.2011 unter der Meldeanschrift K.-straße 32 gemeldet gewesen sei. Die Ehefrau des Klägers führe in der K.-straße 39 ein Künstleratelier; deshalb sei Post des LRA an diese Adresse versandt worden. Ein Verstoß gegen das Tattagprinzip liege nicht vor, da die Verwarnung vom 02.09.2009 (1. Stufe des alten Systems) ein erneutes Ergreifen der ersten Stufe nach Umstellung auf das neue System nicht erforderlich gemacht habe. Der Kläger habe den Punktestand für die maßgebliche erste Stufe nie unterschritten. Der rumänische Führerschein sei auf der Grundlage der deutschen Fahrerlaubnis erteilt worden, was sich aus der im rumänischen Führerschein eingetragenen Schlüsselzahl 70 und der deutschen Fahrerlaubnisnummer ergebe. Gemäß § 30a Abs. 1 Satz 1 FeV bleibe dadurch die deutsche Fahrerlaubnis unverändert bestehen. Gemäß § 46 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 FeV verliere der Kläger mit dem Entzug der Fahrerlaubnis das Recht, von der rumänischen Fahrerlaubnis im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Der Kläger sei zudem gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV verpflichtet, seinen rumänischen Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen. Die Zuständigkeit des Landratsamtes K. ergebe sich aus § 73 Abs. 3 FeV i.V. m. § 8 Abs. 1 ZustVVerk.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamtes K. vom 15.10.2015 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Der Entzug der Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheides vom 15.10.2015) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.1 Auf den vorliegenden Fall findet § 4 StVG in der ab 05.12.2014 anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 28.11.2014 (BGBl I S. 1802) Anwendung, da auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 19.10.2015 (Zustellung) abzustellen ist. Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten (vgl. BayVGH, B. v. 02.12.2015 - 11 CS 15.2138 - juris unter Verweis auf BVerwG, U. v. 27.09.1995 - 11 C 34.94 - BVerwGE 99, 249). In Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens ist dies hier der Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitbefangenen Bescheids.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist ihm zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde für das Ergreifen einer Maßnahme auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Damit hat der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung zum 01.05.2014 entwickelte Tattagprinzip normiert. Der Kläger hat durch die am 20.01.2015 begangene und am 04.05.2015 geahndete Ordnungswidrigkeit (Rechtskraft 12.08.2015) acht Punkte erreicht, so dass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

1.2 Nach § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Der für den Verkehrsverstoß vom 20.01.2015 anfallende eine Punkt konnte daher den zu diesem Zeitpunkt schon bestehenden sieben Punkten hinzugerechnet werden, obwohl am 22.01.2015 eine Verwarnung durch das LRA ausgesprochen worden war.

1.3 Der Kläger kann auch keine Punktereduzierung beanspruchen. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StVG (Verwarnung oder Fahrerlaubnisentziehung) erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StVG bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 StVG). Der Punktestand verringert sich dann mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte und im Fall der Verwarnung auf sieben Punkte, wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist (§ 4 Abs. 6 Satz 3 StVG). Diese Regelungen wurden (inhaltlich) bereits zum 01.05.2014 eingeführt, wenngleich § 4 Abs. 6 StVG mit Gesetz vom 28.11.2014 (BGBl I S. 1802) zum 05.12.2014 neu gefasst und durch weitere Regelungen ergänzt wurde.

1.3.1

Der Kläger hat das Stufensystem durchlaufen, ohne dass eine Punktereduzierung eingetreten wäre. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte ihn nach der damaligen Regelung mit Schreiben vom 01.09.2009 nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 05.03.2003 (BGBl I S. 310, StVG a. F.), damals zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl I S.3044), bei einem angenommenen Stand von 10 Punkten (erste Stufe der Maßnahmen nach dem Punktsystem). Diese Verwarnung war nach Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 01.05.2014 nicht zu wiederholen, da die (Neu-)Einordnung nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG allein (Umrechnung der Punkte) nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führt (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG; BayVGH, B. v. 07.01.2015 - 11 CS 14.2653 - juris Rn. 9). Es steht auch zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass das Schreiben des LRA vom 01.09.2009 den Kläger tatsächlich erreicht hat, so dass eine gegebenenfalls verunglückte Zustellung geheilt wurde (Art. 9 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz - VwZVG). Der Kläger hat erstmals in der Klagebegründungsschrift seines Bevollmächtigten vom 13.11.2015 vortragen lassen, er habe im Zeitpunkt der Zustellung des Schreibens vom 01.09.2009 am 02.09.2009 nicht mehr in der K.-straße 32, sondern in der K1.straße 39 gewohnt. Die Kammer stellt dazu fest, dass sich die Anwesen K1.straße 32 und K.-straße 39 in W… an der Straße einander gegenüber liegen, wie sich mittels google.de/maps feststellen lässt und wie es auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Fest steht auch, dass der Kläger am 02.09.2009 mit Wohnsitz K.-straße 32 gemeldet war und dass seine Ehefrau in der K.-straße 39 ein Atelier betrieb. Ausweislich der Postzustellungsurkunde (Art. 1 Abs. 5, Art. 2 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 VwZVG i.V. m. § 182 ZPO) vom 02.09.2009 wurde das Schriftstück unter der (Wohn-)Adresse K.-straße 32 an die Ehefrau des Klägers übergeben. Die Zustellungsurkunde begründet den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (§ 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 ZPO). Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsache zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Der Gegenbeweis erfordert jedoch den Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Hierfür muss der Beweispflichtige zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsache, etwa ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine inhaltlich falsche Beurkundung in der Postzustellungsurkunde, darlegen (vgl. BVerwG, B. v. 19.03.2002 - 2 WDB 15.01 - juris Rn. 6; B. v. 10.11.1993 - 2 B 153.93 - juris Rn. 3; B. v. 05.03.1992 - 2 B 22.92 - juris Rn. 4). Diesen Anforderungen genügt die Klagebegründung nicht. Soweit sie ausführt, der Wohnsitz sei bereits zuvor in das Anwesen K.-straße 39 verlegt worden, hat die Ehefrau des Klägers doch die Zustellung in dem Anwesen K.-straße 32 als Wohnsitzadresse entgegengenommen. Das spricht dafür, dass die Meldeadresse auch weiterhin die Wohnsitzadresse war, gegebenenfalls neben einem weiteren Wohnsitz über der Straße im Anwesen K.-straße 39. Daraus, dass andere Post des LRA an die Ehefrau des Klägers mit K.-straße 39 adressiert war, ergibt sich schon deshalb nichts anderes, da es sich um Post im Zusammenhang mit dem Atelier der Ehefrau handelte, wie das LRA unwidersprochen vorgetragen hat. Darüber hinaus hat der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung nach Hinweis des Gerichts auf Art. 9 VwZVG vorgetragen, das Schreiben des LRA überhaupt nicht erhalten zu haben. Die Kammer bewertet diesen Vortrag schon wegen des verspäteten Vorbringens als Schutzbehauptung ohne Wahrheitskern, da es bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nahegelegen hätte, dies bereits im Verwaltungsverfahren, spätestens aber in der Klagebegründung vorzubringen. Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten in der Klagebegründungsschrift beziehen sich aber ausdrücklich nur auf die Fehlerhaftigkeit der Zustellung, nicht aber auf den fehlenden tatsächlichen Zugang. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Kläger tatsächlich von dem Schreiben des LRA Kenntnis genommen hat, so dass jedenfalls die Heilung eines eventuellen Zustellungsmangels nach Art. 9 VwZVG eingetreten ist.

1.3.2

Auch die zweite Stufe des Verwarnungssystems wurde ordnungsgemäß durchlaufen. Die Fahrerlaubnisbehörde sprach bei einem im Fahreignungsregister eingetragenen Stand von 6 Punkten (nach neuer Fassung) mit Schreiben vom 22.01.2015 eine Verwarnung aus (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG).

1.3.3

Eine Punktereduzierung, weil die Fahrerlaubnisbehörde die Meldung des Kraftfahrbundesamtes vom 12.02.2014 mit einem Punktestand von 15 nach alter Rechnung nicht rechtzeitig in eine Verwarnung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG (a. F.) umgesetzt habe, kommt nicht in Betracht. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG (a. F.) trat eine Punktereduzierung kraft Gesetzes nur ein, wenn die Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG (a. F.) von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ergriffen wurde. Diese Maßnahme wurde indes mit dem bereits erörterten Schreiben des LRA vom 01.09.2009 ergriffen. Auch eine „fiktive“ Punktereduzierung deshalb, weil die Verwarnung und die damit verbundene Hinweis auf die Möglichkeit einer Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung nach § 4 Abs. 9 StVG (a. F.) mit der Möglichkeit der Punktereduzierung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 StVG (a. F.) von der Fahrerlaubnisbehörde nicht unmittelbar nach der Mitteilung des Kraftfahrbundesamtes vom 12.02.2014 ausgesprochen wurde, ist nicht eingetreten. Der Kläger hält eine solche Reduzierung für verfassungsrechtlich geboten, weil ihm die Möglichkeit zur Punktereduzierung durch die Änderung des § 4 StVG mit Wirkung vom 01.05.2014 genommen worden sei und es sich bei dieser Gesetzesänderung um eine unzulässige unechte Rückwirkung handele. Inhaltlich greift der Kläger damit die Übergangsregelungen des § 65 Abs. 3 StVG, insbesondere des § 65 Abs. 3 Nr. 5 StVG, an, der sich mit der Überführung der Regelungen über Punkteabzüge und Aufbauseminare befasst und der dem Kläger in der vorliegenden Konstellation keine Möglichkeit zur Punkteregulierung einräumt. Die Übergangsbestimmungen des § 65 Abs. 3 StVG verletzen den Kläger indes nicht in seinen Grundrechten. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht ersichtlich. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, B. v. 24.03.2015 - 1 BvR 2880/11 - juris Rn. 38 f. m. w. N.). Für den Übergang von einer älteren zu einer neueren, den rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers besser entsprechenden Regelung ist diesem notwendig ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtags- und Übergangsvorschriften beschränkt sich grundsätzlich darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung sachlich vertretbar erscheint (vgl. BVerfG, B. v. 01.04.2014 - 2 BvL 2/09 - juris Rn. 50 m. w. N.). Gemessen an diesen Vorgaben ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidungen des Gesetzgebers in § 65 Abs. 3 StVG verfassungsrechtlich zu beanstanden sein könnte (vgl. auch BayVGH, B. v. 18.01.2016 - 11 CS 15.2598 - juris zu § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG). Die Anwendung des § 65 Abs. 3 StVG ist insbesondere mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar. Dieser Grundsatz, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten ableitet, engt die Befugnis des Gesetzgebers ein, die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich zu ändern (vgl. BVerwG, U. v. 16.03.2015 - 6 C 31/14 - juris Rn. 21; BVerfG, B. v. 07.07.2010 - 2 BvL 14/02 - BVerfGE 127, 1/16 m. w. N.). Im vorliegenden Fall liegt aber weder eine „echte“ noch eine „unechte“ Rückwirkung vor, denn die Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem knüpft nicht an abgeschlossene oder bereits ins Werk gesetzte Tatbestände an, sondern an die Eintragung weiterer Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten in das Fahreignungsregister. Selbst wenn man eine „unechte“ Rückwirkung annehmen wollte, da der zum 30.04.2014 bestehende Punktestand umgerechnet und dann an diese neue Punktzahl angeknüpft wird, kann der Kläger kein Vertrauen in die Beibehaltung der früheren Rechtslage geltend machen. Spätestens mit dem endgültigen Beschluss des Deutschen Bundestages über einen Gesetzentwurf müssen die Betroffenen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten (vgl. BVerfG, B. v. 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 57). Die Änderung des Punktesystems zum 01.05.2014 hatte der Bundestag aber schon am 28.08.2013, also weit vor den zur Entziehung der Fahrerlaubnis führenden Verkehrsordnungswidrigkeiten des Klägers beschlossen.

Soweit der Kläger auf den Zweck des früheren Punktesystems, dem Betroffenen die Gelegenheit zur Verhaltensänderung zu geben, hinweist, kann daraus kein anderer Schluss gezogen werden. Der Kläger wurde verwarnt. Nach seinem - allerdings nicht überprüfbaren Vorbringen - hat er auch an einer verkehrspsychologischen Schulung teilgenommen. Damit hatte er ausreichend Gelegenheit, sein Verhalten zu überdenken und zu ändern. Beide Maßnahmen haben aber offensichtlich keine Wirkung gezeigt und nicht zu einer Verhaltensänderung geführt, da er nach der Verwarnung und der Schulung erneut und laufend Ordnungswidrigkeiten begangen hat. Es gibt schließlich in diesem Zusammenhang keinen Hinweis darauf, dass die Fahrerlaubnisbehörde es nach Eingang der Meldung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 12.02.2014 schuldhaft unterlassen hat, auf das Erreichen des Punktestandes von 15 hinzuweisen. Anhaltspunkte für eine bewusste Verzögerung oder eine sonst offensichtlich sachwidrige Vorgehensweise der Behörde sind nicht erkennbar (vgl. OVG NRW, B. v. 20.7.2015 - 12 ME 78/15 - juris; B. v. 27.4.2015 - 16 B 226/15 - NJW 2015, 2136). Vielmehr hat die nachfolgende Gesetzesänderung dem Kläger die Möglichkeit zum Punkteabbau genommen.

1.3.4

Dem Kläger kommt schließlich auch keine Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG (n. F.) zugute. Bei der Frage, ob dem Betreffenden eine Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG zugutekommt, ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 StVG nicht auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Ahndung oder Eintragung im Fahreignungsregister der letzten zu berücksichtigenden Zuwiderhandlung abzustellen, sondern es kommt allein darauf an, ob bei Ergreifen der weiteren Maßnahme die vorherige Maßnahme tatsächlich schon rechtmäßig ergriffen wurde. Diese Auslegung wird auch durch den Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG gestützt, wonach auch im Falle einer Verringerung der Punktezahl nach Satz 3 der Vorschrift Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand erhöhen (vgl. auch BayVGH, B. v. 02.12.2015 - 11 CS 15.2138 - juris Rn. 18).

Unabhängig von seiner Formulierung und seiner systematischen Stellung in der einschlägigen Vorschrift gilt das ganz allgemein. Es wäre widersinnig, bei der Berechnung des Punktestands Zuwiderhandlungen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG), andererseits aber eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 bis 3 StVG anzunehmen, wenn der Betreffende vor der vorhergehenden Maßnahme bereits weitere Zuwiderhandlungen begangen hat. Der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG löst den Widerspruch dahingehend auf, dass die Kenntnis der Behörde von den rechtskräftig mit bindender Wirkung (§ 4 Abs. 5 Satz 4 StVG) geahndeten und im Fahreignungsregister eingetragenen Verkehrsverstößen maßgeblich ist. Eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG tritt somit nur ein, wenn der Fahrerlaubnisbehörde am Tag der ergriffenen Maßnahme weitere Verkehrsverstöße bekannt sind, die zu einer Einstufung in eine höhere Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG führen (vgl. BayVGH, U. v. 11.08.2015 - 11 BV 15.909 - VRS 129, 27).

Eine solche Auslegung entspricht auch dem Zweck der Rechtsänderungen zum 01.05.2014 und 05.12.2014. Der Gesetzgeber wollte sich gemäß der Gesetzesbegründung von den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 25.09.2008 (Az. 3 C 3/07) für das ab 01.05.2014 geltende neue System mit den Erwägungen zur Punkteentstehung und zum Tattagprinzip bewusst absetzen (BT-Drs. 18/2775, S. 9). Es soll nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nicht mehr darauf ankommen, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Vielmehr kommt es unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten und für das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, auf die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems an (BT-Drs. 18/2775, S. 9 f.). Insbesondere bei Konstellationen, in denen in kurzer Zeit wiederholt und schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen wurde, was ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit bedeutet, soll nach Ansicht des Gesetzgebers in Abwägung mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit nicht über bestimmte Verkehrsverstöße hinweggesehen werden (vgl. BT-Drs. 18/2775, S. 10). Die Prüfung der Behörde, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden ist, ist daher vom Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen und beeinflusst das Entstehen von Punkten nicht (BT-Drs. 18/2775, S. 10). Mit § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG soll nach der Gesetzesbegründung verdeutlicht werden, dass Verkehrsverstöße auch dann mit Punkten zu bewerten sind, wenn sie vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden sind, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnten, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen wurden oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sind (BT-Drs. 18/2775, S. 10). Eine solche Konstellation, in der die Behörde erst nach Ergreifen einer Maßnahme von einem weiteren - vorher begangenen - Verkehrsverstoß erfahren hat, liegt hier vor, denn die Fahrerlaubnisbehörde hatte vor dem Eingang der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts am 14.09.2015 keine Kenntnis von dem rechtskräftig geahndeten Verkehrsverstoß vom 20.01.2015. Gerade die von der Gesetzesbegründung genannte Konstellation, bei der in kurzer Zeit wiederholt und schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen wird, was ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit bedeutet, liegt im Fall des Klägers vor. Er hat wiederholt die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften teilweise erheblich überschritten und auch wiederholt ein Mobiltelefon am Steuer verwendet.

Die Fahrerlaubnisbehörde hat hier jeweils unverzüglich nach Kenntniserlangung von den im Fahreignungsregister eingetragenen Punkten die entsprechenden Maßnahmen ergriffen (vgl. hierzu VGH BW, B. v. 06.08.2015 - 10 S 1176/15 - DÖV 2015, 935; vgl. auch OVG NW, B. v. 27.04.2015 - 16 B 226/15 - juris Rn. 13). Ob die Fahrerlaubnisbehörde sich ggf. schuldhafte Verzögerungen durch andere Behörden (Staatsanwaltschaften, Kraftfahrbundesamt) bei der Übermittlung der Daten zurechnen lassen muss, kann offenbleiben, denn solche schuldhaften Verzögerungen liegen hier nicht vor.

Nach § 28 Abs. 4 StVG teilen die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden dem Kraftfahrbundesamt unverzüglich die nach § 28 Abs. 3 StVG zu speichernden Daten mit. Die Eintragung von Entscheidungen im Fahreignungsregister stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern dient nur der Sammlung von Informationen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 28 StVG Rn. 17). Über den Verkehrsverstoß vom 20.01.2015 wurde am 04.05.2015 entschieden. Die ab dem 12.08.2015 rechtskräftige Entscheidung wurde dem LRA am 14.09.2015 und damit ohne schuldhafte Verzögerung mitgeteilt.

Durchgreifende Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 5 und 6 StVG bestehen nicht (BayVGH, B. v. 02.12.2015 - 11 CS 15.2138 - juris Rn. 25). Es stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG dar, dass der Gesetzgeber die in § 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 StVG a. F. geregelte Warn- und Erziehungsfunktion und die damit einhergehende Verringerung der Punktestände weitestgehend aufgegeben hat. Es ist nicht ersichtlich, dass es verfassungsrechtlich geboten wäre, eine solche Begünstigung für Personen, die in kurzen zeitlichen Abständen erhebliche Verkehrsverstöße begehen, beizubehalten. Nach der Begründung des Gesetzes vom 28.11.2014 (BT-Drs. 18/2775, S. 9) dient das Stufensystem der Information des Betroffenen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann aber nur informieren, wenn ihr die mit Punkten bewehrten Verkehrsverstöße bekannt sind. Soweit keine willkürliche Verzögerung der Kenntnisnahme durch die Behörde vorliegt, ist es nicht zu beanstanden, die entsprechenden Maßnahmen vom Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde abhängig zu machen (vgl. BayVGH, U. v. 11.08.2015 - 11 BV 15.909 - VRS 129, 27; OVG NW, B. v. 27.04.2015 - 16 B 226/15 - juris Rn. 13).

1.3.5

Die Eintragungen bezüglich der Verstöße von 15.04.2010, 26.07.2012 und 11.12.2013 waren bei Erlass des Entzugsbescheides vom 15.10.2015 auch noch nicht tilgungsreif. Sie unterliegen nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG bis 30.04.2019 weiterhin den Tilgungsvorschriften der Bestimmungen des § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30.04.2014 anwendbaren Fassung (StVG a. F.). Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG a. F. betrugen die Tilgungsfristen bei Entscheidungen über Ordnungswidrigkeiten zwar nur zwei Jahre. Die Tilgung einer Eintragung war nach § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG a. F. indes im Falle der Eintragung mehrerer Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 9 StVG a. F. regelmäßig erst zulässig, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorlagen (sog. Ablaufhemmung). Die Tilgungsfristen begannen gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 4 StVG a. F. bei Bußgeldentscheidungen mit dem Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidungen. Diese trat für die Verstöße vom 15.04.2010 am 26.01.2011, vom 26.07.2012 am 20.10.2012 ein. Bereits am 04.04.2013 fand der nächste Verstoß statt (Rechtskraft 08.11.2013), danach am 12.05.2013 (Rechtskraft 10.01.2014), sodann am 11.12.2013 (Rechtskraft am 14.01.2014). Die Tilgungsfristen dieser Verstöße konnten daher wegen der Ablaufhemmung aufgrund nachfolgender Verstöße jeweils innerhalb der Zwei-Jahresfrist nicht ablaufen. Die absolute Tilgungsfrist von fünf Jahren (§ 29 Abs. 6 Satz 4 StVG a. F.) war beginnend mit der Rechtskraft am 26.01.2011 bei Begehung der letzten Tat am 20.01.2015 ebenfalls noch nicht abgelaufen.

Die Ablaufhemmung erscheint auch nicht unverhältnismäßig, obwohl sie seit der Rechtsänderung am 01.05.2014 in § 29 StVG n. F. nicht mehr vorgesehen ist (vgl. BayVGH, B. v. 30.9.2015 - 11 ZB 15.1591 - juris), zumal auch die Tilgungsfristen neu geregelt wurden.

1.4 Nach alldem hat das LRA dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen. Die Umschreibung der Fahrerlaubnis in einen rumänischen Führerschein am 09.10.2015, also vor Erlass des Entzugsbescheides, ändert an der Rechtmäßigkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis durch die deutsche Fahrerlaubnisbehörde nichts, da von den rumänischen Behörden keine neue Fahrerlaubnis erteilt wurde, sondern sich der rumänische Führerschein auf die deutsche Fahrerlaubnis bezieht. Gemäß § 46 Abs. 5 FeV hat der Entzug der Fahrerlaubnis insoweit die Wirkung, dass der Kläger von dem rumänischen Führerschein in Deutschland keinen Gebrauch machen darf.

Die Zuständigkeit des LRA ergibt sich entweder nach § 73 Abs. 2 FeV oder nach § 73 Abs. 3 FeV, wenn der Kläger seinen Wohnsitz tatsächlich in das Ausland verlagert hat.

2. Hinsichtlich der Nrn. 2 und 3 ist der Bescheid vom 15.10.2015 obsolet geworden, nachdem der Kläger seinen deutschen Führerschein bei den rumänischen Behörden abgegeben hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

(1) Erweist sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung - auch wenn sie nach anderen Vorschriften erfolgt - die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. § 2 Abs. 7 und 8 gilt entsprechend.

(2) Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Nach der Entziehung ist der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern oder zur Eintragung der Entscheidung vorzulegen. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis auf Grund anderer Vorschriften entzieht.

(3) Solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 des Strafgesetzbuchs in Betracht kommt, darf die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Dies gilt nicht, wenn die Fahrerlaubnis von einer Dienststelle der Bundeswehr, der Bundespolizei oder der Polizei für Dienstfahrzeuge erteilt worden ist.

(4) Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen.

(5) Die Fahrerlaubnisbehörde darf der Polizei die verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis oder das Bestehen eines Fahrverbots übermitteln, soweit dies im Einzelfall für die polizeiliche Überwachung im Straßenverkehr erforderlich ist.

(6) Für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland gelten die Vorschriften über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht entsprechend.

(7) Durch Rechtsverordnung auf Grund des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 können Fristen und Voraussetzungen

1.
für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht oder
2.
für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland
bestimmt werden.

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

(1) Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse, die sich am 1. Januar 1999 bereits in den Akten befinden, brauchen abweichend von § 2 Abs. 9 Satz 2 bis 4 erst dann vernichtet zu werden, wenn sich die Fahrerlaubnisbehörde aus anderem Anlass mit dem Vorgang befasst. Eine Überprüfung der Akten muss jedoch spätestens bis zum 1. Januar 2014 durchgeführt werden. Anstelle einer Vernichtung der Unterlagen sind die darin enthaltenen Daten zu sperren, wenn die Vernichtung wegen der besonderen Art der Führung der Akten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(2) Ein örtliches Fahrerlaubnisregister (§ 48 Abs. 1) darf nicht mehr geführt werden, sobald

1.
sein Datenbestand mit den in § 50 Abs. 1 genannten Daten in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommen worden ist,
2.
die getroffenen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 und § 4 Absatz 5 in das Fahreignungsregister übernommen worden sind und
3.
der Fahrerlaubnisbehörde die Daten, die ihr nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 und § 52 Abs. 1 Nr. 3 aus den zentralen Registern mitgeteilt werden dürfen, durch Abruf im automatisierten Verfahren mitgeteilt werden können.
Die Fahrerlaubnisbehörden löschen aus ihrem örtlichen Fahrerlaubnisregister spätestens bis zum 31. Dezember 2014 die im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten, nachdem sie sich von der Vollständigkeit und Richtigkeit der in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommenen Einträge überzeugt haben. Die noch nicht im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten der Fahrerlaubnisbehörden werden bis zur jeweiligen Übernahme im örtlichen Register gespeichert. Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 werden erst dann im Fahreignungsregister gespeichert, wenn eine Speicherung im örtlichen Fahrerlaubnisregister nicht mehr vorgenommen wird.

(2a) Absatz 2 ist nicht auf die Daten anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1999 in örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeichert worden sind.

(3) Die Regelungen über das Verkehrszentralregister und das Punktsystem werden in die Regelungen über das Fahreignungsregister und das Fahreignungs-Bewertungssystem nach folgenden Maßgaben überführt:

1.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wären, werden am 1. Mai 2014 gelöscht. Für die Feststellung nach Satz 1, ob eine Entscheidung nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wäre, bleibt die Höhe der festgesetzten Geldbuße außer Betracht.
2.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und nicht von Nummer 1 erfasst sind, werden bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Dabei kann eine Ablaufhemmung nach § 29 Absatz 6 Satz 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung nicht durch Entscheidungen, die erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, ausgelöst werden. Für Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 24a gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass sie spätestens fünf Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung getilgt werden. Ab dem 1. Mai 2019 gilt
a)
für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Absatz 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Tilgungsfrist angerechnet wird,
b)
für die Löschung § 29 Absatz 6 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung.
3.
Auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, sind dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s in der bis zum 27. Juli 2021 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Dabei sind § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb und § 28a in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils anstelle der dortigen Grenze von sechzig Euro die Grenze von vierzig Euro gilt.
4.
Personen, zu denen bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister eine oder mehrere Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung gespeichert worden sind, sind wie folgt in das Fahreignungs-Bewertungssystem einzuordnen:
Punktestand
vor dem
1. Mai 2014
Fahreignungs-Bewertungssystem ab dem 1. Mai 2014
PunktestandStufe
1 –  31Vormerkung
(§ 4 Absatz 4)
4 –  52
6 –  73
8 – 1041: Ermahnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1)
11 – 135
14 – 1562: Verwarnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2)
16 – 177
> = 1883: Entzug
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3)
Die am 1. Mai 2014 erreichte Stufe wird für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Die Einordnung nach Satz 1 führt allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
5.
Die Regelungen über Punkteabzüge und Aufbauseminare werden wie folgt überführt:
a)
Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung sind vorzunehmen, wenn die Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung bis zum Ablauf des 30. April 2014 der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorgelegt worden ist. Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung bleiben bis zur Tilgung der letzten Eintragung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, längstens aber zehn Jahre ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert.
b)
Bei der Berechnung der Fünfjahresfrist nach § 4 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind auch Punkteabzüge zu berücksichtigen, die nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung vorgenommen worden sind.
c)
Aufbauseminare, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 nicht abgeschlossen worden sind, sind bis zum Ablauf des 30. November 2014 nach dem bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Recht durchzuführen.
d)
Abweichend von Buchstabe c kann anstelle von Aufbauseminaren, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 noch nicht begonnen worden sind, die verkehrspädagogische Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars absolviert werden.
e)
Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung mitzuteilen.
6.
Nachträgliche Veränderungen des Punktestandes nach den Nummern 2 oder 5 führen zu einer Aktualisierung der nach der Tabelle zu Nummer 4 erreichten Stufe im Fahreignungs-Bewertungssystem.
7.
Sofern eine Fahrerlaubnis nach § 4 Absatz 7 in der bis zum 30. April 2014 anwendbaren Fassung entzogen worden ist, ist § 4 Absatz 3 Satz 1 bis 3 auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nicht anwendbar.

(4) (weggefallen)

(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 6f Absatz 2, längstens bis zum Ablauf des 31. Juli 2018, gelten die in den Gebührennummern 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 15. September 2015 (BGBl. I S. 1573) geändert worden ist, in der am 6. Dezember 2016 geltenden Fassung festgesetzten Gebühren als Entgelte im Sinne des § 6f Absatz 1. Die Gebührennummern 403 und 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sind nicht mehr anzuwenden.

(6) Die durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1653) geänderten Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes sind nicht anzuwenden, sofern der Unfall vor dem 17. Juli 2020 eingetreten ist.

(7) Ordnungswidrigkeiten nach § 23 in der bis zum Ablauf des 27. Juli 2021 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

(1) Wird ein auf Grund einer deutschen Fahrerlaubnis ausgestellter Führerschein in einen Führerschein eines anderen Staates umgetauscht, bleibt die Fahrerlaubnis unverändert bestehen. Bei einem Rücktausch in einen deutschen Führerschein sind in diesem die noch gültigen Fahrerlaubnisklassen unverändert zu dokumentieren.

(2) Der Führerschein ist nur gegen Abgabe des ausländischen Führerscheins auszuhändigen. Die nach Landesrecht zuständige Behörde (Fahrerlaubnisbehörde) sendet den Führerschein unter Angabe der Gründe über das Kraftfahrt-Bundesamt an die Behörde zurück, die sie jeweils ausgestellt hatte, sofern es sich um einen EU- oder EWR-Führerschein handelt oder wenn mit dem betreffenden Staat eine entsprechende Vereinbarung besteht. In den anderen Fällen nimmt sie den Führerschein in Verwahrung. Er darf nur gegen Abgabe des auf seiner Grundlage ausgestellten inländischen Führerscheins wieder ausgehändigt werden. In begründeten Fällen kann die Fahrerlaubnisbehörde davon absehen, den ausländischen Führerschein in Verwahrung zu nehmen oder ihn an die ausländische Stelle zurückzuschicken. Verwahrte Führerscheine können nach drei Jahren vernichtet werden.

(1) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

(2) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, schränkt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Bei Inhabern ausländischer Fahrerlaubnisse schränkt die Fahrerlaubnisbehörde das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Die Anlagen 4, 5 und 6 sind zu berücksichtigen.

(3) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.

(4) Die Fahrerlaubnis ist auch zu entziehen, wenn der Inhaber sich als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Rechtfertigen Tatsachen eine solche Annahme, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen. § 11 Absatz 6 bis 8 ist entsprechend anzuwenden.

(5) Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

(6) Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.

(1) Nach der Entziehung sind von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern oder bei Beschränkungen oder Auflagen zur Eintragung vorzulegen. Die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage des Führerscheins besteht auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat.

(2) Nach der Entziehung oder der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung oder bei Beschränkungen oder Auflagen sind ausländische und im Ausland ausgestellte internationale Führerscheine unverzüglich der entscheidenden Behörde vorzulegen; Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Nach einer Entziehung oder der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung wird auf dem Führerschein vermerkt, dass von der Fahrerlaubnis im Inland kein Gebrauch gemacht werden darf. Dies soll in der Regel durch die Anbringung eines roten, schräg durchgestrichenen „D“ auf einem dafür geeigneten Feld des Führerscheins, im Falle eines EU-Kartenführerscheins im Feld 13, und bei internationalen Führerscheinen durch Ausfüllung des dafür vorgesehenen Vordrucks erfolgen. Im Falle von Beschränkungen oder Auflagen werden diese in den Führerschein eingetragen. Die entscheidende Behörde teilt die Aberkennung der Fahrberechtigung oder die Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung in Deutschland der Behörde, die den Führerschein ausgestellt hat, über das Kraftfahrt-Bundesamt mit. Erfolgt die Entziehung durch die erteilende oder eine sonstige zuständige ausländische Behörde, sind ausländische und im Ausland ausgestellte internationale Führerscheine unverzüglich der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen und dort in Verwahrung zu nehmen. Die Fahrerlaubnisbehörde sendet die Führerscheine über das Kraftfahrt-Bundesamt an die entziehende Stelle zurück.

(3) Ist dem Betroffenen nach § 31 eine deutsche Fahrerlaubnis erteilt worden, ist er aber noch im Besitz des ausländischen Führerscheins, ist auf diesem die Entziehung oder die Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung zu vermerken. Der Betroffene ist verpflichtet, der Fahrerlaubnisbehörde den Führerschein zur Eintragung vorzulegen.

(1) Diese Verordnung wird, soweit nicht die obersten Landesbehörden oder die höheren Verwaltungsbehörden zuständig sind oder diese Verordnung etwas anderes bestimmt, von den nach Landesrecht zuständigen unteren Verwaltungsbehörden oder den Behörden, denen durch Landesrecht die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde zugewiesen werden (Fahrerlaubnisbehörden), ausgeführt. Die zuständigen obersten Landesbehörden und die höheren Verwaltungsbehörden können diesen Behörden Weisungen auch für den Einzelfall erteilen.

(2) Örtlich zuständig ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Behörde des Ortes, in dem der Antragsteller oder Betroffene seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung, hat (§ 21 Absatz 2 des Bundesmeldegesetzes, in der jeweils geltenden Fassung), mangels eines solchen die Behörde des Aufenthaltsortes, bei juristischen Personen, Handelsunternehmen oder Behörden die Behörde des Sitzes oder des Ortes der beteiligten Niederlassung oder Dienststelle. Anträge können mit Zustimmung der örtlich zuständigen Behörde von einer gleichgeordneten auswärtigen Behörde behandelt und erledigt werden. Die Verfügungen der Behörde nach Satz 1 und 2 sind im gesamten Inland wirksam, es sei denn, der Geltungsbereich wird durch gesetzliche Regelung oder durch behördliche Verfügung eingeschränkt. Verlangt die Verkehrssicherheit ein sofortiges Eingreifen, kann anstelle der örtlich zuständigen Behörde jede ihr gleichgeordnete Behörde mit derselben Wirkung Maßnahmen auf Grund dieser Verordnung vorläufig treffen.

(3) Hat der Betroffene keinen Wohn- oder Aufenthaltsort im Inland, ist für Maßnahmen, die das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen betreffen, jede untere Verwaltungsbehörde (Absatz 1) zuständig.

(4) Die Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden, der höheren Verwaltungsbehörden und der obersten Landesbehörden werden für die Dienstbereiche der Bundeswehr, der Bundespolizei und der Polizei durch deren Dienststellen nach Bestimmung der Fachministerien wahrgenommen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

(1) Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse, die sich am 1. Januar 1999 bereits in den Akten befinden, brauchen abweichend von § 2 Abs. 9 Satz 2 bis 4 erst dann vernichtet zu werden, wenn sich die Fahrerlaubnisbehörde aus anderem Anlass mit dem Vorgang befasst. Eine Überprüfung der Akten muss jedoch spätestens bis zum 1. Januar 2014 durchgeführt werden. Anstelle einer Vernichtung der Unterlagen sind die darin enthaltenen Daten zu sperren, wenn die Vernichtung wegen der besonderen Art der Führung der Akten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(2) Ein örtliches Fahrerlaubnisregister (§ 48 Abs. 1) darf nicht mehr geführt werden, sobald

1.
sein Datenbestand mit den in § 50 Abs. 1 genannten Daten in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommen worden ist,
2.
die getroffenen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 und § 4 Absatz 5 in das Fahreignungsregister übernommen worden sind und
3.
der Fahrerlaubnisbehörde die Daten, die ihr nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 und § 52 Abs. 1 Nr. 3 aus den zentralen Registern mitgeteilt werden dürfen, durch Abruf im automatisierten Verfahren mitgeteilt werden können.
Die Fahrerlaubnisbehörden löschen aus ihrem örtlichen Fahrerlaubnisregister spätestens bis zum 31. Dezember 2014 die im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten, nachdem sie sich von der Vollständigkeit und Richtigkeit der in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommenen Einträge überzeugt haben. Die noch nicht im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten der Fahrerlaubnisbehörden werden bis zur jeweiligen Übernahme im örtlichen Register gespeichert. Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 werden erst dann im Fahreignungsregister gespeichert, wenn eine Speicherung im örtlichen Fahrerlaubnisregister nicht mehr vorgenommen wird.

(2a) Absatz 2 ist nicht auf die Daten anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1999 in örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeichert worden sind.

(3) Die Regelungen über das Verkehrszentralregister und das Punktsystem werden in die Regelungen über das Fahreignungsregister und das Fahreignungs-Bewertungssystem nach folgenden Maßgaben überführt:

1.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wären, werden am 1. Mai 2014 gelöscht. Für die Feststellung nach Satz 1, ob eine Entscheidung nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wäre, bleibt die Höhe der festgesetzten Geldbuße außer Betracht.
2.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und nicht von Nummer 1 erfasst sind, werden bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Dabei kann eine Ablaufhemmung nach § 29 Absatz 6 Satz 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung nicht durch Entscheidungen, die erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, ausgelöst werden. Für Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 24a gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass sie spätestens fünf Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung getilgt werden. Ab dem 1. Mai 2019 gilt
a)
für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Absatz 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Tilgungsfrist angerechnet wird,
b)
für die Löschung § 29 Absatz 6 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung.
3.
Auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, sind dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s in der bis zum 27. Juli 2021 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Dabei sind § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb und § 28a in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils anstelle der dortigen Grenze von sechzig Euro die Grenze von vierzig Euro gilt.
4.
Personen, zu denen bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister eine oder mehrere Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung gespeichert worden sind, sind wie folgt in das Fahreignungs-Bewertungssystem einzuordnen:
Punktestand
vor dem
1. Mai 2014
Fahreignungs-Bewertungssystem ab dem 1. Mai 2014
PunktestandStufe
1 –  31Vormerkung
(§ 4 Absatz 4)
4 –  52
6 –  73
8 – 1041: Ermahnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1)
11 – 135
14 – 1562: Verwarnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2)
16 – 177
> = 1883: Entzug
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3)
Die am 1. Mai 2014 erreichte Stufe wird für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Die Einordnung nach Satz 1 führt allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
5.
Die Regelungen über Punkteabzüge und Aufbauseminare werden wie folgt überführt:
a)
Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung sind vorzunehmen, wenn die Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung bis zum Ablauf des 30. April 2014 der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorgelegt worden ist. Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung bleiben bis zur Tilgung der letzten Eintragung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, längstens aber zehn Jahre ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert.
b)
Bei der Berechnung der Fünfjahresfrist nach § 4 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind auch Punkteabzüge zu berücksichtigen, die nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung vorgenommen worden sind.
c)
Aufbauseminare, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 nicht abgeschlossen worden sind, sind bis zum Ablauf des 30. November 2014 nach dem bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Recht durchzuführen.
d)
Abweichend von Buchstabe c kann anstelle von Aufbauseminaren, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 noch nicht begonnen worden sind, die verkehrspädagogische Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars absolviert werden.
e)
Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung mitzuteilen.
6.
Nachträgliche Veränderungen des Punktestandes nach den Nummern 2 oder 5 führen zu einer Aktualisierung der nach der Tabelle zu Nummer 4 erreichten Stufe im Fahreignungs-Bewertungssystem.
7.
Sofern eine Fahrerlaubnis nach § 4 Absatz 7 in der bis zum 30. April 2014 anwendbaren Fassung entzogen worden ist, ist § 4 Absatz 3 Satz 1 bis 3 auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nicht anwendbar.

(4) (weggefallen)

(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 6f Absatz 2, längstens bis zum Ablauf des 31. Juli 2018, gelten die in den Gebührennummern 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 15. September 2015 (BGBl. I S. 1573) geändert worden ist, in der am 6. Dezember 2016 geltenden Fassung festgesetzten Gebühren als Entgelte im Sinne des § 6f Absatz 1. Die Gebührennummern 403 und 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sind nicht mehr anzuwenden.

(6) Die durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1653) geänderten Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes sind nicht anzuwenden, sofern der Unfall vor dem 17. Juli 2020 eingetreten ist.

(7) Ordnungswidrigkeiten nach § 23 in der bis zum Ablauf des 27. Juli 2021 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1 und C1E.

Mit Schreiben vom 23. März 2011 verwarnte die Antragsgegnerin den Antragsteller, der insgesamt bis zum damaligen Zeitpunkt viermal durch Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgefallen war, wegen Erreichens von acht Punkten (altes Punktesystem) und wies ihn auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar hin. Nach Bekanntwerden weiterer Geschwindigkeitsüberschreitungen ordnete die Antragsgegnerin wegen Erreichens von 14 Punkten mit Bescheid vom 21. Mai 2012 die Teilnahme des Antragstellers an einem Aufbauseminar an.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Abgabe des Führerscheins innerhalb von drei Tagen nach Zustellung des Bescheids. Durch Umrechnung der vorherigen Eintragungen des Antragstellers hätten sich zum 1. Mai 2014 sechs Punkte nach dem neuen Punktesystem ergeben. Nach Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 13. August 2014 seien zwischenzeitlich drei weitere Bußgeldbescheide rechtskräftig geworden und insgesamt vier Punkte nach dem neuen Punktesystem hinzugekommen, so dass sich nunmehr ein Punktestand von zehn Punkten ergebe. Der Antragsteller habe auch den abgestuften Maßnahmenkatalog des Punktesystems nach altem Recht durchlaufen. Somit sei die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. November 2014, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8. Dezember 2014, abgewiesen und den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 20. November 2014 abgelehnt. Zur Begründung der gegen diesen Beschluss eingereichten Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, lässt der Antragsteller im Wesentlichen vortragen, auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, seien die neuen Vorschriften anzuwenden. Diese würden die Berücksichtigung früherer Verwarnungen oder Verpflichtungen zur Teilnahme an Aufbauseminaren nicht vorsehen. Der Antragsteller hätte somit nach neuem Recht verwarnt und auf die Möglichkeit des freiwilligen Besuchs eines Fahreignungsseminars hingewiesen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, verringere sich sein Punktestand auf sieben Punkte und dürfe die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen und auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zum Beschwerdevorbringen Folgendes zu bemerken:

Ergeben sich acht oder mehr Punkte nach dem ab 1. Mai 2014 geltenden Fahreignungs-Bewertungssystem, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - in der seit 1.5.2014 geltenden Fassung). Die Entziehung der Fahrerlaubnis setzt nach § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG allerdings voraus, dass die jeweils davor liegenden Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StVG (Ermahnung und Verwarnung) zuvor ergriffen worden sind. Andernfalls reduziert sich der Punktestand nach Maßgabe von § 4 Abs. 6 Sätze 2 und 3 StVG auf fünf bzw. sieben Punkte.

Vorliegend war jedoch weder eine Ermahnung (Stufe 1) noch eine Verwarnung (Stufe 2) des Antragstellers, der bereits durch Überführung seiner früheren Eintragungen in das neue Fahreignungs-Bewertungssystem gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG einen Stand von sechs Punkten erreicht hatte, geboten. Nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG führt die Einordnung nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/12636, S. 50) ausgeführt, Satz 3 stelle klar, dass die Umstellung des Systems und die dadurch erstmalige Einordnung in die neuen Maßnahmenstufen nicht zur Maßnahmenergreifung führten. Vielmehr führten nur eine Zuwiderhandlung und das hierauf folgende erstmalige Erreichen einer Maßnahmenstufe - nach altem wie nach neuem Recht - zu einer Maßnahme (ebenso Trautmann in NK-GVR, § 65 StVG Rn. 15). Da der Antragsteller durch Übertragung seiner früheren Punkte in das neue Bewertungssystem zum 1. Mai 2014 bereits die ab einem Punktestand von sechs Punkten greifende Stufe zwei erreicht und diese Stufe somit nicht erst durch weitere Zuwiderhandlungen erstmals erreicht hatte, bedurfte es vor der Entziehung der Fahrerlaubnis mit Erreichen der Stufe drei (8 Punkte) keiner Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG. Vielmehr war die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt und verpflichtet, dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen und ihn zur Vorlage des Führerscheins zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.

(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,
2.
die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde,
3.
im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat,
4.
im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde,
5.
im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde,
6.
die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist,
7.
den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung,
8.
Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

(1) Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse, die sich am 1. Januar 1999 bereits in den Akten befinden, brauchen abweichend von § 2 Abs. 9 Satz 2 bis 4 erst dann vernichtet zu werden, wenn sich die Fahrerlaubnisbehörde aus anderem Anlass mit dem Vorgang befasst. Eine Überprüfung der Akten muss jedoch spätestens bis zum 1. Januar 2014 durchgeführt werden. Anstelle einer Vernichtung der Unterlagen sind die darin enthaltenen Daten zu sperren, wenn die Vernichtung wegen der besonderen Art der Führung der Akten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(2) Ein örtliches Fahrerlaubnisregister (§ 48 Abs. 1) darf nicht mehr geführt werden, sobald

1.
sein Datenbestand mit den in § 50 Abs. 1 genannten Daten in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommen worden ist,
2.
die getroffenen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 und § 4 Absatz 5 in das Fahreignungsregister übernommen worden sind und
3.
der Fahrerlaubnisbehörde die Daten, die ihr nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 und § 52 Abs. 1 Nr. 3 aus den zentralen Registern mitgeteilt werden dürfen, durch Abruf im automatisierten Verfahren mitgeteilt werden können.
Die Fahrerlaubnisbehörden löschen aus ihrem örtlichen Fahrerlaubnisregister spätestens bis zum 31. Dezember 2014 die im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten, nachdem sie sich von der Vollständigkeit und Richtigkeit der in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommenen Einträge überzeugt haben. Die noch nicht im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten der Fahrerlaubnisbehörden werden bis zur jeweiligen Übernahme im örtlichen Register gespeichert. Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 werden erst dann im Fahreignungsregister gespeichert, wenn eine Speicherung im örtlichen Fahrerlaubnisregister nicht mehr vorgenommen wird.

(2a) Absatz 2 ist nicht auf die Daten anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1999 in örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeichert worden sind.

(3) Die Regelungen über das Verkehrszentralregister und das Punktsystem werden in die Regelungen über das Fahreignungsregister und das Fahreignungs-Bewertungssystem nach folgenden Maßgaben überführt:

1.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wären, werden am 1. Mai 2014 gelöscht. Für die Feststellung nach Satz 1, ob eine Entscheidung nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wäre, bleibt die Höhe der festgesetzten Geldbuße außer Betracht.
2.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und nicht von Nummer 1 erfasst sind, werden bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Dabei kann eine Ablaufhemmung nach § 29 Absatz 6 Satz 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung nicht durch Entscheidungen, die erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, ausgelöst werden. Für Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 24a gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass sie spätestens fünf Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung getilgt werden. Ab dem 1. Mai 2019 gilt
a)
für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Absatz 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Tilgungsfrist angerechnet wird,
b)
für die Löschung § 29 Absatz 6 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung.
3.
Auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, sind dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s in der bis zum 27. Juli 2021 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Dabei sind § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb und § 28a in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils anstelle der dortigen Grenze von sechzig Euro die Grenze von vierzig Euro gilt.
4.
Personen, zu denen bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister eine oder mehrere Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung gespeichert worden sind, sind wie folgt in das Fahreignungs-Bewertungssystem einzuordnen:
Punktestand
vor dem
1. Mai 2014
Fahreignungs-Bewertungssystem ab dem 1. Mai 2014
PunktestandStufe
1 –  31Vormerkung
(§ 4 Absatz 4)
4 –  52
6 –  73
8 – 1041: Ermahnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1)
11 – 135
14 – 1562: Verwarnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2)
16 – 177
> = 1883: Entzug
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3)
Die am 1. Mai 2014 erreichte Stufe wird für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Die Einordnung nach Satz 1 führt allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
5.
Die Regelungen über Punkteabzüge und Aufbauseminare werden wie folgt überführt:
a)
Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung sind vorzunehmen, wenn die Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung bis zum Ablauf des 30. April 2014 der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorgelegt worden ist. Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung bleiben bis zur Tilgung der letzten Eintragung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, längstens aber zehn Jahre ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert.
b)
Bei der Berechnung der Fünfjahresfrist nach § 4 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind auch Punkteabzüge zu berücksichtigen, die nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung vorgenommen worden sind.
c)
Aufbauseminare, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 nicht abgeschlossen worden sind, sind bis zum Ablauf des 30. November 2014 nach dem bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Recht durchzuführen.
d)
Abweichend von Buchstabe c kann anstelle von Aufbauseminaren, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 noch nicht begonnen worden sind, die verkehrspädagogische Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars absolviert werden.
e)
Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung mitzuteilen.
6.
Nachträgliche Veränderungen des Punktestandes nach den Nummern 2 oder 5 führen zu einer Aktualisierung der nach der Tabelle zu Nummer 4 erreichten Stufe im Fahreignungs-Bewertungssystem.
7.
Sofern eine Fahrerlaubnis nach § 4 Absatz 7 in der bis zum 30. April 2014 anwendbaren Fassung entzogen worden ist, ist § 4 Absatz 3 Satz 1 bis 3 auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nicht anwendbar.

(4) (weggefallen)

(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 6f Absatz 2, längstens bis zum Ablauf des 31. Juli 2018, gelten die in den Gebührennummern 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 15. September 2015 (BGBl. I S. 1573) geändert worden ist, in der am 6. Dezember 2016 geltenden Fassung festgesetzten Gebühren als Entgelte im Sinne des § 6f Absatz 1. Die Gebührennummern 403 und 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sind nicht mehr anzuwenden.

(6) Die durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1653) geänderten Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes sind nicht anzuwenden, sofern der Unfall vor dem 17. Juli 2020 eingetreten ist.

(7) Ordnungswidrigkeiten nach § 23 in der bis zum Ablauf des 27. Juli 2021 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, dass der Übergang von Eigentum im Rahmen freiwilliger Baulandumlegungen grunderwerbsteuerpflichtig ist, während Eigentumserwerbe anlässlich einer amtlichen Umlegung nach den §§ 45 ff. Baugesetzbuch (BauGB) von der Besteuerung ausgenommen sind.

I.

2

1. Ziel der Baulandumlegung ist es, den Zuschnitt von Grundstücken neu zu ordnen, um eine plangerechte und zweckmäßige bauliche Nutzung zu ermöglichen (zum Hintergrund BVerfGE 104, 1 f.).

3

a) Das Baugesetzbuch sieht in den §§ 45 ff. mit der Umlegung ein hoheitliches Verfahren zur Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an Grundstücken vor. Eine amtliche Umlegung muss von der Gemeinde in eigener Verantwortung angeordnet und durchgeführt werden (§ 46 Abs. 1 BauGB). Sie wird nach Anhörung der Eigentümer durch einen Beschluss eingeleitet, in dem das Umlegungsgebiet zu bezeichnen ist und die darin gelegenen Grundstücke einzeln aufzuführen sind (§ 47 Abs. 1 BauGB). Mit der Bekanntmachung des Umlegungsbeschlusses wird die Verfügbarkeit über die betroffenen Grundstücke eingeschränkt (vgl. § 51 BauGB) und die Eigenschaft der Grundstückseigentümer als Beteiligte am Umlegungsverfahren begründet (vgl. § 48 Abs. 1 BauGB). Nach welchen Maßstäben bei einer amtlichen Baulandumlegung die Grundstücke aufzuteilen und wie Ansprüche der Eigentümer auszugleichen oder abzufinden sind, wird im Einzelnen in den §§ 55 ff. BauGB vorgegeben (vgl. dazu BVerfGE 104, 1 <2 f.>). Das Umlegungsverfahren endet mit dem durch Beschluss aufzustellenden Umlegungsplan (§ 66 Abs. 1 BauGB). Mit der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans wird der bisherige Rechtszustand durch den im Umlegungsplan vorgesehenen neuen Rechtszustand ersetzt (§ 72 Abs. 1 BauGB).

4

b) Eine freiwillige Neuordnung der Grundstücksverhältnisse (freiwillige Baulandumlegung), insbesondere im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags mit der Gemeinde nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB, kommt in Betracht, wenn die Grundstückseigentümer bereit und in der Lage sind, durch vertragliche Lösungen eine plangerechte Grundstücksneuordnung herbeizuführen. Regelmäßig ist es eine Frage der örtlich eingeführten Praxis, ob und wie eine solche freiwillige Umlegung durchgeführt wird; maßgebliche Faktoren sind dabei die Mitwirkungsbereitschaft der Beteiligten, finanzielle Interessen und die Verfahrensdauer (vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 12. Aufl. 2014, § 46 Rn. 5). Die Gemeinden können sich durch städtebauliche Verträge im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB an einer freiwilligen Umlegung beteiligen, indem sie sich mit den Grundstückseigentümern über eine dem Bebauungsplan entsprechende Neuordnung der im Plangebiet gelegenen Grundstücke vertraglich einigen (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand August 2013, § 11 Rn. 51).

5

c) Amtliche und freiwillige Umlegungen werden im Baugesetzbuch hinsichtlich der Befreiung von nichtsteuerlichen Abgaben und Auslagen gleich behandelt. § 79 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz BauGB sieht vor, dass Geschäfte und Verhandlungen, die der Durchführung oder Vermeidung der Umlegung dienen, einschließlich der Berichtigung der öffentlichen Bücher, frei von Gebühren und ähnlichen nichtsteuerlichen Abgaben sowie von Auslagen sind.

6

2. Änderungen der Eigentumszuordnung bei inländischen Grundstücken, wie sie durch Grundstücksneuordnungen im Wege einer amtlichen oder freiwilligen Umlegung bewirkt werden können, unterliegen grundsätzlich der Grunderwerbsteuer. In § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sind die Rechtsvorgänge zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur aufgeführt, die Gegenstand der Grunderwerbsteuer sind. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG gehört zu den besteuerbaren Rechtsvorgängen der Übergang des Eigentums zwar auch dann, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Allerdings sieht § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG für Eigentumsübergänge aufgrund von Baulandumlegungen im Regelfall eine Steuerbefreiung vor.

7

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG lautet auszugsweise wie folgt:

§ 1 Erwerbsvorgänge

(1) Der Grunderwerbsteuer unterliegen die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:

1. (…)

2. (…)

3. der Übergang des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Ausgenommen sind

a) (…)

b) der Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz in seiner jeweils geltenden Fassung, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist,

II.

8

1. Die Beschwerdeführer erwarben im Zuge einer freiwilligen Baulandumlegung jeweils als Miteigentümer Grundstücke von einer Gemeinde und übertrugen im Gegenzug Teilflächen ihnen gehörender Grundstücke auf die Gemeinde. Das zuständige Finanzamt behandelte diese Erwerbsvorgänge als grunderwerbsteuerpflichtig und setzte gegen die Beschwerdeführer Grunderwerbsteuer fest. Die hiergegen erhobenen Einsprüche blieben erfolglos.

9

2. Das Finanzgericht wies die Klage der Beschwerdeführer ab. Die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG beschränke sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auf das hoheitliche Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch und könne nicht auf die freiwillige Umlegung erstreckt werden. Dies führe nicht zu einem Gleichheitsverstoß. Es handele sich nämlich um strukturell unterschiedliche Neuordnungsverfahren, die nicht von Verfassungs wegen steuerlich gleich behandelt werden müssten.

10

3. Mit ihrer Revision rügten die Beschwerdeführer die Grunderwerbsteuerpflicht freiwilliger Umlegungen als gleichheitswidrig und beantragten die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht.

11

Der Bundesfinanzhof wies die Revision zurück. Der Grundstückserwerb aufgrund freiwilliger Baulandumlegung sei nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Der eindeutige und keiner erweiternden Auslegung zugängliche Wortlaut der Norm umfasse lediglich Grundstückserwerbe im amtlichen Umlegungsverfahren im Sinne der §§ 45 ff. BauGB. Auch die Entstehungsgeschichte und der Gesetzeszweck sprächen für dieses Auslegungsergebnis.

12

Die Beschränkung der Grunderwerbsteuerfreistellung auf die amtliche Umlegung verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die amtliche Umlegung nach §§ 45 ff. BauGB und die auf Grundlage des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB vorgenommene freiwillige Umlegung unterschieden sich sowohl in rechtlicher als auch wirtschaftlicher Weise. Das amtliche Umlegungsverfahren sei das wichtigste öffentlich-rechtliche Instrument der im Baugesetzbuch geregelten Bodenordnung. Es erfasse die Fälle, in denen die planende Gemeinde die Grundstücks- und Eigentumsverhältnisse notfalls durch hoheitlichen Zwang umgestalten müsse, um erforderliche städtebauliche Neu- und Umstrukturierungen durchsetzen zu können. Diesem Zweck diene das amtliche Umlegungsverfahren nach §§ 45 ff. BauGB, das seinem Wesen nach ein förmliches und zwangsweises Grundstückstauschverfahren darstelle, bei welchem dem Surrogationsprinzip und dem Prinzip des gruppeninternen Lastenausgleichs durch die wertgleiche Landabfindung Rechnung getragen werde.

13

Der wesentliche Unterschied zur freiwilligen Umlegung sei, dass diese auf dem einvernehmlichen Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beruhe, der regelmäßig vor der Erstellung eines Bebauungsplans abgeschlossen werde. Der Umstand, dass beide Umlegungsverfahren gelegentlich ineinander übergingen oder die freiwillige Umlegung die amtliche Umlegung faktisch verdränge, führe nicht dazu, dass beide Umlegungsverfahren als wesentlich gleich zu behandeln seien. Vielmehr unterschieden sie sich maßgeblich dadurch, dass beim Umlegungsverfahren nach §§ 45 ff. BauGB die Umlegung gegebenenfalls auch zwangsweise durchgesetzt werden könne, während dies bei der freiwilligen Umlegung gerade nicht der Fall sei.

14

Die Merkmale "hoheitlicher Zwang" einerseits und "Freiwilligkeit" andererseits seien geeignete Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Steuergegenstandes; denn sie bezeichneten mit Blick auf die angesprochenen Umlegungsverfahren Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die unterschiedliche Belastung rechtfertigten. Der Gesetzgeber habe sich in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG entschieden, nur solche Umlegungsverfahren von der Grunderwerbsteuer auszunehmen, die außerhalb des normalen Marktgeschehens stünden. Auf freiwilliger Basis geschlossene Grundstückstauschverträge bewegten sich dagegen gerade innerhalb des normalen Marktgeschehens, weil kein Vertragspartner zu einem solchen Vertragsschluss gezwungen werden könne. Es möge zwar sein, dass die an einem entsprechenden Tauschvertrag beteiligte Gemeinde den Vertrag lediglich nutze, um ein aufwendiges Verfahren zu vermeiden. Dennoch stehe bei einvernehmlichen Verträgen die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses im Vordergrund.

III.

15

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

16

1. Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, da das Grunderwerbsteuergesetz die freiwillige Umlegung - anders als die amtliche Umlegung - mit Grunderwerbsteuer belaste, obwohl kein grunderwerbsteuerlich relevanter Unterschied zwischen den beiden Umlegungsformen bestehe.

17

Beide Formen der Umlegung seien bereits insofern gleich, als sie die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse bezweckten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestünden keine steuerlich relevanten Unterschiede; weder die Einleitung noch der Abschluss des Verfahrens seien taugliche Differenzierungsmerkmale. Zudem seien die Merkmale "Freiwilligkeit" und "hoheitlicher Zwang" keine geeigneten Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Steuergegenstands. Dem Merkmal der "Freiwilligkeit" sei nur eine begrenzte Bedeutung beizumessen: Freiwillige Umlegungsvereinbarungen unterschieden sich nämlich von sonstigen auf freiwilliger Basis abgeschlossenen Grundstückstauschverträgen dadurch, dass sie in aller Regel im Zusammenwirken mit der planenden Gemeinde und zumeist vor Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplans, der das Recht zur Bebauung erst begründe, beurkundet würden. Weiterhin bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle der Einigkeit aller übrigen Grundstückseigentümer über die Umlegung eine Pflicht der Gemeinde zur Beteiligung an der privaten Neuordnung der Grundstücke. Mithin könnten freiwillige Baulandumlegungen auch nicht dem normalen Marktgeschehen zugeordnet werden.

18

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2001 (BVerfGE 104, 1) ergebe sich als Ausfluss des Art. 14 Abs. 1 GG ein Vorrang der freiwilligen gegenüber der hoheitlichen Umlegung. Aus der Subsidiarität des amtlichen Umlegungsverfahrens erwachse die Verpflichtung der Gemeinde, sich an der freiwilligen Umlegung zu beteiligen. Diese verfassungsrechtlich gebotene Mitwirkungspflicht der Kommune dürfe steuerrechtlich nicht benachteiligt werden. Im Übrigen bestehe auch im Hinblick auf eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kein relevanter Unterschied zwischen beiden Umlegungsformen.

19

Verwaltungsvereinfachungs- oder Lenkungsziele könnten die grunderwerbsteuerliche Ungleichbehandlung von freiwilliger und amtlicher Umlegung nicht rechtfertigen. Zum einen erfordere die Feststellung, ob ein Grundstückstauschvertrag die Merkmale des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB erfülle oder lediglich ein sonstiger Grundstückstauschvertrag sei, keinen erheblichen Verwaltungsaufwand. Zum anderen würden Lenkungsziele mit der Steuerfreistellung der Erwerbsvorgänge im Rahmen der amtlichen Umlegung ersichtlich nicht verfolgt.

20

Schließlich habe der Gesetzgeber mit der Kodifizierung des städtebaulichen Vertrags in § 11 BauGB das Ziel verfolgt, kooperatives Verwaltungshandeln zu erleichtern. Dem widerspreche es jedoch, wenn sich aus dem Abschluss von Verträgen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB steuerliche Nachteile ergäben und die Beteiligten damit letztlich gezwungen seien, trotz erzielter Einigung das verwaltungsaufwendige und zeitintensive Verfahren der amtlichen Umlegung durchzuführen.

21

2. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei verletzt, weil der Bundesfinanzhof seiner Pflicht aus Art. 100 Abs. 1 GG zur Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht nachgekommen sei.

IV.

22

Zur Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Finanzen namens der Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, der Deutsche Städtetag zusammen mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Notarverein, die Bundesnotarkammer, die Bundessteuerberaterkammer, der Deutsche Anwaltverein, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. und der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. Haus & Grund Deutschland Stellung genommen.

23

Die Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Deutsche Notarverein, die Bundessteuerberaterkammer und der Deutsche Anwaltverein halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet; hingegen sehen der Verband Haus & Grund Deutschland und die Bundesrechtsanwaltskammer in der beanstandeten Vorschrift einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

24

Der Deutsche Städtetag zusammen mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. und die Bundesnotarkammer haben sich weitgehend auf die Beantwortung der vom Bundesverfassungsgericht an sie zur Rechtspraxis bei Baulandumlegungen gerichteten Fragen beschränkt.

25

1. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen bestehen zwischen der freiwilligen Umlegung durch einen städtebaulichen oder rein privatrechtlichen Vertrag und der amtlichen Umlegung nach den §§ 45 ff. BauGB so weitgehende strukturelle Unterschiede, dass eine gesetzliche Differenzierung bezüglich der Grunderwerbsbesteuerung auf jeden Fall gerechtfertigt sei. Die amtliche Umlegung trage dem Umstand Rechnung, dass eine Gemeinde die städtebauliche Grundstücksneuordnung nicht in jedem Fall einvernehmlich mit den Eigentümern regeln könne und erfülle damit auch die Funktion, einen entgegenstehenden Willen von Eigentümern bei der Baulandumlegung rechtlich zu überwinden. Demgegenüber liege der freiwilligen Umlegung ein konsensualer Vertrag zugrunde, der gerade die willentliche Mitwirkung aller Eigentümer erfordere.

26

Der rechtliche Unterschied zwischen den beiden Umlegungsarten spiegle sich auch darin wider, dass § 59 BauGB der Umverteilung bei der amtlichen Baulandumlegung einen festen und objektiven Maßstab vorgebe, mit dem Ziel, dass kein Eigentümer einen wirtschaftlichen Gewinn oder Verlust mache; marktähnliche Kauf- oder Tauschelemente sollten hiernach gerade nicht Bestandteil der Baulandumlegung sein. Der städtebauliche Vertrag als rechtsgeschäftliche Grundlage der freiwilligen Umlegung kenne demgegenüber keine dem § 59 BauGB vergleichbare enge Festlegung der Äquivalenz der wechselseitigen Grundstückszuteilungen. Das Gebot der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung in § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB verlange anders als § 59 BauGB keine strenge Wertgleichheit der Leistungen.

27

Auch unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit begegne die steuerliche Differenzierung zwischen freiwilliger und amtlicher Umlegung keinen Bedenken. Zwar bringe der Grundstückseigentümer, der sich an einer amtlichen Baulandumlegung beteilige, durch sein Grundeigentum ebenfalls wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck; er wende sich dabei aber - anders als bei der freiwilligen Umlegung - nicht an den Markt.

28

Gegen die Annahme faktischen Zwangs zur Mitwirkung an einer freiwilligen Umlegung spreche schon, dass aus der Praxis nicht bekannt sei, dass die freiwillige Umlegung dort weit häufiger vorkomme als die amtliche und das Scheitern einer freiwilligen Umlegung zwangsläufig die Durchführung des amtlichen Verfahrens zur Folge habe.

29

2. Der Deutsche Notarverein sieht in der unterschiedlichen Struktur der beiden Umlegungsarten einen sachlichen Differenzierungsgrund, der ihre ungleiche Behandlung bei der Grunderwerbsteuer rechtfertige. Ohne diese Differenzierung würde die Gestaltungspraxis versuchen, privatrechtliche Tauschverträge als freiwillige Umlegungen zu qualifizieren, um in den Genuss der Grunderwerbsteuerbefreiung zu gelangen.

30

3. Die Bundessteuerberaterkammer geht zwar davon aus, dass in der Praxis sowohl bei der amtlichen als auch bei der freiwilligen Umlegung ein Zusammenwirken von Eigentümern und Gemeinde üblich sei; dennoch handele es sich nach der bestehenden Rechtslage um strukturell unterschiedliche Neuordnungsverfahren, die grunderwerbsteuerlich nicht gleich behandelt werden müssten.

31

4. Der Deutsche Anwaltverein ist ebenfalls der Auffassung, dass die intensive Beteiligung der Grundstückseigentümer am amtlichen Umlegungsverfahren nichts daran ändere, dass bei der amtlichen anders als bei der freiwilligen Umlegung eine Bodenneuordnung auch ohne Einverständnis und gegen den Willen der Beteiligten durchgeführt werden könne. Obgleich die vertragliche Umlegung ihren Ausgangspunkt in der beabsichtigten Neuordnung der Grundstücksverhältnisse habe, beruhe sie doch auf Freiwilligkeit und Einvernehmen und sei damit durchaus mit einem sonstigen grunderwerbsteuerpflichtigen Grundstückstauschvertrag vergleichbar. Überdies sei die Mitwirkung an einer freiwilligen Umlegung trotz der sich daraus ergebenden steuerlichen Folgen nicht nur nachteilig, da hierbei die Grundstückseigentümer auf den vertraglichen Inhalt viel intensiver Einfluss nehmen könnten als auf den Inhalt des Umlegungsplans.

32

5. Demgegenüber geht der Verband Haus & Grund Deutschland von der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde aus, weil beide Umlegungsarten die gleichen bauordnungsrechtlichen Ziele verfolgten und sich aus § 79 BauGB ergebe, dass der Gesetzgeber jedenfalls hinsichtlich der Kosten eine Gleichbehandlung wolle. Aus der Verwobenheit der beiden Umlegungsarten folge, dass auch eine freiwillige Umlegung nicht allein auf privatautonomen Entscheidungen eines Grundstückseigentümers beruhen könne. Von einer Bodenneuordnung betroffene Grundstückseigentümer seien häufig geneigt, einer freiwilligen Umlegung zuzustimmen, um langwierige Abstimmungsprozesse oder Baubeschränkungen zu verhindern. Insoweit sei eine freiwillige Umlegung dem normalen Marktgeschehen entzogen.

33

6. Nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer rechtfertigt allein die Option, die amtliche Umlegung einseitig-hoheitlich durchsetzen zu können, nicht den steuerlichen Nachteil bei einer freiwilligen Umlegung, da sie in Ansehung des Art. 14 Abs. 1 GG die vorrangige Form der Bodenordnung sei und dem gleichen Zweck diene wie die amtliche Umlegung. Aus Typisierungs- und Vereinfachungserfordernissen sei nicht entscheidend, ob Grundstücke hoheitlich oder freiwillig umgelegt worden seien, sondern dass überhaupt eine Umlegung stattgefunden habe, die dem Leitbild der §§ 45 ff. BauGB entspreche. Dass ein Umlegungsplan gegebenenfalls einseitig-hoheitlich von der Gemeinde vollzogen werden könne, während ein Umlegungsvertrag unter Umständen gerichtlich durchgesetzt werden müsse, betreffe die nachrangige Frage der Vollziehung und habe mit den Gründen der Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG nichts zu tun. Nach dem Wortlaut der Befreiungsvorschrift sei es spätestens nach der Aufnahme der freiwilligen Umlegung in den Katalog zulässiger städtebaulicher Verträge (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB) bei verfassungskonformer Interpretation naheliegend, die Steuerbefreiung auch auf die freiwillige Umlegung zu erstrecken.

34

7. Der 4. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts bezeichnet die amtliche Umlegung als ein förmliches und zwangsweise durchsetzbares gesetzliches Tauschverfahren, bei dem die in den §§ 45 ff. BauGB enthaltenen Vorgaben strikt einzuhalten seien. Demgegenüber beließen einvernehmliche Umlegungsregelungen den Beteiligten einen deutlich größeren Gestaltungsraum, als er ihnen nach den bindenden Regelungen der §§ 45 ff. BauGB zustehe.

35

8. Den meisten Stellungnahmen zufolge, die auf entsprechende Fragen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtspraxis bei Baulandumlegungen eingehen, wird die amtliche Umlegung jedenfalls dann als eindeutig vorzugswürdig gegenüber der freiwilligen angesehen, wenn aufgrund einer großen Anzahl betroffener Grundstückseigentümer einvernehmliche Regelungen mit allen Beteiligten nur schwer oder überhaupt nicht zu erzielen seien. Dies sei häufig der Fall. Eine nicht nur wegen ihrer Grunderwerbsteuerbefreiung zunehmend häufiger praktizierte Form der Baulandumlegung sei die vereinbarte amtliche Umlegung, bei der sich die Grundstückseigentümer zunächst untereinander und mit der Gemeinde darauf verständigten, mittels eines städtebaulichen Vertrags die gewollten Ergebnisse des Bodenordnungsverfahrens festzulegen, und bei der sie vereinbarten, den Vollzug der Neuordnung der Grundstücksverhältnisse danach im hoheitlichen Verfahren durchzuführen. Eine Reihe von Stellungnahmen weist schließlich darauf hin, dass das Scheitern der Verhandlungen über eine freiwillige Umlegung nicht automatisch die Einleitung eines hoheitlichen Umlegungsverfahrens zur Folge habe; es komme vielmehr auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an, die dazu führen könnten, dass die Gemeinde ganz auf die Bodenneuordnung verzichte.

B.

36

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

I.

37

Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG lediglich Grundstückserwerbe im amtlichen Umlegungsverfahren nach den §§ 45 ff. BauGB von der Grunderwerbsteuer ausnimmt, aber Erwerbsvorgänge anlässlich einer freiwilligen Umlegung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterwirft.

38

1. a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 121, 108 <119>; 121, 317 <370>; 126, 400 <416>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 121>). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 121, 108 <119>; 121, 317 <370>; 126, 400 <416>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 121>). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 <157>; 93, 319 <348 f.>; 107, 27 <46>; 126, 400 <416>; 129, 49 <69>; 132, 179 <188 Rn. 30>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 121>).

39

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416>; 129, 49 <68>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 122>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; 129, 49 <69>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 122>). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 122>) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; 129, 49 <69>; 130, 240 <254>; 132, 179 <188 f. Rn. 31>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 122>).

40

Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 121, 108 <120>; 126, 400 <417>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 5. November 2014 - 1 BvF 3/11 -, juris, Rn. 41; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 123>). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. BVerfGE 123, 1 <19>; stRspr). Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands, vgl. BVerfGE 117, 1 <30 f.>; 120, 1 <29>; 121, 108 <120>; 126, 400 <417>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 5. November 2014 - 1 BvF 3/11 -, juris, Rn. 41; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 123>). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 117, 1 <31>; 120, 1 <29>; 126, 400 <417>; 132, 179 <189 Rn. 32>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 5. November 2014 - 1 BvF 3/11 -, juris, Rn. 41), der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung (vgl. dazu BVerfGE 117, 1 <32>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, NJW 2015, S. 303 <306 Rn. 123>).

41

b) Ausgehend hiervon ist die grunderwerbsteuerliche Ungleichbehandlung von freiwilliger und amtlicher Umlegung innerhalb der Gleichheitsprüfung nicht an einem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen. Die zur Grunderwerbsteuerpflicht führende Teilnahme an einer nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB als städtebaulicher Vertrag oder in sonstiger Weise vertraglich geregelten Umlegung erfolgt grundsätzlich freiwillig und ist damit für den Steuerschuldner verfügbar. Die Besteuerung von Grundstücksübertragungsvorgängen im Sinne des § 1 GrEStG entfaltet im Vergleich zu der hier in Rede stehenden Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe b GrEStG auch weder freiheitseinschränkende Wirkung noch weist sie eine Nähe zu den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 GG auf. Diese Befreiung erreicht schließlich auch kein solches Ausmaß, dass die Differenzierung einen strengeren Prüfungsmaßstab erforderte. Der Gesetzgeber verfügt bei der Ausgestaltung der Befreiungstatbestände von der Grunderwerbsteuer somit über einen beträchtlichen Spielraum.

42

2. Gemessen an diesem großzügigen Prüfungsmaßstab bestehen zwischen dem Erwerb eines Grundstücks im amtlichen Umlegungsverfahren nach den §§ 45 ff. BauGB und dem Grundstückserwerb im Wege der freiwilligen Baulandumlegung Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine unterschiedliche Behandlung bei der Grunderwerbsteuer rechtfertigen können (a). Dies gilt auch dann, wenn der Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer in der Abschöpfung einer bestimmten, sich in der Vermögensverwendung äußernden Leistungsfähigkeit liegen sollte (b).

43

a) Die Grunderwerbsteuer ist eine Rechtsverkehrsteuer (vgl. BFH, Beschluss vom 26. Januar 2000 - II B 108/98 -, BFH/NV 2000, S. 1136 <1137>; BFHE 206, 374 <378>; BFH, Urteil vom 9. April 2008 - II R 32/06 -, DStRE 2008, S. 1152 <1153>; Fischer, in: Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl. 2011, Vorbemerkungen Rn. 131 und 135 f.; Desens, in: Festschrift für Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, Bd. 2, 2013, S. 2069 <2073 f.>). Durch die Besteuerung von Verkehrsvorgängen wird die private Vermögensverwendung belastet (vgl. BVerfGE 93, 121 <134>).

44

Anders als bei der amtlichen Umlegung ist die Teilnahme an vertraglichen Umlegungen grundsätzlich freiwillig. Dies rechtfertigt es, im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Spielraums die hierauf beruhenden Grundstückserwerbsvorgänge als Teilnahme am Rechtsverkehr und damit grunderwerbsteuerpflichtig zu bewerten, die Veränderungen in der Grundstückszuordnung als Folge einer amtlichen Umlegung hingegen nicht.

45

aa) Die amtliche Umlegung nach den §§ 45 ff. BauGB schränkt die verfassungsrechtlich gewährleistete Verfügungsfreiheit des Eigentümers ein. Die mit einem teilweisen oder gänzlichen Verlust des bisherigen konkreten Grundstücks und der Neuzuteilung verbundene Änderung der Eigentumsverhältnisse kann notfalls auch gegen den Willen einzelner Eigentümer erfolgen (vgl. BVerfGE 104, 1 <9>).

46

Die Inhaber von Rechten an den betroffenen Grundstücken sind hier nicht gleiche Partner eines Vertrags, sondern Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens (vgl. § 48 Abs. 1 BauGB). Unbeschadet einzelner auf ein kooperatives Mitwirken der Beteiligten angelegter Regelungen (vgl. § 56 Abs. 2, § 59 Abs. 4 Nr. 1, 2 und 3, § 62 Abs. 1, § 73 Nr. 3, § 76 BauGB) stellt die amtliche Umlegung nach ihrer gesetzlichen Konzeption ein förmliches und zwangsweises Grundstückstauschverfahren dar (vgl. Breuer, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 2006, § 45 Rn. 6; Grziwotz, in: Spannowsky/Uechtritz, Beck'scher Online-Kommentar Öffentliches Baurecht, Stand September 2014, § 72 Rn. 6; Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand September 2011, § 45 Rn. 3; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 2013, § 11 Rn. 22 f.). Die Gemeinde ordnet die Umlegung an, die dann nach Anhörung der Eigentümer durch einen Beschluss der Umlegungsstelle eingeleitet wird (§ 46 Abs. 1, § 47 Abs. 1 BauGB). Der Umlegungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung gegenüber allen Beteiligten. Mit seiner Bekanntmachung unterliegen die Grundstücke des Umlegungsgebiets der Verfügungs- und Veränderungssperre nach § 51 BauGB sowie dem Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB (vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 12. Aufl. 2014, § 47 Rn. 3; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 2013, § 47 Rn. 7). Die Änderung der Eigentumszuordnung vollzieht sich bei der amtlichen Umlegung ebenfalls nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen, indem mit der Bekanntmachung des Zeitpunkts der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 BauGB) der bisherige Rechtszustand durch den in dem Umlegungsplan vorgesehenen neuen Rechtszustand ersetzt wird (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 1 BauGB), ohne dass es dazu einer Eintragung ins Grundbuch bedarf (vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 12. Aufl. 2014, § 72 Rn. 2; Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Dezember 2007, § 72 Rn. 4). Die nachfolgende Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch dient nur noch dessen Berichtigung (vgl. § 74 BauGB).

47

bb) Die freiwillige Umlegung ist hingegen kein von der Gemeinde - auch gegen den Willen der betroffenen Eigentümer - eingeleitetes Verwaltungsverfahren, sondern eine vertragliche Vereinbarung, die eine einvernehmliche Neuordnung der Grundstücksverhältnisse zum Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet die freiwillige Umlegung Raum für Regelungen solcher Art, die einseitig im Umlegungsplan des förmlichen Umlegungsrechts nicht getroffen werden könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2001 - BVerwG 4 B 24.01 -, NVwZ 2002, S. 473 <474>; siehe auch Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 2013, § 11 Rn. 23 ff.). Demgemäß seien etwa Vereinbarungen möglich, die von den Vorgaben in §§ 55 ff. BauGB abweichende Verteilungsmaßstäbe und Kostentragungsregelungen vorsähen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 24.80 -, NJW 1985, S. 989; BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 1994 - BVerwG 4 B 216.94 - Buchholz 316 § 59 VwVfG Nr. 11). Auch der Eigentumsübergang an den betroffenen Grundstücken erfolgt hier durch Rechtsgeschäft nach Auflassung (§ 925 BGB) und Eintragung im Grundbuch (§ 873 BGB).

48

cc) Beide Umlegungsarten weisen danach in städtebaulicher Hinsicht zwar eine gleiche Zielrichtung auf. Ihre Unterschiede bezüglich des zugrunde liegenden Verfahrens und der Freiwilligkeit der Teilnahme daran sind jedoch von solchem Gewicht, dass der Gesetzgeber sie im Hinblick auf den Charakter der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer unterschiedlich behandeln darf. Gemessen an dem hier anzulegenden, großzügigen Maßstab liegt ein tragfähiger Sachgrund für die grunderwerbsteuerliche Ungleichbehandlung jedenfalls darin, dass der die Grunderwerbsteuer auslösende Wechsel in der Eigentumszuordnung (vgl. BFHE 206, 374 <378> m.w.N.) bei der freiwilligen Umlegung auf einer privatautonomen Entscheidung des Grundstückseigentümers beruht, während er bei der amtlichen Umlegung auch gegen den Willen des Eigentümers durchgesetzt werden kann. Wer im Rahmen einer freiwilligen Umlegung ein Grundstück erwirbt, nimmt aufgrund eigenen Entschlusses am Markt teil (in diesem Sinne auch BTDrucks 9/2114, S. 5) und wird dadurch grunderwerbsteuerpflichtig. Hingegen würde die Belastung mit Grunderwerbsteuer bei einem amtlichen Umlegungsverfahren nicht an das Ergebnis einer autonomen Entscheidung anknüpfen, sondern an die Neuordnung der Grundstücke durch Verwaltungsakt, die auch gegen den Willen des Eigentümers durchgesetzt werden kann.

49

dd) Die in diesem Verfahren eingeholten Stellungnahmen haben auch nicht ergeben, dass freiwillige und amtliche Umlegung in der kommunalen Praxis weitgehend als beliebig austauschbar behandelt werden und deshalb keine Differenzierung gerechtfertigt sei. Sie werden offenbar vielmehr als Instrumente der Bodenordnung mit deutlich unterschiedlichem Rechtscharakter und dementsprechend je eigenen Vor- und Nachteilen wahrgenommen und nach Maßgabe der örtlichen Grundstücks- und Eigentumsstrukturen bewusst eingesetzt. So wird die freiwillige Umlegung nach den insoweit weitgehend übereinstimmenden Angaben in aller Regel nur bei absehbar konsensual zu lösenden Verteilungsfragen in Betracht gezogen. Schließlich führt nach diesen Erkenntnissen das Scheitern einer freiwilligen Umlegung auch keineswegs immer und selbstverständlich zu einer amtlichen Umlegung.

50

b) Die im Gesetz vorgesehene grunderwerbsteuerliche Ungleichbehandlung freiwilliger und amtlicher Grundstücksumlegungen wäre auch dann gerechtfertigt, wenn man den Belastungsgrund der Grunderwerbsteuer in der Abschöpfung einer sich in der Vermögensverwendung äußernden Leistungsfähigkeit sähe.

51

Nach der im Gesetzgebungsverfahren verschiedentlich zum Ausdruck gekommenen Vorstellung des Gesetzgebers soll die Grunderwerbsteuer die sich im Erwerbsvorgang offenbarende Leistungsfähigkeit erfassen (vgl. BTDrucks 8/2555, S. 7 und 9/251, S. 12 mit Verweis auf das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Abschnitt IX Verkehrsteuern, Rn. 106). Es bedarf hier keiner Entscheidung der im steuerrechtlichen Schrifttum und in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beurteilten Frage, ob die Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer hiernach auch am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen ist (vgl. dazu Fischer, in: Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl. 2011, Vorbemerkungen Rn. 137 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Januar 2012, § 3 AO Rn. 50a; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl. 2013, § 18 Rn. 4, jeweils m.w.N. und BFH, Urteil vom 9. April 2008 - II R 32/06 -, DStRE 2008, S. 1152 <1153 f.>). Denn auch im Falle einer an Leistungsfähigkeitsaspekten orientierten Grunderwerbsbesteuerung wäre es nicht geboten, die freiwillige Umlegung und die gesetzliche Umlegung grunderwerbsteuerlich gleich zu behandeln.

52

Sollte mit der Grunderwerbsteuer die durch Nachfrage und Konsumbereitschaft zum Ausdruck kommende vermutete Zahlungsfähigkeit des Steuerschuldners erfasst werden (vgl. P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 247), könnte dieser Schluss ohnehin nur für die Beteiligung an einer freiwilligen Umlegung gezogen werden. Die Teilnahme an einem solchen (Umlegungs-)Vertragsverhältnis, die eine freiwillige Vermögensdisposition zur Folge hat, vermag typisierend Zahlungsfähigkeit zu indizieren. Beruht ein Grundstücksverkehrsvorgang hingegen nicht auf freiwilligen Vermögensdispositionen, sondern auf Hoheitsakten, die gegenüber dem Betroffenen gegebenenfalls auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass in ihm typischerweise Zahlungskraft zum Ausdruck kommt. Auch unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten besteht daher ein Unterschied zwischen Eigentumsübergängen bei freiwilligen Umlegungen und bei Umlegungen nach den Vorschriften der §§ 45 ff. BauGB, der eine entsprechende Differenzierung in der Besteuerung rechtfertigt.

II.

53

Der Bundesfinanzhof hat, indem er die Sache nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat, nicht gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil er die beanstandete Regelung nicht für verfassungswidrig gehalten hat (vgl. BVerfGE 117, 330 <356>).

54

Die Entscheidung ist mit 6 : 2 Stimmen ergangen.

Gründe

A.

1

Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997, welcher die zeitliche Anwendbarkeit der durch § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 verschärften Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften wegen Verlustes der wirtschaftlichen Identität regelte, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

I.

2

1. Nach § 8 Abs. 1 KStG bestimmen sich das körperschaftsteuerliche Einkommen und die Einkommensermittlung - unbeschadet körperschaftsteuerrechtlicher Sondervorschriften - nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Die im Rahmen der Einkommensermittlung zu bildende Summe der Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 3 EStG) setzt eine Saldierung der positiven und negativen Einkünfte innerhalb des Veranlagungszeitraums voraus (periodeninterner Verlustausgleich). Soweit die negativen Einkünfte die positiven Einkünfte im jeweiligen Veranlagungszeitraum übersteigen und daher bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, kommt ein Abzug der verbleibenden Verluste nach § 10d EStG in anderen Veranlagungszeiträumen in Betracht (periodenübergreifender Verlustabzug). Vorrangig ist nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG der Verlustrücktrag in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum durchzuführen. Im Übrigen gewährt § 10d Abs. 2 EStG einen Verlustvortrag in künftige Veranlagungszeiträume. Zu diesem Zweck wird der am Schluss des jeweiligen Veranlagungszeitraums nicht ausgeglichene Verlust als "verbleibender Verlustvortrag" in einem Bescheid gesondert festgestellt (vgl. § 10d Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

3

2. Die Berechtigung zum Verlustabzug nach § 10d EStG steht grundsätzlich nur demjenigen Steuerpflichtigen zu, der den Verlust erlitten hat (Grundsatz der Personenidentität). Kapitalgesellschaften sind eigenständige Körperschaftsteuersubjekte (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Steuerrechtlich ist zwischen Gesellschafts-ebene und Anteilseignerebene zu differenzieren (Trennungsprinzip). Die (zivil)rechtliche Identität der Kapitalgesellschaft bleibt durch Änderungen in dem Bestand oder der Zusammensetzung der Gesellschafter oder beim Geschäftsbetrieb der Gesellschaft unberührt.

4

3. Der Bundesfinanzhof ging in seiner früheren Rechtsprechung (BFHE 85, 217 = BStBl III 1966, S. 289; BFHE 86, 369 = BStBl III 1966, S. 513; vgl. auch BVerfGE 25, 309 <312 ff.>) davon aus, dass die für den Verlustabzug erforderliche Personenidentität bei Kapitalgesellschaften neben der rechtlichen auch wirtschaftliche Identität voraussetzt. Nach seiner Auffassung fehlte diese, wenn eine Kapitalgesellschaft ihre bisherigen Vermögenswerte im Wesentlichen verloren hat und in dieser Lage neue Gesellschafter eintreten, die der Gesellschaft neue Mittel zuführen und sie wirtschaftlich neu beleben. Unter solchen Umständen sei ein der Liquidation und Neugründung vergleichbarer Fall gegeben und könne von zwei Personen gesprochen werden, die nacheinander unter "dem gleichen Rechtsmantel" tätig würden, in ihrem sachlichen und personalen Substrat jedoch verschieden seien (BFHE 111, 155 = BStBl II 1974, S. 181).

5

Das zusätzliche Erfordernis wirtschaftlicher Identität verhinderte, dass durch Veräußerung von Geschäftsanteilen einer im Wesentlichen vermögenslosen Kapitalgesellschaft (eines Mantels) - wirtschaftlich betrachtet - Verlustvorträge nach § 10d EStG verkauft werden konnten. Mit Urteilen vom 29. Oktober 1986 (BFHE 148, 153 = BStBl II 1987, S. 308; BFHE 148, 158 = BStBl II 1987, S. 310; - I R 271/83 -, BFH/NV 1987, S. 266) gab der Bundesfinanzhof diese Rechtsprechung jedoch auf und entschied, dass ein Tatbestandsmerkmal "wirtschaftliche Identität" weder dem Wortlaut noch dem Zweck von § 10d EStG entnommen werden könne.

6

4. Die Änderung der Rechtsprechung veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung des § 8 Abs. 4 KStG durch das Steuerreformgesetz 1990 (im Folgenden: StRefG 1990) vom 25. Juli 1988 (BGBl I S. 1093). Ziel der Regelung war es, die Veräußerung von Verlustvorträgen - insbesondere durch Kapitalgesellschaften - zu verhindern und sicherzustellen, dass eine Körperschaft einen nicht ausgeglichenen Verlust nur dann mit steuerlicher Wirkung vortragen kann, wenn sie auch wirtschaftlich mit derjenigen identisch ist, die den Verlust erlitten hat (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 171). Zu diesem Zweck wurde das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der wirtschaftlichen Identität als Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d EStG gesetzlich festgeschrieben (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG i.d.F. des StRefG 1990). Satz 2 der Vorschrift bestimmte als Regelbeispiel, dass wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vorliegt, wenn mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt.

7

5. Diese Regelung wurde in der Folgezeit als nicht ausreichend angesehen, um den missbräuchlichen Handel mit Verlustvorträgen zu unterbinden. Vor allem stellte sich das für die Versagung des Verlustabzugs erforderliche Merkmal der Wiederaufnahme des (zuvor eingestellten) Geschäftsbetriebs als gestaltungsanfällig dar, weil der Geschäftsbetrieb - unter Vermeidung einer verlustabzugsschädlichen Betriebseinstellung - mit einem minimalen Umfang fortgesetzt werden konnte. Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (im Folgenden: UntStRFoG) vom 29. Oktober 1997 (BGBl I S. 2590) wurde § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in zwei Punkten verschärft sowie um eine Sanierungsklausel (Satz 3) ergänzt. § 8 Abs. 4 KStG lautete in dieser Fassung:

"Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes ist bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Die Zuführung neuen Betriebsvermögens ist unschädlich, wenn sie allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs dient, der den verbleibenden Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes verursacht hat, und die Körperschaft den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführt. …"

8

6. Die Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG sollte nach der hierzu in § 54 Abs. 6 KStG getroffenen Anwendungsregelung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden sein. Da die Vorschrift nach ihrem Wortlaut so ausgelegt werden konnte, dass sie auch Altfälle, das heißt in früheren Jahren durchgeführte Umstrukturierungen, erfasste, die nach Maßgabe der bisherigen Gesetzeslage unschädlich gewesen waren, stieß sie auf erhebliche Kritik, weil rückwirkend die steuerlichen Dispositionsgrundlagen zerstört würden (vgl. Rödder, DStR 1997, S. 1425; Füger/Rieger, DStR 1997, S. 1427 <1437>; Neyer, BB 1998, S. 869 <876 ff.>).

9

In der Folge fügte der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (im Folgenden: RVFinG) vom 19. Dezember 1997 (BGBl I S. 3121) § 54 Abs. 6 KStG einen Satz 2 an. Die Anwendungsvorschrift lautete nunmehr:

"§ 8 Abs. 4 ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Ist der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August eingetreten, gilt § 8 Abs. 4 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998."

10

Danach kam in den von Satz 2 der Anwendungsregelung erfassten Fällen, bei denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach der Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG erstmals im Jahr 1997 und vor dem 6. August eingetreten war, die Verlustabzugsbeschränkung nicht schon im Jahr 1997, sondern - insoweit begünstigend - erst ab 1998 zum Tragen. Der 5. August 1997 ist der Tag, an dem das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde (vgl. Stenographischer Bericht der 186. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 5. August 1997, Plenarprotokoll 13/186, S. 16860 C). Da sowohl § 8 Abs. 4 und § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform als auch § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses beschlossen wurden (vgl. BTDrucks 13/8325, S. 4, und BTDrucks 13/9419, S. 3), fehlt eine amtliche Gesetzesbegründung für die Anwendungsregelung.

11

7. § 8 Abs. 4 KStG wurde durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I S. 1912) aufgehoben und durch § 8c KStG ersetzt.

II.

12

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine GmbH, wurde im Jahr 1994 gegründet. Gesellschafter waren G und A mit jeweils 12.500 DM und K mit 25.000 DM des Stammkapitals von 50.000 DM. Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung und der Vertrieb von visuellen Programmen jeder Art zur Verwendung auf allen Trägern einschließlich Film, Fernsehen und neue Medien, insbesondere Video und CD. Die Klägerin erwarb Auswertungsrechte für Videos, CDs, CD-Roms und CDIs, hauptsächlich im esoterischen und astrologischen Bereich, und bot entsprechende Videos in Fachzeitschriften einem speziell interessierten Publikum an.

13

2. Im Jahr 1995 erwirtschaftete die Klägerin erhebliche Verluste. Mit Vertrag vom 20. Dezember 1995 übertrug A ihren Anteil auf G. Zugleich wurde das Kapital der Klägerin um 100.000 DM erhöht und von G und K jeweils hälftig übernommen, so dass nunmehr beide Gesellschafter mit je 75.000 DM an der Klägerin beteiligt waren. Am 26. Juni 1996 schloss die Klägerin einen Vertrag mit der M-Gruppe, in dem sie sich verpflichtete, für diese Prospekte, Handzettel und Plakate herzustellen. Mit Vertrag vom 18. Juli 1996 übertrug K ihren Gesellschaftsanteil auf den nunmehr alleinigen Gesellschafter G. Die Rechte an den Filmen sowie noch vorhandene Filme verkaufte die Klägerin im April 1997 an einen Dritten.

14

Im Jahr 1996 wurden der Klägerin erhebliche Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte (31. Dezember 1996: 889.978 DM; 1995: 100.000 DM) sowie Anlagen, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung (31. Dezember 1996: 2.278.466 DM; 1995: 20.429 DM) zugeführt. Ferner erhöhten sich der Personalaufwand (1996: 726.310,45 DM, 1995: 37.204,29 DM) und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen (z.B. Raumkosten 1996: 106.435,32 DM, 1995: 19.152 DM) beträchtlich. Die Umsatzerlöse stiegen von 127.011,37 DM (1995) auf 1.666.064,72 DM (1996).

15

Den auf den 31. Dezember 1996 festgestellten Verlustabzug berücksichtigte das Finanzamt bei der Körperschaftsteuer 1997 und im Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 nicht, weil es der Auffassung war, die Klägerin habe ihre wirtschaftliche Identität im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) in Verbindung mit § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) verloren.

16

3. Die dagegen erhobene Klage führte zum Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 8. Oktober 2008 - I R 95/04 - (BFHE 223, 105). Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hält § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) insoweit für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, als danach § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität - nach Maßgabe der Neuregelung - vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, bereits 1997 anzuwenden ist, während die Vorschrift für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, erst ab 1998 gelten soll.

17

a) Die Klägerin habe ihre wirtschaftliche Identität nicht schon im Jahr 1996 nach Maßgabe des früheren § 8 Abs. 4 KStG verloren, da nicht mehr als 75 % aller Geschäftsanteile übertragen worden seien. Auch ein damit vergleichbarer - verlustabzugsschädlicher - Sachverhalt liege nicht vor.

18

Nach der einfachgesetzlichen Rechtslage könne die Klägerin den für sie auf den 31. Dezember 1996 festgestellten Verlust im Streitjahr 1997 nicht mehr geltend machen, weil sie nach den Maßstäben des verschärften § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG mit der Kapitalgesellschaft, die den Verlust erlitten habe, wirtschaftlich nicht mehr identisch sei und diese Vorschrift bereits 1997 Anwendung finde. Es sei mehr als die Hälfte der Anteile an der Klägerin übertragen worden, da G zum einen am 20. Dezember 1995 bezogen auf das damalige Stammkapital 25 % der Anteile von A, darüber hinaus am 18. Juli 1996 weitere 50 % von K erworben habe. Zudem seien der Klägerin in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Anteilsübertragung in erheblichem Umfang neues Betriebsvermögen zugeführt und der Betrieb mit einem anderen Geschäftsgegenstand fortgeführt worden. § 54 Abs. 6 KStG sei in der Weise auszulegen, dass die Neufassung von § 8 Abs. 4 KStG bereits im Veranlagungszeitraum 1997 auch für solche Körperschaften gelte, die - wie die Klägerin - nach den Maßstäben der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 54 Abs. 6 KStG ließen hinreichend klar erkennen, dass die Anwendungsvorschrift auf den Zeitpunkt des Verlustabzugs und nicht auf den Zeitpunkt des Verlustes der wirtschaftlichen Identität abstelle.

19

b) § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) verletzt nach der Überzeugung des vorlegenden Senats Art. 3 Abs. 1 GG.

20

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei sei es Sache des Gesetzgebers, die Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfe, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen wolle. Der Gesetzgeber müsse allerdings eine sachgerechte Auswahl treffen.

21

bb) Vorliegend könnten Körperschaften, die - nach den Maßstäben der Neuregelung - ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, nach der Anwendungsregelung ihre Verluste im Jahr 1997 nicht geltend machen, während Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren hätten, einen Verlustvortrag im Jahr 1997 nutzen könnten. Ein hinreichend sachlicher Grund für diese Benachteiligung sei nicht ersichtlich.

22

Auch wenn eine Begründung der Gesetzesinitiative fehle, sei offenkundig, dass der in § 54 Abs. 6 KStG eingefügte Satz 2 Vertrauensschutz in Fällen gewähren wolle, in denen die wirtschaftliche Identität im Jahr 1997 vor dem Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses verloren gegangen sei. Habe der Gesetzgeber aber eine das Vertrauen in die bisherige Rechtslage schützende Übergangsregelung in diesen Fällen für geboten gehalten, sei nicht erkennbar, weswegen Körperschaften, die - gemessen an der Neuregelung - ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, weniger schutzwürdig sein sollten als die Körperschaften, bei denen dies erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August der Fall gewesen sei. Beide hätten sich an der bisherigen Rechtslage orientiert.

23

Soweit das Bundesministerium der Finanzen im Rahmen des Revisionsverfahrens vorgetragen habe, die Benachteiligung der Unternehmen, die nach der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, sei gerechtfertigt, weil diese mindestens einmal schon ihre Verluste hätten geltend machen können, sei dem nicht zu folgen. Die Möglichkeit der Verlustverrechnung mit künftig anfallenden Gewinnen in diesen Fällen habe geltendem Recht entsprochen. Sie sei keine Maßnahme des Vertrauensschutzes und daher nicht geeignet gewesen, das Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage zu mindern. Diese Körperschaften erschienen eher schutzwürdiger als diejenigen, die den Tatbestand des § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verwirklicht hätten, da ihr Vertrauen in die bestehende Rechtslage zusätzlich durch den Ablauf mindestens eines Veranlagungszeitraums sowie gegebenenfalls den Erlass eines rechtmäßigen Verwaltungsakts - des Verlustfeststellungsbescheides auf den 31. Dezember 1996 gemäß § 10d EStG - bekräftigt worden sei, nach dem sie die festgestellten Verluste mit künftigen Gewinnen verrechnen könnten.

24

Es könne auch nicht unterstellt werden, dass die Neuregelung diese Unternehmen wirtschaftlich weniger hart treffe. Insbesondere in Fällen, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach den Maßgaben der Neuregelung erst Ende 1996 eingetreten sei, hätten die Verluste regelmäßig noch nicht genutzt werden können. Da die Gesetzesänderung nicht angekündigt worden sei, hätten die betroffenen Körperschaften keine Maßnahmen zur Aufdeckung eventuell vorhandener stiller Reserven ergreifen können.

25

Diese Beurteilung gelte unabhängig davon, ob der Gesetzgeber verpflichtet gewesen sei, aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) eine Übergangsregelung zu schaffen, oder ob er auch berechtigt gewesen wäre, die Neuregelung übergangslos auf alle Altfälle anzuwenden. Denn entschließe sich der Gesetzgeber zu einem bestimmten Regelungskonzept - hier: zu einer Übergangsregelung -, müsse er diese Entscheidung folgerichtig weiterverfolgen. Er dürfe daher nicht eine Person oder Gruppe, die unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eher schutzwürdiger erscheine, gegenüber einer anderen Person oder Gruppe benachteiligen.

26

cc) Die Anwendungsregelung lasse auch keine verfassungskonforme Auslegung dahin zu, dass § 54 Abs. 6 KStG für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität nach den Maßstäben der Neuregelung vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten, entweder überhaupt nicht oder erst ab 1998 gelte. Dies folge aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

27

c) Die Vorlagefrage sei entscheidungserheblich. Sei die Anwendungsregelung verfassungsgemäß, sei die Revision der Klägerin unbegründet. Halte das Bundesverfassungsgericht hingegen § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) für verfassungswidrig und erkläre es die Vorschrift insoweit für unvereinbar mit dem Grundgesetz, müsse der Gesetzgeber eine neue Regelung treffen. Für die Klägerin bestehe die Chance, dass der Gesetzgeber - sofern er hierzu nicht bereits aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sei - eine neue Regelung treffe, die die bestehende Vertrauensschutzregelung auf Körperschaften erstrecke, die ihre wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten. In diesem Fall wäre die Revision der Klägerin erfolgreich.

III.

28

Zur Vorlage hat sich das Bundesministerium der Finanzen namens der Bundesregierung geäußert.

29

1. Es bestünden Zweifel an der Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses, weil es an der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage fehlen dürfte. Der Bundesfinanzhof habe nicht ausreichend erörtert, ob die Klägerin ihre wirtschaftliche Identität und damit ihre Verlustabzugsberechtigung nicht bereits nach § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 verloren habe.

30

2. Jedenfalls sei die Vorlage unbegründet; ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei nicht gegeben.

31

a) Nach Auffassung der Bundesregierung fehlt es bereits an einem wesentlich gleichen Sachverhalt. Der Gesetzgeber habe vorliegend drei Fallgruppen unterschieden: die Fälle, die aufgrund der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar 1997 verloren hätten (1. Fallgruppe), die Fälle, die ihre wirtschaftliche Identität nach dem 1. Januar 1997 und vor dem 6. August 1997 verloren hätten (2. Fallgruppe), und die Fälle, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität nach dem 5. August 1997 eingetreten sei (3. Fallgruppe). Diese Fallgruppen seien in den regelungsrelevanten Bereichen nicht vergleichbar.

32

Die dritte Fallgruppe unterscheide sich von den anderen dadurch, dass der Verlust der wirtschaftlichen Identität zu einem Zeitpunkt eingetreten sei, in dem die Gesellschaft beziehungsweise deren Anteilseigner Kenntnis von den Änderungsabsichten des Gesetzgebers in Bezug auf § 8 Abs. 4 KStG gehabt hätten. Die Fallgruppen 1 und 2 hingegen beträfen Kapitalgesellschaften, die ihre wirtschaftliche Identität zuvor (vor dem 6. August 1997) verloren hätten und die damit insoweit als gleich zu bezeichnen seien, als beide Altfälle beträfen. Indes unterschieden sie sich wesentlich dadurch, dass die zur Fallgruppe 1 gehörenden Gesellschaften zumindest im ersten Jahr des Verlustes der wirtschaftlichen Identität die Möglichkeit gehabt hätten, ihren Verlust geltend zu machen, während es diese Möglichkeit für die zur Fallgruppe 2 gehörenden Gesellschaften nicht gegeben habe, weil der Verlust ihrer wirtschaftlichen Identität erst in dem Veranlagungszeitraum (1997) eingetreten sei, für den die Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform bereits habe gelten sollen.

33

Erst mit der Einfügung des Satzes 2 in § 54 Abs. 6 KStG habe der Gesetzgeber auch für die Fallgruppe 2 die Möglichkeit geschaffen, den Verlust im ersten Jahr nach dem Wegfall der wirtschaftlichen Identität zu nutzen. Die Regelung führe deshalb zu einer besseren Abbildung des Totalgewinns und zu einer leistungsgerechteren Gesamtbesteuerung, weil durch den Zusatz des Satzes 2 die Unternehmen der Fallgruppe 2 Unternehmen angeglichen würden, die - wie die der Fallgruppe 1 - bereits die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Verluste zu nutzen.

34

b) Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die Fallgruppen 1 und 2 grundsätzlich gleich zu behandeln wären und demnach eine Ungleichbehandlung vorläge, begründete diese keinen Verfassungsverstoß. Die wenigstens einmalige Möglichkeit der Verlustnutzung, auf die der Gesetzgeber bei der Einführung der verschärfenden Regelung des § 8 Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform abgestellt habe, stelle einen vernünftigen Grund für die gesetzliche Differenzierung dar.

35

Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) lediglich im Rahmen einer Stichtagsregelung eine Übergangsregelung geschaffen habe, mit der für diejenigen Fälle die Gesetzesverschärfung habe abgemildert werden sollen, die noch keine Möglichkeit der Verlustnutzung gehabt hätten. Die verfassungsrechtliche Überprüfung von Stichtags- und anderen Übergangsvorschriften sei darauf beschränkt, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt habe, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt habe und ob die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lasse oder als willkürlich erscheine. Willkür sei vorliegend nicht erkennbar.

36

Der Bundesfinanzhof übersehe, dass der Gesetzgeber mit § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) weniger das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtsnorm habe schützen als vielmehr die wirtschaftlichen Konsequenzen der verschärfenden Regelung zeitweise für die besonders betroffenen Fälle habe abmildern wollen. Angesichts des erklärten Regelungsziels von § 8 Abs. 4 KStG, den Handel mit Verlusten zu verhindern und die Verlustnutzung deshalb nur bei Fortbestehen der rechtlichen und wirtschaftlichen Identität zu gestatten, habe der Gesetzgeber zu keiner Zeit einen Investitionsanreiz für Mantelkäufe gesetzt. Es habe daher kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der Möglichkeit, derartige Verlustgeschäfte steuerlich zu berücksichtigen, entstehen können.

IV.

37

Mit Beschluss vom 14. März 2011 - I R 95/04 - (BFH/NV 2011, S. 1192 f.) hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs seinen Vorlagebeschluss zur Frage der Entscheidungserheblichkeit und zur materiellen Verfassungswidrigkeit ergänzt:

38

1. Die Klägerin habe ihre wirtschaftliche Identität nicht bereits nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des StRefG 1990) verloren. Zum einen ähnle der vorliegende Fall nicht dem früheren Regelbeispiel. So erfasse die Altregelung nicht die Fälle, in denen der Gesellschafter ohne zeitlichen Zusammenhang mit der letzten Anteilsübertragung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens bereits Anteile an der Kapitalgesellschaft gehalten habe und er nur unter Zugrundelegung dieser "Altanteile" die Grenze von 75 % überschreite. Zum anderen und vor allem sei der verbleibende Verlustabzug der Klägerin zum 31. Dezember 1996 durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt worden. Selbst wenn die Klägerin nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. schon im Jahr 1996 ihre wirtschaftliche Identität verloren hätte, hätte ihr dies, da sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 KStG a.F. bereits 1996 verwirklicht worden seien, bei der Veranlagung 1997 wegen des bestandskräftigen Bescheides über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1996 nicht entgegengehalten werden können.

39

2. Zur materiellen Verfassungswidrigkeit sei anzuführen, dass die Prüfung, ob die Anwendungsregelung zu § 8 Abs. 4 KStG a.F. (gemeint hier: Fassung des UntStRFoG) Art. 3 Abs. 1 GG verletze, nicht losgelöst von der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beurteilt werden könne. Nach dessen Beschlüssen zur Rückwirkung im Steuerrecht vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1 ff.; 127, 31 ff.; 127, 61 ff.) genieße zwar die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber müsse aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpfe, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maße Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt würden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage seien abzuwägen. Hiernach sei der übergangslose Wegfall eines im Einklang mit bisherigem Recht und bestandskräftig festgestellten Verlustabzugs unzulässig, wenn insoweit das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage schutzwürdig sei. Dann müsse dem Steuerpflichtigen zumindest für einen Übergangszeitraum von einem Jahr die Nutzung des bislang festgestellten Verlustes möglich sein. Das Argument, diese Unternehmen hätten nach bisherigem Recht die Möglichkeit gehabt, die Verluste wenigstens in einem Jahr zu nutzen, sei daher über die bereits vom Senat in seinem Beschluss vom 8. Oktober 2008 angeführten Gründe hinaus sachwidrig und rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht.

40

Im Streitfall liege eine so genannte unechte Rückwirkung vor, weil § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des UntStRFoG) und die dazu gehörende Anwendungsregelung Verlustvorträge entwerteten, die vor Verkündung des Gesetzes entstanden und bestandskräftig festgestellt gewesen seien. Welche Gründe den Gesetzgeber bewogen hätten, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform zu verschärfen, lasse sich - mangels Gesetzesbegründung - letztlich nur vermuten. Der vorlegende Senat unterstelle, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung nicht nur fiskalische Interessen verfolge, sondern die bisherige Regelung zur Verhinderung von Missbräuchen als unzureichend empfunden habe. Andererseits würden durch die Neuregelung in erheblichem Umfang auch Fälle erfasst, bei denen keine missbräuchliche Gestaltung vorliege. Auch für diese "Altfälle" entfalle ein im Einklang mit der bisherigen Rechtslage festgestellter Verlustvortrag übergangslos. Unter Berücksichtigung dieser Umstände halte es der Senat neben den bereits im Beschluss vom 8. Oktober 2008 angeführten Gründen für nicht abwägungsgerecht, die Verlustnutzung für "Altfälle" übergangslos entfallen zu lassen. Der Gesetzgeber wäre vielmehr gehalten gewesen, ebenso wie in Fällen, in denen die wirtschaftliche Identität zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 6. August 1997 verloren gegangen sei, zumindest eine Verlustnutzung für einen Übergangszeitraum von einem Jahr zu gewähren.

41

Dem entsprechend habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 31 ff.) entschieden, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer bestehenden Rechtslage verfassungsrechtlich insoweit geschützt sein könne, als eine in einem Veranlagungszeitraum getroffene und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahme regelmäßig nicht schon im nächsten Veranlagungszeitraum zu Rechtsfolgen führen dürfe, die ungünstiger seien als die im Zeitpunkt der Maßnahme vorgesehenen. Eine Ausnahme möge gelten, wenn im Zeitpunkt der Maßnahme eine "steuerverschärfende" Rechtsänderung bereits eingeleitet oder aus anderen Gründen vorhersehbar gewesen sei; so lägen die Dinge im Streitfall aber nicht. Die 1996 bei der Klägerin eingetretenen Veränderungen hätten nicht zu einem Identitätsverlust im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des StRefG 1990) und daher nach der damals geltenden Rechtslage nicht zum Wegfall des Verlustvortrags geführt. Durch die Gesetzesänderung im Jahr 1997 - einschließlich der dazu getroffenen Übergangsregelung - sei die ursprünglich vorgesehene Rechtsfolge dieser Maßnahmen zu Ungunsten der Klägerin verändert worden, ohne dass dies bei Vornahme der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung vorhersehbar gewesen sei. Deshalb dürfe die Gesetzesänderung nicht schon im nächsten Veranlagungszeitraum - also im Streitjahr 1997 - für durchgreifend erklärt werden.

B.

42

Die Vorlage ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen, die an die Begründung einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu stellen sind.

I.

43

Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Diesem Begründungserfordernis genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch nachträglich ergänzt werden können (vgl. BVerfGE 75, 329 <339>), erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 <355 f.>).

44

Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle der Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 79, 240 <243>; 121, 108 <117>). Das Gericht muss sich dabei eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>; 94, 315 <323>; 97, 49 <60>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237 f.>).

45

Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen (vgl. BVerfGE 76, 100 <104>; 79, 240 <243 f.>; 86, 52 <57>; 86, 71 <77 f.>; 88, 198 <202>; 94, 315 <325>).

II.

46

Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht. Zwar wird die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage hinreichend dargelegt (1.). Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm reichen jedoch nicht aus (2.).

47

1. Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit hat der Bundesfinanzhof unter Berücksichtigung seiner Ausführungen im Ergänzungsbeschluss vom 14. März 2011 einen Verlust der wirtschaftlichen Identität bereits nach Maßgabe des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 nachvollziehbar (vgl. BVerfGE 44, 297 <299>; 79, 245 <249>; 94, 315 <323>; 108, 186 <208>) verneint, indem er die fehlende Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhalts mit dem früheren Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 näher erläutert hat. Zudem hat er auf die Bindungswirkung verwiesen, die nach seiner Rechtsprechung (Urteil vom 22. Oktober 2003 - I R 18/02 -, juris, Rn. 22 f. = BFHE 204, 273 <277> = BStBl II 2004, S. 468) bei gleichbleibender Rechtslage von einem bestandskräftigen Bescheid im Sinne des § 10d EStG für die steuerliche Abzugsfähigkeit des Verlustes im späteren Abzugsjahr ausgeht, so dass - wäre § 8 Abs. 4 KStG nicht verschärft worden - die Klägerin allein aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Berücksichtigung des auf den 31. Dezember 1996 bestandskräftig festgestellten Verlustabzugs noch im Jahr 1997 hätte verlangen können.

48

2. Die Darlegungen des Bundesfinanzhofs zur Unvereinbarkeit von § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) mit Art. 3 Abs. 1 GG genügen den Vorgaben von § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG dagegen nicht.

49

a) Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob die Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, die sich lediglich allgemein zu den Anforderungen des Gleichheitssatzes verhalten, der vorliegenden Fallgestaltung gerecht werden.

50

Sie lassen unberücksichtigt, dass es sich bei § 54 Abs. 6 KStG um eine Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs, also um eine Übergangsvorschrift handelt. Für die Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren, den rechtspolitischen Vorstellungen der Gegenwart besser entsprechenden Regelung ist dem Gesetzgeber notwendig ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtags- und Übergangsvorschriften beschränkt sich grundsätzlich darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung sachlich vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 29, 245 <258>; 75, 78 <106>; 101, 239 <270>; 117, 272 <301>).

51

Auch soweit der Bundesfinanzhof im Rahmen der Subsumtion darauf hinweist, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung zu einem bestimmten Regelungskonzept - hier: zu einer Übergangsregelung - "folgerichtig" weiterverfolgen müsse, setzt er sich nicht mit der Frage auseinander, ob das Gebot der Folgerichtigkeit auf Übergangsvorschriften überhaupt anwendbar ist und, bejahendenfalls, welche Bedeutung ihm insoweit zukommen kann. Die in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 116, 164; 121, 317) treffen dazu keine Aussage. Nach dem Gebot der Folgerichtigkeit als bereichsspezifischer Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umgesetzt werden und bedürfen Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfGE 99, 88 <95>; 99, 280 <290>; 105, 73 <126>; 107, 27 <47>; 116, 164 <180 f.>). Das Gebot der Folgerichtigkeit kann deshalb Maßstab für die Gestaltung einer Übergangsvorschrift sein im Hinblick auf die Belastungswirkung derjenigen gesetzlichen Regelungen, deren zeitlichen Anwendungsbereich sie bestimmt (vgl. BVerfGE 127, 1 <22 ff.>). Isoliert betrachtet gestaltet eine Übergangsvorschrift dagegen nicht einen steuerlichen Belastungstatbestand aus, sondern sie nimmt lediglich eine Abgrenzung des zeitlichen Anwendungsbereichs zweier unterschiedlicher Belastungstatbestände - hier: der bisherigen und der geänderten Fassung des § 8 Abs. 4 KStG - vor.

52

Bei dem ergänzenden Verweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in Rückwirkungsfällen (BVerfGE 127, 1; 127, 31; 127, 61) bleibt unklar, warum der vorlegende Senat eine Inzidentprüfung des Vertrauensschutzgebotes im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG vornimmt, indem er davon ausgeht, ein mit diesem Gebot nicht in Einklang stehender Differenzierungsgrund sei sachwidrig und könne eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Diese Argumentation lässt insbesondere nicht erkennen, ob der Bundesfinanzhof - unabhängig von dem gewählten Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG - den Gesetzgeber bereits aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) für verpflichtet hält, für Kapitalgesellschaften, die ihre wirtschaftliche Identität gemessen an der Neuregelung schon vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, eine Übergangsregelung zu schaffen (im ursprünglichen Vorlagebeschluss hatte er dies offen gelassen), oder ob und warum es für eine solche Verpflichtung - ungeachtet ihrer Ableitung aus dem Gebot des Vertrauensschutzes - darauf ankommen soll, dass der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für die Vergleichsgruppe der Kapitalgesellschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erst zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 5. August 1997 verloren haben, tatsächlich getroffen hat.

53

b) Jedenfalls setzt sich die Vorlage nicht ausreichend mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und mit der im Ergänzungsbeschluss herangezogenen Verfassungsrechtsprechung auseinander.

54

aa) Im Vorlagebeschluss weicht der Bundesfinanzhof in mehrfacher Hinsicht von - im Schrifttum geteilten - Wertungen der eigenen Rechtsprechung ab, ohne diese Abweichungen zu thematisieren.

55

(1) Dies gilt zunächst, soweit er aus dem Ablauf mindestens eines Veranlagungszeitraums und dem Erlass eines rechtmäßigen Verlustfeststellungsbescheides eine schutzwürdige Bekräftigung von Vertrauen für das Folgejahr herleitet. Nach seinem Urteil vom 11. Februar 1998 (- I R 81/97 -, juris, Rn. 16 f. = BFHE 185, 393 <396 f.> = BStBl II 1998, S. 485) wird der Gesetzgeber durch den Bescheid nach § 10d EStG nicht dahin präjudiziert, den Feststellungen auch zukünftig materiell entsprechen zu müssen. Die im Urteil vom 22. Oktober 2003 (- I R 18/02 -, juris, Rn. 22 f. = BFHE 204, 273 <277> = BStBl II 2004, S. 468) angenommene Bindungswirkung des Feststellungsbescheides für die zukünftige steuerliche Abzugsfähigkeit des Verlustes steht unter dem Vorbehalt einer gleich bleibenden Gesetzeslage. Mit Urteil vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 19 = BFHE 222, 528 <532 f.>) entschied der I. Senat des Bundesfinanzhofs speziell zur Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG), in einem Fall, in dem der Verlust der wirtschaftlichen Identität zwischen dem 1. Januar und dem 5. August 1997 eingetreten sei, stehe der Versagung des Verlustabzugs im Jahr 1998 nicht entgegen, dass das Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31. Dezember 1997 positiv festgestellt habe; denn diese Feststellung sei - aufgrund der Übergangsregelung des § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) - nach der bis dahin geltenden Rechtslage erfolgt und habe unter dem Vorbehalt des Verlustes der wirtschaftlichen Identität nach Maßgabe der neuen Regelungslage im folgenden Veranlagungszeitraum gestanden.

56

In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung wird in der Literatur gleichfalls die Auffassung vertreten, dass den - vor dem Inkrafttreten der Verschärfung des § 8 Abs. 4 KStG - festgestellten Verlusten keine Bindungswirkung zukomme, da sich die Rechtslage geändert habe (vgl. Lang, in: Ernst & Young, KStG, § 8 Rn. 1304.1 ; Frotscher, in Frotscher/Maas, KStG, § 8 Rn. 182c ).

57

(2) Auch im Übrigen stehen die Ausführungen im Vorlagebeschluss im Widerspruch zu den Wertungen des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 20 ff. = BFHE 222, 528 <533 ff.>). In dieser Entscheidung hat der vorlegende I. Senat angenommen, dass die Anwendung der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG auf eine Kapitalgesellschaft, die ihre wirtschaftliche Identität im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren hat, für das Folgejahr 1998 nicht in rechtsstaatlich unzulässiger Weise in bereits abgeschlossene Sachverhalte eingreife und das Vertrauen der beteiligten Steuerpflichtigen verletze. Dabei hat der I. Senat zwar offen gelassen, ob die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers aus Gründen des Vertrauensschutzes derart begrenzt sind, dass er für den im Zeitpunkt einer Unternehmensumstrukturierung laufenden Veranlagungszeitraum keinen Ausschluss des Verlustabzugs mehr anordnen dürfte. Jedenfalls erachtet der I. Senat es in dieser Entscheidung aber als zu weitgehend, solche Begrenzungen generell auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume zu verlangen, wenn - wie bei der Frage der Verlustabzüge von Kapitalgesellschaften - nicht die bloße Abschöpfung von Besteuerungspotentialen im Vordergrund stehe, sondern die typisierte Missbrauchsabwehr, bei welcher seit jeher - und damit auch nach der Regelungsfassung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. (Fassung des StRefG 1990) - mit einem einschränkenden Eingreifen des Gesetzgebers habe gerechnet werden müssen.

58

Nach diesen Maßstäben ist - anders als nach dem Vorlagebeschluss - das Vertrauen der Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität (i.S. des UntStRFoG) erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, schutzwürdiger als dasjenige der Körperschaften, bei denen dies - gemessen an der Neuregelung - bereits vor dem 1. Januar 1997 der Fall war. Wenn nach Auffassung des Bundesfinanzhofs Vertrauensschutz allenfalls in Bezug auf den Veranlagungszeitraum besteht, in welchem die Dispositionen (Umstrukturierungsmaßnahmen) vorgenommen werden, so kam allein denjenigen Körperschaften, bei denen die Umstrukturierung im laufenden Jahr 1997 - vor dem 6. August - vorgenommen wurde, ein solcher Vertrauensschutz zu, dem der Gesetzgeber durch das zeitliche Hinausschieben der Verlustabzugsbeschränkung bis in das Jahr 1998 mithilfe des § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) Rechnung getragen hat. Im Unterschied dazu hätte ein dispositionsbezogenes schutzwürdiges Vertrauen bei den Altfällen, bei denen die Umstrukturierung bereits vor 1997 erfolgte, allenfalls im Jahr der Umstrukturierung, nicht aber noch im Jahr 1997 bestanden, so dass gerade keine Vergleichbarkeit beider Fallgruppen vorliegt (ebenso Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 8 Rn. 182c ). Diesem Grundgedanken entspricht die vom Bundesministerium der Finanzen betonte Differenzierung des Gesetzgebers danach, ob das Unternehmen seinen Verlust mindestens einmal (im Veranlagungszeitraum der Disposition) geltend machen konnte.

59

(3) Das weitere Argument des Bundesfinanzhofs im Vorlagebeschluss, es könne nicht unterstellt werden, dass die Neuregelung diese Unternehmen wirtschaftlich weniger hart treffe, weil sie Verluste möglicherweise noch nicht hätten nutzen können, vernachlässigt die sich insbesondere nach dem Regelungszweck von § 8 Abs. 4 KStG aufdrängende Frage, inwieweit das Interesse von Unternehmen an einer tatsächlichen oder gar bestmöglichen Nutzung von Verlusten in späteren Veranlagungszeiträumen schutzwürdig ist. Wenn, wie der Bundesfinanzhof im Urteil vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 25 = BFHE 222, 528 <536>) ausgeführt hat, § 8 Abs. 4 KStG der Missbrauchsbekämpfung diente und deshalb mit einem einschränkenden Eingreifen des Gesetzgebers in den nachfolgenden Besteuerungszeiträumen von vornherein gerechnet werden musste, hatten die Körperschaften Veranlassung, bereits im Jahr der Umstrukturierung - wegen der möglichen zukünftigen Einschränkung des Verlustabzugs - eine Entscheidung darüber zu treffen, ob angefallene Verluste noch in demselben Jahr zur Verrechnung mit aufzudeckenden stillen Reserven genutzt werden sollten. Dazu verhält sich der Vorlagebeschluss jedoch nicht.

60

(4) Schließlich bleibt bei der Frage der Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der Verlustnutzung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum zeitlichen Anwendungsbereich von § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 unerwähnt (Urteil vom 11. Februar 1998 - I R 81/97 -, juris, Rn. 10 ff. = BFHE 185, 393 <394 ff.> = BStBl II 1998, S. 485). Danach war der mit dem Steuerreformgesetz 1990 neu eingeführte § 8 Abs. 4 KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1990 anzuwenden und erfasste das bei Wegfall der wirtschaftlichen Identität angeordnete Verlustabzugsverbot - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise - auch die vor 1990 entstandenen Altverluste. Diese Rechtsprechung legte nahe, dass der Gesetzgeber im Falle einer späteren Verschärfung des § 8 Abs. 4 KStG eine vergleichbare Anwendungsregelung erlassen und dabei ebenfalls die Altverluste miteinbeziehen würde.

61

bb) Im Ergänzungsbeschluss geht der Bundesfinanzhof von den vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1 <18>; 127, 31 <48>; 127, 61 <77>) entwickelten Rechtsgrundsätzen aus, nach denen eine unechte Rückwirkung mit den Grundsätzen des grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar ist, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleibt.

62

Er nimmt an, dass von der Neuregelung des § 8 Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform in erheblichem Umfang auch Fälle erfasst werden, bei denen keine missbräuchliche Gestaltung vorliegt. Im Folgenden betrachtet er diese Fälle allerdings allein unter dem Aspekt der Rückwirkung, nicht dagegen, soweit die Neufassung von § 8 Abs. 4 KStG auf Umstrukturierungsmaßnahmen nach dem 5. August 1997 Anwendung findet. Für die - nicht missbräuchlichen - Altfälle sei ein übergangsloser Wegfall des Verlustvortrags nicht "abwägungsgerecht". Dahinter mag die Überlegung stehen, dass Unternehmen bei Umstrukturierungsmaßnahmen vor 1997 jedenfalls mit Änderungen von § 8 Abs. 4 KStG, die über die Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen hinausgehen, nicht zu rechnen brauchten.

63

(1) Der vorlegende Senat quantifiziert allerdings seine Annahme, die Neuregelung weise eine - gemessen an dem gesetzgeberischen Ziel der Missbrauchsbekämpfung - erhebliche überschießende Wirkung auf, weder für Neufälle noch für die hier relevanten Altfälle näher; ebenso wenig belegt er sie. Der naheliegenden Frage, ob § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG (i.d.F. des UntStRFoG) wegen der im Steuerrecht bestehenden Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung (vgl. BVerfGE 84, 348 <359>; 122, 210 <232 f.>; 126, 268 <278 f.>; für Übergangsregelungen vgl. BVerfGE 75, 246 <282>) - hier: der typisierenden Bekämpfung von missbräuchlichen Gestaltungen - verfassungsrechtlich sowohl für Neufälle als auch insoweit hingenommen werden kann, als der Vorschrift wegen § 54 Abs. 6 KStG (i.d.F. des RVFinG) Rückwirkung zukommt, geht er nicht nach. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Gesetzgeber durch Einfügung von § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG die - nicht missbräuchlichen - Sanierungsfälle von der Missbrauchsbekämpfungsregelung ausgenommen hat (vgl. Bieber, Die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung des steuerrechtlichen Verlustausgleichs und Verlustabzugs, 2006, S. 264 ff.).

64

(2) Die Erwägung, der Gesetzgeber wäre gehalten gewesen, für die Fälle einer Umstrukturierung vor dem 1. Januar 1997 (Fallgruppe 1) "ebenso" wie in Fällen, in denen die wirtschaftliche Identität zwischen dem 1. Januar 1997 und dem 6. August 1997 verloren gegangen sei (Fallgruppe 2), zumindest "eine Verlustnutzung für einen Übergangszeitraum von einem Jahr" zu gewähren, steht erneut im Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. August 2008 (- I R 78/01 -, juris, Rn. 25 = BFHE 222, 528 <535 f.>). Mit dem Übergangszeitraum von einem Jahr ist - wie sich aus den anschließenden Ausführungen des vorlegenden Senats zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 31 ff.) ergibt (s. dazu unten unter (3)) - eine Verlustnutzung in dem auf die Umstrukturierung folgenden Veranlagungsjahr gemeint. Eine solche Verlustnutzung sieht § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG (i.d.F. des RVFinG) indes auch für die Fallgruppe 2 nicht vor. Denn bei diesen Unternehmen wird eine Verlustverrechnung allein und einmalig im laufenden Dispositionsjahr 1997, nicht aber übergangsweise auch im nachfolgenden Veranlagungszeitraum 1998 gewährt (vgl. BFH, Urteil vom 27. August 2008 - I R 78/01 -, juris, Rn. 25 = BFHE 222, 528 <535 f.>).

65

(3) Soweit der Bundesfinanzhof die (grundrechtliche oder rechtsstaatliche) Notwendigkeit einer Übergangsvorschrift auch für die Fallgruppe 1 aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 31) zur rückwirkenden Tariferhöhung für Entschädigungen wegen eines Arbeitsplatzverlustes ableitet und meint, danach dürfe eine in einem Veranlagungszeitraum getroffene und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahme regelmäßig nicht schon im nächsten Veranlagungszeitraum zu Rechtsfolgen führen, die ungünstiger seien als die im Zeitpunkt der Maßnahme vorgesehenen, legt er die Vergleichbarkeit des jener Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts mit dem hier zu beurteilenden nicht ausreichend dar.

66

Dort stellte sich wegen des teilweise erheblichen Zeitablaufs zwischen Vereinbarung und Auszahlung der Entschädigung für einen Arbeitsplatzverlust die Frage, ob Vertrauensschutz die Besteuerung nach der zum Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden (günstigeren) Tarifermäßigungsregelung gebietet. Der Senat hat entschieden, dass es dafür darauf ankommt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Steuerpflichtige mit etwaigen Rechtsänderungen habe rechnen müssen (vgl. BVerfGE 127, 31 <50 ff.>). Als weniger schutzwürdig hat er Vereinbarungen über eine bestimmte Entschädigung angesehen, soweit der Beendigungs- und Zahlungszeitpunkt über einen längeren Zeitraum als über das Folgejahr hinaus verschoben wurde. Dagegen sei die Schutzwürdigkeit nicht gemindert, wenn die Auszahlung der Entschädigung für das Folgejahr der Vereinbarung bestimmt worden sei, auch wenn dazwischen eine gewisse Zeitspanne liege. Denn diese Zeitspanne bewege sich ohne weiteres in dem für Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 a) EStG üblichen Rahmen. Bei Arbeits- oder Dienstverhältnissen gehe es um Entschädigungen im Zusammenhang mit Kündigungen oder möglichen Kündigungen seitens des Arbeitgebers oder Dienstherrn, bei denen das beiderseitige Interesse der Beteiligten an einem gewissen zeitlichen Abstand zwischen Entschädigungsvereinbarung und Zahlung bei Beendigung des bisherigen Arbeits- oder Dienstverhältnisses evident sei. Schon zum Zeitpunkt der Entschädigungsvereinbarung müssten sich aber beide Seiten entscheiden, auf welche Bedingungen sie sich für die Beendigung des bisherigen Rechtsverhältnisses einlassen wollten. Auch soweit der Beendigungszeitpunkt nicht in das Jahr der Vereinbarung, sondern erst in das Folgejahr falle, entstehe so ein besonderes Schutzbedürfnis im Hinblick auf die Abschätzbarkeit des wirtschaftlichen Ergebnisses der Vereinbarung.

67

Dass Kapitalgesellschaften, die angefallene Verluste in den auf den vollständigen Abschluss einer Umstrukturierung im Sinne von § 8 Abs. 4 KStG (i.d.F. des UntStRFoG: Übertragung von mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile, Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens und Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs) folgenden Veranlagungsjahren weiterhin nutzen wollen, in gleicher Weise schutzwürdig sind, zeigt der Bundesfinanzhof in seinem Ergänzungsbeschluss nicht auf.

(1) Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse, die sich am 1. Januar 1999 bereits in den Akten befinden, brauchen abweichend von § 2 Abs. 9 Satz 2 bis 4 erst dann vernichtet zu werden, wenn sich die Fahrerlaubnisbehörde aus anderem Anlass mit dem Vorgang befasst. Eine Überprüfung der Akten muss jedoch spätestens bis zum 1. Januar 2014 durchgeführt werden. Anstelle einer Vernichtung der Unterlagen sind die darin enthaltenen Daten zu sperren, wenn die Vernichtung wegen der besonderen Art der Führung der Akten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(2) Ein örtliches Fahrerlaubnisregister (§ 48 Abs. 1) darf nicht mehr geführt werden, sobald

1.
sein Datenbestand mit den in § 50 Abs. 1 genannten Daten in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommen worden ist,
2.
die getroffenen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 und § 4 Absatz 5 in das Fahreignungsregister übernommen worden sind und
3.
der Fahrerlaubnisbehörde die Daten, die ihr nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 und § 52 Abs. 1 Nr. 3 aus den zentralen Registern mitgeteilt werden dürfen, durch Abruf im automatisierten Verfahren mitgeteilt werden können.
Die Fahrerlaubnisbehörden löschen aus ihrem örtlichen Fahrerlaubnisregister spätestens bis zum 31. Dezember 2014 die im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten, nachdem sie sich von der Vollständigkeit und Richtigkeit der in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommenen Einträge überzeugt haben. Die noch nicht im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten der Fahrerlaubnisbehörden werden bis zur jeweiligen Übernahme im örtlichen Register gespeichert. Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 werden erst dann im Fahreignungsregister gespeichert, wenn eine Speicherung im örtlichen Fahrerlaubnisregister nicht mehr vorgenommen wird.

(2a) Absatz 2 ist nicht auf die Daten anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1999 in örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeichert worden sind.

(3) Die Regelungen über das Verkehrszentralregister und das Punktsystem werden in die Regelungen über das Fahreignungsregister und das Fahreignungs-Bewertungssystem nach folgenden Maßgaben überführt:

1.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wären, werden am 1. Mai 2014 gelöscht. Für die Feststellung nach Satz 1, ob eine Entscheidung nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wäre, bleibt die Höhe der festgesetzten Geldbuße außer Betracht.
2.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und nicht von Nummer 1 erfasst sind, werden bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Dabei kann eine Ablaufhemmung nach § 29 Absatz 6 Satz 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung nicht durch Entscheidungen, die erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, ausgelöst werden. Für Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 24a gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass sie spätestens fünf Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung getilgt werden. Ab dem 1. Mai 2019 gilt
a)
für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Absatz 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Tilgungsfrist angerechnet wird,
b)
für die Löschung § 29 Absatz 6 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung.
3.
Auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, sind dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s in der bis zum 27. Juli 2021 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Dabei sind § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb und § 28a in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils anstelle der dortigen Grenze von sechzig Euro die Grenze von vierzig Euro gilt.
4.
Personen, zu denen bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister eine oder mehrere Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung gespeichert worden sind, sind wie folgt in das Fahreignungs-Bewertungssystem einzuordnen:
Punktestand
vor dem
1. Mai 2014
Fahreignungs-Bewertungssystem ab dem 1. Mai 2014
PunktestandStufe
1 –  31Vormerkung
(§ 4 Absatz 4)
4 –  52
6 –  73
8 – 1041: Ermahnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1)
11 – 135
14 – 1562: Verwarnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2)
16 – 177
> = 1883: Entzug
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3)
Die am 1. Mai 2014 erreichte Stufe wird für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Die Einordnung nach Satz 1 führt allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
5.
Die Regelungen über Punkteabzüge und Aufbauseminare werden wie folgt überführt:
a)
Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung sind vorzunehmen, wenn die Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung bis zum Ablauf des 30. April 2014 der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorgelegt worden ist. Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung bleiben bis zur Tilgung der letzten Eintragung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, längstens aber zehn Jahre ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert.
b)
Bei der Berechnung der Fünfjahresfrist nach § 4 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind auch Punkteabzüge zu berücksichtigen, die nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung vorgenommen worden sind.
c)
Aufbauseminare, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 nicht abgeschlossen worden sind, sind bis zum Ablauf des 30. November 2014 nach dem bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Recht durchzuführen.
d)
Abweichend von Buchstabe c kann anstelle von Aufbauseminaren, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 noch nicht begonnen worden sind, die verkehrspädagogische Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars absolviert werden.
e)
Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung mitzuteilen.
6.
Nachträgliche Veränderungen des Punktestandes nach den Nummern 2 oder 5 führen zu einer Aktualisierung der nach der Tabelle zu Nummer 4 erreichten Stufe im Fahreignungs-Bewertungssystem.
7.
Sofern eine Fahrerlaubnis nach § 4 Absatz 7 in der bis zum 30. April 2014 anwendbaren Fassung entzogen worden ist, ist § 4 Absatz 3 Satz 1 bis 3 auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nicht anwendbar.

(4) (weggefallen)

(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 6f Absatz 2, längstens bis zum Ablauf des 31. Juli 2018, gelten die in den Gebührennummern 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 15. September 2015 (BGBl. I S. 1573) geändert worden ist, in der am 6. Dezember 2016 geltenden Fassung festgesetzten Gebühren als Entgelte im Sinne des § 6f Absatz 1. Die Gebührennummern 403 und 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sind nicht mehr anzuwenden.

(6) Die durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1653) geänderten Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes sind nicht anzuwenden, sofern der Unfall vor dem 17. Juli 2020 eingetreten ist.

(7) Ordnungswidrigkeiten nach § 23 in der bis zum Ablauf des 27. Juli 2021 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A18, A1, B, BE, C1, C1E, L, M und S.

Mit Schreiben vom 6. März 2012 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Oberallgäu (Fahrerlaubnisbehörde) mit, dass der Antragsteller acht Punkte im damaligen Verkehrszentralregister (VZR) erreicht habe. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte ihn daraufhin mit Schreiben vom 20. März 2012 nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 StVG a. F.

Am 17. Januar 2014 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde mit, für den Antragsteller seien nunmehr insgesamt 14 Punkte im VZR eingetragen. Mit Bescheid vom 28. Januar 2014 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 8 StVG a. F. die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Sie wies den Antragsteller darauf hin, dass ihm bei Erreichen von 18 Punkten oder mehr die Fahrerlaubnis entzogen werde und auf die Möglichkeit der Punktereduzierung durch Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung. Vom 21. Februar 2014 bis 14. März 2014 nahm der Antragsteller an einem Aufbauseminar teil und legte eine Teilnahmebestätigung vor.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2015 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde mit, der Antragsteller habe nun acht Punkte im Fahreignungsregister (FAER) erreicht. Zu den vor dem 1. Mai 2014 im VZR eingetragenen 14 Punkten, die in sechs Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem umgerechnet worden seien, seien für eine am 16. Dezember 2014 begangene Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h (zulässige Geschwindigkeit 120 km/h, festgestellte Geschwindigkeit nach Toleranzabzug 170 km/h) mit am 30. Juni 2015 rechtskräftiger Entscheidung zwei weitere Punkte im FAER hinzugekommen.

Nach Anhörung entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller mit Bescheid vom 16. September 2015 die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids), ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die unverzügliche Abgabe des Führerscheins (Nr. 2 und 3) sowie den Sofortvollzug hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 4). Der Antragsteller habe acht Punkte im FAER erreicht. Es sei ihm daher nach § 4 Abs. 5 Nr. 3 StVG n. F. zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen. Am 14. Oktober 2015 gab der Antragsteller seinen Führerschein ab.

Über die gegen den Bescheid vom 16. September 2015 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Augsburg noch nicht entschieden (Az. Au 7 K 15.1560). Den Antrag auf Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2015 abgelehnt. Die Fahrerlaubnisbehörde habe dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen. Die Stufen des Fahreignungs-Bewertungssystems seien ordnungsgemäß durchlaufen worden. Nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG n. F. führe die Umstellung des Systems zum 1. Mai 2014 und die dadurch erstmalige Einordnung in die neuen Maßnahmenstufen nicht zur Ergreifung einer Maßnahme. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nach § 4 Abs. 9 StVG sofort vollziehbar.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, die Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG n. F. sei verfassungswidrig und verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 sowie Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Mit Bescheid vom 28. Januar 2014 sei ihm mitgeteilt worden, dass seine Fahrerlaubnis bei Erreichen von 18 Punkten entzogen werde. Nunmehr sei sie ihm bereits bei acht Punkten entzogen worden, ohne dass ein Hinweis erfolgt sei. Dies sei unverhältnismäßig und stelle einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie in die Berufsfreiheit dar. Er hätte vor der Entziehung der Fahrerlaubnis verwarnt werden müssen. Es sei ihm eine Punktereduzierung zu gewähren, da das Stufensystem nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen

II.

Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.

Nicht durchdringen kann der Antragsteller mit seinem Einwand, die Fahrerlaubnisbehörde hätte ihn vor der Entziehung der Fahrerlaubnis zunächst gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der ab 1. Mai 2014 geltenden Fassung (BGBl I S. 3313), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 2015 (BGBl I S. 904), verwarnen müssen, weshalb sein Punktestand gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 StVG auf sieben Punkte zu reduzieren sei. Nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG führt die Einordnung nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG (Umrechnung des früheren Punktestands vor dem 1.5.2014 in Punkte nach dem neuen System und Einordnung in die entsprechende Stufe nach § 4 Abs. 5 StVG) allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Die vor dem 1. Mai 2014 eingetragenen und mit 14 Punkten bewerteten Ordnungswidrigkeiten des Antragstellers ergaben durch Umrechnung gemäß der Tabelle in § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 StVG sechs Punkte nach dem neuen System. Hierdurch hatte der Antragsteller bereits die zweite Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG in der ab 1. Mai 2014 geltenden Fassung erreicht. Die Fahrerlaubnisbehörde hatte ihn auch am 20 März 2012 gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a. F. ordnungsgemäß wegen Erreichens von acht Punkten nach dem damaligen Punktesystem verwarnt und mit Bescheid vom 28. Januar 2014 nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG a. F. ein Aufbauseminar angeordnet. Damit hat die Fahrerlaubnisbehörde bei Erreichen des jeweiligen Punktestands die nach dem entsprechenden Stufensystem zu diesem Zeitpunkt erforderlichen Maßnahmen ergriffen und den Antragsteller in der gebotenen Weise zwei Mal verwarnt. Einer weiteren Maßnahme in Form einer Ermahnung nach neuem Recht bedurfte es somit nicht (vgl. auch BayVGH, B. v. 10.6.2015 - 11 CS 15.814 - juris Rn. 9; B. v 7.1.2015 - 11 CS 14.2653 - juris Rn. 9, B. v. 4.5.2015 - 11 C 15.692 - juris Rn. 7 u. B. v. 8.6.2015 - 11 CS 15.718 - juris Rn. 15). Vielmehr hat der Antragsteller das Stufensystem ordnungsgemäß durchlaufen.

Die Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG verletzt den Antragsteller auch nicht in Grundrechten. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht ersichtlich. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, B. v. 24.3.2015 - 1 BvR 2880/11 - juris Rn. 38 f. m. w. N.). Für den Übergang von einer älteren zu einer neueren, den rechtspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers besser entsprechenden Regelung ist diesem notwendig ein gewisser Spielraum einzuräumen. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtags- und Übergangsvorschriften beschränkt sich grundsätzlich darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung sachlich vertretbar erscheint (vgl. BVerfG, B. v. 1.4.2014 - 2 BvL 2/09 - juris Rn. 50 m. w. N.).

Gemessen an diesen Vorgaben ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, die Einordnung in das Fahreignungs-Bewertungssystem nicht mit einer Maßnahme zu verbinden, verfassungsrechtlich zu beanstanden sein könnte. Zum einen besteht durch die gleichzeitig erfolgte Reduzierung der Punktebewertung von maximal sieben auf höchstens drei Punkte ohnehin häufig kein Unterschied hinsichtlich des Erreichens der nächsten Maßnahmestufe in den beiden Systemen. Zum anderen wäre das Ergreifen einer kostenpflichtigen Maßnahme, ohne dass eine weitere Verkehrszuwiderhandlung begangen wurde, eine unnötige Belastung der Betroffenen. Ein Großteil der im früheren Verkehrszentralregister eingetragenen Personen wird ohnehin nie in eine höhere Maßnahmenstufe gelangen, sondern sich die Eintragung als Warnung gereichen lassen und sich nunmehr an die Verkehrsvorschriften halten.

Aber selbst in einem Fall wie dem des Antragstellers, in dem die begangene Ordnungswidrigkeit nach dem früheren Punktesystem nur mit drei Punkten bewertet war (Nr. 5.4 i. V. m. Nr. 4.3 der Anlage 13 zu § 40 FeV a. F.) und damit nach der früheren Rechtslage noch nicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hätte, kann die Übergangsvorschrift nicht beanstandet werden. Die Alternative, allen im Verkehrszentralregister mit einer Maßnahmenstufe eingetragenen Personen (ca. 450.000, vgl. Statistiken auf www.kba.de) eine Mitteilung zu übersenden, obwohl voraussichtlich zahlreiche dieser Personen überhaupt nie eine weitere Maßnahmenstufe erreichen, wäre ein derart großer und mit hohen Kosten verbundener bürokratischer Aufwand, dass der Gesetzgeber dies nicht vorsehen musste. Nach § 30 Abs. 8 Satz 1 StVG besteht für die Betroffenen die Möglichkeit, unentgeltlich Auskunft über die Anzahl der Punkte zu verlangen. Die Antragsteller konnte sich daher jederzeit darüber informieren, welchen Punktestand er nach dem neuen System erreicht hatte. Eine allgemeine Verpflichtung des Gesetzgebers, einen bestimmten Personenkreis über Änderungen der Rechtslage zu informieren, besteht nicht.

Es kann auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darin gesehen werden, dass Fahrerlaubnisinhaber, die unter Geltung der neuen Rechtslage erstmals die zweite Maßnahmenstufe erreichen, nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG verwarnt werden, während dies bei den Personen, die schon im Rahmen des früheren Punktesystems die zweite Maßnahmenstufe erreicht hatten, nicht erfolgt. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar, da der eine Personenkreis die zweite Stufe schon erreicht hatte und damit schon zwei Mal auf sein Fehlverhalten aufmerksam gemacht wurde, während der andere Personenkreis unter der früheren Rechtslage erst einmal verwarnt wurde.

Die Anwendung des § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG ist auch mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar. Dieser Grundsatz, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten ableitet, engt die Befugnis des Gesetzgebers ein, die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich zu ändern (vgl. BVerwG, U. v. 16.3.2015 - 6 C 31/14 - juris Rn. 21; BVerfG, B. v. 7.7.2010 - 2 BvL 14/02 - BVerfGE 127, 1/16 m. w. N.). Im vorliegenden Fall liegt aber weder eine „echte“ noch eine „unechte“ Rückwirkung vor, denn die Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem knüpft nicht an abgeschlossene oder bereits ins Werk gesetzte Tatbestände an, sondern an die Eintragung weiterer Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten in das Fahreignungsregister. Selbst wenn man eine „unechte“ Rückwirkung annehmen wollte, da der zum 30. April 2014 bestehende Punktestand umgerechnet und dann an diese neue Punktzahl angeknüpft wird, kann der Antragsteller kein Vertrauen in die Beibehaltung der früheren Rechtslage geltend machen. Spätestens mit dem endgültigen Beschluss des Deutschen Bundestages über einen Gesetzentwurf müssen die Betroffenen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten (vgl. BVerfG, B. v. 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 57). Die Änderung des Punktesystems zum 1. Mai 2014 hatte der Bundestag aber schon am 28. August 2013, also weit vor der zur Entziehung der Fahrerlaubnis führenden Verkehrsordnungswidrigkeit des Antragstellers beschlossen.

Hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und des Eingriffs in die Berufsfreiheit kann der Beschwerdebegründung schon nicht entnommen werden, aus welchen Gründen die Übergangsbestimmung des § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG eine Verletzung dieser Rechte begründen soll.

Dem Antragsteller wurde auch nicht nach Art. 44 BayVwVfG zugesichert, dass ihm auch nach der Rechtsänderung weiterhin erst bei Erreichen von 18 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Der Hinweis im Bescheid vom 28. Januar 2014, dass bei Erreichen von 18 Punkten oder mehr nach § 4 Abs. 3 Satz 3 StVG a. F. die Fahrerlaubnis entzogen wird, gab den damaligen Rechtsstand wieder und war nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 StVG a. F. gesetzlich vorgeschrieben. Es war auch nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller noch bis zur Rechtsänderung zum 1. Mai 2014 einen solchen Punktestand erreichen konnte.

Soweit der Antragsteller auf Rechtsprechung und Literatur zur früheren Rechtslage und auf den Zweck des früheren Punktesystems, dem Betroffenen die Gelegenheit zur Verhaltensänderung zu geben, hinweist, kann daraus kein anderer Schluss gezogen werden. Der Antragsteller wurde verwarnt und hat an einem Aufbauseminar teilgenommen. Damit wurde ihm ausreichend Gelegenheit gegeben, sein Verhalten zu überdenken und zu ändern. Beide Maßnahmen haben aber offensichtlich keine Wirkung gezeigt und nicht zu einer Verhaltensänderung geführt, denn ca. zehn Monate nach Abschluss des Aufbauseminars hat er erneut eine besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeit begangen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Antragsteller im Gegensatz zu den Verkehrsteilnehmern, die erst nach der Rechtsänderung die zweite Maßnahmenstufe erreichen, ein drittes Mal auf sein Fehlverhalten hingewiesen werden müsste, um eine Verhaltensänderung hervorzurufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse, die sich am 1. Januar 1999 bereits in den Akten befinden, brauchen abweichend von § 2 Abs. 9 Satz 2 bis 4 erst dann vernichtet zu werden, wenn sich die Fahrerlaubnisbehörde aus anderem Anlass mit dem Vorgang befasst. Eine Überprüfung der Akten muss jedoch spätestens bis zum 1. Januar 2014 durchgeführt werden. Anstelle einer Vernichtung der Unterlagen sind die darin enthaltenen Daten zu sperren, wenn die Vernichtung wegen der besonderen Art der Führung der Akten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(2) Ein örtliches Fahrerlaubnisregister (§ 48 Abs. 1) darf nicht mehr geführt werden, sobald

1.
sein Datenbestand mit den in § 50 Abs. 1 genannten Daten in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommen worden ist,
2.
die getroffenen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 und § 4 Absatz 5 in das Fahreignungsregister übernommen worden sind und
3.
der Fahrerlaubnisbehörde die Daten, die ihr nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 und § 52 Abs. 1 Nr. 3 aus den zentralen Registern mitgeteilt werden dürfen, durch Abruf im automatisierten Verfahren mitgeteilt werden können.
Die Fahrerlaubnisbehörden löschen aus ihrem örtlichen Fahrerlaubnisregister spätestens bis zum 31. Dezember 2014 die im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten, nachdem sie sich von der Vollständigkeit und Richtigkeit der in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommenen Einträge überzeugt haben. Die noch nicht im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten der Fahrerlaubnisbehörden werden bis zur jeweiligen Übernahme im örtlichen Register gespeichert. Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 werden erst dann im Fahreignungsregister gespeichert, wenn eine Speicherung im örtlichen Fahrerlaubnisregister nicht mehr vorgenommen wird.

(2a) Absatz 2 ist nicht auf die Daten anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1999 in örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeichert worden sind.

(3) Die Regelungen über das Verkehrszentralregister und das Punktsystem werden in die Regelungen über das Fahreignungsregister und das Fahreignungs-Bewertungssystem nach folgenden Maßgaben überführt:

1.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wären, werden am 1. Mai 2014 gelöscht. Für die Feststellung nach Satz 1, ob eine Entscheidung nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wäre, bleibt die Höhe der festgesetzten Geldbuße außer Betracht.
2.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und nicht von Nummer 1 erfasst sind, werden bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Dabei kann eine Ablaufhemmung nach § 29 Absatz 6 Satz 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung nicht durch Entscheidungen, die erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, ausgelöst werden. Für Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 24a gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass sie spätestens fünf Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung getilgt werden. Ab dem 1. Mai 2019 gilt
a)
für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Absatz 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Tilgungsfrist angerechnet wird,
b)
für die Löschung § 29 Absatz 6 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung.
3.
Auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, sind dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s in der bis zum 27. Juli 2021 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Dabei sind § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb und § 28a in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils anstelle der dortigen Grenze von sechzig Euro die Grenze von vierzig Euro gilt.
4.
Personen, zu denen bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister eine oder mehrere Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung gespeichert worden sind, sind wie folgt in das Fahreignungs-Bewertungssystem einzuordnen:
Punktestand
vor dem
1. Mai 2014
Fahreignungs-Bewertungssystem ab dem 1. Mai 2014
PunktestandStufe
1 –  31Vormerkung
(§ 4 Absatz 4)
4 –  52
6 –  73
8 – 1041: Ermahnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1)
11 – 135
14 – 1562: Verwarnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2)
16 – 177
> = 1883: Entzug
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3)
Die am 1. Mai 2014 erreichte Stufe wird für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Die Einordnung nach Satz 1 führt allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
5.
Die Regelungen über Punkteabzüge und Aufbauseminare werden wie folgt überführt:
a)
Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung sind vorzunehmen, wenn die Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung bis zum Ablauf des 30. April 2014 der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorgelegt worden ist. Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung bleiben bis zur Tilgung der letzten Eintragung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, längstens aber zehn Jahre ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert.
b)
Bei der Berechnung der Fünfjahresfrist nach § 4 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind auch Punkteabzüge zu berücksichtigen, die nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung vorgenommen worden sind.
c)
Aufbauseminare, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 nicht abgeschlossen worden sind, sind bis zum Ablauf des 30. November 2014 nach dem bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Recht durchzuführen.
d)
Abweichend von Buchstabe c kann anstelle von Aufbauseminaren, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 noch nicht begonnen worden sind, die verkehrspädagogische Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars absolviert werden.
e)
Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung mitzuteilen.
6.
Nachträgliche Veränderungen des Punktestandes nach den Nummern 2 oder 5 führen zu einer Aktualisierung der nach der Tabelle zu Nummer 4 erreichten Stufe im Fahreignungs-Bewertungssystem.
7.
Sofern eine Fahrerlaubnis nach § 4 Absatz 7 in der bis zum 30. April 2014 anwendbaren Fassung entzogen worden ist, ist § 4 Absatz 3 Satz 1 bis 3 auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nicht anwendbar.

(4) (weggefallen)

(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 6f Absatz 2, längstens bis zum Ablauf des 31. Juli 2018, gelten die in den Gebührennummern 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 15. September 2015 (BGBl. I S. 1573) geändert worden ist, in der am 6. Dezember 2016 geltenden Fassung festgesetzten Gebühren als Entgelte im Sinne des § 6f Absatz 1. Die Gebührennummern 403 und 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sind nicht mehr anzuwenden.

(6) Die durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1653) geänderten Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes sind nicht anzuwenden, sofern der Unfall vor dem 17. Juli 2020 eingetreten ist.

(7) Ordnungswidrigkeiten nach § 23 in der bis zum Ablauf des 27. Juli 2021 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde als Alleinerbin ihres 2001 verstorbenen Ehemannes Eigentümerin von Schusswaffen. Hierfür erteilte der Beklagte ihr eine Waffenbesitzkarte. 2011 erlegte er ihr durch Bescheid auf, einige dieser Waffen mit Blockiersystemen zu versehen. Das Verwaltungsgericht hat ihre hiergegen gerichtete Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht ihre Berufung zurückgewiesen: Die Blockierpflicht gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG gelte auch, sofern die Waffe vor Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 2008 infolge Erbfalls erworben sei.

2

Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Der Gesetzgeber habe mit § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG allenfalls Erwerbsfälle nach Inkrafttreten des Waffenrechtsneuregelungsgesetzes vom 11. Oktober 2002 erfassen wollen. Die Ausdehnung auf frühere Zeiträume würde gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Der angefochtene Bescheid sei ermessensfehlerhaft. Die Klägerin habe die in Rede stehenden Erbwaffen seit vielen Jahren im Besitz, ohne dass jemals Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufgetreten seien.

3

Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist als unbegründet zurückzuweisen. Das Berufungsurteil verletzt nicht Bundesrecht. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.

5

1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 9 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 WaffG. Hiernach kann eine waffenrechtliche Erlaubnis zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nachträglich mit einer Auflage versehen werden. Durch Nichterfüllung der Blockierpflicht gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG stört die Klägerin die öffentliche Sicherheit. Sie unterliegt dieser Pflicht, weil - wie sie selbst nicht in Frage stellt - die betroffenen Waffen erlaubnispflichtig sind (§ 2 Abs. 2 WaffG) und sie kein waffenrechtliches Bedürfnis geltend machen kann. Der Beklagte durfte ihr daher auferlegen, diese Waffen mit Blockiersystemen zu versehen. Ermessensfehler sind ihm hierbei nicht unterlaufen.

6

a. § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG gilt für sämtliche infolge Erbfalls erworbenen erlaubnispflichtigen Waffen unabhängig vom Erwerbszeitpunkt. Erfasst sind auch Altfälle aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten des Waffengesetzänderungsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 426), das die Blockierpflicht für Erbwaffen eingeführt hat.

7

aa. Allerdings folgt dies noch nicht zwingend aus Wortlaut und systematischer Stellung von § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG.

8

Ob auch Altfälle in die Blockierpflicht einbezogen sind, wird durch den Text der Vorschrift nicht ausdrücklich in die eine oder andere Richtung beantwortet.

9

Gesetzessystematisch ist, jedenfalls bei Einbeziehung von § 58 WaffG, die Lesart nicht versperrt, dass die Norm keine Anwendung gegenüber Personen beansprucht, die bei Inkrafttreten des Waffengesetzänderungsgesetzes von 2008 bereits Inhaber einer Waffenbesitzkarte für früher erworbene Erbwaffen waren. Umgekehrt ist gesetzessystematisch die Lesart nicht versperrt, dass die Norm die waffenrechtliche Stellung des Erwerbers infolge Erbfalls nicht nur im Hinblick auf die Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis, sondern auch im Hinblick auf die weitere Besitzberechtigung regeln soll. Für letzteres spricht insbesondere die amtliche Überschrift von § 20 WaffG.

10

bb. Die Gesetzesmaterialien enthalten Anhaltspunkte dafür, dass die Erstreckung auf Altfälle der Regelungsabsicht des Gesetzgebers bei Erlass des Waffengesetzänderungsgesetzes von 2008 entsprach (ebenso Gade/Stoppa, WaffG, 2011, § 20 Rn. 19; Papsthart, in: Steindorf/Heinrich/ders., Waffenrecht, 9. Aufl. 2010, § 20 Rn. 8).

11

Die Bundesregierung hat am 22. November 2007 den Gesetzentwurf vorgelegt (BR-Drs. 838/07). In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 20. Dezember 2007 hat die Bundesregierung die Aufnahme eines in ihrem Gesetzentwurf noch nicht vorgesehenen Absatzes 7 in § 20 WaffG vorgeschlagen, um - entsprechend dem heutigen § 20 Abs. 7 Satz 1 WaffG - Ausnahmen von der für "alle Erbwaffen" geltenden Blockierpflicht zu ermöglichen, sofern ein entsprechendes Blockiersystem noch nicht vorhanden ist. In diesem Zusammenhang ist in der Gegenäußerung ausgeführt:

"Durch die Formulierung 'alle Erbwaffen' wird klargestellt, dass sich die Verpflichtung zur Blockierung auch auf Waffen erstreckt, die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes infolge eines Erbfalls erworben wurden" (BT-Drs. 16/7717 S. 38 f.).

12

Eine wortgleiche Aussage hat sodann der Innenausschuss des Bundestages, der den Vorschlag aus der Gegenäußerung der Bundesregierung in seiner Beschlussempfehlung an das Plenum aufgriff, in seinem Bericht vom 20. Februar 2008 zu den Ausschussberatungen getroffen (BT-Drs. 16/8224 S. 16).

13

Die Aussagen beziehen sich zwar unmittelbar auf Absatz 7 von § 20 des Entwurfs. Ungeachtet dessen erhellen sie, welches Verständnis die Bundesregierung als Urheberin des Entwurfs bzw. der Innenausschuss des Deutschen Bundestages als federführender parlamentarischer Fachausschuss im Hinblick auf die Frage der Rückwirkung der in Absatz 2 von § 20 des Entwurfs vorgesehenen Blockierpflicht besaßen.

14

cc. Für die Erstreckung auf Altfälle sprechen entscheidend Sinn und Zweck von § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG. Die Blockierpflicht soll im Sinne einer konsequenten Risikominimierung die mit dem Besitz von Erbwaffen verbundene abstrakte Gefahr einer Schädigung Dritter verringern, welche der Gesetzgeber bei fehlendem waffenrechtlichen Bedürfnis des Besitzers für nicht hinnehmbar erachtet hat. Wären nur Erbfälle ab dem Jahr 2008 einbezogen, würde die angestrebte Risikoverringerung erst allmählich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten eintreten. Dass der Gesetzgeber eine derart massive Verzögerung in Kauf nehmen wollte, kann nicht unterstellt werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass seiner aktualisierten Risikobewertung sofort und umfassend Rechnung getragen werden sollte (vgl. bereits im anderen Zusammenhang: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 47).

15

dd. Für die Auffassung der Klägerin, der Gesetzgeber habe den Einbezug von Altfällen allenfalls in Bezug auf Erbfälle nach Inkrafttreten des Waffenrechtsneuregelungsgesetzes von 2002 beabsichtigt, sind keine Belege ersichtlich.

16

Das Waffenrechtsneuregelungsgesetz hatte das sog. Erbenprivileg nur noch für einen befristeten Zeitraum von fünf Jahren beibehalten (vgl. Art. 19 Nr. 2). In der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung hieß es hierzu, falls bis zum Ablauf dieser Frist kein wirksames Blockiersystem auf den Markt gebracht sei, lasse sich die Privilegierung des Erben nicht länger vertreten (BT-Drs. 14/7758 S. 66). Hierauf Bezug nehmend hat die Bundesregierung sodann in der Begründung ihres Gesetzentwurfs, der zum Waffengesetzänderungsgesetz vom 26. März 2008 führte, dargelegt, § 20 WaffG sei wegen des am 1. April 2008 anstehenden Wegfalls des Erbenprivilegs neu zu fassen. Weder hieraus noch aus anderen Begebenheiten des Gesetzgebungsverfahrens lässt sich auf einen Willen des Gesetzgebers schließen, Altfälle aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten des Waffenrechtsneuregelungsgesetzes von 2002 von der vorgesehenen Blockierpflicht auszunehmen.

17

b. Der angefochtene Bescheid ist nicht wegen Ermessensfehlern zu beanstanden.

18

Der Beklagte hat im Rahmen der Begründung des angefochtenen Bescheids ausgeführt, über Ermessen zu verfügen. Im Rahmen der vorgenommenen Interessenabwägung überwiege das Interesse der Allgemeinheit auf Schutz vor Missbrauch und unsachgemäßem Gebrauch von Waffen. Auf Seiten der Klägerin liege kein außergewöhnlicher Härtefall vor.

19

Der Beklagte hat hiermit das ihm durch § 9 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 WaffG eingeräumte Ermessen erkannt und den für dessen Ausübung relevanten Gesichtspunkten hinreichend Rechnung getragen. Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht im ersten Rechtszug aufgezeigt, dass der langjährige beanstandungsfreie Besitz der in Rede stehenden Waffen durch die Klägerin außer Betracht gelassen werden durfte. § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG erlegt im Interesse strikter Risikoverringerung die Blockierpflicht unabhängig vom Grad der Gefahrgeneigtheit des jeweiligen Einzelfalls auf. Diese Maßgabe muss auch im Rahmen von § 9 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 WaffG berücksichtigt werden. Sie entbindet die Waffenbehörde bei Anwendung dieser Vorschrift davon, vor Durchsetzung der Blockierpflicht individuelle personenbezogene Risikoeinschätzungen vorzunehmen.

20

2. Mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes ist die Erstreckung auf Altfälle vereinbar.

21

Dieser Grundsatz, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten ableitet, engt die Befugnis des Gesetzgebers ein, die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich zu ändern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 14/02 u.a. - BVerfGE 127, 1 <16 m.w.N.>). Zu unterscheiden sind Fälle einer "echten" und einer "unechten" Rückwirkung. Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Das ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 a.a.O. S. 17 m.w.N.). Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Vertrauensschutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 a.a.O. S. 17 m.w.N.). Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2010 a.a.O. S. 18 m.w.N.).

22

Ausgehend von diesen Maßstäben stößt die Blockierpflicht für Altfälle nicht auf Bedenken:

23

Der Einbezug von Altfällen in § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG stellt eine bloße tatbestandliche Rückanknüpfung dar, unterfällt also nicht der Kategorie der "echten" Rückwirkung. Die Blockierpflicht wird nicht im Nachhinein für Zeiträume der Vergangenheit begründet, sondern gilt erst ab dem Zeitpunkt ihrer gesetzlichen Einführung. Allerdings wird sie, soweit Altfälle betroffen sind, von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst, nämlich dem zu einem früheren Zeitpunkt im Einklang mit waffenrechtlichen Vorschriften vollzogenen Besitz von Erbwaffen, für den bis zum Erlass von § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG selbst bei Bedürfnislosigkeit keine Blockierpflicht galt. Wegen dieser Veränderung der waffenrechtlichen Position derjenigen, die wie die Klägerin bereits vor Erlass der Vorschrift Besitzer von Erbwaffen waren, kommt der Vorschrift "unechte" Rückwirkung zu.

24

Den hierfür durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigten Anforderungen wird § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG vollauf gerecht. Die Erstreckung der Blockierpflicht auf Altfälle ist geeignet, das mit dem Besitz von Erbwaffen verbundene abstrakte Schadensrisiko für Dritte umgehend und umfassend zu verringern. Ein milderes, gleich wirksames Mittel hierfür ist nicht ersichtlich. Bei einer Gesamtabwägung zwischen den Belangen der Betroffenen und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit ohne weiteres gewahrt. Der Gesetzgeber hat allgemein ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem Waffengesetz jeweils verfolgten Sicherungszwecke möglichst rasch zur Geltung zu bringen. Er handelt bei der Ausgestaltung des waffenrechtlichen Umgangsrechts mit dem Ziel, seine Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 GG zu erfüllen und sich schützend vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu stellen. Mit Rücksicht auf den besonderen Rang dieser Schutzpflichten und die Weite des insoweit bestehenden legislativen Entscheidungsspielraums kann der Gesetzgeber in aller Regel das waffenrechtliche Umgangsrecht verschärfen, ohne hierin durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt zu werden (BVerwG, vgl. Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 45). Umgekehrt kann derjenige, dem der Umgang mit Waffen erlaubt ist, in aller Regel nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass die einmal geltenden Umgangsanforderungen für alle Zukunft unverändert bleiben.

25

Dass speziell im Hinblick auf die Einführung der Blockierpflicht ausnahmsweise eine abweichende Bewertung angebracht sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die Blockierpflicht trifft gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG denjenigen, der kein rechtlich anerkanntes Bedürfnis für den Umgang mit Waffen besitzt, d.h. der nicht die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Gesetzgeber Waffenbesitz im Allgemeinen für hinnehmbar hält. Wird die Fortdauer des Privilegs, dennoch Waffen besitzen zu dürfen, durch die Maßgabe eingeschränkt, ihre Schussfähigkeit auszuschließen, ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht ansatzweise überschritten, zumal nicht ersichtlich ist, dass die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten eine unannehmbare Größenordnung erreichen könnten.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

§ 36 Absatz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 3858) verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und ist nichtig, soweit er § 8 Nummer 5 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10% an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind.

§ 36 Absatz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er § 8 Nummer 5 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die nach dem 11. Dezember 2001 zugeflossen sind.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 36 Abs. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG -, BGBl I S. 3858), der mittlerweile nicht mehr im Gewerbesteuergesetz enthalten ist (im Folgenden: § 36 Abs. 4 GewStG a.F.), die Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes mit verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung bereits für den Erhebungszeitraum 2001 anordnet.

I.

2

1. § 8 Nr. 5 GewStG steht im Zusammenhang mit dem Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht vom früheren Anrechnungsverfahren zum sogenannten Halbeinkünfteverfahren (vgl. BVerfGE 125, 1 <2 ff.>; 127, 224 <227 ff.>). Auch das Gewerbesteuerrecht war davon mittelbar betroffen. Die Vorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG bestimmt die Auswirkungen des für das neue Körperschaftsteuersystem wesentlichen § 8b des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf die Gewerbesteuer.

3

§ 8b KStG regelt die steuerliche Behandlung der Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften (Bezüge und Veräußerungsgewinne) und der mit diesen Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen und Gewinnminderungen. Nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG sind die Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften grundsätzlich bei der Einkommensermittlung der empfangenden Gesellschaft "außer Ansatz" zu lassen. Hierdurch wird zur Vermeidung von wirtschaftlichen Doppelbelastungen die Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen sichergestellt, solange die Erträge im Bereich von Kapitalgesellschaften verbleiben.

4

Die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG haben den Zweck, Folgewirkungen zu korrigieren, die sich aus der in § 7 Satz 1 GewStG geregelten Übernahme der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlung in das Gewerbesteuerrecht ergeben, die jedoch bei der Gewerbesteuer nach Auffassung des Gesetzgebers unerwünscht sind. Dadurch, dass § 7 Satz 1 GewStG für die Ermittlung des gewerblichen Gewinns als Grundlage des Gewerbeertrags auf die Ergebnisrechnung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) und dem Körperschaftsteuergesetz verweist, bleiben nach inzwischen klargestellter Rechtslage Gewinnanteile (Dividenden) und ähnliche Bezüge aus Kapitalanteilen auch bei der Gewerbesteuer zunächst außer Ansatz, soweit sie bei der Einkommensteuer nach § 3 Nr. 40 EStG oder bei der Körperschaftsteuer nach § 8b KStG steuerfrei sind (vgl. den Ende 2004 eingefügten § 7 Satz 4 GewStG).

5

Zur Zeit des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels enthielt das Gewerbesteuerrecht mit den Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 2a und 7 GewStG bereits Regelungen darüber, inwieweit eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung von Gewinnanteilen vermieden werden sollte. Eine doppelte Gewerbebesteuerung wurde bei sogenannten Schachtelbeteiligungen von mindestens 10% durch entsprechende Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) ausgeschlossen, nicht dagegen bei sogenannten Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10%.

6

Mit der durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz eingefügten Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG neutralisierte der Gesetzgeber für die Gewerbesteuer die in § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG eingeführten teilweisen oder vollständigen Steuerfreistellungen von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer. Zu diesem Zweck ordnete er in § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG an, dass die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 1 KStG über § 7 Satz 1 GewStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und ähnlichen Bezüge aus Kapitalanteilen dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet werden. Die Hinzurechnung erfolgt, soweit nicht die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a und 7 GewStG erfüllt sind, das heißt nur bei Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10% (seit 2008 weniger als 15%). Im Ergebnis wurde und wird eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung damit lediglich bei Schachtelbeteiligungen von mindestens 10% (seit 2008 mindestens 15%) vermieden. Bei Erträgen aus bloßen Streubesitzbeteiligungen blieb die gewerbesteuerliche Doppelbelastung entsprechend der bisherigen Rechtslage erhalten.

7

2. § 8 Nr. 5 GewStG wurde durch Art. 4 Nr. 3 UntStFG in das Gewerbesteuergesetz eingefügt. Art. 4 Nr. 5 UntStFG enthielt die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG zum zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung.

8

Die für das Vorlageverfahren maßgeblichen Vorschriften unter Berücksichtigung der Änderungen durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz lauten:

9

§ 7 GewStG

Gewerbeertrag

Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge. ...

10

§ 8 GewStG

Hinzurechnungen

Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:

Nr. 5 die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c des Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben. 2 Dies gilt nicht für Gewinnausschüttungen, die unter § 3 Nr. 41 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes fallen.

11

§ 9 GewStG

Kürzungen

Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird gekürzt um

Nr. 2a die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2, einer Kreditanstalt des öffentlichen Rechts, einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft oder einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft im Sinne des § 3 Nr. 23, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens ein Zehntel des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind. 2 Ist ein Grund- oder Stammkapital nicht vorhanden, so ist die Beteiligung an dem Vermögen, bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben, maßgebend;

Nr. 7 die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel beteiligt ist (Tochtergesellschaft) und die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Außensteuergesetzes fallenden Tätigkeiten und aus Beteiligungen an Gesellschaften bezieht, an deren Nennkapital sie mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt ist, wenn...

12

§ 36 GewStG

Zeitlicher Anwendungsbereich

(1) Die vorstehende Fassung dieses Gesetzes ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden.

(4) § 8 Nr. 5 ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden.

13

3. Das Gesetzgebungsverfahren zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz begann mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 14/6882), der dem Bundesrat am 17. August 2001 zugeleitet und am 10. September 2001 beim Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Er sah keine Regelung zu der Frage vor, wie nach § 8b KStG steuerfreie Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne gewerbesteuerlich behandelt werden sollten. Der Bundesrat griff diese bereits zuvor diskutierte Frage in einer Stellungnahme vom 27. September 2001 mit dem Vorschlag auf, die körperschaftsteuerfreien Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne in voller Höhe der Gewerbesteuer zu unterwerfen (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.).

14

Die Bundesregierung stimmte dem nicht zu (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages vom 7. November 2001 (BTDrucks 14/7343) enthielt dazu keinen Vorschlag  ; die Forderung des Bundesrates nach einer "Gewerbesteuerpflicht der Gewinne von Kapitalgesellschaften aus (Streubesitz-)Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft" wird lediglich im Bericht erwähnt (vgl. BTDrucks 14/7344, S. 2). Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses stimmte der Bundestag dem Entwurf des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes am 9. November 2001 zu (vgl. BRDrucks 893/01).

15

Der Bundesrat rief daraufhin am 30. November 2001 den Vermittlungsausschuss an (vgl. BRDrucks 893/01 und BTDrucks 14/7742). Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 enthielt den Entwurf des § 8 Nr. 5 GewStG in der später Gesetz gewordenen Fassung und sah eine erstmalige Anwendung für den Erhebungszeitraum 2001 vor (vgl. BTDrucks 14/7780, S. 5; Rödder/Schumacher, DStR 2002, S. 105 <108 f.>). Der Bundestag stimmte am 14. Dezember 2001 der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu. Am 20. Dezember 2001 stimmte der Bundesrat zu (BRDrucks 1061/01).

16

Am 24. Dezember 2001 wurde das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I S. 3858).

II.

17

1. Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine im Juli 2000 errichtete Beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Streitjahr 2001 hielt die Klägerin eine Streubesitzbeteiligung von weniger als 10% des Stammkapitals einer anderen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Gesellschafterversammlung dieser anderen Gesellschaft (im Folgenden: ausschüttende Gesellschaft) beschloss, nachdem zuvor ausweislich eines Protokolls vom 19. Oktober 2001 eine entsprechende Absicht bekundet worden war, am 15. Dezember 2001 eine Vorabausschüttung in Höhe von 3,75 Mio. DM. Hiervon entfiel auf die Klägerin ein Bruttobetrag von 257.953,56 DM, welcher ihr nach den Feststellungen des vorlegenden Finanzgerichts "spätestens am 19. Dezember 2001" durch Kontogutschrift zufloss. Nach Abzug anteiliger Betriebsausgaben ergibt sich ein der Höhe nach zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens unstreitiger Nettobetrag von 232.200 DM.

18

2. Das Finanzamt erfasste im Gewerbesteuermessbetragsbescheid für das Jahr 2001 diesen Betrag als Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb. Ihr hiergegen gerichteter Einspruch blieb ohne Erfolg. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage, mit der sie im Kern geltend machte, sie habe als Gesellschafterin der ausschüttenden Gesellschaft eine wirtschaftliche Disposition in dem Vertrauen darauf getroffen, dass die erhaltene Dividende nicht der Gewerbesteuer unterfallen werde. Durch die Gesetzesänderung sei das Halten der Beteiligung wirtschaftlich uninteressant geworden. Die Klägerin habe sie deshalb mittlerweile veräußert. Nach eigenem Bekunden hätte die Klägerin die Veräußerung ihrer Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft noch vor der Ausschüttung vorgenommen, wenn die Gesetzesänderung früher bekannt geworden wäre.

III.

19

1. Das Finanzgericht Münster hatte das Klageverfahren durch Beschluss vom 2. März 2007 ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die zu § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes ergangene Anwendungsregelung des § 36 Abs. 4 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes mit Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des KStG, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllen, unter den in dieser Vorschrift weiter genannten Voraussetzungen auch dann dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss der ausschüttenden Körperschaft vor dem 20. Dezember 2001 gefasst und der auf die als Gesellschafterin beteiligte Körperschaft entfallende Betrag auch vor dem 20. Dezember 2001 ausgezahlt wurde sowie das im Zeitpunkt der Beschlussfassung und Auszahlung geltende Gesetz eine Hinzurechnung zum Gewinn nicht vorsah.

20

2. Das vorlegende Gericht fasste am 1. September 2011 einen neuen Vorlagebeschluss, mit dem es an seiner Vorlagefrage festhält, die Begründung dafür aber mit Rücksicht auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung im Steuerrecht neu formuliert. Das Finanzgericht ist weiterhin überzeugt von der Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs. 4 GewStG in Verbindung mit § 8 Nr. 5 GewStG, jeweils in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001.

21

a) Im Zeitpunkt des Zuflusses der Gewinnausschüttung bei der Klägerin habe noch ein verfassungsrechtlich schützenswertes Vertrauen in die bestehende Rechtslage bestanden. Zwingende öffentliche Interessen an einer rückwirkenden Gesetzesänderung, die das Vertrauen der Steuerpflichtigen überwögen, lägen nicht vor. Da für die Entscheidung im Ausgangsverfahren nur erheblich sei, ob bereits vor der Zustimmung des Bundesrates am 20. Dezember 2001 realisierte Einkünfte dazu führten, das Vertrauen der Klägerin als grundsätzlich schützenswert anzusehen, beziehe sich die Vorlagefrage nur auf dieses Datum. Unerheblich sei für das Ausgangsverfahren, ob der Vertrauensschutz schon mit der Zustimmung des Bundesrates am 20. Dezember 2001 oder erst im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 24. Dezember 2001 entfallen sei. In jedem Fall sei der Sachverhalt durch den Ausschüttungsbeschluss vom 15. Dezember 2001, die Überweisung der Dividende am 17. Dezember 2001 und deren Zufluss spätestens am 19. Dezember 2001 vor dem 20. Dezember 2001 abgeschlossen gewesen.

22

b) Nach zumindest ganz herrschender Meinung seien in einfachrechtlicher Hinsicht die Befreiungen nach § 8b Abs. 1, 2 KStG auch im Bereich der Gewerbesteuer anwendbar. Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG wirke sich auf den körperschaftsteuerlichen Gewinn und damit vorbehaltlich der Hinzurechnungen und Kürzungen gemäß §§ 8, 9 GewStG auch auf den Gewerbeertrag im Sinne des § 7 Satz 1 GewStG aus. Das Gericht teile insofern nicht die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen. Eine verfassungskonforme Auslegung dahin, dass § 8b Abs. 1 KStG sich nicht auf § 7 GewStG auswirke und § 8 Nr. 5 in Verbindung mit § 36 Abs. 4 GewStG deshalb nur eine Klarstellung bedeute, sei nicht möglich. Die Hinzurechnung durch den neu in das Gesetz eingefügten § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes wirke konstitutiv und nicht nur deklaratorisch.

23

c) Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung geht das vorlegende Gericht in seinem neuen Vorlagebeschluss nun von den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1; 127, 31; 127, 61) aus. Danach könne ein im Zeitpunkt des Mittelzuflusses bereits schwebendes Gesetzgebungsverfahren die Gewährleistungsfunktionen des geltenden Rechts nicht von vornherein suspendieren. Diesen Grundsätzen folge das vorlegende Gericht. Insbesondere halte das Gericht es in der Regel nicht für zumutbar, dass Steuerpflichtige sich im Zeitpunkt der Verwirklichung eines Einkünfterealisierungstatbestandes auf das alte Recht "nicht mehr" und auf das neue Recht "noch nicht" verlassen dürften und sich deshalb nicht nur über den jeweiligen Stand des Gesetzgebungsverfahrens informieren müssten, sondern darüber hinaus bei einem schwebenden Gesetzgebungsverfahren unter Umständen selbst bei den laufenden Geschäften über Monate hinaus nicht wüssten, welche Rechtslage letztlich gelten werde. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt einer zugeflossenen Gewinnausschüttung unterscheide sich in seinen relevanten Merkmalen nicht von dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall einer zugeflossenen Arbeitnehmerabfindung (BVerfGE 127, 31). Mit dem Zufluss sei der Einkünfteerzielungstatbestand bereits verwirklicht.

24

Die neuen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seien als Weiterentwicklung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu verstehen, und zwar unter Abwägung der in den dortigen Verfahren vorgebrachten Argumente. Den Beschlüssen vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1 <22>; 127, 61 <80>) sei auch darin zu folgen, dass es nicht auf die konkrete Motivations- und Entscheidungslage der einzelnen Steuerpflichtigen bei der Disposition und ihrer Umsetzung ankomme, sondern für die Frage der Verfassungsmäßigkeit die generalisierende Sicht des Gesetzgebers maßgeblich sei. Der erhöhte Rechtfertigungsbedarf folge bereits aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts. Die Steuerpflichtigen dürften bei ihren Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändere und dadurch den Nettoertrag der Einkünfte erheblich mindere (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>).

25

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liege im Streitfall des Ausgangsverfahrens eine verfassungswidrige unechte Rückwirkung vor, da der Sachverhalt (Einkünfteerzielungstatbestand) mit der dem Gewinnausschüttungsbeschluss nachfolgenden tatsächlichen Überweisung des entsprechenden Betrages am 17./19. Dezember 2001 bereits vor der Verkündung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes im Bundesgesetzblatt vom 24. Dezember 2001 abgeschlossen gewesen sei.

26

d) Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung sehe sich das vorlegende Gericht in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Finanzgerichts Berlin vom 13./26. Februar 2004 (6 B 6314/03, EFG 2004, S. 1146). Auch im Schrifttum seien - wenngleich mit unterschiedlicher und teilweise aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholter Begründung - Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG geäußert worden. Der gegenteiligen Auffassung des Finanzgerichts Köln im Urteil vom 1. Juni 2006 (15 K 5537/03, EFG 2007, S. 1345, Revisionsverfahren anhängig beim Bundesfinanzhof unter I R 14/07) folge das Gericht nicht.

IV.

27

Das Bundesministerium der Finanzen hat namens der Bundesregierung zu beiden Vorlagebeschlüssen Stellung genommen; der Präsident des Bundesfinanzhofs hat eine Stellungnahme des I. Senats des Bundesfinanzhofs zum ursprünglichen Vorlagebeschluss übersandt.

28

1. a) Die Bundesregierung hielt die ursprüngliche Vorlage für unzulässig und jedenfalls unbegründet.

29

aa) Das Finanzgericht habe sich nicht mit einer sich aufdrängenden verfassungskonformen Auslegung auseinandergesetzt. Es beziehe sich auf die herrschende Meinung, wonach die Änderung im Körperschaftsteuergesetz vor Inkrafttreten des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. auf die Gewerbesteuer durchgeschlagen habe. Auf der Basis der dem Finanzgericht bekannten Gegenmeinung, wonach sich die Änderung im Körperschaftsteuerrecht nicht auf das Gewerbesteuerrecht ausgewirkt habe, würde § 36 Abs. 4 GewStG a.F. keine rückwirkende Belastung, sondern lediglich eine - unter Rückwirkungsgesichtspunkten unproblematische - Klarstellung der geltenden Rechtslage bedeuten. Eine verfassungskonforme Auslegung auch von Vorschriften, die mit der vorgelegten in engem Sachzusammenhang stünden, sei insbesondere dann geboten, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kämen und mindestens eine von ihnen nicht in gleicher Weise den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts ausgesetzt sei.

30

bb) Im Fall ihrer Zulässigkeit sei die Vorlage jedenfalls unbegründet. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens habe nicht auf die alte Gesetzeslage vertrauen können. § 36 Abs. 4 GewStG a.F. sei nach Auffassung der Bundesregierung im Ausgangsfall unbedenklich, weil es hier von vornherein an einem schutzwürdigen Vertrauen in die alte Rechtslage fehle. Der maßgebliche Beschluss über die Vor-abausschüttung sei erst nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages getroffen worden. Das maßgebliche Datum für den Vertrauensschutz sei der Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages.

31

Das Bundesverfassungsgericht habe dies mit seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf BVerfGE 127, 31) bestätigt. Im Ausgangsverfahren sei die Ausschüttung erst einen Tag nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages beschlossen worden. Insofern unterscheide sich der vorgelegte Fall von dem Ausgangsfall zu BVerfGE 127, 31. Jedenfalls auf den Tag des Gesetzesbeschlusses hätte der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die neue Rechtsfolge rückwirkend anordnen dürfen. Zumindest insoweit müsste der in § 36 Abs. 4 GewStG a.F. zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille zur rückwirkenden Regelung respektiert werden. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber, hätte er nicht über den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses hinaus rückwirkend eingreifen können, nicht zumindest diesen Zeitpunkt als maßgeblich benannt hätte. Darüber hinaus bestehe zur Vermeidung von Ankündigungseffekten ein Interesse des Gesetzgebers an einer möglichst früh geltenden Regelung, um Vorverlegungen von Dividendenausschüttungen zu begegnen, da es sich hierbei um einen besonders einfach gestaltbaren Vorgang handele.

32

b) Die Bundesregierung hat auch zum neuen Vorlagebeschluss Stellung genommen und dabei ihren bisherigen Standpunkt bekräftigt.

33

Die zu § 8 Nr. 5 GewStG ergangene Anwendungsvorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. sei kein Fall echter Rückwirkung. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens könne sich aus den bereits in der ursprünglichen Stellungnahme der Bundesregierung vorgetragenen Gründen entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.

34

2. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat mitgeteilt, er habe sich mit der erstmaligen Anwendung von § 8 Nr. 5 GewStG in Verbindung mit § 36 Abs. 4 GewStG a.F. und einem dadurch möglicherweise bedingten Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bislang noch nicht auseinandersetzen müssen. Ein anhängiges Revisionsverfahren (Aktenzeichen I R 14/07) sei mit Blick auf das Vorlageverfahren zum Ruhen gebracht worden.

35

Der Senat habe mehrheitlich Zweifel, dass dem vorlegenden Finanzgericht beizupflichten sei. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Beschränkung der steuerlichen Entlastung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen unter anderem insoweit gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoße, als die Entschädigung vor der Verkündung des neuen Rechts ausgezahlt worden sei (Hinweis auf BVerfGE 127, 31 <56 ff.>). Hier betreffe die in Rede stehende Ausschüttung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft nur deren (Minderheits-)Anteilseigner als Empfänger der Ausschüttung. Er habe den Zeitpunkt, in welchem die Ausschüttung beschlossen worden sei, nicht beeinflussen können. Im Unterschied zur Entschädigungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebe es deswegen auch keinen Anlass, sein Vertrauen im Zeitpunkt des Ausschüttungszuflusses als schützenswert zu erachten.

B.

36

Die Vorlagefrage bedarf der geringfügigen Präzisierung und Erweiterung. Die Frage, ob die zu § 8 Nr. 5 GewStG ergangene, die Regelung für ab dem 1. Januar 2001 anwendbar erklärende Vorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F., jeweils in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes, mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG insoweit vereinbar ist, als die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) bei Streubesitzbeteiligungen auch dann dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss der ausschüttenden Körperschaft vor dem 20. Dezember 2001 gefasst und der auf die als Gesellschafterin beteiligte Körperschaft entfallende Betrag auch vor dem 20. Dezember 2001 ausgezahlt wurde, ist zum einen auf Vorabausschüttungsbeschlüsse zu beschränken und zum anderen auf den Zeitraum bis zur Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt vom 24. Dezember 2001 zu erweitern.

37

Bei normalen Gewinnverwendungsbeschlüssen (Beschlüsse über offene Ausschüttungen von in bereits abgelaufenen Kalenderjahren entstandenen Gewinnen) fand der im Zuge des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels neu gefasste § 8b Abs. 1 KStG im Jahr 2001 noch keine Anwendung (vgl. § 34 Abs. 7 Sätze 1 und 2 KStG sowie Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 28. April 2003 - IV A 2 - S 2750 a - 7/03 -, BStBl I S. 292, Rn. 60 ff.). Die Vorlagefrage wird daher auf Vorabausschüttungen beschränkt.

38

Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es allenfalls darauf an, ob die Vorabausschüttung vor der Verkündung der Neuregelung am 24. Dezember 2001 erfolgt ist, statt, wie angefragt, vor dem 20. Dezember 2001, dem Tag der Zustimmung des Bundesrates zu dem Beschluss des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes durch den Bundestag.

39

Schließlich ist die Vorlagefrage des Finanzgerichts mit Rücksicht auf die Befriedungsfunktion des Normenkontrollverfahrens (vgl. dazu BVerfGE 44, 322 <337 f.>; 62, 354 <364>; 78, 132 <143>) über den für das Ausgangsverfahren unmittelbar erheblichen Zeitraum hinaus darauf zu erstrecken, inwieweit es mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist, auch weiter zurückliegende Ausschüttungsvorgänge bis zum Beginn des Rückwirkungszeitraums am 1. Januar 2001 der neuen Gewinnanrechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG zu unterwerfen.

C.

40

Das rückwirkende Inkraftsetzen der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes ist verfassungsgemäß, soweit es den Zeitraum nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses für den neuen § 8 Nr. 5 GewStG vom 11. Dezember 2001 betrifft; soweit hingegen bis zu diesem Zeitpunkt beschlossene und zugeflossene Vorabausschüttungen hiervon erfasst werden, ist die Anwendungsregel des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes unvereinbar.

I.

41

1. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>). Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (BVerfGE 101, 239 <262>). Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde Einzelne in ihrer Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl. BVerfGE 30, 272 <285>; 63, 343 <357>; 72, 200 <257 f.>; 97, 67 <78>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300 f.>; 127, 1 <16>).

42

2. Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (vgl. BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"; vgl. BVerfGE 127, 1 <17>). Normen mit echter Rückwirkung sind grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 101, 239 <263>). Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfGE 97, 67 <78 f.> m.w.N.), müssen von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass ihre auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfGE 63, 343 <353 f.>; 67, 1 <15>; 72, 200 <241 f.>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>; 127, 1 <16 f.>).

43

3. a) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet (vgl. BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>), so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"; vgl. BVerfGE 63, 343 <356>; 72, 200 <242>; 97, 67 <79>; 105, 17 <37 f.>; 127, 1 <17>). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 122, 374 <394 f.>; stRspr).

44

b) Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfGE 127, 1 <18 f.>; 127, 31 <48 f.>; 127, 61 <77 f.>). Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt des Kalenderjahres (§ 25 Abs. 1 EStG; vgl. BVerfGE 72, 200 <252 f.>; 97, 67 <80>; vgl. auch bereits BVerfGE 13, 261 <263 f., 272>; 13, 274 <277 f.>; 19, 187 <195>; 30, 272 <285>). Entsprechendes gilt für das Gewerbesteuerrecht im Hinblick auf den regelmäßig mit dem Kalenderjahr endenden Erhebungszeitraum (§§ 14, 18 GewStG).

45

c) Sofern eine Steuerrechtsnorm nach diesen Grundsätzen über den Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum unechte Rückwirkung entfaltet, gelten für deren Vereinbarkeit mit der Verfassung im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter Rückwirkung gesteigerte Anforderungen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass rückwirkende Regelungen innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums, die danach der unechten Rückwirkung zugeordnet werden, in vielerlei Hinsicht den Fällen echter Rückwirkung nahe stehen. Freilich ist auch in diesem Fall eine unechte Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfGE 127, 1 <17>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76>). Die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde andernfalls den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 105, 17 <40>; 114, 258 <301>). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 <331>; 67, 1 <15>; 71, 255 <272>; 76, 256 <349 f.>). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 125, 104 <135>).

46

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen der Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 <404>; 50, 386 <395>; 67, 1 <15>; 75, 246 <280>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein (vgl. BVerfGE 72, 200 <242 f.>; 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 116, 96 <132>; 122, 374 <394>; 123, 186 <257>). Soweit daher an zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums angeknüpft wird, ist diese unechte Rückwirkung mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <17 f.>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76 f.>). Wenn der Gesetzgeber das Gewerbesteuerrecht während des laufenden Erhebungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf dessen Beginn bezieht, bedürfen die belastenden Wirkungen einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens deshalb stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Hier muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 127, 1 <20>; 127, 31 <48 f.>).

II.

47

Die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG a.F., nach der die Hinzurechnung von Dividenden und gleichgestellten Leistungen zum Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 5 GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, führt zu einer unechten Rückwirkung (1). Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit sie Vorabausschüttungen erfasst, die erst nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 beschlossen oder abgewickelt wurden (2), verstößt hingegen gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit sie Vorabausschüttungen betrifft, die in dem Zeitraum bis einschließlich 11. Dezember 2001 beschlossen und abgewickelt wurden (3).

48

1. Der durch das am 24. Dezember 2001 verkündete Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 neu eingefügte § 8 Nr. 5 GewStG bestimmt, dass dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die nach dem Einkommensteuerrecht oder Körperschaftsteuerrecht außer Ansatz gebliebenen Gewinnanteile (Dividenden) und gleichgestellten Bezüge und Leistungen aus Streubesitzbeteiligungen (vgl. den Verweis auf § 9 Nr. 2a und 7 GewStG in § 8 Nr. 5 GewStG und zum Zusammenhang der Normen BFH, Beschluss vom 9. November 2011 - I B 62/11 -, BFH/NV 2012, S. 449) wieder hinzugerechnet werden. Damit hat der Gesetzgeber die Auswirkung des im Zuge des Systemwechsels im Körperschaftsteuerrecht (vgl. BVerfGE 125, 1 <2 ff.>) durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I S. 1433) neu gefassten und später mehrfach geänderten § 8b KStG auf die Gewinnermittlung im Gewerbesteuerrecht korrigiert. Die neue Vorschrift (vgl. zu der ursprünglichen Fassung BVerfGE 127, 224 <229>) sah bei Anteilen an inländischen Gesellschaften zunächst eine vollständige Freistellung für Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne von der Körperschaft-steuer vor. Nach der im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Eilers/Wienands, GmbHR 2000, S. 957 <963>; Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b Rn. 74; Gröning/Siegmund, DStR 2003, S. 617; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 8 Nr. 5, Rn. 1 [5. Aufl. 2002, 7. Aufl. 2009]; Prinz/Simon, DStR 2002, S. 149; Ritzer/Stangl, INF 2002, S. 131 <133 ff.>; Roser, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 7 Rn. 75 [Stand: Juli 2009]) stehenden Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts führte die Befreiungsvorschrift des § 8b KStG über die Verknüpfungsnorm in § 7 GewStG - vorbehaltlich einer im Gesetz zunächst nicht enthaltenen Hinzurechnung nach § 8 GewStG - im Vergleich zur früheren Rechtslage zu einer entsprechenden Verringerung des Gewerbeertrags.

49

Für die vom Bundesministerium der Finanzen geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 7 Satz 1 GewStG im Sinne einer Nichtberücksichtigung des § 8b KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ist angesichts der eindeutigen, auch von den Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 14/2683, S. 124) gestützten Rechtslage kein Raum. Unabhängig davon bietet das Mittel der verfassungskonformen Auslegung keine Handhabe dafür, ein vorlegendes Gericht zu einer bestimmten einfachrechtlichen Auslegung eines anderen, dem verfahrensgegenständlichen vorangegangenen Gesetzes nur deshalb anzuhalten, um so eine verfassungswidrige Rückwirkung der vorgelegten Norm zu vermeiden.

50

Indem § 36 Abs. 4 GewStG a.F. die erstmalige Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG für den noch nicht abgeschlossenen Erhebungszeitraum 2001 und damit beginnend mit dem 1. Januar 2001 anordnete, änderte er die Vorschriften über die Ermittlung des zu versteuernden Gewerbeertrags im Sinne einer unechten Rückwirkung.

51

2. Die Anwendungsvorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit sie rückwirkend Vorabausschüttungen im Jahr 2001 erfasst, die erst nach dem Vermittlungsvorschlag vom 11. Dezember 2001 beschlossen oder abgewickelt wurden, selbst wenn sie dem Empfänger der Vorabausschüttung noch vor der Verkündung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes im Bundesgesetzblatt zugeflossen sind. Dies gilt erst recht für Beschlüsse über Vorabausschüttungen, die nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss vom 14. Dezember 2001 gefasst wurden.

52

a) Gewinnausschüttungen beruhen zwar nicht zwingend auf einer besonderen Vertrauensdisposition der Streubesitzbeteiligten (aa). Letztere können sich aber gleichwohl auf Vertrauensschutz berufen (bb).

53

aa) Ausschüttungen oder - wie im Ausgangsfall - Vorabausschüttungen von Erträgen aus einer Beteiligung im Sinne des § 8 Nr. 5 GewStG, die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben, sind bei Streubesitzbeteiligungen, um die es hier allein geht (vgl. § 8 Nr. 5 in Verbindung mit § 9 Nr. 2a und 7 GewStG), typischerweise nicht Ausfluss einer Dispositionsentscheidung des Minderheitsgesellschafters, die besonderen Vertrauensschutz verdient. Der gewerbesteuerpflichtige Minderheitsgesellschafter trifft in diesen Fällen im Allgemeinen keine von ihm maßgeblich verantwortete Dispositionsentscheidung über die Gewinnausschüttung, die Vertrauensschutz begründen könnte. Sein Einfluss in der Gesellschafterversammlung dürfte allenfalls gering sein. Er wird die Entscheidung der Gesellschafterversammlung über das Ob und Wie einer Ausschüttung oder Vorabausschüttung daher regelmäßig lediglich hinnehmen. Zudem ist die Entscheidung über eine Gewinnausschüttung per se keine Maßnahme, die - wie etwa eine Investitionsentscheidung - im Vertrauen auf den längerfristigen Bestand einer Rechtslage erfolgt. Auch das der Vorlage zugrunde liegende Ausgangsverfahren bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die in Streit stehende Vorabausschüttung auf Maßnahmen der Klägerin zurückginge, die in besonderer Weise schutzwürdiges Vertrauen begründeten.

54

bb) Berechtigtes Vertrauen für den die Ausschüttung entgegennehmenden Minderheitsgesellschafter besteht danach vorrangig im Hinblick auf die Gewährleistungsfunktion der Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>). Steuerpflichtige müssen grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass die zum Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses eines steuerrelevanten Geschäftsvorgangs geltende Steuerrechtslage nicht ohne hinreichend gewichtigen Rechtfertigungsgrund rückwirkend geändert wird. Andernfalls wäre das Vertrauen in die Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit der Rechtsordnung als Garanten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ernsthaft gefährdet (vgl. BVerfGE 109, 133 <180>; 126, 369 <393>; 127, 1 <16>). Die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, genießt zwar, sofern keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 127, 1 <17>). Das diesen Grundsatz rechtfertigende Anliegen, die notwendige Flexibilität der Rechtsordnung zu wahren, zielt indes auf künftige Rechtsänderungen und relativiert nicht ohne Weiteres die Verlässlichkeit der Rechtsordnung innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums.

55

b) Die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag stellt das Vertrauen in den zukünftigen Bestand einer Rechtslage in Frage (aa), jedenfalls der endgültige Beschluss des Bundestages über das rückwirkende Gesetz zerstört es grundsätzlich (bb). Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses hat hier das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage beseitigt (cc).

56

aa) Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch in Zukunft, insbesondere im Folgejahr, unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen (vgl. BVerfGE 127, 31 <50>).

57

bb) Jedenfalls ab dem endgültigen Beschluss des Deutschen Bundestages über einen Gesetzentwurf müssen die Betroffenen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber kann deshalb berechtigt sein, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Norm sogar im Sinne einer echten Rückwirkung auch auf den Zeitraum von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfGE 13, 261 <273>; 30, 272 <286 f.>; 72, 200 <260 ff.>; 95, 64 <86 f.>; 97, 67 <79>; 127, 31 <58>). Diese Zuordnung hat das Bundesverfassungsgericht als den "verhältnismäßig besten Ausgleich" zwischen den denkbaren Positionen - Abstellen auf die Einbringung des Gesetzentwurfs einerseits und die Verkündung der Neuregelung andererseits - bezeichnet (vgl. BVerfGE 72, 200 <261 f.>; 127, 31 <58>).

58

cc) (1) Der durch die Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (BTDrucks 14/6882) enthielt noch keine den späteren § 8 Nr. 5 GewStG und § 36 Abs. 4 GewStG a.F. entsprechenden Bestimmungen. Die Anregung des Bundesrates in seiner Stellungnahme vom 27. September 2001 zu dem Gesetzentwurf, die Hinzurechnung von Bezügen und Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG und von Bezügen und Gewinnen nach § 8b KStG zum Gewerbeertrag ausdrücklich zu regeln (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.), wurde von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung mit dem Argument abgelehnt, dass die Umsetzung des Vorschlags die Wiedereinführung der mit dem Steuersenkungsgesetz gerade abgeschafften Doppelbelastung von Streubesitz mit Gewerbesteuer bedeuten würde (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Zu diesem Zeitpunkt mussten potenziell Betroffene ihr Verhalten daher noch nicht auf eine solche Regelung einstellen.

59

Erst nach Einleitung des Vermittlungsverfahrens und jedenfalls mit dessen Abschluss änderte sich dies. In der in der Bundestagsdrucksache 14/7780 vom 11. Dezember 2001 veröffentlichten Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses an den Bundestag zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz waren nunmehr Formulierungsvorschläge zu einem neuen § 8 Nr. 5 GewStG und zu § 36 Abs. 4 GewStG a.F. enthalten, die den später Gesetz gewordenen Regelungen entsprachen (vgl. BTDrucks 14/7780, S. 5). Hinsichtlich ihrer das Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage beeinträchtigenden Wirkung entspricht die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nicht nur derjenigen der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ, sondern geht sogar noch darüber hinaus. Die Annahme eines solchen Vermittlungsvorschlags durch den Bundestag ist regelmäßig erheblich wahrscheinlicher als die Verwirklichungschancen eines Gesetzentwurfs zu Beginn der parlamentarischen Beratungen, weil der Vermittlungsvorschlag am Ende des parlamentarischen Entscheidungsfindungsprozesses einschließlich der Kompromissbemühungen des Vermittlungsausschusses steht und deren Ergebnis markiert.

60

Es kann daher hier offen bleiben, ob die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ stets der maßgebliche Zeitpunkt ist, ab dem sich die Betroffenen nicht mehr auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der bisherigen Rechtslage berufen können (s.o. aa, vgl. auch BVerfGE 127, 31 <50>). Mit dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 ist die Zerstörung schutzwürdigen Vertrauens hier jedenfalls eingetreten. Dies folgt aus der besagten hohen Wahrscheinlichkeit der Annahme des Vermittlungsvorschlags auf der einen Seite und der geringen Schutzwürdigkeit des Minderheitsgesellschafters im Hinblick auf einen Gewinnausschüttungsbeschluss der Gesellschaft (s. dazu oben 2 a) auf der anderen Seite  . 

61

(2) Schutzwürdiges Vertrauen in den künftigen Bestand der bisherigen Rechtslage besteht erst recht nicht mehr ab der Zustimmung des Bundestages zum Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses (vgl. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG) vom 14. Dezember 2001 (vgl. BRDrucks 1061/01). Dieser Zeitpunkt entspricht in jeder Hinsicht dem des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages über einen Gesetzentwurf, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auch in den Fällen echter Rückwirkung - den zeitlichen Endpunkt eines schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der bisherigen Rechtslage bestimmt (s. vorstehend bb).

62

(3) Der Wegfall schutzwürdigen Vertrauens bereits durch den Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 führt dazu, dass Vorabausschüttungsbeschlüsse, die nach dem 11. Dezember 2001 gefasst worden sind, keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor der Hinzurechnung der Vorabausschüttung zum Gewerbeertrag nach dem später in das Gewerbesteuergesetz eingefügten § 8 Nr. 5 GewStG genießen. Da es insoweit schon an einem schutzwürdigen Vertrauen auf das Nichtbestehen einer solchen Hinzurechnungsvorschrift fehlt, kommt eine Abwägung, ob das Interesse der Allgemeinheit an dem rückwirkenden Inkraftsetzen des § 8 Nr. 5 GewStG bis zum 11. Dezember 2001 dem Vertrauen Einzelner auf die Fortgeltung der Rechtslage über diesen Zeitpunkt hinaus unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (zu diesem Maßstab vgl. BVerfGE 127, 31 <47 f.> und oben I 3 c) vorgeht, nicht in Betracht.

63

Das der Vorlage des Finanzgerichts zugrunde liegende Ausgangsverfahren betrifft einen solchen Fall; der Vorabausschüttungsbeschluss in jenem Verfahren datiert vom 15. Dezember 2001, liegt also zeitlich sowohl nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 als auch nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 14. Dezember 2001.

64

c) Das rückwirkende Inkraftsetzen von § 8 Nr. 5 GewStG ist mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes auch insoweit vereinbar, als die Regelung Vorab-ausschüttungen erfasst, die zwar erst nach dem 11. Dezember 2001 beschlossen wurden, jedoch - wie im Ausgangsverfahren - dem Steuerpflichtigen noch vor der Verkündung der Neuregelung am 24. Dezember 2001 zugeflossen sind.

65

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem Beschluss vom 7. Juli 2010 zur sogenannten "Fünftel-Regelung" des § 34 Abs. 1 EStG (BVerfGE 127, 31<57 ff.>) die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Betroffenen in die Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts unabhängig von der Schutzwürdigkeit ihrer Dispositionen zum Zeitpunkt der zugrunde liegenden Vereinbarungen für den Fall bejaht, dass der Mittelzufluss vor Verkündung der Neuregelung erfolgt ist. Dabei ging es um Abfindungsvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmern. Bei den Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen durften die Arbeitnehmer nach dem Beschluss vom 7. Juli 2010 darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändere und dadurch den Nettoertrag der erhaltenen Abfindungszahlung erheblich mindere. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen zukünftigen Gesetzesänderung bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entschädigungsvereinbarung und zum Zeitpunkt der Erfüllung des materiellen steuerbegründenden Tatbestands durch den Zufluss des Abfindungsbetrags stehe der Anerkennung grundrechtlich geschützten Vertrauens in geltendes Recht zum Zeitpunkt der Erfüllung nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>). Selbst wenn der Geldzufluss erst nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss über die beabsichtigte Steuererhöhung erfolgt sei und die Betroffenen sich deshalb grundsätzlich schon auf die Neuregelung hätten einstellen können, bleibe in diesen Fällen des Mittelzuflusses vor Verkündung der Neuregelung das berechtigte Vertrauen der Steuerpflichtigen in die Gewährleistungsfunktion des Rechts, das nur durch überwiegende Gemeinwohlinteressen an einer rückwirkenden Neuregelung überwunden werden könne (vgl. BVerfGE 127, 31 <58 f.>).

66

Die Grundsätze dieser Fallgruppe sind auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Dort ging es um zweiseitige Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, auf deren Gültigkeit und Werthaltigkeit der Arbeitnehmer unter Umständen existenziell angewiesen war. Mit der Zustimmung zu einer Abfindungsvereinbarung disponiert der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsvertrags und damit über Teile seiner wirtschaftlichen Existenz. Dabei handelt er in einer gewissen Zwangslage. Er verliert seine Rechte zwar nicht ohne seinen Willen, gibt sie aber doch unter einem erheblichen wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck auf (vgl. BVerfGE 127, 31 <52, 60>). In dieser besonderen Situation verdient das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des verfügbaren Werts einer solchen Vereinbarung in weitergehendem Umfang Schutz, selbst wenn sie erst nach der Zustimmung des Bundestages zu einem Steuererhöhungsgesetz geschlossen wurde, sofern die Abfindung noch vor der Verkündung des Gesetzes ausgezahlt wurde (vgl. BVerfGE 127, 31 <58 f.>).

67

Damit ist die Lage bei der Ausschüttung von Gewinnanteilen an Streubesitzbeteiligte in der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Art nicht vergleichbar. Eine Vertrauensschutz erfordernde Disposition über Teile seines Vermögens hat der Minderheitsgesellschafter hier nicht in einer dem Arbeitnehmer bei der Abfindungsvereinbarung vergleichbaren Weise getätigt. Als Streubesitzbeteiligter ist er im Fall einer Ausschüttung im Wesentlichen auf deren Entgegennahme beschränkt; schutzwürdiges Vertrauen investiert er dabei regelmäßig in allenfalls geringfügigem Umfang (s. dazu bereits oben 2 a aa). Nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur rückwirkenden Einführung der Hinzurechnungsregelung vom 11. Dezember 2001, erst recht nach dem endgültigen Beschluss des Bundestages, im vorliegenden Fall nach der Zustimmung des Bundestages vom 14. Dezember 2001 zum Vermittlungsvorschlag, konnten sich die Begünstigten eines Vorabausschüttungsbeschlusses ohne Weiteres auf die sich konkret abzeichnende neue Rechtslage einstellen. Selbst bei Abwicklung dieses Beschlusses vor der Verkündung des Gesetzes am 24. Dezember 2001 ändert der dadurch erreichte "gesteigerte Grad an Abgeschlossenheit" (vgl. BVerfGE 127, 31 <59>) nichts am Fehlen schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der noch geltenden Steuerrechtslage für die Vorabausschüttung. Allein die Gewährleistungsfunktion des zum Zeitpunkt des Mittelzuflusses geltenden Rechts vermag das Fehlen schutzwürdigen Vertrauens wegen der bereits konkret absehbaren Neuregelung in solchen Fällen nicht zu kompensieren.

68

Fehlt es für die Zeit nach dem 11. Dezember 2001 an schutzwürdigem Vertrauen in das Fortbestehen der Steuerrechtslage zur Übertragbarkeit der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG auf das Gewerbesteuerrecht, bedarf die Zulässigkeit der Rückwirkung keiner Abwägung mehr unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und insbesondere der Zumutbarkeit (s.o. I 3 c).

69

3. § 36 Abs. 4 GewStG a.F. ist mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbar und verstößt gegen Art. 20 Abs. 3 GG, soweit er die Anwendung des neuen § 8 Nr. 5 GewStG auf den Erhebungszeitraum 2001 auch mit Wirkung vor dem 12. Dezember 2001 erstreckt und dabei bis einschließlich 11. Dezember 2001 beschlossene und zugeflossene Vorabausschüttungen erfasst.

70

a) Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 zur Einfügung des § 8 Nr. 5 in das Gewerbesteuergesetz, erst recht aber der Beschluss des Deutschen Bundestages hierzu vom 14. Dezember 2001 haben zwar das Vertrauen in den zukünftigen Bestand der bisherigen Rechtslage zur gewerbesteuerlichen Freistellung von Erträgen im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG aus Streubesitzbeteiligungen zerstört. Berechtigtes Vertrauen in den Bestand der Steuerrechtslage für den davor liegenden Zeitraum wird durch diese Vorgänge im Gesetzgebungsverfahren allerdings nicht beseitigt. Dies gilt auch dann, wenn es sich dabei um zurückliegende Zeiten innerhalb des laufenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums handelt. Denn die Behandlung steuerlich relevanter Vorgänge als bis zum Ende des Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bedeutet lediglich, dass Gesetze, die während, insbesondere gegen Ende eines Veranlagungszeitraums mit Wirkung für den gesamten Zeitraum erlassen werden, nach den für ein Gesetz mit unechter Rückwirkung anzuwendenden verfassungsrechtlichen Maßstäben beurteilt werden. Daraus folgt aber nicht, dass vor dem Gesetzeserlass getätigte Dispositionen des Steuerschuldners deshalb keinen Vertrauensschutz genössen. Hier ist eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinzunehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 127, 1 <20>).

71

Vertrauen erwächst in den von der Vorlage des Finanzgerichts angesprochenen Fällen der Vorabausschüttung nicht in erster Linie durch in besonderer Weise schützenswerte Dispositionen des gewerbesteuerpflichtigen, mit weniger als 10% beteiligten Minderheitsgesellschafters, sondern im Wesentlichen aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts (s.o. 2 a). Um Vertrauensschutz gegen rückwirkende Gesetzesänderungen auslösen zu können, bedarf ein Geschäftsvorgang eines erkenn- und belegbaren gesteigerten Grades der Abgeschlossenheit. Diese liegt nicht allein in dem Gesellschafterbeschluss über die Vorabausschüttung. Da er keinen besonderen Formbindungen unterliegt und deshalb weder hinsichtlich seines Inhalts noch hinsichtlich des Beschlusszeitpunktes ohne Weiteres objektiv gesichert ist, vermittelt er allein hier noch keine Rechtsbeständigkeit gegenüber einer Gesetzesänderung. Erst der in Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses erfolgte Zufluss der Ausschüttung beim Empfänger verschafft dem Sachverhalt einen gesteigerten Grad an Abgeschlossenheit, der Schutz gegen eine rückwirkende Änderung der Rechtslage bietet (vgl. BVerfGE 127, 31 <59>). Die Anknüpfung an den Zufluss der Ausschüttung gewährleistet zudem eine einheitliche Handhabung solcher Rückwirkungsfälle unabhängig von der Geltung des Zu- und Abflussprinzips (vgl. § 4 Abs. 3, § 11 EStG), das heißt unabhängig von der Methode der Einkünfteermittlung und insbesondere auch unabhängig von einer etwaigen im Fall der Bilanzierung erfolgenden Aktivierung des Anspruchs auf die Vorabausschüttung schon im Zeitpunkt der Beschlussfassung der ausschüttenden Gesellschaft.

72

b) Besondere Gründe, welche die nachträgliche Belastung vor dem 12. Dezember 2001 beschlossener und ausgezahlter Vorabausschüttungen mit einer höheren Gewerbesteuer rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

73

Die allgemeinen Ziele der Umgestaltung des Steuerrechts und der Erhöhung des Steueraufkommens rechtfertigen die rückwirkende Steuerbelastung nicht (vgl. BVerfGE 127, 1 <26>; 127, 31 <59>).

74

Ein spürbarer Ankündigungs- oder Mitnahmeeffekt mit Blick auf die drohende Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer, der durch die Rückwirkung verhindert werden sollte, ist - zumal für die Zeit bis zum 11. Dezember 2001 - nicht erkennbar. Eine rein steuerlich motivierte Vorabausschüttung zu Gunsten einer mit weniger als 10% beteiligten Minderheitsgesellschafterin erscheint zudem generell eher ungewöhnlich. Es ist ferner nicht unüblich, dass Vorabausschüttungen kurz vor Jahresende beschlossen und durchgeführt werden. Auch das vorlegende Finanzgericht hat im konkreten Fall festgestellt, dass bei der Körperschaft, an der die Klägerin des Ausgangsverfahrens beteiligt war, in den Vorjahren regelmäßig Vorabausschüttungen erfolgt waren.

75

Der im Jahr 2001 vollzogene Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht (vgl. dazu BVerfGE 125, 1 <2 ff.>) bietet ebenfalls keinen Rechtfertigungsgrund für das rückwirkende Inkraftsetzen des § 8 Nr. 5 GewStG. Insbesondere war die sich vor Einfügung des § 8 Nr. 5 GewStG ergebende Rechtslage nicht systemwidrig. Die unmittelbare Auswirkung der körperschaftsteuerlichen Freistellung von Beteiligungserträgen und Veräußerungsgewinnen nach § 8b KStG auf das Gewerbesteuerecht war und ist eine systemgerechte Folge aus der Übernahme der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlungsregelungen in das Gewerbesteuerrecht (§ 7 Satz 1 GewStG). Um dies zu ändern, bedurfte es einer ausdrücklichen Korrektur durch den Gesetzgeber, wie sie durch den neuen § 8 Nr. 5 GewStG für Erträge aus Streubesitzbeteiligungen dann auch erfolgt ist. Die zwischenzeitlich im Jahr 2001 geltende Rechtslage war damit keineswegs offensichtlich so ungerecht oder auch nur im Hinblick auf das Gewerbesteuerrecht so systemwidrig, dass eine rückwirkende Änderung durch den Gesetzgeber als unabweisbar hätte erscheinen müssen. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung auf den Vorschlag des Bundesrates vom 27. September 2001, die Hinzurechnung von Bezügen und Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG und von Bezügen und Gewinnen nach § 8b KStG zum Gewerbeertrag ausdrücklich zu regeln (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.), ihre Ablehnung damit begründet, dass die Umsetzung des Vorschlags die Wiedereinführung der mit dem Steuersenkungsgesetz gerade abgeschafften Doppelbelastung von Streubesitz mit Gewerbesteuer bedeuten würde (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Die neue Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG war daher keine überfällige Fehlerkorrektur, mit der Steuerpflichtige ohne Weiteres hätten rechnen müssen, sondern eine bewusst die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer abweichend von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer gestaltende Entscheidung des Gesetzgebers.

76

Liegen keine Gründe vor, welche die Rückwirkung der Regelung für bis einschließlich 11. Dezember 2001 erfolgte Vorabausschüttungen rechtfertigen könnten, erübrigt sich die Prüfung, ob eine darauf gestützte Rückwirkungsanordnung verhältnismäßig wäre. Eine Interessenabwägung kommt nicht in Betracht, wenn verfassungsrechtlich bereits kein für die Rückwirkung sprechendes öffentliches Interesse anzuerkennen ist.

III.

77

Soweit § 36 Abs. 4 GewStG a.F. den § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendenvorab-ausschüttungen an Minderheitsgesellschafter für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10% beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind, verstößt diese Anwendungsvorschrift gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig (§ 78 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 1 BVerfGG).

78

Die Entscheidung über die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Vorschlags des Vermittlungsausschusses anstelle des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages (C II) ist mit 5:3 Stimmen ergangen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.


Gründe:

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis (Klassen BE und C1E einschl. Unterklassen) nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 verwarnte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin, nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt unter dem 7. Januar 2013 mitgeteilt hatte, dass für die Antragstellerin neun Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen waren. Das Schreiben wies auf die Möglichkeit zur freiwilligen Teilnahme an einem Seminar zum Punktabbau und auf die Folgen weiterer Punkte hin.

Zum 1. Mai 2014 wurden die bis dahin erreichten neun Punkte im früheren Punktsystem nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 StVG in vier Punkte nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem umgerechnet. Ein Verkehrsverstoß vom 19. Februar 2014, der am 9. April 2014 rechtskräftig geahndet wurde, hatte keine Punkteerhöhung zur Folge, weil ein früherer Punkt getilgt wurde. Durch Verkehrsverstöße vom 24. September 2014 und 2. Oktober 2014, rechtskräftig geahndet zum 27. April 2015 und 7. Mai 2015, kam jeweils ein Punkt im Fahreignungsregister hinzu. Dies teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit Schreiben vom 21. Mai 2015 (Eingang 5.6.2015) und 3. Juni 2015 (Eingang 17.6.2015) der Fahrerlaubnisbehörde mit. Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 verwarnte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass im Falle des Erreichens von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen werde. Die zugrunde gelegten Verkehrsverstöße wurden in einer Anlage aufgelistet.

Bereits am 19. November 2014 und am 7. Dezember 2014 hatte die Antragstellerin weitere Verkehrsverstöße begangen, die beide am 10. Juni 2015 rechtskräftig geahndet und mit jeweils einem Punkt bewertet wurden. Hierüber informierte das Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 17. Juli 2015 (Eingang 25.7.2015).

Mit Bescheid vom 6. August 2015 entzog die Fahrerlaubnisbehörde der Antragstellerin nach vorheriger Anhörung die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1) und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds an, den Führerschein unverzüglich, spätestens jedoch bis 13. August 2015 bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern (Nrn. 2 und 3).

Gegen den Bescheid ließ die Antragstellerin am 24. August 2015 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben, über die - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. September 2015 ab.

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der die Antragsgegnerin und die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses entgegentreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde, bei deren Prüfung der Senat auf die vorgetragenen Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg.

Zu Begründung der Beschwerde trägt die Antragstellerin wie schon im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor, eine verfassungsgemäße Auslegung von § 4 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 StVG gebiete eine Berücksichtigung des Tattagprinzips, so dass der Punktestand der Antragstellerin auf sieben Punkte zu reduzieren sei. Ansonsten werde gegen rechtsstaatliche Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG zur Rechtssicherheit verstoßen. Die Gesetzesbegründung, wonach in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung dem Stufensystem keine Warnfunktion mehr zukommen solle, habe abgesehen von dem hier nicht einschlägigen und nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Im Übrigen habe das Stufensystem nur dann einen Sinn, wenn den einzelnen Maßnahmen erzieherische Wirkung zukomme. Es verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit des Art. 20 Abs. 3 GG, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis davon abhängig sei, wann die Verkehrsverstöße rechtskräftig geahndet würden und wann die Fahrerlaubnisbehörde von den Verkehrsverstößen Kenntnis erhalte. Die Entziehung der Fahrerlaubnis, die für den Betroffenen oft einschneidende Bedeutung im beruflichen und privaten Bereich und vielfach sogar einen Arbeitsplatzverlust zur Folge habe, hinge dann von der Zufälligkeit ab, wie schnell die zuständigen Behörden oder Gerichte die Verstöße an das Kraftfahrt-Bundesamt meldeten, wie schnell dieses die Speicherung vornehme und wie schnell es die Verstöße den zuständigen Fahrerlaubnisbehörden übermittele. Darauf habe der Betroffene keinen Einfluss. Das könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Auf diese Problematik gehe das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht ein. Auch sei bei der Gesetzesänderung zum 5. Dezember 2014 nicht von einer Klarstellung, sondern von einer Änderung der Rechtslage auszugehen, so dass bei dieser Änderung eine unechte Rückwirkung vorliege. Der Umstand, dass der letzte Verkehrsverstoß der Antragstellerin am 7. Dezember 2014, also nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 5. Dezember 2014 erfolgt sei, führe entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dazu, dass eine unechte Rückwirkung nicht gegeben sei. Denn abzustellen sei auf die gesamten Umstände, die im Fall der Antragstellerin zu einem Erreichen von acht Punkten geführt hätten. Die Anwendung der Neuregelung von § 4 Abs. 6 StVG knüpfe folglich an einen Lebenssachverhalt an, der vor Inkrafttreten der Neuregelung begonnen habe und erst danach abgeschlossen gewesen sei. Diese unechte Rückwirkung verstoße angesichts der Bedeutung einer Fahrerlaubnis für den Betroffenen auf verfassungsrechtliche Bedenken.

Das Vorbringen rechtfertigt keine Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Auf den vorliegenden Fall findet § 4 des Straßenverkehrsgesetzes in der ab5. Dezember 2014 anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 28. November 2014 (BGBl I S. 1802) Anwendung, da auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 6. August 2015 abzustellen ist. Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten (vgl. BVerwG, U. v. 27.9.1995 - 11 C 34.94 - BVerwGE 99, 249). In Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens ist dies hier der Zeitpunkt des Erlasses des streitbefangenen Bescheids.

1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist ihm zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde für das Ergreifen einer Maßnahme auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Damit hat der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung zum 1. Mai 2014 entwickelte Tattagprinzip normiert. Die Antragstellerin hat durch die am 19. November 2014 und 7. Dezember 2014 begangenen und jeweils am 10. Juni 2015 rechtskräftig geahndeten Ordnungswidrigkeiten acht Punkte erreicht, so dass ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Die für die Verkehrsverstöße vom 19. November 2014 und 7. Dezember 2014 anfallenden zwei Punkte konnten daher den zu diesem Zeitpunkt schon bestehenden sechs Punkten hinzurechnet werden, obwohl die Verwarnung vom 18. Juni 2015 erst nach der Begehung und rechtskräftiger Ahndung dieser Zuwiderhandlungen erfolgte. Als der Fahrerlaubnisbehörde diese Zuwiderhandlungen mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 17. Juli 2015 bekannt wurden, hatte die Antragstellerin die Maßnahmenstufen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG schon durchlaufen. Die Fahrerlaubnis musste ihr nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG daher zwingend entzogen werden.

2. Die Antragstellerin kann auch keine Punktereduzierung beanspruchen. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StVG (Verwarnung oder Fahrerlaubnisentziehung) erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StVG bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 StVG). Der Punktestand verringert sich dann mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte und der Verwarnung auf sieben Punkte, wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist (§ 4 Abs. 6 Satz 3 StVG). Diese Regelungen wurden (inhaltlich) bereits zum 1. Mai 2014 eingeführt, wenngleich § 4 Abs. 6 StVG mit Gesetz vom 28. November 2014 (BGBl I S. 1802) zum 5. Dezember 2014 neu gefasst und durch weitere Regelungen ergänzt wurde.

2.1 Die Antragstellerin hat das Stufensystem durchlaufen, ohne dass eine Punktereduzierung eingetreten wäre. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte sie mit Schreiben vom 17. Januar 2013 nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, StVG a. F.), damals zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S.3044), bei einem angenommenen Stand von neun Punkten (erste Stufe der Maßnahmen nach dem Punktsystem). Diese Verwarnung war nach Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 1. Mai 2014 nicht zu wiederholen, da die (Neu-) Einordnung nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG allein (Umrechnung der Punkte) nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führt (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG, BayVGH, B. v. 7.1.2015 - 11 CS 14.2653 - juris Rn. 9).

2.2 Die Antragstellerin hat auch die zweite Stufe des Punktsystems ordnungsgemäß durchlaufen. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte sie bei einem auf den Tattag 2. Oktober 2014 bezogenen, im Fahreignungsregister eingetragenen Stand von sechs Punkten mit Schreiben vom 18. Juni 2015 nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG. Zwar waren die weiteren Zuwiderhandlungen vom 19. November 2014 und 7. Dezember 2014 beim Ausstellen der Verwarnung bereits rechtskräftig geahndet und die Punkte nach dem Tattagprinzip bereits entstanden, der Fahrerlaubnisbehörde waren aber diese Zuwiderhandlungen nicht bekannt, so dass sie bei der Verwarnung noch keine Berücksichtigung finden konnten. Der Punktestand verringerte sich daher nicht nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG mit Wirkung des Tags des Ausstellens der ergriffenen Verwarnung auf sieben Punkte.

Bei der Frage, ob dem Betreffenden eine Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG zugute kommt, ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 StVG nicht auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Ahndung oder Eintragung im Fahreignungsregister der letzten zu berücksichtigenden Zuwiderhandlung abzustellen, sondern es kommt allein darauf an, ob bei Ergreifen der weiteren Maßnahme die vorherige Maßnahme tatsächlich schon rechtmäßig ergriffen wurde. Diese Auslegung wird auch durch den Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG gestützt, der besagt, dass auch im Falle einer Verringerung der Punktezahl nach Satz 3 der Vorschrift Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand erhöhen.

Unabhängig von seiner Formulierung und seiner systematischen Stellung in der einschlägigen Vorschrift gilt das ganz allgemein. Es wäre widersinnig, bei der Berechnung des Punktestands Zuwiderhandlungen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG), andererseits aber eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 bis 3 StVG anzunehmen, wenn der Betreffende vor der vorhergehenden Maßnahme bereits weitere Zuwiderhandlungen begangen hat. Der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG löst den Widerspruch dahingehend auf, dass die Kenntnis der Behörde von den rechtskräftig mit bindender Wirkung (§ 4 Abs. 5 Satz 4 StVG) geahndeten und im Fahreignungsregister eingetragenen Verkehrsverstößen maßgeblich ist. Eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG tritt somit nur ein, wenn der Fahrerlaubnisbehörde am Tag der ergriffenen Maßnahme weitere Verkehrsverstöße bekannt sind, die zu einer Einstufung in eine höhere Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG führen (vgl. BayVGH, U. v. 11.8.2015 - 11 BV 15.909 - VRS 129, 27).

Eine solche Auslegung entspricht auch dem Zweck der Rechtsänderungen zum 1. Mai 2014 und 5. Dezember 2014. Der Gesetzgeber wollte sich gemäß der Gesetzesbegründung von den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 25. September 2008 (Az. 3 C 3/07) für das ab 1. Mai 2014 geltende neue System mit den Erwägungen zur Punkteentstehung und zum Tattagprinzip bewusst absetzen (BT-Drs. 18/2775, S. 9). Es soll nach dem Fahreignungs-Bewertungs-system nicht mehr darauf ankommen, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Vielmehr kommt es unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten und für das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, auf die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems an (BT-Drs. 18/2775, S. 9 f.). Insbesondere bei Konstellationen, in denen in kurzer Zeit wiederholt und schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen wurde, was ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit bedeutet, soll nach Ansicht des Gesetzgebers in Abwägung mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit nicht über bestimmte Verkehrsverstöße hinweggesehen werden (vgl. BT-Drs. 18/2775, S. 10). Die Prüfung der Behörde, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden ist, ist daher vom Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen und beeinflusst das Entstehen von Punkten nicht (BT-Drs. 18/2775, S. 10). Mit § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG soll nach der Gesetzesbegründung verdeutlicht werden, dass Verkehrsverstöße auch dann mit Punkten zu bewerten sind, wenn sie vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden sind, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnten, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen wurden oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sind (BT-Drs. 18/2775, S. 10). Eine solche Konstellation, in der die Behörde erst nach Ergreifen einer Maßnahme von weiteren - vorher begangenen - Verkehrsverstößen erfahren hat, liegt hier vor, denn die Fahrerlaubnisbehörde hatte vor dem Eingang der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts am 17. Juli 2015 keine Kenntnis von den am 10. Juni 2015 rechtskräftig geahndeten Verkehrsverstößen vom 19. November 2014 und 7. Dezember 2014.

Gerade die von der Gesetzesbegründung genannte Konstellation, bei der in kurzer Zeit wiederholt und schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen wird, was ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit bedeutet, liegt im Fall der Antragstellerin vor. Sie hat am 19. November 2014 verbotswidrig ein Mobiltelefon benutzt und am 19. Februar 2014, am 24. September 2014, am 2. Oktober 2014 und am 7. Dezember 2014 die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h bis 32 km/h überschritten, nachdem sie bereits zwischen dem 23. Oktober 2011 und dem 11. August 2012 viermal die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h bis 40 km/h überschritten hatte.

2.3 Die Fahrerlaubnisbehörde hat hier jeweils unverzüglich nach Kenntniserlangung von den im Fahreignungsregister eingetragenen Punkten die entsprechenden Maßnahmen ergriffen (vgl. hierzu VGH BW, B. v. 6.8.2015 - 10 S 1176/15 - DÖV 2015, 935; vgl. auch OVG NW, B. v. 27.4.2015 - 16 B 226/15 - juris Rn. 13). Ob die Fahrerlaubnisbehörde sich ggf. schuldhafte Verzögerungen durch andere Behörden (Staatsanwaltschaften, Kraftfahrt-Bundesamt) bei der Übermittlung der Daten zurechnen lassen muss, kann offenbleiben, denn solche Verzögerungen liegen hier nicht vor.

Nach § 28 Abs. 4 StVG teilen die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die nach § 28 Abs. 3 StVG zu speichernden Daten mit. Die Eintragung von Entscheidungen im Fahreignungsregister stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern dient nur der Sammlung von Informationen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 28 StVG Rn. 17). Hier wurden die Verkehrsverstöße vom 19. November 2014 und 7. Dezember 2014, die erst am 10. Juni 2015 rechtskräftig geahndet wurden, jedenfalls so rechtzeitig an das Kraftfahrt-Bundesamt gemeldet, dass ihre Eintragung ins Fahreignungsregister bereits zum 17. Juli 2015 erfolgen konnte. 37 Tage zwischen rechtskräftiger Ahndung von Verkehrsverstößen und ihrer Eintragung ins Fahreignungsregister sind kein unangemessen langer Zeitraum.

Auch bei der Übermittlung der Daten durch das Kraftfahrt-Bundesamt an die Fahrerlaubnisbehörde sind keine schuldhaften Verzögerungen ersichtlich. Nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG hat das Kraftfahrt-Bundesamt zur Vorbereitung der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach § 4 Abs. 5 StVG der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Dementsprechend hat das Kraftfahrt-Bundesamt nach Mitteilung der am 10. Juni 2015 rechtskräftig geahndeten Verkehrsverstöße durch die Staatsanwaltschaft, die Verstöße bereits am 17. Juli 2015 im Fahreignungsregister eingetragen, am selben Tag einen Auszug erstellt und per Post an die Fahrerlaubnisbehörde versandt.

2.4 Durchgreifende Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 5 und 6 StVG bestehen nicht. Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) der ohne Übergangsregelung geänderten bzw. neu eingeführten Vorschriften (vgl. hierzu BayVGH, U. v. 18.5.2015 - 11 BV 14.2839 - VRS 128, 206; SächsOVG, B. v. 7.7.2015 - 3 B 118/15 - juris Rn. 11; OVG Berlin-Bbg, B. v. 2.6.2015 - OVG 1 S 90.14 - juris) stellt sich hier auch dann nicht, wenn man die zum 5. Dezember 2014 erfolgte Gesetzesänderung (a. a. O.) nicht als Klarstellung ansähe, weil die letzte Tat der Antragstellerin, die Anlass für die Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG war, hier erst am 7. Dezember 2014, also nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 5. Dezember 2014 begangen und im Übrigen beide Verkehrsverstöße (vom 2.10.2014 und 7.12.2014) erst am 10. Juni 2015 rechtskräftig geahndet wurden. Bevor ein Verkehrsverstoß rechtskräftig festgestellt und geahndet wird, kann er nicht berücksichtigt werden (vgl. auch § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG).

Es stellt auch keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG dar, dass der Gesetzgeber die in § 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 StVG a. F. geregelte Warn- und Erziehungsfunktion und die damit einhergehende Verringerung der Punktestände weitestgehend aufgegeben hat. Es ist nicht ersichtlich, dass es verfassungsrechtlich geboten wäre, eine solche Begünstigung für Personen, die in kurzen zeitlichen Abständen erhebliche Verkehrsverstöße begehen, beizubehalten. Nach der Begründung des Gesetzes vom 28. November 2014 (BT-Drs. 18/2775, S. 9) dient das Stufensystem der Information des Betroffenen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann aber nur informieren, wenn ihr die mit Punkten bewehrten Verkehrsverstöße bekannt sind. Soweit keine willkürliche Verzögerung der Kenntnisnahme durch die Behörde vorliegt, ist es nicht zu beanstanden, die entsprechenden Maßnahmen vom Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde abhängig zu machen (vgl. BayVGH, U. v. 11.8.2015 - 11 BV 15.909 - VRS 129, 27; OVG NW, B. v. 27.4.2015 - 16 B 226/15 - juris Rn. 13).

Dass die Antragstellerin geltend macht, aus beruflichen Gründen auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, kann angesichts des Gewichts der ihr nachteiligen Gesamtumstände nicht rechtfertigen, ihren privaten Interessen ungeachtet ihrer fahrerlaubnisrelevanten Verfehlungen ausnahmsweise Vorrang vor den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit einzuräumen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

11 BV 15.909

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 11. August 2015

(VG Regensburg, Entscheidung vom 18. März 2015, Az.: RO 8 K 15.249)

11. Senat

Sachgebietsschlüssel: 551

Hauptpunkte:

Fahrerlaubnisentziehung, Fahreignungs-Bewertungssystem, Berechnung des Punktestands, Tattagprinzip, Verringerung des Punktestands, Kenntnis der Fahrerlaubnisbehörde, Abkehr von der Warn- und Erziehungsfunktion

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Freistaat Bayern,

vertreten durch:

Landesanwaltschaft Bayern, Ludwigstr. 23, 80539 München,

- Beklagter -

wegen Entziehung der Fahrerlaubnis (Punkte);

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. März 2015,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 11. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Borgmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Stadlöder, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Geist ohne mündliche Verhandlung am 11. August 2015

folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. März 2015 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, C, CE, M, S, T.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2011 verwarnte ihn die Fahrerlaubnisbehörde bei Erreichen von acht Punkten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a. F. Zum 1. Mai 2014 wurden die bis dahin erreichten 12 Punkte im früheren Punktsystem nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 StVG in fünf Punkte nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem umgerechnet.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2014 regte die Polizeiinspektion Bad Kötzting gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde an, aufgrund einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung am 10. Februar 2014 die Fahreignung des Klägers nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV oder die Anordnung eines Verkehrsunterrichts nach § 48 StVO zu prüfen.

Mit Schreiben vom 17. November 2014 teilte die Staatsanwaltschaft Regensburg der Fahrerlaubnisbehörde mit, das Amtsgericht Cham habe am 8. Oktober 2014 einen Strafbefehl wegen Beleidigung gegen den Kläger erlassen. Er habe zwei Polizeibeamten bei einer Radarmessung während der Vorbeifahrt den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt. Daraufhin holte die Fahrerlaubnisbehörde am 11. Dezember 2014 eine Auskunft aus dem Fahreignungsregister ein, die am 22. Dezember 2014 einging und fünf Punkte aufwies.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2015, eingegangen bei der Fahrerlaubnisbehörde am 19. Januar 2015, teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit, der Kläger habe aufgrund einer Geschwindigkeitsüberschreitung am 10. Februar 2014, geahndet mit Urteil des Amtsgerichts Cham vom 13. November 2014 (Az. 1 OWi 126 Js 9486/14), rechtskräftig seit 19. Dezember 2014, nunmehr sieben Punkte im Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht. In dem Auszug ist angekreuzt, dass das einmonatige Fahrverbot ab Rechtskraft wirksam werde. Dem Auszug ist zu entnehmen, dass die Tat dem Kraftfahrt-Bundesamt am 5. Januar 2015 mitgeteilt und am 6. Januar 2015 im Fahreignungsregister eingetragen worden sei. Mit Schreiben vom 21. Januar 2015 verwarnte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG n. F..

Mit Schreiben vom 22. Januar 2015, eingegangen bei der Fahrerlaubnisbehörde am 2. Februar 2015, teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit, der Kläger habe aufgrund einer weiteren Geschwindigkeitsübertretung am 10. März 2014, ebenfalls geahndet mit Urteil des Amtsgerichts Cham vom 13. November 2014 (Az. 1 OWi 126 Js 10206/14), rechtskräftig seit 19. Dezember 2014, nunmehr neun Punkte erreicht. Es ist angekreuzt, dass das verhängte einmonatige Fahrverbot ab Rechtskraft wirksam werde. Diese Tat sei dem Kraftfahrt-Bundesamt am 19. Januar 2015 mitgeteilt und am 20. Januar 2015 im Fahreignungsregister gespeichert worden.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2015 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1) und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Ablieferung des Führerscheins innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids an (Nrn. 2 und 3). Der Kläger habe neun Punkte im Fahreignungsregister erreicht und sei damit unwiderleglich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. In der hier anwendbaren Fassung des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. Dezember 2014 stehe der Erziehungsgedanke nicht mehr im Vordergrund. Die Möglichkeit, in kurzer Zeit zahlreiche schwere Verstöße gegen Verkehrsvorschriften zu begehen, die allein wegen der Stufenfolge nicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis führten, sei in Abwägung mit der Sicherheit des Verkehrs nicht hinnehmbar. In diesen Fällen müsse auf eine Chance des Betroffenen, sein Verhalten vor Entzug der Fahrerlaubnis ändern zu können, verzichtet werden. Hier seien alle Maßnahmen nach § 4 StVG ordnungsgemäß durchlaufen worden, bevor es zum Entzug der Fahrerlaubnis gekommen sei.

Den dagegen erhobenen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, dem das Verwaltungsgericht Regensburg stattgegeben hatte, hat der Senat mit Beschluss vom 10. Juni 2015 (Az. 11 CS 15.745) auf die Beschwerde des Beklagten abgelehnt. Der Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 18. März 2015 ebenfalls stattgegeben und die Berufung zugelassen. Der Kläger habe durch den Verstoß vom 10. März 2014 an diesem Tag insgesamt neun Punkte im Fahreignungsregister erreicht. Die Maßnahmenstufen des Fahreignungs-Bewertungssystems seien aber nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden und der Punktestand sei daher auf sieben Punkte zu reduzieren. Nur im Sonderfall der hier nicht einschlägigen vorherigen Punktereduktion nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG könne nach § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG vom Tattagprinzip abgewichen werden. Nur dann sei eine Entziehung der Fahrerlaubnis auch möglich, wenn sämtliche Verkehrsverstöße vor Zugang der Verwarnung begangen worden seien. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor.

Dagegen wendet sich Beklagte mit seiner Berufung. Mit der Rechtsänderung zum 5. Dezember 2014 in § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG solle verdeutlicht werden, dass Verkehrsverstöße auch dann mit Punkten zu bewerten seien, wenn sie vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden seien, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnten. Ein solcher Fall liege hier vor, da die Fahrerlaubnisbehörde erst nach Erlass der Verwarnung am 21. Januar 2015 mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 22. Januar 2015 von der Tat vom 10. März 2014 erfahren habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Staatsanwaltschaft sei zuerst rechtsfehlerhaft von einer Nacheinandervollstreckung der beiden Fahrverbote ausgegangen und habe diese deshalb nicht gleichzeitig an das Kraftfahrt-Bundesamt gemeldet. Dies könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Das Amtsgericht Cham habe zufällig beide Ordnungswidrigkeiten auf den gleichen Tag terminiert. Darauf habe er keinen Einfluss nehmen können. Aufgrund des kombinierten Rechtskraft-Tattag-Prinzips müssten die Verstöße zum Zeitpunkt der Rechtskraft kombiniert betrachtet werden. Es müsse auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ahndung abgestellt werden, denn die Bearbeitungsdauer bei der Staatsanwaltschaft und die langen Postlaufzeiten bei der Übersendung der Auskünfte durch das Kraftfahrt-Bundesamt könnten nicht zulasten des Klägers gehen. Die vom Beklagten vorgenommene Auslegung des Gesetzes würde darauf hinauslaufen, dass es ausschließlich auf die Kenntnis der Behörde ankomme. Dies stelle aber einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip dar. Eine fahrlässige Unkenntnis müsse sich die Behörde ohnehin zurechnen lassen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verwarnung am 21. Januar 2015 seien insgesamt neun Punkte im Fahreignungsregister eingetragen gewesen. Die Behörde hätte sich vor Erlass der Verwarnung nochmals vergewissern müssen, welcher Punktestand eingetragen sei. Der Punktestand sei deshalb nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG n. F. auf sieben Punkte zu reduzieren gewesen. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis komme nicht in Betracht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg. Der Bescheid vom 13. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist daher abzuweisen.

Auf den vorliegenden Fall findet § 4 des Straßenverkehrsgesetzes in der ab 5. Dezember 2014 anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 28. November 2014 (BGBl I S. 1802) Anwendung, da auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 13. Februar 2015 abzustellen ist. Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 - 11 C 34.94 - BVerwGE 99, 249). In Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens ist dies hier der Zeitpunkt des Erlasses des streitbefangenen Bescheids.

1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist ihm zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde für das Ergreifen einer Maßnahme auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Damit hat der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung zum 1. Mai 2014 entwickelte Tattagprinzip normiert. Der Kläger hat durch die am 10. März 2014 begangene und am 19. Dezember 2014 rechtskräftig geahndete Ordnungswidrigkeit neun Punkte erreicht, so dass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

Dabei erfolgt die Berechnung des Punktestands bei vor der Rechtsänderung zum 1. Mai 2014 begangenen, aber erst danach rechtskräftig geahndeten und in das Fahreignungsregister eingetragenen Verstöße in der Weise, dass zu dem durch Umrechnung nach der Tabelle der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG ermittelten Punktestand am 1. Mai 2014 die nach neuem Recht hinzukommenden Punkte für die erst nach dem 1. Mai 2014 eingetragenen Verstöße addiert werden (BayVGH, B.v. 18.5.2015 - 11 BV 14.2839 - VRS 128, 206; B.v. 15.4.2015 - 11 BV 15.134 - NJW 2015, 2139; OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.6.2015 - OVG 1 S 90.14 - juris).

Nach § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Die für die Ordnungswidrigkeit vom 10. März 2014 anfallenden zwei Punkte konnten daher den zu diesem Zeitpunkt schon bestehenden sieben Punkten hinzurechnet werden, obwohl die Verwarnung vom 21. Januar 2015 erst nach der Begehung dieser Zuwiderhandlung erfolgte. Als der Fahrerlaubnisbehörde diese Zuwiderhandlung mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts vom 22. Januar 2015 bekannt wurde, hatte der Kläger die Maßnahmenstufen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG schon durchlaufen. Die Fahrerlaubnis musste ihm nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG daher zwingend entzogen werden.

2. Der Kläger kann auch keine Punktereduzierung beanspruchen. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StVG (Verwarnung oder Fahrerlaubnisentziehung) erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StVG bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 StVG). Der Punktestand verringert sich dann mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte und der Verwarnung auf sieben Punkte, wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist (§ 4 Abs. 6 Satz 3 StVG). Diese Regelungen wurden (inhaltlich) bereits zum 1. Mai 2014 eingeführt, wenngleich § 4 Abs. 6 StVG mit Gesetz vom 28. November 2014 (a. a. O.) zum 5. Dezember 2014 neu gefasst und durch weitere Regelungen ergänzt wurde.

2.1 Der Kläger hat das Stufensystem durchlaufen, ohne dass eine Punktereduzierung eingetreten wäre. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte ihn mit Schreiben vom 28. Juni 2011 nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, StVG a. F.), damals zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juni 2011 (BGBl I S.1124), bei einem angenommenen Stand von acht Punkten (erste Stufe der Maßnahmen nach dem Punktsystem). Diese Verwarnung war nach Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 1. Mai 2014 nicht zu wiederholen, da die (Neu-) Einordnung nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1 StVG allein (Umrechnung der Punkte) nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führt (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG, BayVGH, B.v. 7.1.2015 - 11 CS 14.2653 - juris Rn. 9).

2.2 Der Kläger hat auch die zweite Stufe des Punktsystems ordnungsgemäß durchlaufen. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte ihn bei einem auf den Tattag 10. Februar 2014 bezogenen, im Fahreignungsregister eingetragenen Stand von sieben Punkten mit Schreiben vom 21. Januar 2015 nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG. Der Punktestand verringerte sich dadurch nicht nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG mit Wirkung des Tags des Ausstellens der ergriffenen Verwarnung auf sieben Punkte. Zwar war die weitere Tat vom 10. März 2014 beim Ausstellen der Verwarnung bereits rechtskräftig geahndet und im Fahreignungsregister eingetragen, der Fahrerlaubnisbehörde war aber weder diese Tat noch deren Eintragung bekannt, so dass dieser Verkehrsverstoß bei der Verwarnung noch keine Berücksichtigung finden konnte. Im Übrigen führte die spätere Eintragung der Ordnungswidrigkeit, die der Kläger am 10. März 2014 begangen hat, auch nicht zu einem höheren Punktestand am Tattag 10. Februar 2014, sondern erst am 10. März 2014.

Bei der Frage, ob dem Betreffenden eine Punkteverringerung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG zugute kommt, ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 StVG nicht auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Ahndung oder Eintragung im Fahreignungsregister der letzten zu berücksichtigenden Zuwiderhandlung abzustellen, sondern es kommt allein darauf an, ob bei Ergreifen der weiteren Maßnahme die vorherige Maßnahme tatsächlich schon rechtmäßig ergriffen wurde. Diese Auslegung wird auch durch den Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG gestützt, der besagt, dass auch im Falle einer Verringerung der Punktezahl nach Satz 3 der Vorschrift Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, den sich nach Satz 3 ergebenen Punktestand erhöhen.

Eine solche Auslegung entspricht auch dem Zweck der Rechtsänderungen zum 1. Mai 2014 und 5. Dezember 2014. Der Gesetzgeber wollte sich gemäß der Gesetzesbegründung von den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 25. September 2008 (Az. 3 C 3/07) für das ab 1. Mai 2014 geltende neue System mit den Erwägungen zur Punkteentstehung und zum Tattagprinzip bewusst absetzen (BT-Drs. 18/2775, S. 9). Es soll nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nicht mehr darauf ankommen, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor es zu weiteren Maßnahmen kommen darf. Vielmehr kommt es unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten und für das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, auf die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems an (BT-Drs. 18/2775, S. 9 f.). Insbesondere bei Konstellationen, in denen in kurzer Zeit wiederholt und schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen wurde, was ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit bedeutet, soll nach Ansicht des Gesetzgebers in Abwägung mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit nicht über bestimmte Verkehrsverstöße hinweggesehen werden (vgl. BT-Drs. 18/2775, S. 10). Die Prüfung der Behörde, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden ist, ist daher vom Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen und beeinflusst das Entstehen von Punkten nicht (BT-Drs. 18/2775, S. 10). Mit § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG soll nach der Gesetzesbegründung verdeutlicht werden, dass Verkehrsverstöße auch dann mit Punkten zu bewerten sind, wenn sie vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden sind, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnten, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen worden oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sind (BT-Drs. 18/2775, S. 10). Eine solche Konstellation, in der die Behörde erst nach Ergreifen einer Maßnahme von einer weiteren Zuwiderhandlung erfahren hat, liegt hier vor, denn die Fahrerlaubnisbehörde hatte vor dem Eingang der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts am 2. Februar 2015 keine Kenntnis von der am 19. Dezember 2014 rechtskräftig geahndeten Ordnungswidrigkeit vom 10. März 2014.

2.3 Ob die Fahrerlaubnisbehörde sich ggf. schuldhafte Verzögerungen durch andere Behörden (Staatsanwaltschaften, Kraftfahrt-Bundesamt) bei der Übermittlung der Daten zurechnen lassen muss, kann offenbleiben, denn solche Verzögerungen liegen hier nicht vor. Soweit der Kläger vorträgt, die Staatsanwaltschaft habe die Verfahren fehlerhaft behandelt, denn sie sei verpflichtet gewesen, beide Urteile nach Rechtskraft am 19. Dezember 2014 dem Kraftfahrt-Bundesamt gleichzeitig zu übermitteln und die Fahrerlaubnisbehörde müsse sich diesen Pflichtenverstoß zurechnen lassen, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 28 Abs. 4 StVG teilen die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die nach § 28 Abs. 3 StVG zu speichernden Daten mit. Die Eintragung von Entscheidungen im Fahreignungsregister stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern dient nur der Sammlung von Informationen (Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 28 StVG Rn. 17). Die Staatsanwaltschaft hat die Mitteilung hinsichtlich der Tat vom 10. März 2014 nicht schuldhaft verzögert. Bezüglich der Vollstreckung von gleichzeitig verhängten Fahrverboten nach § 44 StGB, § 25 Abs. 2 und 2a StVG bestehen weiterhin Rechtsunsicherheiten (vgl. aktuell Seutter, Die Parallelvollstreckung von Fahrverboten, DAR 2015, 428). Dies war dem Kläger offensichtlich auch bekannt, denn er beantragte mit der Rücknahme seiner Rechtsmittel, die Fahrverbote parallel zu vollstrecken und stellte vorsorglich Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit ist es aber nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft das Fahrverbot hinsichtlich der zuerst begangenen Tat vollstreckt und währenddessen noch prüft, ob für die weitere Tat eine Parallel- oder eine Nacheinandervollstreckung durchgeführt werden soll und dann erst die weitere Tat an das Kraftfahrt-Bundesamt meldet. Dass der Antragsteller offenbar davon ausgegangen ist, bei einer parallelen Vollstreckung der Fahrverbote würde die Staatsanwaltschaft die Ordnungswidrigkeiten gleichzeitig an das Kraftfahrt-Bundesamt melden und er könne dadurch eine Punkteverringerung erreichen, führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Die Staatsanwaltschaft hat keinen dahingehenden Vertrauenstatbestand gesetzt, sondern noch versucht, dem Kläger mitzuteilen, dass eine Nacheinandervollstreckung beabsichtigt sei. Ein entsprechendes Schreiben erreichte ihn wegen einer Adressänderung wohl aber nicht. Hinsichtlich der Vollstreckung der beiden Fahrverbote ist dem Kläger auch kein Nachteil entstanden, denn diese wurden letztendlich parallel vollstreckt.

Auch bei der Übermittlung der Daten durch das Kraftfahrt-Bundesamt an die Fahrerlaubnisbehörde sind keine schuldhaften Verzögerungen ersichtlich. Nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG hat das Kraftfahrt-Bundesamt zur Vorbereitung der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach § 4 Abs. 5 StVG der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Dementsprechend hat das Kraftfahrt-Bundesamt nach Mitteilung der rechtskräftig geahndeten Ordnungswidrigkeiten durch die Staatsanwaltschaft die Verstöße am 6. Januar 2015 und 20. Januar 2015 im Fahreignungsregister eingetragen, am 8. Januar 2015 und 22. Januar 2015 einen Auszug erstellt und jeweils per Post an die Fahrerlaubnisbehörde versandt. Eine elektronische und damit ggf. schnellere Übermittlung ist demgegenüber nicht verpflichtend vorgesehen. Nach § 30b StVG kann das Anfrage- und Auskunftsverfahren beim Kraftfahrt-Bundesamt zwar auch automatisiert erfolgen. Es besteht aber keine gesetzliche Pflicht zu einer automatisierten Übermittlung, da solche Verfahren nur unter den Voraussetzungen des § 30b Abs. 2 StVG eingerichtet werden dürfen.

Die Fahrerlaubnisbehörde ist auch nicht verpflichtet, vor Ergreifen einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 StVG nochmals den Punktestand durch eine Anfrage bei dem Kraftfahrt-Bundesamt zu überprüfen. Es ist schon nicht ersichtlich, aus welcher gesetzlichen Vorschrift sich eine solche Pflicht ergeben sollte. Zudem wäre auch damit aufgrund der Bearbeitungs- und Postlaufzeiten nicht zu gewährleisten, dass zum Zeitpunkt des Ergreifens einer Maßnahme nicht schon weitere Verkehrsverstöße im Fahreignungsregister eingetragen sind, die von dem jeweiligen Auszug noch nicht erfasst und der Fahrerlaubnisbehörde damit nicht bekannt sind.

Nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften besteht auch kein schützenswertes Vertrauen dahingehend, dass Urteile, die am gleichen Tag Rechtskraft erlangen auch tatsächlich am gleichen Tag an das Kraftfahrt-Bundesamt gemeldet und die entsprechenden Eintragungen dann zeitgleich an die Fahrerlaubnisbehörde übermittelt werden.

2.4 Durchgreifende Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 5 und 6 StVG bestehen nicht (so nunmehr auch, wenn auch mit Einschränkungen, OVG NW, B.v. 27.4.2015 - 16 B 226/15 - juris Rn. 11 ff.). Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) der ohne Übergangsregelung geänderten bzw. neu eingeführten Vorschriften (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 18.5.2015 - 11 BV 14.2839 - VRS 128, 206; SächsOVG, B.v. 7.7.2015 - 3 B 118/15 - juris Rn. 11; OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.6.2015 - OVG 1 S 90.14 - juris) stellt sich hier auch dann nicht, wenn man die zum 5. Dezember 2014 erfolgte Gesetzesänderung nicht als Klarstellung ansähe, weil beide Taten des Klägers, die Anlass für die Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und 3 StVG waren, hier erst am 19. Dezember 2014, also nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 5. Dezember 2014, rechtskräftig geahndet wurden.

Es stellt auch keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG dar, dass der Gesetzgeber die in § 4 Abs. 5 Satz 1 und 2 StVG a. F. geregelte Warn- und Erziehungsfunktion und die damit einhergehende Verringerung der Punktestände weitestgehend aufgegeben hat. Es ist nicht ersichtlich, dass es verfassungsrechtlich geboten wäre, eine solche Begünstigung für Personen, die in kurzen zeitlichen Abständen erhebliche Verkehrsverstöße begehen, beizubehalten. Soweit keine willkürliche Verzögerung der Kenntnisnahme durch die Behörde vorliegt, ist es nicht zu beanstanden, die entsprechenden Maßnahmen vom Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde abhängig zu machen (vgl. OVG NW, B.v. 27.4.2015 a. a. O. Rn. 13).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. 708 ff. ZPO.

4. Die Revision ist zuzulassen, da grundsätzlich klärungsbedürftig ist, ob eine Punktereduzierung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG eintritt, wenn zum Zeitpunkt des Ausstellens der ergriffenen Maßnahme noch ein weiterer Verstoß im Fahreignungsregister eingetragen ist, der zu einer Einstufung in eine höhere Stufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG führen würde, der Fahrerlaubnisbehörde aber noch nicht bekannt ist.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Nrn. 46.2, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14).

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Mai 2015 - 5 K 810/15 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Überschreitens von 8 Punkten.
Der Antragsteller wurde am 27.10.2010 wegen Eintragung von 11 Punkten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG in der bis zum 30.04.2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) verwarnt. Am 25.06.2012 wurde er nach Erreichen von 15 Punkten zur Teilnahme an einem Aufbauseminar gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG a.F. aufgefordert. Vor dem 01 .05.2014 waren für den Antragsteller nach Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts noch 11 Punkte gespeichert, die nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG in der ab 01.05.2014 geltenden Fassung (im Folgenden: n.F.) mit fünf Punkten in das Fahreignungsregister überführt wurden. Mit Schreiben vom 15.01.2015 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass sich der Punktestand des Antragstellers aufgrund eines am 10.11.2014 begangenen Geschwindigkeitsverstoßes auf 6 Punkte erhöht habe. Daraufhin wurde er mit Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 27.01.2015 gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG n.F. verwarnt.
Bereits am 21.05.2014 hatte der Antragsteller eine fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr begangen. Die strafrechtliche Entscheidung wurde am 19.01.2015 rechtskräftig und am 05.03.2015 mit zwei Punkten im Fahreignungsregister gespeichert. Mit Schreiben vom 11.03.2015 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Landratsamt mit, dass der Antragsteller 8 Punkte erreicht habe. Mit Verfügung vom 30.03.2015 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG n.F.. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers ist soweit ersichtlich noch nicht entschieden.
Den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 20.05.2015 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegen die zeitliche Abfolge der Maßnahmen in der vorliegenden Konstellation seien nicht vollkommen unplausibel. Eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung falle aber wegen der Häufigkeit und Gefährlichkeit der fortlaufenden Verkehrsverstöße des Antragstellers in Verbindung mit seiner fehlenden Einsicht zu seinen Lasten aus.
Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt, der der Antragsgegner entgegengetreten ist.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig ( 146, 147 VwGO), aber nicht begründet.
Auf der Grundlage der Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen nicht dazu, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die kraft Gesetzes nach § 4 Abs. 9 StVG n.F. sofort vollziehbare Verfügung des Antragsgegners vom 30.03.2015 anzuordnen ist. Auch bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO hat das Gericht eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung und dem Interesse des Betroffenen, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, bei der aber die gesetzgeberische Entscheidung für den grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses zu beachten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 80 Rn. 114, 152a m.w.N.). Besondere Umstände, die eine Abweichung von der gesetzlichen Grundentscheidung für eine sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts rechtfertigen würden, sind vorliegend nicht ersichtlich. Denn die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich rechtmäßig. Der Widerspruch des Antragstellers und eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage dürften deshalb keinen Erfolg haben.
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Zeitpunkt des noch ausstehenden Widerspruchsbescheids (vgl. näher Senatsbeschluss vom 31.03.2015 - 10 S 2417/14 - juris). Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist mithin § 4 StVG in der ab 5. Dezember 2014 anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 28. November 2014 (BGBI 1 S. 1802). Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG n.F. gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben. Nach § 4 Abs. 2 Satz 3, Absatz 5 Satz 5 StVG n.F. ist auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat, oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Damit hat der Gesetzgeber das sog. Tattagprinzip normiert. Durch die am 21.05.2014 begangene und am 05.03.2015 eingetragene Straftat hat der Antragsteller 8 Punkte erreicht. Dass die vor Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 01.05.2014 eingetragenen Punkte zu Ungunsten des Antragstellers fehlerhaft überführt oder die Taten vom 21.05.2014 und vom 10.11.2014 zu Unrecht mit zwei bzw. einem Punkt bewertet worden wären, wird vom Antragsteller nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Dem Antragsteller kommt die Regelung über die Punktereduzierung für den Fall, dass die Maßnahmen nach dem Stufensystem nicht ergriffen worden sind (sog. Bonusregelung), voraussichtlich nicht zugute. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StVG (Verwarnung oder Fahrerlaubnisentziehung) erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StVG bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (Satz 2 der Vorschrift). Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte und bei der Verwarnung auf sieben Punkte, wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist (Satz 3 der Vorschrift).
10 
Der Antragsteller hat das Stufensystem ordnungsgemäß durchlaufen. Er wurde mit Schreiben vom 27.10.2010 nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG a.F. bei dem damaligen Stand von 11 Punkten verwarnt (erste Stufe der Maßnahmen nach dem damaligen Punktsystem). Er hat auch die zweite Stufe des heutigen Fahreignungs-Bewertungssystems ordnungsgemäß durchlaufen, weil er mit Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 27.01 .2015 bei Erreichen von sechs Punkten im Fahreignungsregister nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG n.F. verwarnt wurde. Eine Wiederholung der ersten Stufe aufgrund der Neuregelung ist nicht erforderlich ( 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 2 StVG n.F.; vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.06.2015 - 11 CS 15.814 - juris). Eine Punktereduzierung war danach nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht veranlasst.
11 
Dem Antragsteller ist allerdings zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des Senats bei Anwendung der strukturgleichen Bonusregelung des Mehrfachtäter-Punktsystems gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG a.F. auf den Tag der Begehung des Verkehrsverstoßes. abzustellen war, dass mithin sämtliche Verkehrszuwiderhandlungen, welche vor dem Ergehen der jeweiligen Maßnahme bereits begangen worden waren, von der Punktereduzierungsregelung des § 4 Abs. 5 StVG a. F. erfasst worden wären. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 14.02.2013 - (10 5 82/13 - NJW 2013, 1383 -‚ im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 25.9.20Ö8 - 3 C 3/07 - juris) ausgeführt hat, beanspruchte die Leitentscheidung des Gesetzgebers für das Tattagprinzip nicht nur bei der Auslegung von § 4 Abs. 3 und 4 StVG a.F. Geltung, sondern auch für das zutreffende Verständnis der in § 4 Abs. 5 StVG a.F. getroffenen Bonusregelung. Hierfür sprach der Sinn und Zweck der in § 4 Abs. 5 StVG a.F. enthaltenen Regelung über die Punktereduzierung unter den Schwellenwert bei von der Fahrerlaubnisbehörde unterlassenen Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 StVG a.F.. Denn durch diesen Reduzierungsmechanismus sollte sichergestellt werden, dass die beim Erreichen von 18 Punkten greifende unwiderlegliche Vermutung der fehlenden Kraftfahreignung erst dann zum Tragen kommt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nach dem abgestuften Maßnahmenkatalog des Mehrfachtäter-Punktsystems alter Ausgestaltung auch die vorgelagerten Stufen durchlaufen hat und die dort vorgesehenen Maßnahmen gegen ihn ergriffen wurden, er sich aber gleichwohl nicht von weiteren Verkehrsverstößen hat abhalten lassen. Der Bonusregelung des § 4 Abs. 5 StVG a.F. kam nach ihrem Sinn und Zweck mithin eine Erziehungs- und Warnfunktion zu.
12 
Im vorliegenden Fall war die Tat vom 21.05.2014, die letztlich zum Erreichen von acht Punkten geführt hat und nach dem Tattagprinzip auch (rückwirkend) zu diesem Zeitpunkt zu werten ist, zum Zeitpunkt der Verwarnung schon begangen und rechtskräftig geahndet und nur noch nicht gespeichert bzw. der Fahrerlaubnisbehörde nicht mitgeteilt worden; damit konnte von der Maßnahme „Verwarnung“ insoweit keine Warn- und Erziehungsfunktion mehr ausgehen.
13 
Es kann dahinstehen, ob das Tattagprinzip auch bei Anwendung der Bonusregelung des § 4 Abs. 6 StVG in der ab dem 01.05.2014 und bis zum 04.12.2014 anwendbaren Fassung vom 28.08.2013 (BGBI. 1 S. 3313) zugrunde zu legen ist (bejahend: OVG NRW, Beschluss vom 02.03.2015 - 16 B 104/15 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 14.04.2015 - 16 B 247/15 - juris). Mit der Neuregelung des § 4 Abs. 5 und Absatz 6 StVG in der ab dem 05.12.2014 anwendbaren Fassung hat der Gesetzgeber jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass das Tattagprinzip im Rahmen der Bonusregelung keine Geltung beanspruchen soll. Es handelt sich damit um eine gegenüber den allgemeinen Vorschriften über das Tattagprinzip spezielle und prioritäre Vorschrift (zu solchen Vorschriften bereits Senatsbeschluss vom 02.09.2014 - 10 S 1302/14 - NJW 201 5,186). Nach der zum 5. Dezember 2014 neu eingeführten Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Nach dem zum selben Zeitpunkt neu eingefügten Absatz 6 Satz 4 erhöhen Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Absatz 6 Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Damit hat der Gesetzgeber die Berücksichtigung des Tattagprinzips im hier in Rede stehenden Zusammenhang ausgeschlossen. Dies bestätigen vor allem die Gesetzesmaterialien (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur, BT-Drs. 18/2775 vom 08.10.2014). In ausdrücklicher Abgrenzung zu den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 25.9.2008 (- 3 C 3/07 - a.a.O.) wird ausgeführt (S. 9 f.):
14 
„... Mit Absatz 5 Satz 6 Nummer 1 soll verdeutlicht werden, dass Verkehrsverstöße auch dann mit Punkten zu bewerten sind, wenn sie vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden sind, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnten, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen worden oder der Behörde zur Kenntnis gelangt sind ...
15 
Absatz 6 soll mit seiner Ausnahme vom Tattagsprinzip eindeutiger gefasst werden... Zwar gilt für die Punkteentstehung das Tattagprinzip. Für das Ergreifen von Maßnahmen hat das Tattagsprinzip aber keine Relevanz, denn Maßnahmen können erst nach Rechtskraft (und Registrierung) der Entscheidung über die Tat und damit deutlich später an die Tat geknüpft werden. Die Prüfung der Behörde, ob die Maßnahme der vorangehenden Stufe bereits ergriffen worden ist, ist daher vom Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung zu beurteilen und beeinflusst das Entstehen von Punkten nicht. ...
16 
Absatz 6 Satz 4 legt nun fest, dass die Punkte für diese Tat mangels Bekanntheit nicht von der Reduzierung erfasst werden, sondern vielmehr das Ergebnis der Reduzierung nach Absatz 6 Satz 3 erhöhen...“
17 
Es kann dahinstehen, ob die Gesetzesbegründung in jeder Hinsicht überzeugt (kritisch etwa VG Berlin, Beschluss vom 09.02.2015 - 11 L 590.1.4 - juris; VG Regensburg, Urteil vom 18.03.2015 - RO 8 K 15.249 - juris). Gleichwohl hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 und des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG in Verbindung mit den Motiven hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass das Tattagprinzip nur noch eingeschränkt zu Lasten des Betroffenen bei der Punkteberechnung, nicht aber zu seinen Gunsten bei der Anwendung der Bonusregelung Anwendung finden und die Warn- und Erziehungsfunktion in bestimmten Konstellationen der Verwaltungspraktikabilität weichen soll.
18 
Entgegen der Auffassung der Beschwerde dürften hiergegen nach vorläufiger Einschätzung des Senats keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (ebenso BayVGH, Beschluss vom 08.06.2015 - 11 CS 15.718 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 27.04.2015 a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.06.2015 - OVG 1 S 90.14 - juris).
19 
Zwar könnte sich die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) der neu eingeführten Vorschriften stellen, wenn man die zum 5. Dezember 2014 erfolgte Gesetzesänderung nicht - wie in der Gesetzesbegründung - als Klarstellung, sondern als Gesetzesänderung ansähe. Denn die Tat des Antragstellers, die letztlich zu acht Punkten geführt hat, ist bereits am 21 .05.2014 und somit vor Inkrafttreten der Neuregelung begangen worden. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Vertrauensschutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 - BvL 14/02 - juris; BayVGH, Beschluss vom 18.05.2015 - 11 BV 14.2839 -juris). Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Ein rechtlich schutzwürdiger Vertrauenstatbestand ist indes im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Das Vertrauen eines Verkehrsteilnehmers, bis zum Ergehen einer Ermahnung oder Verwarnung weiterhin Verkehrszuwiderhandlungen begehen zu dürfen, ohne die Folgemaßnahmen befürchten zu müssen, ist von vorneherein nicht schutzwürdig.
20 
Entgegen der Auffassung der Beschwerde dürfte auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Willkürverbot vorliegen. In der Beschwerdebegründung wird insoweit darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Konstellation die Fahrerlaubnisentziehung davon abhänge, ob zwei Delikte, mit denen der Betroffene zusammengenommen acht oder mehr Punkte erreiche, der Behörde zufällig gleichzeitig oder zeitnah vor dem Ergehen einer Verwarnung oder - etwa wegen der Einlegung eines Rechtsmittels - nacheinander bekannt würden. Im ersteren Fall greife die Bonusregelung, im letzteren Fall sei die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn aufgrund der zuerst bekannt gewordenen Tat eine Verwarnung erfolgt sei. Es sei gleichheitswidrig und willkürlich, wenn die Fahreignung davon abhänge, ob die Fahrerlaubnisbehörde zufällig früher oder später von einem Delikt erfahre. Hierdurch werde indirekt auch die Einlegung von Rechtsmitteln behindert. Diese Einwände greifen nach vorläufiger Einschätzung nicht durch.
21 
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt; Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.03.2015 - 1 BvR 2880/11 - juris Rn. 38 f. m.w.N.). Im vorliegenden Fall dürfte die von der Beschwerde aufgezeigte Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems und die hiermit bezweckte Verbesserung der Verkehrssicherheit sachlich gerechtfertigt sein. In der Gesetzesbegründung wird insoweit ausgeführt (BT-Drs. 18/2775 S. 10):
22 
„Unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten und für das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, kommt es vielmehr auf die Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems an. Hat der Betroffene sich durch eine entsprechende Anhäufung von Verkehrsverstößen als ungeeignet erwiesen, ist er vom Verkehr auszuschließen. Der Hinweis auf eine in bestimmten Konstellationen ausbleibende Chance, sein Verhalten so zu bessern, dass es zu keinen weiteren Maßnahmen kommt, kann in Abwägung mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kein Argument dafür sein, über bestimmte Verkehrsverstöße hinwegzusehen und sie dadurch bei der Beurteilung der Fahreignung auszublenden. Denn es geht in solchen Fällen teilweise sogar um Konstellationen, in denen in kurzer Zeit wiederholt und schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen wurde, was ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit bedeutet“
23 
Mit der Annahme, dass die im Interesse der Verkehrssicherheit gebotene Effektivität und Praktikabilität des Fahreignungs-Bewertungssystems eine Einschränkung der Warn- und Erziehungsfunktion in bestimmten Fallkonstellationen rechtfertigt, dürfte der Gesetzgeber seinen Gestaltungs- und Wertungsspielraum nicht überschritten haben. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Betroffenen - wie ausgeführt - nicht ohne weiteres schutzwürdig sind. Die vorliegende Konstellation tritt insbesondere dann ein, wenn ein Verkehrsteilnehmer in rascher Abfolge mit Punkten bewehrte Verkehrsverstöße begeht. Darüber hinaus beruhen die verkehrsrechtlichen Sanktionen auf eigenem Fehlverhalten; auch dies dürfte für die gesetzgeberische Wertung zu Gunsten der Erhöhung der Verkehrssicherheit durch administrative Erleichterungen und eine Einschränkung der Bonusregelung sprechen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.04.2015 a.a.O.). Die Gesichtspunkte der gerade bei einer Vielzahl gleichförmiger Verfahren gebotenen Verwaltungspraktikabilität sowie der verminderten Schutzwürdigkeit der Betroffenen lassen es auch hinnehmbar erscheinen, dass das Abstellen auf den Zeitpunkt der Eintragung oder der Kenntniserlangung durch die Behörde unter Umständen von gewissen Zufälligkeiten, etwa bei Einlegung von Rechtsmitteln, abhängen kann. Indes steht die vom Gesetzgeber vorgenommene Ausgestaltung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG n.F. einer transparenten und vorhersehbaren Rechtsanwendung nicht im Wege. Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat die in seinem Beschluss vom 02.03.2015 (a.a.O.) geäußerten Bedenken, dass die Regelung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG n.F. möglicherweise einer berechenbaren Anwendung des Gesetzes und damit den rechtsstaatlichen Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG zur Rechtssicherheit und zur Vorhersehbarkeit staatlichen Verwaltungsvollzugs widerspreche, in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.04.2015 a.a.O.). Wie sich der Gesetzentwurfsbegründung entnehmen lässt, ist die in § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG enthaltene Formulierung „Kenntnis erhält“ an § 48 Abs. 4 VwVfG angelehnt (BT-Drs. 18/2775, S. 10). Dies kann aber nicht zur Folge haben, dass die zur Auslegung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschrift ergangene Rechtsprechung zum Lauf einer Jahresfrist hier ohne weiteres zu übertragen ist (ebenso OVG NRW, Beschluss vom 27.04.2015 - 16 B 226/15 - a.a.O.). Rechtsstaatliche Bedenken könnten gerechtfertigt sein, wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Maßnahmen nicht umgehend nach Kenntniserlangung von dem maßgeblichen Verkehrsverstoß ergreift, sondern die Folgemaßnahme willkürlich ohne zureichenden Grund verzögert. So liegt es hier aber nicht. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Maßnahme umgehend nach Kenntniserlangung von der Eintragung von nunmehr acht Punkten ergriffen. Im Übrigen dürfte sich die Einlegung von Rechtsmitteln je nach den konkreten Umständen des Falles nicht zwangsläufig zu Lasten des Betroffenen auswirken.
24 
Der Senat räumt nach alledem mit dem Verwaltungsgericht dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung den Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers ein, einstweilen am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Da sich die angeordnete Maßnahme nach dem oben Gesagten bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen dürfte, besteht kein Raum, entgegen der vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 9 StVG n.F. vorgenommenen Bewertung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Der Senat verkennt nicht die erheblichen Auswirkungen, die die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Vorbringen der Beschwerde auf die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers hat. Er muss sich aber entgegenhalten lassen, dass er kontinuierlich Zuwiderhandlungen begeht, die der Verordnungsgeber als besonders verkehrssicherheitsgefährdend einstuft. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ließ er sich auch durch Verwarnungen und die Teilnahme an einem. Aufbauseminar nicht davon abhalten, alsbald wieder erhebliche Verkehrsverstöße zu begehen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde sind die zahlreichen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und die Rotlichtverstöße ebenso wenig als geringfügig zu bewerten wie der Vorfahrtsverstoß vom 21.05.2014, bei dem ein Motorradfahrer nicht unerheblich verletzt wurde. Die mit dieser Entscheidung für den Antragsteller verbundenen Nachteile in Bezug auf seine private Lebensführung und seine Berufstätigkeit als selbständiger Unternehmer müssen von ihm im überwiegenden öffentlichen Interesse an der Verkehrssicherheit und im Hinblick auf das Gewicht der durch ihn gefährdeten hochrangigen Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer hingenommen werden.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
26 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nr. 1.5 und Nr. 46.1, Nr. 46.3 und Nr. 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage VBIBW vom Januar 2014). Der Antragsteller war im Besitz der alten Fahrerlaubnisklassen 1 und 3, für die er im Jahr 2007 einen Ersatzführerschein für die neuen Fahrerlaubnisklassen Al, A, B, BE, CIE, L, M und S erhielt. Davon haben die Fahrerlaubnisklassen A, BE und CIE eigenständige Bedeutung. Danach ergibt sich für das Hauptsacheverfahren ein Streitwert in Höhe von 15.000,-- EUR, der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren ist.
27 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.


Gründe:

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

(1) Das Kraftfahrt-Bundesamt führt das Fahreignungsregister nach den Vorschriften dieses Abschnitts.

(2) Das Fahreignungsregister wird geführt zur Speicherung von Daten, die erforderlich sind

1.
für die Beurteilung der Eignung und der Befähigung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen oder zum Begleiten eines Kraftfahrzeugführers entsprechend einer nach § 6e Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung,
2.
für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen,
3.
für die Ahndung der Verstöße von Personen, die wiederholt Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, begehen oder
4.
für die Beurteilung von Personen im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung der ihnen durch Gesetz, Satzung oder Vertrag übertragenen Verantwortung für die Einhaltung der zur Sicherheit im Straßenverkehr bestehenden Vorschriften.

(3) Im Fahreignungsregister werden Daten gespeichert über

1.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte wegen einer Straftat, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist, soweit sie auf Strafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennen oder einen Schuldspruch enthalten,
2.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte, die die Entziehung der Fahrerlaubnis, eine isolierte Sperre oder ein Fahrverbot anordnen, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, sowie Entscheidungen der Strafgerichte, die die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen,
3.
rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit
a)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist und gegen die betroffene Person
aa)
ein Fahrverbot nach § 25 angeordnet worden ist oder
bb)
eine Geldbuße von mindestens sechzig Euro festgesetzt worden ist und § 28a nichts anderes bestimmt,
b)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit kein Fall des Buchstaben a vorliegt und ein Fahrverbot angeordnet worden ist,
c)
nach § 10 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist,
4.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen,
5.
unanfechtbare Versagungen einer Fahrerlaubnis,
6.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare
a)
Entziehungen, Widerrufe oder Rücknahmen einer Fahrerlaubnis,
b)
Feststellungen über die fehlende Berechtigung, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen,
7.
Verzichte auf die Fahrerlaubnis,
8.
unanfechtbare Ablehnungen eines Antrags auf Verlängerung der Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis,
9.
die Beschlagnahme, Sicherstellung oder Verwahrung von Führerscheinen nach § 94 der Strafprozessordnung,
10.
(weggefallen)
11.
Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2,
12.
die Teilnahme an einem Aufbauseminar, an einem besonderen Aufbauseminar und an einer verkehrspsychologischen Beratung, soweit dies für die Anwendung der Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe (§ 2a) erforderlich ist,
13.
die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, soweit dies für die Anwendung der Regelungen des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4) erforderlich ist,
14.
Entscheidungen oder Änderungen, die sich auf eine der in den Nummern 1 bis 13 genannten Eintragungen beziehen.

(4) Die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden teilen dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die nach Absatz 3 zu speichernden oder zu einer Änderung oder Löschung einer Eintragung führenden Daten mit. Die Datenübermittlung nach Satz 1 kann auch im Wege der Datenfernübertragung durch Direkteinstellung unter Beachtung des § 30a Absatz 2 bis 4 erfolgen.

(5) Bei Zweifeln an der Identität einer eingetragenen Person mit der Person, auf die sich eine Mitteilung nach Absatz 4 bezieht, dürfen die Datenbestände des Zentralen Fahrerlaubnisregisters und des Zentralen Fahrzeugregisters zur Identifizierung dieser Personen verwendet werden. Ist die Feststellung der Identität der betreffenden Personen auf diese Weise nicht möglich, dürfen die auf Anfrage aus den Melderegistern übermittelten Daten zur Behebung der Zweifel verwendet werden. Die Zulässigkeit der Übermittlung durch die Meldebehörden richtet sich nach den Meldegesetzen der Länder. Können die Zweifel an der Identität der betreffenden Personen nicht ausgeräumt werden, werden die Eintragungen über beide Personen mit einem Hinweis auf die Zweifel an deren Identität versehen.

(6) Die regelmäßige Verwendung der auf Grund des § 50 Abs. 1 im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten ist zulässig, um Fehler und Abweichungen bei den Personendaten sowie den Daten über Fahrerlaubnisse und Führerscheine der betreffenden Person im Fahreignungsregister festzustellen und zu beseitigen und um das Fahreignungsregister zu vervollständigen.

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz

1.
von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder
2.
zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter
dienen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.

(2) Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:

1.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten,
2.
Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und
3.
verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt.
Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.

(3) Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Punkte werden gelöscht. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn

1.
die Fahrerlaubnis entzogen,
2.
eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder
3.
auf die Fahrerlaubnis verzichtet
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1.
Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3,
2.
Verlängerung einer Fahrerlaubnis,
3.
Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis,
4.
Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder
5.
vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis.

(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.

(5) Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:

1.
Ergeben sich vier oder fünf Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu ermahnen;
2.
ergeben sich sechs oder sieben Punkte, ist der Inhaber einer Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich zu verwarnen;
3.
ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen.
Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
1.
unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind,
2.
nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in Satz 5 genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.

(6) Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1.
Ermahnung auf fünf Punkte,
2.
Verwarnung auf sieben Punkte,
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

(8) Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach

1.
§ 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder
3.
den §§ 24a oder 24c
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.

(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(10) Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 10. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.


Gründe:

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

(1) Registerauskünfte, Führungszeugnisse, Gutachten und Gesundheitszeugnisse, die sich am 1. Januar 1999 bereits in den Akten befinden, brauchen abweichend von § 2 Abs. 9 Satz 2 bis 4 erst dann vernichtet zu werden, wenn sich die Fahrerlaubnisbehörde aus anderem Anlass mit dem Vorgang befasst. Eine Überprüfung der Akten muss jedoch spätestens bis zum 1. Januar 2014 durchgeführt werden. Anstelle einer Vernichtung der Unterlagen sind die darin enthaltenen Daten zu sperren, wenn die Vernichtung wegen der besonderen Art der Führung der Akten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

(2) Ein örtliches Fahrerlaubnisregister (§ 48 Abs. 1) darf nicht mehr geführt werden, sobald

1.
sein Datenbestand mit den in § 50 Abs. 1 genannten Daten in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommen worden ist,
2.
die getroffenen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 und § 4 Absatz 5 in das Fahreignungsregister übernommen worden sind und
3.
der Fahrerlaubnisbehörde die Daten, die ihr nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 und § 52 Abs. 1 Nr. 3 aus den zentralen Registern mitgeteilt werden dürfen, durch Abruf im automatisierten Verfahren mitgeteilt werden können.
Die Fahrerlaubnisbehörden löschen aus ihrem örtlichen Fahrerlaubnisregister spätestens bis zum 31. Dezember 2014 die im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten, nachdem sie sich von der Vollständigkeit und Richtigkeit der in das Zentrale Fahrerlaubnisregister übernommenen Einträge überzeugt haben. Die noch nicht im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten der Fahrerlaubnisbehörden werden bis zur jeweiligen Übernahme im örtlichen Register gespeichert. Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 werden erst dann im Fahreignungsregister gespeichert, wenn eine Speicherung im örtlichen Fahrerlaubnisregister nicht mehr vorgenommen wird.

(2a) Absatz 2 ist nicht auf die Daten anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1999 in örtlichen Fahrerlaubnisregistern gespeichert worden sind.

(3) Die Regelungen über das Verkehrszentralregister und das Punktsystem werden in die Regelungen über das Fahreignungsregister und das Fahreignungs-Bewertungssystem nach folgenden Maßgaben überführt:

1.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wären, werden am 1. Mai 2014 gelöscht. Für die Feststellung nach Satz 1, ob eine Entscheidung nach § 28 Absatz 3 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung nicht mehr zu speichern wäre, bleibt die Höhe der festgesetzten Geldbuße außer Betracht.
2.
Entscheidungen, die nach § 28 Absatz 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden und nicht von Nummer 1 erfasst sind, werden bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung getilgt und gelöscht. Dabei kann eine Ablaufhemmung nach § 29 Absatz 6 Satz 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung nicht durch Entscheidungen, die erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, ausgelöst werden. Für Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 24a gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass sie spätestens fünf Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung getilgt werden. Ab dem 1. Mai 2019 gilt
a)
für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Absatz 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Tilgungsfrist angerechnet wird,
b)
für die Löschung § 29 Absatz 6 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung.
3.
Auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden, sind dieses Gesetz und die auf Grund des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe s in der bis zum 27. Juli 2021 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung anzuwenden. Dabei sind § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb und § 28a in der ab dem 1. Mai 2014 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass jeweils anstelle der dortigen Grenze von sechzig Euro die Grenze von vierzig Euro gilt.
4.
Personen, zu denen bis zum Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister eine oder mehrere Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung gespeichert worden sind, sind wie folgt in das Fahreignungs-Bewertungssystem einzuordnen:
Punktestand
vor dem
1. Mai 2014
Fahreignungs-Bewertungssystem ab dem 1. Mai 2014
PunktestandStufe
1 –  31Vormerkung
(§ 4 Absatz 4)
4 –  52
6 –  73
8 – 1041: Ermahnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1)
11 – 135
14 – 1562: Verwarnung
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2)
16 – 177
> = 1883: Entzug
(§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3)
Die am 1. Mai 2014 erreichte Stufe wird für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt. Die Einordnung nach Satz 1 führt allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem.
5.
Die Regelungen über Punkteabzüge und Aufbauseminare werden wie folgt überführt:
a)
Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung sind vorzunehmen, wenn die Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung bis zum Ablauf des 30. April 2014 der nach Landesrecht zuständigen Behörde vorgelegt worden ist. Punkteabzüge nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung bleiben bis zur Tilgung der letzten Eintragung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, längstens aber zehn Jahre ab dem 1. Mai 2014 im Fahreignungsregister gespeichert.
b)
Bei der Berechnung der Fünfjahresfrist nach § 4 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind auch Punkteabzüge zu berücksichtigen, die nach § 4 Absatz 4 Satz 1 und 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung vorgenommen worden sind.
c)
Aufbauseminare, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 nicht abgeschlossen worden sind, sind bis zum Ablauf des 30. November 2014 nach dem bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Recht durchzuführen.
d)
Abweichend von Buchstabe c kann anstelle von Aufbauseminaren, die bis zum Ablauf des 30. April 2014 nach § 4 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung angeordnet, aber bis zum Ablauf des 30. April 2014 noch nicht begonnen worden sind, die verkehrspädagogische Teilmaßnahme des Fahreignungsseminars absolviert werden.
e)
Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung mitzuteilen.
6.
Nachträgliche Veränderungen des Punktestandes nach den Nummern 2 oder 5 führen zu einer Aktualisierung der nach der Tabelle zu Nummer 4 erreichten Stufe im Fahreignungs-Bewertungssystem.
7.
Sofern eine Fahrerlaubnis nach § 4 Absatz 7 in der bis zum 30. April 2014 anwendbaren Fassung entzogen worden ist, ist § 4 Absatz 3 Satz 1 bis 3 auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nicht anwendbar.

(4) (weggefallen)

(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 6f Absatz 2, längstens bis zum Ablauf des 31. Juli 2018, gelten die in den Gebührennummern 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 15. September 2015 (BGBl. I S. 1573) geändert worden ist, in der am 6. Dezember 2016 geltenden Fassung festgesetzten Gebühren als Entgelte im Sinne des § 6f Absatz 1. Die Gebührennummern 403 und 451 bis 455 der Anlage der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sind nicht mehr anzuwenden.

(6) Die durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1653) geänderten Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes sind nicht anzuwenden, sofern der Unfall vor dem 17. Juli 2020 eingetreten ist.

(7) Ordnungswidrigkeiten nach § 23 in der bis zum Ablauf des 27. Juli 2021 geltenden Fassung können abweichend von § 4 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden.

(1) Die im Register gespeicherten Eintragungen werden nach Ablauf der in Satz 2 bestimmten Fristen getilgt. Die Tilgungsfristen betragen

1.
zwei Jahre und sechs Monatebei Entscheidungen über eine Ordnungswidrigkeit,
a)
die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b als verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeit mit einem Punkt bewertet ist oder
b)
soweit weder ein Fall des Buchstaben a noch der Nummer 2 Buchstabe b vorliegt und in der Entscheidung ein Fahrverbot angeordnet worden ist,
2.
fünf Jahre
a)
bei Entscheidungen über eine Straftat, vorbehaltlich der Nummer 3 Buchstabe a,
b)
bei Entscheidungen über eine Ordnungswidrigkeit, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b als besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeit mit zwei Punkten bewertet ist,
c)
bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen,
d)
bei Mitteilungen über die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, einem Aufbauseminar, einem besonderen Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung,
3.
zehn Jahre
a)
bei Entscheidungen über eine Straftat, in denen die Fahrerlaubnis entzogen oder eine isolierte Sperre angeordnet worden ist,
b)
bei Entscheidungen über Maßnahmen oder Verzichte nach § 28 Absatz 3 Nummer 5 bis 8.
Eintragungen über Maßnahmen der nach Landesrecht zuständigen Behörde nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 werden getilgt, wenn dem Inhaber einer Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnis entzogen wird. Sonst erfolgt eine Tilgung bei den Maßnahmen nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 ein Jahr nach Ablauf der Probezeit und bei Maßnahmen nach § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 dann, wenn die letzte Eintragung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit getilgt ist.Verkürzungen der Tilgungsfristen nach Absatz 1 können durch Rechtsverordnung gemäß § 30c Abs. 1 Nr. 2 zugelassen werden, wenn die eingetragene Entscheidung auf körperlichen oder geistigen Mängeln oder fehlender Befähigung beruht.

(2) Die Tilgungsfristen gelten nicht, wenn die Erteilung einer Fahrerlaubnis oder die Erteilung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis wieder Gebrauch zu machen, für immer untersagt ist.

(3) Ohne Rücksicht auf den Lauf der Fristen nach Absatz 1 und das Tilgungsverbot nach Absatz 2 werden getilgt

1.
Eintragungen über Entscheidungen, wenn ihre Tilgung im Bundeszentralregister angeordnet oder wenn die Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren oder nach den §§ 86, 102 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten rechtskräftig aufgehoben wird,
2.
Eintragungen, die in das Bundeszentralregister nicht aufzunehmen sind, wenn ihre Tilgung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde angeordnet wird, wobei die Anordnung nur ergehen darf, wenn dies zur Vermeidung ungerechtfertigter Härten erforderlich ist und öffentliche Interessen nicht gefährdet werden,
3.
Eintragungen, bei denen die zugrundeliegende Entscheidung aufgehoben wird oder bei denen nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 30c Abs. 1 Nr. 2 eine Änderung der zugrundeliegenden Entscheidung Anlass gibt,
4.
sämtliche Eintragungen, wenn eine amtliche Mitteilung über den Tod der betroffenen Person eingeht.

(4) Die Tilgungsfrist (Absatz 1) beginnt

1.
bei strafgerichtlichen Verurteilungen und bei Strafbefehlen mit dem Tag der Rechtskraft, wobei dieser Tag auch dann maßgebend bleibt, wenn eine Gesamtstrafe oder eine einheitliche Jugendstrafe gebildet oder nach § 30 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes auf Jugendstrafe erkannt wird oder eine Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren ergeht, die eine registerpflichtige Verurteilung enthält,
2.
bei Entscheidungen der Gerichte nach den §§ 59, 60 des Strafgesetzbuchs und § 27 des Jugendgerichtsgesetzes mit dem Tag der Rechtskraft,
3.
bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen sowie bei anderen Verwaltungsentscheidungen mit dem Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung,
4.
bei Aufbauseminaren nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, verkehrspsychologischen Beratungen nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Fahreignungsseminaren nach § 4 Absatz 7 mit dem Tag der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung.

(5) Bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung, der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs oder bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis beginnt die Tilgungsfrist erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der Rechtskraft der beschwerenden Entscheidung oder dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde. Bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, beginnt die Tilgungsfrist fünf Jahre nach Ablauf oder Aufhebung des Verbots oder der Beschränkung.

(6) Nach Eintritt der Tilgungsreife wird eine Eintragung vorbehaltlich der Sätze 2 und 4 gelöscht. Eine Eintragung nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c wird nach Eintritt der Tilgungsreife erst nach einer Überliegefrist von einem Jahr gelöscht. Während dieser Überliegefrist darf der Inhalt dieser Eintragung nur noch zu folgenden Zwecken übermittelt, verwendet oder über ihn eine Auskunft erteilt werden:

1.
zur Übermittlung an die nach Landesrecht zuständige Behörde zur dortigen Verwendung zur Anordnung von Maßnahmen im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe nach § 2a,
2.
zur Übermittlung an die nach Landesrecht zuständige Behörde zur dortigen Verwendung zum Ergreifen von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5,
3.
zur Auskunftserteilung an die betroffene Person nach § 30 Absatz 8,
4.
zur Verwendung für die Durchführung anderer als der in den Nummern 1 oder 2 genannten Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis, wenn die Tat als Grundlage in einer noch gespeicherten Maßnahme nach § 28 Absatz 3 Nummer 5, 6 oder 8 genannt ist.
Die Löschung einer Eintragung nach § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a oder c unterbleibt in jedem Fall so lange, wie die betroffene Person im Zentralen Fahrerlaubnisregister als Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe gespeichert ist; während dieser Zeit gilt Satz 3 Nummer 1, 3 und 4 nach Ablauf der Überliegefrist entsprechend.

(7) Ist eine Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht, dürfen die Tat und die Entscheidung der betroffenen Person für die Zwecke des § 28 Absatz 2 nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden. Abweichend von Satz 1 darf eine Tat und die hierauf bezogene Entscheidung trotz ihrer Löschung aus dem Fahreignungsregister für die Durchführung anderer als der in Absatz 6 Satz 3 Nummer 4 genannten Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis verwendet werden, solange die Tat als Grundlage in einer noch gespeicherten Maßnahme nach § 28 Absatz 3 Nummer 5, 6 oder 8 genannt ist. Unterliegt eine Eintragung im Fahreignungsregister über eine gerichtliche Entscheidung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Buchstabe a einer zehnjährigen Tilgungsfrist, darf sie nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist nach den vorstehenden Vorschriften entspricht, nur noch für folgende Zwecke an die nach Landesrecht zuständige Behörde übermittelt und dort verwendet werden:

1.
zur Durchführung von Verfahren, die eine Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand haben,
2.
zum Ergreifen von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5.
Außerdem dürfen für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen Entscheidungen der Gerichte nach den §§ 69 bis 69b des Strafgesetzbuches an die nach Landesrecht zuständige Behörde übermittelt und dort verwendet werden. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Eintragungen wegen strafgerichtlicher Entscheidungen, die für die Ahndung von Straftaten herangezogen werden. Insoweit gelten die Regelungen des Bundeszentralregistergesetzes.

(1) Das Kraftfahrt-Bundesamt führt das Fahreignungsregister nach den Vorschriften dieses Abschnitts.

(2) Das Fahreignungsregister wird geführt zur Speicherung von Daten, die erforderlich sind

1.
für die Beurteilung der Eignung und der Befähigung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen oder zum Begleiten eines Kraftfahrzeugführers entsprechend einer nach § 6e Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung,
2.
für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen,
3.
für die Ahndung der Verstöße von Personen, die wiederholt Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, begehen oder
4.
für die Beurteilung von Personen im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung der ihnen durch Gesetz, Satzung oder Vertrag übertragenen Verantwortung für die Einhaltung der zur Sicherheit im Straßenverkehr bestehenden Vorschriften.

(3) Im Fahreignungsregister werden Daten gespeichert über

1.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte wegen einer Straftat, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist, soweit sie auf Strafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt erkennen oder einen Schuldspruch enthalten,
2.
rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte, die die Entziehung der Fahrerlaubnis, eine isolierte Sperre oder ein Fahrverbot anordnen, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, sowie Entscheidungen der Strafgerichte, die die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen,
3.
rechtskräftige Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit
a)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist und gegen die betroffene Person
aa)
ein Fahrverbot nach § 25 angeordnet worden ist oder
bb)
eine Geldbuße von mindestens sechzig Euro festgesetzt worden ist und § 28a nichts anderes bestimmt,
b)
nach den § 24 Absatz 1, § 24a oder § 24c, soweit kein Fall des Buchstaben a vorliegt und ein Fahrverbot angeordnet worden ist,
c)
nach § 10 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, soweit sie in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichnet ist,
4.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen,
5.
unanfechtbare Versagungen einer Fahrerlaubnis,
6.
unanfechtbare oder sofort vollziehbare
a)
Entziehungen, Widerrufe oder Rücknahmen einer Fahrerlaubnis,
b)
Feststellungen über die fehlende Berechtigung, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen,
7.
Verzichte auf die Fahrerlaubnis,
8.
unanfechtbare Ablehnungen eines Antrags auf Verlängerung der Geltungsdauer einer Fahrerlaubnis,
9.
die Beschlagnahme, Sicherstellung oder Verwahrung von Führerscheinen nach § 94 der Strafprozessordnung,
10.
(weggefallen)
11.
Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 und 2,
12.
die Teilnahme an einem Aufbauseminar, an einem besonderen Aufbauseminar und an einer verkehrspsychologischen Beratung, soweit dies für die Anwendung der Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe (§ 2a) erforderlich ist,
13.
die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, soweit dies für die Anwendung der Regelungen des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4) erforderlich ist,
14.
Entscheidungen oder Änderungen, die sich auf eine der in den Nummern 1 bis 13 genannten Eintragungen beziehen.

(4) Die Gerichte, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden teilen dem Kraftfahrt-Bundesamt unverzüglich die nach Absatz 3 zu speichernden oder zu einer Änderung oder Löschung einer Eintragung führenden Daten mit. Die Datenübermittlung nach Satz 1 kann auch im Wege der Datenfernübertragung durch Direkteinstellung unter Beachtung des § 30a Absatz 2 bis 4 erfolgen.

(5) Bei Zweifeln an der Identität einer eingetragenen Person mit der Person, auf die sich eine Mitteilung nach Absatz 4 bezieht, dürfen die Datenbestände des Zentralen Fahrerlaubnisregisters und des Zentralen Fahrzeugregisters zur Identifizierung dieser Personen verwendet werden. Ist die Feststellung der Identität der betreffenden Personen auf diese Weise nicht möglich, dürfen die auf Anfrage aus den Melderegistern übermittelten Daten zur Behebung der Zweifel verwendet werden. Die Zulässigkeit der Übermittlung durch die Meldebehörden richtet sich nach den Meldegesetzen der Länder. Können die Zweifel an der Identität der betreffenden Personen nicht ausgeräumt werden, werden die Eintragungen über beide Personen mit einem Hinweis auf die Zweifel an deren Identität versehen.

(6) Die regelmäßige Verwendung der auf Grund des § 50 Abs. 1 im Zentralen Fahrerlaubnisregister gespeicherten Daten ist zulässig, um Fehler und Abweichungen bei den Personendaten sowie den Daten über Fahrerlaubnisse und Führerscheine der betreffenden Person im Fahreignungsregister festzustellen und zu beseitigen und um das Fahreignungsregister zu vervollständigen.

(1) Die im Register gespeicherten Eintragungen werden nach Ablauf der in Satz 2 bestimmten Fristen getilgt. Die Tilgungsfristen betragen

1.
zwei Jahre und sechs Monatebei Entscheidungen über eine Ordnungswidrigkeit,
a)
die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b als verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeit mit einem Punkt bewertet ist oder
b)
soweit weder ein Fall des Buchstaben a noch der Nummer 2 Buchstabe b vorliegt und in der Entscheidung ein Fahrverbot angeordnet worden ist,
2.
fünf Jahre
a)
bei Entscheidungen über eine Straftat, vorbehaltlich der Nummer 3 Buchstabe a,
b)
bei Entscheidungen über eine Ordnungswidrigkeit, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b als besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeit mit zwei Punkten bewertet ist,
c)
bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen,
d)
bei Mitteilungen über die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, einem Aufbauseminar, einem besonderen Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung,
3.
zehn Jahre
a)
bei Entscheidungen über eine Straftat, in denen die Fahrerlaubnis entzogen oder eine isolierte Sperre angeordnet worden ist,
b)
bei Entscheidungen über Maßnahmen oder Verzichte nach § 28 Absatz 3 Nummer 5 bis 8.
Eintragungen über Maßnahmen der nach Landesrecht zuständigen Behörde nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 und § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 werden getilgt, wenn dem Inhaber einer Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnis entzogen wird. Sonst erfolgt eine Tilgung bei den Maßnahmen nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 ein Jahr nach Ablauf der Probezeit und bei Maßnahmen nach § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 dann, wenn die letzte Eintragung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit getilgt ist.Verkürzungen der Tilgungsfristen nach Absatz 1 können durch Rechtsverordnung gemäß § 30c Abs. 1 Nr. 2 zugelassen werden, wenn die eingetragene Entscheidung auf körperlichen oder geistigen Mängeln oder fehlender Befähigung beruht.

(2) Die Tilgungsfristen gelten nicht, wenn die Erteilung einer Fahrerlaubnis oder die Erteilung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis wieder Gebrauch zu machen, für immer untersagt ist.

(3) Ohne Rücksicht auf den Lauf der Fristen nach Absatz 1 und das Tilgungsverbot nach Absatz 2 werden getilgt

1.
Eintragungen über Entscheidungen, wenn ihre Tilgung im Bundeszentralregister angeordnet oder wenn die Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren oder nach den §§ 86, 102 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten rechtskräftig aufgehoben wird,
2.
Eintragungen, die in das Bundeszentralregister nicht aufzunehmen sind, wenn ihre Tilgung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde angeordnet wird, wobei die Anordnung nur ergehen darf, wenn dies zur Vermeidung ungerechtfertigter Härten erforderlich ist und öffentliche Interessen nicht gefährdet werden,
3.
Eintragungen, bei denen die zugrundeliegende Entscheidung aufgehoben wird oder bei denen nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 30c Abs. 1 Nr. 2 eine Änderung der zugrundeliegenden Entscheidung Anlass gibt,
4.
sämtliche Eintragungen, wenn eine amtliche Mitteilung über den Tod der betroffenen Person eingeht.

(4) Die Tilgungsfrist (Absatz 1) beginnt

1.
bei strafgerichtlichen Verurteilungen und bei Strafbefehlen mit dem Tag der Rechtskraft, wobei dieser Tag auch dann maßgebend bleibt, wenn eine Gesamtstrafe oder eine einheitliche Jugendstrafe gebildet oder nach § 30 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes auf Jugendstrafe erkannt wird oder eine Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren ergeht, die eine registerpflichtige Verurteilung enthält,
2.
bei Entscheidungen der Gerichte nach den §§ 59, 60 des Strafgesetzbuchs und § 27 des Jugendgerichtsgesetzes mit dem Tag der Rechtskraft,
3.
bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen sowie bei anderen Verwaltungsentscheidungen mit dem Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung,
4.
bei Aufbauseminaren nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, verkehrspsychologischen Beratungen nach § 2a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Fahreignungsseminaren nach § 4 Absatz 7 mit dem Tag der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung.

(5) Bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung, der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs oder bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis beginnt die Tilgungsfrist erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der Rechtskraft der beschwerenden Entscheidung oder dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde. Bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, beginnt die Tilgungsfrist fünf Jahre nach Ablauf oder Aufhebung des Verbots oder der Beschränkung.

(6) Nach Eintritt der Tilgungsreife wird eine Eintragung vorbehaltlich der Sätze 2 und 4 gelöscht. Eine Eintragung nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c wird nach Eintritt der Tilgungsreife erst nach einer Überliegefrist von einem Jahr gelöscht. Während dieser Überliegefrist darf der Inhalt dieser Eintragung nur noch zu folgenden Zwecken übermittelt, verwendet oder über ihn eine Auskunft erteilt werden:

1.
zur Übermittlung an die nach Landesrecht zuständige Behörde zur dortigen Verwendung zur Anordnung von Maßnahmen im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe nach § 2a,
2.
zur Übermittlung an die nach Landesrecht zuständige Behörde zur dortigen Verwendung zum Ergreifen von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5,
3.
zur Auskunftserteilung an die betroffene Person nach § 30 Absatz 8,
4.
zur Verwendung für die Durchführung anderer als der in den Nummern 1 oder 2 genannten Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis, wenn die Tat als Grundlage in einer noch gespeicherten Maßnahme nach § 28 Absatz 3 Nummer 5, 6 oder 8 genannt ist.
Die Löschung einer Eintragung nach § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a oder c unterbleibt in jedem Fall so lange, wie die betroffene Person im Zentralen Fahrerlaubnisregister als Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe gespeichert ist; während dieser Zeit gilt Satz 3 Nummer 1, 3 und 4 nach Ablauf der Überliegefrist entsprechend.

(7) Ist eine Eintragung im Fahreignungsregister gelöscht, dürfen die Tat und die Entscheidung der betroffenen Person für die Zwecke des § 28 Absatz 2 nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden. Abweichend von Satz 1 darf eine Tat und die hierauf bezogene Entscheidung trotz ihrer Löschung aus dem Fahreignungsregister für die Durchführung anderer als der in Absatz 6 Satz 3 Nummer 4 genannten Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis verwendet werden, solange die Tat als Grundlage in einer noch gespeicherten Maßnahme nach § 28 Absatz 3 Nummer 5, 6 oder 8 genannt ist. Unterliegt eine Eintragung im Fahreignungsregister über eine gerichtliche Entscheidung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Buchstabe a einer zehnjährigen Tilgungsfrist, darf sie nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist nach den vorstehenden Vorschriften entspricht, nur noch für folgende Zwecke an die nach Landesrecht zuständige Behörde übermittelt und dort verwendet werden:

1.
zur Durchführung von Verfahren, die eine Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand haben,
2.
zum Ergreifen von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5.
Außerdem dürfen für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen Entscheidungen der Gerichte nach den §§ 69 bis 69b des Strafgesetzbuches an die nach Landesrecht zuständige Behörde übermittelt und dort verwendet werden. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Eintragungen wegen strafgerichtlicher Entscheidungen, die für die Ahndung von Straftaten herangezogen werden. Insoweit gelten die Regelungen des Bundeszentralregistergesetzes.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Unter Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für beide Instanzen auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, BE und L.

Mit Strafbefehl vom 27. August 2001 verhängte das Amtsgericht Schwandorf wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gegen ihn eine Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis und setzte eine Sperre für die Wiedererteilung von 10 Monaten fest. Dem lag zugrunde, dass der Kläger am 10. Juli 2001 mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,73 ‰ mit einem Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hatte.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2009 lehnte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Schwandorf einen Antrag des Klägers auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ab, da das angeforderte Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht vorgelegt worden sei. Zugleich stellte die Fahrerlaubnisbehörde fest, der Kläger dürfe von seiner am 26. Januar 2005 erteilten tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland keinen Gebrauch machen. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 25. Februar 2010 (RO 5 K 09.1122) abgewiesen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. Februar 2011 ab (11 ZB 10.1197 - juris).

Am 13. Februar 2013 beantragte der Kläger erneut die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse BE. Mit Schreiben vom 6. März 2015 forderte die Fahrerlaubnisbehörde ihn auf, bis 28. Mai 2015 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Es sei zu klären, ob zu erwarten sei, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der beantragten Klassen(n) in Frage stellten. Die Anordnung stütze sich auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV.

Mit Schreiben vom 12. März 2015 teilte der Kläger mit, er werde kein Gutachten beibringen. Mit Bescheid vom 18. März 2015 lehnte die Fahrerlaubnisbehörde daraufhin die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, BE und L ab (Nr. 1 des Bescheids). Die Trunkenheitsfahrt vom 10. Juli 2001 sei noch im Fahreignungsregister eingetragen und werde erst zum 1. Mai 2019 getilgt. Es sei daher zwingend ein Gutachten nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV beizubringen. Nachdem dies nicht geschehen sei, müsse nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers geschlossen werden.

Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 26. Juni 2015 abgewiesen. Zwar liege der maßgebliche Entzug der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht nun schon über 14 Jahre zurück, der Sachverhalt sei aber noch verwertbar, da die Tat noch im Fahreignungsregister eingetragen sei. Daneben sei kein Raum für eine einzelfallbezogene Prüfung, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründeten. Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei daher zu Recht angeordnet worden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt. Der Kläger macht geltend, es müsse die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005, 3 C 25/04, berücksichtigt werden. Danach könne nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden. Die Anforderung eines Gutachtens über 14 Jahre nach der Tat sei nicht verhältnismäßig. Die normale Tilgungsfrist im Fahreignungsregister betrage bei Straftaten zehn Jahre. Dass innerhalb von fünf Jahren nach der Entziehung der Fahrerlaubnis keine neue Fahrerlaubnis beantragt worden sei, habe keine Aussagekraft hinsichtlich der Fahrungeeignetheit. Das Hinausschieben der Tilgungsfristen diene gemäß dem Gesetzentwurf vom 30. Mai 2014 (Drs. 229/14) nur dazu, den Fahrerlaubnisbehörden zusätzliche Informationen aus dem Fahrerlaubnisregister zur Verfügung zu stellen. Der Kläger habe aber auch in Tschechien im Jahr 2005 eine Fahrerlaubnis erworben. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft sei er damit in Deutschland gefahren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Aus der Antragsbegründung, auf die sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die sinngemäß geltend gemacht werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen dann, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B.v. 16.7.2013 - 1 BvR 3057.11 - BVerfGE 134, 106/118).

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2014 (BGBl S. 2213), gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht die Vorschriften für die Ersterteilung. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 2015 (BGBl S. 904), ist die Fahrerlaubnis zu erteilen, wenn ein Bewerber geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist und die übrigen in § 3 Abs. 2 StVG genannten Voraussetzungen erfüllt. Geeignet ist nach § 2 Abs. 4 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder Befähigung des Bewerbers begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung von Gutachten anordnen (§ 2 Abs. 8 StVG). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005, 3 C 21/04 (NJW 2005, 3440), angenommen, dass die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV rechtmäßig war, da die Trunkenheitsfahrt vom 10. Juli 2001 noch im Fahreignungsregister eingetragen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Taten verwertbar sind und dem Betreffenden vorgehalten werden können, solange sie im Fahreignungsregister noch nicht getilgt sind (BayVGH, B.v. 12.8.2015 - 11 CS 15.1499 - juris; B.v. 31.10.2014 - 11 CS 14.1627 - juris; B.v. 6.5.2008 - 11 CS 08.551 - juris).

Soweit der Kläger ausführt, es müsse die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005, 3 C 25/04 (NJW 2005, 3081), Berücksichtigung finden, verhilft dies seinem Antrag nicht zum Erfolg. Dort wurde um die Frage gestritten, wie lange ein Betäubungsmittelmissbrauch einem Fahrerlaubnisinhaber entgegengehalten werden kann, ohne dass eine Eintragung im damaligen Verkehrszentralregister bestand. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn die Tat vom 1. Juli 2001 ist noch im Fahreignungsregister eingetragen.

Die Eintragung ist auch noch nicht tilgungsreif, denn sie unterliegt nach der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG bis30. April 2019 weiterhin den Tilgungsvorschriften der Bestimmungen des § 29 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung (StVG a. F.). Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG a. F. betragen die Tilgungsfristen bei Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis zehn Jahre. Die Tilgungsfrist beginnt bei Strafbefehlen gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG a. F. mit dem Tag der Unterzeichnung. Nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a. F. beginnt die Tilgungsfrist bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung, der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) oder bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis aber erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung oder dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde (sog. Anlaufhemmung). Nach der Gesetzesbegründung soll dadurch berücksichtigt werden, dass während der Zeit der Entziehung eine Bewährung durch Teilnahme am Straßenverkehr nicht stattfinden kann. Außerdem soll sichergestellt werden, dass bei erneuter Antragstellung die Behörde Kenntnis der Mängel erhält, die zu den Entscheidungen geführt haben (Dauer in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 29 StVG Rn. 2). Der Gesetzgeber hat auch bei der Rechtsänderung zum 1. Mai 2014 an der Anlaufhemmung festgehalten und diese in § 29 Abs. 5 StVG n. F. beibehalten.

Darüber hinaus ist die Tilgung einer Eintragung nach § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG a. F. im Falle der Eintragung mehrerer Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 9 StVG a. F. regelmäßig erst zulässig, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen (sog. Ablaufhemmung).

Es kommt im vorliegenden Fall daher nicht darauf an, ob die Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a. F. mit Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis am 26. Januar 2005 oder erst nach Ablauf von fünf Jahren nach Erlass des Strafbefehls am 27. August 2001 zu laufen begonnen hat, denn sie ist durch die Eintragung der unanfechtbaren Versagung der Fahrerlaubnis im Jahr 2009 nach § 28 Abs. 3 Nr. 5 StVG a. F. bis 30. April 2019 gehemmt.

Die Ablaufhemmung erscheint auch nicht unverhältnismäßig, obwohl sie seit der Rechtsänderung am 1. Mai 2014 in § 29 StVG n. F. nicht mehr vorgesehen ist. Im Falle der unanfechtbaren Versagung einer Fahrerlaubnis hatte der Fahrerlaubnisbewerber unter Geltung der alten Rechtslage die Möglichkeit, durch Rücknahme seines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Versagung eine Eintragung der Versagung und damit eine Hemmung der Tilgungsfristen der Voreintragungen zu verhindern.

Auch der Hinweis auf die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes mit Gesetz vom 28. November 2014 (BGBl S. 1802) führt zu keiner anderen Beurteilung. Dort wurden Änderungen hinsichtlich des Zentralen Fahrerlaubnisregisters eingeführt, da die örtlichen Fahrerlaubnisregister nach dem 31. Dezember 2014 nicht mehr geführt werden dürfen. Die mit diesem Gesetz geänderten Regelungen hinsichtlich des Fahreignungsregisters haben keinen Zusammenhang mit der vorliegenden Fallgestaltung.

Der Fahrerlaubnisbehörde steht auch kein Ermessen hinsichtlich der Anordnung zu. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zwingend anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr geführt wurde. Auch der Schluss auf die Nichteignung wird nicht im Wege einer Ermessensentscheidung getroffen (BayVGH, U.v. 6.8.2012 - 11 B 12.416 - juris Rn. 22; B.v. 11.5.2012 - 11 CS 12.752 - juris Rn. 24), sondern § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV enthält einen Grundsatz der Beweiswürdigung (vgl. Dauer a. a. O. § 11 FeV Rn. 51).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14). Dabei fällt kein eigener Streitwert für die Fahrerlaubnisklassen AM oder L an, da die Fahrerlaubnis der Klasse B nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV auch zum Führen von Fahrzeugen der Klassen AM und L berechtigt.

Die Befugnis zur Änderung des Streitwertbeschlusses in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

(2) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, schränkt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Bei Inhabern ausländischer Fahrerlaubnisse schränkt die Fahrerlaubnisbehörde das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Die Anlagen 4, 5 und 6 sind zu berücksichtigen.

(3) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.

(4) Die Fahrerlaubnis ist auch zu entziehen, wenn der Inhaber sich als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Rechtfertigen Tatsachen eine solche Annahme, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen. § 11 Absatz 6 bis 8 ist entsprechend anzuwenden.

(5) Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

(6) Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.

(1) Diese Verordnung wird, soweit nicht die obersten Landesbehörden oder die höheren Verwaltungsbehörden zuständig sind oder diese Verordnung etwas anderes bestimmt, von den nach Landesrecht zuständigen unteren Verwaltungsbehörden oder den Behörden, denen durch Landesrecht die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde zugewiesen werden (Fahrerlaubnisbehörden), ausgeführt. Die zuständigen obersten Landesbehörden und die höheren Verwaltungsbehörden können diesen Behörden Weisungen auch für den Einzelfall erteilen.

(2) Örtlich zuständig ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Behörde des Ortes, in dem der Antragsteller oder Betroffene seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung, hat (§ 21 Absatz 2 des Bundesmeldegesetzes, in der jeweils geltenden Fassung), mangels eines solchen die Behörde des Aufenthaltsortes, bei juristischen Personen, Handelsunternehmen oder Behörden die Behörde des Sitzes oder des Ortes der beteiligten Niederlassung oder Dienststelle. Anträge können mit Zustimmung der örtlich zuständigen Behörde von einer gleichgeordneten auswärtigen Behörde behandelt und erledigt werden. Die Verfügungen der Behörde nach Satz 1 und 2 sind im gesamten Inland wirksam, es sei denn, der Geltungsbereich wird durch gesetzliche Regelung oder durch behördliche Verfügung eingeschränkt. Verlangt die Verkehrssicherheit ein sofortiges Eingreifen, kann anstelle der örtlich zuständigen Behörde jede ihr gleichgeordnete Behörde mit derselben Wirkung Maßnahmen auf Grund dieser Verordnung vorläufig treffen.

(3) Hat der Betroffene keinen Wohn- oder Aufenthaltsort im Inland, ist für Maßnahmen, die das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen betreffen, jede untere Verwaltungsbehörde (Absatz 1) zuständig.

(4) Die Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden, der höheren Verwaltungsbehörden und der obersten Landesbehörden werden für die Dienstbereiche der Bundeswehr, der Bundespolizei und der Polizei durch deren Dienststellen nach Bestimmung der Fachministerien wahrgenommen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.