Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 16. Mai 2017 - W 3 K 15.1323

16.05.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Neuberechnung und Rückforderung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Die Klägerin begann zum Wintersemester 2007/2008 an der Universität Würzburg ein Studium der Fachrichtung Rechtswissenschaften. Sie beantragte mit Formblattantrag vom 24. November 2007 (Eingang beim Beklagten 27.11.2007) Ausbildungsförderung für den Zeitraum November 2007 bis September 2008. Auf Seite 3 des Formblattantrages gab die Klägerin an, sie habe kein Vermögen und keine Schulden und Lasten. In den Zeilen 103 bis 109 ist die Spalte des Betrages jeweils mit einem Leerstrich versehen. Auf Anforderung des Beklagten wurden Kopien der Kontoauszüge eines Girokontos bei der Kreissparkasse … nachgereicht, aus dem sich zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Kontostand i.H.v. 126,20 EUR ergab. Außerdem wurde ein Kontoauszug eines Bausparvertrages bei der … Bausparkasse … vorgelegt, aus dem sich ein Guthaben i.H.v. 1.563,14 EUR zum 31. Dezember 2006 ergab; hierzu legte die Klägerin eine handschriftliche Bestätigung vor, dieser Kontostand entspreche dem Stand zum Tage der Antragstellung.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 bewilligte das Studentenwerk der Klägerin Ausbildungsförderung für den beantragten Bewilligungszeitraum in Höhe von monatlich 530,00 EUR. Aufgrund der Angaben der Klägerin ergab sich kein auf den Bedarf anzurechnendes Vermögen.

Im Rahmen eines Datenabgleiches mit dem Bundeszentralamt für Steuern wurde dem Beklagten im Juni 2015 bekannt, dass die Klägerin in den Kalenderjahren 2009 und 2010 Zinseinkünfte bei der Volksbank … … in Höhe von 57,00 EUR bzw. 56,00 EUR erzielt hatte. Daraufhin forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 1. September 2015 zur näheren Auskunft zu ihrem Vermögen zum Antragszeitpunt auf. Aus der Antwort der Klägerin ergab sich, dass am 27. November 2007 außer den von der Klägerin angegebenen Konten ein Sparkonto bei der Sparkasse … mit einem Kontostand i.H.v. 103,64 EUR, sowie bei der Volksbank … … ein Girokonto mit einem Kontostand von 1.239,11 EUR, ein Sparkonto mit 193,57 EUR und ein Festgeldkonto mit 2.500,00 EUR sowie Genossenschaftsanteile i.H.v. 1.120,00 EUR bestanden. Das Guthaben des Bausparkontos betrug am 27. November 2007 abweichend zu den Angaben der Klägerin insgesamt 2.044,74 EUR.

Mit Bescheid vom 26. August 2015 änderte das Studentenwerk den monatlichen Förderbetrag für den Bewilligungszeitraum auf 355,00 EUR. Aufgrund des von der Klägerin angegebenen Vermögens errechne sich (unter Berücksichtigung eines Abzugsbetrages vom Bausparvertrag i.H.v. 10%) ein Vermögen von 7.122,79 EUR. Nach Abzug des Freibetrages von 5.200,00 EUR ergebe sich ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 1.922,79 EUR, aufgeteilt auf den Bewilligungszeitraum ein monatlich zu berücksichtigender Betrag von 174,79 EUR, der auf dem monatlichen Bedarf anzurechnen sei. Die für die Vergangenheit überzahlte Ausbildungsförderung i.H.v. 1.925,00 EUR wurde von der Klägerin zurückgefordert.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie im Wesentlichen vortrug, ein Betrag in Höhe von 2.500,00 EUR sei bei der Berechnung ihres Vermögens nicht zu berücksichtigen. Dieses Konto habe sie am 30. November 2007 zur Begleichung von Schulden an ihre Mutter überschrieben. Die Schulden seien entstanden anlässlich ihrer Wohnungssuche, der Maklerprovision und den Kosten für die Wohnungseinrichtung und Anschaffung von Hausrat. Dafür hätten ihr die Eltern ein Darlehen gewährt, das vermögensmindernd zu berücksichtigen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides, der der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 21. Oktober 2015 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.

II.

Die Klägerin erhob am 9. November 2015 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart „gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2015“.

Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor, das Reinvermögen sei falsch. Von dem Vermögen seien 2.500,00 EUR abzuziehen, da dieser Betrag ein Darlehen ihrer Eltern darstelle, für das eine Rückzahlung bis Ende Oktober 2007 vereinbart worden sei. Das Darlehen sei nur mündlich vereinbart worden. Des Weiteren habe sie ihren Antrag auf Ausbildungsförderung gewissenhaft und ordentlich ausgeführt.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend führte der Beklagte aus, der Betrag von 2.500,00 EUR sei dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen, da er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in deren Eigentum befunden habe. Dass der Betrag später an die Eltern der Klägerin gezahlt worden sei, sei unbeachtlich. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Darlehensverbindlichkeit bestanden habe. Auch sei der Darlehenszweck zweifelhaft. Das angebliche Darlehen sei der Klägerin zur Begleichung von Kosten gewährt worden, die grundsätzlich von Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht ohne Anspruch auf Gegenleistung geschuldet würden. Darüber hinaus sei hinsichtlich der Ernsthaftigkeit einer eventuellen Darlehensabrede das gesamte Verhalten der Klägerin von Bedeutung. Die Klägerin habe bei der Antragstellung von sieben vorhandenen Konten lediglich zwei angegeben. Dabei habe sie sämtliche Gutachten bei der Volksbank … … komplett verschwiegen. Deshalb entstehe der Eindruck, dass aufgrund der nachträglich festgestellten Vermögenswerte nun ein Darlehen konstruiert werde, um das Vermögen wieder unter die Freibetragsgrenze zu drücken.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart erklärte sich mit Beschluss vom 8. Dezember 2015 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Würzburg.

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter erklärt. Mit Beschluss vom 3. August 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten (§ 101 Abs. 2 VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet. Bei sachgerechter Auslegung des Klageantrages (§§ 86, 88 VwGO) begehrt die Klägerin die Aufhebung des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides vom 26. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2015. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 19. Dezember 2007 ist § 45 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein begünstigender Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn er rechtswidrig ist und sich der Begünstigte nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X).

Der Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2007 ist rechtswidrig, weil bei der Berechnung der Ausbildungsförderung Vermögen der Klägerin zu Unrecht nicht berücksichtigt worden ist.

Nach § 1 BAföG besteht ein Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nach Maßgabe des Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seiner Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Auf den Förderbedarf sind Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie seines Ehegatten und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Zum Vermögen des Auszubildenden zählen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG Forderungen und sonstige Rechte, wobei nach § 28 Abs. 2 BAföG deren Wert zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. Von dem Vermögen sind die zu Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen (§ 28 Abs. 3 BAföG). Schulden sind in diesem Zusammenhang alle Forderungen, mit deren Geltendmachung der Schuldner ernsthaft rechnen muss.

Eine Schuld in diesem Sinne kann auch aus einem Darlehensvertrag mit einem nahen Angehörigen folgen, wenn dieser zivilrechtlich wirksam abgeschlossen wurde und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden nachgewiesen werden kann. Dem Auszubildenden obliegt bei der Aufklärung der zugrunde liegenden Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit geht zu seinen Lasten.

An den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Vertrages mit nahen Angehörigen sind mit Blick auf die Gefahr des Missbrauchs strenge Anforderungen zu stellen. Die Darlehensgewährung muss auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung und einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abzugrenzen sein. Soweit die relevanten Umstände in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, ist es gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsabschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (vgl. BVerwG v. 4.9.2008 - 5 C 30/07 - juris; BayVGH v. 5.10.2009 - 12 ZB 08.2035 - juris; BayVGH, B.v. 4.7.2012 - 12 ZB 11.479 - juris).

Die Annahme einer wirksam begründeten Darlehensschuld unter Angehörigen muss dabei nicht zwingend einem strikten Fremdvergleich in dem Sinne standhalten, dass sowohl die Gestaltung (z.B. Schriftform, Zinsabrede oder Stellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkt dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat. Ein Rückgriff auf die objektiven Merkmale des Fremdvergleichs ist jedoch bei der anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Prüfung geboten, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist und damit eine Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG besteht. Dabei sind die für und gegen einen wirksamen Vertragsabschluss sprechenden Indizien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu gewichten und zu würdigen. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten Vertragspflichten) kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrags nicht genannt werden kann oder der bezeichnete Grund nicht dafür geeignet ist, eine genügende Abgrenzung gegenüber einer Schenkung oder einer freiwilligen Unterstützung bzw. Unterhaltszahlung zu ermöglichen. Zweifel am Vertragsschluss können ferner berechtigt sein oder bestätigt werden, wenn die Durchführung des Darlehensvertrags nicht den Vereinbarungen entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss werten, wenn der Auszubildende eine etwaige Darlehensverpflichtung nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet, sondern gewissermaßen zum Zwecke der Saldierung erst angegeben hat nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Dagegen kann es für das Vorliegen eines beachtlichen Darlehensverhältnisses während eines in der Vergangenheit liegenden Bewilligungszeitraums sprechen, wenn das Darlehen bereits zum Zeitpunkt zurückgezahlt worden war, zu dem es der Auszubildende zum ersten Mal offen legte und sich damit erstmals die Frage seiner ausbildungsförderungsrechtlichen Anrechnung stellte (BVerwG, U. v. 4.9.2008 - 5 C 30/07 - juris, Rn 26, 27).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin den Abschluss eines wirksamen Darlehensvertrages nicht nachgewiesen.

Es gibt bereits keinen objektiven Nachweis für den Abschluss eines Darlehensvertrages. Die Klägerin hat keinen schriftlichen Darlehensvertrag mit ihren Eltern geschlossen. Zwar muss die Annahme einer wirksamen begründeten Darlehensschuld unter Angehörigen nach der vorerwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zwingend einem strikten Fremdvergleich standhalten. Gleichwohl wäre das Vorliegen eines schriftlichen Darlehensvertrages - unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Vertrages - ein objektives Indiz im Sinne der Rechtsprechung für das tatsächliche Bestehen einer solchen Vereinbarung. Denn ohne schriftlichen Vertrag bleibt beispielsweise unklar, ob, wann und mit welchem Inhalt die Klägerin die maßgebliche Darlehensabrede mit ihren Eltern getroffen haben will (VG Bayreuth, U.v. 06.12.2010 - B 3 K 09.643 -juris Rn. 59; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 17.02.2010 - 3 L 222/07 - juris, Rn. 50).

Auch die Übertragung des Festgeldkontos i.H.v. 2.500,00 EUR an die Mutter der Klägerin ist für den Nachweis des Darlehens nicht ausreichend, da der Rechtsgrund für die Übertragung dadurch nicht bewiesen wird (s.a. VG München, U.v. 21.07.2011 - M 15 K 11.1860 - Rn. 34, juris).

Ebenso sind die von der Klägerin genannten Gründe für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht dazu geeignet, eine genügende Abgrenzung gegenüber einer freiwilligen Schenkung oder freiwilligen Unterstützung bzw. Unterhaltsleistung zu ermöglichen. Vielmehr stellen gerade die von der Klägerin genannten Ausgaben Posten dar, die im Rahmen eines angemessenen Unterhalts als eine Art der Unterhaltsgewährung geleistet worden sein könnten und gerade im Hinblick auf die Beschaffung von Hausrat auch häufig von Angehörigen als freiwillige Unterstützung oder Schenkung vorgenommen werden. Die Eltern waren der Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum unterhaltspflichtig. Gemäß § 1610 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der jeweiligen Lebensstellung des Bedürftigen. Soweit der Unterhaltsbedürftige selbst noch keine eigene Lebensstellung erlangt hatte, wie dies bei minderjährigen Kindern und bei Kindern, die trotz ihrer Volljährigkeit noch keine angemessene Berufsausbildung absolviert haben, der Fall ist, bleiben Eltern unterhaltspflichtig. Wenn die getätigten Ausgaben der Klägerin im Rahmen der Unterhaltsverpflichtungen der Eltern geschuldet waren, bestand insoweit kein Anspruch der Eltern auf Rückzahlung dieser mit Rechtsgrund erfolgten Zahlungen (OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 17.02.2010 - 3 L 222/07 - juris, Rn. 57).

Außerdem ist auch nicht plausibel, weshalb überhaupt eine Darlehensgewährung von Seiten der Eltern für die Anschaffungen im Zusammenhang mit einer Wohnungsbegründung durch die Klägerin erforderlich gewesen sein sollte. Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen, dass das Guthaben auf dem Festgeldkonto aufgrund einer festgelegten Laufzeit nicht für sie verfügbar war. Es stellt sich insoweit die Frage, weshalb die Eltern 2.500,00 EUR darlehensweise verauslagt haben sollen, obwohl die Klägerin selbst offenbar ohne weiteres die Anschaffungskosten aus ihrem Vermögen hätte bestreiten können. Auch wenn das Geld auf dem Festgeldkonto nicht verfügbar gewesen wäre, bestehen deshalb erhebliche Zweifel am Grund für eine Darlehensaufnahme.

Gegen ein berücksichtigungsfähiges Darlehen spricht letztlich auch, dass die Klägerin das Darlehen entgegen ihrer aus §§ 60 SGB I, 46 Abs. 3 BAföG folgenden gesteigerten Mitwirkungspflicht nicht bereits in ihrem Förderantrag vom 24. November 2007, bzw. im Rahmen ihrer auf Anforderung des Beklagten nachträglich gemachten Angaben vom 11. Dezember 2007 angegeben hat. Dort hat die Klägerin weder das streitige Festgeldkonto, noch die später von ihr behaupteten Schulden angegeben. Die Klägerin hat das Bestehen von Schulden vielmehr erstmals erwähnt, nachdem sie gegenüber der Beklagten einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Die Klägerin hatte mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben versichert. Daran muss sie sich festhalten lassen (VG München, U.v. 16.06.2010 - M 15 K 10.1358 - juris, Rn. 35).

Nachdem die Klägerin zu Beginn des Bewilligungszeitraumes über Vermögen über den Freibetrag (§ 29 Abs. 1 BAföG) verfügte, in dem Bescheid vom 19. Juli 2007 aber keine Anrechnung des Vermögens erfolgte, war dieser rechtswidrig.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz i.S.d. § 45 Abs. 2 SGB X berufen. Die Klägerin hat in den Antragsformblättern und auch mit den nachgereichten Unterlagen 11. Dezember 2007 (Eingangsstempel) weder die Guthaben noch das angebliche Darlehen angegeben und fünf von sieben Konten verschwiegen; außerdem wurde die Höhe des Bausparguthabens unzutreffend bestätigt. Somit hat die Klägerin grob fahrlässig i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt, dass die Klägerin die Konten bei der Volksbank … … mindestens grob fahrlässig verschwiegen hat und ebenfalls bei der Angabe der Höhe des Bausparguthabens grob fahrlässig gehandelt hat. Unter den gegebenen Gesamtumständen musste sich der Klägerin aufdrängen, dass sie diese Guthaben anzugeben hat. In den Spalten des Antragsformulars wird ausdrücklich nach Vermögen gefragt. Die Klägerin hat durch die Eintragung von Leerstrichen bei entsprechenden Fragen das Antragsformular falsch ausgefüllt. Auf ausdrückliche Nachfrage zu ihrem Vermögen hat sie Kontoauszüge für ihr Girokonto bei der Kreissparkasse … und ihr Bausprarkonto vorgelegt. Die Klägerin hat von sieben auf ihren Namen lautenden Konten fünf Konten verschwiegen. Selbst wenn die Klägerin Zweifel gehabt hätte, ob sie das Guthaben auf dem - später auf ihre Mutter überschriebenen - Festgeldkonto zur Begleichung von rechtlich erheblichen Schulden einsetzen kann, hätte sie das Guthaben zumindest offenlegen müssen, um dem Beklagten eine eigenständige Prüfung zu ermöglichen. Dies hätte sich der Klägerin schon aufgrund der Hinweise am Ende des Antragformblattes aufdrängen müssen. Umstände, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung in Bezug auf die Klägerin rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid konnte deshalb gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Regelmäßig entspricht es pflichtgemäßem Ermessen, rechtswidrige Bescheide, die zu einer rechtswidrigen Zahlung von öffentlichen Sozialleistungen geführt haben, aufzuheben.

Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde gewahrt. Die Beklagte hat den Rücknahmebescheid vom 26. August 2015 innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erlassen.

Die Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Fördermittel folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zur erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Mit Änderungsbescheid vom 26. August 2015 ist der Bescheid vom 19. Dezember 2007 teilweise aufgehoben worden. Nach § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X soll die Rückforderung im gleichen Bescheid wie die Änderung erfolgen.

Somit erweist sich der Bescheid vom 26. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2015 als rechtmäßig. Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung


Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 50 Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen


(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatt

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag


(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit da

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 60 Angabe von Tatsachen


(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat 1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,2. Änderungen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1610 Maß des Unterhalts


(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). (2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf,

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 11 Umfang der Ausbildungsförderung


(1) Ausbildungsförderung wird für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf). (2) Auf den Bedarf sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspar

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 27 Vermögensbegriff


(1) Als Vermögen gelten alle 1. beweglichen und unbeweglichen Sachen,2. Forderungen und sonstige Rechte.Ausgenommen sind Gegenstände, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann. (2) Nicht als Vermögen gelten 1. Rech

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 28 Wertbestimmung des Vermögens


(1) Der Wert eines Gegenstandes ist zu bestimmen 1. bei Wertpapieren auf die Höhe des Kurswertes,2. bei sonstigen Gegenständen auf die Höhe des Zeitwertes. (2) Maßgebend ist der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung. (3) Von dem nach den Absät

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 29 Freibeträge vom Vermögen


(1) Von dem Vermögen bleiben anrechnungsfrei 1. für Auszubildende, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 15 000 Euro, für Auszubildende, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, 45 000 Euro,2. für den Ehegatten oder Lebenspartner des Ausz

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 1 Grundsatz


Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlic

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.

(1) Ausbildungsförderung wird für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf).

(2) Auf den Bedarf sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen; die Anrechnung erfolgt zunächst auf den nach § 17 Absatz 2 Satz 1 als Zuschuss und Darlehen, dann auf den nach § 17 Absatz 3 als Darlehen und anschließend auf den nach § 17 Absatz 1 als Zuschuss zu leistenden Teil des Bedarfs. Als Ehegatte oder Lebenspartner im Sinne dieses Gesetzes gilt der nicht dauernd Getrenntlebende, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(2a) Einkommen der Eltern bleibt außer Betracht, wenn ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist oder sie rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten.

(3) Einkommen der Eltern bleibt ferner außer Betracht, wenn der Auszubildende

1.
ein Abendgymnasium oder Kolleg besucht,
2.
bei Beginn des Ausbildungsabschnitts das 30. Lebensjahr vollendet hat,
3.
bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Vollendung des 18. Lebensjahres fünf Jahre erwerbstätig war oder
4.
bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Abschluss einer vorhergehenden, zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung drei Jahre oder im Falle einer kürzeren Ausbildung entsprechend länger erwerbstätig war.
Satz 1 Nummer 3 und 4 gilt nur, wenn der Auszubildende in den Jahren seiner Erwerbstätigkeit in der Lage war, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten.

(4) Ist Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartners, der Eltern oder eines Elternteils außer auf den Bedarf des Antragstellers auch auf den anderer Auszubildender anzurechnen, die in einer Ausbildung stehen, die nach diesem Gesetz oder nach § 56 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gefördert werden kann, so wird es zu gleichen Teilen angerechnet. Dabei sind auch die Kinder des Einkommensbeziehers zu berücksichtigen, die Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des Einkommens der Eltern erhalten können und nicht ein Abendgymnasium oder Kolleg besuchen oder bei Beginn der Ausbildung das 30. Lebensjahr vollendet haben. Nicht zu berücksichtigen sind Auszubildende, die eine Universität der Bundeswehr oder Verwaltungsfachhochschule besuchen, sofern diese als Beschäftigte im öffentlichen Dienst Anwärterbezüge oder ähnliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erhalten.

(1) Als Vermögen gelten alle

1.
beweglichen und unbeweglichen Sachen,
2.
Forderungen und sonstige Rechte.
Ausgenommen sind Gegenstände, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann.

(2) Nicht als Vermögen gelten

1.
Rechte auf Versorgungsbezüge, auf Renten und andere wiederkehrende Leistungen,
2.
Übergangsbeihilfen nach den §§ 12 und 13 des Soldatenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 1983 (BGBl. I S. 457) sowie die Wiedereingliederungsbeihilfe nach § 4 Absatz 1 Nummer 2 des Entwicklungshelfer-Gesetzes,
3.
Nießbrauchsrechte,
4.
Haushaltsgegenstände.

(1) Der Wert eines Gegenstandes ist zu bestimmen

1.
bei Wertpapieren auf die Höhe des Kurswertes,
2.
bei sonstigen Gegenständen auf die Höhe des Zeitwertes.

(2) Maßgebend ist der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung.

(3) Von dem nach den Absätzen 1 und 2 ermittelten Betrag sind die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen. Dies gilt nicht für das nach diesem Gesetz erhaltene Darlehen.

(4) Veränderungen zwischen Antragstellung und Ende des Bewilligungszeitraums bleiben unberücksichtigt.

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) Die vereinbarten Zinsen sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuzahlen ist, bei der Rückzahlung zu entrichten.

(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Von dem Vermögen bleiben anrechnungsfrei

1.
für Auszubildende, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 15 000 Euro, für Auszubildende, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, 45 000 Euro,
2.
für den Ehegatten oder Lebenspartner des Auszubildenden 2 300 Euro,
3.
für jedes Kind des Auszubildenden 2 300 Euro.
Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung.

(2) (weggefallen)

(3) Zur Vermeidung unbilliger Härten kann ein weiterer Teil des Vermögens anrechnungsfrei bleiben.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.