Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. Juli 2014 - 6 K 14.30297
Gericht
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Die Kläger, ein iranisches Ehepaar mit Kind, wenden sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2014, in dem sie feststellte, dass die Asylanträge unzulässig seien, und in dem sie die Abschiebung der Kläger nach Italien androhte. Dagegen ließen die Kläger mit Schriftsatz vom 6. März 2014 Klage erheben.
Mit Beschluss vom 28. März 2014 (W 6 S 14.30298 - juris) lehnte das Gericht im Sofortverfahren den Antrag der Kläger auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2014 (W 6 K 14.30297) wies das Gericht die Klage der Kläger ab. Zu den Einzelheiten des Tatbestandes nimmt das Gericht auf den Gerichtsbescheid Bezug (§ 84 Abs. 4 VwGO).
Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2014 ließen die Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung stellen.
Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2014 ließen die Kläger noch ergänzend vorbringen: Angesichts des Verfahrens bei der Großen Kammer des EGMR bezüglich der Frage, ob die Aufnahmesituation in Italien systemische Mängel aufweise, verbiete sich eine Entscheidung, ohne die Entscheidung des EGMR abzuwarten. Erst recht gelte dies im Fall von Familien, in denen sich ein Kind befinde. Es bestehe die realistische Gefahr, dass die Eltern von ihrem Kind getrennt würden. Der Kläger zu 1) habe im Iran in einem Rüstungsbetrieb als Schweißer von Raketenhüllen gearbeitet und sei Geheimnisträger. Als solcher habe er die Arbeitsstelle unter Androhung des Todes nicht verlassen dürfen. Er befürchte aufgrund der Verbindungen des Iran zu Italien, dass er in Italien verfolgt würde und dass versucht würde, ihn umzubringen. Der Kläger sei psychisch geschwächt. Es sei zu befürchten, dass die Durchführung der Überstellung beim Kläger zu einer Verschlechterung seines psychischen Zustandes führen werde, dass er als reiseunfähig angesehen werden müsse. Der Kläger zu 1) befinde sich aktuell in ärztlicher Behandlung wegen Problemen mit seiner Halswirbelsäule. Für den Kläger zu 1) bestehe aus gesundheitlichen Gründen ein Abschiebungshindernis. Auf das mit Schriftsatz vom 17. Juli 2014 vorgelegte ärztliche Attest vom 14. Juli 2014 wird Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2014 beantragte der Klägerbevollmächtigte,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Februar 2014 aufzuheben.
Der Klägerbevollmächtige stellte in der mündlichen Verhandlung weiter vorsorglich folgenden bedingten Beweisantrag:
Zum Beweis der Tatsache,
dass die Kläger bei einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr laufen, von ihrem Kind getrennt zu werden,
ist ein Gutachten einer sachverständigen Stelle einzuholen.
Der Klägerbevollmächtigte stellt vorsorglich den weiteren bedingten Beweisantrag:
Zum Beweis der Tatsache,
dass dem Kläger zu 1) aufgrund der Strukturen in Italien nicht der nötige Schutz vor Nachstellungen seitens iranischer Sicherheitskräfte bzw. Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes gewährleistet werde,
ist ein Gutachten einer sachverständigen Stelle einzuholen.
Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. Juli 2014 wird im Einzelnen verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Sofortverfahrens W 6 S 14.30298) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des Bescheides vom 24. Februar 2014 Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Das Vorbringen der Kläger führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Gericht verweist dazu im Einzelnen auf seinen Beschluss vom 28. März 2014 (W 6 S 14.30298 - juris) sowie auf seinen Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2014 im vorliegenden Verfahren (§ 84 Abs. 4 VwGO). Das neue Vorbringen der Kläger rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Das Gericht hält auch unter Berücksichtigung der zum jetzigen Zeitpunkt geltenden Sach- und Rechtslage an seiner im Sofortverfahren getroffenen Beurteilung fest. Gegen eine Überstellung der Kläger nach Italien bestehen zur Überzeugung des Gerichts weiterhin keine rechtlichen Bedenken. Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnislage und unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung ist nicht anzunehmen, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen (vgl. zuletzt etwa VG Würzburg, U.v. 9.7.2014 - W 6 K 14.30113; GB v. 7.7.2014 - W 6 K 14.50006; B.v. 6.6.2014 - W 3 S 14.50057, B.v. 4.6.2014 - W 3 S 14.30197; sowie BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris; B.v. 15.4.2014 - 10 B 16/14 - juris; B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris mit Anm. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3; NdsOVG, B.v. 27.5.2014 - 2 LA 308/13 - juris; B.v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - InfAuslR 2014, 162; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG NRW, B.v. 28.3.2014 - 13 A 1878/13.A - juris; U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl. 2014, 790; BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; und VG Cottbus B.v. 22.7.2014 - 5 L 85/14.A - juris; VG Potsdam, B.v. 2.7.2014 - 6 L 492/14.A - juris; B.v. 19.6.2014 - VG 6 L 474/14.A - juris; VG Frankfurt (Oder), B.v. 1.7.2014 - 6 L 364/14.A - juris; VG Ansbach, U.v. 5.6.2014 - AN 1 K 14.30275 - juris; VG Frankfurt, B.v. 4.6.2014 - 7 L 1091/14.F.A - juris; anderer Ansicht etwa VG Schwerin, B.v. 15.5.2014 - 3 B 418/14 As - juris).
Auch die den Medien zu entnehmende Zunahme der gegenwärtig über das Mittelmeer in Italien ankommenden Flüchtlinge rechtfertigt für sich nicht die Annahme systemischer Mängel. Abgesehen davon, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass italienische Stellen nicht willens oder fähig sind - wie dies auch in der Vergangenheit der Fall war -, auf gestiegene Flüchtlingszahlen zu reagieren, können aus der Situation der Erstaufnahme von Flüchtlingen keine Rückschlüsse auf die Art und Weise der Bearbeitung der Asylverfahren bei der Behandlung von Flüchtlingen gezogen werden, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Italien überstellt werden, so lange - wie hier - keine gegenteiligen Erkenntnisse vorliegen (VG Frankfurt (Oder), B.v. 1.7.2014 - 6 L 364/14.A - juris).
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände. Diese begründen jedoch für sich noch keine systemischen Mängel. Denn gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf ein Asylbewerber nur dann nicht an den nach der Dublin-II-VO zuständigen Mitgliedsstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat aufgrund systemischer Mängel, d. h. regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen kann ein Asylbewerber einer Überstellung im Dublin-Verfahren entgegentreten (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris; B.v. 15.4.2014 - 10 B 16/14 - juris; B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris mit Anm. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3). Diese Gründe liegen jedoch mit Bezug auf die Kläger nicht vor.
Ergänzend bleibt noch anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner soeben zitierten Rechtsprechung unter anderem gerade auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug nimmt und in Einklang damit die Annahme systemischer Mängel an hohe Hürden knüpft (vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris) kommt es im Hinblick auf die Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel im Einzelfall zu einer unmenschlichen oder erniedrigender Behandlung kommen kann.
Dass bezogen auf eine Teilgruppe wie eine Familie mit Kindern anders zu entscheiden wäre, weil diese besonders nachteilig betroffen wäre, kann das Gericht nicht erkennen. Sofern es in Italien tatsächlich zu einzelnen vorübergehenden Familientrennungen gekommen ist, begründen diese keine systemischen Mängel. Die angesprochenen Familientrennungen sind in der Gesamtbetrachtung der vorliegenden Erkenntnisse nur punktuell und nicht so regelhaft, dass zu erwarten ist, dass den Klägern in ihrem konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung oder eine Trennung des Kindes von seinen Eltern droht, jedenfalls wenn sie sich dem italienischen Asylsystem unterwerfen (vgl. auch VG Cottbus, B.v. 11.7.2014 - 5 L 85/14 A - juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet (siehe Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, insbesondere Seite 53 f., 63 und 65 f.) unter Bezugnahme auf ein Interview vom Juni 2013, dass in Mailand Familien systematisch getrennt würden. Mütter und Kinder würden getrennt vom Vater untergebracht. Es gebe sogar Fälle, wo Vater, Mutter und Kinder sogar in drei verschiedenen Zentren untergebracht worden seien. Auch in Rom würden Familien teilweise getrennt untergebracht. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe merkt aber auf Seite 54, Fußnote 345 an, dass dies aus Sicht von UNHCR eher eine Ausnahme sei und kein Hauptproblem darstelle. Nach Überzeugung des Gerichts liegen selbst bei Zugrundelegung der Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe keine systemischen Mängel vor, weil die Schweizerische Flüchtlingshilfe selbst davon spricht, dass nur „teilweise“ oder in Einzelfällen Kinder von Eltern getrennt und fremd untergebracht werden bzw. Frauen mit Kindern getrennt vom Ehemann; letzteres systematisch in Mailand. Dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist indes nicht zu entnehmen, dass die zugrundeliegenden Interviewaussagen repräsentativ sind und für ganz Italien gelten. Manche Aussagen beziehen sich nur auf Mailand und nicht auf das übrige Italien. Sie belegen allenfalls punktuelle, vorübergehende Trennungen. Die anderen vorliegenden Auskünfte, etwa vom UNHCR (vgl. etwa Auskunft an das VG Freiburg vom Dezember 2013), enthalten keine derartigen Informationen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe merkt in der einen oben zitierten Fußnote zudem selbst ausdrücklich an, dass nach UNHCR die getrennte Unterbringung eher die Ausnahme sei und kein Hauptproblem darstelle.
Vor diesem Hintergrund drängt sich auch keine Beweiserhebung auf, so dass der in der mündlichen Verhandlung gestellte bedingte Beweisantrag abzulehnen war. Der Beweisantrag bezog sich ausdrücklich auf den Trennung des Kindes von den Eltern. Dazu berichtet die Schweizerische Flüchtlingshilfe auf Seite 53 mit Fußnote 341 allein unter Berufung auf ein Interview mit einem Psychiater in Mailand vom 6. Juni 2013, dass es auch Fälle gebe, wo Mutter, Vater und Kinder in verschiedenen Zentren untergebracht worden seien. Im Hinblick auf die vorliegenden Auskünfte hat das Gericht genügend eigene Sachkunde, um zur Überzeugung zu gelangen, dass eine ernsthafte, realistische, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr der Trennung der Eltern von ihrem Kind bei einer Überstellung nach Italien nicht anzunehmen ist. Ein Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn wie hier die vorhandenen Erkenntnismittel ausreichen, die zum Beweisthema gemachte Frage hinreichend zu klären. Die Erkenntnismittel erlauben ein hinreichend sichere Beurteilung der aufgeworfenen Frage. Das Gericht verfügt so über hinreichend eigene Sachkunde. Ein weiteres spezielles Gutachten war nicht einzuholen (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2013 - 10 B 34/12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109).
Des Weiteren kann das Gericht auch keine beachtlich wahrscheinliche Gefahr hinsichtlich der von der Klägerseite geäußerten Befürchtung erkennen, der Kläger zu 1) werde wegen seiner angeblichen Kenntnis von Geheimnissen der iranischen Rüstungsindustrie in Italien von der Mafia gesucht und getötet. Insofern ist nach Überzeugung des Gerichts keine objektiv vorliegende tatsächlich drohende ernsthafte realistische Gefahr zu erkennen. Vielmehr ist diese Befürchtung als subjektive Mutmaßung zu werten, für die es an objektiv greifbaren Anhaltspunkten fehlt. Dem Kläger zu 1) ist zwar zuzugestehen, dass er im Iran in einer Firma der Rüstungsindustrie gearbeitet hat. Er hat aber selbst angegeben, dort „nur“ als Schweißer gearbeitet und an Raketenteilen Schweißarbeiten vorgenommen zu haben. Des Weiteren sei er auch mit Arbeiten an Teilen einer Drohne beschäftigt gewesen. Dass der Kläger zu 1) führende Funktionen in der Firma innehatte, die nach seinem Vorbringen etwa 5.000 Mitarbeiter gehabt hat, hat er selbst nicht behauptet, auch wenn er nach eigenem Vorbringen einmal einen Syrer eingewiesen haben will. Der Kläger zu 1) hat weiter auf Nachfrage des Gerichts nur pauschal angegeben, über viele Geheimnisse zu verfügen, ohne diese jedoch näher zu konkretisieren und zu plausibilisieren. Das Gericht ist nicht überzeugt, dass der Kläger zu 1) ein relevanter Geheimnisträger ist. Des Weiteren machten er bzw. sein Bevollmächtigter widersprüchliche Angaben zur drohenden Verfolgungsgefahr. Der Kläger 1) wies darauf hin, er werde bei einer Rückkehr nach Italien wegen seiner Arbeit in der Rüstungsindustrie von der Mafia gesucht und diese werde ihn umbringen. Er hat aber selbst nicht dargelegt, wieso gerade die Mafia ein Interesse an ihm haben sollte. Der Klägerbevollmächtigte brachte demgegenüber (erstmals) in der mündlichen Verhandlung mit Verweis auf vergleichbare frühere Fälle von Deserteuren aus Russland bzw. aus der ehemaligen Sowjetunion vor, der iranische Geheimdienst könne über die Mafia bzw. über mafiöse Strukturen in Italien den Aufenthaltsort des Klägers zu 1) in Italien in Erfahrung bringen und diesen dort mit Tode bedrohen, ohne dass Italien den nötigen Schutz gewährleiste. Objektive Anhaltspunkte entsprechender Verfolgungsgefahren brachten indes weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter vor. Dem Gericht liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass der iranische Geheimdienst in Italien überhaupt Kontakte zur Mafia bzw. zu mafiösen Behörden hätte und auf diesen Weg Auskunft über Flüchtlinge in Italien erlangen könnte. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der „einfachen“ Schweißertätigkeit des Klägers zu 1) in der von ihm genannten Rüstungsfirma im Iran keine Verfolgungs- oder gar Todesgefahr besteht.
Vor diesem Hintergrund drängt sich auch keine Beweiserhebung auf, so dass der in der mündlichen Verhandlung gestellte bedingte Beweisantrag abzulehnen war. Denn des fehlt an einem plausiblen Anknüpfungspunkt für eine Beweiserhebung. Die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts findet dort ihre Grenze, wo das Klagevorbringen keinen weiteren Anlass zur Sachverhaltsaufklärung bietet. Dem Beweisantrag liegt, wie ausgeführt, schon kein widerspruchsfreies Vorbringen des Klägers zu 1) bzw. seines Bevollmächtigten zugrunde. Dies belegt, dass der Beweisantrag auf Verdacht ins Blaue hinein erfolgt und als Ausforschungsbeweisantrag zu werten ist. Die Klägerseite will die betreffenden Tatsachen, die ihnen selbst unbekannt sind, erst durch eine Beweisaufnahme ermitteln lassen. Der Beweisantrag ist unsubstanziiert. Er beruht auf einer Vermutung. Es fehlt an tatsächlichen rechtfertigenden Anhaltspunkten, die das klägerische Vorbringen auch nur für möglich erscheinen ließen. Ein ablehnbarer Ausforschungsbeweisantrag liegt in Bezug auf Tatsachen vor, für deren Wahrheitsgehalt durchweg keine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Es fehlt an jeglichen tatsächlichen Grundlagen für eine entsprechende Gefahr in Italien. Irgendwelche Quellennachweise oder sonstig greifbare Anhaltspunkte, die dem Gericht eine Beweisaufnahme nahelegen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. Kleinschnittger, NWVBl. 2013, 226, mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Dies gilbt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem der Kläger zu 1) als Schweißer keine herausgehobene Funktion in der Rüstungsindustrie innehatte. Das Vorbringen, dass die iranischen Sicherheitskräfte bzw. der iranische Geheimdienst den Kläger ohne hinreichende Schutzgewährleistung gerade in Italien bedrohen würden, wurde zudem erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht und ist insoweit auch gemäß § 87 b Abs. 3 VwGO als verspätet abzulehnen.
Schließlich führen, wie bereits mit Beschluss vom 28. März 2014 (W 6 S 14.30298 - juris) dargelegt, auch die Erkrankungen des Kläger nicht zu einem Abschiebungs- oder Vollstreckungshindernis. Die vorgelegten Atteste geben dafür überhaupt nichts her. Das Attest vom 25. März 2014 spricht ausdrücklich von einem stabilisierten Zustand des Klägers zu 1). Das neue Attest vom 14 Juli 2014 berichtet nur über postoperative Veränderungen der Halswirbelsäule. Eine Einschränkung der Reisfähigkeit ist den beiden Attesten nicht zu entnehmen. Das Gericht hat auch schon im Sofortverfahren weiter ausgeführt, dass die Gesundheitsfürsorge in Italien grundsätzlich gewährleistet ist. Zudem steht eine kostenlose medizinische Versorgung auch den Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei. Eine ärztliche Versorgung ist auch gewährleistet, soweit es um die Behandlung von psychischen Erkrankungen geht (vgl. auch VG Cottbus, B.v. 11.7.2014 - 5 L 85/14 A - juris; OVG RhPf, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris).
Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte ohnehin von sich aus veranlasst ist, dass vor Durchführung einer Überstellung nicht nur mögliche Vollstreckungshindernisse (z. B. Reisefähigkeit) überprüft und eventuell erforderliche Vorkehrungen getroffen werden, sondern dass auch alle relevanten Informationen - gegebenenfalls auch über besondere Bedürfnisse, einschließlich einer eventuell notwendigen medizinischen Versorgung - an den Aufnahmestaat übermittelt werden (siehe künftig auch Art. 31 und Art. 32 Dublin-III-VO). Selbst wenn die Gefahr bestehen mag - die sich aber den vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht entnehmen lässt -, dass sich der Gesundheitszustand unmittelbar während bzw. durch die Abschiebung kurzfristig verschlechtert, ist eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. eine lebensbedrohliche Verschlimmerung nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nach Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Auftretende Erkrankungen können auch in Italien etwa mit Medikamenten behandelt werden. Im Übrigen ist es Sache der mit dem Vollzug der Abschiebung betrauten Behörden, eventuellen Gesundheitsgefahren bei der Abschiebung angemessen zu begegnen, etwa durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung (vgl. VG Würzburg, U.v. 30.4.2014 - W 6 K 13.30525 - juris sowie BayVGH, B.v. 30.9.2003 - 10 CE 03.2581 - BayVBl. 2004, 87; B.v. 9.4.2003 - 10 CE 03.484 - NVwZ-Beilage Nr. I 2,14). Nach alledem drängte sich auch insoweit eine Beweiserhebung nicht auf.
Da weder allgemein noch in der Person der Kläger konkrete Gründe vorliegen, die geböten, von der Überstellung nach Italien abzusehen, war das Verfahren auch nicht auszusetzen, um die von Klägerseite angesprochene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abzuwarten.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzuweisen.
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Annotations
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,
- 1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a), - 2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist, - 4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.