Verwaltungsgericht Trier Urteil, 24. Feb. 2012 - 5 K 656/11.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2012:0224.5K656.11.TR.0A
bei uns veröffentlicht am24.02.2012

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf der zu ihren Gunsten erfolgten Feststellung, dass bei ihr die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz - AuslG - und ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

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Am 13. Dezember 1995 stellte die Klägerin zusammen mit ihrer 1994 geborenen Tochter in Deutschland einen Asylantrag und machte geltend, togoischer Staatsangehörigkeit und am ... 1972 geboren zu sein; im Zusammenhang mit der Verhaftung ihres Ehemannes ... am ... 1995 sei sie politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen. Ihrem Ehemann sei die Beteiligung an einem Putschversuch vorgeworfen worden. Sie selbst und ihr Kind seien auf die Gendarmerie mitgenommen worden. Sie sei gefoltert und zum Geschlechtsverkehr mit zwei Wachsoldaten gezwungen worden, ehe man sie wieder freigelassen habe. Von einer Tante habe sie erfahren, dass ihr Ehemann zu einer fünfzigjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei. Außerdem verwies sie auf einen Bericht von amnesty international vom 29. April 1995, der sich u.a. mit der Verhaftung des genannten ... befasst.

3

Mit Bescheid vom 25. Juni 1996 lehnte die Beklagte eine Asylanerkennung der Klägerin und ihrer Tochter mit der Begründung ab, dass das Vorbingen der Klägerin zur Ehe mit ... nicht glaubhaft sei, Allerdings stellte die Beklagte mit der Begründung, dass der Klägerin und ihrer Tochter aufgrund der Asylbeantragung in Togo Verfolgungsmaßnahmen und eine menschenrechtswidrige Behandlung drohten, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG fest und bejahte ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG.

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Die gegen diesen Bescheid anschließend erhobene Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 4. August 1998 - M 21 K 96.52718 - ab und führte zur Begründung aus, dass anders als von der Beklagten angenommen eine Verfolgungsgefahr aufgrund der Asylbeantragung nicht bestehe. Allerdings könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Klägerin als Ehefrau des inhaftierten ... in Togo verfolgungsrelevanten Maßnahmen unterliege. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin zwar nicht standesamtlich mit ... verheiratet sei. Allerdings bestehe kein Zweifel, dass sie seit Februar 1989 mit dem genannten nach Stammesrecht verheiratet sei. Die gegen das vorgenannte Urteil anschließend vom Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten eingelegte Berufung wurde zurückgenommen.

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Im Zusammenhang mit einer Regelüberprüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - kam die Beklagte im Oktober 2008 zu der Überzeugung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und eines Abschiebungsverbots nicht mehr vorlägen, weil sich die Verhältnisse in Togo so geändert hätten, dass der Klägerin keine Verfolgungsmaßnahmen mehr drohten.

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Im März 2009 teilte die Beklagte der Klägerin sodann mit, dass ein Widerruf der sie begünstigenden Entscheidung beabsichtigt sei und Gelegenheit zur Stellungname innerhalb eines Monats gegeben werde. Hierzu erwiderte die Klägerin alsdann, dass eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung und eine Befassung mit der Wegfall-der-Umstände-Klausel nicht erkennbar seien.

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Mit Bescheid vom 28. April 2011, der am 2. Mai 2011 zur Post gegeben wurde, widerrief die Beklagte sodann die im Bescheid vom 25. Juni 1996 getroffenen Entscheidungen zu §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 4 AuslG in Bezug auf die Klägerin und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - nicht vorliegen. Zur Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht mehr vorlägen, weil sich die Verhältnisse in Togo geändert hätten. Ausreichende Auskünfte bzw. entsprechende Referenzfälle, die eine konkrete Gefährdung für abgeschobene Asylbewerber belegen könnten, lägen nicht vor. Vielmehr seien die togoischen Behörden in der Regel um eine korrekte Behandlung von Rückkehrern bemüht, um weder deutschen Behörden noch togoischen Exilorganisationen Anlass zu Kritik zu bieten. Soweit in der Vergangenheit Schutz wegen drohender menschenrechtswidriger Behandlung bei einer Einreise nach Togo gewährt worden sei, könne eine derartige Gefahr derzeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, denn es sei kein gesicherter Fall eines aus Europa abgeschobenen Togoers bekannt geworden, der Opfer staatlicher Repressionen geworden sei. Die Voraussetzungen des § 60 AufenthG für die Feststellung von Abschiebungsverboten seien insgesamt nicht erfüllt.

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Am 13. Mai 2011 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt, dass die Beklagte sich bei ihrer Entscheidung nicht - wie erforderlich - mit ihrem individuellen Schicksal befasst und keine Ermessensentscheidung hinsichtlich des Widerrufs getroffen habe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 aufzuheben.

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Die in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertretene Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin unter Bezugnahme auf die Gründe ihrer Entscheidung schriftsätzlich entgegengetreten und bittet,

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die Klage abzuweisen.

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Die Kammer hat mit Beschluss vom 25. Mai 2011 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2012. Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die auf Blatt 37 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Togo lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und in der Sache begründet; der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 stellt sich als rechtswidrig dar und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.

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Abzustellen ist dabei gemäß § 77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258), auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht.

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Demnach richtet sich die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung nach § 73 AsylVfG in der derzeit geltenden Fassung als einschlägiger Norm. Zwar hat Beklagte mit ihrem Bescheid vom 25. Juni 1996 nicht ausdrücklich die Flüchtlingseigenschaft der Klägerin, sondern das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt. Nach der zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getretenen und durch § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - in der derzeit geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I. S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des bereits zitierten Gesetzes vom 22. November 2011, abgelösten Bestimmung des § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 der Norm lagen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vor bei 1. Asylberechtigten und 2. sonstigen Ausländern, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Von daher beinhaltete die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG zugleich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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Dabei bestimmt § 73 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen ist, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Allerdings hat nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Absatz 1 vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Weiter bestimmt § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG, dass in den Fällen, in denen nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt sind, die Entscheidung nach Abs. 1 - nur diese Norm kommt vorliegend in Betracht - im Ermessen der Behörde steht.

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Nun hat zwar das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestehende Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur im öffentlichen Interesse, nicht aber im privaten Interesse des jeweiligen Ausländers steht, so dass ein etwaiger Verstoß gegen dieses Gebot keine Rechte des betroffenen Ausländers verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2007 - 10 C 24/07 -, juris, mit weiteren Nachweisen). In einem weiteren Urteil vom 25. November 2008 - 10 C 53/07 -, juris, hat das BVerwG dann ausgeführt, dass der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft erst dann nach § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG im Ermessen des Bundesamts steht, wenn dieses zuvor in dem seit dem 1. Januar 2005 nach § 73 Abs. 2a AsylVfG vorgeschriebenen Verfahren die Widerrufsvoraussetzungen sachlich geprüft und verneint hat, d.h. ausdrücklich eine Negativentscheidung getroffen hat. Allerdings hat das BVerwG in diesem Urteil im Hinblick auf die durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) erfolgte Einführung des § 73 Abs. 2a AsylVfG auch ausgeführt:

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"Zwar bestand auch vor Inkrafttreten der in § 73 Abs. 2a AsylVfG getroffenen Regelung eine Verpflichtung des Bundesamts zum Widerruf von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorlagen (vgl. § 73 AsylVfG i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993, BGBl I S. 1361). Eine Prüfung und Verneinung der Widerrufsvoraussetzungen hatte nach damaligem Recht aber keine aufenthaltsrechtlichen Folgen, wie sie jetzt in § 26 Abs. 3 AufenthG mit der Verpflichtung zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zugunsten von Asylberechtigten und Flüchtlingen geregelt sind, wenn diese seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG besitzen und das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 2a AsylVfG mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme nicht vorliegen. Es handelte sich bei der bis zum Jahresende 2004 geltenden Regelung vielmehr um eine interne Überprüfungspflicht des Bundesamts, für die im Fall des Absehens vom Widerruf keine Mitteilung des Überprüfungsergebnisses an die Ausländerbehörde vorgeschrieben war und die auch keine Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Position des Ausländers zur Folge hatte. Eine derartige Überprüfung nach altem Recht - wie sie im vorliegenden Fall im Jahr 2002 erfolgt ist - hat eine andere Rechtsqualität als eine Überprüfung auf der Grundlage des seit dem 1. Januar 2005 geltenden Verfahrens nach § 73 Abs. 2a AsylVfG; sie kann daher auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen nicht einer Überprüfung in dem Verfahren nach § 73 Abs. 2a AsylVfG gleichgestellt werden. Hiervon ist auch der Gesetzgeber bei der Einfügung des Absatzes 7 in § 73 AsylVfG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ausgegangen. Denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte die Regelung der Klarstellung dienen, dass auch die vor dem 1. Januar 2005 erfolgten Anerkennungen, und zwar "innerhalb von vier Jahren" nach Einfügung des Absatzes 2a durch das Zuwanderungsgesetz zu überprüfen sind (BTDrucks 16/5065 S. 220).

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Gegen die Erstreckung der Neuregelung des § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG auf Alt-Überprüfungen spricht zudem, dass der Gesetzgeber anerkannten Flüchtlingen die aufenthaltsrechtlichen Verbesserungen, die § 26 Abs. 3 AufenthG gewährt, frühestens drei Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zum 1. Januar 2005 zugute kommen lässt, also Aufenthaltszeiten im Anschluss an eine Überprüfung nach altem Recht nicht erfasst. Denn nach § 102 Abs. 2 AufenthG wird die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis, wie sie Flüchtlinge nach § 70 Abs. 1 AsylVfG alter Fassung besaßen, zwar auf die 7-Jahres-Frist des § 26 Abs. 4 AufenthG angerechnet, nicht aber auf die 3-Jahres-Frist des § 26 Abs. 3 AufenthG. Anerkannte Flüchtlinge können nach dieser Regelung daher grundsätzlich frühestens vom 1. Januar 2008 an - nämlich nach dreijährigem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG - eine Niederlassungserlaubnis unter den erleichterten Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 AufenthG beanspruchen."

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Vorliegen besteht nun die Besonderheit, dass die Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Asylantrag vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, so dass gemäß § 73 Abs. 7 AsylVfG die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hatte.

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Daran fehlt es indessen vorliegend. Zwar kam die Beklagte bei einer internen Überprüfung im Oktober 2008 zu der Schlussfolgerung, dass die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr vorlägen. Allerdings hat die Beklagte vor dem 31. Dezember 2008 keine rechtsverbindliche Entscheidung hierzu getroffen, sondern die Klägerin erstmals im März 2009 zu einem beabsichtigten Widerruf angehört und dann erst zwei Jahre später - am 28. April 2011 - eine diesbezügliche Entscheidung getroffen. Von daher hat die Beklagte keine Entscheidung innerhalb der in § 73 Abs. 7 AsylVfG genannten Frist getroffen.

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Dies wiederum hat zur Überzeugung der Kammer zur Folge, dass nach Ablauf der Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG ein Widerruf im Sinne des § 73 Abs. 1 AsylVfG nur noch als Ermessensentscheidung erfolgen kann. Insoweit sind nämlich die Gründe, auf die das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung zur Erforderlichkeit einer Negativentscheidung im Sinne des § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG gestützt hat, auf Entscheidungen nach Ablauf der Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG nicht übertragbar.

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Das Asylverfahrensgesetz verhält sich nicht ausdrücklich zu der Frage, welche Rechtsfolge im Falle des Nichteinhaltens der Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG zu gelten hat. Aus dem Nichteinhalten der Prüfungsfrist kann aber nur folgen, dass die nicht fristgerechte Entscheidung des Bundesamtes einer negativen Entscheidung, dass die frühere Entscheidung nicht widerrufen werden soll, gleichzustellen ist. Dies ergibt sich daraus, dass für das Bundesamt durch das Zuwanderungsgesetz eine Pflicht zur Prüfung des Widerrufs der Asyl- oder Flüchtlingseigenschaft statuiert worden ist, die - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem auszugsweise zitierten Urteil vom 25. November 2008 ausgeführt hat - unmittelbaren Einfluss auf den aufenthaltsrechtlichen Status eines anerkannten Flüchtlings hat. Insoweit muss nämlich gesehen werden, dass den betroffenen Personen nach der Gesetzesbegründung zu § 26 Abs. 3 AufenthG eine Perspektive für eine dauerhafte Lebensplanung in Deutschland eröffnet werden soll (BT-Drucks. 15/420, S. 80; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.a.O.). Angesichts dieses Regelungszusammenhangs ist die Kammer der Auffassung, dass die Fristen in § 73 Abs. 2a und Abs. 7 AsylVfG auch dem Schutz des Ausländers dienen (so auch VG Darmstadt, Urteil vom 4. Juli 2011 - 3 K 398/10.DA.A, juris; VG Freiburg Urteil vom 12. Mai 2011 - A 3 K 364/10; VG München, Urteil vom 18. Oktober 2010 - M 25 K 09.50399 -; VG Frankfurt, Urteil vom 27. Januar 2010 - 6 K 2348/09.F.A -, alle veröffentlich in juris). Soweit in der Rechtsprechung insoweit teilweise eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 28. Dezember 2011 - AN 15 K 11.30466 -, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. August 2011 - 13a ZB 10.30399 -, VG Berlin, Urteil vom 15. Juni 2011 - 34 K 437.09 A -, juris, VG Bayreuth, Urteil vom 7. Juni 2011 - B 3 K 11.30072 -, alle veröffentlich in juris), kann sich die Kammer dem nicht anschließen, denn diese Rechtsprechung berücksichtigt zur Überzeugung des Gerichts die durch die Gesetzesänderung geschaffenen Auswirkungen auf den aufenthaltsrechtrechtlichen Status der Flüchtlinge, wie sie das BVerwG in seinem Urteil vom 25. November 2008 - 10 C 53/07 - aufgezeigt hat, nicht hinreichend.

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Demnach hätte im Fall der Klägerin - eine Änderung der Verhältnisse in Togo im Sinne des § 73 Abs. 1 AsylVfG unterstellt - eine Widerrufsentscheidung nur als Ermessensentscheidung ergehen dürfen. Da die Beklagte indessen kein Ermessen ausgeübt hat, stellt sich der Bescheid vom 28. April 2011 als rechtswidrig dar und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten, so dass er aufzuheben ist.

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Darüber hinaus erachtet die Kammer den Bescheid aber auch deshalb als rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nicht erfüllt sind.

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Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 e der Richtlinie 2004/83/EG setzt voraus, dass in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände im Herkunftsland diejenigen Umstände weggefallen sind, aufgrund derer der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung hatte und als Flüchtling anerkannt worden war. Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände liegt dann vor, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben; durch neue Tatsachen muss sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben, so dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht. Dauerhaft ist eine Veränderung, wenn eine Prognose ergibt, dass sich die Änderung der Umstände als stabil erweist, das heißt der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält (vgl. zu alledem BVerwG, Urteile vom 22. November 2011 - 10 C 29/10 - und vom 1. Juni 2011 - 10 C 25/10 -, beide veröffentlicht in juris).

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Dabei ist das Widerrufsverfahren kein "Super-Revisionsverfahren". Seine Funktion besteht nicht darin, rechtskräftige bzw. bestandskräftige frühere Entscheidungen kritisch zu hinterfragen, die ihnen zugrunde liegenden Verfahren neu aufzurollen und heute im Abstand von einigen Jahren zu fragen, was die damals richtige oder vermeintlich richtige Entscheidung gewesen wäre. Vielmehr ist die seinerzeit ergangene und rechtskräftig bzw. bestandskräftig gewordene Entscheidung mit ihren tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen so wie sie ergangen ist als Ausgangspunkt für die Frage eines Widerrufs zugrunde zu legen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. November 2009 - 10 A 10791/09.OVG -).

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Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass sich die Verhältnisse in Togo seit der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft der Klägerin im Jahr 1996 nicht nachhaltig dahingehend verändert haben, dass sie in ihrem Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keinen Verfolgungsmaßnahmen mehr ausgesetzt ist und die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 4 AuslG nicht mehr vorliegen.

31

Insoweit verweist die Kammer auf die nachfolgenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen in dessen Urteil vom 25. Januar 2011 - A 2 K 717/09 -, juris:

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Zur Situation in Togo hat die Kammer bereits mit Urteil vom 23.12.2008 (A 2 K 10860/05) folgendes festgestellt:

33

"Nach den gewaltsamen Ausschreitungen im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2005 hat sich die Lage seit dem ersten Halbjahr 2006 langsam entspannt. Verschiedene Beobachter, darunter das Länderteam der Vereinten Nationen und die Ligue Togolaise des droits de l'homme (LTDH) sind sich darüber einig, dass sich die allgemeine Sicherheitslage verbessert habe (SFH, 21.09.2006, S. 6). Präsident Faure Gnassingbe begann im Frühjahr 2006 den "Nationalen Dialog" mit den Oppositionsparteien. Am 20.08.2006 wurde unter Vermittlung des Präsidenten von Burkina Faso ein "Accord Politique Global" abgeschlossen, eine von allen politischen Parteien Togos unterzeichnete Vereinbarung, deren Ziele die Herstellung des Rechtsstaates, die Neubildung der Regierung und die Durchführung von international anerkannten Parlamentswahlen im Jahr 2007 waren. Am 10.09.2006 wurde eine neue Regierung unter Führung des früheren Oppositionspolitikers Yawovi Agboyibo, einem ausgewiesenen Menschenrechtsexperten des Comite d'Action pour le Renouveau (CAR), gebildet. Dieser hat am 07.11.2007 nach Abschluss der Parlamentswahlen seinen Rücktritt eingereicht, nachdem er selbst erklärte, seine Aufgabe, die Nationale Unabhängige Wahlkommission (CENI) bei der Durchführung freier und transparenter Wahlen zu unterstützen, erledigt zu haben. Staatspräsident Faure Gnassingbe hat nach den Wahlen angekündigt, die begonnenen Reformen fortzusetzen. Auch die Oppositionspartei "Union des Forces pour le Changement" (UFC) nimmt an diesem Dialog teil. Die Sicherheit hochrangiger Oppositioneller ist mittlerweile gewährleistet. Führer von Oppositionsparteien, die früher um ihr Leben fürchten mussten, sind heute in Lome relativ sicher. Das Bemühen der Regierung um Problemlösungen gemeinsam mit der Opposition ist zu erkennen. Exiloppositionelle werden bei ihrer Rückkehr nicht systematisch Opfer von Repressalien (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 29.01.2008 und vom 30.11.2006; Schweizer Flüchtlingshilfe, Togo: Rückkehrgefährdung bei exil-oppositionellen Tätigkeiten, 21.09.2006, S. 6ff.; ebenso SFH, Togo: Rückkehrgefährdung für ein Mitglied der Partei UFC, 10.11.2006, S. 2; vgl. auch taz vom 07.09.2006: Togo langsam wieder salonfähig). Im Bereich des Justizsystems und des Strafvollzugs sind Reformen eingeleitet worden. Alle Journalisten, die wegen regimekritischer Äußerungen inhaftiert worden waren, sind freigelassen worden (SFH, 21.09.2006, S. 6).

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Die "22 Verpflichtungen", auf die der im Frühjahr 2006 begonnene "Nationale Dialog" mit den Oppositionsparteien aufbaute, sind mittlerweile überwiegend umgesetzt. Alle Oppositionsparteien agieren nach gegenwärtiger Einschätzung des Auswärtigen Amtes frei und ohne Einschränkungen. Die politische Diskussion ist lebhaft. Die Printmedien befassen sich unbehelligt mit allen politischen Fragen, auch der Person des Präsidenten. Gezielte Übergriffe gegen Oppositionspolitiker und Journalisten sind dem Auswärtigen Amt in den Jahren 2006 und 2007 nicht bekannt geworden. Fälle, in denen es zu Nachteilen oder Repressionen gegen nahestehende Personen von Autoren aus dem Exil gekommen wäre, die sich in lokalen privaten Zeitungen kritisch über die Regierung äußerten, sind gleichfalls nicht bekannt geworden. Die Reformschritte haben die Anerkennung aller politischer Beobachter in Togo gefunden. Menschenrechtsorganisationen können sich ungehindert bewegen. Nach den im Dezember 2007 bekannten Feststellungen des IKRK saßen keine politischen Straftäter ein. Seit Beginn des politischen Dialogs sind auch keine Vorfälle mehr bekannt geworden, in denen politische Verfolgung wie in der Vergangenheit von militanten Anhängern der Regierungspartei RPT innerhalb und außerhalb der staatlichen Strukturen ausgegangen wäre. Hinsichtlich in der Vergangenheit feststellbarer extralegaler Tötungen und Fälle politisch motivierten "Verschwindenlassens" wurden seither keine neuen Vorwürfe mehr laut. Ebenso wurden keine neuen Fälle der früher praktizierten Einschüchterung durch kurzfristige Inhaftierungen ohne spätere Anklageerhebung mehr bekannt. Die Parlamentswahlen am 14.10.2007 wurden gewaltfrei und unter reger Beteiligung internationaler Beobachter durchgeführt. Trotz organisatorischer Mängel wurden die Wahlen international anerkannt. Im Parlament sind die Präsidentenpartei RPT, die die absolute Mehrheit erlangte, sowie UFC und CAR vertreten (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.01.2008). Allerdings hat ein wirklicher Regierungswechsel in Togo bisher nicht stattgefunden. Die Regierungspartei RPT stellt mit 50 von insgesamt 81 Abgeordneten nach den Wahlen im Oktober 2007 die deutliche Mehrheit im Parlament. Diese ist hauptsächlich in zwei Tendenzen gespalten, einerseits die Befürworter der Reformpolitik Faure Gnassingbes, andererseits die Konservativen, die von Faures Halbbruder Kpatcha repräsentiert werden. Zweitstärkste Kraft ist mit 27 Sitzen die UFC (SFH, 09.04.2008)."

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Dieses Lagebild wird durch die nunmehr vorliegenden Erkenntnismittel bestätigt und verfestigt. So heißt es etwa im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.06.2009: "Die Oppositionsparteien Togos sind zwar schwach organisiert und demokratisch unerfahren, können sich aber frei und ohne Einschränkungen im ganzen Land betätigen. Die politische Diskussion, bei der Regierung und Präsident z.T. deutlich kritisiert werden, ist lebhaft und wird über die allerdings nicht sehr auflagestarken Druckmedien, aber auch über der Opposition zugerechnete private Fernseh- und Radiosender geführt." Versammlungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit seien durch die Verfassung garantiert und würden seit 2006 auch respektiert. Seit Beginn des politischen Dialogs 2006 seien keine Repressionen Dritter mehr bekannt geworden. Es sei nicht bekannt, ob und in welchem Maße sich die Behörden konkrete Informationen über togoische Asylbewerber in Deutschland beschaffen könnten oder politische Aktivitäten von Togoern und togoischen Exilorganisationen in Deutschland beobachteten. Die bloße Mitgliedschaft in einer Exilorganisation oder ein Asylantrag allein löse nach vorliegenden Erkenntnissen keine Repressionen aus (so auch wieder der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.08.2010). Die Behörden seien in der Regel um korrekte Behandlung der Rückkehrer bemüht, um weder den deutschen Behörden noch den togoischen Exilorganisationen Anlass zur Kritik zu geben. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Grenzkontroll-, Polizei- oder andere Beamte Rückkehrer in Einzelfällen am Flughafen unkorrekt behandelten.

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Insgesamt haben sich damit gewichtige politische Veränderungen in Togo vollzogen. Die im März 2010 durchgeführten Präsidentschaftswahlen sind nach Einschätzung internationaler Beobachter überwiegend fair verlaufen, auch wenn Wahlbeobachter der EU einige Unregelmäßigkeiten (u.a. mangelnde Transparenz bei der Auszählung und Übermittlung der Stimmen) kritisiert hatten. Zwar gab es gegen die Wahl Proteste, insbesondere aus dem Lager des Gegenkandidaten Jean-Pierre Fabre, der Vorwurf des Wahlbetrugs konnte jedoch nicht bewiesen werden. Nach einer Prüfung der Wahlbeschwerden durch das Verfassungsgericht wurde Faure Gnassingbe als Wahlsieger bestätigt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.08.2010; Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft: "Focus Togo: Präsidentschaftswahlen 2010, Spaltung der UFC und Lage der Anhänger Jean-Pierre Fabres" vom 22.12.2010; Die Tageszeitung, 08.03.2010: Amtsinhaber Gnassingbe siegt bei Präsidentenwahlen; Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2010: Togos Präsident wiedergewählt; FAZ, 10.03.2010: Demonstration in Togo aufgelöst; Focus online, 18.03.2010: Verfassungsgericht bestätigt Wiederwahl von Faure Gnassingbe).

37

Insgesamt haben sich damit gewichtige politische Veränderungen in Togo vollzogen, die eine Durchbrechung der Rechtskraft von Urteilen, die - wie hier - zu Verfolgungshandlungen oder -gefahren durch das Regime Eyadema ergangen sind, rechtfertigen.

38

Die weitere Frage, ob zurückkehrende Togoer trotz der Änderung der politischen Verhältnisse weiterhin politische Verfolgung zu befürchten haben, lässt sich indes nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der individuellen Umstände beantworten. Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Beschluss vom 22.06.2009-7 LA 132/08-, Juris) und des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 20.11.2007-2 L 152/07-, Juris), wonach die Zulässigkeit des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung aufgrund der Veränderungen der politischen Verhältnisse in Togo nicht für alle Vorverfolgten oder früher von Verfolgung Bedrohten einheitlich zu beantworten ist.

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Denn bei der Prüfung, ob sich die Verhältnisse im Sinne von § 73 AsylVfG im Herkunftsstaat des Flüchtlings verbessert haben, geht es nicht (nur) um die allgemeine Situation in dem Verfolgerstaat. Der anzuwendende Maßstab ist vielmehr individuell, d. h. bezogen auf den konkreten Ausländer, der als Flüchtling anerkannt worden ist, und dem dieser Status wieder entzogen werden soll (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.06.2009-7 LA 132/08 -, Juris; so wohl auch EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 u.a. -, Juris, insbes. RdNr. 76). Dies bedeutet, dass je nachdem, welche Umstände zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus geführt haben, auch die Anforderungen an die Verbesserung der Verhältnisse im Heimatstaat und die Frage der Gefährdung im Falle einer Rückkehr individuell zu bewerten sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.06.2009 - 7 LA 132/08 -, Juris).

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Die Situation in Togo hat sich zwar deutlich zum Positiven gewendet, die diesbezügliche Entwicklung kann aber noch nicht als abgeschlossen bezeichnet werden. Insbesondere die Judikative weist - auch finanziell bedingt - noch deutliche Defizite auf und gilt als korruptionsanfällig, was auch Ausdruck der allgemeinen institutionellen Schwäche des Staates infolge langjähriger Diktatur sei (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 02.06.2009, S. 6).

41

Auch im Laufe des Jahres 2010 hat es einige Rückschläge gegeben, die darauf schließen fassen, dass Menschenrechtsverletzungen gegen Regimegegner immer noch - wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als früher - vorkommen. Im Zusammenhang mit den Wahlen vom 04.03.2010 berichtet das Auswärtige Amt im Lagebericht vom 26.08.2010 von der Verhaftung von Oppositionsanhängern und Journalisten. Die meisten seien nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden, mindestens vier befänden sich aber weiterhin ohne gerichtliches Verfahren in Haft (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 26.08.2010, S. 7). Auch der Umgang mit Demonstrationen der Opposition gibt Anlass zur Sorge. Teilweise wurden Demonstrationen - insbesondere außerhalb von Lome - verboten bzw. gewaltsam unterbunden. Das Büro des Hohen Kommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen habe in diesem Zusammenhang am 23.04.2010 von Verhaftungen und Misshandlungen von Oppositionsanhängern in den Städten Atakpame, Tsevie und Danyi berichtet; die deutsche Botschaft in Lome hält diese Berichte für plausibel. Mehrfach habe es im März und April 2010 in Lome auch Straßenschlachten zwischen jugendlichen Anhängern der UFC und den Sicherheitskräften gegeben, bei denen Menschen verletzt worden seien (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 26.08.2010, S. 6). Am 21. und 23.04.2010 wurden 73 Jugendliche bei Razzien in Lome verhaftet. Nach Einschätzung der Oppositionspresse und der togoischen Liga für Menschenrechte stellen diese Verhaftungen eine Repressalie dar, da im Zusammenhang mit einer verbotenen Protestveranstaltung der Opposition am 21.04.2010 gewaltsame Zusammenstöße zwischen oppositionellen Jugendlichen und den Sicherheitskräften ausgebrochen waren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 26.08.2010, S. 7).

42

Am 09.03.2010 wurden alle Computer und Unterlagen im Wahlauswertungszentrum der UFC und der sie unterstützenden Oppositionsparteien beschlagnahmt. Als Begründung für diese Aktion gab die Regierung an, dass die UFC im Begriff gewesen sei, das Wahlergebnis zu fälschen. Zwar wurden alle zunächst verhafteten elf Personen am nächsten Tag wieder freigelassen. Das Material wurde aber nicht zurückgegeben, was die Opposition als Beweis dafür nimmt, dass die Regierung das Wahlergebnis gefälscht hat. Diese Wahlfälschungsvorwürfe sind allerdings weder durch die EU-Wahlbeobachterkommission noch durch andere Wahlbeobachter bestätigt worden. Zu einem weiteren Zwischenfall kam es am 14.04.2010, als die Gendarmerie die Zentrale der UFC stürmte und verwüstete, Büroausstattung abtransportierte, angeblich umgerechnet ca. 34.000,- Euro entwendete und 77 anwesende UFC-Anhänger verhaftete. Diese wurden zwar bis zum nächsten Morgen wieder freigelassen, berichteten aber über brutales Verhalten der Gendarmen. Mehrere UFC Anhängerinnen gaben an, sexuell belästigt und z.T. sogar vergewaltigt worden zu sein. Die Gendarmerie hat den Einsatz als erforderlich zur Verhinderung einer nicht genehmigten Protestveranstaltung gerechtfertigt, die gegen sie erhobenen Vorwürfe als verleumderisch zurückgewiesen und gegen die Urheber der Vorwürfe Klage erhoben; diese Klage hat noch zu keinem Ergebnis geführt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 26.08.2010, S. 7).

43

Im Laufe des Jahres 2010 kam es zu einer Spaltung der wichtigsten Oppositionspartei UFC in zwei Flügel, einen um Jean-Pierre Fabre, Präsidentschaftskandidat und bislang Generalsekretär der Partei, den anderen um Gilchrist Olympio, nationaler Vorsitzender der Partei. Am 26.05.2010 unterschrieb Olympio im Namen der UFC einen Vertrag mit der Regierung; zwei Tage später wurde die neue Exekutive ernannt, welche sieben Minister der UFC mit einschloss. Der Vize-Präsident der UFC, Patrick Lawson, teilte Olympio daraufhin schriftlich mit, dass sich das Bureau National am 17.05.2010 nach einer von Olympio gewünschten Befragung der verschiedenen Parteisektionen eindeutig gegen den Eintritt der UFC in die Regierung ausgesprochen habe. Olympio sowie die UFC Regierungsmitglieder wurden aufgrund dieser Entscheidung vorläufig aus der Partei ausgeschlossen. Die Regierung anerkannte derweilen Olympio und seine Anhänger als einzige Vertreter der UFC (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft: "Focus Togo: Präsidentschaftswahlen 2010, Spaltung der UFC und Lage der Anhänger Jean-Pierre Fabres" vom 22.12.2010). Im August führte jeder der beiden Flügel einen außerordentlichen Parteitag durch. Zunächst fand am 10.08.2010 der der Fabre-Anhänger an einem geheim gehaltenen Ort in Lome statt, nachdem dieser offiziell verboten worden war und mit Tränengas und Schlagstöcken bewaffnete Polizisten den Zugang zum Gebäude vereitelt hatten. In einem Pressekommunique wurde die Absetzung von Gilchrist Olympio und die Einsetzung eines neuen nationalen Vorstandes von 68 Mitgliedern mit Jean-Pierre Fabre als erstem und Patrick Lawson als zweitem Vorsitzenden bekannt gegeben. Allerdings verweigerte das Ministerium für Territorialverwaltung die Annahme der auf dem Kongress gefassten Beschlüsse mit der Begründung, dass lediglich der Flügel um Olympio offiziell anerkannt sei. Ohne die offizielle Anerkennung der Entscheidungen des Kongresses ist dieser Teil der Partei nicht handlungsfähig. Am 12.08.2010 fand dann, ebenfalls in Lome, der außerordentliche Kongress des Parteiflügels um Gilchrist Olympio unter dem Schutz offizieller Sicherheitskräfte statt. Als Ehrengäste nahmen hochrangige Vertreter der Regierungspartei sowie des Parlaments teil, allerdings fehlten Vertreter togoischer Oppositionsparteien. Der Kongress bestätigte Gilchrist Olympio in seinem Amt als Parteivorsitzender, die Statuten wurden aktualisiert. Die Spaltung der Partei wurde bedauert, die Vorstandsmitglieder des abgespaltenen Flügels aus der Partei ausgeschlossen. Seither werden die seit der Wiederwahl von Faure Gnassingbe regelmäßig organisierten wöchentlichen Treffen der Opposition (Mittwochsgebet, Samstags-Demonstration) von den Sicherheitskräften sehr viel stärker zu verhindern gesucht, auch unter Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken. So sollen - anlässlich einer Kundgebung des FRAC (Zusammenschluss von Oppositionsparteien, darunter der UFC-Fabre-Flügel) Anfang September 2010 - Jean-Pierre Fabre sowie einige seiner Begleiter verletzt und sein Fahrzeug beschädigt worden sein, als sie von Sicherheitskräften angegriffen wurden (Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht Togo Juli bis September 2010, abrufbar unter www.hss.de).

44

Auch das Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft stellt in seinem Bericht vom 22.12.2010 fest, dass seit Fabres Sonderkongress vom 10.08.2010 die Repressionen allgemein härter geworden seien. Das "Collectif des Associations contre l'impunite au Togo" (CACIT) habe bei einer der regelmäßigen Demonstrationen des FRAG vom 09.10.2010 zwei Personen mit schweren Schussverletzungen registriert. Die "Organisations des Droits de l'Homme" (ODDH) hätten in einer Erklärung vom 30.10.2010 die "systematische und unverhältnismäßige" Repression der vom FRAC veranstalteten friedlichen Demonstrationen verurteilt. Bei diesen Auseinandersetzungen sei es vermehrt zu Verletzten, willkürlichen Verhaftungen und Einschüchterungen gekommen. Auch seien Objekte, welche den Demonstranten oder Passanten gehörten, wie zum Beispiel Motorfahrräder, konfisziert worden. Neben den Zusammenstößen bei den öffentlichen Protestmärschen sei es vor und nach den Wahlen, sowohl in Lome als auch in anderen Landesteilen, zur Einschüchterung oder gar Verhaftung von Regierungsgegnern verschiedener oppositioneller Bewegungen und Parteien gekommen (Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft: "Focus Togo: Präsidentschaftswahlen 2010, Spaltung der UFC und Lage der Anhänger Jean-Pierre Fabres" vom 22.12.2010).

45

Insgesamt ist die Lage in Togo derzeit ambivalent. Formell hat Togo in den letzten Jahren einige wichtige Schritte in Richtung Demokratie unternommen: Die Wahlen, zu denen sechs Oppositionskandidaten zugelassen wurden, verliefen weitgehend friedlich und wurden - trotz Unregelmäßigkeiten - von zahlreichen Wahlbeobachtern im Großen und Ganzen als frei und fair bewertet. Entsprechend haben alle wichtigen internationalen Institutionen das Wahlergebnis anerkannt. Die Meinungsfreiheit ist in Togo aber noch immer eingeschränkt. Repressionen gegen Mitglieder und Sympathisanten legaler Parteien sind keineswegs eine Ausnahme. Angesichts der wiederholten Missachtungen der Menschenrechte seitens der neuen Regierung gegen politische Gegner sind Anhänger der Opposition weiterhin einem erhöhten Risiko staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Es bestehen indessen keine Hinweise auf systematische, länger dauernde Inhaftierungen oder gar Verurteilungen. Alle wichtigen Oppositionsführer befinden sich weiterhin auf freiem Fuß (vgl. Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft: "Focus Togo: Präsidentschaftswahlen 2010, Spaltung der UFC und Lage der Anhänger Jean-Pierre Fabres" vom 22.12.2010).

46

Vor diesem Hintergrund kann eine generelle Aussage zur Sicherheit zurückkehrender oppositioneller Togoer (noch) nicht getroffen werden (a.A. Bayerischer VGH, Beschluss vom 03.06.2009 - 9 B 09.30074 -, Juris), sondern es ist vor dem Hintergrund des individuellen Verfolgungsschicksals zu prüfen, ob beim derzeitigen Stand des Demokratisierungsprozesses in Togo dem Betroffenen weiter Verfolgung droht oder nicht.

47

Bei der Klägerin ist die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht durch stichhaltige Gründe widerlegt.

48

Aus denselben Gründen wäre die Klägerin in Togo auch (bei Anwendung des alten Prognosemaßstabs) nicht hinreichend sicher.

49

Dieses Ergebnis wird auch durch die Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 18.05.2009 ("Togo: Mitgliedschaft bei der Union des Forces du Changement [UFC]") untermauert. Danach geht die Togo-Expertin Farida Troare davon aus, dass weiterhin unbekannte Mitglieder der UFC heimlich verhaftet, bedroht oder gefoltert werden. Zwar sei die Sicherheit hochrangiger Oppositioneller gegeben (was man aus heutiger Sicht allerdings auch bezweifeln müsste, wenn es zutrifft, dass Jean-Pierre Fabre und Koffi Yamgnane bei Protestveranstaltungen verletzt worden sind), jedoch könnten Oppositionelle mit niedrigem politischen Profil immer noch Ziel von Repressionen von Seiten der Regierung beziehungsweise im Auftrag von Einzelpersonen aus dem Regierungsumfeld werden. Ein Oppositioneller, der in Europa gelebt habe, werde von den Behörden viel argwöhnischer beobachtet als derjenige, der beispielsweise in Ghana oder Benin Zuflucht gefunden habe (SFH, Auskunft vom 18.05.2009: Togo: Mitgliedschaft bei der Union des Forces du Changement [UFC])."

50

Diese Ausführungen erachtet die Kammer als auf die Klägerin übertragbar, da nichts dafür ersichtlich ist, dass K... zwischenzeitlich aus der Haft entlassen worden oder überhaupt noch am Leben ist.

51

Hinzu kommt, dass die Arbeitsgruppe des Universal Periodic des UN-Menschenrechtsrates in ihrem Bericht zu Togo im Juli 2011 u.a. ihre Sorge über die weiterhin große Zahl an willkürlich inhaftierten Personen sowie Verschwundenen zum Ausdruck gebracht hat (vgl. amnesty international an VG Köln, Stellungnahme vom 11. Oktober 2011 - AFR 57-11.013 mit weiteren Nachweisen). Außerdem hat die Friedrich Ebert Stiftung in einer Stellungnahme vom 8. August 2011 an das VG Köln ausgeführt, dass 2008 und 2010 Oppositionsmitglieder unter dem Vorwand, die Staatssicherheit zu gefährden, verhaftet worden seien. Außerdem sei es zu Übergriffen durch die Polizei auf Oppositionsmitglieder gekommen. Grundsätzlich seien Oppositionsmitglieder in Togo weiterhin gefährdet.

52

Aus alledem schlussfolgert die Kammer, dass in Togo keine einen Widerruf der Flüchtlingseigenschaft der Klägerin rechtfertigende nachhaltige Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist, die gewährleistet, dass sie hinreichenden Schutz vor Verfolgung erhalten kann.

53

Demnach kann der Klage mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenentscheidung der Erfolg nicht versagt bleiben; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

54

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

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(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindesten

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 102 Fortgeltung ausländerrechtlicher Maßnahmen und Anrechnung


(1) Die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, Verbote und Beschränkungen der politischen Betätigung sowie Ausweisungen, Abschiebungs

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 73 Sonstige Beteiligungserfordernisse im Visumverfahren, im Registrier- und Asylverfahren und bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln


(1) Daten, die im Visumverfahren von der deutschen Auslandsvertretung oder von der für die Entgegennahme des Visumantrags zuständigen Auslandsvertretung eines anderen Schengen-Staates zur visumantragstellenden Person, zum Einlader und zu Personen, di

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Tenor Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 5. Kammer - vom 05.06.2007 wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe 1

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Daten, die im Visumverfahren von der deutschen Auslandsvertretung oder von der für die Entgegennahme des Visumantrags zuständigen Auslandsvertretung eines anderen Schengen-Staates zur visumantragstellenden Person, zum Einlader und zu Personen, die durch Abgabe einer Verpflichtungserklärung oder in anderer Weise die Sicherung des Lebensunterhalts garantieren, oder zu sonstigen Referenzpersonen im Inland erhoben werden, können über das Bundesverwaltungsamt zur Feststellung von Versagungsgründen nach § 5 Absatz 4, § 27 Absatz 3a oder zur Prüfung von sonstigen Sicherheitsbedenken an den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Zollkriminalamt übermittelt werden. Das Verfahren nach § 21 des Ausländerzentralregistergesetzes bleibt unberührt. In den Fällen des § 14 Abs. 2 kann die jeweilige mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörde die im Visumverfahren erhobenen Daten an die in Satz 1 genannten Behörden übermitteln.

(1a) Daten, die zur Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität nach § 16 Absatz 1 Satz 1 des Asylgesetzes und § 49 zu Personen im Sinne des § 2 Absatz 1a, 2 Nummer 1 des AZR-Gesetzes erhoben werden oder bereits gespeichert wurden, können über das Bundesverwaltungsamt zur Feststellung von Versagungsgründen nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2 des Asylgesetzes, § 60 Absatz 8 Satz 1 sowie § 5 Absatz 4 oder zur Prüfung von sonstigen Sicherheitsbedenken an den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Zollkriminalamt übermittelt werden. Die in Satz 1 genannten Daten können über das Bundesverwaltungsamt zur Feststellung der in Satz 1 genannten Versagungsgründe oder zur Prüfung sonstiger Sicherheitsbedenken auch für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach den §§ 73 bis 73b des Asylgesetzes vorliegen, an die in Satz 1 genannten Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste übermittelt werden. Ebenso können Daten, die zur Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität

1.
nach § 16 Absatz 1 Satz 1 des Asylgesetzes, § 49 Absatz 5 Nummer 5, Absatz 8 und 9 erhoben oder nach Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 von einem anderen Mitgliedstaat an die Bundesrepublik Deutschland übermittelt wurden zu Personen, für die ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch eines anderen Mitgliedstaates an die Bundesrepublik Deutschland nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestellt wurde,
2.
nach § 49 Absatz 5 Nummer 6 zu Personen erhoben wurden, die für ein Aufnahmeverfahren nach § 23 oder die Gewährung von vorübergehendem Schutz nach § 24 vorgeschlagen und von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in die Prüfung über die Erteilung einer Aufnahmezusage einbezogen wurden, oder
3.
nach § 49 Absatz 5 Nummer 6 erhoben oder von einem anderen Mitgliedstaat an die Bundesrepublik Deutschland übermittelt wurden zu Personen, die auf Grund von Maßnahmen nach Artikel 78 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in das Bundesgebiet umverteilt werden sollen und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in die Prüfung über die Erteilung einer Aufnahmezusage einbezogen wurden,
über das Bundesverwaltungsamt zur Feststellung von Versagungsgründen oder zur Prüfung sonstiger Sicherheitsbedenken an die in Satz 1 benannten Behörden übermittelt werden. Zusammen mit den Daten nach Satz 1 können zu den dort genannten Personen dem Bundeskriminalamt für die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben die Daten nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 3 des AZR-Gesetzes, Angaben zum Zuzug oder Fortzug und zum aufenthaltsrechtlichen Status sowie Daten nach § 3 Absatz 2 Nummer 6 und 9 des AZR-Gesetzes übermittelt werden. Zu den Zwecken nach den Sätzen 1 bis 3 ist auch ein Abgleich mit weiteren Datenbeständen beim Bundesverwaltungsamt zulässig.

(2) Die Ausländerbehörden können zur Feststellung von Versagungsgründen gemäß § 5 Abs. 4 oder zur Prüfung von sonstigen Sicherheitsbedenken vor der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung die bei ihnen gespeicherten personenbezogenen Daten zu den betroffenen Personen über das Bundesverwaltungsamt an den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und das Zollkriminalamt sowie an das Landesamt für Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt oder die zuständigen Behörden der Polizei übermitteln. Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann bei Übermittlungen an die Landesämter für Verfassungsschutz technische Unterstützung leisten.

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste teilen dem Bundesverwaltungsamt unverzüglich mit, ob Versagungsgründe nach § 5 Abs. 4 oder sonstige Sicherheitsbedenken vorliegen; bei der Übermittlung von Mitteilungen der Landesämter für Verfassungsschutz zu Anfragen der Ausländerbehörden nach Absatz 2 kann das Bundesamt für Verfassungsschutz technische Unterstützung leisten. Die deutschen Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden übermitteln den in Satz 1 genannten Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten unverzüglich die Gültigkeitsdauer der erteilten und verlängerten Aufenthaltstitel; werden den in Satz 1 genannten Behörden während des Gültigkeitszeitraums des Aufenthaltstitels Versagungsgründe nach § 5 Abs. 4 oder sonstige Sicherheitsbedenken bekannt, teilen sie dies der zuständigen Ausländerbehörde oder der zuständigen Auslandsvertretung unverzüglich mit. Die in Satz 1 genannten Behörden dürfen die übermittelten Daten verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Übermittlungsregelungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(3a) Die in Absatz 1a genannten Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste teilen dem Bundesverwaltungsamt unverzüglich mit, ob Versagungsgründe nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2 des Asylgesetzes, § 60 Absatz 8 Satz 1 sowie nach § 5 Absatz 4 oder sonstige Sicherheitsbedenken vorliegen. Das Bundesverwaltungsamt stellt den für das Asylverfahren sowie für aufenthaltsrechtliche Entscheidungen zuständigen Behörden diese Information umgehend zur Verfügung. Die infolge der Übermittlung nach Absatz 1a und den Sätzen 1 und 2 erforderlichen weiteren Übermittlungen zwischen den in Satz 1 genannten Behörden und den für das Asylverfahren sowie für die aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen zuständigen Behörden dürfen über das Bundesverwaltungsamt erfolgen. Die in Satz 1 genannten Behörden dürfen die ihnen übermittelten Daten verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Das Bundesverwaltungsamt speichert die übermittelten Daten, solange es für Zwecke des Sicherheitsabgleiches erforderlich ist. Das Bundeskriminalamt prüft unverzüglich, ob die nach Absatz 1a Satz 4 übermittelten Daten der betroffenen Person den beim Bundeskriminalamt gespeicherten personenbezogenen Daten zu einer Person zugeordnet werden können, die zur Fahndung ausgeschrieben ist. Ist dies nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt die nach Absatz 1a Satz 4 übermittelten Daten der betroffenen Person unverzüglich zu löschen. Ergebnisse zu Abgleichen nach Absatz 1a Satz 5, die der Überprüfung, Feststellung oder Sicherung der Identität dienen, können neben den für das Registrier- und Asylverfahren sowie für die aufenthaltsrechtliche Entscheidung zuständigen Behörden auch der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und den zuständigen Behörden der Polizei übermittelt werden. Übermittlungsregelungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(3b) Die in Absatz 1 genannten Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste teilen dem Bundesverwaltungsamt unverzüglich mit, ob Versagungsgründe nach § 27 Absatz 3a vorliegen. Werden den in Satz 1 genannten Behörden während des nach Absatz 3 Satz 2 mitgeteilten Gültigkeitszeitraums des Aufenthaltstitels Versagungsgründe nach § 27 Absatz 3a bekannt, teilen sie dies der zuständigen Ausländerbehörde oder der zuständigen Auslandsvertretung unverzüglich mit. Die in Satz 1 genannten Behörden dürfen die übermittelten Daten verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Übermittlungsregelungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(3c) In Fällen der Mobilität nach den §§ 16c, 18e und 19a kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Feststellung von Ausweisungsinteressen im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und zur Prüfung von sonstigen Sicherheitsbedenken die bei ihm gespeicherten personenbezogenen Daten zu den betroffenen Personen über das Bundesverwaltungsamt an die in Absatz 2 genannten Sicherheitsbehörden übermitteln. Die in Absatz 2 genannten Sicherheitsbehörden teilen dem Bundesverwaltungsamt unverzüglich mit, ob Ausweisungsinteressen im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 oder sonstige Sicherheitsbedenken vorliegen. Die in Satz 1 genannten Behörden dürfen die übermittelten Daten speichern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Übermittlungsregelungen nach anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(4) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bestimmt unter Berücksichtigung der aktuellen Sicherheitslage durch allgemeine Verwaltungsvorschriften, in welchen Fällen gegenüber Staatsangehörigen bestimmter Staaten sowie Angehörigen von in sonstiger Weise bestimmten Personengruppen von der Ermächtigung der Absätze 1 und 1a Gebrauch gemacht wird. In den Fällen des Absatzes 1 erfolgt dies im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Die vor dem 1. Januar 2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere zeitliche und räumliche Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen, Verbote und Beschränkungen der politischen Betätigung sowie Ausweisungen, Abschiebungsandrohungen, Aussetzungen der Abschiebung und Abschiebungen einschließlich ihrer Rechtsfolgen und der Befristung ihrer Wirkungen sowie begünstigende Maßnahmen, die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren und Befreiungen von der Passpflicht, Entscheidungen über Kosten und Gebühren, bleiben wirksam. Ebenso bleiben Maßnahmen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit Sicherheitsleistungen wirksam, auch wenn sie sich ganz oder teilweise auf Zeiträume nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beziehen. Entsprechendes gilt für die kraft Gesetzes eingetretenen Wirkungen der Antragstellung nach § 69 des Ausländergesetzes.

(2) Auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 wird die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.02.2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am ... geborene Kläger ist albanischer Volkszugehöriger und stammt aus dem Kosovo.
Im Februar 1993 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 13.04.1993 einen Asylantrag stellte. Gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 04.08.1993 erhob er Klage. Mit Urteil vom 17.05.1995 - A 12 K 14319/93 - hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begründung führte es aus, die serbische Polizei habe, als sie seinen Bruder besucht habe, stattdessen ihn - den Kläger - mitgenommen und 2 Tage lang inhaftiert. Sodann sei er freigelassen worden mit der Aufforderung, sich erneut mit seinem Pass zu melden. Er habe ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen müssen, bei Erfüllung der Aufforderung, auf der Polizeistation zu erscheinen, willkürlichen menschenrechtswidrigen Übergriffen durch serbische Polizisten mit Gefahren für Leib, Leben oder persönliche Freiheit ausgesetzt zu sein. Nachdem das Urteil rechtskräftig war, erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Kläger mit Bescheid vom 08.08.1995 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Mit Schreiben vom 01.12.2008 bat die Stadt ... ... ... das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - um Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine politische Verfolgung des Klägers noch gegeben seien. Für den Fall des Widerrufs des Asylrechts seien wegen des Bezugs öffentlicher Mittel aufenthaltsbeendende Maßnahmen geplant. Am 28.07.2008 sei ihm eine Niederlassungserlaubnis erteilt worden.
Mit Schreiben vom 02.03.2009 teilte das Bundesamt dem Kläger mit, es sei ein Widerrufsverfahren eingeleitet worden. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Kosovo lägen nicht mehr vor. Ihm werde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Von dieser Möglichkeit machte der Kläger jedoch keinen Gebrauch.
Mit Bescheid vom 18.02.2010 widerrief das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter vom 24.05.1995 und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. - Der Bescheid wurde dem Kläger am 20.02.2010 zugestellt.
Der Kläger hat am 04.03.2010 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung sei, selbst wenn von einer Verlängerung der Frist bis 31.12.2008 ausgegangen werden müsse, bereits deswegen unzulässig, weil der Widerruf nicht innerhalb der Dreijahresfrist des § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG erfolgt sei. Offen bleiben könne, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Dreijahresfrist die Einleitung des Prüfungsverfahrens oder der Abschluss des Prüfungsverfahrens, also die Ausfertigung bzw. Zustellung des Widerrufsbescheids sei. Zwar seien die ersten Prüfungsschritte durch die Beklagte mit Schreiben vom 11.12.2008, also noch innerhalb der Dreijahresfrist erfolgt. Erst mit Aktenvermerk vom 26.02.2009 sei jedoch die „offizielle“ Prüfung der Einleitung eines Verfahrens durchgeführt worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass die Dreijahresfrist des § 73 Abs. 2a AsylVfG am 01.01.2005 zu laufen begonnen habe. Es habe jedoch offen gelassen, welche Rechtsfolgen sich an eine pflichtwidrige Unterlassung der Prüfung knüpften, insbesondere ob die Prüfungspflicht nur im öffentlichen Interesse oder nicht zumindest auch im Interesse des anerkannten Asylberechtigten oder Flüchtlings bestehe. Diese Frage sei dahingehend zu beantworten, dass die Prüfungspflicht nicht nur im öffentlichen Interesse bestehe, sondern vielmehr auch ein subjektives Recht eines Asylberechtigten begründe. Denn an den Ausgang des Prüfungsverfahrens seien erhebliche Konsequenzen geknüpft. So setze die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis die Prüfung und Negativentscheidung hinsichtlich eines möglichen Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung voraus. Die pflichtwidrige Unterlassung des Prüfungsverfahrens habe zur Folge, dass ein späterer Widerruf eine Ermessensentscheidung des Bundesamtes erfordere. Personen, bei welchen die Prüfung des Widerrufsverfahrens pflichtwidrig unterlassen worden sei, könnten nicht schlechter gestellt werden als Asylberechtigte, bei welchen eine Negativentscheidung erfolgt sei. Eine solche Ermessensentscheidung habe die Beklagte vorliegend jedoch nicht getroffen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 18.02.2010 aufzuheben,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
12 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Bundesamtes und die dem Kläger mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilten Erkenntnismittel vor. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
13 
Der Einzelrichter konnte verhandeln und entscheiden, obwohl nicht sämtliche Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Denn auf diese Möglichkeit ist in den ordnungsgemäß bewirkten Ladungen hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 18.02.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Abs. 1 vorliegen, hat gem. § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens nach Ablauf von 3 Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen (§ 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG). Wenn die Entscheidung über den Asylantrag vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden ist, hat die Prüfung nach Abs. 2a Satz 1 spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 7 AsylVfG).
16 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 12.06.2007 - 10 C 24.07 -, NVwZ 2007, 1330 = InfAuslR 2007, 401) kann seit Einführung der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a AsylVfG, nach deren Ablauf das Bundesamt spätestens die Widerrufsvoraussetzungen prüfen und das Ergebnis der Ausländerbehörde mitteilen muss, der zwingende Widerruf einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung nicht mehr - wie bisher - zeitlich unbegrenzt, sondern nur noch in einem Zeitraum von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung zuzüglich eines angemessenen Prüfungszeitraumsausgesprochen werden. Entsprechendes gilt für die nach § 73 Abs. 7 AsylVfG geltende und im vorliegenden Fall einschlägige Vier-Jahres-Frist. Damit hat die Fristenregelung nicht nur Bedeutung für die Pflicht zur Prüfung des Bundesamts über den Widerruf, sondern auch Auswirkungen auf die der Prüfung nachfolgende Entscheidung über den Widerruf (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010 - 6 K 2348/09 -.F.A - juris; a.A. Bayer.VGH, Urt. v. 21.03.2011 - 13a B 10.30074 -, abrufbar bei www.bamf.de/milo).
17 
Das Bundesamt hat die am 31.12.2008 abgelaufene Frist zuzüglich eines angemessenen Prüfungszeitraumes versäumt. Offen bleiben kann, ob das Bundesamt die Frist schon deshalb versäumt hat, weil die Außenstelle Karlsruhe erst mit Verfügung vom 26.02.2009 nach am selben Tage erfolgter „Prüfung der Einleitung eines Verfahrens gem. § 73 I 1 AsylVfG“ die Einleitung des Widerrufsverfahrens beschloss (in diesem Fall die Versäumung der Frist bejahend: VG Freiburg, Urt. v. 03.03.2011 - A 6 K 1184/10 -), oder ob das Schreiben des Bundesamtes an die Stadt Weil am Rhein vom 11.12.2008, in dem u.a. um Mitteilung von Informationen zum eventuellen Wegfall des Status i.S. des Art. 16a Abs. 1 GG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG, zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und zur Frage, ob eine Aufenthaltsbeendigung konkret beabsichtigt ist, ausreichte, um (zunächst) den Ablauf der Frist zu verhindern. Denn jedenfalls ist es nach Auffassung des Einzelrichters erforderlich, dass die Prüfung nicht nur vor Ablauf der Frist eingeleitet, sondern darüber hinaus innerhalb eines angemessenen Prüfungszeitraums durch Erlass des Widerrufsbescheids abgeschlossen wurde (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.a.O.; VG Hannover, Urt. v. 27.10.2010 - 6 A 410/09 -, juris, m.w.N.; weitergehend VG Hamburg, Urt. v. 22.06.2010 - 10 A 444/09 - und 27.07.2010 - 10 A 445/09 -, jew. zit. nach juris; a.A. VG Gießen, Urt. v. 01.09.2010 - 8 K 3155/09.GI.A -, AuAS 2010, 275, wonach die Vorschrift des § 73 Abs. 7 AsylVfG lediglich verlange, dass die Prüfung der Einleitung eines Verfahrens spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen habe). Dieser von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch gebilligte Prüfungszeitraum ist im vorliegenden Fall bei Weitem überschritten. Denn nach ergebnislosem Ablauf der dem Kläger mit Schreiben vom 02.03.2009 eingeräumten Stellungnahmefrist von einem Monat bestanden keine Gründe mehr, die dem Erlass des Widerrufsbescheids entgegenstanden. Dennoch erging die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes erst im Februar 2010. Ein angemessener Zeitraum für die Prüfung, ob die Asylanerkennung sowie die Feststellung des § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt bei Weitem abgelaufen.
18 
Die vom Bundesamt nach § 73 Abs. 7 AsylVfG einzuhaltende Frist ist auch den Interessen des Ausländers zu dienen bestimmt (vgl. GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 73, Rn. 89; VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.a.O.; a.A. Bergmann in Renner, AuslR, § 73 AsylVfG, Rn. 29; offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 20.03.2007 - 1 C 21.06 -, AuAS 2007, 164). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestehende Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Asylberechtigung oder der Flüchtlingseigenschaft nur im öffentlichen Interesse, nicht aber im privaten Interesse des jeweiligen Ausländers steht, so dass ein etwaiger Verstoß gegen dieses Gebot keine Rechte des betroffenen Ausländers verletzt (BVerwG, Urt. v. 12.06.2007, a.a.O.). Für die Einhaltung der Fristen der § 73 Abs. 2a und Abs. 7 AsylVfG kann dies aber nicht gelten. Der zwingende Widerruf einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung kann nach jetziger Rechtslage vom Bundesamt nicht mehr – wie bisher - zeitlich unbegrenzt, sondern nur noch in einem Zeitraum von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung bzw. bei „Altanerkennungen“ bis 31.12.2008 ausgesprochen werden (BVerwG, Urt. v. 12.06.2007, a.a.O.). Muss ein als Asylberechtigter oder als Flüchtling im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG anerkannter Ausländer während der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a AsylVfG bei Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen regelmäßig mit dem Widerruf des Anerkennungsbescheids rechnen, so genießt er nach der gesetzlichen Konzeption jedenfalls in diesem Zeitraum kein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich der Aufrechterhaltung seines Asyl- bzw. Flüchtlingsstatus, womit ein Anknüpfungspunkt für die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG und des § 48 Abs. 4 VwVfG fehlt (BVerwG, Urt. v. 12.06.2007, a.a.O.). Auf der anderen Seite wurde mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 festgelegt, dass ein Asylberechtigter nicht wie nach bisheriger Rechtslage eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich eine befristete Aufenthaltserlaubnis bekommt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG); gleiches gilt für Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (§ 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die Aufenthaltserlaubnis für diesen Personenkreis wird für längstens drei Jahre erteilt (§ 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis auf drei Jahre korrespondiert mit der in § 73 Abs. 2a AsylVfG geregelten Frist zur Überprüfung der Voraussetzungen der Anerkennungsentscheidung (BT-Drucks. 15/420, S. 80). Einem Ausländer, der seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 73 Abs. 2a AsylVfG mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder für die Rücknahme nicht vorliegen (§ 26 Abs. 3 AufenthG). Demnach hat die Mitteilung des Bundesamtes nach § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG anspruchsbegründende Wirkung, d.h. mit der Mitteilung erwirbt der betreffende Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Den betroffenen Personen soll damit nach der Gesetzesbegründung die Perspektive für eine dauerhafte Lebensplanung in Deutschland eröffnet werden (BT-Drucks. 15/420, S. 80; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.a.O.). Angesichts dieses Regelungszusammenhangs ist auch davon auszugehen, dass die Fristen in § 73 Abs. 2a und Abs. 7 AsylVfG auch dem Schutz des Ausländers dienen.
19 
Offen bleiben kann, ob die Nichteinhaltung der Frist nach § 73 Abs. 7 AsylVfG der Negativentscheidung i.S. von § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG mit der Folge gleichzustellen ist, dass ein Widerruf (nur noch) im Ermessensweg möglich ist (so VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.A. GK-AsylVfG, a.a.O., Rn. 105; a.A. VG Hamburg, Urt. v. 22.06.2010 und 27.07.2010, a.a.O.). Denn der Bescheid des Bundesamtes vom 18.02.2010 ist, selbst wenn ein Widerruf im Ermessenswege möglich wäre, jedenfalls wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig.
20 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG).

Gründe

 
13 
Der Einzelrichter konnte verhandeln und entscheiden, obwohl nicht sämtliche Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Denn auf diese Möglichkeit ist in den ordnungsgemäß bewirkten Ladungen hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 18.02.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Abs. 1 vorliegen, hat gem. § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens nach Ablauf von 3 Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen (§ 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG). Wenn die Entscheidung über den Asylantrag vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden ist, hat die Prüfung nach Abs. 2a Satz 1 spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 7 AsylVfG).
16 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 12.06.2007 - 10 C 24.07 -, NVwZ 2007, 1330 = InfAuslR 2007, 401) kann seit Einführung der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a AsylVfG, nach deren Ablauf das Bundesamt spätestens die Widerrufsvoraussetzungen prüfen und das Ergebnis der Ausländerbehörde mitteilen muss, der zwingende Widerruf einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung nicht mehr - wie bisher - zeitlich unbegrenzt, sondern nur noch in einem Zeitraum von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung zuzüglich eines angemessenen Prüfungszeitraumsausgesprochen werden. Entsprechendes gilt für die nach § 73 Abs. 7 AsylVfG geltende und im vorliegenden Fall einschlägige Vier-Jahres-Frist. Damit hat die Fristenregelung nicht nur Bedeutung für die Pflicht zur Prüfung des Bundesamts über den Widerruf, sondern auch Auswirkungen auf die der Prüfung nachfolgende Entscheidung über den Widerruf (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010 - 6 K 2348/09 -.F.A - juris; a.A. Bayer.VGH, Urt. v. 21.03.2011 - 13a B 10.30074 -, abrufbar bei www.bamf.de/milo).
17 
Das Bundesamt hat die am 31.12.2008 abgelaufene Frist zuzüglich eines angemessenen Prüfungszeitraumes versäumt. Offen bleiben kann, ob das Bundesamt die Frist schon deshalb versäumt hat, weil die Außenstelle Karlsruhe erst mit Verfügung vom 26.02.2009 nach am selben Tage erfolgter „Prüfung der Einleitung eines Verfahrens gem. § 73 I 1 AsylVfG“ die Einleitung des Widerrufsverfahrens beschloss (in diesem Fall die Versäumung der Frist bejahend: VG Freiburg, Urt. v. 03.03.2011 - A 6 K 1184/10 -), oder ob das Schreiben des Bundesamtes an die Stadt Weil am Rhein vom 11.12.2008, in dem u.a. um Mitteilung von Informationen zum eventuellen Wegfall des Status i.S. des Art. 16a Abs. 1 GG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG, zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und zur Frage, ob eine Aufenthaltsbeendigung konkret beabsichtigt ist, ausreichte, um (zunächst) den Ablauf der Frist zu verhindern. Denn jedenfalls ist es nach Auffassung des Einzelrichters erforderlich, dass die Prüfung nicht nur vor Ablauf der Frist eingeleitet, sondern darüber hinaus innerhalb eines angemessenen Prüfungszeitraums durch Erlass des Widerrufsbescheids abgeschlossen wurde (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.a.O.; VG Hannover, Urt. v. 27.10.2010 - 6 A 410/09 -, juris, m.w.N.; weitergehend VG Hamburg, Urt. v. 22.06.2010 - 10 A 444/09 - und 27.07.2010 - 10 A 445/09 -, jew. zit. nach juris; a.A. VG Gießen, Urt. v. 01.09.2010 - 8 K 3155/09.GI.A -, AuAS 2010, 275, wonach die Vorschrift des § 73 Abs. 7 AsylVfG lediglich verlange, dass die Prüfung der Einleitung eines Verfahrens spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen habe). Dieser von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch gebilligte Prüfungszeitraum ist im vorliegenden Fall bei Weitem überschritten. Denn nach ergebnislosem Ablauf der dem Kläger mit Schreiben vom 02.03.2009 eingeräumten Stellungnahmefrist von einem Monat bestanden keine Gründe mehr, die dem Erlass des Widerrufsbescheids entgegenstanden. Dennoch erging die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes erst im Februar 2010. Ein angemessener Zeitraum für die Prüfung, ob die Asylanerkennung sowie die Feststellung des § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt bei Weitem abgelaufen.
18 
Die vom Bundesamt nach § 73 Abs. 7 AsylVfG einzuhaltende Frist ist auch den Interessen des Ausländers zu dienen bestimmt (vgl. GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 73, Rn. 89; VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.a.O.; a.A. Bergmann in Renner, AuslR, § 73 AsylVfG, Rn. 29; offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 20.03.2007 - 1 C 21.06 -, AuAS 2007, 164). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestehende Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Asylberechtigung oder der Flüchtlingseigenschaft nur im öffentlichen Interesse, nicht aber im privaten Interesse des jeweiligen Ausländers steht, so dass ein etwaiger Verstoß gegen dieses Gebot keine Rechte des betroffenen Ausländers verletzt (BVerwG, Urt. v. 12.06.2007, a.a.O.). Für die Einhaltung der Fristen der § 73 Abs. 2a und Abs. 7 AsylVfG kann dies aber nicht gelten. Der zwingende Widerruf einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung kann nach jetziger Rechtslage vom Bundesamt nicht mehr – wie bisher - zeitlich unbegrenzt, sondern nur noch in einem Zeitraum von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung bzw. bei „Altanerkennungen“ bis 31.12.2008 ausgesprochen werden (BVerwG, Urt. v. 12.06.2007, a.a.O.). Muss ein als Asylberechtigter oder als Flüchtling im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG anerkannter Ausländer während der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a AsylVfG bei Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen regelmäßig mit dem Widerruf des Anerkennungsbescheids rechnen, so genießt er nach der gesetzlichen Konzeption jedenfalls in diesem Zeitraum kein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich der Aufrechterhaltung seines Asyl- bzw. Flüchtlingsstatus, womit ein Anknüpfungspunkt für die Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG und des § 48 Abs. 4 VwVfG fehlt (BVerwG, Urt. v. 12.06.2007, a.a.O.). Auf der anderen Seite wurde mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 festgelegt, dass ein Asylberechtigter nicht wie nach bisheriger Rechtslage eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich eine befristete Aufenthaltserlaubnis bekommt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG); gleiches gilt für Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (§ 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die Aufenthaltserlaubnis für diesen Personenkreis wird für längstens drei Jahre erteilt (§ 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Die Befristung der Aufenthaltserlaubnis auf drei Jahre korrespondiert mit der in § 73 Abs. 2a AsylVfG geregelten Frist zur Überprüfung der Voraussetzungen der Anerkennungsentscheidung (BT-Drucks. 15/420, S. 80). Einem Ausländer, der seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 73 Abs. 2a AsylVfG mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder für die Rücknahme nicht vorliegen (§ 26 Abs. 3 AufenthG). Demnach hat die Mitteilung des Bundesamtes nach § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG anspruchsbegründende Wirkung, d.h. mit der Mitteilung erwirbt der betreffende Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Den betroffenen Personen soll damit nach der Gesetzesbegründung die Perspektive für eine dauerhafte Lebensplanung in Deutschland eröffnet werden (BT-Drucks. 15/420, S. 80; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.a.O.). Angesichts dieses Regelungszusammenhangs ist auch davon auszugehen, dass die Fristen in § 73 Abs. 2a und Abs. 7 AsylVfG auch dem Schutz des Ausländers dienen.
19 
Offen bleiben kann, ob die Nichteinhaltung der Frist nach § 73 Abs. 7 AsylVfG der Negativentscheidung i.S. von § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG mit der Folge gleichzustellen ist, dass ein Widerruf (nur noch) im Ermessensweg möglich ist (so VG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2010, a.A. GK-AsylVfG, a.a.O., Rn. 105; a.A. VG Hamburg, Urt. v. 22.06.2010 und 27.07.2010, a.a.O.). Denn der Bescheid des Bundesamtes vom 18.02.2010 ist, selbst wenn ein Widerruf im Ermessenswege möglich wäre, jedenfalls wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig.
20 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG).

Tatbestand

1

Der am 1. September 1977 in der Türkei geborene Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling.

2

Der Kläger reiste 1987 als türkischer Staatsangehöriger nach Deutschland ein und lebt seitdem hier. Im Mai 2002 beantragte er, nachdem gegen ihn eine Ausweisungsverfügung ergangen war, beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - Asyl. Er müsse in der Türkei wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten für die PKK in den Jahren 1991 bis 1995 mit seiner sofortigen Inhaftierung und Verurteilung rechnen.

3

Das Bundesamt lehnte im Oktober 2002 den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Auf die dagegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. November 2003 den ablehnenden Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger türkischer Staatsangehöriger sei und ihm aufgrund seiner in Deutschland entwickelten politischen Aktivitäten in den Jahren 1991 bis 1995 zugunsten der PKK bei einer Rückkehr in die Türkei asylerhebliche Verfolgung drohe. Unter Bezugnahme auf die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung erkannte das Bundesamt mit Bescheid vom 17. März 2004 den Kläger als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich der Türkei vorliegen.

4

Im Rahmen eines vom Kläger durchgeführten Eheschließungsverfahrens wurde dem Landratsamt M. im November 2006 bekannt, dass der Kläger mit Beschluss des türkischen Ministerrats vom 7. Mai 2001 gemäß Art. 25c des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes wegen Wehrdienstentziehung aus der türkischen Staatsangehörigkeit ausgebürgert worden war.

5

Mit Bescheid vom 13. Mai 2008 widerrief das Bundesamt die im März 2004 ausgesprochene Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die dort getroffene Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 1 und 2). Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Eine Entscheidung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wurde im Hinblick darauf, dass seitens der Ausländerbehörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beabsichtigt seien, nicht getroffen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widerruf sei gerechtfertigt, weil sich die für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei inzwischen wesentlich verändert hätten. Die Menschenrechtslage habe sich verbessert. Dem Auswärtigen Amt sei seit vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Der Kläger gehöre nicht zu einem gefährdeten Personenkreis. Er sei zwar im Zusammenhang mit PKK-Aktivitäten straffällig geworden, seit 1995 jedoch nicht mehr politisch aktiv. Gegen ihn sei in der Türkei kein Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid aufgehoben. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass bei Rückkehr des Klägers in seine Heimat eine asylerhebliche Verfolgung weiterhin nicht ausgeschlossen werden könne. Zwar habe sich die Menschenrechtslage in der Türkei erheblich verbessert. Gleichwohl sei derzeit noch nicht davon auszugehen, dass der Reformprozess bereits weit genug fortgeschritten sei, um eine menschenrechtswidrige Behandlung des Klägers durch türkische Sicherheitsorgane mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 18. Oktober 2010 die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Eine für eine Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erforderliche erhebliche Änderung der für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse liege nicht vor. Dies sei aber Voraussetzung, um die Rechtskraftwirkung des zur Anerkennung verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils zu überwinden. Maßgebliche Voraussetzung für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und Flüchtling sei die Annahme des Verwaltungsgerichts gewesen, dass es sich beim Kläger um einen türkischen Staatsangehörigen handele. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil der Kläger bereits durch Beschluss des türkischen Ministerrats vom 7. Mai 2001 ausgebürgert worden sei. Ein Staatenloser, für den die Bundesrepublik Deutschland - wie für den Kläger - das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts sei, könne aber grundsätzlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Am Fehlen der türkischen Staatsangehörigkeit habe sich seit Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils nichts geändert, da der Kläger nach wie vor staatenlos sei. Deshalb komme es für die Entscheidung nicht auf die Frage an, ob die Gefahr asylerheblicher Verfolgung für den Kläger als ehemaligen PKK-Aktivisten im Fall seiner Rückkehr in die Türkei nunmehr entfallen sei.

8

Die Beklagte begründet die gegen das Urteil eingelegte Revision im Wesentlichen damit, dass eine vor Anerkennung erfolgte Ausbürgerung eine nachträgliche Veränderung der verfolgungsrelevanten Tatsachen nicht ausschließe. Die Rechtskraft des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils stehe der Berücksichtigung der geänderten Tatsachen zum Verfolgungsrisiko für den Kläger im Rahmen der Widerrufsentscheidung nicht entgegen.

9

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bundesrecht verletze. Nach seiner Auffassung erstreckt sich die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteils auch auf die im Rahmen seiner Begründung getroffene Feststellung, dass der Kläger türkischer Staatsangehöriger sei. Von der türkischen Staatsangehörigkeit des Klägers sei daher auch bei der Widerrufsentscheidung auszugehen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Widerrufe der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung keine formellen Mängel aufweisen (1.). Es hat aber die materielle Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidungen mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat zu Unrecht angenommen, dass die Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils einer Widerrufsentscheidung entgegensteht (2.). Mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob die angefochtenen Widerrufsentscheidungen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG erfüllen (3.). Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Widerrufe ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798).

13

1. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Widerrufe der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung im Bescheid vom 13. Mai 2008 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden sind. Sie entsprechen insoweit den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Insbesondere begegnen die angefochtenen Entscheidungen weder im Hinblick auf die Unverzüglichkeit der Widerrufe im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch im Hinblick auf die Prüfungsfrist des § 73 Abs. 7 AsylVfG Bedenken. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Bundesamt kein Ermessen ausgeübt hat (Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - NVwZ 2011, 944 Rn. 11).

14

2. Die Berufungsentscheidung ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren. Nach Satz 1 der Vorschrift sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nach Satz 2 insbesondere dann der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Voraussetzungen für den Widerruf nach dieser Vorschrift sind deshalb im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 9). Diese Auslegung ist - soweit sich aus Art. 16a GG nichts Abweichendes ergibt - auch auf den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter anzuwenden.

16

Die Rechtskraft des zur Anerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils von 2003 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft, stRspr, etwa Urteil vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <121> m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - InfAuslR 2011, 408 Rn. 12 m.w.N.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Anerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (Urteil vom 18. September 2001 a.a.O.).

17

Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (Urteil vom 18. September 2001 a.a.O. S. 122 f.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.

18

Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylVfG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <85 f.>). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Sie eröffnet die Möglichkeit eines Widerrufs bereits dann, wenn jedenfalls unzweifelhaft eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse feststeht, ohne dass es noch der unter Umständen schwierigeren Prüfung und Entscheidung bedürfte, ob die ursprüngliche Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig war (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. S. 86). Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist.

19

Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist daher die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine wesentliche Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Tatsachen hier nicht vorliegt, weil das zur Anerkennung verpflichtende Urteil von der unzutreffenden Annahme ausging, der Kläger sei türkischer Staatsangehöriger, obwohl er tatsächlich Staatenloser war und geblieben ist. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine entscheidungserhebliche Änderung vorliegt, ist der Vergleich der dem Verpflichtungsurteil vom 6. November 2003 zugrunde gelegten Tatsachenlage mit derjenigen zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung über den Widerruf. Für diesen Vergleich ist der Kläger fiktiv als türkischer Staatsangehöriger zu behandeln, auch wenn er tatsächlich staatenlos war, weil das Gericht dies seiner Verpflichtungsentscheidung zugrunde gelegt hat. Unerheblich ist insoweit, dass die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des Klägers nicht von der Rechtskraftwirkung des Urteils umfasst wird, da es sich nur um ein Begründungselement handelt, das - anders als die Verpflichtung zum Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts und die Feststellung zur Rechtsverletzung des Klägers durch die damalige ablehnende Behördenentscheidung - nicht in Rechtskraft erwächst (vgl. Beschluss vom 10. Juli 2003 - BVerwG 1 B 338.02 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 87). Das Bundesamt war deshalb durch die Rechtskraftwirkung des Verpflichtungsurteils vom 6. November 2003 nicht an einem Widerruf der Anerkennungen gehindert, wenn sich die Verhältnisse in der Türkei derart grundlegend und dauerhaft geändert haben, dass dem Kläger dort - unter Zugrundelegung seiner fiktiven türkischen Staatsangehörigkeit - die vom Gericht seinerzeit festgestellte asyl- und flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung nicht mehr droht (vgl. hierzu Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 19 bis 24).

20

Für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anerkennungsentscheidungen nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist weiter Voraussetzung, dass dem Kläger jetzt nicht aus anderen, vom Verpflichtungsurteil nicht erfassten Gründen Verfolgung droht. Bei der Prüfung derartiger neuer Verfolgungsgründe ist nicht von den dem Verpflichtungsurteil zugrunde liegenden Tatsachen auszugehen, sondern von der nunmehr festgestellten Sachlage - und damit von der Staatenlosigkeit des Klägers.

21

3. Da das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Widerrufsentscheidungen allein deshalb als rechtswidrig angesehen hat, weil es den Umfang der Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden Urteils verkannt hat, hat es nicht nach den oben dargestellten Maßstäben geprüft, ob sich die verfolgungsrelevanten Tatsachen mittlerweile entscheidungserheblich verändert haben. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen hierzu nicht selbst abschließend entscheiden, ob sich das Bundesamt von der Rechtskraftwirkung des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils lösen durfte und bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG für den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung vorliegen. Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

22

Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:

23

Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab für den Widerruf der Asyl- wie der Flüchtlingsanerkennung entspricht spiegelbildlich dem bei der Anerkennung zugrunde zu legenden Maßstab. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen sachlichen Grund dafür gesehen, unterschiedliche Anforderungen an die Anerkennungsvoraussetzungen einerseits und an die Widerrufsvoraussetzungen andererseits zu stellen (vgl. Urteil vom 24. November 1992 - BVerwG 9 C 3.92 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union geht für das Flüchtlingsrecht grundsätzlich von einer Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und den Widerruf und damit von einem Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft aus, wenn begründete Befürchtungen dafür fehlen, Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, Abdulla u.a. - Slg. 2010, I-1493 Rn. 65 und 73).

24

Das bedeutet für das nationale Asylrecht: Ist der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt worden, weil er vor seiner Ausreise Verfolgung erlitten hat oder als ihm bevorstehend befürchten musste, so sind die Anerkennungsvoraussetzungen nur dann als weggefallen anzusehen, wenn der Betroffene aufgrund der Veränderung der Umstände vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher ist (vgl. Urteil vom 24. November 1992 a.a.O.). Beruht die Anerkennung hingegen - wie hier - allein auf Nachfluchtgründen, sind ihre Voraussetzungen dann entfallen, wenn die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung nach dem allgemeinen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht mehr droht. Allein die Tatsache, dass der nicht vorverfolgte Ausländer wegen Nachfluchtgründen als Asylberechtigter anerkannt worden ist, rechtfertigt nicht die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs. Vielmehr spricht der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Widerrufsentscheidung dafür, den herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab beim Widerruf nur dann anzuwenden, wenn er auch für die Anerkennung maßgeblich war. Humanitäre Gründe stehen dem nicht entgegen, weil der Betroffene bei reinen Nachfluchtgründen im Herkunftsland selbst keine Verfolgung erlitten hat oder unmittelbar von ihr bedroht war. Das Berufungsgericht wird demnach zu prüfen haben, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter zum Zeitpunkt der neuerlichen gerichtlichen Entscheidung aufgrund veränderter Verhältnisse in der Türkei nicht mehr vorliegen und dem Kläger dort auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht.

25

Für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gilt seit Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt war oder nicht, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 22 f.). Die Privilegierung eines vorverfolgten Flüchtlings erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, auf die § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG verweist. Die Beweiserleichterung greift allerdings nicht bei reinen Nachfluchtgründen, wie sie hier vorliegen, da der Ausländer in diesen Fällen - wie bereits dargelegt - nicht bereits verfolgt worden ist oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, was die Vorschrift voraussetzt.

26

Sollte das Berufungsgericht zu dem Schluss kommen, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG im Fall des Klägers nicht vorliegen, müsste der angefochtene Bescheid aufgehoben werden. Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme der Anerkennungen kommt, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nicht in Betracht. Dies folgt bereits aus der Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden Urteils vom 6. November 2003, die es verbietet, die Rechtmäßigkeit der Anerkennungen im Nachhinein anders zu beurteilen. Die Frage, ob der Kläger im Hinblick auf seine vor der Anerkennung liegenden Aktivitäten zugunsten der PKK in Deutschland möglicherweise einen Ausschlussgrund nach § 60 Abs. 8 AufenthG, § 3 Abs. 4 oder Abs. 2 AsylVfG verwirklicht haben könnte - was im Übrigen der Sache nach eher fern liegen dürfte -, würde sich schon aus diesem Grund nicht stellen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.

2

Er stellte im Oktober 1992 einen Asylantrag. Nachdem er unbekannt verzogen war, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - den Antrag mit Bescheid vom 8. November 1993 als offensichtlich unbegründet ab. Einen weiteren Asylantrag unter einem Aliasnamen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24. September 1993 ab.

3

Im November 1994 wurde der Kläger von den französischen Behörden wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Aktionen in Algerien festgenommen. Das Tribunal de Grande Instance de Paris verurteilte ihn am 22. Januar 1999 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.

4

Nachdem der Kläger im März 2001 aus französischer Haft entlassen worden war, stellte er im Juli 2001 in Deutschland einen Asylfolgeantrag, den er auf die überregionale Berichterstattung über den Strafprozess in Frankreich und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Algerien stützte. Er gab an, nie für eine terroristische Vereinigung aktiv gewesen zu sein; der Prozess in Frankreich sei eine Farce gewesen. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 lehnte das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Algeriens fest. Angesichts der Berichterstattung über den Strafprozess müsse davon ausgegangen werden, dass der algerische Auslandsgeheimdienst den Prozess beobachtet habe und der Kläger in das Blickfeld algerischer Behörden geraten sei. Bei einer Rückkehr nach Algerien bestehe deshalb die beachtliche Gefahr von Folter und Haft.

5

Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 nahm das Bundesamt den Anerkennungsbescheid vom 15. Oktober 2002 mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die Feststellung sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, da das Vorliegen der Ausnahmetatbestände in § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 3 AuslG verkannt worden sei. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in Frankreich stehe fest, dass der Kläger eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2006 aufgehoben, da das Bundesamt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG versäumt habe.

6

Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein, in dessen Verlauf der Kläger bestritt, dass sich die Verhältnisse in Algerien entscheidungserheblich geändert hätten. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Darüber hinaus stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Durch die im September 2005 per Referendum angenommene "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" sowie die zu deren Umsetzung erlassenen Vorschriften habe Algerien weitgehende Straferlasse für Mitglieder islamistischer Terrorgruppen eingeführt. Die Amnestieregelungen würden konsequent und großzügig umgesetzt und fänden auch nach Ablauf des vorgesehenen Stichtags weiter Anwendung. Der Kläger habe daher im Falle seiner Rückkehr nach Algerien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgung zu befürchten.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid durch Urteil vom 20. Mai 2008 aufgehoben, da dem Widerruf bereits die Rechtskraft des Urteils vom 27. Oktober 2006 entgegenstehe. Der angefochtene Widerruf erweise sich im Ergebnis als eine die Rücknahme vom 1. Juni 2005 ersetzende Entscheidung.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Dezember 2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar stehe die Rechtskraft des die Rücknahme aufhebenden Urteils dem Widerruf nicht entgegen, denn die Streitgegenstände dieser beiden Verwaltungsakte seien nicht identisch. Dennoch erweise sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, da die Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht vorlägen. Dieser sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur möglich, wenn der Betroffene wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Heimatstaat vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Er falle nicht unter die Stichtagsregelung der Amnestieregelung; ob die Anwendungspraxis auch den Fall des Klägers erfasse, sei unsicher. Angesichts der weiterhin bestehenden Repressionsstrukturen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Liberalisierung in Algerien nicht vorhanden.

9

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von dem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie würde selbst ein Vorverfolgter nur durch die widerlegbare Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie privilegiert. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sei beim Widerruf eines nicht Vorverfolgten der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

10

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil aus den Gründen der Ausgangsentscheidung. Darüber hinaus macht er geltend, dass einem anerkannten Flüchtling aufgrund seines Aufenthalts in der Bundesrepublik und des Vertrauens auf seinen gefestigten Status ein größerer Schutz zu gewähren sei als einem Asylbewerber bei der Entscheidung über seine Anerkennung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet, denn das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar hat das Berufungsgericht den Widerrufsbescheid zu Recht sachlich geprüft und nicht bereits wegen des aus der Rechtskraft folgenden Wiederholungsverbots aufgehoben (1.). Es hat aber der Verfolgungsprognose, die es bei Prüfung der Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gestellt hat, einen unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt (2.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache weder in positiver noch in negativer Hinsicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Dem Erlass des streitgegenständlichen Widerrufsbescheids steht nicht entgegen, dass die zuvor verfügte Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung im Vorprozess rechtskräftig aufgehoben worden ist. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage daran gehindert, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <257 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 28. Januar 2010 - BVerwG 4 C 6.08 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 99). Das Wiederholungsverbot erfasst aber nur inhaltsgleiche Verwaltungsakte, d.h. die Regelung desselben Sachverhalts durch Anordnung der gleichen Rechtsfolge (Urteil vom 30. August 1962 - BVerwG 1 C 161.58 - BVerwGE 14, 359 <362> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 4 und Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 - BVerwGE 29, 210 <213 f.>).

13

In Anwendung dieser Kriterien erweisen sich Rücknahme einer Flüchtlingsanerkennung wegen Nichtbeachtung zwingender Ausschlussgründe und deren Widerruf wegen Wegfalls der sie begründenden Umstände nicht als inhaltsgleich. Zwar erfolgte die Rücknahme im Fall des Klägers nur mit Wirkung für die Zukunft, so dass die beiden Verwaltungsakte auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet waren (vgl. aus einer anderen Perspektive Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>). Aber die den beiden Aufhebungsakten zugrunde liegenden rechtlichen Voraussetzungen und die hierbei zu berücksichtigenden Tatsachen unterscheiden sich: Während die Rücknahme auf einer anderen rechtlichen Beurteilung eines vergangenen Sachverhalts beruht, stützt sich der Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG auf eine nach der Anerkennung eingetretene Sachverhaltsänderung. Daher greift das Wiederholungsverbot im vorliegenden Fall nicht.

14

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798). Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Daher sind die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - juris Rn. 9; zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen).

16

Der angefochtene Bescheid erweist sich nicht deshalb als rechtswidrig, weil das Bundesamt bei seiner Widerrufsentscheidung kein Ermessen ausgeübt hat. Durch die klarstellende Neuregelung in § 73 Abs. 7 AsylVfG ist geklärt, dass in den Fällen, in denen - wie vorliegend - die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hat. Damit hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Altanerkennungen getroffen und festgelegt, bis wann diese auf einen Widerruf oder eine Rücknahme zu überprüfen sind. Daraus folgt, dass es vor einer solchen Prüfung und Verneinung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen in dem seit dem 1. Januar 2005 vorgeschriebenen Verfahren (Negativentscheidung) keiner Ermessensentscheidung bedarf (Urteil vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 53.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 31 Rn. 13 ff.).

17

Das Berufungsurteil ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen und speziell mit Blick auf den der Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG auszulegen ist. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie). Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.

18

a) Diese unionsrechtlichen Vorgaben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) dahingehend konkretisiert, dass der in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie angesprochene "Schutz des Landes" sich nur auf den bis dahin fehlenden Schutz vor den in der Richtlinie aufgeführten Verfolgungshandlungen bezieht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 67, 76, 78 f.). Dazu hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung verhält. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG sieht - ebenso wie Art. 1 C Nr. 5 GFK - vor, dass die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn die Umstände, aufgrund derer sie zuerkannt wurde, weggefallen sind, wenn also die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht mehr vorliegen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 65). Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes seiner Staatsangehörigkeit befindet, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 66), soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss (ebd. Rn. 76). Die Umstände, die zur Zuerkennung oder umgekehrt zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft führen, stehen sich mithin in symmetrischer Weise gegenüber (so EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 68).

19

Mit Blick auf die Maßstäbe für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 der Richtlinie hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72). Dafür muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 73).

20

aa) Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, denn reiner Zeitablauf bewirkt für sich genommen keine Sachlagenänderung. Allerdings sind wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt (vgl. Urteile vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <84> und vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <124 f.>).

21

Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Danach setzte der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung voraus, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 277 <281> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 18; so auch das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung). Dieser gegenüber der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abgesenkte Maßstab ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt worden. Er wurde dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen und hat schließlich Eingang in die Widerrufsvoraussetzungen gefunden, soweit nicht eine gänzlich neue oder andersartige Verfolgung geltend gemacht wird, die in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der früheren steht (Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26).

22

Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG fremd. Sie verfolgt vielmehr bei einheitlichem Prognosemaßstab für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt (Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 20 ff. und vom 7. September 2010 - BVerwG 10 C 11.09 - juris Rn. 15). Das ergibt sich neben dem Wortlaut der zuletzt genannten Vorschrift auch aus der Entstehungsgeschichte, denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Demzufolge gilt unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 ; Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22).

23

Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich der Maßstab der Erheblichkeit für die Veränderung der Umstände danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.). Die Richtlinie kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird. Es spricht viel dafür, dass die Mitgliedstaaten hiervon in Widerrufsverfahren nicht nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können. Denn die zwingenden Erlöschensgründe dürften zu den Kernregelungen zählen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind, um das von der Richtlinie 2004/83/EG geschaffene System nicht zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09, B und D - NVwZ 2011, 285 Rn. 120 zu den Ausschlussgründen). Das kann aber hier dahinstehen, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an den oben dargelegten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben des nationalen Rechts festhalten wollte. Vielmehr belegt der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht hat.

24

bb) Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Senat hat in einem Fall, in dem ein verfolgendes Regime gestürzt worden ist (Irak), bereits entschieden, dass eine Veränderung in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden kann, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>; Beschluss vom 7. Februar 2008 a.a.O. juris Rn. 37), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 90). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden.

25

b) Das Berufungsgericht hat vorliegend bei seiner Verfolgungsprognose den Maßstab der hinreichenden Sicherheit zugrunde gelegt. Damit hat es § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG verletzt; auf dieser Verletzung beruht die Berufungsentscheidung. Da das Berufungsgericht seine tatsächlichen Feststellungen unter einem - wie dargelegt - rechtlich unzutreffenden Maßstab getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn es ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung des Betroffenen zugrunde lagen, eine Gefahrenprognose unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zu erstellen.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 5. Kammer - vom 05.06.2007 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

2

Das angefochtene Urteil weicht nicht von den in der Begründung des Zulassungsantrags genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.11.2005 - 1 C 21.04 - (E 124, 276) bzw. vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - (E 126, 243) ab.

3

Die Abweichung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) muss grundsätzlicher Art sein. Da die Divergenzrüge einer Gefährdung der Rechtseinheit entgegenwirken soll, ist sie nicht bereits dann begründet, wenn das Gericht in dem angefochtenen Urteil einen Grundsatz, der in einer divergenzfähigen Entscheidung aufgestellt worden ist, lediglich im Einzelfall unrichtig anwendet (vgl. Beschl. des Senats v. 29.10.2004 - 2 L 396/04 -).

4

Danach erweist sich die Divergenzrüge als unbegründet. Zutreffend hat der Antragsteller allerdings herausgearbeitet, welche Maßstäbe das Bundesverwaltungsgericht in den von ihm zitierten Entscheidungen für den auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG entwickelt hat, nämlich dass "sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in sein Herkunftsland eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht". Davon ist aber das Verwaltungsgericht nicht abgewichen, es hat die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze ausdrücklich seiner eigenen Entscheidung zugrunde gelegt (siehe Seite 4 Urteilsabdruck). Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe das Bundesverwaltungsgericht lediglich zitiert, tatsächlich aber nicht ernsthaft eine Verbesserung der Lage in Togo geprüft, sondern sich "mit Vermutungen und Spekulationen begnügt", ist dies nicht nachvollziehbar. Bei der Prüfung der Frage, ob sich die Verhältnisse im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verbessert haben, geht es nicht um die allgemeine Situation in dem Verfolgerstaat, d.h. es kommt nicht darauf an, ob in dem betreffenden Land politische Verfolgung generell auszuschließen ist, der anzuwendende Maßstab ist vielmehr individuell, d.h. bezogen auf den konkreten Ausländer, der als Flüchtling anerkannt worden ist und dem dieser Status wieder entzogen werden soll. Dies bedeutet, dass je nachdem, wie gravierend die Umstände waren, die zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus geführt haben, auch unterschiedliche Anforderungen an die Verbesserung der Verhältnisse zu stellen sind.

5

Dies ist vom Verwaltungsgericht ersichtlich nicht verkannt worden. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass dem Kläger der Flüchtlingsstatus wegen einer regimekritischen Presseveröffentlichung und wegen einer Auseinandersetzung mit einem Bruder des damaligen Staatspräsidenten zuerkannt worden sei; dieser Streit sei "nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eher zufälliger Natur" gewesen und habe "keinerlei politischen Hintergrund" gehabt (siehe Seite 10 Urteilsabdruck). Folgerichtig konnte sich das Verwaltungsgericht darauf beschränken, zu prüfen, ob sich die Verhältnisse in Togo so verändert haben, dass aufgrund dieser Umstände Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sind und dem Kläger auch nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Dazu war es ersichtlich nicht erforderlich - was der Kläger aber anscheinend erwartet - festzustellen, dass es in Togo zu keinen asylrelevanten Übergriffen gegen Oppositionelle mehr kommt. Danach genügte es, dass das Verwaltungsgericht - wie geschehen - festgestellt hat, dass sich die Verhältnisse so verändert haben, dass der Kläger vor (erneuter) Verfolgung sicher ist.

6

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (vgl. §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) berufen.

7

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Maßgebend für diese Pflicht des Gerichts ist der Gedanke, dass die Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit haben müssen, durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Es ist als Regel davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das rechtliche Gehör kann auch dadurch verletzt werden, dass ein ausdrücklich gestellter Beweisantrag mit einer Begründung abgelehnt wird, die im Prozessrecht keine Stütze findet. In Asylverfahren darf ein Gericht die Einholung von (weiteren) Auskünften allerdings unter (substantiiertem) Hinweis auf die eigene Sachkunde ablehnen (vgl. Beschl. des Senats v. 29.01.2007 - 2 L 187/06 -).

8

Nach diesen Maßstäben ist hier ein Gehörverstoß nicht festzustellen.

9

Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag hat das Gericht - wie nach § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehen - durch einen in der Sitzung verkündeten und begründeten Beschluss abgelehnt. Die Begründung steht mit dem Prozessrecht in Einklang. Das Gericht hat sich darauf gestützt, dass es auf der Grundlage von zwei im Ablehnungsbeschluss konkret bezeichneten Auskünften in der Lage sei, die aufgeworfenen Fragen ausreichend zu beurteilen. Wenn der Kläger demgegenüber meint, das Gericht hätte weitere Auskünfte einholen müssen, berücksichtigt er nicht genügend, dass das Gericht - wie bereits festgestellt - einen auf den Einzelfall bezogenen Maßstab bei der Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen anzulegen hatte.

10

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass es nicht im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich klärungsbedürftig ist, "ob sich die politische Lage in Togo nachträglich erheblich und auf Dauer in der Weise geändert hat, dass der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG gerechtfertigt ist".

11

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.

12

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.