Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 20. Nov. 2007 - 2 L 152/07
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 5. Kammer - vom 05.06.2007 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
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Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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Das angefochtene Urteil weicht nicht von den in der Begründung des Zulassungsantrags genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.11.2005 - 1 C 21.04 - (E 124, 276) bzw. vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - (E 126, 243) ab.
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Die Abweichung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) muss grundsätzlicher Art sein. Da die Divergenzrüge einer Gefährdung der Rechtseinheit entgegenwirken soll, ist sie nicht bereits dann begründet, wenn das Gericht in dem angefochtenen Urteil einen Grundsatz, der in einer divergenzfähigen Entscheidung aufgestellt worden ist, lediglich im Einzelfall unrichtig anwendet (vgl. Beschl. des Senats v. 29.10.2004 - 2 L 396/04 -).
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Danach erweist sich die Divergenzrüge als unbegründet. Zutreffend hat der Antragsteller allerdings herausgearbeitet, welche Maßstäbe das Bundesverwaltungsgericht in den von ihm zitierten Entscheidungen für den auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG entwickelt hat, nämlich dass "sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in sein Herkunftsland eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht". Davon ist aber das Verwaltungsgericht nicht abgewichen, es hat die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze ausdrücklich seiner eigenen Entscheidung zugrunde gelegt (siehe Seite 4 Urteilsabdruck). Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe das Bundesverwaltungsgericht lediglich zitiert, tatsächlich aber nicht ernsthaft eine Verbesserung der Lage in Togo geprüft, sondern sich "mit Vermutungen und Spekulationen begnügt", ist dies nicht nachvollziehbar. Bei der Prüfung der Frage, ob sich die Verhältnisse im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verbessert haben, geht es nicht um die allgemeine Situation in dem Verfolgerstaat, d.h. es kommt nicht darauf an, ob in dem betreffenden Land politische Verfolgung generell auszuschließen ist, der anzuwendende Maßstab ist vielmehr individuell, d.h. bezogen auf den konkreten Ausländer, der als Flüchtling anerkannt worden ist und dem dieser Status wieder entzogen werden soll. Dies bedeutet, dass je nachdem, wie gravierend die Umstände waren, die zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus geführt haben, auch unterschiedliche Anforderungen an die Verbesserung der Verhältnisse zu stellen sind.
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Dies ist vom Verwaltungsgericht ersichtlich nicht verkannt worden. Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass dem Kläger der Flüchtlingsstatus wegen einer regimekritischen Presseveröffentlichung und wegen einer Auseinandersetzung mit einem Bruder des damaligen Staatspräsidenten zuerkannt worden sei; dieser Streit sei "nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eher zufälliger Natur" gewesen und habe "keinerlei politischen Hintergrund" gehabt (siehe Seite 10 Urteilsabdruck). Folgerichtig konnte sich das Verwaltungsgericht darauf beschränken, zu prüfen, ob sich die Verhältnisse in Togo so verändert haben, dass aufgrund dieser Umstände Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sind und dem Kläger auch nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Dazu war es ersichtlich nicht erforderlich - was der Kläger aber anscheinend erwartet - festzustellen, dass es in Togo zu keinen asylrelevanten Übergriffen gegen Oppositionelle mehr kommt. Danach genügte es, dass das Verwaltungsgericht - wie geschehen - festgestellt hat, dass sich die Verhältnisse so verändert haben, dass der Kläger vor (erneuter) Verfolgung sicher ist.
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Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (vgl. §§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) berufen.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Maßgebend für diese Pflicht des Gerichts ist der Gedanke, dass die Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit haben müssen, durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Es ist als Regel davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das rechtliche Gehör kann auch dadurch verletzt werden, dass ein ausdrücklich gestellter Beweisantrag mit einer Begründung abgelehnt wird, die im Prozessrecht keine Stütze findet. In Asylverfahren darf ein Gericht die Einholung von (weiteren) Auskünften allerdings unter (substantiiertem) Hinweis auf die eigene Sachkunde ablehnen (vgl. Beschl. des Senats v. 29.01.2007 - 2 L 187/06 -).
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Nach diesen Maßstäben ist hier ein Gehörverstoß nicht festzustellen.
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Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag hat das Gericht - wie nach § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehen - durch einen in der Sitzung verkündeten und begründeten Beschluss abgelehnt. Die Begründung steht mit dem Prozessrecht in Einklang. Das Gericht hat sich darauf gestützt, dass es auf der Grundlage von zwei im Ablehnungsbeschluss konkret bezeichneten Auskünften in der Lage sei, die aufgeworfenen Fragen ausreichend zu beurteilen. Wenn der Kläger demgegenüber meint, das Gericht hätte weitere Auskünfte einholen müssen, berücksichtigt er nicht genügend, dass das Gericht - wie bereits festgestellt - einen auf den Einzelfall bezogenen Maßstab bei der Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen anzulegen hatte.
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Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass es nicht im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich klärungsbedürftig ist, "ob sich die politische Lage in Togo nachträglich erheblich und auf Dauer in der Weise geändert hat, dass der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG gerechtfertigt ist".
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.