Verwaltungsgericht Trier Urteil, 27. Juli 2016 - 5 K 1671/16.TR
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 1. März 2016 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt Rechtsschutz gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese im Wesentlichen seinen Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebungsandrohung nach Italien angedroht hat. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
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Am 7. Dezember 2015 stellte der Kläger bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 10. November 2015 in Ingelheim als Asylbewerber erfasst worden war.
- 3
Bei der Asylbeantragung gab er an, somalischer Staatsangehörigkeit und am … Januar 1995 in Kismayo geboren zu sein; er gehöre der Volksgruppe der Somali an und sei sunnitischer Religionszugehörigkeit.
- 4
Bei einem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am Tag der Asylbeantragung trug der Kläger vor, dass er Somalia im Mai 2015 auf dem Landweg verlassen habe; er sei über Äthiopien und den Sudan nach Libyen gefahren; anschließend sei er über Italien und Österreich nach Deutschland gereist, wo er am 7. November 2015 angekommen sei.
- 5
Eine in Bezug auf den Kläger durchgeführte Eurodac-Recherche ergab 2 Treffer „IT1…“ vom 31. August und 10. Oktober 2013 sowie einen Treffer „SE1…“ vom 5. Dezember 2014.
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Auf entsprechendes, auf den Eurodac-Treffer „SE1…“ und einen in Schweden am 5. Dezember 2014 gestellten Asylantrag gestütztes Wiederaufnahmegesuch der Beklagten vom 8. Januar 2016 teilten die schwedischen Behörden der Beklagten unter dem 18. Januar 2016 unter Hinweis auf eine Stellungnahme der italienischen Behörden vom 7. Januar 2015 mit, dass eine Wiederaufnahme des Klägers nicht akzeptiert werde, weil der Kläger in Italien den Flüchtlingsstatus erhalten habe. Hierauf vermerkte die Beklagte in der Verwaltungsakte, dass Deutschland für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei, weil ein „Take Back“ an Italien verfristet sei.
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Mit Bescheid vom 1. März 2016, der dem Kläger mit Anschreiben vom 23. April 2016 zugestellt wurde, entschied die Beklagte alsdann, dass der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und er zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung aufgefordert werde, im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sofern er die Ausreisefrist nicht einhalte, werde er nach Italien oder einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, abgeschoben; nach Somalia dürfe er nicht abgeschoben werden. Außerdem Wurde das gesetzliche Einreise- und Ausreiseverbot auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
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Zur Begründung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wurde ausgeführt, dass der Asylantrag nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unzulässig sei, weil der Kläger bereits in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Italien, Schutz erhalten habe. Von daher sei auch die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz hinsichtlich Somalias unzulässig. Im Zusammenhang mit der Begründung der Abschiebungsandrohung heißt es dann, dass sich die Unzulässigkeit des Asylantrags „aus dem Schutzstatus im sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG)“ ergebe, was grundsätzlich den Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zur Folge habe; zulässig sei aber auch eine Abschiebungsandrohung als milderes Mittel. Die erfolgte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots erscheine angemessen.
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Am 9. Mai 2016 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er schriftsätzlich vorträgt, dass die Beklagte keine Entscheidung im Sinne der §§ 26a Abs. 1, 31 Abs. 4 AsylG getroffen habe und er in Italien lediglich subsidiärer Schutz erhalten habe, so dass dies seinem in Deutschland gestellten Asylantrag nicht entgegenstehe. Eine Abschiebungsandrohung stelle gegenüber einer Abschiebungsanordnung kein milderes Mittel dar, sodass die unter Nr. 2 des Bescheides getroffene Entscheidung in jedem Fall rechtswidrig sei. Außerdem habe die Beklagte es versäumt, in Bezug auf Italien eine Entscheidung nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz zu treffen.
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Der Kläger der sich ebenso wie die Beklagte, die eine generelle Einverständniserklärung abgegeben hat, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2016 aufzuheben.
- 12
Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers unter Bezugnahme auf ihren Bescheid schriftsätzlich entgegengetreten und bittet,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Die Kammer hat mit Beschluss vom 12. Mai 2016 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
- 16
Die Klage ist insgesamt als Anfechtungsklage zulässig, da die Beklagte mit ihrem Bescheid das Asylverfahren des Klägers ohne Sachprüfung abgeschlossen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 –, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 -, OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A – [gegen das das BVerwG mit Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – die Revision nicht zugelassen hat], OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. November 2013 – 4 L 44/13 -, Bayerischer VGH, Urteil vom 14. Januar 2013 - 20 B 12.30348 -, BVerwG, Urteile vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 –, 7. März 1995 - 9 C 264/94 - und vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, Urteile der erkennenden Kammer vom 30. Mai 2012 - 5 K 967/11.TR -, ESOVGRP, vom 30. September 2019 - – 5 K 987/13.TR – und vom 19. August 2014 – 5 K 1296/14.TR -, alle bis auf das zuletzt genannte Urteil veröffentlicht bei juris), wobei die Beklagten im Falle einer Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig verpflichtet ist, das Asylverfahren weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers formell und vollumfassend – auch in Bezug auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots - materiell zu prüfen (vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2014 - 17 K 2897/14.A -, juris).
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Soweit in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, dass dem Kläger in Fällen der vorliegenden Art kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Beklagten über die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig zur Seite stehe (vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2016 – 22 K 1363/15.A -, VG Stade, Urteil vom 21. September 2015 – 1 A 791/14 –, beide veröffentlicht bei juris), vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen, denn der erfolgte Ausspruch der Beklagten beinhaltet zugleich die Rechtsgrundlage für nachfolgende aufenthaltsbeendende Entscheidungen der Beklagten, so dass die von der Beklagten in ihrem Bescheid zitierten Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris ) zur Unzulässigkeit eines Asylantrags bei der Gewährung internationalen Schutzes im Ausland nicht einschlägig ist.
- 18
Die Klage ist auch in der Sache begründet. Der Bescheid der Beklagten ist hinsichtlich der unter 1. getroffenen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig zu unbestimmt, da er insoweit als belastender Verwaltungsakt einer Rechtsgrundlage bedarf, die die Behörde gerade auch ermächtigt, durch Verwaltungsakt tätig zu werden und die ergangene Entscheidung zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 20/11 -, juris), vorliegend aber nicht zu erkennen ist, aufgrund welcher Rechtsgrundlage diese Entscheidung getroffen wurde.
- 19
Das Asylverfahrensgesetz enthält in den §§ 26a ff., 71 und 71a AsylVfG ausdrücklich zahlreiche Bestimmungen, wie in Deutschland gestellte Asylanträge seitens des Bundesamtes zu bescheiden sind, wobei sich die Frage der nachfolgenden Aufenthaltsbeendigung bei erfolglosem Asylantrag unterschiedlich danach richtet, aufgrund welcher Rechtsvorschriften der Asylantrag abgelehnt wurde. Insoweit regeln die §§ 34, 34a, 36 und 38 AsylVfG die Frage der Aufenthaltsbeendigung durch Erlass einer Abschiebungsanordnung oder einer Abschiebungsandrohung unter Setzung unterschiedlicher Fristen für eine freiwillige Ausreise, wobei die sofortige Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung in § 75 Abs. 1 AsylVfG ebenfalls unterschiedlich geregelt ist. Außerdem ist der dem Bundesamt übertragene Prüfungsrahmen – und damit auch der Regelungsgehalt einer von ihm getroffenen aufenthaltsbeendenden Entscheidung – unterschiedlich, je nachdem, ob eine Abschiebungsanordnung oder aber eine Abschiebungsandrohung erlassen wird, da eine Abschiebungsanordnung – anders als eine Abschiebungsandrohung – nur ergehen darf, wenn die Abschiebung tatsächlich und rechtlich möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -; Beschlüsse der erkennenden Kammer vom 28. Oktober 2014 - 5 L 1659/14.TR –, juris, und vom 17. April 2014 - 5 L 583/14.TR -, s. a. VG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2016 – 23 K 183.15 A –, juris).
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Hinzu kommen unterschiedliche Anforderungen an die Rechtsfolgen der jeweiligen Bescheide, weil etwa dann, wenn der Asylantrag nach den §§ 26a, 27a AsylG abgelehnt wird, die Entscheidung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG dem Ausländer selbst, nicht aber einem eventuellen Bevollmächtigten, zuzustellen ist. Außerdem ist bei Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig nach § 27a AsylG dem Ausländer gemäß § 31 Abs. 6 AsylG in der Entscheidung mitzuteilen, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nicht zuletzt schreibt das Asylgesetz bei einigen Ermächtigungsgrundlagen einen eingeschränkten Überprüfungsrahmen und eine besondere Tenorierung vor. So bestimmt § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass dann, wenn der Asylantrag nur nach § 26a AsylG abgelehnt wird, „nur festzustellen (ist), dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht“, während der Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG grundsätzlich voraussetzt, dass die Voraussetzungen des §§ 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Durch § 31 Abs. 6 AsylG wird deutlich, dass der Antrag in den Fällen des § 27a AsylG demgegenüber „als unzulässig“ abzulehnen ist. Für die Fälle der Ablehnung eines Asylantrages als „unbeachtlich“ oder „offensichtlich unbegründet“ normieren die §§ 29 f., 30 und 36 AsylG wiederum eigene Voraussetzungen, ebenso die §§ 71, 71a AsylG für Folge- und Zweitanträge.
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Angesichts dieser differenzierten Regelungen muss ein Bescheid eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage ein Asylantrag abgelehnt wird (vgl. in diesem Zusammenhang zu den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten auch BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 – 8 C 43.95 –, juris Rd.-Nrn. 34 ff, 41), denn nur so wird deutlich, welche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit in formeller und materieller Hinsicht gelten, welche weiteren Entscheidungen die Beklagte zu treffen hat und welche aufenthaltsbeendenden Maßnahmen - Abschiebungsanordnung oder Abschiebungsandrohung - in zulässiger Weise auf sie gestützt werden können. Ob ein Bescheid diesen (Bestimmtheits-)Anforderungen genügt, ist durch Auslegung seines verfügenden Teils im Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen festzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Bescheides unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. hierzu im Einzelnen VG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2016 a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 -, juris Rd.-Nr. 14, und vom 18. April 1997, a.a.O., juris Rd.-Nr. 37; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37 Rd.-Nr. 7 - jeweils mit weiteren Nachweisen).
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Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides nicht hinreichend bestimmt, weil sie nicht erkennen lässt, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruht und welche Rechtsfolgen sie ermöglicht. Der Tenor entspricht der Formulierung, die das Bundesamt regelmäßig in den Anwendungsfällen des § 27a AsylG verwendet und die nach § 31 Abs. 6 AsylG für diese Fallgestaltungen auch vorgegeben ist. Nach der Begründung des Bescheids hat das Bundesamt aber keine Entscheidung nach § 27a AsylG getroffen. Anders als sonst üblich benennt die Behörde im Hinblick auf die unter Nr. 1 ihres Bescheides ausgesprochene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig überhaupt keine bestimmte Norm, nach der sie ihre Entscheidung getroffen hat. Vielmehr zitiert sie in der Begründung zu dieser Nummer nur das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 -, nach dem der Antrag eines Ausländers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes, dem im Ausland entsprechender Schutz gewährt worden ist, unzulässig ist, weil - gestützt auf § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG - kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes besteht. Dieser Entscheidung, die das Rechtsschutzbedürfnis für eine hierauf gerichtete Verpflichtungsklage verneint (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17. November 2008 - 10 B 10.08 -, juris Rd.-Nr. 12), lässt sich indessen nicht entnehmen, wie materiell über einen unzulässigen Antrag zu entscheiden ist. Mit der Nennung von § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG beantwortet das Bundesverwaltungsgericht nämlich nicht die Frage, auf welche konkrete gesetzliche Vorschrift das Bundesamt seine Entscheidung über den Asylantrag zu stützen und wie es hierbei den Tenor zu formulieren hat (vgl. insoweit auch VG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2016 a.a.O. mit weiteren Nachweisen und die bereits zitierten Beschlüsse der erkennenden Kammer).
- 23
Soweit das Bundesamt in der Begründung zu Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides ausführt, „die Unzulässigkeit des Asylantrags ergibt sich aus dem Schutzstatus im sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG).“ stellt dies keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig dar. Dieser - ohnehin nur in Klammern - enthaltene Hinweis auf eine gesetzliche Bestimmung wird nämlich nur im Zusammenhang damit genannt, dass bei einer Abschiebung in einen sicheren Drittstaat grundsätzlich eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG erlassen werde, die grundsätzlich eine Entscheidung nach § 26a oder § 27a AsylG voraussetzt. Allerdings ist gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG bei einer Ablehnung des Asylantrages nach § 26a AsylG keine Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen, sondern nur festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht - eine Tenorierung, die das Bundesamt hier jedoch gerade nicht gewählt hat. Da bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat auch keine Verpflichtung des Bundesamtes besteht, den Asylantrag nur nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG abzulehnen (vgl. hierzu im Einzelnen bereits: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. September 1996 - 25 A 790/96.A -, juris Rd.-Nr. 19 ff.; VGH Baden-Württemberg vom Urteil vom 14. Juni 1994 - 14 S 476.94 -, juris Rd.-Nr. 20; VG Ansbach, Urteil vom 7. Oktober 2015 - AN 11 K 15.50067 -, juris Rd.-Nr. 21 mit weiteren Nachweisen), muss eine auf der Grundlage von § 26a AsylG getroffene Entscheidung unmissverständlich und eindeutig sein. Vorliegend überlässt der angefochtene Bescheid es indessen letztlich dem Empfänger, sich die in Betracht kommende Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrages „als unzulässig“ herauszusuchen. Dies genügt aber dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 18. April 1997, a.a.O., juris Rd.-Nr. 41, und VG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2016 a.a.O.).
- 24
Wenn die Beklagte vorliegend ihren Unzulässigkeitsausspruch mit einer auf eine entsprechende Anwendung der §§ 34, 36 AsylVfG gestützten Abschiebungsandrohung verbunden hat, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Schlussfolgerung, dass der Unzulässigkeitsausspruch seine Rechtsgrundlage in §§ 30 Abs. 1, 31 AsylVfG finden könnte, denn danach wäre es erforderlich, dass in der Entscheidung ausdrücklich eine Entscheidung dahingehend getroffen worden wäre, ob in Bezug auf den Zielstaat der Abschiebung – hier Italien – Abschiebungshindernisse vorliegen; eine eventuell lediglich inzident getroffene Feststellung ist insoweit nicht ausreichend (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 11. August 2014 – 10 A 2348/13.Z.A. -, juris, Urteil der 1. Kammer des erkennenden Gerichts vom 17. März 2015 – 1 K 1702/14.TR – und den bereits zitierten Beschluss der erkennenden Kammer vom 28. Oktober 2014 – 5 L 1659/14.TR –).
- 25
Gleiches gilt auch, wenn die Entscheidung der Beklagten über die Unzulässigkeit des Asylantrags als die Anwendbarkeit des § 36 AsylVfG eröffnende Entscheidung auf der Grundlage des § 71a AsylVfG auszulegen wäre, da auch dann der Erlass einer Abschiebungsandrohung – anders als derjenige einer Abschiebungsanordnung – nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG stets voraussetzt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, was auch hier einer ausdrücklichen – nicht aber lediglich inzidenten – Entscheidung der Beklagten bedarf. Daran fehlt es indessen vorliegend. Die Beklagte hat nämlich im Tenor ihres Bescheides gerade keine Entscheidung zu § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG getroffen.
- 26
Von daher stellt sich die Unzulässigkeitsentscheidung als rechtswidrig dar.
- 27
Gleiches gilt auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylG für deren Erlass nicht vorliegen. Im Übrigen wäre die Abschiebungsandrohung aber auch dann rechtswidrig, wenn die Unzulässigkeitsentscheidung der Beklagten – was von der Kammer verneint wurde – als Entscheidung nach § 26a AsylG anzusehen wäre, denn in diesen Fällen kommt nur der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG in Betracht, da eine Abschiebungsandrohung im Verhältnis zu einer Abschiebungsanordnung – anders als die Beklagte es sieht – kein milderes Mittel darstellt. Abschiebungsanordnung und Abschiebungsandrohung stellen nämlich unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung dar, die nicht teilidentisch sind. Insbesondere stellt sich eine Abschiebungsanordnung nicht als spezielle Ausformung einer Abschiebungsandrohung dar und ist letztere nicht als Minus in jeder Abschiebungsanordnung mitenthalten. Auch der Umstand, dass beide Maßnahmen auf das gleiche Ziel gerichtet sind, nämlich auf eine Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet, und teilweise identische Prüfungsinhalte bestehen, begründet keine Teilidentität (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15 –, juris). Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt nämlich – anders als derjenige einer Abschiebungsanordnung – nicht voraus, dass die Abschiebung auch rechtlich und tatsächlich möglich ist, so dass die Rechtsschutzmöglichkeiten des betroffenen Ausländers hinsichtlich der Prüfung inländischer Vollstreckungshindernisse hierdurch erheblich eingeschränkt werden (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 23. Juni 2016 – AN 14 K 15.50111 – mit weiteren Nachweisen, juris).
- 28
Im Übrigen spricht auch der Erwägungsgrund 43 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Asylverfahrensrichtlinie 2013 – für diese Nichtanwendbarkeit des § 34 AsylG auf Unzulässigkeitsentscheidungen der Beklagten, denn nach ihr sollen die Mitgliedstaaten, die einen Asylantrag nach Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie nur unter den dort genannten Voraussetzungen als unzulässig betrachten können, wobei vorliegend der Fall der Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat greift, zur sachlichen Prüfung eines Antrag auf internationalen Schutz (nur) dann nicht verpflichtet sein, wenn die Rückübernahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist, was aber gerade nicht Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung ist.
- 29
Von daher hat die Beklagte in den Fällen der §§ 26a und 27a AsylG zur Überzeugung der Kammer kein Wahlrecht, ob sie eine Abschiebungsanordnung oder eine Abschiebungsandrohung erlässt, sodass der angefochtene Bescheid der Beklagten insgesamt rechtswidrig und aufzuheben ist.
- 30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
- 31
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Trier Urteil, 27. Juli 2016 - 5 K 1671/16.TR zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der am 22. Januar 1979 in Rimal/Marokko geborene Kläger ist nach seinen Angaben marokkanischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit.
3Er war bereits im Sommer/Herbst 2009 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und wurde am 23. September 2009 in Erfurt von der Polizei aufgegriffen. Am 2. Oktober 2009 stellte er einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gemäß § 25 AsylVfG gab der Kläger an, er sei von Libyen mit dem Schlauchboot nach Sizilien gebracht worden. Von dort aus sei er mit dem Zug nach Mailand, dann weiter nach Paris und von dort nach Deutschland gefahren.
4Das Bundesamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 als unzulässig ab; zugleich ordnete es die Abschiebung nach Italien an. In der Begründung hieß es unter anderem: Laut Eurodac sei der Kläger am 24. Mai 2009 illegal über Italien in den Bereich der Mitgliedstaaten der Dublin II-VO eingereist. Auf ein am 16. November 2009 gestelltes Übernahmeersuchen hin habe Italien seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO erklärt. Daher werde dieser Antrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.
5Aufgrund des Übernahmeersuchens wurde der Kläger am 22. Dezember 2009 auf dem Luftwege über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt.
6Am 11. Januar 2011 wurde der Kläger wegen erneuten illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet wiederum in Erfurt aufgegriffen. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Thüringer Polizei gab er an, er habe nach der Abschiebung nach Italien dort keinen festen Wohnsitz gehabt. Einen Asylantrag habe er nicht stellen können. Er sei deshalb nach Frankreich weitergereist, habe sich aber auch dort ohne festen Wohnsitz aufgehalten, ohne einen Asylantrag zu stellen. Schließlich sei er – einen Tag zuvor – wieder nach Deutschland gekommen. Er bitte um Asylgewährung, weil er in Marokko von der Familie seiner Freundin, die er geschwängert habe, mit dem Tode bedroht werde.
7Unter dem 17. Januar 2011 ersuchte das Bundesamt Italien unter Bezugnahme auf Art. 16 Satz 1, Art. 13 Dublin II‑VO um Übernahme des Klägers. Das Ersuchen blieb – ebenso wie eine unter Hinweis auf die Annahmefiktion erfolgte Erinnerung vom 18. Februar 2011 – unbeantwortet.
8Mit Bescheid vom 27. April 2011 lehnte das Bundesamt den erneuten Antrag des Klägers auf Durchführung eines Asylverfahrens ab und ordnete dessen Abschiebung nach Italien an. Italien sei für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig. Wiederaufgreifensgründe lägen insoweit nicht vor, als diese nicht das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach der Dublin II-VO beträfen. Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO seien ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Ausnahmefall vom Konzept der normativen Vergewisserung liege nicht vor.
9Ausweislich des Verwaltungsvorgangs des Bundesamtes war die Überstellung des Klägers von Düsseldorf nach Rom-Fiumicino mit einem Flug am 10. Mai 2011 vorgesehen.
10Mit Beschluss vom 5. Mai 2011 – 3 L 603/11.A – hat das Verwaltungsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, vorläufig für die Dauer von sechs Monaten Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien auszusetzen.
11Mit seiner am 16. Mai 2011 erhobenen Klage hat der Kläger im Kern geltend gemacht, die tatsächliche Situation für Asylsuchende in Italien lasse unverändert nicht den Schluss zu, dass dort ein Asylverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werde.
12Der Kläger hat beantragt,
13den Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Asylantrag in der Sache zu entscheiden.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe der Senat wegen der Einzelheiten Bezug nimmt, hat das Verwaltungsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Der Kläger habe einen aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (Selbsteintrittsrecht) folgenden Anspruch darauf, dass ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werde. Das insoweit bestehende Ermessen sei auf Null reduziert. Denn es sei nach den tatsächlichen Verhältnissen in Italien nicht gewährleistet, dass dem Kläger dort ein den Richtlinien der Europäischen Union konformes Asylverfahren zugänglich gemacht werde und namentlich die Erfüllung seiner notwendigen Lebensbedürfnisse sichergestellt sei. Unabhängig davon sei Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens auch deswegen zuständig, weil die nach der Dublin II-VO geltende Überstellungsfrist von 6 Monaten abgelaufen sei. Diese Frist habe sich infolge des durchgeführten Eilverfahrens nicht verlängert.
17In einem weiteren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes während des anhängigen Verfahrens auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamts vom 27. April 2011 angeordnet.
18Die mit Beschluss vom gleichen Tage zugelassene Berufung hat die Beklagte fristgerecht begründet. Sie hält aus im Einzelnen dargelegten Gründen Italien weiterhin für zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens.
19Der Kläger beantragt, seinen erstinstanzlichen Antrag neu fassend,
20den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. April 2011 aufzuheben.
21Die Beklagte beantragt,
22das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage mit dem neu gefassten Antrag abzuweisen.
23Der Kläger beantragt weiter,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Der Kläger tritt der Berufung entgegen und macht hierzu im Wesentlichen geltend: Jedenfalls im Falle ernsthafter Anhaltspunkte für eine mit Blick auf das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im Zielstaat einer Dublin-Überstellung drohende Verletzung von Art. 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: EUGRCh) habe der betroffene Asylbewerber ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts, zumindest aber auf Absehen von einer Überstellung. Was den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO betreffe, lasse sich aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Sache „Petrosian“ für die Rechtslage in Deutschland kein klares Ergebnis herleiten. Hinsichtlich der tatsächlichen Aspekte des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Dublin-Rückkehrer in Italien überzeuge die Bewertung der konkreten Situation vor Ort durch die Beklagte sowie in den von dieser zur Stützung ihrer Auffassung in Bezug genommenen Erkenntnismitteln nicht. Es fänden sich dort zum Teil widersprüchliche und/oder ungenaue Aussagen. Zu den Quellen gebe es insbesondere bei den Auskünften des Auswärtigen Amtes nur sehr allgemeine Angaben. Die konkreten Fragen des Senats in dessen Anfrage vom 18. Oktober/27. November 2013 seien unbeantwortet geblieben; das habe der gesetzlich vorgeschriebenen Amtshilfe nicht Genüge getan. Zumindest ein Teil der von der Beklagten außerdem in Bezug genommenen Gerichtsentscheidungen betreffe schon keine hinreichend vergleichbaren Fallkonstellationen; andere Entscheidungen schöpften nicht die Erkenntnisse aus den neuesten vorhandenen Auskünften/Berichten in der gebotenen Weise aus. Auf der Grundlage einer verständigen Würdigung aller vorhandenen und namentlich der besonders aktuellen Erkenntnismittel stelle sich die Lage demgegenüber so dar, dass eine von den tatsächlich zur Verfügung stehenden– hier bei weitem unzureichenden und derzeit auch erheblich überbelegten – Unterbringungskapazitäten schlüssig getragene Sicherstellung einer Versorgung der Asylbewerber und speziell der Dublin-Rückkehrer mit Unterkunft sowie außerdem mit Verpflegung, Kleidung und medizinischer Hilfe – alles gemessen an dem (Mindest-)Schutzniveau des Art. 4 EUGRCh – nicht gewährleistet und auch nicht regelmäßig vorhanden sei. Da das eigentliche Problem des italienischen Asyl-/Aufnahmesystems eine enorme Diskrepanz zwischen dem (nach den Rechtsvorschriften gebotenen) Soll-Zustand und dem (die Praxis und Lebenswirklichkeit bestimmenden) Ist-Zustand sei, umfassende empirische Untersuchungen zu den tatsächlichen Verhältnissen aber in der Regel fehlten, ließen sich zulässigerweise auch aus (etwa Berichten von Nichtregierungsorganisationen zugrunde liegenden) Schilderungen von typischen Einzelfällen Schlüsse auf die im Land vorherrschenden Rahmenbedingungen ziehen. Darauf gründend lägen hier gravierende Defizite vor, die zugleich als strukturell zu bewerten seien. So sei etwa das italienische Asyl- und (daran anknüpfend) Aufnahmesystem dergestalt zweistufig ausgestaltet, dass es nach der ersten Anbringung des Asylgesuchs noch dessen förmlicher Registrierung in einer Questura bedürfe, um überhaupt Leistungen wie Unterkunft o.ä. erhalten zu können. Da diese Registrierung in der Praxis manchmal erst Wochen oder zum Teil sogar Monate später erfolge, ergebe sich eine zeitliche Lücke, welche missachte, dass nach europäischem Recht schon ab Einreise und Asylantragstellung ein Anspruch auf soziale Leistungen bestehe. Bei den in Rede stehenden Aufnahmemodalitäten, darunter insbesondere den massiven Kapazitätsengpässen, handele es sich auch nicht nur um ein temporäres, inzwischen überstandenes Problem. Im Gegenteil habe sich die Situation in der letzten Zeit nicht beruhigt, sondern sogar weiter zugespitzt. Denn zum einen habe der Zustrom von Asylbewerbern nach Italien im Jahr 2013 – und namentlich dessen zweiter Hälfte – wieder dramatisch zugenommen (insgesamt ca. 43.000 Bootsflüchtlinge), andererseits seien die im Zuge des sog. „Notstands Nordafrika“ zusätzlich eingerichteten Unterkunftsmöglichkeiten des Zivilschutzes im Laufe des Jahres 2013 weggefallen und es sei hierfür kein adäquater Ausgleich geschaffen worden. Die insoweit bestehende Lücke zu schließen und zugleich ein – bislang fehlendes – klar überschaubares, möglichst zentrales System der Verteilung von Unterkünften und Verpflegung einzurichten, falle in die staatliche Verantwortung Italiens. Durch die Kirche und etwaige sonstige karitative Einrichtungen erbrachte zusätzliche Nothilfe, auf welche etwa das Auswärtigen Amt immer wieder ergänzend hinweise, könne daher das anzunehmende strukturelle Defizit im Sinne der Rechtsprechung zum „systemischen Mangel“ nicht beseitigen. Das gelte zumal dann, wenn diese Hilfe nicht im staatlichen Auftrag, sondern bezogen auf das Selbstverständnis dieser Organisationen „aus eigenem Antrieb“ erfolge. Das Vorliegen eines „systemischen Mangels“ sei im Übrigen nicht im Sinne einer zusätzlichen Anforderung zu begreifen. Das gelte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Supreme Court des Vereinigten Königreichs jedenfalls dann, wenn kein Zweifel daran bestehe, dass in dem jeweiligen Einzelfall die ernstzunehmende Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh gegeben sei. Schließlich habe der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 27. Februar 2014 nochmals klargestellt, dass der Asylbewerber bereits ab dem Zeitpunkt des Asylantrages den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben habe, was bei Fehlen einer verfügbaren Unterkunft auch die ersatzweise Zurverfügungstellung finanzieller Mittel betreffe.
26In der (ersten) mündlichen Verhandlung des Senats vom 26. September 2013 ist der Kläger ausführlich (u.a.) zu den Umständen seiner 2009 erfolgten Rückführung nach Italien befragt worden; wegen der Einzelheiten seiner Angaben wird auf die betreffende Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte, der Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der sonstigen Beiakten (insgesamt 9 Hefte) sowie der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
30I. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Der Kläger hat seinen Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat entsprechend klargestellt, die Beklagte hat sich hiermit einverstanden erklärt. Eine Anfechtungsklage bietet den erforderlichen und ausreichenden Rechtsschutz, so dass es einer weitergehenden Klage auf Verpflichtung der Beklagten nicht bedarf. Dies ergibt sich aus Folgendem:
31Nach den Regelungen der vorliegend anzuwendenden (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, Art. 49 Satz 3 der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. L 180/31, sog. Dublin III-VO) Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50/1, sog. Dublin II-VO, ist grundsätzlich nur ein einziger Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Prüfung eines Asylantrags zuständig. Lehnt vor diesem Hintergrund die Beklagte, wie ihr Terminsvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug auf den streitbefangenen Bescheid klargestellt hat, die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 27a AsylVfG wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats ab, kann der Asylbewerber geltend machen, seine Überstellung in eben diesen Staat sei wegen dort gegebener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unzulässig. Erweist sich diese Behauptung als zutreffend, so ist die Beklagte schon kraft Unionsrechts verpflichtet zu prüfen, ob nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO ein anderer Mitgliedstaat zur Prüfung des Asylbegehrens zuständig ist. Dies hat der Europäische Gerichtshof wiederholt entschieden und hierzu ausgeführt: „... hat folglich dann, wenn die Überstellung eines Antragstellers an den ursprünglich nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung als zuständig bestimmten Mitgliedstaat nicht möglich ist, der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ..., die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines dieser Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann. Ist dies nicht der Fall, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, nach Art. 13 der Verordnung für dessen Prüfung zuständig.“
32EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 –(Puid), NVwZ 2014, 129 = juris, Rn. 33 f.; inhaltlich übereinstimmend ferner Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. – (N.S.), NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 96, 97 u. 107.
33Diese unionsrechtliche Verpflichtung tritt, wenn sich die systemischen Mängel erweisen sollten, automatisch ein. Die Verwaltungsgerichte haben demnach zu prüfen, ob in dem in Betracht kommenden Mitgliedstaat der Europäischen Union die behaupteten systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen vorliegen, und bejahendenfalls weiter zu untersuchen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach den Regelungen der Dublin II-VO für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens zuständig ist. Die Prüfung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats brauchen die Verwaltungsgerichts nach allgemeinen Grundsätzen aber nicht gleichsam „ins Blaue hinein“ vorzunehmen, sondern nur insoweit, als sich aus den Akten oder dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten hinreichende Anhaltspunkte hierfür ergeben. Dementsprechend erweist sich Ziffer 1 des angefochtenen Bundesamtsbescheides als rechtmäßig entweder, wenn der für die Durchführung des Asylverfahrens als zuständig benannte Staat tatsächlich zuständig ist und nicht wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen ausfällt oder wenn dies auf einen anderen Mitgliedstaat zutrifft, der nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens vorrangig zuständig ist. Ergibt die verwaltungsgerichtliche Prüfung aber, dass in dem von der Beklagten als zuständig bezeichneten Mitgliedstaat systemische Mängel bestehen, und lässt sich kein anderer vorrangig zuständiger Mitgliedstaat ausmachen, so ist Deutschland nach Art. 13 Dublin II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig, weil (regelmäßig) jedenfalls hier ein Asylantrag gestellt worden ist. Eines auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsausspruchs bedarf es daher nicht, weil bei bestehender Zuständigkeit der Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen ist. Dementsprechend besteht – ungeachtet der Möglichkeit zum Selbsteintritt – selbst beim Bestehen systemischer Mängel auch keine Verpflichtung zum Selbsteintritt des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO,
34vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 – (Puid), a.a.O., Rn. 37; Thym, NVwZ 2014, 130,
35und demzufolge auch kein hierauf gerichteter Anspruch des Asylbewerbers.
36Dies gilt nicht nur bei erstmaliger Antragstellung, sondern auch im Wiederholungsfalle und zwar unabhängig davon, ob der Asylbewerber zwischenzeitlich in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat überstellt wurde. Es spielt daher vorliegend keine Rolle, dass die Beklagte den Asylantrag des Klägers als Folgeantrag eingestuft und in dem Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 die Durchführung eines „weiteren“ Asylverfahrens abgelehnt hat. Insbesondere ist im Lichte der vorbezeichneten neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Fällen der vorliegenden Art die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einschlägig, derzufolge sich die Verwaltungsgerichte bei Ablehnung der Durchführung eines Asylfolgeverfahrens nicht auf die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung des Folgeverfahrens beschränken dürfen, sondern die Sache im Hinblick auf die begehrte Anerkennung als Flüchtling spruchreif zu machen haben.
37BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 –, BVerwGE 107, 128 = juris, Rn. 10; dem auch für Fälle folgend, in denen die Prüfung der sog. Dublin-Zuständigkeit inmitten steht, OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 2011 – 3 A 133/10.A –, juris.
38Denn die hier zentrale Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat ist – wie der Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 zutreffend ausführt – der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und betrifft nicht das Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ein abgeschlossenes (Asyl-)Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen ist. Zuständigkeitsprüfung und inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens sind unterschiedliche, voneinander getrennte Verfahren. Dies wird bestätigt durch die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326/13), die sog. Verfahrensrichtlinie, wonach die materielle Prüfung des Asylgesuchs durch eine „Asylbehörde“ erfolgt, deren Entscheidung gerichtlich überprüft werden kann. Diese Richtlinie betrifft ausweislich ihres Artikels 39 Abs. 1 Buchst. a) i) i.V.m. Art. 25 Abs. 1 sowie ihres 29. Erwägungsgrundes aber nicht das Verfahren der Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II-VO, was belegt, dass die Zuständigkeitsprüfung ein von der materiellen Prüfung des Asylbegehrens abgetrenntes Verfahren darstellt. Noch deutlicher formuliert dies der 53. Erwägungsgrund der nachfolgenden (Verfahrens-)Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. L 180/60, der von einem Verfahren zur Klärung der Zuständigkeit „zwischen Mitgliedstaaten“ spricht. Auch der Europäische Gerichtshof weist darauf hin, dass die Bestimmungen der Dublin II-VO die „Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln“.
39Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 56.
40II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
41Der Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 2011 ist im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unabhängig von der formalen Einordnung des Asylantrags des Klägers durch die Beklagte als Folgeantrag im Sinne des § 71 AsylVfG findet– wie der Sitzungsvertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat – der Bescheid hinsichtlich der Ablehnung der Durchführung eines Asylverfahrens seine Rechtsgrundlage in § 27a AsylVfG und hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Beide Regelungen des Bescheides sind rechtlich nicht zu beanstanden.
421. Das Bundesamt hat richtig entschieden, dass die Beklagte für die sachliche Prüfung und Entscheidung des streitbefangenen Asylantrags nicht zuständig ist. Damit musste dieser Antrag, wie in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. April 2011 geschehen, abgelehnt werden, weil er unzulässig ist (§ 27a AsylVfG). Maßgebend hierfür ist die Dublin II-VO (nachfolgend a)). Die danach bestehende ursprüngliche Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Asylverfahrens ist nicht nach (Sonder-)Vorschriften der Dublin II-VO auf die Beklagte übergegangen (nachfolgend b)). Schließlich fällt Italien als zuständiger Staat auch nicht aus, weil die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des der Dublin II-VO zugrunde liegenden Prinzips gegenseitigen Vertrauens gerechtfertigt ist (nachfolgend c)).
43a) Grundlage der Prüfung dieser Zuständigkeit ist für das im Januar 2011 angebrachte Gesuch des Klägers (noch) die Dublin II-VO. Diese wurde zwar gemäß Art. 48 Satz 1 der Dublin III-VO zwischenzeitlich aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2014 angebrachte Schutzgesuche bleibt jedoch gemäß Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO die Vorläufer-Verordnung weiterhin anwendbar (siehe bereits oben I.).
44b) Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Maßgabe der Dublin II-VO hat prinzipiell allein auf der Grundlage der dort festgelegten Kriterien zu erfolgen, für die eine bestimmte Rangfolge gilt (Art. 5 ff. Dublin II-VO). Hiernach war im vorliegenden Falle Italien zuständig (dazu aa)). Diese Zuständigkeit hat Italien nicht verloren; sie ist nicht während des Asylverfahrens nach (Sonder-)Vorschriften der Dublin II-VO auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland übergegangen (dazu bb) bis ee)).
45Inwieweit diesen Zuständigkeitsvorschriften (und ob allen bzw. gegebenenfalls welchen) dabei überhaupt subjektive Rechte des Asylsuchenden entnommen werden können, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Allerdings spricht auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs,
46vgl. Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 60,
47viel dafür, dass die subjektive Rechtsstellung von Asylbewerbern in sog. „Dublin-Verfahren“ nur insofern betroffen ist, als es darum geht, ob diese auf der Grundlage von ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründen in dem Mitgliedstaat, in den sie überstellt werden sollen, tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 (ABl. C 303/1) (EUGRCh) ausgesetzt zu werden. Keine subjektiven Rechte seien hingegen von der Prüfung berührt, ob in dem jeweiligen Fall die Rangkriterien der Dublin II-VO wie etwa Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 19 Abs. 2 Satz 3 vorgesehenen Rechtsbehelf richtig angewendet oder aber damit verbundene Form- und Fristerfordernisse korrekt beachtet wurden. Eine solche Begrenzung der subjektiven Rechtsstellung soll namentlich dann gelten, wenn der für zuständig befundene Mitgliedstaat der Überstellung zugestimmt hat. Sie dürfte konsequenterweise dann auch den hier gegebenen Fall der Fiktion dieser Zustimmung nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO erfassen, was aber der Europäische Gerichtshof nicht ausdrücklich (mit)entschieden hat. Mit Blick darauf geht der Senat im Folgenden vorsorglich auf die Zuständigkeitsbestimmung nach den Maßgaben der Dublin II-VO ein:
48aa) Die ursprüngliche Dublin-Zuständigkeit Italiens ist hier unstreitig. Sie ergibt sich (mangels vorrangiger Dublin-Kriterien) aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO. Denn ausgehend von seinen eigenen, insofern von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Angaben hat der Kläger aus einem Drittstaat (Libyen) kommend als erstes die (See-)Grenze zu dem Mitgliedstaat Italien überschritten. Dies erfolgte ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal. Der betreffende Sachverhalt wird durch den im Bescheid des Bundesamtes vom 11. Dezember 2009 erwähnten Eurodac-Treffer der Kategorie „2“ (Kennzeichnung für illegal Eingereiste ohne Status des Asylbewerbers) bestätigt. Dementsprechend hat Italien im Jahre 2009 auch der Aufnahme des Klägers zugestimmt.
49bb) Die Zuständigkeit Italiens hat nicht nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO geendet. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit (eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens) zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem der Mitgliedstaaten ein Asylantrag gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Kriterien für die Bestimmung der sog. Dublin-Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Asylantrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zwölfmonatszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.
50Vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 8), siehe auch (im Wesentlichen gleichlautend und nachfolgend nicht mehr gesondert zitiert) Urteil jenes Gerichts vom gleichen Tage – 3 L645/12 –, n.v.; ferner Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, juris, Rn. 9.
51Hieran gemessen war die Zwölfmonatsfrist bei der ersten Asylantragstellung des Klägers in Deutschland (2. Oktober 2009) noch nicht abgelaufen. Denn der Eurodac-Treffer zu Italien datiert vom 24. Mai 2009. Dafür, dass der Kläger das italienische Staatsgebiet deutlich früher betreten hätte, gibt es auch bei Einbeziehung seiner eigenen vorprozessualen und in diesem Verfahren gemachten Angaben keinen Anhalt. So hat der Kläger in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, nach seiner Einreise über Lampedusa nach Sizilien gebracht worden zu sein und dort in einer „Sammelstelle für Illegale“ gelebt zu haben. Dies zugrunde gelegt, ist aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er dort auch – zeitnah zur Einreise – erkennungsdienstlich behandelt wurde.
52cc) Die beklagte Bundesrepublik ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO nachträglich für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig geworden. Denn sie hat das dort angesprochene Gesuch um Aufnahme innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Antrags noch in dem Monat der Asylantragstellung (Januar 2011) gestellt. Dass eine Antwort darauf ausblieb, ist im Rahmen der vorgenannten Vorschrift unerheblich, begründet vielmehr nach Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO (umkehrt) nach Ablauf von zwei Monaten aufgrund fingierter Annahme eine wohl eigenständig hinzutretende Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaates, die in Rede stehende Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Gegebenenfalls ergäbe sich Entsprechendes aus Art. 20 Abs. 1 Buchst. b) und c) Dublin II-VO, wenn keine Aufnahme, sondern eine Wiederaufnahme vorläge.
53dd) Die vom Kläger mit angesprochene Frage, ob die Zuständigkeit Italiens eventuell nach Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Dublin II-VO erloschen ist, stellt sich hier bereits deshalb nicht, weil die in der Vorschrift geregelte Frist von drei Monaten allein den (hier nicht gegebenen) Fall erfasst, dass der Asylbewerber zwischenzeitlich das Gebiet „der“ (also aller) Mitgliedstaaten verlassen hat. Die Dauer des Aufenthalts des Klägers in Frankreich ist hierfür also nicht von Belang.
54ee) Schließlich ist die Zuständigkeit Italiens auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO, d.h. wegen Überschreitung der sog. Überstellungsfrist, auf die Beklagte übergegangen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Das knüpft an Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO an, welcher unter anderem bestimmt, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf erfolgt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Diese Frist ist hier nicht abgelaufen, wobei es maßgeblich auf den Fall 2 („oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf“) ankommt.
55Mit „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ ist nicht die gerichtliche Entscheidung in dem zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemeint, mit der die Durchführung der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgesetzt wird, sondern die Entscheidung, mit der das Gericht „über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens“ entscheidet und die der Durchführung des Überstellungsverfahrens nicht mehr entgegenstehen kann.
56Vgl. insoweit zu entsprechenden Frist in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin II-VO: EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 – (Petrosian), NVwZ 2009, 639 = juris, Rn. 53.
57Das bezieht sich – jedenfalls wenn und solange die Vollziehung der Überstellung (weiter) ausgesetzt ist – nach allgemeiner Auffassung auf die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren.
58Vgl. statt vieler etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 35; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 2012 – A 2 S 1355/11 –, AuAS 2012, 213 = juris, Rn. 24; Hessischer VGH,Beschluss vom 23. August 2011 – 2 A 1863/10.Z.A –, InfAuslR 2011, 463 = juris, Rn. 7; VG Freiburg, Beschluss vom 2. Februar 2012– A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 14; VG Meiningen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 5 K 20096/13 Me –, juris, Rn. 39, m.w.N.
59Für die Auslegung des Merkmals „aufschiebende Wirkung“ macht es keinen relevanten Unterschied, ob nach dem hier innerstaatlich einschlägigen deutschen Recht – rechtstechnisch gesehen – die Durchführung der Überstellung in Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO oder des § 123 VwGO durch das Gericht vorläufig gestoppt wird. Denn die Wirkung beider Entscheidungstypen des vorläufigen Rechtsschutzes ist mit Blick auf das praktische Ergebnis die gleiche: Die Überstellung darf zunächst einmal kraft gerichtlicher Anordnung nicht erfolgen. Das bedeutet jeweils, dass eine Abstimmung hinsichtlich der näheren Modalitäten der Überstellung, für welche die Frist eingeräumt ist, noch nicht erfolgen kann bzw. noch keinen Sinn ergäbe.
60Vgl. zur Gleichbehandlung der verschiedenen Arten der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insoweit auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 2012 ‑ A 2 S 1355/11 –, AuAS 2012, 213 = juris, Rn. 25; VG Meiningen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 5 K 20096/13 Me –, juris, Rn. 40.
61Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger hervorgehobenen Umstand, dass § 34a Abs. 2 AsylVfG in seiner bis zum 5. September 2013 gültig gewesenen, also im Zeitpunkt des Ablehnungsbescheides anwendbaren Fassung eine Aussetzung der Abschiebung im Wege der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowohl nach § 80 als auch § 123 VwGO kraft Gesetzes ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Dieser Umstand führt nicht darauf, dass hier Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Fall 2 Dublin II-VO gar nicht oder jedenfalls nicht im Sinne eines Einsetzens der Überstellungsfrist erst mit dem Ergehen einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung anzuwenden wäre, wenn Gerichte den Vollzug ausgesetzt haben. Denn was nach dem (sachlich zusammenhängend) in Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO in Bezug genommenen „innerstaatlichen Rechtzulässig“ ist, bestimmt sich nach der Rechtsordnung des betroffenen Staates insgesamt und nicht allein nach dem Wortlaut des geschriebenen (einfachen) Gesetzesrechts. Namentlich geht das Verfassungsrecht in seiner Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht dem einfachen Gesetzesrecht vor. Dies zugrunde gelegt, fordert die unionsrechtliche Zweckbestimmung der in Rede stehenden Frist, dass diese auch in den hier interessierenden Fällen einer rechtlichen Unmöglichkeit der Überstellung nicht anläuft bzw., sofern sie schon angelaufen ist, gehemmt wird.
62Vgl. – in diesem Sinne – etwa auch Hessischer VGH, Beschluss vom 23. August 2011 – 2 A 1863/10.Z.A -, InfAuslR 2011, 463 = juris, Rn. 5, 6; Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012– 4 MC 133/12 –, juris, Rn. 17; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L643/12 –, juris (UA S. 11 f.).
63Eine etwa entgegen Art. 19 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO nicht erfolgte Angabe der Frist für die Durchführung der Überstellung hat entgegen der Auffassung des Klägers keine Bedeutung dafür, ob in Bezug auf den Fall 2 des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO der Überstellungszeitraum von sechs Monaten überschritten ist. Auch die zeitlich begrenzte Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO betrifft ganz andere Situationen und hat mit dem Fall 2 des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO nichts zu tun.
64Vgl. in diesem Zusammenhang auch VGMeiningen, Urteil vom 26. Juni 2013 – 5 K 20096/13 Me –, juris, Rn. 41 f.
65Für die Beurteilung des konkreten Falles anhand des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO folgt daraus: Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Beschluss vom 5. Mai 2011 – 3 L 603/11.A –, zugestellt am 6. Mai 2011, der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig für die Dauer von sechs Monaten aufgegeben, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien auszusetzen. Diese gerichtliche Entscheidung hat zunächst verhindert, dass die Überstellungsfrist nach Fall 2 des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO überhaupt anlaufen konnte. Selbst wenn die Sechsmonatsfrist für die Überstellung danach (ab 7. November 2011) angelaufen sein sollte, war sie in dem Zeitpunkt, in welchem der Senat mit Beschluss vom 1. März 2012 – 1 B 234/12.A – die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid vom 27. April 2011 (neuerlich) angeordnet hat, noch nicht abgelaufen. Da diese Anordnung nicht befristet gewesen ist, ist die hier interessierende Frist seitdem jedenfalls gehemmt und im Ergebnis auch im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht abgelaufen.
66Vorstehende Überlegungen gelten entsprechend für die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO für den Fall der Wiederaufnahme geregelten Frist von sechs Monaten.
67c) Die Zuständigkeit Italiens zur Entscheidung über den Asylantrag des Klägers entfällt nicht ausnahmsweise deswegen, weil die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des den Bestimmungen der Dublin II-VO zugrunde liegenden Systems des gegenseitigen Vertrauens gerechtfertigt ist.
68aa) Im Ausgangspunkt liegt dem im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem – und dabei gerade auch der Dublin II-VO – die Vermutung zugrunde, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II, S. 559) (Genfer Flüchtlingskonvention) sowie der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Oktober 2010 (BGBl. II, S. 1198)) – Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – steht. Das wird vom Europäischen Gerichtshof als „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“,
69vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 – (N.S.), NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff.,
70bzw. entsprechend in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als „Konzept der normativen Vergewisserung“,
71vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 –, BVerfGE 94, 49 = NJW 1996, 1665 = juris, Rn.181,
72bezeichnet. Die betreffende Vermutung kann allerdings in Sonderfällen widerlegt sein, nämlich dann, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass in dem nach Maßgabe der Dublin II-VO für die Prüfung eines Asylgesuchs an sich zuständigen Mitgliedstaat das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EUGRCh implizieren. Dabei ist der Inhalt dieses Grundrechts an der Auslegung des Art. 3 EMRK auszurichten (vgl. insoweit Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EUGRCh einschließlich der gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 EUV zu berücksichtigenden Erläuterungen).
73Vgl. statt vieler OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 16 mit Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
74Jedenfalls im Kern Entsprechendes ergibt sich auch unmittelbar aus der für das vorliegende Verfahren in erster Linie maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dort wird – wohl letztlich nicht in einem (wesentlich) anderen Sinne – gefordert, dass es sich bei den Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber um „systemische“ Mängel bzw. Unzuträglichkeiten handeln muss. Diesbezüglich ist in dem Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011 – Rs C-411/10 und C-493/10 – (NVwZ 2012, 417 = juris) ausgeführt worden:
75Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System (gemeint: das System der Behandlung der Asylanträge) in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. (Rn. 81)
76Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde. (Rn. 82)
77Auf dem Spiel stehen nämlich der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet. (Rn. 83)
78Es wäre auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. (Rn. 84)
79Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. (Rn. 86)
80Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf den Schutz der Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es nach alledem in Situationen wie denen der Ausgangsverfahren den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den ‘zuständigen Mitgliedstaat’ im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden. (Rn. 94)
81Daraus ergibt sich im Ergebnis:
82Art. 4 der Charta ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den ‘zuständigen Mitgliedstaat’ im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden. (Rn. 106)
83Diese Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof auch in der nachfolgenden Zeit im Kern bestätigt.
84Vgl. etwa Urteil vom 14. November 2013 – C-4/11 – (Puid), NVwZ 2014, 129 = juris, Rn. 30.
85Für die Annahme eines systemischen Mangels im vorgenannten Sinne reicht die Verletzung einzelner Grundrechte außerhalb von Art. 4 EUGRCh ebenso wenig wie die „geringste“ Verletzung von Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts.
86Vgl. auch Thym, in: Kluth/Heusch, Beck’scher Online Kommentar Ausländerrecht, AEUV Art. 78, Rn. 27 (Stand 1. Februar 2013).
87Vielmehr erfordern systemische Mängel eine in den vom Gericht empirisch gewonnenen Erkenntnissen zum Ausdruck kommende „reelle Unfähigkeit des Verwaltungsapparates zur Beachtung des Art. 4 EUGRCh“,
88vgl. Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406, 408,
89liegen also vor bei „strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens“ haben, ohne dass es auf eine hierauf bezogene Zielsetzung des betreffenden Mitgliedstaats ankommt.
90Vgl. Marx, NVwZ 2012, 409, 411.
91Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig, sondern „in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen“.
92Vgl. Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182, 186.
93Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem – mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis – faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
94Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 46.
95Ob der Auffassung des Klägers zuzustimmen ist, dass es auf das Vorliegen systemischer Mängel nicht ankomme, wenn im Einzelfall bei Überstellung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat eine Verletzung von Art. 4 EUGRCh anzunehmen sei,
96in diesem Sinne Supreme Court des Vereinigten Königreichs, R v Secretary of State for the Home Department, Entscheidung vom 19. Februar 2014, UKSC 12, im Internet abrufbar unter www.supremecourt.uk; ebenso Marx, a.a.O., S. 412; a.A. Hailbronner/Thym, a.a.O.,
97bedarf keiner Entscheidung. Denn im Falle des Klägers geht es nicht um die individuell an seine Person anknüpfende Besorgnis einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh, etwa deshalb, weil er innerhalb der Gruppe der asylsuchenden Dublin-Rückkehrer eine in besonderem Maße verletzliche und/oder gefährdete Person wäre. Vielmehr steht die Frage möglicher struktureller Defizite insbesondere der (allgemein für Dublin-Rückkehrer unter den Asylbewerbern geltenden) Aufnahmebedingungen in Italien im Zentrum des Verfahrens.
98Der Prognosemaßstab für das Vorliegen systemischer Mängel ist einheitlich zu bestimmen sowohl, was die (empirischen) Voraussetzungen für das Vorliegen systemischer Mängel betrifft, als auch hinsichtlich der darauf gründenden Einschätzung, ob diese Mängel die begründete Erwartung rechtfertigen, dass der Betroffene im Falle seiner Überstellung Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
99Die oben angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlangt insofern zunächst, dass die Annahme einer mit Blick auf bestehende systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh durch „ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe“ gestützt und abgesichert sein muss. Die anzustellende Prognose bedarf somit einer konkret nachvollziehbaren und in der Sache fundierten („ernsthaften“) Tatsachengrundlage. Namentlich im Fall von sich (zum Teil) widersprechenden Auskünften oder sonstigen Erkenntnismitteln müssen die vom Gericht für die Widerlegung der Vermutung des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens als „richtig“ zugrunde gelegten Tatsachen hinreichend belastbar sein. Das setzt voraus, dass für ihr Zutreffen, dabei u.a. auch für die Verallgemeinerungsfähigkeit von Erkenntnissen über beobachtete oder berichtete Einzelfälle, ein beachtlicher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht.
100Das entspricht dem Maßstab, der auch für die Prognose des voraussichtlichen Eintretens der Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh selbst anzuwenden ist. Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ergibt sich insofern aus der vom Europäischen Gerichtshof für die drohende Grundrechtsverletzung verwendeten Formulierung der „tatsächlichen Gefahr“, im Englischen „real risk“. Zu dieser Formulierung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der diese Formulierung entlehnt ist,
101vgl. etwa Urteile vom 28. Februar 2008– 37201/06 – (Saadi), Rn. 125, 128 f., z.B. NVwZ 2008, 1330 (1331), und vom 11. Juli 2000– 40035/98 – (Jabari), Rn. 38, 42, u.a. InfAuslR 2001, 57 (58),
102festgestellt, dass damit der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gemeint ist.
103Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013– 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 32, und vom 1. Juni 2011 – 10 C 25.10 –, BVerwGE 140, 22 = juris, Rn. 22, m.w.N.
104Dieser besagt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung (hier: eine Verletzung von Art. 4 EUGRCh) sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen.
105Vgl. dazu, dass es dabei allerdings nicht auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit im rein mathematischen Sinne („mehr wahrscheinlich als unwahrscheinlich“) ankommt, EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 – 37201/06 – (Saadi), NVwZ 2008, 1330, Rn. 140.
106Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung (hier: einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh) hervorgerufen werden kann.
107Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 32.
108Von dem in Rede stehenden Überstellungsverbot zweifelsfrei erfasst werden nach alledem (in der Regel) nur solche Verhältnisse, in denen es – hier im Zusammenhang mit Überstellungen von Asylbewerbern nach dem „Dublin-Regime“ – in dem Zielstaat der Überstellung aufgrund entsprechender, hinreichend gesicherter Erkenntnisse nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder zu einer Verletzung der Grundrechtsgewährleistung aus Art. 4 EUGRCh kommen kann.
109Vgl. sinngemäß auch OVG Sachsen-Anhalt,Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 18); OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 46, 48.
110Die bloße Möglichkeit derartiger Verletzungshandlungen – auch bei einer allgemein unsicheren Lage in dem betreffenden Staat – reicht dagegen nicht.
111Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008– 37201/06 – (Saadi), Rn. 131, u.a. NVwZ 2008, 1330 (1331 f.).
112An dem vorgenannten Maßstab ist im Prinzip auch dann festzuhalten, wenn der Betroffene in der Vergangenheit – wie hier der Kläger – schon einmal in den in Rede stehenden Mitgliedstaat überstellt worden war und er seinerzeit auf der Grundlage seiner Angaben ins Gewicht fallende Mängel und Unzuträglichkeiten der Aufnahmebedingungen tatsächlich erlebt hat. Dieser Umstand ist – je nach der Bedeutsamkeit des Erlebten und den sonstigen Umständen des Einzelfalles mit ggf. unterschiedlichem Gewicht – in die oben erwähnte umfassende Abwägung aller Umstände einzubeziehen. Er rechtfertigt demgegenüber – anders als der Umstand der Vorverfolgung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU, ABl. L 337/9, sog. Qualifikationsrichtlinie – nicht generell eine den Prognosemaßstab faktisch verschiebende Beweiserleichterung, wie sie der Kläger wohl sinngemäß auch für den vorliegenden Fall geltend macht. Solches muss insbesondere dann gelten, wenn wie hier keine individuellen Besonderheiten des Asylsuchenden bzw. spezifische Besonderheiten der Gruppe, der er zugehört, gefährdungsrelevant sind, sondern die vorzunehmende Prognose maßgeblich an den allgemein bestehenden – und zwar den aktuellen – Aufnahmebedingungen auszurichten ist. Eine andere Sichtweise wäre nach Auffassung des Senats nicht mit dem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich aufrecht zu erhaltenden und schützenswerten Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zu vereinbaren. Es würde nämlich den konkreten Erfahrungen, welche Einzelpersonen in der Vergangenheit vielleicht mehr oder weniger zufällig gemacht haben, ein zu starres und auch tendenziell zu großes Gewicht im Rahmen der (Gesamt-)Würdigung zumessen, ob ausgehend von den allgemein vorherrschenden Aufnahmebedingungen in dem betroffenen Mitgliedstaat auch (noch) aktuell mit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gerechnet werden muss.
113Vgl. auch EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008– 37201/06 – (Saadi), NVwZ 2008, 1330, Rn. 133: „Die historischen Tatsachen sind zwar insoweit von Bedeutung, als sie die jetzige Lage und die Art, wie sie sich wahrscheinlich entwickelt, beleuchten, entscheidend sind aber die jetzigen Verhältnisse.“
114Zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale von Art. 4 EUGRCh ist wegen der korrespondierenden Gewährleistungsinhalte (vgl. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EUGRCh) auf die Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen.
115Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 338.
116Nach der Rechtsprechung des EGMR ist (allgemein) eine Behandlung dann „unmenschlich“, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als „erniedrigend“ ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von allen Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
117Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 219, 220.
118Das kann – etwa bei Asylsuchenden als Angehörige einer besonders benachteiligten und verletzlichen und damit besonders schutzwürdigen Bevölkerungsgruppe – auch die Verhältnisse der Unterbringung, die hygienischen Verhältnisse und die Versorgung mit ausreichender Nahrung betreffen.
119Vgl. das vorgenannte Urteil vom 21. Januar 2011, Rn. 222, 251 und 254.
120Allerdings kann Art. 3 EMRK nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
121Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m.w.N., und Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 – (Mohammed Hussein), ZAR 2013, 336 f. (Rn. 70).
122Anders zu beurteilen ist aber bei Erreichen des erforderlichen Schweregrades (möglicherweise) der Fall, dass in dem betreffenden Staat auf Grund des positiven Rechts die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung tatsächlich besteht oder jedenfalls zu bestehen hat, weil einschlägiges Unionsrecht entsprechend umgesetzt werden muss. Von Bedeutung ist dabei vor allem die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96) (im Folgenden: Aufnahmerichtlinie), welche die zuvor gültig gewesene Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 (ABl. L 31/18) inzwischen abgelöst hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedstaaten festgelegt.
123Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250; siehe auch VG Frankfurt, Urteil vom 9. Juli 2013 – 7 K 560/11.F.A. –, juris, Rn. 21; eher kritisch hinsichtlich einer damit ggf. einhergehenden Überdehnung der Reichweite des Art. 3 EMRK, welche in Widerspruch zu der Auslegung des Art. 4 EUGRCh durch den EuGH geraten könnte, aber etwa Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407 f.).
124Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die nach der Aufnahmerichtlinie erforderlichen Aufnahmebedingungen zu gewährleisten, beginnt mit der Stellung des Asylantrags. Systematik und Zweck der Richtlinie und auch die Wahrung der Grundrechte verbieten es, dass einem Asylbewerber der mit den in der Richtlinie festgelegten Mindestnormen verbundene Schutz entzogen wird, und sei es auch nur vorübergehend nach Asylantragstellung.
125Vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 – C-79/13 – (Saciri u. a.), juris, Rn. 33 – 35, und Urteil vom 27. September 2012 – C-179/11 – (Cimade), NVwZ 2012, 1529 = juris, Rn. 39, 56, jeweils zur Richtlinie 2003/9/EG.
126Davon ausgehend kann ein Staat im Rahmen von Art. 3 EMRK (bzw. entsprechend Art. 4 EUGRCh) – zumindest in Gestalt einer in Betracht kommenden Möglichkeit – für eine Behandlung verantwortlich sein, bei der sich ein von staatlicher Unterstützung vollständig abhängiger Asylsuchender in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht, die mit der Menschenwürde unvereinbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn ein Asylsuchender erkanntermaßen mehrere Monate obdachlos auf der Straße gelebt hat, ohne Einnahmen oder Zugang zu Sanitäreinrichtungen und ohne die Mittel zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse.
127EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 253, 263.
128Hiernach ergibt sich: Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK liegt (insbesondere) vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann.
129Sind in diesem Zusammenhang bestimmte Anforderungen in EU-Richtlinien festgelegt worden, kann sich (konkretisierend) auch daraus der im Sinne der angesprochenen Artikel für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltende Maßstab ergeben, soweit es sich dabei erkennbar um Mindestanforderungen handelt. Hieran muss sich dann nicht nur der Inhalt nationaler Rechtsvorschriften, sondern auch und gerade die praktische Umsetzung messen lassen. Das betrifft in vorliegenden Zusammenhang insbesondere die materiellen Aufnahmebedingungen, wie sie in Art. 17 und 18 der Aufnahmerichtlinie (Neufassung 2013) für bedürftige Personen unter den Asylantragstellern prinzipiell festgelegt sind. Dabei erlauben diese in bestimmten Ausnahmesituationen, wie etwa bei vorübergehender Erschöpfung der üblicherweise zur Verfügung stehenden Unterbringungskapazitäten, aber auch zeitlich begrenzte Einschränkungen (Art. 18 Abs. 9 Satz 1 Buchst. b der Aufnahmerichtlinie). Auch dann muss aber das absolut garantierte Minimum (hier: Deckung der „Grundbedürfnisse“) gewährleistet bleiben (Art. 18 Abs. 9 Satz 2 der Aufnahmerichtlinie).
130Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen hat Italien in innerstaatliches Recht übernommen.
131bb) Auf der Grundlage des im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in dem Berufungsverfahren vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern – und darunter namentlich von Dublin-Rückkehrern – in Italien steht zur Überzeugung des Senats fest, dass keine ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründe dafür vorliegen, dass der Kläger im Falle seiner Überstellung in diesen Mitgliedstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, ausgehend von systemischen Mängeln des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 EUGRCh ausgesetzt zu werden.
132Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände heranzuziehen, die auch auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken (können). Demgemäß ist in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu beleuchten, die – wie der Kläger – in Italien bislang noch keinen Asylantrag gestellt haben. Ferner ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner (unterstellten) Ankunft in Italien einen Asylantrag stellt und die dort zur Verfügung stehenden Angebote der Versorgung im Rahmen des Möglichen tatsächlich nutzt. Nicht maßgeblich ist demnach z. B. die Situation von Rückkehrern, die bei ihrem ersten Aufenthalt in Italien bereits einen Asylantrag gestellt hatten, über den schon entschieden worden ist, die sich also aktuell nicht mehr in einem Asylverfahren befinden und die ein solches, auch wenn der ursprüngliche Antrag abgelehnt worden war, regelmäßig nicht mehr (unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einem Erstantrag) neu einleiten können. Dies gilt ebenso für in Italien verbliebene Flüchtlinge, deren Asylverfahren abgeschlossen ist. Es betrifft weiter Flüchtlinge, die keine (in der Regel zuvor angekündigten) Dublin-Rückkehrer sind, sondern – wie beispielsweise die sog. Bootsflüchtlinge – außerhalb eines geordneten Verfahrens in Italien ankommen und um Schutz nachsuchen. Schließlich betrifft dies Flüchtlinge, die sich dem Asylsystem komplett entzogen haben, etwa weil sie überhaupt keinen Asylantrag gestellt haben (und u.U. auch gar nicht stellen wollen), demzufolge auch nicht registriert sind und folglich auch keine der Aufnahmerichtlinie entsprechenden Leistungen erhalten können.
133Hiervon ausgehend kommt der Senat bei der Würdigung des Erkenntnismaterials in einer Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass Italien – mit Blick sowohl auf das dortige Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis – über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen i.S.d. Gewährleistung aus Art. 4 EUGRCh, rechnen muss.
134Obwohl sich in Teilbereichen der tatsächlichen Aufnahmebedingungen (nach wie vor) durchaus Mängel und Defizite nicht ganz unwesentlicher Art feststellen lassen, sind diese weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen Dublin-Rückkehrer wie den Kläger nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert.
135Im Einzelnen gilt hierzu:
136(1) Dublin-Rückkehrer werden zurzeit unter Bedingungen nach Italien überstellt, welche in der Regel den ungehinderten Zugang zum Asylverfahren und in der ersten Zeit nach der Überstellung auch ein (in dem zu fordernden Mindestmaß) geordnetes Aufnahmeverfahren mitsamt den zugehörigen Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse gewährleisten. Soweit Probleme wesentlich erst durch ein eigenmächtiges (Anders-)Verhalten der Betroffenen (z.B. fehlendes Hinbegeben zu den als zuständig mitgeteilten Stellen, Untertauchen, bewusste Nichtinanspruchnahme von Beratung bzw. Vermittlung von Unterkunft, vorzugsweises Wohnen in „besetzten Häusern“ oder Slums statt in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen aufgrund eigener Willensentscheidung) ausgelöst werden, kann dies – das sei hier vorangestellt – nicht dem italienischen Staat als Systemfehler und Auslöser einer Grundrechtsverletzung angelastet werden.
137Dublin-Rückkehrer werden in der Regel auf dem Luftweg nach Italien überstellt. Sie treffen zumeist auf den Flughäfen Fiumicino in Rom oder Malpensa in Mailand (vgl. z.B. UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2013 – nachfolgend zitiert: Bericht Juli 2013 –, S. 7), in begrenzter Anzahl auch auf einigen weiteren Flughäfen ein. Für den Kläger war im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Bescheid (wie zuvor auch schon in 2009) eine Überstellung nach Rom konkret vorgesehen. Insofern spricht hier eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine künftige Überstellung ebenfalls nach Rom (oder sonst voraussichtlich nach Mailand) erfolgen wird.
138Nach Rom-Fiumicino (rück-)überstellte Personen werden – regelmäßig nach entsprechender Vorankündigung (UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7) – von der Grenz- bzw. Luftpolizei beim Flugzeug abgeholt und zur Questura am Flughafen begleitet. Dort werden Fotos und Fingerabdrücke genommen. Haben die Betroffenen in Italien noch keinen Asylantrag gestellt, so können sie einen solchen Antrag sogleich im Büro der Questura am Flughafen registrieren lassen (UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7, und an VG Freiburg, Dezember 2013, S. 7, zu Rom-Fiumicimo); andernfalls erhalten sie ein Schreiben, aus dem sich die für sie zuständige Questura ergibt, wo sie ihren Antrag formalisieren lassen können, einen Termin hierfür sowie ein Zugticket dorthin (zum Ganzen: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013 – im Folgenden zitiert: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013 –, S. 13 f., 16; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7; Auswärtiges Amt (AA) an Senat vom 11. September 2013, zu Frage a; AA an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Fragen 2 und 8).
139Vgl. hierzu und zum Folgenden ferner etwa OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013– 3 L 643/12 –, juris (UA S. 21); VG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 2014 – A 11 K 3470/13 –, UA S. 13 f.
140Von der Questura aus werden die Ankömmlinge weiter zu der jeweils zuständigen Nichtregierungsorganisation (NGO) begleitet, die sich im Transitbereich der Nicht-Schengen-Zone des Flughafens befindet. Diese NGO – in Rom ist nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Oktober 2013, S. 14) zurzeit die „Badia Grande“ zuständig – bietet dort im Auftrag der Präfektur Beratung mit Blick auf das weitere Verfahren an. Dolmetscher und Informationsbroschüren stehen zur Verfügung. Die betreffende NGO kümmert sich in der Regel auch um die zumindest vorläufige Unterbringung der Dublin-Rückkehrer, jedenfalls derjenigen, die einen Asylantrag gestellt haben bzw. stellen wollen. Das kann eine Übergangsunterkunft (transit accommodation, z.B. FER-Unterkünfte als mit EU-Mitteln finanziertes Projekt speziell für Dublin-Überstellte, nur teilweise begrenzt auf „vulnerable cases“), eine (Not-)Unterkunft in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung), ggf. aber auch schon eine längerfristige Unterkunft in einer der „regulären“ Systeme staatlicher Aufnahmeeinrichtungen (namentlich CARA oder SPRAR) betreffen. Ob Letzteres schon möglich ist, hängt davon ab, ob im Einzelfall die örtliche oder eine andere Präfektur für den Betroffenen zuständig ist. Bis es auf diese Weise gelingt, für die Dublin-Rückkehrer eine Unterkunft zu finden, müssen diese allerdings unter Umständen einige Tage am Flughafen verbleiben und dort (ohne besondere Schlafplätze, aber wohl geduldet) auch übernachten (zum Ganzen: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14 f., 15 f.; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 11 f.; AA an Senat vom 11. September 2013, zu Frage a; AA an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 2; Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Stellungnahme vom 21. November 2013, zu 3. und 7., welche u.a. darauf hinweist, die überstellten Asylbewerber würden an den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa nach eigenen Feststellungen „sehr intensiv betreut“; zu „temporary reception systems“ für Dublin-Rückkehrer etwa auch European Network for technical cooperation on the application of the Dublin II Regulation, Dublin II Regulation National Report, Dezember 2012, S. 48; aida – Asylum Information Database -, National Country Report Italy, Update November 2013, nachfolgend zitiert: aida-Report, November 2013, S. 42, wo andererseits aber auch kritisch angemerkt wird, dass die Unterbringung der Dublin-Rückkehrer insgesamt noch zu lange dauere und es vorkomme, dass einzelne Betroffene am Ende nicht mit einer Unterkunft versorgt würden und in alternativen/selbstorganisierten Unterkunftsformen eine Bleibe fänden).
141Richtig ist allerdings auch, dass die beschriebenen Abläufe wohl nicht in jedem Einzelfall sichergestellt sind. Das mag damit zusammenhängen, dass nach vorliegenden Erkenntnissen Grenzpolizei und NGOs von der italienischen Dublin-Unit nicht immer rechtzeitig und ausreichend informiert werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14, 15). Im Prinzip werden die NGOs aber über die Ankunft von Dublin-Fällen vorab informiert (UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 7). Ein Versagen des Systems kann daher insoweit nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden.
142Dass der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat in der ersten mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. September 2013 die Abläufe im Bereich des Flughafens Rom-Fiumicino für seine Ende 2009 und damit vor über vier Jahren erfolgte Rücküberstellung anders geschildert hat, als es der vorstehend zusammengefassten, im Kern übereinstimmenden aktuellen Auskunftslage entspricht, vermag die prinzipielle Belastbarkeit des Inhalts dieser Auskünfte nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Denn die aktuellen Erkenntnisquellen zu den derzeitigen Verhältnissen nach der Ankunft von Dublin-Rückkehrern am Flughafen geben für den Regelfall hierfür keinen Anhalt.
143Sollte die Überstellung des Klägers nach Mailand-Malpensa erfolgen, ergäbe sich hiervon keine beachtliche Abweichung. Denn die grundlegenden Strukturen und Verhältnisse der Aufnahme am Flughafen Mailand-Malpensa entsprechen weitgehend denjenigen am Flughafen Rom-Fiumicino (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 13 ff.).
144Allerdings ergibt sich aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen auch, dass die in Italien notwendige „Formalisierung“ eines gestellten Asylantrags – die sog. Verbalizzazione – nicht nur in Einzelfällen, sondern auch übergreifend und insofern einem in der Praxis auftretenden strukturellen Mangel zumindest nahekommend – zu Problemen für Asylbewerber (im Allgemeinen) führt bzw. zumindest geführt hat. Diese sind nämlich in dem Zeitraum bis zur Verbalizzazione nicht immer hinreichend vor Obdachlosigkeit geschützt. Denn Bemühungen um ihre Unterbringung, soweit sie durch die zuständige Questura getätigt werden, setz(t)en in der Regel erst nach der Verbalizzazione ein. Dieser Zwischenzeitraum kann – je nachdem, welche Stadt oder Region betroffen ist und ob es sich um ein Ballungszentrum mit einer Vielzahl zu bearbeitender Anträge oder um einen ländlich geprägten Raum handelt – von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen oder ggf. sogar Monaten reichen (vgl. zum Ganzen Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 6, 11, und auch schon Bericht Juli 2012, S. 7; AA an Senat vom 11. September 2013, zu Frage b, und an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 9; siehe für die damaligen Zeitpunkte auch Judith Gleitze, borderline europe, Gutachten an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 9, und Associazione per gli Studi Giuridici sull‘ Immigrazione (ASGI), Die derzeitige Situation von Asylbewerbern in Italien, November 2012, S. 5 der deutschen Übersetzung). Exakte und zugleich zuverlässige Angaben lassen sich insoweit aber nicht mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit machen (vgl. aida-Report, November 2013, S. 42). Den Auskünften ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass die beschriebene Verzögerung der Regelfall ist (Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Stellungnahme vom 21. November 2013, zu 1.: teilweise mit Verzögerung; UNHCR vom Dezember 2013, S. 7: in der Regel Zugang zu Transitunterbringungseinrichtungen; evtl. einige Tage an Flughäfen warten; kann passieren, dass gemäß der Dublin-Verordnung überstellte Personen mehrere Tage am Flughafen verbringen; S. 11: UNHCR erhält Berichte über Fälle, in denen Asylsuchende nicht sofort Zugang zu Aufnahmemaßnahmen gewährt wird, sondern erst Wochen und Monate später; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14: Dublin-Rücküberstellte übernachten manchmal ein paar Tage am Flughafen [ohne Schlafplätze]; aida-Report, November 2013, S. 42: in den meisten Fällen [„in most of the cases“] dauert es zu lange, bis eine Unterkunft gefunden ist, mangels genereller Praxis lässt sich die Wartezeit nicht allgemein angeben, es kommt vor [„it happens“], dass Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden).
145Der darin zum Ausdruck kommende Mangel ist vom italienischen Staat zudem nicht einfach untätig hingenommen worden. So hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 die nachgeordneten Behörden angewiesen, dass die Verbalizzazione zeitgleich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll. Zugleich ist ein neues Informatiksystem (Vestanet) eingeführt worden, von dem man sich ebenfalls eine Verkürzung der Wartezeiten erhofft. Allerdings benötigt die landesweite Implementierung noch Zeit und leidet unter technischen Anfangsschwierigkeiten, so dass die Prognose, ob dies zu einer Verbesserung führen wird, noch schwierig ist (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Jedenfalls liegen dem Senat aber keine Erkenntnisse darüber vor, dass diese Weisung generell oder zumindest in einer Vielzahl von Fällen nicht befolgt würde.
146Unabhängig davon sind für Dublin-Rückkehrer unter den Asylbewerbern die nachfolgenden Ausführungen bedeutsam, welche den hier in Rede stehenden Mangel noch weiter relativieren: Wenngleich häufig betont wird, dass für Dublin-Rückkehrer insoweit prinzipiell keine Besonderheiten gelten bzw. diese in gleicher Weise von den in Rede stehenden Verzögerungen durch die erst später durchgeführte Registrierung des Asylantrags betroffen sein sollen (vgl. etwa AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, zu 1.4; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bericht Oktober 2013, S. 12), ist dies bei verständiger Würdigung (nur) dahin zu verstehen, dass das System des Asylverfahrens für diese Personengruppe in gleicher Weise ausgestaltet ist/war wie bei den sonstigen Asylsuchenden. Das meint hier im Besonderen die „Zweistufigkeit“ des Verfahrens, d.h. das Auseinanderfallen von erster Äußerung eines Asylbegehrens und davon (in der Regel auch zeitlich) getrennter Formalisierung/Registrierung des Asylantrags. Mit Blick auf das Grundrecht aus Art. 4 EUGRCh ernstlich bedenklich ist aber in diesem Zusammenhang nicht die hierdurch ggf. mit herbeigeführte Verzögerung des Beginns des Asylverfahrens als solche, sondern nur deren Folge, die die Einhaltung richtlinienkonformer Aufnahmebedingungen betrifft. Dabei geht es namentlich um eine nicht durch systemische Mängel des Verfahrens zeitlich verzögerte Zurverfügungstellung einer Unterkunft und einer daran anknüpfenden weiteren Versorgung mit Kleidung, Essen, Hygieneartikeln etc. Gerade insoweit ist einschlägigen Erkenntnismitteln – zum Teil sogar sehr detailreich (siehe namentlich den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013, S. 13 ff.) – aber zu entnehmen, dass speziell für die Dublin-Rückkehrer, die noch kein Asylgesuch in Italien gestellt hatten, zumindest an den italienischen Hauptflughäfen Einrichtungen zur Verfügung stehen, welche diese (anders als ggf. auf anderem Wege nach Italien einreisende Asylbewerber) bei Bedarf anleitend betreuen und die sich dabei gerade auch – schon in diesem Stadium – um die Suche nach einem (Interims-)Unterkunftsplatz bemühen, was ihnen – bei Wartezeiten von nur wenigen Tagen an den Flughäfen (siehe oben) – in der Regel auch gelingt. Das alles lässt jedenfalls für die Gruppe der Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Schutzstatus haben, wie hier den Kläger, systemische Mängel i.S. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welche – bezogen auf den Schweregrad ausreichend – zugleich eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh implizieren, am Ende nicht hervortreten. Das gilt jedenfalls, soweit es (was bisher behandelt wurde) um die Aufnahmebedingungen unmittelbar nach der Überstellung nach Italien geht.
147Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich die durchaus organisierte Einbeziehung auch nichtstaatlicher, kirchlicher und sonstiger karitativer Einrichtungen in die Betreuung und Hilfeleistung auch dem italienischen Staat zurechnen. Denn die in Rede stehenden Organisationen werden in dem hier interessierenden Zusammenhang – auch die Zurverfügungstellung von (Not‑)Unterkünften betreffend – jedenfalls nicht ausschließlich allein aus eigenem Antrieb tätig, sondern in der Regel im Auftrag staatlicher Stellen wie der Präfektur (staatliche Mittelbehörde in den Provinzen) oder der Kommunen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 14, 22, 33). Auch die letztlich fehlende zentrale Koordinierung der nebeneinander bestehenden Systeme zur Unterbringung von Asylbewerbern und hier insbesondere Dublin-Rücküberstellten unter Einbeziehung staatlicher und nichtstaatlicher Stellen bzw. Organisationen mag zwar gewisse Defizite und Reibungsverluste begünstigen, sie stellt aber für sich genommen noch keinen systemischen und auch keinen auf eine zu befürchtende Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh führenden Mangel mit dem dafür erforderlichen Gewicht dar.
148(2) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der (weiteren) Durchführung ihres Asylverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie in ihrem Grundrecht aus Art. 4 EUGRCh verletzt werden, indem ihnen durch den italienischen Staat wegen von der Zahl her offensichtlich nicht ausreichender angemessener Unterkunftsmöglichkeiten ein Leben „auf der Straße“ oder in „Elendsquartieren“ (bekanntermaßen) zugemutet würde und damit ihr Recht auf Unterkunft (vgl. hierzu Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchst. g der Aufnahmerichtlinie) systematisch unbeachtet bliebe. Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen. Im Ergebnis unerheblich ist dabei, dass es in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigende Mängel und Defizite gibt, auf die verbreitet hingewiesen wird und deren Abstellen bzw. (weiteres) Verringern sicherlich wünschenswert ist. In diese Richtung hat die italienische Regierung aber auch bereits von den Flüchtlingsorganisationen gewürdigte Schritte unternommen.
149Es fehlt zunächst nicht grundlegend an einem planvollen System bzw. (genauer) an verschiedenen, sich ergänzenden Systemen von Aufnahmeeinrichtungen, in denen Dublin-Rückkehrer, sei es zum Teil auch neben anderen Personengruppen (sonstige Asylbewerber, schon anerkannte Flüchtlinge), während eines in Italien durchgeführten Asylverfahrens nicht nur als vorübergehender „Notbehelf“, sondern prinzipiell für die gesamte Dauer dieses Verfahrens (im Einzelfall auch über 6 Monate hinaus) eine Unterkunft finden können. Diese wird den Betroffenen im Rahmen eines ebenfalls in den Grundstrukturen geordneten Vermittlungs-/Zuweisungsverfahrens – in der Regel durch die jeweils örtlich zuständige Präfektur oder Questura – zugeteilt. Wesentliche Bestandteile dieses Aufnahmesystems sind – insbesondere für die Erstaufnahme – die als CARA bezeichneten, in der Regel größeren Aufnahmezentren sowie – in einer zweiten Phase, ggf. aber auch schon für die Erstaufnahme u.a. von Dublin-Rückkehrern – die Einrichtungen des Aufnahmesystems SPRAR. Letztere umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern stellen sich als ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche dar, welches nicht nur Asylsuchenden offen steht, sondern auch anerkannten Schutzberechtigten (siehe Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22; aida-Report, November 2013, S. 46; borderline-europe, Gutachten Dezember 2012, S. 15 f.)
150Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 43.
151Hinzu treten namentlich in den größeren Städten wie Rom und Mailand noch kommunale oder (im Auftrag der Gemeinden) von NGOs betriebene Unterkünfte, die allerdings ebenfalls nicht exklusiv der Unterbringung von Asylbewerbern bzw. der Dublin-Rückkehrer unter ihnen zur Verfügung stehen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 26 ff., 33 ff.).
152Allerdings können Unterkunftsplätze in allen diesen Einrichtungen nur dann konkret angeboten und belegt werden, soweit sie auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Blick auf die vorhandenen Kapazitäten zu lenken. Diesbezüglich wird, was sich mit gewissen Unterschieden auf alle zur Verfügung stehenden Systeme/Unterbringungsarten erstreckt und schon die Übergangsunterkünfte (FER-Projekte) mit einbezieht, von einem Großteil der dem Senat vorliegenden Auskünfte und Berichte namentlich der Flüchtlingsorganisationen das Gesamtangebot als unzureichend kritisiert (vgl. etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 18, 20, 26, 29, 35; aida-Report, November 2013, S. 45, 47; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 11: „lack of capacity in the existing reception system“). Zum Teil wird auch auf aktuelle Engpässe der Belegungssituation gerade in bestimmten Unterkunftsarten, wie etwa in den CARA, hingewiesen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 18 ff.). Insofern überzeugt es wenig, wenn demgegenüber das Auswärtige Amt in seinen Auskünften (z.B. AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 3., erster Absatz und am Ende, sowie in seiner Auskunft an den Senat vom 11. September 2013, zu Frage c)) auch auf Nachfrage des Senats ohne konkret nachvollziehbare Begründung davon ausgeht, es gebe landesweit ausreichende Kapazitäten, um in Italien alle Asylbewerber und Flüchtlinge und darunter insbesondere auch die Dublin-Rückkehrer sofort mit einer Unterkunft zu versorgen (Hervorhebung durch den Senat).
153Die vorstehend thematisierten Erkenntnisse sind in die Gesamtwürdigung mit einzustellen, soweit es um die Frage geht, ob in der Zurverfügungstellung eines solchen begrenzten Gesamtangebots ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen zu sehen ist, und ob dieser zugleich die Prognose rechtfertigt, dass überstellte Dublin-Rückkehrer derzeit konkret der Gefahr ausgesetzt sind, obdachlos zu werden. Die Auskünfte sind allerdings unter den nachfolgenden Gesichtspunkten näher zu hinterfragen und im Gefolge dessen auch zu relativieren:
154Was die Zahl der insgesamt oder in den jeweiligen Unterkunftssystemen für sich genommen vorhandenen Plätze betrifft, gibt es in den Erkenntnismitteln Angaben, die sich hinsichtlich der zugrunde gelegten Zahlen jedenfalls zum Teil voneinander unterscheiden (vgl. AA an VG Minden vom 24. Mai 2013 zu Frage 8. in Bezug auf das Gutachten von borderline-europe; Liaisonbeamtin des Bundesamtes in ihrer Stellungnahme vom 21. November 2013 zu Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, zu 1.). Ferner ist in Rechnung zu stellen, dass – zumindest die CARA betreffend – derzeit faktisch wohl Überbelegungen stattfinden, d.h. mehr Personen dorthin zugewiesen werden als diejenige Zahl, für die die jeweilige Einrichtung ausgelegt ist (vgl. Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Stellungnahme vom 21. November 2013, zu 1. mit nach einzelnen CARA aufgeschlüsselter Tabelle). Insofern kommen namentlich in den staatlichen Unterkunftseinrichtungen wahrscheinlich mehr Betroffene unter, als es die nackten Zahlen über die Kapazität dieser Einrichtungen annehmen lassen; die „Soll-Belegung“ muss insofern nicht die „Ist-Belegung“ widerspiegeln. Dies mag als unterstützender Beleg für eine insgesamt unzureichende Unterbringung von Flüchtlingen gewertet werden können, zeigt andererseits aber auch anschaulich, dass den italienischen Stellen das Schicksal der Flüchtlinge nicht gleichgültig ist, sie vielmehr in großer Zahl unter Ausschöpfung von Unterbringungsreserven ein Obdach erhalten und deshalb nicht vollkommen schutzlos auf sich selbst gestellt sind.
155Vgl. zur Abgrenzung etwa EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 263, wo der betroffene Mitgliedstaat – dort Griechenland – gerade auch wegen seiner Untätigkeit für die Lage verantwortlich gemacht wurde, aus der die tatsächliche Gefahr, Opfer einer erniedrigenden Behandlung zu werden, erwuchs.
156Und noch ein Weiteres erschwert in diesem Zusammenhang die Betrachtung: Die Zahlen zur (Soll-)Aufnahmekapazität einzelner oder auch aller Einrichtungen geben für sich genommen schon deswegen kein vollständiges Bild, weil es daneben wesentlich darauf ankommt, wie oft (etwa pro Jahr) ein Wechsel erfolgt, also ein vorhandener Platz wieder frei und neu besetzbar wird. Gerade zu Letzterem und auch (als Indiz hierfür) zur Länge der Asylverfahren gibt es aber keine eindeutigen, durch statistisches Material belegten und verfügbaren Erkenntnisse, obwohl gerade dies für eine gesicherte Annahme von etwaigen Rückkoppelungseffekten (Blockierung von Plätzen durch eine längere als die gewöhnliche Aufenthaltsdauer der „Vorgänger“) von Interesse wäre. Man ist deshalb im Wesentlichen auf überschlägige Schätzungen angewiesen. Der aida-Report, November 2013, S. 43, geht von einer durchschnittlichen Verweildauer in CARAs von 8 bis 10 Monaten aus, in SPRARs könne der Aufenthalt 6 bis 12 Monate andauern. In den Auskünften des Auswärtigen Amtes wird typisierend davon ausgegangen, dass ein Unterkunftsplatz (insbesondere in den SPRAR-Einrichtungen) zwei Mal im Jahr neu belegt werden kann; insofern werden die Zahlen zur Aufnahmekapazität – zum Teil ohne die gebotene Erläuterung – schlicht verdoppelt (siehe AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 3, und an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 8; dazu auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 23)). Das verzerrt allerdings das Zahlenmaterial für den notwendigen Vergleich mit anderen Erkenntnismitteln, die häufig eine entsprechende statistische Erhöhung der Kapazität in ihren Zahlenangaben nicht berücksichtigt haben. Die Angabe eines „typischen“ Belegungszeitraums erweist sich bezogen auf nicht staatliche Unterkünfte, die von Kommunen oder NGOs getragen werden, als noch schwieriger und unsicherer im Aussagegehalt. Bezieht man dabei zusätzlich zu festen kommunalen Aufnahmezentren auch die diversen Notschlafstellen bei kirchlichen Einrichtungen oder NGOs mit ein, so ist es unmöglich, überhaupt nur einen Überblick auch schon über die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze zu gewinnen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 35). Diese Plätze stehen darüber hinaus nicht speziell Asylbewerbern zur Verfügung, obschon auch solche dort inzwischen vermehrt unterkommen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27).
157Schließlich kommt Folgendes noch relativierend hinzu, und zwar mit Blick darauf, ob dem Bestand an Unterkunftsplätzen ohne Weiteres die Gesamtzahl der in Italien pro Jahr ankommenden Flüchtlinge vergleichend gegenüber gestellt werden kann, um auf diese Weise ein konkret bestehendes Unterkunftsdefizit hinreichend plausibel zu machen: Insofern muss man sich vergegenwärtigen, dass ein nicht exakt bezifferbarer Teil der in Italien anlandenden Flüchtlinge und auch der nach der Dublin II-VO überstellten Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) einen Asylantrag gestellt hatten, unabhängig von der unter Umständen gegebenen Möglichkeit ihrer Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung selbst die Entscheidung trifft, im Land unterzutauchen und/oder Italien wieder zu verlassen und – ggf. zum wiederholten Male – in einen anderen Mitgliedstaat der EU, in dem (vermeintlich) bessere Aufnahmebedingungen herrschen, weiterzureisen. Insbesondere Letzteres hat zur Folge, dass diese Personen zumindest vorübergehend die italienischen Aufnahmeeinrichtungen nicht belasten. Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Asylbewerber bzw. Flüchtlinge ein solches Verhalten immer erst dann an den Tag legen, wenn die Aufnahmebedingungen, die sie erwarten, objektiv dem Maßstab des Grundrechts aus Art. 4 EUGRCh nicht genügen. Vielmehr können die Gründe für das angeführte Verhalten unterschiedlichster Art sein, und sie müssen auch nicht stets nachvollziehbar sein. So wird etwa in dem schon an anderer Stelle zitierten aida-Report von November 2013 (S. 42) von einem Vorkommnis im Oktober 2013 berichtet, bei dem von 155 geretteten Bootsflüchtlingen 89 nach Rom transferiert worden seien; diese seien sämtlich aus dem dortigen Aufnahmezentrum verschwunden, ohne dem Leiter des Zentrums vorher eine Mitteilung zu machen. Ein anderer Teil der Gesamtzahl der in Italien eintreffenden Flüchtlinge kommt– wie schon dargelegt – bei kommunalen und karitativen Einrichtungen unter. Auch dieser nicht gering zu schätzende Teil kann im Rahmen einer vergleichenden (Zahlen-)Betrachtung nicht einfach der Gesamtanzahl der vorhandenen staatlichen Unterkünfte mit gegenübergestellt werden.
158Vgl. zu dem (u.a.) aus beiden vorstehenden Gründen als gering einzustufenden Aussagewert der Zahlen zur Kapazität der öffentlichen (staatlichen) Aufnahmeeinrichtungen auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2013– OVG 7 S 58.13 –, juris, Rn. 27.
159Aber selbst unterstellt, es gäbe einen geeigneten und hinreichend belastbaren Anhalt dafür, dass die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern – und hier insbesondere der Dublin-Rückkehrer unter ihnen – insgesamt nicht ausreichen würden, um für alle Betroffenen die Zuteilung einer (nicht nur nach der Ankunft in Italien übergangsweise vermittelten) Unterkunft regelmäßig ohne Wartezeiten von Belang sicherzustellen, ergäbe sich allein daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 EUGRCh überschreitendes Versagen des Staates im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Hierzu gilt:
160Die Frage, in welchem Umfang ein Staat für Asylbewerber bzw. Flüchtlinge aus anderen Ländern angemessene Unterkunftsmöglichkeiten konkret vorsehen (schaffen und aufrechterhalten) muss, lässt sich nicht abstrakt in einem bestimmten Sinne – etwa durch Festlegung einer genauen Mindestanzahl – bestimmen. Das hängt damit zusammen, dass die betreffende Aufgabe sich erst als Reaktion auf bestimmte andere, den Handlungsauftrag auslösende Umstände ergibt. Das sind hier konkret absehbare oder schon vorhandene Flüchtlingsströme in die EU, welche den in Rede stehenden Mitgliedstaat berühren. Die diesbezügliche Situation kann sich ggf. sehr schnell zuspitzen, kann sich dann aber auch wieder deutlich entspannen, um dann evtl. wieder durch neu entstandene politische Konflikte oder Bürgerkriegssituationen z.B. im Mittelmeerraum zu eskalieren. Da die ständige Vorhaltung von Unterkünften für Asylbewerber und Flüchtlinge in großer Zahl nicht unerhebliche finanzielle Mittel bindet, kann in diesem Zusammenhang zumal von Staaten, die wie Italien aktuell eine Wirtschaftskrise durchgemacht haben, nicht strikt verlangt werden, dass sie rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten für Asylbewerber in einem Umfang bereithalten müssen, der nicht ständig, sondern nur bei einer ggf. auftretenden Spitzenbelastung benötigt wird. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, wenn sich der betroffene Mitgliedstaat erfolgversprechend bemüht, den sich aus dem Dublin-System ergebenden europarechtlichen Anforderungen je nach der auftretenden Lage im Wege flexibler Anpassung seines Aufnahmesystems zu entsprechen. Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass in „ruhigeren Zeiten“ Kapazitäten maßvoll zurückgefahren, diese bei einer neu auftretenden Belastungssituation dann aber wieder in prinzipiell ausreichendem Maße aufgestockt werden.
161Ähnlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2013 – OVG 7 S 58.13 –, juris, Rn. 18, 19; für die Berücksichtigung erkennbarer, realer Bemühungen eines Mitgliedstaates im Zusammenhang mit der Bewertung, ob ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen angenommen werden kann, auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13.OVG –, juris, Rn. 47.
162Hiervon ausgehend hat sich Italien – unbeschadet mancherseits, auch von UNHCR, zu Recht angebrachter (Teil-)Kritik – im Wesentlichen (noch) so verhalten, dass weder die Funktionsfähigkeit des Systems als solches in Frage gestellt worden ist noch die aktuell vorhandenen Mängel ein Ausmaß und Gewicht erreichen, von dem ausgehend die Prognose der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh gerechtfertigt erscheint:
163Nachdem im Zuge insbesondere der Ereignisse in Tunesien und in Libyen die Zahl der über das Mittelmeer nach Italien geflüchteten Personen im Jahr 2011 einen Höchststand erreicht hatte (ca. 62.000 Anlandungen in Süditalien bei insgesamt 34.115 Asylgesuchen in jenem Jahr; Zahlenangaben nach AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 2, und Schweizerischer Flüchtlingshilfe, Bericht Oktober 2013, S. 7, m.w.N.) trat im Jahr 2012 eine deutliche Entspannung der Situation ein (ca. 13.300 Anlandungen in Süditalien bei insgesamt 15.715 Asylgesuchen; Quellen für die Angaben wie vorstehend). Diese hat vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2013 zwar nicht fortgedauert, sondern es hat wieder eine deutliche Zunahme des Flüchtlingsstroms (auch) nach Italien gegeben. So gab es nach Angaben des Auswärtigen Amtes allein im ersten Halbjahr 2013 ca. 12.000 Anlandungen in Süditalien (AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 2), nach Schätzungen von UNHCR für den gleichen Zeitraum allerdings nur ca. 7.800 (Nachricht vom 6. Juli 2013 auf der Internet-Seite http://www.unhcr.de/archiv/nachrichten/artikel). Auf diese Zahlendivergenz kommt es hier nicht an, denn die Entwicklung des Wiederanstiegs hat sich im zweiten Halbjahr des Jahres 2013 unstreitig fortgesetzt und sogar noch verstärkt. So berichtet die Schweizerische Flüchtlingshilfe darüber, dass die Zahl der Bootsflüchtlinge, welche in Süditalien angekommen seien, „im Sommer 2013“ stark angestiegen sei (Bericht von Oktober 2013, S. 7). Insgesamt haben im Jahr 2013 knapp unter 43.000 Bootsflüchtlinge Italien erreicht (Luise Amtsberg, Bericht der flüchtlingspolitischen Reise nach Italien, Januar 2014, S. 5 f., abrufbar unter www.luise-amtsberg.de; Bericht Spiegel Online vom 17. Februar 2014 = Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 4. März 2014). Die sich daraus wieder ergebende deutliche Verschärfung der Lage, welche der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, ist somit eher plötzlich entstanden und konnte nicht ohne Weiteres vorhergesehen werden.
164Vor dem Hintergrund dieser seit 2011 in unterschiedliche Richtungen gehenden Entwicklungen und daran anknüpfender organisatorischer Planungen und Entscheidungen, die immer einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigen, ist zunächst kein durchgreifendes Fehlverhalten Italiens darin zu sehen, dass die zur Bewältigung des sog. „Notstand(es) Nordafrika“ seinerzeit von vornherein für einen vorübergehenden Zeitraum geschaffenen zusätzlichen Unterbringungsmöglichkeiten des Zivilschutzes in der Größenordnung von (ursprünglich) 50.000 Plätzen nach dem Auslaufen jenes Projekts Anfang 2013 nahezu vollständig wieder weggefallen sind. Denn als die Planungen für diesen Wegfall erstellt und ins Werk gesetzt wurden, war kein neuerlicher dramatischer Anstieg der Zahl von Bootsflüchtlingen und damit mittelbar zugleich von (künftigen) Dublin-Rückkehrern absehbar. Ob und inwieweit jene Unterbringungsmöglichkeiten, welche von vornherein nur vorübergehend zusätzlich zur Verfügung stehen sollten, über eventuelle Verdrängungseffekte (Hineinströmen neuer Bootsflüchtlinge in die für alle nur begrenzt vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen) für die Chance von Dublin-Rückkehrern, untergebracht zu werden, überhaupt von Bedeutung gewesen sind (verneinend AA an den Senat vom 11. September 2013, zu Frage e), bedarf insofern keiner Klärung. Denn das inzwischen ausgelaufene Notstandsprogramm belegt jedenfalls, dass Italien in erheblichem Umfang zusätzliche Unterkunftsplätze einrichten und zur Verfügung stellen will und kann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen dies erfordert. Daraus lässt sich zugleich schließen, dass bei einem aktuell oder künftig ansteigenden Bedarf an Unterkünften voraussichtlich ebenfalls (zumindest im Prinzip) eine Reaktion in Form der gebotenen Anpassung der zur Verfügung gestellten Unterbringungskapazität erfolgen wird.
165Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 26 f.); OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2013 – OVG 7 S 58.13 –, juris, Rn. 19.
166Es gibt darüber hinaus aber auch konkrete Hinweise dafür, dass Italien sich seiner „Dublin-Verantwortung“ auch aktuell bewusst ist und bereits Anstrengungen unternommen sowie weitere Schritte eingeleitet hat, um die von Flüchtlingsorganisationen als zu knapp bemessen kritisierten Unterkunftskapazitäten in einem beachtenswerten und für ein Auffangen der meisten Fälle wohl ausreichenden Umfang wieder auszubauen.
167So ist die Zahl der SPRAR-Unterkünfte von ursprünglich 3.000 auf inzwischen mindestens 5.000 erhöht worden; zumindest im Aufbau begriffen, wenn nicht bereits erreicht oder sogar schon übertroffen (im letztgenannten Sinne aida-Report, November 2013, und die Liaisonbeamtin, siehe unten), ist eine weitere Erhöhung auf 8.000 Plätze. Aufgrund von Dekreten des Innenministeriums von Juli und September 2013 soll in dem Zeitraum von 2014 bis 2016 eine nochmalige Erhöhung auf 16.000 Plätze erfolgen. Mit weiterem Dekret von Oktober 2013 hat das Innenministerium speziell auf die durch den deutlichen Anstieg der auf dem Seeweg ankommenden Flüchtlinge eingetretene Notlage („emergency situation“) reagiert und aufgrund der Bewilligung außerordentlicher Geldmittel eine (wohl unmittelbar in Angriff zu nehmende) Erhöhung der Unterkunftsplätze beschlossen (vgl. insbesondere zu Letzterem aida-Report, November 2013, S. 42; zum Ganzen mit nur geringfügigen Unterschieden, die wohl in erster Linie durch die etwas auseinanderfallenden Zeitpunkte der Erkenntnisgewinnung zu erklären sind, auch Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22 f.; Liaisonbeamtin des Bundesamtes, Auskunft vom 21. November 2013, zu 1.; AA an VG Minden vom 24. Mai 2013, zu Frage 5, und an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013, zu Frage 3; UNHCR, Bericht Juli 2013, S. 10). Allerdings hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a.a.O.) in diesem Zusammenhang einschränkend darauf hingewiesen, dass durch den Ausbau der SPRAR-Unterkünfte die Gesamtkapazität nicht in gleichem Umfang steige (gestiegen sei), weil beispielsweise bisher unter kommunaler Verantwortung stehende Plätze in das Vorhaben integriert würden.
168Addiert man zu den in den (wenn auch zurzeit überbelegten) CARA laut Liaisonbeamtin des Bundesamtes mit ca. 11.000 untergebrachten Personen eine Kapazität der SPRAR-Projekte von laut aida bzw. der Liaisonbeamtin derzeit zwischen 8.000 und 9.500 Plätzen hinzu, so beträgt die Summe bereits ca. 20.000 staatliche Plätze. Dabei sind die kommunalen oder durch NGOs bereitgestellten Unterbringungsmöglichkeiten nicht mitgezählt, von denen es allein in Rom zusammen ca. 1.500 gibt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27). Nimmt man hinzu, dass nicht alle Flüchtlinge über die Dauer von 12 Monaten in den Unterkünften verbleiben, können während eines Jahres tatsächlich mehr Flüchtlinge untergebracht werden, als es die Zahl der Unterkunftsplätze annehmen lässt (z.B. beträgt die durchschnittliche Verweildauer in CARAs 8 bis 10 Monate, aida-Report, November 2013, S. 43). Auch vor diesem Hintergrund und weil dies nicht einmal die bis 2016 angestrebte weitere Erhöhung der SPRAR-Plätze berücksichtigt, lassen auch schon die aktuellen Zahlen – unbeschadet der hierzu oben aufgezeigten Schwierigkeiten einer allein an diesen Zahlen orientierten Vergleichsrechnung – jedenfalls kein dramatisches Missverhältnis in Gestalt einer sich nach den empirischen Grundlagen aufdrängenden Kapazitätsunterdeckung erkennen. Das gilt selbst dann, wenn man richtigerweise einbezieht, dass ein Teil der Unterkünfte auch anerkannten Flüchtlingen, die sich schon im Land befinden, (für einen gewissen Zeitraum) zur Verfügung steht. Damit unterscheidet sich die Situation auch deutlich von der seinerzeitigen Lage in Griechenland, in welcher auch ein erwachsener männlicher Asylsuchender praktisch keine Chance auf einen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung hatte, weil es weniger als 1000 Unterkünfte gab, um zehntausende Asylsuchende unterzubringen.
169Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011– 30696/09 – (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 258.
170Auch im Übrigen wird an den Strukturen der Aufnahme in Gestalt von Verbesserungen bzw. zumindest der Sicherung vorhandener Kapazitäten weiter gearbeitet. So soll etwa das am Stadtrand von Rom gelegene Centro Enea, eine zunächst von der Arcofraternita betriebene Einrichtung insbesondere für Dublin-Rückkehrer, die in Rom-Fiumicino ankommen, deren Fortbestand zwischenzeitlich unklar gewesen ist (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 20 oben), ab Januar 2014 in eine staatliche Gemeinschaftsunterkunft umgewandelt werden. Dies ergibt sich aus einem Bericht des Mitglieds des Deutschen Bundestags Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) vom 16. Januar 2014 („Bericht der flüchtlingspolitischen Reise nach Italien“, abrufbar unter www.luise-amtsberg.de).
171Es wird insoweit auf eine gute Infrastruktur des Hauses, auf verschiedene Kultur- und Bildungsangeboten sowie auf engagiert wirkende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingewiesen. Zwar wird auch angemerkt, dass das betreffende Haus, welches 410 Menschen im Asylverfahren aus 35 verschiedenen Ländern beherberge, isoliert von der Außenwelt und viel zu groß für die individuelle Betreuung der Menschen sei. Das mag einen noch möglichen Verbesserungsbedarf anzeigen, lässt allerdings gewichtige Mängel des bestehenden bzw. im Aufbau begriffenen Zustandes nicht hervortreten. In dem vorgenannten Bericht wird im Übrigen an anderer Stelle (S. 6) auch darauf hingewiesen, dass angesichts des aktuell hohen Zustroms an Flüchtlingen sowie der Überfüllung der CARAs inzwischen alle Regionen Italiens aufgefordert seien, weitere (Aufnahme-)Zentren zu bauen.
172Dass Italien den in Bezug auf die tatsächlichen Aufnahmebedingungen bestehenden Mängeln und Defiziten nicht etwa schlechthin tatenlos zusieht, sondern (namentlich seit Ende 2012) durchaus anerkennenswerte Bemühungen unternimmt, die insoweit bestehende Situation zu verbessern, wird ferner – trotz zugleich geübter, auch struktureller Kritik, auch in dem letzten Bericht von UNHCR von Juli 2013 gewürdigt (S. 10 unten: „UNHCR welcomes the decision of the Ministry of Interior …“, „SPRAR projects … are able to provide for the reception needs of a significant number of asylum-seekers“). Als „äußerst unzureichend“– und damit wohl wesentlicher Grund für eine umfassende Reform des Aufnahmesystems – werden in jenem Zusammenhang allein die Unterstützungsmaßnahmen für anerkannte Flüchtlinge beschrieben (vgl. UNHCR an VG Freiburg von Dezember 2013, S. 6 oben, basierend auf dem UNHCR-Bericht über Italien von Juli 2013, dort S. 10 unten).
173Anders als für andere Staaten wie zuletzt Bulgarien und trotz inzwischen mehrfacher eingehender Befassung mit dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Italien auch für Dublin-Rückkehrer hat UNHCR bislang nicht explizit eine Empfehlung ausgesprochen, von der Überstellung von Asylbewerbern nach Italien abzusehen. In der Anlage zu dem beim Oberverwaltungsgericht etwa zweieinhalb Stunden vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schreiben an den Senat vom 7. März 2014 (Ergänzende Informationen zur Veröffentlichung „UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien – Juli 2013“) hat er hierzu erläuternd darauf hingewiesen, der Umstand, dass in dem betreffenden Papier keine Äußerung enthalten sei, ob systemische Mängel einer Überstellung nach Italien entgegenstünden, könne keine Grundlage für die Annahme bilden, der UNHCR vertrete die Auffassung, dass keine einer Überstellung entgegenstehende Umstände vorlägen. Ob solches der Fall sei, hätten vielmehr die Behörden und Gerichte im Einzelfall mit Blick darauf zu entscheiden, ob drohende Verletzungen von Art. 3 EMRK eine Überstellung ausschlössen. Dabei weiche der Prüfungsmaßstab in den Dublin-Fällen nicht von dem allgemein gültigen Maßstab des Schutzes des Art. 3 EMRK ab.
174Auf der Grundlage dieser Ausführungen ergibt sich weder eine Indizwirkung dafür noch eine solche dagegen, dass die in Italien derzeit vorzufindenden Aufnahmebedingungen die Überstellung eines Dublin-Rückkehrers, der wie der Kläger dort noch kein Asyl beantragt hatte und für den keine individuellen Besonderheiten gelten, allgemein hindern. Somit bleibt der Senat auch im Hinblick auf diese neue Stellungnahme aufgefordert, sich in der gebotenen Gesamtschau aller für und gegen eine drohende Verletzung des Klägers in seinen Grundrechten aus Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK sprechenden Gründe ein eigenes Urteil zu bilden, ob die u.a. von UNHCR in der Sache angeführten Mängel und Defizite in Bezug auf das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen gewichtig genug sind, um eine belastbare tatsächliche Grundlage für die Prognose zu bilden, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine Unterkunft finden und obdachlos sein. Eine solche Grundlage ist aus den vorstehend angeführten Gründen nicht vorhanden.
175Allerdings merkt der Senat sein Befremden darüber an, dass UNHCR seine jetzige Interpretation des eigenen Berichts von Juli 2013 maßgeblich darauf stützt, dieser richte sich in erster Linie mit Empfehlungen zur Verbesserung des Flüchtlingsschutzes an die italienische Regierung. Ohne diese Intention anzweifeln zu wollen, gründet das Befremden des Senats darin, dass UNHCR nicht unbekannt sein kann, dass die dort erstellten Berichte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs „besonders relevant“ sind auch bei der Bewertung des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Zuge der Rückführung von Asylsuchenden nach der Dublin II-VO.
176Vgl. EuGH, Urteile vom 30. Mai 2013– C-528/11 – (Halaf), NVwZ-RR 2013, 660 =juris, Rn. 44, und vom 21. Dezember 2011– C-411/10 – (N.S.), NVwZ 2012, 417 = juris,Rn. 90 f.
177Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr wesentlich auf die nicht durch prüffähige Einzelangaben belegte Darstellung der Liaisonbeamtin des Bundesamtes an, dass die in dem Bericht von UNHCR von Juli 2013 registrierten Mängel bereits zum großen Teil beseitigt worden seien, was ihr am 16. September 2013 die Capo Dipartimento, Angela Pria, versichert habe (vgl. die Stellungnahme der Liaisonbeamtin vom 21. November 2013, zu 7.).
178(3) Es gibt auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel ferner keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass die den Asylbewerbern und darunter insbesondere den Dublin-Rückkehrern während der Durchführung des Asylverfahrens zur Verfügung gestellten Unterkünfte gleich welcher Art wegen ihrer Beschaffenheit und Ausstattung (z.B. der hygienischen Verhältnisse) oder auch wegen der dort herrschenden Zustände (insbesondere der Gefahr, das Opfer von Gewalttätigkeit und anderer krimineller Delikte zu werden) typischerweise unzureichend oder in Bezug auf das Zusammenleben mit anderen Personen auf ggf. engem Raum in einer Weise unzumutbar wären, dass daraus auf die konkrete Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Falle der Überstellung des Klägers nach Italien geschlossen werden könnte.
179Vgl. dazu allgemein auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 28 f., m.w.N.).
180Gegenteiliges lässt sich insbesondere auch nicht aus den Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat herleiten. Dies schon deshalb nicht, weil sich diese Angaben auf einen anderen Zeitpunkt und im Übrigen auch ausschließlich auf die Verhältnisse in einer Art „Sammelstelle“ auf Sizilien – und damit allenfalls auf die seinerzeitigen Bedingungen in Süditalien – beziehen. Die konkrete Unterkunftsart konnte der Kläger weder näher bezeichnen noch irgendwie klar umschreiben. Was die angeblich angetroffenen „schlechten“ Lebensbedingungen betrifft, fehlt es im Übrigen auch an der Relevanz, solange die Grenze des grundrechtlichen Gewährleistungsgehalts des Art. 4 EUGRCh nicht berührt wird. Namentlich ist es unerheblich, wenn die Aufnahmebedingungen nicht den Standard erreicht haben bzw. erreichen, wie er bei einer Aufnahme von Asylbewerbern in der Bundesrepublik Deutschland üblich ist. Für die nicht weiter belegte Annahme des Klägers, infolge der derzeitigen Überbelegung vieler Aufnahmeeinrichtungen herrschten dort gemeinhin menschenunwürdige Zustände, geben die Erkenntnisse nichts her. Darauf, ob dies vielleicht in Einzelfällen anders sein mag, kommt es nicht an.
181(4) Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass Dublin-Rückkehrer, welche in Italien einen Asylantrag stellen, während des Verfahrens bis zur Entscheidung über diesen Antrag materielle Not leiden müssen, weil sie gemessen an den Vorgaben des Unionsrechts nicht das zum Leben Benötigte – wie insbesondere Nahrung, Wäsche, Kleidung und Hygieneartikel – erhalten. Vielmehr wird dem Rechtsanspruch der Asylsuchenden auf Verpflegung und Versorgung im Allgemeinen auch in Italien nachgekommen. Dies geschieht bei denjenigen Personen, die in staatlichen/öffentlichen Unterkünften untergebracht sind, in der Regel dadurch, dass die Aufnahmeeinrichtungen/-zentren auch die Verpflegung und Versorgung mit übernehmen. Aber auch für diejenigen Asylbewerber, die in nichtstaatlichen, namentlich in karitativen oder kirchlichen Unterkünften leben, wird grundsätzlich ausreichend gesorgt, wobei insoweit auch private Dienstleister herangezogen werden (vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, zu 5.; für seitdem eingetretene Änderungen ist nichts ersichtlich). Dass die Asylbewerber und hier insbesondere die Dublin-Rückkehrer unter ihnen typischerweise in extremer Armut leben und ihren Lebensunterhalt dabei beispielsweise durch Betteln oder Prostitution sichern müssten, kann folglich nicht festgestellt werden.
182Vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UAS. 29 ff.).
183Das schließt es nicht aus, dass im Einzelfall solches namentlich bei obdachlosen Personen hin und wieder vorkommen mag. Denn ein staatliches Sozialhilfesystem existiert in Italien nur sehr eingeschränkt. Das reicht indes nicht für die Annahme aus, der Kläger werde im Falle seiner Überstellung nach Italien ernstlich der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh ausgesetzt sein.
184(5) Soweit es um die medizinische Versorgung der Dublin-Rückkehrer nach Italien geht, die dort ein Asylverfahren einleiten, unterscheidet sich die Situation nicht von derjenigen, die in Italien allgemein für Asylbewerber während ihres Verfahrens gilt. Als unionsrechtliche Vorgabe ist insoweit Art. 19 der Neufassung der Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) zu beachten. Dieser garantiert allerdings für Antragsteller ohne besondere medizinische Bedürfnisse – wie hier den Kläger – nur einen Mindeststandard (Notversorgung, unmittelbar erforderliche Behandlungen). Dass Asylbewerber in Italien in der Regel eine medizinische Versorgung kostenfrei erhalten können, welche zumindest diesem Mindeststandard entspricht, wird vom Kläger und auch in den dem Senat vorliegenden (einschlägigen) Erkenntnismitteln nicht prinzipiell in Frage gestellt. In den Erkenntnissen wird allenfalls in Zweifel gezogen, ob auch jenseits der Not- bzw. Akutversorgung der allgemeine Zugang zum italienischen Gesundheitssystem, zu dem eine Gesundheitskarte nötig ist, den Asylbewerbern bereits – ggf. landesweit – dann eröffnet ist, wenn sie (noch) nicht über einen ständigen Wohnsitz bzw. eine feste Adresse verfügen, und inwiefern insoweit eine sog. fiktive bzw. virtuelle Adresse ausreicht und erlangt werden kann (siehe etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 49 f., 52; AA an OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Januar 2013, zu 6., und – dort entsprechend für anerkannte Schutzberechtigte – an VG Gießen vom 26. März 2013, zu Frage 4.; zu einzelnen Defiziten hinsichtlich der praktischen Anwendung der medizinischen Versorgung von Asylbewerbern seinerzeit Judith Gleitze, borderline europe, Gutachten an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 45 ff.). Mängel der Aufnahmebedingungen, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung beachtlich wahrscheinlich erscheinen ließen, lassen sich somit auch in diesem Zusammenhang nicht feststellen. Individuelle Besonderheiten im Sinne einer besonderen Verletzlichkeit oder medizinische Behandlungsbedürftigkeit des Klägers bestehen im Übrigen nicht.
185Vgl. zum Zugang zum Gesundheitssystem auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 31 f.).
186(6) Durchgreifende Mängel gibt es auch nicht in Bezug auf die Qualität und Dauer der Asylverfahren in Italien. Die Rechtsstellung der Betroffenen wird insoweit auch, was die faktische Umsetzung in der behördlichen Praxis einschließlich der Gewährung von Rechtsberatung und Rechtsschutz betrifft, nicht in einer nennenswerten Weise beeinträchtigt. Der Senat schließt sich insoweit der (vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen) Bewertung durch das OVG Sachsen-Anhalt an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen einschlägigen Ausführungen Bezug, welche sich auch dazu verhalten, dass es in Italien keine unverhältnismäßig restriktive Asylpraxis gibt.
187Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris (UA S. 32 ff.).
188(7) Die in Gesamtwürdigung der Verhältnisse gewonnene Einschätzung des Senats, dass das Asylverfahren und namentlich auch die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber – darunter hier speziell Dublin-Rückkehrer – in Italien nicht an systemischen Mängeln leiden, welche darauf führen, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird, stimmt schließlich mit der Bewertung überein, welche für dessen Entscheidungszeitpunkt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Beschluss vom 2. April 2013– 27725/10 – (Mohammed Hussein u.a.), insb. Rn. 78, unter Würdigung zahlreicher Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen getroffen hat. Dieser Entscheidung lag durchaus jedenfalls auch eine Betrachtung der allgemeinen Situation und der Lebensbedingungen in Italien zugrunde; keineswegs erfolgte sie maßgeblich (nur) vor dem Hintergrund etwaiger besonderer Umstände des zugrunde liegenden Falles wie namentlich des Umstandes, dass die Klägerin in dem Verfahren grundlegend falsche Angaben zum Sachverhalt gemacht hatte; ebenso wenig lässt sich ihr entnehmen, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe eigentlich etwas anderes, nämlich in Richtung auf das Bestehen systemischer Mängel, sagen wollen.
189In diesem Sinne (zu Unrecht) VG Frankfurt, Urteil vom 9. Juli 2013 – 7 K 560/11.F.A. –, juris, Rn. 61 f.; VG Gießen, Urteil vom 25. November 2013 – 1 K 844/11. GI.A –, juris, Rn. 36.
190Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass der EGMR seine Linie zu Italien auch in nachfolgenden Entscheidungen bestätigt hat.
191Vgl. Beschlüsse vom 18. Juni 2013 – 53852/11 – (Halimi), ZAR 2013, 338 (339, Rn. 68), und vom 10. September 2013 – 2314/10 – (Hussein Diirshi), Rn. 138, 139.
192Wie ein zwischenzeitlich vor der Großen Kammer des EGMR anhängiges und im Februar 2014 verhandeltes (weiteres) Verfahren zu Italien, das der Kläger angesprochen hat, ausgehen wird und inwiefern der EGMR in jenem Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles in den Vordergrund stellen wird, ist ungewiss; die Entscheidung hierzu steht noch aus.
193(8) Der Senat hatte auch mit Blick auf die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren schriftsätzlich vorgebrachten Beweisanregungen keine Veranlassung, zur Gewinnung der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Überzeugung noch weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation der Asylbewerber in Italien einzuholen. Denn die vorliegenden Erkenntnismittel haben im Ergebnis ausgereicht, ihm diese Überzeugung bereits in einem ausreichenden Maße zu vermitteln.
194Dem steht zunächst nicht durchgreifend entgegen, dass der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2013 die Sache zunächst vertagt hat. Denn zu jenem Zeitpunkt standen wesentliche aktuelle Erkenntnismittel, wie namentlich der damals bereits angekündigte ausführliche Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von Oktober 2013, noch nicht zur Verfügung. Der zusätzliche Umstand, dass der Senat unter dem 18. Oktober 2013 ein weiteres, trotz des Umfangs der gestellten Fragen im Wesentlichen die Erläuterung bzw. Konkretisierung/Substantiierung bereits vorliegender Aussagen betreffendes Auskunftsersuchen an das Auswärtige Amt gerichtet hat, welches das Auswärtige Amt dann angeblich mit den eigenen Möglichkeiten nicht beantworten konnte (vgl. die Antwortschreiben vom 5. November und 18. Dezember 2013), hinderte den Senat nicht, sich (aufgrund der insofern neuen Situation) noch einmal neu mit der Frage zu befassen, ob es für seine Entscheidung – etwa auch vor dem Hintergrund des ausführlichen aktuellen Berichts der Schweizerischen Flüchtlingshilfe – der Beantwortung der gestellten Fragen (bzw. aller davon) notwendig bedurfte, und diese Frage zu verneinen. Eine etwaige Bindung war durch die rein vorsorgliche Anfrage vom 18. Oktober 2013 nicht eingetreten; zudem hatte sich die Sachlage inzwischen wesentlich geändert. Denn das Auswärtige Amt hat in dem Schreiben vom 18. Dezember 2013 unmissverständlich mitgeteilt, dass (ergänzende) eigene Erkenntnisse oder Unterlagen nicht vorhanden seien.
195Der Anregung im Schriftsatz des Klägers vom 14. Januar 2014, bestimmte Angehörige der Organisationen „borderline europe“ und Schweizerische Flüchtlingshilfe als sachverständige Zeugen zu hören, musste der Senat nicht entsprechen. Denn es ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass „borderline europe“ die Erkenntnisse aus dem im Dezember 2012 erstellten Bericht bzw. Gutachten inzwischen auf der Grundlage neuerer konkreter Erkenntnisse sozusagen „fortgeschrieben“ hätte und/oder dass Angehörige der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus eigener Kenntnis heraus wesentliche zusätzliche Informationen über das hinaus geben könnten, was schon in dem sehr ausführlichen Bericht von Oktober 2013 unter (in der Regel) spezifizierter Offenlegung der Quellen schriftlich niedergelegt ist. Schließlich musste der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht Gelegenheit gegeben werden, auf ihr in der Stellungnahme der Liaisonbeamtin des Bundesamtes vorgehaltene (vermeintliche) Mängel ihres Oktober-Berichts zu erwidern.
1962. Die Abschiebungsanordung in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides ist hiernach ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
197Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
198Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verpflichtet, im Asylverfahren des Klägers das ihr durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO eröffnete Selbsteintrittsrechts auszuüben und das Asylverfahren durchzuführen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen einen ihm noch nicht bekannt gegebenen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags und erstrebt seine Asylanerkennung sowie die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zumindest aber die sachliche Bearbeitung seines Asylantrags.
- 2
Am 25. August 2010 stellte der Kläger bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 5. August 2010 bei der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen als Asylbewerber erfasst worden war.
- 3
Bei der Asylbeantragung gab er an, somalischer Staatsangehörigkeit und am ... in ... geboren zu sein, wo er auch gelebt habe; er gehöre der Volksgruppe der ... an und sei islamischer Religionszugehörigkeit. Er habe einen Reisepass besessen, wisse aber aufgrund des Krieges nicht, wo dieser sich befinde. Am ... habe er religiös die Ehe geschlossen, wisse aber nicht, wo sich seine Ehefrau aufhalte. Er sei Vater eines ... geborenen Sohnes, der bei der Mutter lebe. Er habe 8 Jahre lang die Schule besucht und den Beruf eines Technikers erlernt. In diesem Beruf habe er auch gearbeitet. Insoweit legte er einen Dienstausweis von ... vor.
- 4
Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 15. September 2010 trug der Kläger vor, dass er am 16. Juli 2010 Mogadischu verlassen habe und in einem Kraftfahrzeug Richtung Nairobi gefahren sei, wo er am 25. Juli 2010 angekommen sei. Von dort sei er mit Emirate Airline über Dubai nach Frankfurt geflogen, wo er am 5. August 2010 morgens gegen 6 Uhr angekommen sei. Auf Nachfrage, wieso im Dezember 2009 seine Fingerabdrücke in Ungarn aufgenommen worden seien, erklärte der Kläger dann, dass er Mogadischu am 25. Oktober 2010 mit einem LKW verlassen habe, sieben Tags unterwegs gewesen sei und am 20. November 2011 mit einer türkischen Fluggesellschaft nach Rumänien geflogen sei. Von dort sei er zu Fuß nach Ungarn gelangt, wo er sich ca. sieben Monate aufgehalten habe. Er habe dort einen Asylantrag gestellt und Dokumente, aber keine Unterkunft und keine Unterstützung erhalten. Er habe nicht arbeiten können und auf der Straße gelebt. In Ungarn sei er mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen worden. Unterlagen über den Aufenthalt in Ungarn besitze er nicht. Schließlich sei er mit einem Bus nach Gießen gefahren, wo er am 5. August angekommen sei. Er sei Radiotechniker und habe bei einem für Mogadischu und Umgebung zuständigen Sender gearbeitet. Sein Vater habe als Soldat für ... gearbeitet und sei im Januar 2009 von Al-Shabab-Leuten umgebracht worden. Außerdem seien Mitarbeiter seines Senders ermordet worden, so dass er große Angst gehabt habe, ebenfalls umgebracht zu werden. Als er zusammen mit anderen Personen vor den Al-Shabab-Leuten weggelaufen sei, sei er gefallen und habe sich eine Verletzung zugezogen, die mit drei Stichen habe genäht werden müssen. Er sei telefonisch bedroht worden. Deshalb habe er Somalia verlassen.
- 5
Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. Oktober 2010 machte der Kläger dann geltend, dass Deutschland verpflichtet sei, den Selbsteintritt zu erklären und das Asylverfahren sachlich durchzuführen Der Kläger sei psychisch schwer krank, seitdem er in Ungarn mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen worden sei, sei er traumatisiert. Ferner reichte er ein Attest des Univ.-Prof. Dr. med. ... vom 16. Dezember 2010 zu den Akten, in dem es heißt, dass der sehr ängstlich wirkende Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide. Außerdem reichte der Kläger ein Schriftstück der Organisation Reporter ohne Grenzen vom 8. März 2011 zu den Akten, in dem es heißt, dass der vom Kläger genannter Sender 2009 vier Mitarbeiter, darunter den ehemaligen Direktor, durch Morde der islamistischen Gruppe Al Shabaab verloren habe. Ferner legte er eine ärztliche Stellungnahme des Vereins zur Unterstützung traumatisierter Patienten vom 15. April 2011 vor, die ebenfalls eine PTBS attestiert.
- 6
Auf entsprechendes Übernahmeersuchen der Beklagten stimmte Ungarn unter dem 25 Mai 2011 einer Überstellung des Klägers nach Ungarn zu und führte aus, dass der am 18. Dezember 2009 gestellte Asylantrag des Klägers zwar abgelehnt, ihm aber vorübergehender Schutz (beneficiary of temporary protection) zugebilligt worden sei.
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Mit bislang allerdings nicht an den Kläger übermitteltem Bescheid vom 26. Mai 2011 entschied die Beklagte alsdann, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insoweit müsse Ungarn die vom Kläger geltend gemachten psychischen Probleme prüfen, zumal es dem Kläger bereits subsidiären Rechtsschutz gewährt habe. Außerdem heißt es in dem bislang nicht bekannt gegeben Bescheid, dass die Abschiebung des Klägers nach Ungarn angeordnet werde.
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Am 14. Juli 2011 hat der Kläger alsdann Klage erhoben und darauf hingewiesen, dass er sich bis auf weiteres wegen einer PTBS in stationärer Behandlung im Pfalzklinikum Klingenmünster aufhalte und nicht reisefähig sei. Insoweit verwies er auf eine fachärztliche Bescheinigung der genannten Klinik.
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Mit Beschluss vom 19. Juli 2011 - 5 L 971/11.TR - untersagte die erkennende Kammer der Beklagten auf Antrag des Klägers alsdann, einstweilen seine Rücküberstellung nach Ungarn zu betreiben. Zur Begründung des Beschlusses ist ausgeführt, dass der Kläger sich aufgrund der ärztlich attestierten Reise- und Transportunfähigkeit auf ein im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigendes inlandsbezogenen Abschiebungshindernis berufen könne.
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Zur weiteren Klagebegründung macht der Kläger geltend, dass er ungeachtet dessen, dass er zwischenzeitlich aus der Klinik entlassen worden sei, weiterhin reise- und transportunfähig sei. Wegen der PTBS sei er zwischenzeitlich in Behandlung einer psychotherapeutischen Praxis; insoweit verweist er auf ein Attest des Dr. phil. ... vom 9. Dezember 2011. Des Weiteren verweist er auf eine nervenärztliche Stellungnahme der Dr. med. ... vom 2. Mai 2012. Ferner trägt der Kläger vor, dass das Übernahmeersuchen nach Ungarn nicht innerhalb von drei Monaten und damit verspätet gestellt worden sei und die Beklagte deshalb zu einem Selbsteintritt verpflichtet sei.
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Ferner macht der Kläger geltend, dass berücksichtigt werden müsse, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung aus Österreich nach Ungarn gestoppt habe, weil Flüchtlinge dort nach Rückkehr bis zu einem Jahr inhaftiert würden. Von daher habe er einen Anspruch aus Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte. Als Sachverständige zu den gravierenden Mängeln im Asylverfahren in Ungarn solle Frau Marion Bayer gehört werden, die unter dem Titel "Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit" für ProAsyl einen umfangreichen Bericht zu den dortigen Verhältnissen erstellt habe, den er zu den Akten reichte. Im Übrigen habe der UNHCR in einem Bericht vom 24. April 2012 erhebliche Kritik an der Behandlung von Asylbewerbern in Ungarn geübt.
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Im Hinblick auf das geltend gemachte Asylbergehren beruft der Kläger sich auf eine weitere zu den Akten gereichte Stellungnahme des Vereins Reporter ohne Grenzen vom 10. Oktober 2011, in der ausgeführt wird, dass die Situation in Somalia für den Kläger als ehemaligen Mitarbeiter der Radiostation ... sehr kritisch sei.
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In der mündlichen Verhandlung vor Gericht hat der Kläger die ihm eingeräumte Möglichkeit, sich ergänzend zum Klagebegehren zu äußern, genutzt und ausführliche Angaben zur Sache gemacht. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Angaben wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift.
- 14
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des bislang nicht zugestellten Bescheides vom 26. Mai 2011 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, die Flüchtlingseigenschaft festzustellen und festzustellen, dass im Hinblick auf seine Person in Bezug auf eine Abschiebung nach Somalia die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis Abs. 5 bzw. Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
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hilfsweise,
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die Beklagte zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
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Die in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertretene Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers schriftsätzlich entgegengetreten und bittet,
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die Klage abzuweisen.
- 20
Sie ist der Auffassung, dass eine Überstellung des Klägers nach Ungarn aufgrund der Bestimmungen der Art. 16 Abs. 1e, 20 der Dublin-II-VO nicht fristgebunden sei. Im Übrigen korrespondiere das Selbsteintrittsrecht eines EU-Mitgliedstaates nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO nicht mit subjektiven Rechten eines Asylbewerbers. Außerdem erfülle Ungarn gegenüber asylbeantragenden Ausländern die europarechtlich vorgegebenen Mindeststandards. Diese Einschätzung widerspreche nicht dem Urteil des EUGH vom 21. Dezember 2011 - C-441/10.N.S. -, denn vereinzelte Ausreißer in der Behandlung einzelner Asylbewerber könnten kein allgemeines Selbsteintrittsrecht begründen. Insoweit müsse auch gesehen werden, dass der österreichische Asylgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Januar 2012 - S21 432260-1/2011 - ausgeführt habe, dass eine Überstellung von Asylbewerbern nach Ungarn möglich sei.
- 21
Die Kammer hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2011 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.
- 22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2012. Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die auf Blatt 178 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Somalia lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
- 23
Die Klage, über die das Gericht trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entscheiden kann, ist unzulässig, soweit der Kläger eine Aufhebung des bislang noch nicht bekanntgegebenen Bescheids vom 26. Mai 2011 erstrebt, denn dieser lediglich bei den Verwaltungsakten befindliche Bescheid ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 41 Abs. 1 und 5 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - bislang nicht wirksam geworden, weil er dem Kläger (noch) nicht bekannt gegeben worden ist. Soll ein Asylantrag - wie hier - nach § 27 a AsylVfG abgelehnt werden, erfolgt die Bekanntgabe der Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG durch Zustellung an den Ausländer selbst, § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG. Wird der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten, soll diesem ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden. Vorliegend fehlt es bislang an einer derartigen Bekanntgabe des Bescheides der Beklagten an den Kläger. Dass diesem der in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltene Bescheid auf dem Wege der Akteneinsicht seines Prozessbevollmächtigten in die Verwaltungsvorgänge bekannt geworden sind, stellt keine wirksame Bekanntgabe im Sinne der vorgenannten Vorschriften dar, da es schon an der erforderlichen Zustellung gegenüber dem Kläger selbst fehlt. Dieser Mangel wird auch nicht etwa durch § 8 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG - geheilt, da die Anwendung dieser Vorschrift voraussetzt, dass die Behörde eine Zustellung vornehmen wollte (vgl. VG Frankfurt, Beschluss vom 6. Januar 2010 - 7 L 319/09.A -, juris, mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Zustellungs-/Bekanntgabewille der Beklagten ist hier nicht erkennbar, so dass der bei den Verwaltungsakten befindliche Bescheid allenfalls als noch unverbindlicher Entwurf eines Bescheides angesehen werden kann und daher für eine Aufhebung durch das Gericht kein Raum ist.
II.
- 24
Soweit die Klage im Hauptantrag des Weiteren auf Asylanerkennung sowie die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft bzw. von Abschiebungsverboten gerichtet ist, ist sie unter Berücksichtigung des § 75 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - als Verpflichtungsklage in der Form der so genannten Untätigkeitsklage zulässig, denn der Kläger kann im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, möglicherweise einen Anspruch auf gerichtliche Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der begehrten Entscheidungen zu haben.
- 25
Die Klage ist indessen bereits deshalb nicht begründet, weil für einen gerichtlichen Verpflichtungsausspruch vorliegend unter Berücksichtigung der asylrechtlichen Besonderheiten kein Raum ist. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz steht nämlich der Annahme entgegen, dass das Verwaltungsgericht die Sache durch Ermittlung des gesamten für eine Sachentscheidung über den Asylantrag erforderlichen Sachverhalts spruchreif zu machen hätte, solange - wie vorliegend - noch keine Verwaltungsentscheidung über den Asylantrag ergangen ist.
- 26
Zwar sind auch im Bereich des Asylrechts die Verwaltungsgerichte bei einer Verpflichtungsklage grundsätzlich gehalten, die Sache spruchreif zu machen und das Verfahren nicht an die Behörde zurückzuverweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris). Dies gilt indessen in den Fällen, in denen ein Asylbewerber erstmals einen Asylantrag gestellt hat, nur dann, wenn bereits eine behördliche Entscheidung über das Asylbegehren ergangen ist. Ist hingegen noch keine behördliche Entscheidung ergangen, so würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29 a und 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle der Bundesamtsentscheidung und gegebenenfalls eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu, denn es kann eine Abschiebungsandrohung gemäß § 34 AsylVfG unter Fristsetzung (§ 36 Abs. 1 AsylVfG) nicht aussprechen. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach Ansicht des Verwaltungsgerichts als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Abs. 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes völlig widerspricht (vgl. zu alledem: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris). Von daher kommt ein Durchentscheiden des Verwaltungsgerichts bei einer Asylverpflichtungsklage nur in Betracht, wenn der Kläger mit seinem erstmals in Deutschland gestellten Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebenen ist (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, a.a.O.).
- 27
Demnach ist - anders als im Falle eines Asylfolgeantrags im Sinne des § 71 AsylVfG (vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2000 - 9 B 426/00 -, juris) - in den Fällen der Nichtbescheidung eines ersten Asylantrags eines Asylbewerbers kein Raum für eine Untätigkeitsklage dahingehend, dass die Beklagte zur Asylanerkennung sowie Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungsverboten verpflichtet werden könnte (vgl. zur diesbezüglichen Problematik auch VG Osnabrück, Urteil vom 23. Januar 2012 - 5 A 212/11 -, juris).
- 28
Demnach kann die Klage hinsichtlich des Hauptantrags keinen Erfolg haben.
III.
- 29
Der Hilfsantrag des Klägers, die Beklagte zu verpflichten, ihr so genanntes Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-VO - auszuüben, ist zulässig.
- 30
Dabei kann der Kläger sein diesbezügliches Begehren als Verpflichtungsklage in der Form der Untätigkeitsklage geltend machen, denn die Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts stellt einen Verwaltungsakt dar. Insoweit macht sich die Kammer die nachfolgenden Ausführungen des VG Osnabrück in dessen Urteil vom 23. Januar 2012 - 5 A 212/11 -, juris zu Eigen, in denen es heißt:
- 31
"Die Kammer geht davon aus, dass eine Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO gegenüber dem von ihr betroffenen Asylbewerber Regelungswirkung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG entfaltet. Zwar geht die Kammer mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16. Juli 1965, - BVerwG IV C 82.63 -, BVerwGE 21, 352 [353]) davon aus, dass die von einer höheren Behörde (heute in dem Rahmen des § 3 Abs. 2 VwVfG) getroffene Auswahl einer von mehreren zuständigen nachgeordneten Behörden für eine gewisse Angelegenheit deswegen nicht als Regelung anzusehen ist, weil sie nicht unmittelbar gegen den Bürger gerichtet ist, sondern sich innerhalb des Behördenaufbaus hält (anderer Ansicht Klappstein, in: Knack, VwVfG, 6. Auflage, § 3 Tz. 4.2) und eine derartige Zuständigkeitsbestimmung deshalb (heute) gemäß § 44 a VwGO weder einer isolierten Anfechtung noch einer isolierten Verpflichtung zugänglich ist. Anders ist dies nach Auffassung der Kammer jedoch dann, wenn in einem transnationalen Verhältnis eine gemeinsame Fachaufsichtsbehörde zu einer Bestimmung der zuständigen Behörde fehlt. In einem solchen Fall folgt die Regelungswirkung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG für den Kläger aus der selbständigen Bedeutung der Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates der Europäischen Union neben dem eigentlichen Verwaltungsverfahren der Asylanerkennung. Die vorliegend streitige Bestimmung des für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedsstaates der Europäischen Union unterwirft den Asylsuchenden der institutionellen- und Verfahrensautonomie des jeweiligen Mitgliedsstaates: Die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts - hier der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (vom 29. April 2004, Abl. Nr. L 204, Seite 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 Seite 25) - erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sind mangels einer unionsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995, Rs. C-312/93 [Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS gegen Belgischer Staat], Slg. 1995, I- 4599 [Randnummer 12]; EuGH, Urteil vom 11. September 2003, Rs. C-13/01 [Safalero Srl gegen Prefetto di Genova], Slg. 2003, I-8679, [Randnummer 49]). Unterschiedlich ausgestaltete nationale Verfahrensordnungen vermögen daher auch zu einer unterschiedlichen Rechtsdurchsetzung des Unionsrechts zu führen; dies rechtfertigt es, der Bestimmung eines anderen Mitgliedsstaates der Union gegenüber dem Asylsuchenden auch eine Regelungswirkung zuzuerkennen.
- 32
Der Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage beziehungsweise dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers steht § 44 a VwGO nicht entgegen. § 44 a Satz 2 VwGO lässt selbständige Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen zu, die vollstreckt werden können. Der Begriff der Vollstreckung ist hierbei weit auszulegen (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Februar 2010, - 5 LB 20/09 -, Juris). Unzweifelhaft ist die Bestimmung Italiens als für das Asylverfahren zuständigem Staat in Verbindung mit der Abschiebungsandrohung einer Vollstreckungshandlung fähig; eine solche war bereits für den 23.08.2010 vorgesehen gewesen."
- 33
Diese Ausführungen sind zur Überzeugung des Gerichts auf das vorliegende Verfahren, in dem eine Überstellung des Klägers nach Ungarn im Raum steht, übertragbar.
- 34
Des Weiteren kann der Kläger geltend machen, möglicherweise durch eine Nichtausübung des Selbsteintrittsrechts in eigenen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO zu sein.
- 35
Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Absatz 1 der Norm einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Vorliegend ist die Beklagte ohne Ausübung dieses Selbsteintrittsrechts für die Prüfung des Asylantrags des Klägers nicht zuständig, denn aus Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO ergibt sich eine Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des Asylantrags. Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO ist nämlich für die Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gestellt hat. Da der Kläger eigenen Bekundungen zufolge jedoch im Bereich der Europäischen Union erstmals einen Asylantrag in Ungarn gestellt und Ungarn dies unter dem 25 Mai 2011 auch bestätigt und seine Zuständigkeit bejaht hat, ist Deutschland für die Bearbeitung des vom Kläger gestellten Asylantrags bislang nicht zuständig.
- 36
Die Beklagte ist auch nicht nach den Bestimmungen des Kapitels III der Dublin II-VO zuständig geworden. Dies bedarf keiner weitergehenden Erörterung, denn es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass sich im Falle des Klägers aus einem Artikel dieses Kapitels der genannten Verordnung eine Zuständigkeit der Beklagten ergeben könnte.
- 37
Demnach ist Ungarn gemäß Art. 16 Abs. 1 e Dublin II-VO gehalten, den Kläger wieder aufzunehmen, nachdem es den Asylantrag des Klägers abgelehnt hat und dieser sich unerlaubt in Deutschland und damit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält. Dabei hat gemäß Art. 20 Abs. 1 d Dublin II-VO die Überstellung des Klägers nach Ungarn nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten zu erfolgen, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend sind zwar seit der Übernahmeerklärung Ungarns mehr als sechs Monate verstrichen. Da die Kammer indessen in ihrem Beschluss vom 19. Juli 2011 - 5 L 971/11.TR - der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO einstweilen eine Überstellung des Klägers nach Ungarn untersagt hat, was faktisch einer aufschiebenden Wirkung im Sinne einer Vollzugshinderung gleichkommt, hat derzeit eine sich aus dieser Bestimmung ergebende Überstellungsfrist noch nicht zu laufen begonnen (vgl. hierzu Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Januar 2009- C 19/08 - und Beschluss des Hessischen VGH vom 23. August 2011 - 2 A 1863/10.Z.A -, beide veröffentlicht bei juris), so dass Deutschland auch nicht infolge Fristablaufs zuständiger Staat für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers geworden ist.
- 38
Von daher liegt ein Asylverfahren vor, auf das grundsätzlich das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Anwendung finden kann.
- 39
Dabei kann der Kläger auch geltend machen, durch eine Nichtausübung des Selbsteintrittsrechts möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein.
- 40
Zwar richten sich die Vorschriften der Dublin II-VO als zwischenstaatliche Regeln vorrangig an die Mitgliedstaaten und begründen regelmäßig keine subjektiven Rechte von Asylbewerbern (vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Bd. 3, B2, § 27a Rdnr. 26, Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, Bd. 2, I, § 27a Rdnr. 25). Insoweit kann auch Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO grundsätzlich nicht als Öffnungsklausel zur Durchsetzung individueller Ansprüche interpretiert werden (vgl. Hailbronner, a.a.O. Rdnrn. 60 ff.).
- 41
Allerdings ist das Gericht der Überzeugung, dass Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dann subjektiv-rechtlichen Charakter haben und einen Anspruch des Klägers begründen kann, wenn in dem für das Verfahren zuständigen Mitgliedstaat die Durchführung eines den Geboten der Rechtsstaatlichkeit im Sinne von Art. 2 EUV und der Charta der Grundrechte im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vom 12. Dezember 2007, ABl. Nr. C 303 Seite 1) genügenden Asylverfahrens nicht hinreichend gewährleistet ist (vgl. Vorlagebeschluss des OVG Nordrhein-Westfalen an den Europäischen Gerichtshof vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11.A -, juris und VG Osnabrück, Urteil vom 23. Januar 2012 - 5 A 212/11 -, juris; s.a. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Schweiz vom 18. Mai 2012 - D-6664/2011 -, http://www.bvger.ch/publiws/pub/search.jsf).
- 42
Da Letzteres bei überschlägiger Prüfung in Bezug auf Ungarn nicht von vornherein ausgeschlossen ist, sind die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 VwGO erfüllt, so dass die Klage hinsichtlich des Hilfsantrags auf Verpflichtung der Beklagten zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts zulässig ist.
- 43
Ferner ist ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2010 gestellten Antrags auf Ausübung eines Selbsteintrittsrechts nicht erkennbar und die Dreimonatsfrist des § 75 VwGO verstrichen, so dass die Klage hinsichtlich des Hilfsantrags zulässig ist.
- 44
Sie ist auch in der Sache begründet; der Kläger hat einen Anspruch dahingehend, dass die Beklagte verpflichtet ist, das ihr durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II VO eröffnete Selbsteintrittsrechts auszuüben, so dass sie gemäß Satz 2 dieser Vorschrift zu dem zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung wird und die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernimmt.
- 45
Zwar liegt die Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts, wie sich aus dem Wort "kann" ergibt, grundsätzlich im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaats. Dieses Ermessen ist indessen zur Überzeugung des Gerichts vorliegend auf Null dahingehend reduziert, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Selbsteintrittsrecht auszuüben, weil der Kläger in Ungarn - dem für sein Asylverfahren grundsätzlich zuständigen Mitgliedstaat - kein ordnungsgemäßes Verfahren zu erwarten hat.
- 46
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 21. Dezember.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris, ausgeführt, dass Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden. Im Einzelnen heißt es in diesem Urteil:
- 47
"75. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Die Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und des Protokolls von 1967 ist in Art. 18 der Charta und in Art. 78 AEUV geregelt (vgl. Urteile vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, Slg. 2010, I-1493, Randnr. 53, und vom 17. Juni 2010, Bolbol, C-31/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 38).
- 48
76. Wie oben in Randnr. 15 ausgeführt, heißt es in den einzelnen Verordnungen und Richtlinien, die für die Ausgangsverfahren einschlägig sind, dass sie die Grundrechte und die mit der Charta anerkannten Grundsätze achten.
- 49
77. Nach gefestigter Rechtsprechung haben überdies die Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht unionsrechtskonform auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts kollidiert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Lindqvist, C-101/01, Slg. 2003, I-12971, Randnr. 87, und vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C-305/05, Slg. 2007, I-5305, Randnr. 28).
- 50
78. Die Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem bilden, ergibt, dass dieses in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen.
- 51
79. Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Verordnung Nr. 343/2003 erlassen und die oben in den Randnrn. 24 bis 26 genannten Übereinkommen und Abkommen geschlossen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem "forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen.
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80. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.
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81. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist.
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82. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde.
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83. Auf dem Spiel stehen nämlich der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet.
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84. Es wäre auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Mit der Verordnung Nr. 343/2003 soll nämlich, ausgehend von der Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers in dem normalerweise für die Entscheidung über seinen Antrag zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, wie in den Nrn. 124 und 125 der Schlussanträge in der Rechtssache C-411/10 ausgeführt worden ist, eine klare und praktikable Methode eingerichtet werden, mit der rasch bestimmt werden kann, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass für die Entscheidung über in einem Land der Union gestellte Asylanträge nur ein Mitgliedstaat zuständig ist, der auf der Grundlage objektiver Kriterien bestimmt wird.
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85. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen der Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist.
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86. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar."
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Unter Zugrundelegung dieser grundsätzlichen Anforderungen zur Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts ist das Gericht der Überzeugung, dass im Fall des Klägers die im Urteil des Europäische Gerichtshofs dargelegte Vermutung widerlegt ist, wonach in Ungarn grundsätzlich ein ordnungsgemäßes Verfahren gewährleistet ist, weil mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass seine weitere Behandlung nach einer Überstellung nach Ungarn dort nicht in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.
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Dies folgt zwar nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 20. September 2011 (Beschwerde-Nr. 10816/10 -, http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/viewhbkm.asp?sessionId=78728660&skin=hudoc-en&action=html&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649&key=92442&highlight=lokpo), denn dieses Urteil betrifft einen anderen Sachverhalt und ist von daher nicht einschlägig. In dem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass Ungarn durch eine mehrmonatige Inhaftierung zweier Asylbewerber gegen Art. 5 Abs. 1, Buchstabe f der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen hat, wonach jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit hat und "die Freiheit nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf bei rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist". Allerdings betrifft die Entscheidung zwei Fälle von Asylbewerbern, die in Ungarn während der laufenden (ersten) Asylverfahren inhaftiert waren. Von daher enthält das Urteil keine Aussage dazu, wie Personen, denen - wie dem Kläger, s. insoweit die Mitteilung der ungarischen Behörde [Blatt 116 der Verwaltungsakte]) - nach Abschluss des in Ungarn betriebenen Asylverfahrens ein Status "beneficiary of temporary protection" (menedékes) (vgl. hierzu http://www.miracle-comenius.org/fileadmin/miracle-project/Minority_Hungary.pdf) zuerkannt wurde, im Falle einer Rückkehr nach Ungarn behandelt werden.
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Allerdings ist das Gericht unter Berücksichtigung der ihm ansonsten vorliegenden übrigen Erkenntnisquellen der Überzeugung, dass dem schwerkranken Kläger bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen des Dublin II-Verfahrens eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta drohen wird und in seinem Fall die dargestellte Vermutungsregelung wiederlegt ist.
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Der Leiter des österreichischen Büros des UNHCR, dem als namhafter UN-Organisation bei der Lagebeurteilung erhebliches Gewicht zukommt, hat in einer Stellungnahme vom 3. Februar 2012 an den österreichischen Asylgerichtshof ausgeführt, dass Asylsuchende, die - wie der Kläger - aufgrund der Dublin II-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt werden, unmittelbar nach ihrer Überstellung nach Ungarn regelmäßig eine Abschiebungsverfügung erhalten und darauf basierend in der Regel inhaftiert werden (vgl. http://www.ecoi.net/file_upload/90_1328611178_unhcr-2012-02-03-coi-hu-update.pdf; s. auch österreichischer Asylgerichtshof, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - S4 422020-1/2011 -, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=AsylGH&Dokumentnummer=ASYLGHT_20111027_S4_422_020_1_2011_00), so dass viel dafür spricht, dass Ungarn Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG nicht beachtet, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist.
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Eine derartige Praxis wird letztlich auch durch eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 9. November 2011 - 508-9-516.80/46875 - an das Verwaltungsgericht Regensburg im dortigen Verfahren RO 4 K 11.30204 bestätigt. Dort ist nämlich ausgeführt, dass der dortige Kläger nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn im Dublin-II-Verfahren zunächst in Györ und anschließend in Nyírbátor in Gewahrsam genommen worden sei und sich Asylbewerber in der zuletzt genannten Gewahrsamseinrichtung täglich (nur) eine Stunde frei bewegen könnten.
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Derartige Praktiken werden außerdem in dem vom Kläger vorgelegten Bericht "Flüchtlinge in Ungarn: zwischen Obdachlosigkeit und Haft" (vgl. http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2012/Ungarnbericht_3_2012_Web.pdf) und dem von ihm ebenfalls vorgelegten Bericht des ungarischen Helsinki-Komitee (HHC) bestätigt. Insoweit hat die Kammer keine Zweifel, dass die Angaben in den Berichten glaubhaft sind, so dass keine Veranlassung bestand, insoweit in eine Beweisaufnahme einzutreten. Soweit das Auswärtige Amt in der bereits zitierten Auskunft vom 9. November 2011 angibt, aus eigener Kenntnis keine Aussage über die Glaubwürdigkeit des Berichts des HHC treffen zu können, ist diese Angabe nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der in dem Bericht enthaltenen Ausführungen zu widerlegen, zumal das Auswärtige Amt in dieser Auskunft darlegt, dass Asylbewerber in Hafteinrichtungen untergebracht wurden und Anwälte des HCC Zugang zu Anstalten haben, in denen Asylbewerber untergebracht sind, und damit letztlich die Ausführungen des Berichts bestätigt.
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Ferner berücksichtigt die Kammer, dass der UNHCR in seinem neuesten Bericht zur Situation von Asylsuchenden in Ungarn vom 24. April 2012 (vgl. http://www.unhcr.de/home/artikel/fb7213ec516ae34a4677150a85e35ed3/bericht-zur-situation-von-asylsuchenden-in-ungarn.html) unter Darlegung von Einzelheiten von Besorgnis erregenden Entwicklungen spricht und Verbesserungen als dringend erforderlich ansieht. Wenn er in diesem Bericht zwar abschließend die Schritte Ungarns zur Verbesserung der Situation begrüßt, so rechtfertigt dies angesichts seiner vorherigen Ausführungen gleichwohl nicht die Schlussfolgerung, dass die aufgezeigten Missstände beseitigt und in Zukunft nicht mehr zu befürchten seien.
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Von daher ist das Gericht der Überzeugung, dass dem Kläger im Falle einer Überstellung nach Ungarn eine längerfristige Inhaftierung droht, die für ihn jedenfalls deshalb eine unmenschliche Behandlung darstellt, weil er zur Überzeugung des Gerichts, wie durch zahlreiche medizinische und psychologische Stellungnahmen belegt wird, an erheblichen gesundheitlichen, insbesondere psychischen Beeinträchtigungen leidet, die im Übrigen auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor Gericht deutlich erkennbar waren (vgl. zu Rückkehrgefahren bei derartigen Personen auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Schweiz vom 18. Mai 2012 - D-6664/2011 -, http://www.bvger.ch/publiws/pub/search.jsf unter der dortigen Nr. 5.3 auf Seite 13 ff.).
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Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des österreichischen Asylgerichtshofs vom 13. Januar 2012 - S21 432260-1/2011 - die Auffassung vertritt, dass eine Überstellung des Klägers nach Ungarn zumutbar sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Der Asylgerichtshof hat in seiner Entscheidung nämlich ausgeführt, dass bei dem dortigen Beschwerdeführer keine konkreten auf ihn bezogenen Umstände vorlägen, die gerade in seinem Fall eine Bedrohung oder Gefährdung im Falle seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen ließen. Von daher ist die Entscheidung auf das Verfahren des Klägers nicht übertragbar, da bei ihm aufgrund seiner massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen besondere Umstände vorliegen.
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Besteht aber somit eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass der Kläger bei einer Überstellung nach Ungarn eine unmenschliche Behandlung erfahren wird, so hat er einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte, so dass die Klage insoweit Erfolg hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger behaupten syrischer Staatsangehörigkeit und kurdischer Volks- sowie moslemischer Religionszugehörigkeit zu sein. Sie reisten gemeinsam Anfang Juli 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 15. Juli 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
3Im Rahmen der vor dem Bundesamt am 18. Juli 2013 durchgeführten ausführlichen Anhörung erklärten die Kläger zu 1. und 2. im Wesentlichen übereinstimmend hinsichtlich des Reisewegs, sie hätten am 24. Juli 2009 Syrien Richtung Italien per Flugzeug verlassen. Am Flughafen in Italien hätten sie einen Asylantrag gestellt, der zunächst erfolglos geblieben sei. Daher seien sie in die Schweiz weitergereist. Dort hätten sie ebenfalls, allerdings erfolglos, um Asyl nachgesucht um dann kurze Zeit später wieder zurück nach Italien zu gehen. Der dort erneut gestellte Asylantrag sei jetzt erfolgreich gewesen. Sie hätten einen Schutztitel erhalten und zunächst bis 2015 befristet einen Aufenthaltstitel innegehabt. In Italien sei auch ihr zweiter Sohn, der Kläger zu 4. geboren worden. Sie seien dann mehr als ein Jahr in Italien geblieben, bis die Polizei ihnen gesagt habe, sie müssten gehen. Die Lage in Italien sei allgemein schlecht gewesen; sie hätten zwei Monate lange keine staatliche Unterstützung in Form von Geldleistungen erhalten. Daher seien sie weiter nach Frankreich gezogen, die Kläger zu 1. und 3. sowie 4. hätten dort wieder einen Asylantrag gestellt, der Kläger zu 2. nicht, da er erst einmal die Erfolgsaussichten bei den übrigen Klägern habe abwarten wollen; man habe ihm gesagt es sei leichter für eine vermeintlich alleinerziehende Frau mit zwei kleinen Kindern einen Titel zu bekommen. Nachdem indes dort der Asylantrag erfolglos war, seien sie nach 2 Monaten weiter nach Schweden gereist, wo sie sich ebenfalls deutlich über ein Jahr aufgehalten hätten. Die dort wieder für alle Kläger gestellten Asylanträge wurden abgelehnt; daraufhin seien sie Anfang Juli 2013 nach Italien abgeschoben worden. Dort hätten sie nicht bleiben wollen und seien bereits nach einer Woche mit dem Bus in die Bundesrepublik gefahren um hier Asyl zu beantragen. Sämtliche Papiere über ihre verschiedenen Aufenthalte in der Europäischen Union seien letztlich in der Bundesrepublik gestohlen worden. Einwände, dass ihr Asylantrag in Italien geprüft werde, hätten sie nicht. Auch gaben die Kläger zu 1. und 2. an, sie seien nicht behandlungsbedürftig erkrankt; allerdings sei der Kläger zu 3. psychisch angeschlagen, er spreche praktisch nicht mehr und der Kläger zu 4. könne auch keine Sprache richtig. Sie wollten nicht mehr von Land zu Land ziehen. Im Übrigen machten sie Ausführungen zu ihren Fluchtgründen aus Syrien. Dabei gab der Kläger zu 2. noch an, er sei bereits wegen vermeintlicher Verfolgung 2002 in der Slowakei, dann in Österreich und zuletzt für fast 13 Monate in Schweden gewesen; da dort damals Syrer keinen Aufenthaltstitel bekommen hätten, habe er sich unter fremden Personalien als Iraker ausgegeben. 2003 sei er dann freiwillig wieder zurück nach Syrien geflogen. Die Kläger machten bei einer Kurzbefragung am 15. Juli 2013 zum Teil geringfügig abweichende Zeitangaben über ihren Aufenthalt in den jeweiligen Staaten der Europäischen Union.
4Ein von der Beklagten durchgeführter Datenabgleich ergab, dass die Kläger zu 1. und 2. am 24. Juli 2009 in Italien erstmals erfasst wurden. Das am 20. November 2013 für alle Kläger an Italien gestellte Wiederaufnahmegesuch wurde vom italienischen Innenministerium am 28. November 2013 zurückgewiesen, da jedenfalls den Klägern zu 1. und 2. die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei.
5Der am 15. Juli 2013 beim Bundesamt gestellte Asylantrag wurde von dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schriftsatz vom 5. August 2013 zurückgenommen.
6Mit Bescheid vom 17. April 2014 stellte das Bundesamt fest, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, sie seien aus einem sicheren Drittstaat -Italien- eingereist und hätten dort den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen. Es sei daher nicht mehr über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes oder über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- zu befinden.
7Gegen den Bescheid haben die Kläger am 29. April 2014 Klage erhoben und zugleich um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht, den das Gericht mit Beschluss vom 17. Juli 2014 (17 L 1018/14.A) abgelehnt hat, da keine systemischen Mängel hinsichtlich Italiens vorlägen und darüber hinaus die Kläger keine beachtlichen, in ihrer Person liegenden, Gründe für ein Absehen von einer Überstellung nach Italien geltend gemacht hätten. Dies gelte insbesondere für die psychische Erkrankung der Klägerin zu 1. und die Sprachentwicklungsstörung des Klägers zu 3. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse seien nicht gegeben. Die gegen den unanfechtbaren Beschluss erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 23. Juli 2014 als unzulässig (14 B 853/14.A) verworfen.
8Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen Bezug genommen auf das Vorbringen im gerichtlichen Eilverfahren. Die Beklagte habe die Maßgaben der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III VO) nicht hinreichend beachtet. In Italien seien die Kläger der Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt. Ungeachtet dessen lägen humanitäre Gründe vor, die die Ausübung des sog. Selbsteintrittsrechts geböten. Die Kläger zu 1. und 3. seien schwerwiegend erkrankt. Dazu wurden diverse Atteste und Unterlagen betreffend eine im Wesentlichen schwere posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Symptomatik mit rezidivierender Suizidalität (Fachärztliche Atteste vom 29. April, 10. Juli, 11. sowie 20. August 2014, Bericht des St. W. Hospitals vom 22. Juli 2014) nebst Blutungsstörungen (Attest der Frauenärztin vom 24. August 2014) für die Klägerin zu 1. vorgelegt sowie hinsichtlich des Klägers zu 3. u.a. einer Sprachentwicklungsstörung mit Dyslalie und Dysgrammatismus (Heilmittelverordnung vom 21. Mai 2014, Fachärztliche Bescheinigung vom 22. Mai und 14. August 2014, Bescheinigung des N. Klinikums vom 20. Juni 2014). Eine Behandlung sei in Italien nicht möglich; auch sei von einer Reiseunfähigkeit auszugehen.
9Ungeachtet dessen hätten die minderjährigen Kläger zu 3. und 4. (2009 und 2010 geboren) nur einen Asylantrag bei der Beklagten, nicht aber in Italien gestellt.
10Die Kläger beantragen,
11den Bescheid der Beklagten vom 17. April 2014 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung nimmt sie auf die Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes Bezug.
15Die für die Kläger zuständige Ausländerbehörde hat mit Schreiben vom 3. September 2014 u.a. mitgeteilt, dass für den eventuellen Abschiebevorgang bereits vorgegeben worden sei, ein Arzt müsse anwesend sein. Darüber hinaus habe man für Maßnahmen bei Ankunft in Italien die italienischen Behörden über die geplante Abschiebung und über die psychische Erkrankung der Klägerin zu 1. informiert und angefragt, ob noch weitere Informationen für die Bereitstellung eines Arztes vor Ort zum Empfang der Familie geboten wären. Auch wurde ein Hinweis auf eine eventuell erforderliche stationäre Unterbringung erteilt. Am 8. September 2014 wurde die Klägerin zu 1. amtsärztlich begutachtet; Aussagen zu einer psychischen Erkrankung wurden nicht getroffen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18A. Die Klage hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit (I.) ist sie jedenfalls unbegründet (II.).
19I. Die Klage ist zwar als Anfechtungsklage statthaft (1.), jedoch vermag die Frage eines (teilweisen) Entfalls des Rechtsschutzbedürfnisses offen zu bleiben (2.).
201. Die Klage gegen den Bescheid vom 17. April 2014 ist als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft. Rechtsgrundlage für die unter Ziffer 1 des Bescheides getroffene angefochtene Entscheidung ist § 26a Asylverfahrensgesetz -AsylVfG-, wonach sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz -GG- (sicherer Drittstaat) eingereist ist, sich nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen kann. Die mit diesem Ausspruch regelmäßig verbundene Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG. Die Entscheidungen nach §§ 26a und 34a Abs. 1 AsylVfG stellen belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil deren Beseitigung grundsätzlich ein weiteres Prüfprogramm des Bundesamtes auszulösen vermag,
21vgl. zu § 27a AsylVfG OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris Rn. 28 ff.; siehe aber für den Fall einer ausländischen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft: BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7/13, juris Rn. 29ff., wonach ein Anspruch auf erneuten nationalen Flüchtlingsschutz in solchen Fällen nicht besteht und insoweit bereits das Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere Statusentscheidung fehlen dürfte.
222. Indes spricht Einiges dafür, dass jedenfalls teilweise das Rechtsschutzbedürfnis der Klage entfallen sein könnte. Denn der frühere Prozessbevollmächtigte der Kläger hat im Asylverfahren die am 15. Juli 2013 gestellten Asylanträge für alle Kläger mit Schriftsatz vom 5. August 2013 ohne Einschränkungen zurückgenommen; danach wäre das Verwaltungsverfahren einzustellen gewesen (vgl. § 32 Satz 1 AsylVfG). Ob vor diesem Hintergrund überhaupt noch ein Interesse an einer isolierten Aufhebung der negativen Entscheidung des Bundesamtes zu Ziff. 1. des angefochtenen Bescheides besteht, bedarf indes keiner Vertiefung, da der Klage in der Sache in Gänze der Erfolg verwehrt bleibt (II.).
23II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 17. April 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
24Das Bundesamt hat zu Recht gemäß §§ 26a, 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG festgestellt, dass den Klägern aufgrund ihrer Einreise aus einem sicherem Drittstaat kein Asylrecht zusteht (1.) und die Abschiebung nach Italien gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG angeordnet (2.).
251. Italien ist sicherer Drittstaat im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
26a. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht entgegen der Ansicht der Kläger nicht die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (sog. Dublin II VO) vor. Zwar wäre diese Verordnung und nicht die nachfolgende Dublin III VO grundsätzlich noch einschlägig, da sowohl der Asylantrag als auch das Wiederaufnahmegesuch noch im Jahre 2013 gestellt wurden (vgl. Art. 49 Abs. 2 Dublin III VO,
27vgl. insoweit nunmehr auch BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7/13, juris Rn. 27),
28jedoch findet das Regelwerk der Dublin II VO -ebenso wie die Dublin III VO- keine Anwendung mehr auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier in Italien – Flüchtlingsschutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist,
29vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juli 2014 - 17 L 1018/14.A; VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 ‑ 6 K 7204/12.A, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34; angedeutet in BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7/13, juris Rn. 26.
30Dies ist für die Kläger zu 1. bis 4. der Fall, auf die entsprechenden Mitteilungen in dem Verwaltungsvorgang des Bundesamtes für die Kläger zu 1. und 2. wird verwiesen; im Übrigen wird auf die Ausführungen im vorangegangenen Eilverfahren 17 L 1018/14.A Bezug genommen (dort S. 3f.), die sich unter dem Maßstab des Hauptsacheverfahrens zu eigen gemacht werden. Es spricht nichts dafür, dass den im Zeitpunkt des Aufenthalts in Italien Kleinstkindern (bei Einreise nach Italien 2009 war der Kläger zu 3. unter einem Jahr alt und der Kläger zu 4. ist in Italien 2010 geboren worden) nicht auch Flüchtlingsschutz oder über die Eltern, die Kläger zu 1. und 2., abgeleiteter Schutz zuerkannt wurde. Für eine Ausübung des in Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist daher ebenfalls von vornherein kein Raum mehr. Hieraus folgt zugleich, dass die Kläger mit ihrem Vortrag, aufgrund ihnen in Italien drohender Gesundheitsgefahren lägen „systemische Mängel im Asylverfahren“ vor, die den um Überstellung ersuchenden Mitgliedstaat zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts verpflichteten, nicht durchdringen können.
31Selbst wenn indes der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Kläger unterstellt, die minderjährigen Kläger zu 3. und 4. in Italien formal (noch) keinen Flüchtlingsschutz erhalten haben sollten, mag dies allenfalls zwar insoweit zu einer Anwendung der Dublin II VO für diese, nicht jedoch zu einer Änderung in der Sache führen. Die erkennende Kammer hat in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden, in Italien seien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung derzeit nicht auszumachen,
32vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; zuletzt für minderjährige Kinder: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Mai 2014 - 17 L 930/14.A.; auch bei Erkrankungen und zur Gesundheitsfürsorge für Asylbewerber zuletzt: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris.
33Diese Rechtsauffassung hat jüngst in einer Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, auf die entsprechend Bezug genommen wird, Bestätigung gefunden,
34vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
35Auch die weiteren, hier unterstellt für die Kläger zu 3. und 4. anwendbaren, Vorschriften der Dublin II VO führten nicht zu einem sonstigen Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte. Insbesondere wäre die ursprünglich nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO gegebene Zuständigkeit Italiens (illegale Einreise über den Luftweg) nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO auf die Beklagte übergegangen. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO hat der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, der einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, diesen in jedem Fall innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags zu ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen. Bei Überschreitung der Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO geht nach Satz 2 die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über. Zwar hat das Bundesamt hier erst am 20. November 2013 – also etwa vier Monate nach Stellung des Asylantrages am 15. Juli 2013 in der Bundesrepublik – ein Übernahmegesuch an Italien gestellt. Diese Fristüberschreitung führt aber nicht zur Zuständigkeit der Beklagten. Die Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO ist unmittelbar nur im Rahmen des Aufnahmeverfahrens anwendbar, nicht aber in Fällen des – hier ausweislich der Verwaltungsvorgänge und der entsprechenden Anfrage des Bundesamtes gegebenen – Wiederaufnahmegesuchs, welches Italien (nur) für die Kläger zu 3. und 4. (vgl. Bl. 129R des Verwaltungsvorganges) durch Nichtbeantwortung konkludent angenommen hat (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II VO),
36vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 - 10 B 16.14, Rn. 13.
37Ungeachtet dessen und den Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 3. und 4. wiederum aufgreifend, diese hätten überhaupt keinen Asylantrag in Italien gestellt, mit der Konsequenz, dass es sich dann um ein Aufnahmeverfahren handeln würde und die Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO anwendbar wäre, führte die Klage aufgrund der Nichteinhaltung der Frist bzw. der Folge gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II VO auch deshalb nicht zum Erfolg, weil die Vorschrift den Klägern kein subjektives Recht vermittelte,
38vgl. dazu näher std. Rspr. der Kammer, zuletzt VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 ‑ 17 K 4737/12.A, juris Rn. 34ff. m.w.N.; in diese Richtung auch OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A, juris Rn. 43ff.
39Im Einzelfall kann es bei beachtlicher Überschreitung der Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO ggfs. auch in Fällen in denen überhaupt keine Frist läuft dem ersuchenden Mitgliedstaat zwar verwehrt sein, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen,
40vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A, juris.
41Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird,
42vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10, juris Rn. 98, 108.
43Nicht jede Fristüberschreitung oder jeder längere Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat führt jedoch zugleich zu einer unangemessen langen Verfahrensdauer; vielmehr bedarf es des Hinzutretens eines weiteren Zeitmoments. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ist von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ohne hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalls in aller Regel erst dann auszugehen, wenn eine Überschreitung von mehr als sechs Monaten vorliegt, also zwischen Asylantragstellung und Stellung eines Übernahmegesuchs mehr als neun Monate vergangen sind,
44std. Rspr. näher VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris Rn. 40ff., m.w.N.
45Da die hier gegebene Überschreitung der Dreimonatsfrist gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II VO um etwas mehr als einen Monat bzw. der Aufenthalt im Bundesgebiet von etwas mehr als vier Monaten ab Asylantragstellung demgemäß nicht zu einer unangemessen langen Verfahrensdauer führt, wäre es der Beklagten nicht verwehrt, sich insoweit auf die Zuständigkeit Italiens für die Kläger zu 3. und 4. zu berufen.
46Weitere etwaig zu beachtenden Fristen der Dublin II VO sind nicht überschritten, entsprechendes ist auch nicht vorgetragen. Im Übrigen begründeten diese auch kein subjektives Recht für die Kläger aus den zuvor genannten Erwägungen in den in Bezug genommenen Entscheidungen. Eine unangemessen lange Verfahrensdauer wäre auch nicht ersichtlich.
47Die Beklagte hat schließlich entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Kläger auch nicht -nach wie vor davon ausgegangen, die Dublin II VO fände Anwendung- konkludent ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO ausgeübt. Die bloße ‑schon von Amts wegen gebotene (vgl. § 24 AsylVfG)‑ Befassung des Bundesamtes mit dem Asylbegehren der Kläger und die Absetzung einer negativen Entscheidung führt dazu nicht. Etwas anderes würde heißen, es käme in jedem Fall der Asylantragstellung gleichsam zwingend zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts. Dies findet im Gesetz und erst Recht in der Dublin II VO keine Stütze, was sich nicht zuletzt schon aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von Art. 3 Abs. 1 zu Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO ergibt.
48b. Italien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
49aa. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
50vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93, juris Rn. 181.
51Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die - freilich widerlegbare - Vermutung gelten, die Behandlung der Kläger als schutzberechtigt anerkannter Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
52vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
53Das zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
54vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
55Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
56Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
57vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94.
58Unterstellt für die Kläger zu 3. und 4. wäre die Dublin II VO einschlägig, lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung derzeit vor. Insoweit wird auf die Ausführungen und die Rechtsprechungszitate unter A. II. 1. a. Bezug genommen.
59Haben die Kläger indes – wovon hier nach den obigen Darlegungen ausgegangen wird – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
60Dass die Verhältnisse in Italien diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Flüchtlingsschutz dergestalt zurückbleiben, ist nach dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen. Insoweit werden sich die ausführlichen Darlegungen aus dem vorangegangenen Eilverfahren zu Eigen gemacht (vgl. 17 L 1018/14.A, dort S. 6ff. m.w.N.), denen die Kläger nichts entscheidungserhebliches mehr entgegen gesetzt haben. Sie gelten auch unter dem Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens fort.
61Die vorhandenen und ebenfalls im vorzitierten Beschluss ausgeführten Defizite bei der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung reichen nicht dafür aus, Italien generell nicht mehr als sicheren Drittstaat anzusehen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass insoweit Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten auch nicht etwa dazu verpflichtet, Schutzberechtigten ein Recht auf Unterkunft zu geben oder sie finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
62vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09, juris Rn. 249; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris Rn. 118.
63Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu überschreiten,
64vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10, juris.
65Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
66vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A, juris Rn. 43, m.w.N.
67Die Kläger müssen sich nach alledem daher auf den in Italien für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard – somit auch auf den medizinischen Behandlungs- und Medikamentationsstandard – verweisen lassen, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entsprechen sollte,
68vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A, juris Rn. 42, s.a. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
69Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Kläger ist es auch nicht maßgeblich, wie ein vor der Großen Kammer des EGMR anhängiges und im Februar 2014 verhandeltes Verfahren zu Italien (offenbar Tarakhel ./. Schweiz; EGMR 29217/12) entschieden wird. Es ist ungewiss, inwieweit der EGMR in jenem Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles -ungeachtet der Frage, ob es sich überhaupt bei den Beschwerdeführern um anerkannte Flüchtlinge handelt- in den Vordergrund stellen wird; die Entscheidung hierzu steht -soweit ersichtlich- noch aus. Unbeschadet dessen bestand jedoch keine Veranlassung, zur Gewinnung der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Überzeugung noch weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation der anerkannten Flüchtlinge in Italien einzuholen. Denn die vorliegenden Erkenntnismittel haben im Ergebnis ausgereicht, dem Gericht diese Überzeugung bereits in einem ausreichenden Maße zu vermitteln.
70bb. Die Kläger gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
71Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der Kläger liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen – wenn auch nur vorübergehend – geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob einer der Kläger eine Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU ist und er nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurde.
72Beachtliche, in der Person der Kläger liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor.
73Unterstellt, es läge die fachärztlich schließlich zuletzt diagnostizierte psychische Erkrankung der Klägerin zu 1., nämlich eine schwere posttraumatische Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Symptomatik mit rezidivierender Suizidalität (vgl. Atteste des Facharztes F. -L. vom 29. April, 10. Juli sowie 11. und 20. August 2014 nebst Notfallambulanzbericht des St. W. Hospitals vom 22. Juli 2014) vor, ist weiter nicht nachvollziehbar vorgetragen, diese seien in Italien nicht behandelbar bzw. auch eine entsprechende Medikamentation unmöglich. Gleiches gilt für die am 24. August 2014 durch die Frauenärztin Dr. T. diagnostizierte Erkrankung, die Klägerin zu 1. leide an ‑zunächst medikamentierbaren‑ Blutungsstörungen (offenbar vaginaler Blutverlust, vgl. amtsärztliche Stellungnahme vom 9. September 2014). Nach derzeitiger gerichtlicher Erkenntnislage sind die Gesundheitsversorgung und der Zugang zu ihr vielmehr in Italien sowohl für Asylbewerber wie für anerkannte Flüchtlinge trotz zuweilen auftretender zumutbarer praktischer Erschwernisse hinreichend gewährleistet. Es wurde bereits dargelegt, dass bei anerkannt Schutzberechtigten -und damit insoweit unstreitig der Klägerin zu 1.- bei der medizinischen Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen. Die -dem Flüchtling ohne Weiteres zumutbare- Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale ist obligatorisch und ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt (siehe zuvor A. II. 1. b. aa. nebst den in Bezug genommenen Ausführungen in 17 L 1018/14.A). Es existiert ferner kostenfreier Zugang zu allen medizinischen öffentlichen Leistungen (Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus); die stets bestehende Notambulanz ist -sogar ungeachtet einer Registrierung - für alle Personen ebenfalls kostenfrei zugänglich,
74vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1; borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 46.
75Eine ärztliche Versorgung ist ausweislich der Erkenntnislage auch gewährleistet, sofern es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht,
76vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 8.1; Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f., aufgerufen am 9. September 2014 unter: www.rom.diplo.de/contentblob/4055570/Daten/.../sozialpol_it_pdf.pdf.
77Es ist danach nicht erkennbar, die Klägerin zu 1. könnte in Italien unzureichend behandelt werden. Schließlich lassen ihre Ausführungen beim Bundesamt (etwa im Jahre 2009/2010 sehr schlechte Lage im Asylheim in Italien, angebliche Unterbringung mit „kriminell auffälligen Menschen“ [Attest vom 20. August 2014], erforderliche neue Unterkunft nach sechs Monaten, phasenweise Obdachlosigkeit, zwei Monate keine Sozialhilfe) eine besondere Schutzbedürftigkeit hier nicht erkennen.
78Hinsichtlich des etwas über fünfzigjährigen Klägers zu 2. ist ebenso nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass nicht jedenfalls er sich um den Lebensunterhalt und die Versorgung seiner Familie wird kümmern können. Auch seine Ausführungen beim Bundesamt lassen eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht erkennen (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“); schließlich hat er -wie übrigens die Klägerin zu 1. auch- bei seiner dortigen Anhörung keine Einwände erhoben, dass sein Antrag in Italien wieder geprüft werde (Anhörung Frage 24).
79Endlich begründet allein die Minderjährigkeit der Kläger zu 3. (ca. 5 Jahre) und 4. (ca. 4 Jahre) eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht. Sie sollen gemeinsam mit ihren Eltern, den Klägern zu 1. und 2., nach Italien zurückgeführt werden; Anhaltspunkte für ‑hinreichend beachtliche‑ Erkrankungen bei dem Kläger zu 4. sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Hinsichtlich des Klägers zu 3. liegt offenbar eine Entwicklungsstörung des Sprechens oder der Sprache (Dyslalie sowie Dysgrammatismus) vor, wobei neurologische oder sonstige pädiatrische Besonderheiten nicht festgestellt wurden (siehe Heilmittelverordnung vom 21. Mai 2014). Im Attest des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. U. , vom 22. Mai 2014 wurde ferner, noch ohne nähere Ausführungen dazu „frühkindlicher Autismus“ (in dem Überweisungsschein an die Ausländerbehörde hieß es einen Tag zuvor noch zum frühkindlichen Autismus „z.A.“ [zur Abklärung]) sowie eine „Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn der Kindheit“ diagnostiziert und diverse Therapiemaßnahmen vorgeschlagen (u.a. Einzeltherapie mit begleitender Elternarbeit; Kooperation der Therapeuten mit dem Kindergarten bzw. dem Sozialamt; Gewährleistung eines Lebensortes, der das Risiko der Störungen minimiere). Das N1. Klinikum in E. befand am 20. Juni 2014, es liege im Wesentlichen eine Sprachentwicklungsstörung mit lexikalisch-semantischer Störung und Dysgrammatismus sowie eine bedeutende Familiensituation vor. Es wurde u.a. eine logopädische Therapie empfohlen. Dies bestätigt im Kern das weitere Attest des Dr. U. vom 14. August 2014. Auch diese diagnostizierten Erkrankungen können in Italien hinreichend behandelt werden; dies gilt selbst wenn sich frühkindlicher Autismus bestätigen und wenn der Hinweis in der Bescheinigung des N1. Klinikums auf die bedeutende Familiensituation auf eine psychische Belastung des Klägers zu 3. hindeuten sollte, denn beides wäre in Italien grundsätzlich behandelbar. Es besteht für anerkannte Schutzberechtigte, wie für italienische Staatsbürger, freie Arztwahl. Zwar muss zunächst -abgesehen von Notfällen- ein Hausarzt aufgesucht werden, der dann eine Überweisung an einen Spezialisten, wie einen Kinderarzt oder das Krankenhaus, vornimmt. Gegebenenfalls muss auch bei Fachärzten mit langen Wartezeiten für Termine gerechnet werden, dies trifft aber Italiener gleichermaßen und ist zumutbar, zumal sich insoweit das System in diesem Punkt nicht grundlegend von dem hiesigen unterscheidet,
80vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 26; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.
81Soweit die Kläger zu. 3. und 4., die Argumentation des Prozessbevollmächtigten unterstellt, keine in Italien anerkannten Flüchtlinge wären und unter das Regime der Dublin II VO fielen (s.o. A. II. 1. a.), ergäbe sich nichts anderes. Denn eine besondere Schutzbedürftigkeit des -insoweit allein erkrankten- Klägers zu 3., die die Geltendmachung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland geböte, ist nicht gegeben. Die behaupteten Erkrankungen wären im Falle des in Italien noch laufenden Asylverfahrens behandelbar und auch der zumutbare Zugang zu einer Behandlung gewährleistet,
82vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2; s. auch OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2014 - 14 A 1613/13.A; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris, jew. m.w.N.; i.Ü. grundsätzlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
83cc. Schließlich liegt keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
84vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 ‑ 2 BvR 1938/93, juris Rn. 189.
85Weder droht den Klägern in Italien die Todesstrafe, noch besteht die erhebliche konkrete Gefahr dafür, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung dort Opfer eines Verbrechens werden, welches zu verhindern nicht in der Macht Italiens steht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Italien selbst zum Verfolgerstaat werden wird.
862. Ebenso ist die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG rechtmäßig und es steht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
87a. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Für die Kläger besteht in Italien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
88Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Konkret ist eine derartige Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintritt,
89vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18.05, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96, juris Rn. 13.
90Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Behandlung und auch der Zugang zu ihr für sämtliche der von der Klägerin zu 1. geltend gemachten Erkrankungen in Italien zureichend gewährleistet ist (vgl. A II 1 b. bb.). Daher drohen ihr keine der in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebene Gefahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
91Gleiches gilt für den Kläger zu 3. Denn auch seine Erkrankungen (vgl. zu ihnen bereits unter A. II. 1. b. bb.) können in Italien behandelt und therapiert werden, insbesondere ist eine kinderärztliche Betreuung sowie sind sonstige adäquate medizinische Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten gegeben und zugänglich,
92vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1.
93Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 die Rede davon ist, eine Rückführung der Familie in ihre Heimat würde die Symptomatik verstärken, wird ungeachtet dessen angemerkt, dass eine Rückführung gemeinsam mit seiner Familie in einen sicheren Mitgliedstaat der Europäischen Union ansteht, nicht aber die Abschiebung in die Heimat - nämlich Syrien - selbst. Wenn im zitierten Attest weiter ausgeführt wird, „nur ein dauerhafter Aufenthaltsstatus der Familie in der Bundesrepublik Deutschland kann zu einer positiven Veränderungen der o.g. Störungen des Kindes beitragen“, wird darauf hingewiesen, dass es für den bei § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegenden Maßstab auf die besondere Intensität der Beeinträchtigung im Zielstaat -Italien- ankommt und nicht auf eine hiesige mögliche Verbesserung. Denn der Asylbewerber bzw. anerkannt Schutzberechtigte muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs-, Therapie- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entsprechen sollte,
94vgl. -zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG- OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 - 13 A 2160/04.A, juris; VG Aachen, Urteil vom 22. Juli 2009 - 8 K 1199/07, juris m.w.N.
95Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob den Klägern zu 1. und 3. nicht von vornherein die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt bliebe, weil die eventuellen Schwierigkeiten, die bei der Gewährung medizinischer Versorgung und Medikamentation mit möglicherweise daraus resultierenden Beeinträchtigungen bestünden (etwa Eigenbeteiligungen an bestimmten Medikamenten, sog. „tickets“ bei Eigenbeteiligungen an bestimmten Behandlungen, vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25, 27), nicht individuell, sondern allgemein für die Bevölkerungsgruppe aller ganz oder nahezu mittellosen Kranken in Italien drohten,
96vgl. in diese Richtung VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris (noch zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG a.F.); zuletzt so für Bulgarien die erkennende Kammer, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 17 L 870/14.A.
97b. Sofern im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG von der Beklagten auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen wären,
98vgl. so OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11, juris Rn. 4,
99stünden solche nicht entgegen.
100Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis in Form einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit kann gegeben sein, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich verschlechtern wird.
101Für die Annahme eines solchen Abschiebungshindernisses wegen Gesundheitsgefahren ist danach erstens erforderlich, dass eine Gesundheitsverschlechterung von erheblichem Gewicht zu erwarten ist. Insoweit ist auf die Wertung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abzustellen: Eine durch die Ausreise eintretende Gesundheitsverschlechterung ist jedenfalls dann nicht mehr zumutbar, wenn dadurch konkrete erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Betreffenden von einem Gewicht einzutreten drohen, dass sie gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer Abschiebung entgegenstünden. Soweit sich unterhalb dieser Schwelle durch die Ausreise bzw. Abschiebung eine Gesundheitsverschlechterung einstellen sollte, ist sie hingegen grundsätzlich hinzunehmen. Eine mit der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit eines Bleiberechts für Deutschland und einer bevorstehenden Rückkehr in das Heimatland einhergehende Gefährdung bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustandes führt für sich genommen regelmäßig nicht zu einer Reiseunfähigkeit. Indem das Aufenthaltsgesetz die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht (vgl. § 58 AufenthG), nimmt es in diesem Zusammenhang vielfach zu erwartende Auswirkungen auf den gesundheitlichen und insbesondere auf den psychischen Zustand der Betroffenen in Kauf und lässt diese nur unter besonderen Umständen, die durch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ihre Begrenzung erfahren, als Abschiebungsverbote gelten.
102Zweitens sind die geltend gemachten Erkrankungen und etwa zu befürchtende Verschlechterungen nur hinsichtlich des Vollzugs der Abschiebung -nicht hier hinsichtlich der zielstaatsbezogenen Folgen der Abschiebung, namentlich der Frage der Behandelbarkeit vorliegender Erkrankungen (vgl. dazu zuvor A. II. 2. a.)- als solcher in den Blick zu nehmen. Im Hinblick auf die Schutzpflicht der zuständigen Behörde gilt, dass diese durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen -etwa durch ärztliche Hilfen bis hin zur Flugbegleitung- zu treffen hat, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann. Wenn dem Ausländer unmittelbar nach seiner Ankunft im Zielstaat eine Gesundheitsgefährdung im vorgenannten Sinne droht, endet die Schutzpflicht nicht mit der Ankunft des Ausländers im Zielstaat, sondern dauert bis zum Übergang in eine Versorgung und Betreuung dort fort. Dann ist sicher zu stellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Heimatland zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer allerdings auch in diesem Zusammenhang auf den allgemein üblichen Standard der Möglichkeiten in seinem Heimatland verwiesen ist.
103Dies zugrunde gelegt kann bei einer psychischen Erkrankung vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engen Sinne nur ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann (aa.), oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings - in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen - nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf (bb.). Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt (cc.),
104vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2010 - 18 B 910/10, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2008 - 18 B 538/08, juris; OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2006 ‑ 18 A 916/05, juris, jew. m.w.N.
105Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für die Annahme eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im Falle der Kläger -auch der allein erkrankten Kläger zu 1. und 3.- nicht erfüllt.
106aa. Es besteht zunächst kein Anhalt dafür, dass die Klägerin zu 1. im engen Sinne flugreise- oder transportuntauglich wäre. Hinsichtlich der mit Attest vom 24. August 2014 bei ihr ausgemachten Blutungsstörung, verhält sich dieses Attest schon nicht zu einer etwaig daraus resultierenden Reiseunfähigkeit. Diese ist aber auch sonst nicht ersichtlich, denn die amtsärztliche Stellungnahme vom 9. September 2014 hat insoweit die Transport- und Flugtauglichkeit bestätigt. Dem ist die Klägerin zu 1. insoweit nicht mehr entgegengetreten.
107Sofern -hierzu verhält sich die vorzitierte amtsärztliche Stellungnahme nicht- aufgrund des psychischen Gesundheitszustandes im Rahmen der Abschiebung die Gefahr einer Suizidhandlung ernsthaft bestünde, lässt sich auch nicht erkennen, dieser könnte nicht durch ärztliche Hilfen, wie einer Begleitung während des Fluges oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden. Zu einer insoweitigen Reiseunfähigkeit verhält sich zunächst das vorgelegte Attest des Facharztes F. -L. vom 29. April 2014 nicht. Im weiteren Attest vom 10. Juli 2014 wird lediglich unsubstantiiert und daher auch hier nicht hinreichend glaubhaft vorgetragen, die Klägerin zu 1. sei „weiterhin nicht reisefähig“. Begründungen oder Darlegungen hierzu fehlen im Attest oder den in Bezug genommenen früheren Attesten. Die Bescheinigung des St. W. -Hospitals vom 22. Juli 2014 über die ambulante psychiatrische Notfallbehandlung der Klägerin zu 1. verhält sich ebenfalls nicht zu einer Reiseunfähigkeit. Hinsichtlich einer etwaigen Suizidgefährdung konnte dort vielmehr diagnostiziert werden, dass sich die Klägerin zu 1. jedenfalls an dem entsprechenden Tag von „suizidalen Absichten glaubhaft distanzieren“ konnte. Indes sprechen die späteren Atteste des Facharztes F. -L. vom 11. und 20. August 2014 im Wesentlichen übereinstimmend davon, eine Reisefähigkeit bestehe nicht. Sie sei auch nicht durch „eventuelle Begleitmaßnahmen … herstellbar, da eine mögliche Suizidgefahr lediglich bis nach der Reisebeendigung aufgeschoben, jedoch nicht ernsthaft verhindert werden“ könne. Gerade durch letztere medizinische Einschätzung wird -eine akute bzw. latente Suizidalität der Klägerin zu 1. unterstellt- letztlich eingeräumt, dass gerade die Abschiebung selbst und die Rückführung im engeren Sinne bei entsprechender ärztlicher Begleitung ohne beachtliche Gefährdung der Klägerin zu 1. möglich wäre; im Übrigen mangelt es auch an einem substantiierten Vortrag, weshalb unter wirksamen Schutzmaßnahmen eine Abschiebung nicht möglich sein sollte. Soweit die amtsärztliche Stellungnahme vom 9. September 2014 empfiehlt, die Klägerin zu 1. solle bei der Flugreise von einem „notfallkompetenten Arzt“ begleitet werden, hatte die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 3. September 2014 bereits zugesichert, dass während des eigentlichen Abschiebevorgangs ein Arzt anwesend sein werde. Nachdem die Ausländerbehörde selbst hierauf verweist, wird davon ausgegangen, dass die Abschiebung mit entsprechenden Vorkehrungen durchgeführt wird. Dies zugrunde gelegt ist anzunehmen, dass ein etwaiger Suizidversuch der Klägerin zu 1. während der Abschiebung durch Eingreifen des Arztes oder anderen Begleitpersonals wirksam verhindert werden kann. Daher liegt für den Abschiebevorgang selbst keine Reisunfähigkeit vor. Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass entgegen der Aussagen im Attest des Arztes F. -L. vom 20. August 2014 eine Abschiebung nach Syrien -in das Heimatland der Kläger- gar nicht im Raum steht und somit auch nicht zu prüfen war. Ob die Unterbringung in Italien „menschlich unzumutbar“ ist, ist zum einen nicht Aufgaben des behandelnden Arztes zu beurteilen und zum anderen keine Frage des inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses.
108Für den Kläger zu 3. ist mit den vorgelegten Attesten und Bescheinigungen bereits keine Reiseunfähigkeit geltend gemacht, sie ist aber auch sonst nicht ansatzweise bei dem dargelegten, im Wesentlichen eine Sprachentwicklungsstörung beinhaltenden, Krankheitsbild (siehe A. II. 1. b. bb.) ersichtlich. Fragen der Therapiefortsetzung und der Behandelbarkeit betreffen allein zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und sind dort bereits behandelt worden. Im Übrigen ist auch hinsichtlich der Mutter des Klägers zu 3., der Klägerin zu 1., eine medizinische Betreuung bei der Rückführung vorgesehen, von der gegebenenfalls auch der Kläger selbst wird profitieren können.
109bb. Ferner ist nicht wie erforderlich dargelegt, im Falle der Klägerin zu 1. drohte eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon im oben genannten Sinne einzutreten, die nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt wäre. Zwar prognostiziert der Facharzt F. -L. in seinen Attesten vom 11. und 20. August 2014, eine Reisefähigkeit sei nicht gegeben, da bei einer Abschiebung mit einer erheblichen Verschlechterung des Zustandes zu rechnen sei. Dies gelte -neben Syrien- auch für Italien, da ein „nicht unerheblicher Teil der Traumatisierung“ dort stattgefunden habe. Selbst wenn tatsächlich -wovon bis zu diesem letzten Attest bislang nicht die Rede war- eine Traumatisierung in Italien stattgefunden haben sollte, ist den Ausführungen in den Attesten jedoch nicht zu entnehmen, diese Verschlechterung im oben erläuterten Sinne werde durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon bewirkt. Die Feststellungen im Attest -immer deren Richtigkeit unterstellt- können vielmehr nur so verstanden werden, dass diese die erwartete Verschlechterung der Erkrankung mindestens ganz wesentlich durch die Konfrontation der Klägerin zu 1. mit den Verhältnissen in Italien bewirkt sehen, mit denen diese nach Ansicht des Arztes F. -L. nicht zurecht kommen wird, so dass -von der angenommenen Suizidgefahr anlässlich der Abschiebung abgesehen- Zielstaatsbezogenheit anzunehmen ist. So wird in beiden Attesten in diesem Zusammenhang auf das Erfordernis der Fortsetzung der begonnenen Behandlung bei der Klägerin zu 1. abgehoben und im Attest vom 20. August 2014 davon gesprochen, die „Unterbringung dort [in Italien sei] menschlich unzumutbar“. Soweit daher auf die mit der Abschiebung bewirkte Verschlimmerung der Symptomatik abgehoben wird, steht diese in Zusammenhang mit den genannten zielstaatsbezogenen Aspekten und der Erwartung, nach der Abschiebung diesen ausgesetzt zu sein; anders gewendet besteht kein Anhalt dafür, dass die angenommene Verschlimmerung in gleicher Weise eintreten würde, wenn die Klägerin in einen ihrer Ansicht nach sicheren (Dritt-)Staat verbracht würde.
110Auf Grundlage der gegebenen ärztlichen Stellungnahmen zum Krankheitsbild des Klägers zu 3. bestehen auch keine Anhaltspunkte, eine sonstige erhebliche Gesundheitsverschlechterung drohte bei ihm durch oder als unmittelbare Folge der Abschiebung ernsthaft. Aus medizinischer Sicht konnten keine Gründe gefunden werden, nach denen eine Rückkehr in das Heimatland nicht möglich erscheint. Soweit der behandelnde Arzt Dr. U. insbesondere im Attest vom 22. Mai 2014 ebenso wie das N1. Klinikum E. in der Bescheinigung vom 20. Juni 2014 eine logopädische Therapie für geboten erachten und ersterer ausführt, „nur ein dauerhafter Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik [könne] zu einer positiven Veränderung der o.g. Störungen des Kindes beitragen“ handelt es sich schon nicht um inlandsbezogene Abschiebungshindernisse. Soweit in dem Attest vom 22. Mai 2014 ausgeführt wird, eine Rückführung „in die Heimat“ würde die Symptomatik verstärken gilt auch hier, dass eine Rückführung nach Syrien nicht im Raume steht und auch nicht Gegenstand der Abschiebungsanordnung ist. Ungeachtet dessen ist es schon mangels fehlender konkreter Angaben zu Art und Gewicht der befürchteten Gesundheitsverschlechterung nicht erkennbar, dass eine für die Annahme eines hier relevanten Abschiebungshindernisses erforderlich erhebliche und nachhaltige Verschlimmerung des Gesundheitszustandes droht. Etwaige gegenüber den hiesigen Behandlungen verminderte Standards der Therapie oder Behandlung in Italien und eine daraus befürchtete Gesundheitsverschlechterung beruhen nicht auf der Abschiebung selbst bzw. auf deren unmittelbarer Folge, sondern haben ihre Ursache in den Verhältnissen in Italien und damit in im vorliegenden Zusammenhang unerheblichen zielstaatsbezogenen Umständen.
111cc. Schließlich ist nicht anzunehmen, der Klägerin zu 1. drohte bei ihrer Ankunft im Zielstaat Italien eine Gefährdung im Sinne des zuvor aufgezeigten Maßstabes, die sich nicht durch eine unmittelbar nach der Ankunft einsetzende Versorgung und Betreuung vermeiden ließe. Wenn die Atteste des Facharztes F. -L. vom 11. und 20. August 2014 im Wesentlichen übereinstimmend davon sprechen, eine Reisefähigkeit sei auch nicht durch „eventuelle Begleitmaßnahmen … herstellbar, da eine mögliche Suizidgefahr lediglich bis nach der Reisebeendigung aufgeschoben, jedoch nicht ernsthaft verhindert werden“ könne, ist dies eine durch nichts gestützte bloße Behauptung, die im Übrigen auch nicht schlüssig ist. Denn es ist schon nicht überzeugend -geschweige denn dargelegt-, weshalb durch gebotene Begleitmaßnahmen während der Rückführung ein etwaiger Suizid zwar verhindert werden kann, denn nichts anderes heißt es der Sache nach, wenn davon gesprochen wird, durch Begleitmaßnahmen könne eine „Suizidgefahr lediglich bis nach der Reisebeendigung aufgeschoben werden“ (siehe dazu schon A. II. 2. b. aa.), nicht aber bei entsprechender ärztlicher Betreuung oder sonstiger geeigneter Maßnahmen unmittelbar danach. Sofern das Attest unbeschadet dessen dahin zu verstehen sein sollte, dass die Klägerin zu 1. nicht unmittelbar nach der Abschiebung sich selbst überlassen werden dürfe, steht dies nicht zu befürchten. Denn die zuständige Abschiebebehörde hat hier dafür Rechnung zu tragen, dass unmittelbar nach der Ankunft eine Versorgung und Betreuung gegeben und sichergestellt ist und so eine erhebliche Gefährdung der Klägerin -ggf. auch mittels entsprechender Medikamente für eine Übergangsphase bis zur Aufnahme der weiteren Behandlung vor Ort- ausgeschlossen wird. Auf Nachfrage hat die zuständige und die Vollstreckung durchführende Ausländerbehörde mit Schreiben vom 3. September 2014 denn auch bereits die italienischen Behörden darauf hingewiesen, dass möglicherweise eine stationäre Unterbringung der Klägerin erforderlich sein könnte, auch wurden die Behörden über die Erkrankung und die geplante -wenn auch noch nicht konkret bevorstehende- Abschiebung informiert. Weiter wurde angefragt, ob noch zusätzliche Informationen erforderlich seien, damit ein Arzt zum Empfang der Familie vor Ort bereitgestellt werden könne. Dies alles zeigt, dass die Ausländerbehörde ihren weiteren Schutzpflichten im Zielstaat gewillt ist Rechnung zu tragen. Sie wird in der gegebenen Situation, vorbehaltlich anderslautender aktuellerer amtsärztlicher Atteste vor der Abschiebung selbst, daher dafür sorgen müssen, dass die Klägerin zu 1. entsprechend sicher in Italien unmittelbar nach ihrer Ankunft tatsächlich betreut und versorgt wird. Vor diesem Hintergrund kann für die Klägerin zu 1. kein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis ausgemacht werden.
112Für den Kläger zu 3. ist weder hinreichend geltend gemacht noch sonst ersichtlich, es bestünde eine erhebliche und konkrete Gesundheitsgefährdung deswegen, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft im Zielstaat Italien einsetzenden Betreuung und Versorgung fehlte.
113B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert richtet sich nach § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
Tenor
Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Februar 201511. Februar 2015 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, werden gegeneinander aufgehoben.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund dieser Entscheidung vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
3Der Kläger stellte am 12. Januar 201512. Januar 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG beschränkten Asylantrag. Am 13. Januar 201513. Januar 2015 erhielt das Bundesamt zwei Meldungen aus dem Eurodac-Datenbestand, aus denen hervorgeht, dass der Kläger bereits in BulgarienBulgarien anhand seiner Fingerabdrücke im Eurodac-Datenbestand erfasst wurde. Am 21. Januar 201521. Januar 2015 ersuchte das Bundesamt Bulgarien mit Hinweis darauf, dass der Kläger laut Eurodac-Datenbestand am 15. August 2011 dort einen Asylantrag gestellt habe, um Wiederaufnahme des Klägers. Bulgarien lehnte das Gesuch mit undatiertem, am 3. Februar 20153. Februar 2015 beim Bundesamt eingegangenen Schreiben mit Hinweis darauf ab, dass eine Übernahme des Klägers nach den Bestimmungen der Dublin-VO ausscheide, da dem Kläger dort bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei („refugee status“). Ein Übernahmeersuchen könne daher allein nach Maßgabe der internationalen Rückübernahmeabkommen bei der hierfür zuständigen bulgarischen Behörde (Generaldirektorat der Grenzpolizei, Innenministerium) gestellt werden.
4Mit Bescheid vom 11. Februar 2015 lehnte das Bundesamt in Ziffer 1 des Bescheides den Asylantrag als unzulässig ab. In Ziffer 2 des Bescheides drohte das Bundesamt dem Kläger die Abschiebung nach Bulgarien an, falls er das Bundesgebiet nicht innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens verlasse; der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei; der Kläger dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden. Ziffer 1 des Bescheides begründet das Bundesamt unter Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 ‑ 10 C 7/13 – damit, dass der Kläger aufgrund der Schutzgewährung in Bulgarien gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG keine weitere Schutzgewährung verlangen könne und daher ein erneutes Anerkennungsverfahren unzulässig sei. Auch die Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes hinsichtlich Syriens sei bei dieser Sachlage unzulässig. Zu Ziffer 2 des Bescheides wird in der Begründung ausgeführt: Die Unzulässigkeit des Asylantrages ergebe sich aus dem Schutzstatus im sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG). Da der Kläger dorthin abgeschoben werden solle, ordne das Bundesamt nach § 34a AsylVfG grundsätzlich die Abschiebung an. Eine Abschiebungsandrohung sei allerdings als milderes Mittel gegenüber der Anordnung ebenfalls zulässig. Die Ausreisefrist ergebe sich aus § 38 AsylVfG. Es lasse sich zudem feststellen, dass es keine generellen Sachverhalte gebe, die gegen eine Abschiebung nach Bulgarien sprächen.
5Der Kläger hat gegen den ihm am 13. Februar 201513. Februar 2015 zugestellten Bescheid am 20. Februar 201520. Februar 2015 Klage erhoben.
6Zur Begründung der Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er leide infolge einschneidender Erlebnisse im syrischen Bürgerkrieg sowie seiner Inhaftierung in Bulgarien unter einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung mit schwerer depressiver Symptomatik und rezidivierender Suizidalität. Er sei daher auf eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung angewiesen. Diese müsse in seiner Muttersprache stattfinden, andernfalls sei mit einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen. Ferner habe er sich im März 2015 einer Operation am Fuß zur Entfernung eines Tumors unterziehen müssen.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
8den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Februar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
9- 1.10
dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
- 2.11
ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
- 3.12
festzustellen, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG besteht.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
16Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 10. April 2015 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Der Kläger ist zu der Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid mit Schreiben vom 28. April 2016 angehört worden.
17Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 28. April 2016 der Vorsitzenden als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.
18Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Das Gericht kann gemäß § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu der Möglichkeit einer solchen Entscheidung gehört worden sind.
21Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unzulässig.
22Die Klage ist unzulässig, soweit sie Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides zum Gegenstand hat.
23Es kann offen bleiben, ob insoweit die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage oder allein eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO statthaft wäre. Nach Auffassung des Gerichts spricht Überwiegendes für die Statthaftigkeit allein einer Anfechtungsklage. Denn mit der isolierten Aufhebung der angefochtenen Regelung würde das Verwaltungsverfahren in den Verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor Erlass der streitgegenständlichen Regelung war. Das Bundesamt wäre im Falle einer Aufhebung des Bescheides gemäß §§ 24, 31 Asylgesetz (AsylG)
24in der Fassung der Bekanntmachung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394),
25gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen. Die Situation ist mit derjenigen vergleichbar, in der das Bundesamt nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylG die Einstellung des Asylverfahrens feststellt,
26VG Karlsruhe, Urteil vom 28. Februar 2001 – A 10 K 13155/98 –, Rdn. 15, juris; im Ergebnis ebenso: VG Berlin, Urteil vom 4. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, Rdn. 14; VG Bayreuth, Urteil vom 21. März 2016 – B 3 K 15.30099 –, Rdn. 25 f, juris.
27Für diese Situation ist höchstrichterlich geklärt, dass die isolierte Anfechtungsklage die statthafte Klageart ist,
28vgl. in Bezug auf die Vorgängervorschriften §§ 32, 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 – 10 C 1/13 –, Rdn. 14 m.w.N., juris; vgl. ferner für die Fälle einer Ablehnung des Asylantrages auf der Grundlage des § 27a AsylG: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 ‑ 1 C 32/14 ‑, Rdn. 13 ff, juris; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, Rdn. 28 ff. und vom 16. September 2015 ‑ 13 A 800/15.A ‑, Rdn. 22 ff. m.w.N., juris; für die Fälle einer Ablehnung des Asylantrages auf der Grundlage des § 26a AsylG: OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 –, Rdn. 17 f, juris
29Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil es dem Kläger für eine Verpflichtungs- oder Anfechtungsklage, die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides zum Gegenstand hat, jedenfalls an der erforderlichen Klagebefugnis fehlt, § 42 Abs. 2 VwGO.
30Dies gilt selbst dann, wenn der Ausspruch, der Asylantrag werde als unzulässig abgelehnt, objektiv rechtswidrig ist, etwa weil es an einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage für diesen Ausspruch fehlt. Die für Entscheidungen des Bundesamtes über einen Asylantrag einschlägigen Vorschriften der §§ 29 ff, 71, 71a AsylG sehen einen Ausspruch des Inhalts, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wird, nicht vor. Das Bundesamt hat in seiner Begründung zu Ziffer 1 des Bescheides auch keine Rechtsgrundlage genannt, sondern auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 – verwiesen. Auch dieser Entscheidung ist indes nicht zu entnehmen, dass das Bundesamt zu einer Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig ermächtigt ist. Denn ein solcher Ausspruch war nicht Gegenstand des vom BVerwG entschiedenen Rechtsstreits. Vielmehr hatte das Bundesamt im dort entschiedenen Fall das Asylverfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (jetzt: §§ 32, 33 Abs. 1 AsylG) wegen der Fiktion einer Antragsrücknahme eingestellt. Dieser Ausspruch ist vom BVerwG bestätigt worden, wobei es ausdrücklich offen ließ, ob die Einstellung in eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG oder in eine Entscheidung über seine Unbeachtlichkeit nach § 29 AsylVfG umgedeutet werden könne,
31Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, BVerwGE 150, 29 ff und juris, Rdn. 24.
32In dem vom BVerwG entschiedenen Fall hatte das Bundesamt zudem über den vom dortigen Kläger hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (jetzt: § 4 AsylG),
33der von der Einstellung des Asylverfahrens wegen fingierter Rücknahme des Asylantrages aufgrund alten Rechts nicht erfasst war, vgl. Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, BVerwGE 150, 29 ff und juris, Rdn. 28,
34eine (negative) Sachentscheidung getroffen, nämlich in Nummer 2 des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen. Diese Sachentscheidung bestätigte das BVerwG im Ergebnis, indem es darauf verwies, dass die Geltendmachung eines Anspruches auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl I S. 3474) unzulässig sei, weil der Kläger bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden sei.
35vgl. Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, BVerwGE 150, 29 ff und juris, Rdn. 28 - 31.
36In dem betreffenden Fall hatte das Bundesamt im Übrigen auch eine (negative) Sachentscheidung über die Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes getroffen, die das BVerwG ebenfalls bestätigte,
37vgl. Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, BVerwGE 150, 29 ff und juris, Rdn. 32 f.
38Es bedarf aber auch vorliegend keiner Entscheidung, ob die hier streitgegenständliche Ablehnung des Asylantrages des Klägers als unzulässig (eventuell nach dem Ergebnis einer Auslegung oder Umdeutung) vom Gesetz gedeckt ist, also der objektiven Rechtsordnung entspricht. Denn dem Kläger fehlt für eine hiergegen gerichtete Klage die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis, das heißt eine Rechtsposition, aufgrund derer er eine für ihn günstigere Entscheidung über seinen Asylantrag beanspruchen kann.
39Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO muss ein Kläger geltend machen können, durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese sog. Klagebefugnis ist gegeben, wenn unter Zugrundelegung des Klagevorbringens eine Verletzung des geltend gemachten Rechts möglich erscheint. Daran fehlt es, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann.
40BVerwG, stRspr, vgl. etwa Urteil vom 19. November 2015 – 2 A 6/13 –, Rdn. 15 m.w.N., juris.
41So liegt es hier. Dem Kläger steht eine Rechtsposition, die durch den Ausspruch in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides geschmälert wird, nicht zu. Denn er hat unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf eine Sachentscheidung über sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes, weil sein hierauf gerichteter Asylantrag nach geltendem Recht unzulässig ist,
42vgl. Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, BVerwGE 150, 29 ff und juris, Rdn. 31.
43Insoweit wird auf die Ausführungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, Rdn. 29 f verwiesen, denen das Gericht sich anschließt:
44„Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010- BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).
45Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474) wurde die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.) erstreckt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit wurde die Konsequenz aus der inhaltlichen Neubestimmung des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gezogen, der - im Einklang mit Unionsrecht - nunmehr neben dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch den Antrag auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz umfasst (vgl. BTDrucks 17/13063 S. 25 zu § 60 Abs. 2 AufenthG). Dies hat die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (n.F.) zuerkannt worden ist (vgl. hierzu bereits Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 16).“
46Da dem Kläger im vorliegenden Fall bereits in Bulgarien die Flüchtlingseigenschaft („refugee status“) zuerkannt worden ist, kann er in Deutschland nicht mehr die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter verlangen (§ 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
47Eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO steht dem Kläger bezüglich der Regelung in Ziffer 1 des Bescheides auch nicht mit Blick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Bestimmtheitsgebot zu, das in § 37 Abs. 1 VwVfG seinen Niederschlag gefunden hat.
48Das Bestimmtheitsgebot dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und verlangt, dass ein rechtsstaatlicher Mindeststandard eingehalten wird. Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts.
49BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7/11 –, Rdn. 15 m.w.N., juris.
50Auch mit Blick auf diese rechtlichen Vorgaben wird die Rechtsposition des Klägers durch den Ausspruch in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise geschmälert. Denn die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig, die ausweislich der Begründung im Bescheid darauf gestützt ist, dass der Kläger bereits in Bulgarien als Flüchtling anerkannt ist, genügt offensichtlich diesen Anforderungen. Sie lässt hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei erkennen, dass das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes (ohne Sachprüfung) ablehnt. Zwar lässt sich diesem Ausspruch ‑ anders als bei einer Bescheidung des Asylantrages nach einer der von §§ 29 ff, 71, 71a AsylG vorgesehenen Alternativen ‑ nicht ohne Weiteres entnehmen, welche Abschiebungsregelung (Abschiebungsanordnung oder -androhung) hieran in zulässiger Weise geknüpft werden kann. Dies begründet indes keine Unbestimmtheit der in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides getroffenen Regelung nach dem Maßstab des § 37 VwVfG,
51a.A. VG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2016 – 23 K 183.15 A, Rdn. 13 ff, juris; so tendenziell ferner: VG Trier, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 5 L 1659/14.TR –, Rdn. 11, juris.
52Denn die Abschiebungsregelung ist nicht Teil des Ausspruches über den Asylantrag, sondern stellt einen eigenständigen Verwaltungsakt dar, der selbständig anfechtbar ist. Es ist dem Betroffenen möglich und zumutbar, die Frage, ob und gegebenenfalls welche Abschiebungsregelung auf die in seinem Fall ergangene Entscheidung über den Asylantrag gestützt werden kann, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Abschiebungsregelung zu klären.
53Die Klage ist ferner unzulässig, soweit sie auf die Verpflichtung der Beklagten gerichtet ist, festzustellen, dass in der Person des Klägers nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Es fehlt an einer diesbezüglichen negativen Entscheidung des Bundesamtes und die besonderen Voraussetzungen, die § 75 VwGO an eine sog. Untätigkeitsklage stellt, sind nicht erfüllt.
54Der angefochtene Bescheid enthält keine negative Feststellung zum Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. In Ziffer 1 des Bescheides wird zwar der Asylantrag als unzulässig abgewiesen. Der Asylantrag umfasst gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG jedoch nur die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Gewährung internationalen Schutzes i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Eine Entscheidung über nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG, zu der das Bundesamt gemäß §§ 5 Abs. 1 Satz 2, 24 Abs. 2 AsylG nach Stellung eines Asylantrages berufen ist, hat es bislang nicht getroffen.
55Der Tenor des streitgegenständlichen Bescheides enthält keinen Ausspruch zu der Frage, ob ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegt. Den Gründen des Bescheides ist eine diesbezügliche negative Entscheidung ebenfalls nicht zu entnehmen. Dies gilt sowohl in Bezug auf den Herkunftsstaat des Klägers (Syrien) als auch in Bezug auf den als Zielstaat der Abschiebung primär genannten Staat Bulgarien.
56In Bezug auf Syrien lässt die Begründung des Bescheides vom 11. Februar 2015 erkennen, warum das Bundesamt gerade keine Sachentscheidung zu nationalen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG getroffen hat. Es hat eine diesbezügliche Feststellung angesichts des im Tenor positiv festgestellten Abschiebungsverbots für Syrien (nach § 60 Abs. 1 Satz 2, 3. Alt. AufenthG) für unzulässig erachtet.
57Über das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich des Staates Bulgarien hat das Bundesamt in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 11. Februar 2015 ebenfalls nicht entschieden. Die Tatsache, dass ohne eine (Mit‑)Prüfung solcher Abschiebungsverbote das Bundesamt die Abschiebungsandrohung nicht hätte erlassen dürfen, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass das Bundesamt tatsächlich hierzu eine Entscheidung treffen wollte und getroffen hat,
58a.A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 – 2a K 2466/15.A –, Rdn. 38, juris.
59Auch der Begründung des Bescheides lassen sich keine Überlegungen entnehmen, die hinreichend erkennen ließen, dass das Bundesamt nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Bulgarien geprüft und verneint hat. Zwar enthält die Begründung Ausführungen zu der Situation für Flüchtlinge in Bulgarien. Diesen fehlt aber jeglicher rechtlicher Anknüpfungspunkt. Es lässt sich nicht ansatzweise erkennen, nach welchem Maßstab das Bundesamt zu der zusammenfassenden Feststellung kommt, es gebe „keine generellen Sachverhalte (…), die gegen die Abschiebung nach Bulgarien“ sprächen. Die dieser Feststellung vorausgehend im Bescheid dargelegten erheblichen Lücken bei der Gesundheitsversorgung von anerkannten Flüchtlingen und weiteren Probleme bei der Grundversorgung (z.B. Zugang zu angemessenen und bezahlbaren Unterkünften) werden in keiner Weise rechtlich gewürdigt.
60Die besonderen Voraussetzungen, unter denen gemäß § 75 VwGO eine Klage auch ohne vorherige Ablehnungsentscheidung der Behörde zulässig ist (sog. Untätigkeitsklage), sind nicht erfüllt. Denn es fehlt an der erforderlichen Stellung eines Antrages des Klägers beim zuständigen Bundesamt auf die Feststellung, dass in seiner Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG in Bezug auf Syrien oder Bulgarien vorliegen. Der Asylantrag als solcher umfasst - wie bereits ausgeführt - gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG nicht den Antrag auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.
61Die Klage ist indes in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet.
62Die insoweit gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO statthaft. Denn die Abschiebungsandrohung stellt eine den Kläger belastende Regelung dar.
63Die Klage wurde zudem fristgerecht im Sinne von § 74 Abs. 1 AsylVfG in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung gültigen Fassung, nämlich innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides, erhoben.
64Die Klage ist insoweit auch begründet. In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ist Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 11. Februar 2015 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
65Die Abschiebungsandrohung lässt sich entgegen der im Bescheid dargelegten Begründung nicht auf §§ 26a, 34a AsylG stützen. Es kann dahinstehen, ob überhaupt der Anwendungsbereich dieser Regelungen eröffnet ist, wenn ‑ wie hier ‑ der Asylantrag nicht mit einem Ausspruch nach §§ 26a, 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG beschieden wird, sondern als unzulässig abgelehnt wird. Denn jedenfalls ermächtigt § 34a AsylG das Bundesamt lediglich zum Erlass einer Abschiebungsanordnung, nicht jedoch zum Erlass einer Abschiebungsandrohung,
66vgl. im Einzelnen: BayVGH, Beschluss vom 23. November 2015 ‑ 21 ZB 15.30237 ‑, Rdn. 4 ff, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2015 ‑ 13 K 2288/15.A ‑, Rdn. 69, juris; VG Münster, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 8 K 436/15.A –, Rdn. 14 ff, juris; VG Berlin, Urteile vom 4. Juni 2015 ‑ 23 K 906.14 A ‑, Rdn. 34 ff und vom 20. November 2015 ‑ 23 K 864.14 A ‑, Rdn. 32, beide bei juris; VG Ansbach, Urteil vom 11. April 2016 – AN 3 K 16.50013 –, Rdn. 43 ff, juris.
67Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage aber auch nicht in §§ 34 Abs. 1 Satz 1, 38 AsylG. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob eine nachträgliche Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage überhaupt zulässig ist. Ferner bedarf es keiner Entscheidung, ob bzw. inwieweit § 34a AsylG als Spezialregelung die Anwendung der §§ 34 Abs. 1, 38 AsylG ausschließt.
68Denn es liegen schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht vor. Nach dieser Norm erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
691. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,2a. dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
703. die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und
714. der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
72Es fehlt hier an der Voraussetzung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG. Denn das Bundesamt hat bislang nicht festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG im Falle des Klägers in Bezug auf Bulgarien als vorgesehenen Zielstaat der Abschiebung nicht vorliegen.
73Der streitgegenständliche Bescheid enthält diesbezüglich ‑ wie oben ausgeführt ‑ keine Entscheidung.
74Eine solche Prüfung war auch nicht mit Blick auf Art. 16a Abs. 2 GG, §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG und das diesen Normen zu Grunde liegende „Konzept der normativen Vergewisserung“ entbehrlich. Zum einen stützte das Bundesamt die Ablehnung des Asylantrages gerade nicht auf diese Normen, sondern lehnte den Asylantrag als unzulässig ab. Abgesehen davon schließen es die genannten Normen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar grundsätzlich aus, sich bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat auf Gefährdungen gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berufen,
75vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, Rdn. 186 f., juris.
76Dem kann der Schutzsuchende jedoch damit entgegentreten, dass sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist,
77BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, Rdn. 189 f, juris.
78Die Prüfung, ob ein vom normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangener Sonderfall vorliegt, weil der Drittstaat (hier: Bulgarien) anerkannte Flüchtlinge unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterwirft, erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zu dieser Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen,
79vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 BvR 273/16 –, Rdn. 11, juris; vgl. ferner VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 – 2a K 2466/15.A –, Rdn. 46, juris.
80Dies hat das Bundesamt unterlassen.
81Ohne eine entsprechende (negative) Feststellung des Bundesamtes erweist sich die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 des Bescheides als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Insbesondere kann der fehlende Ausspruch seitens des Bundesamtes nicht durch eine inzidente Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich des Zielstaates (hier: Bulgarien) im Rahmen der Überprüfung der Abschiebungsanordnung seitens des Gerichts ersetzt werden. Anders als der Erlass einer Abschiebungsanordnung setzt derjenige einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG stets voraus, dass das Bundesamt eine (ausdrückliche) Feststellung dazu getroffen hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen,
82vgl. VG Trier, Beschluss vom 28. Oktober 2014 - 5 L 1659/14.Tr -, Rdn. 18, juris; VG Berlin, Urteil vom 4. Juni 2015 ‑ 23 K 906.14 A ‑, Rdn. 41, juris; BeckOK AuslR/Pietzsch, AsylG § 34 Rdn. 23.1, beck-online; Funke/Kaiser, in: GK-AsylVfG (Stand: Dezember 2015) § 34 Rdn. 43; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 31 AsylG Rdn. 3; vgl. ferner bei Ablehnung eines Asylantrages nach § 71a AsylVfG: VGH Kassel, Beschluss vom 11. August 2014 ‑ 10 A 2348/13.Z.A. ‑, Rdn. 5, juris; vgl. speziell zur Erforderlichkeit der Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse: VG Ansbach, Urteil vom 11. April 2016 ‑ AN 3 K 16.50013 ‑, Rdn. 50 f, juris.
83Wenn das Bundesamt ‑ wie hier ‑ nicht nach dem gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG modifizierten Prüfprogramm entschieden hat, muss es gemäß § 31 Abs. 2 und 3 AsylG nach dem „gewöhnlichen Entscheidungsprogramm“ über das Asylbegehren befinden. Dies ist schon deswegen unvermeidlich, weil sich in einem solchen Fall nur die Alternative stellt, entweder dem Ausländer ein Bleiberecht für die Bundesrepublik Deutschland zu gewähren oder ihn ins Herkunftsland abzuschieben.
84OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. September 1996 - 25 A 790/96.A -, Rdn. 9 ff m.w.N., juris.
85Die Entscheidung darüber lässt sich aber, wenn ‑ wie hier ‑ die Zuerkennung internationalen Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland wegen der Schutzgewährung in einem anderen Staat rechtlich ausgeschlossen ist, ohne Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht treffen,
86VG Berlin, Urteil vom 4. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, Rdn. 42, juris.
87Stellt das Bundesamt im Einzelfall fest, dass ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, so vermag dies unter den in § 25 Abs. 3 AufenthG genannten Voraussetzungen einen Anspruch des Betroffenen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu begründen. Auf die aus diesem Grund bestehende Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesamtes über nationale Abschiebungsverbote weist auch die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34 AufenthG mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) ausdrücklich hin. Dort heißt es: „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann eine Abschiebung nunmehr nur noch androhen, wenn neben der Asylberechtigung, der Flüchtlingseigenschaft und einem Aufenthaltstitel auch Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 2 bis 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist. Mit der Änderung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 2 bis 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes regelmäßig eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wird.“
88BT-Drucks. 17/5470, S. 31, zu Art. 4 Nr. 3.
89Mangels einer entsprechenden Feststellung des Bundesamtes in Bezug auf den vorgesehenen Zielstaat der Abschiebung (hier: Bulgarien) ist die Abschiebungsandrohung aufzuheben.
90Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs.1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG.
91Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 84 Abs. 1 S. 3, 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme auf Ersatz von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
- 2
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Seine Ehefrau und er sind die Eltern zweier in den Jahren 1998 beziehungsweise 2000 geborener Kinder. Spätestens seit Juni 2007 lebten die Eheleute dauernd getrennt. Eine in diesem Monat getroffene Umgangsvereinbarung sah vor, dass die Kinder ihren Hauptwohnsitz in der Wohnung ihres Vaters beibehalten, ihre Zeit jedoch zu gleichen Teilen mit ihrer Mutter wie mit dem Kläger verbringen sollten. Im Juli 2007 wurden sie mit Nebenwohnsitz für die Wohnung ihrer Mutter angemeldet.
- 3
-
Auf Antrag des Klägers bewilligte der Beklagte den Kindern mit Bescheid vom 18. Oktober 2007 für die Zeit ab dem 1. August 2007 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Bei Antragstellung gab der Kläger an, die Kinder würden von ihrer Mutter, bei der sie nicht lebten, "besuchsweise" betreut. Ende Oktober 2007 wurde dieser vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Zum 1. November 2007 wurden beide Kinder mit Hauptwohnsitz unter der Wohnanschrift ihrer Mutter angemeldet. Mit Ablauf des 30. November 2007 stellte der Beklagte die Leistungsgewährung ein. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 forderte er von dem Kläger die im Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober 2007 bewilligten Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 1 008 € zurück.
- 4
-
Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben. Zwar habe der Beklagte gegen den Kläger nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG einen Anspruch auf Erstattung der gewährten Leistungen. Die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistungen hätten nicht vorgelegen. Die verlässlich und regelmäßig wechselnde Betreuung der Kinder durch beide Elternteile führe hier dazu, dass die Kinder nicht mehr nur mit "einem" Elternteil im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG zusammenlebten. Der Kläger habe die Bewilligung der Leistungen durch wahrheitswidrige Angaben zumindest fahrlässig herbeigeführt. Der Beklagte sei indes nicht befugt gewesen, den Anspruch mittels Leistungsbescheides festzusetzen, da es insoweit an einer gesetzlichen Ermächtigung fehle.
- 5
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Mit der von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. § 5 Abs. 1 UVG sei die ungeschriebene Befugnis zu entnehmen, den dort geregelten Ersatzanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen.
- 6
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Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.
- 7
-
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht tritt dem Vorbringen des Beklagten bei, der Ersatzanspruch sei im Wege eines Verwaltungsakts durchzusetzen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Die Revision ist begründet.
- 9
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Zwar hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Verwaltung für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz - UVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl I S. 1446), geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3194), durch Leistungsbescheid einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Das angefochtene Urteil verletzt jedoch Bundesrecht, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass sich eine entsprechende Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz nicht entnehmen lässt (1.). Der Senat kann aufgrund ausreichender Tatsachenfeststellungen abschließend über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung der im Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober 2007 gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen entscheiden (2.).
- 10
-
1. Die Festsetzung und Durchsetzung des Ersatzanspruchs aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG durch die Handlungsform des Verwaltungsakts bedarf der gesetzlichen Grundlage. Eine solche Ermächtigung ist hier gegeben.
- 11
-
Die Behörde greift mit der Konkretisierung und Individualisierung der sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG ergebenden Verpflichtung, den geleisteten Betrag an Unterhaltsleistung zu ersetzen, in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der in Anspruch genommenen Person ein. Hierfür ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich, die die Behörde gerade auch ermächtigt, durch Verwaltungsakt tätig zu werden (vgl. Urteile vom 7. Dezember 2011 - BVerwG 6 C 39.10 - Buchholz 442.09 § 5a AEG Nr. 1 Rn. 14 und vom 3. März 2011 - BVerwG 3 C 19.10 - BVerwGE 139, 125 = Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 11 jeweils Rn. 16). Eine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts muss nicht ausdrücklich geregelt sein. Die Behörde ist auch dann zum Erlass eines Leistungsbescheids ermächtigt, wenn sie und der Bürger gerade mit Blick auf den von ihr geltend gemachten Anspruch in einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis stehen (vgl. Urteil vom 24. Juni 1966 - BVerwG 6 C 183.62 - BVerwGE 24, 225 <226 ff.> und Beschluss vom 29. Dezember 1981 - BVerwG 5 B 18.81 - Buchholz 436.36 § 47a BAföG Nr. 1 S. 1 f.). So liegt es hier.
- 12
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Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 1 Abs. 3 sowie § 6 Abs. 4 UVG folgt, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Subordinationsbeziehung im angeführten Sinn besteht, die zur Geltendmachung des Leistungsanspruchs durch Verwaltungsakt berechtigt (a). Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 UVG (b) und die Gesetzesmaterialien (c) weisen ebenfalls eindeutig in diese Richtung.
- 13
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a) Die Ersatzpflicht des Elternteils, bei dem der Berechtigte lebt, oder des gesetzlichen Vertreters des Berechtigten steht in unmittelbarem Zusammenhang zu § 1 Abs. 3 und § 6 Abs. 4 UVG. Gemäß § 1 Abs. 3 UVG obliegt es dem betroffenen Elternteil, Auskünfte wahrheitsgemäß zu erteilen. § 6 Abs. 4 UVG verpflichtet den Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, und den gesetzlichen Vertreter des Berechtigten, der zuständigen Stelle die Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Obliegenheit nach § 1 Abs. 3 UVG und die Auskunftspflicht nach § 6 Abs. 4 UVG sind jeweils öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Beide begründen ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten, an das § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG anknüpft, indem er die Verletzung jener Obliegenheit beziehungsweise Pflicht mit Mitteln des öffentlichen Rechts sanktioniert (vgl. Beschluss vom 29. Dezember 1981 a.a.O. S. 1 f.).
- 14
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b) Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG, eine zweckentsprechende Verwendung der zur Durchführung der Unterhaltsvorschussgesetzes bereitgestellten öffentlichen Mittel sicherzustellen, bekräftigen die Annahme einer an ein Subordinationsverhältnis anknüpfenden Verwaltungsaktbefugnis. Einer solchen steht nicht entgegen, dass der Elternteil beziehungsweise der gesetzliche Vertreter an dem ausschließlich zwischen der zuständigen Stelle und dem Berechtigten bestehenden Leistungsverhältnis nicht beteiligt sind, der Ersatzanspruch mithin keine unmittelbare Umkehrung des Leistungsanspruchs darstellt. Obgleich jene bei förmlicher Betrachtung Dritte sind, stehen sie zu dem nicht oder nur beschränkt geschäftsfähigen Kind in einer besonderen, auch ihr Verhältnis zu der zuständigen Stelle prägenden Nähebeziehung. Der betroffene Elternteil beziehungsweise der gesetzliche Vertreter vertreten den nicht oder nur beschränkt geschäftsfähigen Leistungsempfänger im Rechtsverkehr. Ihre Handlungen und Erklärungen werden diesem zugerechnet. Sie sollen ihm indes weder zum Schaden gereichen, noch soll er für ein Fehlverhalten seiner Vertreter einstehen müssen (Urteil vom 26. Januar 2011 - BVerwG 5 C 19.10 - Buchholz 436.45 § 3 UVG Nr. 2 Rn. 15; Beschluss vom 22. Juni 2006 - BVerwG 5 B 42.06 und 5 PKH 15 PKH 14.06 - juris Rn. 4). Dieser Konzeption widerstreitet es, den betroffenen Elternteil beziehungsweise gesetzlichen Vertreter im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG als unbeteiligte Dritte zu behandeln und dem Verhältnis zwischen ihnen und der zuständigen Stelle keinen Subordinationscharakter beizumessen. Die besondere Nähebeziehung, in der der Ersatzanspruch wurzelt, ermächtigt die zuständige Stelle im Zuge der "Rückabwicklung" der hoheitlichen Leistungsgewährung dazu, den Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, beziehungsweise dessen gesetzlichen Vertreter durch Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmen (vgl. Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 3 C 13.10 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 11 Rn. 14).
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c) Die Gesetzesmaterialien unterstreichen das vorstehende Normverständnis. Durch das Unterhaltsvorschussgesetz wollte der Gesetzgeber "den Schwierigkeiten begegne
, die alleinstehende Elternteile und ihre Kinder haben, wenn sich ein Elternteil den Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind entzieht, hierzu ganz oder teilweise nicht in der Lage ist oder ein Elternteil verstorben ist" (BTDrucks 8/1952 S. 1). Die finanziellen Belastungen, denen alleinerziehende Elternteile dadurch ausgesetzt sind, dass sie die Unterhaltsansprüche ihrer minderjährigen Kinder gegen den jeweils anderen Elternteil verfolgen müssen und zugleich gemäß § 1607 BGB verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit auch für den von dem jeweils anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufzukommen, sollten durch die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen gemildert werden (BTDrucks 8/1952 S. 6 und BTDrucks 8/2774 S. 11; vgl. auch Urteil 5. Juli 2007 - BVerwG 5 C 40.06 - Buchholz 436.45 § 3 UVG Nr. 1 Rn. 11). Insoweit stellen diese in der Sache eine besondere Sozialleistung auch für den alleinerziehenden Elternteil beziehungsweise gesetzlichen Vertreter dar, was die besondere Nähebeziehung zum Leistungsempfänger und den Subordinationscharakter ihres Verhältnisses zu der zuständigen Stelle bekräftigt.
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Dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, das Unterhaltsvorschussgesetz parallel zum Inkrafttreten des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch um eine dem § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X entsprechende Vorschrift zu ergänzen, erlaubt keinen verlässlichen Rückschluss auf ein "beredtes Schweigen". Insbesondere lässt sich aus der unterbliebenen Anpassung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG nicht auf eine Absicht des Gesetzgebers schließen, eine Verwaltungsaktbefugnis insoweit "gerade nicht" vorzusehen, da das Erfordernis der Festsetzung der nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X zu erstattenden Leistung durch Verwaltungsakt ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs "aus Gründen der Rechtssicherheit" vorgesehen wurde (BTDrucks 8/2034 S. 36).
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2. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG verpflichtet den Kläger auch materiell-rechtlich, die im Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober 2007 bewilligten Unterhaltsvorschussleistungen zu ersetzen. Das Verwaltungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorlagen (a) und der Kläger die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeiführte, dass er zumindest fahrlässig unvollständige Angaben machte (b).
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a) § 5 Abs. 1 UVG knüpft die Ersatzpflicht desjenigen Elternteils, bei dem - dessen Vorbringen zufolge - der Berechtigte lebt, daran, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in dem Monat, für den sie gezahlt wurde (Urteil vom 23. November 1995 - BVerwG 5 C 29.93 - BVerwGE 100, 42 <46> = Buchholz 436.45 § 5 UVG Nr. 1 S. 3 f.), nicht vorlagen.
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Gemäß § 1 Abs. 1 UVG hat unter anderem Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach diesem Gesetz, wer 1. das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, 2. im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt und 3. nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens in der in § 2 Abs. 1 und 2 UVG bezeichneten Höhe erhält. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Kinder im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG beim Kläger gelebt haben.
- 20
-
Ein Kind lebt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei einem seiner Elternteile, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft unterhält, in der es auch betreut wird. Dem Sinn und Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes entsprechend ist das Merkmal nur dann erfüllt, wenn der alleinstehende leibliche Elternteil wegen des Ausfalls des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung in seiner Person zu tragen hat. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn das Kind - wie hier die Kinder des Klägers - regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Für die Beantwortung der Frage, ob das Kind in derartigen Fällen nur bei einem seiner Elternteile lebt, ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, entscheidend auf die persönliche Betreuung und Versorgung, die das Kind bei dem anderen Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes abzuheben. Trägt der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei ihm liegt, so erfordert es die Zielrichtung des Unterhaltsvorschussgesetzes, das Merkmal "bei einem seiner Elternteile lebt" als erfüllt anzusehen und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu gewähren. Wird das Kind hingegen weiterhin auch durch den anderen Elternteil in einer Weise betreut, die eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes zur Folge hat, ist das Merkmal zu verneinen. (VGH München, Beschlüsse vom 7. Februar 2006 - 12 ZB 04.2403 - juris Rn. 3, vom 16. Februar 2007 - 12 C 06.3229 - juris Rn. 2 und vom 4. Juli 2007 - 12 C 07.372 - juris Rn. 5; VGH Mannheim, Urteil vom 19. Dezember 1996 - 6 S 1668/94 - FEVS 47, 445 <446 f.>; OVG Münster, Beschluss vom 17. September 2009 - 12 E 1564/08 - juris Rn. 9 bis 12).
- 21
-
Das Vorliegen des Merkmals "bei einem seiner Elternteile lebt" ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist als ein wesentlicher Gesichtspunkt zu berücksichtigen, welcher Elternteil zum vorrangig Kindergeldberechtigten bestimmt wurde. Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002 (BGBl I S. 4210) wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der Begriff der Aufnahme in den Haushalt ist zwar - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht deckungsgleich mit dem Begriff des "Lebens bei einem Elternteil"; er weist jedoch erhebliche Parallelen zu Letzterem auf. Danach liegt eine Haushaltsaufnahme vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein (BFH, Beschluss vom 9. Dezember 2011 - III B 25/11 - juris Rn. 13 m.w.N.).
- 22
-
Der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts zufolge ist die täglich-anteilige Betreuung der Kindesmutter über die bloße Wahrnehmung von Besuchskontakten hinausgegangen. Sie hat eine das "Leben bei einem Elternteil" und damit den Leistungsanspruch der Kinder ausschließende Entlastung des Klägers bewirkt. Familiengerichtlich ist nicht festgestellt worden, ob der Kläger die Kinder tatsächlich in seinen Haushalt aufgenommen hat. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat in Ermangelung zulässiger und begründeter Revisionsgründe gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO).
- 23
-
b) § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG sanktioniert vorsätzliche oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben. Die Norm lässt ihrem Wortlaut entsprechend den Vorwurf der einfachen Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB genügen (Beschluss vom 22. Juni 2006 a.a.O. juris Rn. 7). Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
- 24
-
Nach der bindenden Sachverhaltswürdigung (§ 137 Abs. 2 VwGO) des Verwaltungsgerichts hat der Kläger bei den Angaben zur Betreuungsleistung seiner Ehefrau die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und damit die Gewährung der Unterhaltsleistung zumindest fahrlässig herbeigeführt. Dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 UVG entsprechend ist er daher ungeachtet der Tatsache, dass die Kinder - wie dargelegt - nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei ihm gelebt haben, verpflichtet, den Betrag zu ersetzen, der infolge seiner fehlerhaften Angaben geleistet wurde.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 5 K 1658/14.TR geführten Klage des Antragstellers wird hinsichtlich der in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. September 2014 enthaltenen Abschiebungsandrohung angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller begehrt Rechtsschutz gegen eine von der Antragsgegnerin erlassen Abschiebungsandrohung. Deren Erlass liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
Der Antragsteller stellte im Januar 2014 in Deutschland einen Asylantrag. Sodann richtete die Antragsgegnerin am 20. Februar 2014 ein Aufnahmegesuch an Italien, das sie auf einen Eurodac-Treffer „IT2…“ und einen in Italien am 18. Dezember 2012 gestellten Asylantrag stützte. Hierauf antworteten die italienischen Behörden nicht innerhalb der in Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Dublin III–VO – genannten Fristen, teilten dann aber der Antragsgegnerin nachfolgend mit, dass dem Antragsteller in Italien subsidiärer Schutz gewährt worden sei, so dass seiner Rückübernahme auf der Grundlage der Dublin III-VO nicht zugestimmt werden könne; eine eventuelle Überstellung müsse mit der italienischen Polizei abgeklärt werden.
- 3
Mit Bescheid vom 1. September 2014, der dem Antragsteller am 4. September 2014 zugestellt wurde, lehnte die Antragsgegnerin daraufhin den vom Antragsteller gestellte Asylantrag als unzulässig ab. Zur Begründung des Bescheids führte die Antragsgegnerin ohne Nennung einer der im Asylverfahrensgesetz genannten Rechtsgrundlagen für eine Antragsablehnung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 -) aus, dass der Antrag auf Durchführung des Asylverfahrens aufgrund des dem Antragsteller in Italien gewährten subsidiären Schutzes nach § 60 AufenthG unzulässig sei. Unzulässig sei auch der Antrag auf Feststellung nationalen Schutzes in Bezug auf Somalia, da dem Antragsteller insoweit in Italien hinreichend Rechtsschutz gewährt worden sei. Deklaratorisch werde allerdings ausgesprochen, dass er nicht nach Somalia abgeschoben werden dürfe. Des Weiteren forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides auf und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Italien an. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 AsylVfG in Verbindung mit § 59 AufenthG zu erlassen, wobei sich die einwöchige Ausreisefrist aus einer analogen Anwendung des § 36 Abs. 1 AsylVfG ergebe und berücksichtige, dass die Situation mit derjenigen des in § 29 AsylVfG genannten unbeachtlichen Asylantrags vergleichbar sei. Außerdem heißt es in der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen ihn innerhalb einer Woche Klage und gegen die Abschiebungsandrohung ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden könne.
- 4
Am 9. September 2014 hat der Kläger sodann Klage erhoben mit dem Ziel der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung gestellt. Die Antragsgegnerin habe angesichts der Verhältnisse in Italien das ihr eingeräumte Ermessen hinsichtlich einer sachlichen Prüfung des Asylantrags nicht ordnungsgemäß ausgeübt und nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller in Deutschland nach religiösem Ritus die Ehe geschlossen habe und seine Ehefrau inzwischen im 7. Monat schwanger sei.
- 5
Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass die italienischen Behörden zwischenzeitlich einer Wiedereinreise des Antragstellers zugestimmt hätten.
II.
- 6
Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig.
- 7
Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen.
- 8
Dabei hat das Gericht vorrangig die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob vorliegend § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG Anwendung findet, wonach eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides in Betracht kommt, oder ob – wie in den Fällen des § 34a Abs. 2 AsylVfG - eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen ist (vgl. Beschluss der Kammer vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR –, juris). Zu einer über die Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehenden weitergehenden Einzelfallbetrachtung ist das Gericht aufgrund der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides der Antragsgegnerin allerdings grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des sofortigen Vollziehbarkeit ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).
- 9
Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung, denn es erscheint mehr als fraglich, ob angesichts der von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als unzulässig Raum ist für eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG.
- 10
Das Asylverfahrensgesetz enthält in den §§ 26a ff., 71 und 71a AsylVfG ausdrücklich zahlreiche Bestimmungen, wie in Deutschland gestellte Asylanträge seitens des Bundesamtes zu bescheiden sind, wobei sich die Frage der nachfolgendem Aufenthaltsbeendigung bei erfolglosem Asylantrag unterschiedlich danach richtet, aufgrund welcher Rechtsvorschriften der Asylantrag abgelehnt wurde. Insoweit regeln die §§ 34, 34a, 36 und 38 AsylVfG die Frage der Aufenthaltsbeendigung durch Erlass einer Abschiebungsanordnung oder einer Abschiebungsandrohung unter Setzung unterschiedlicher Fristen für eine freiwillige Ausreise, wobei die sofortige Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung in § 75 Abs. 1 AsylVfG ebenfalls unterschiedlich geregelt ist. Außerdem ist der dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übertragene Prüfungsrahmen – und damit auch der Regelungsgehalt einer von ihm getroffenen aufenthaltsbeendenden Entscheidung – unterschiedlich, je nachdem, ob eine Abschiebungsanordnung oder aber eine Abschiebungsandrohung erlassen wird, da eine Abschiebungsanordnung – anders als eine Abschiebungsandrohung – nur ergehen darf, wenn die Abschiebung tatsächlich und rechtlich möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -; Beschluss der beschließenden Kammer vom 17. April 2014 - 5 L 583/14.TR -).
- 11
Von daher spricht viel dafür, dass eine Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig durch die Antragsgegnerin zur Frage ihrer Bestimmtheit erkennen lassen muss, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruht, da nur so erkennbar wird, welche aufenthaltsbeendende Entscheidungen zulässiger Weise auf sie gestützt werden dürfen, zumal die Antragsgegnerin eine derartige Tenorierung ihrer Bescheide regelmäßig in den Anwendungsfällen des § 27a AsylVfG verwendet.
- 12
Selbst wenn dahingehende Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung der Antragsgegnerin vorliegend zurückgestellt werden, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 36 Abs. 1 AsylVfG – Ablehnung des Asylantrags als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet – jedenfalls nicht erfüllt. Auch hat die Antragsgegnerin ihre Entscheidung ersichtlich nicht auf der Grundlage der §§ 71 Abs. 4 bzw. 71a Abs. 4 AsylVfG treffen wollen, so dass § 36 AsylVfG weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher Verweisung als Rechtsgrundlage für die streitige Abschiebungsandrohung unter Setzung einer einwöchigen Ausreisefrist in Betracht kommt.
- 13
Anlass für eine analoge Anwendung der zuletzt genannten Norm sieht sie Kammer bei überschlägiger Prüfung nicht, denn die analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie (nur) geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 2 C 2/13 -, juris).
- 14
Vorliegend vermag die Kammer indessen nicht zu erkennen, dass sich für eine Bescheidung eines Asylantrags eines Antragstellers, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union vor Inkrafttreten der Dublin III-VO subsidiärer Schutz, wie er nunmehr in dieser Verordnung geregelt ist, gewährt worden ist, im Asylverfahrensgesetz keine ausdrückliche Grundlage für eine Entscheidung finden lassen könnte. Zu denken ist insoweit nämlich – je nachdem, ob die Antragsgegnerin nach den vorrangig zu prüfenden europarechtlichen Bestimmungen für eine sachliche Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist - an eine unmittelbare Anwendung der §§ 26a, 27, 27a, 29, 30, 31 und 71a AsylVfG, die ihrerseits unterschiedliche Regelungen dazu enthalten, unter welchen Voraussetzungen aufenthaltsbeendende Entscheidungen zu ergehen haben. Allein der Umstand, dass das BVerwG in dem von der Antragsgegnerin herangezogenen Urteil vom 17. Juni 1014 – 10 C 7/13 – ausgeführt hat, dass der Antrag eines Ausländers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes, dem im Ausland entsprechender Schutz gewährt worden ist, unzulässig ist, besagt nichts darüber, wie verfahrensrechtlich über einen derartigen Antrag zu entscheiden ist. Im Übrigen muss gesehen werden, dass das OVG Rheinland-Pfalz (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014 - 10 A 10692/13.OVG -, juris) auf einen vergleichbaren Sachverhalt bei aufgrund Zeitablaufs bejahter europarechtlicher Zuständigkeit der Antragsgegnerin § 71a AsylVfG angewandt hat.
- 15
Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, dass der vorliegende Sachverhalt mit demjenigen des § 29 Abs. 1 AsylVfG vergleichbar und deshalb eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG geboten sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen, denn eine derartiger Verfahrensweise würde zu einer Umgehung des § 29 Abs. 2 AsylVfG führen, der ausdrücklich bestimmt, dass ein – an sich unbeachtliches – Asylverfahren fortzuführen ist, wenn – wie vorliegend - eine Rückführung des Asylbewerbers nicht innerhalb von drei Monaten möglich ist.
- 16
Von daher hat die Kammer ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer auf eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG gestützten Abschiebungsandrohung.
- 17
Die gleichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen im Ergebnis auch, wenn man eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG zuließe oder die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Unzulässigkeit des Asylantrags als die Anwendbarkeit des § 36 AsylVfG eröffnende Entscheidung auf der Grundlage des § 71a AsylVfG auslegen würde.
- 18
Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt nämlich – anders als derjenige einer Abschiebungsanordnung – nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG stets voraus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Ob Letzteres der Fall ist, bedarf einer ausdrücklichen – nicht aber lediglich inzidenten – Entscheidung der Antragsgegnerin (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 11. August 2014 – 10 A 2348/13.Z.A. -, juris). Daran fehlt es indessen vorliegend.
- 19
Die Antragsgegnerin hat im Tenor ihres Bescheides keine Entscheidung zu § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG getroffen. Dass sie sich in den Gründen des Bescheides mit den Normen befasst hat, erscheint insoweit nicht ausreichend, um eine für den Antragsteller und die für ihn zuständige Ausländerbehörde verbindliche Entscheidung über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Norm in Bezug auf Italien als Zielstaat der Abschiebungsandrohung zu treffen.
- 20
Von daher bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erlassenen Abschiebungsandrohung, so dass es der Kammer interessengerecht erscheint, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen sie anzuordnen.
- 21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
- 22
Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 5 K 582/14.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage wird insoweit angeordnet, als sich die Klage gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. März 2014 unter Nummer 2 enthaltene Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Italien richtet.
2. Die Antragsgegnerin hat die der Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
- 1
Der innerhalb der Frist des § 34a AsylVfG gestellte Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. April 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig.
- 2
Mit ihrem Bescheid hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers unter Bezugnahme auf § 26a AsylVfG dahingehend beschieden, dass dem Antragsteller in der Deutschland kein Asylrecht zusteht und auf der Grundlage des § 34a AsylVfG seine Abschiebung nach Italien angeordnet wird.
- 3
Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die gemäß § 75 AsylVfG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen.
- 4
Dabei hat das Gericht vorrangig die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen, wobei allerdings § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG in den Fällen des § 34a Abs. 2 AsylVfG keine Anwendung findet, so dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides in Betracht kommt (vgl. Beschluss der Kammer vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR –, juris). Zu einer über die Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehenden weitergehenden Einzelfallbetrachtung ist das Gericht aufgrund der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides der Antragsgegnerin allerdings grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung der sofortigen Vollziehbarkeit ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).
- 5
Ausgehend hiervon muss der vorliegende Antrag Erfolg haben, denn es bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung.
- 6
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 26a AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Insoweit hat das BVerfG bereits in einem Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 – u.a., juris, unter Randnummer 156 ausgeführt, dass eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG erst dann ergeht, wenn der Zielstaat der Abschiebung einer Übernahme des Asylsuchenden zugestimmt hat.
- 7
Vorliegend fehlt es indessen bislang an einer Zustimmung der italienischen Behörden, so dass von daher bereits erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen.
- 8
Hinzu kommt, dass sich die Kammer der Auffassung der Antragsgegnerin, dass das von dem Antragsteller geltend gemachte familiäre Abschiebungshindernis nicht von ihr, sondern als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis von der für ihn zuständigen Ausländerbehörde nach Erlass einer auf § 34a Abs. 1 AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung zu prüfen sei, unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, demzufolge das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (erst) anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, und Randnummer 156 des bereits zitierten Urteils des BVerfG vom 14. Mai 1996 nicht anzuschließen kann. Insoweit muss das Bundesamt daher vor Erlass einer Abschiebungsanordnung die Übernahmebereitschaft des Zielstaates und inländische Abschiebungshindernisse abschließend geklärt haben, da der Ausländerbehörde insoweit keine Entscheidungskompetenz zusteht (vgl. Beschluss der Kammer vom 19. Juli 2011 - 5 L 971/11.TR – und Bayerischer VGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 - sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, alle veröffentlicht bei juris). Ohne diese Klärung steht daher nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
- 9
Von daher bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, so dass es der Kammer interessengerecht erscheint, die aufschiebende Wirkung der Klage in dem beantragten Umfang anzuordnen.
- 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
- 11
Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.
(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.
(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.
(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.
(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.
(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.
(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.
(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.
(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.
(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.
(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.
(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.
(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.
(1) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Das Gleiche gilt für den Asylantrag eines Kindes, wenn der Vertreter nach § 14a Abs. 3 auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet hatte.
(2) Der Ausländer hat den Folgeantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der er während des früheren Asylverfahrens zu wohnen verpflichtet war. Wenn der Ausländer das Bundesgebiet zwischenzeitlich verlassen hatte, gelten die §§ 47 bis 67 entsprechend. In den Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder wenn der Ausländer nachweislich am persönlichen Erscheinen gehindert ist, ist der Folgeantrag schriftlich zu stellen. Der Folgeantrag ist schriftlich bei der Zentrale des Bundesamtes zu stellen, wenn
- 1.
die Außenstelle, die nach Satz 1 zuständig wäre, nicht mehr besteht, - 2.
der Ausländer während des früheren Asylverfahrens nicht verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
(3) In dem Folgeantrag hat der Ausländer seine Anschrift sowie die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ergibt. Auf Verlangen hat der Ausländer diese Angaben schriftlich zu machen. Von einer Anhörung kann abgesehen werden. § 10 gilt entsprechend.
(4) Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor, sind die §§ 34, 35 und 36 entsprechend anzuwenden; im Falle der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) ist § 34a entsprechend anzuwenden.
(5) Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung. Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden.
(6) Absatz 5 gilt auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Im Falle einer unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) kann der Ausländer nach § 57 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.
(7) War der Aufenthalt des Ausländers während des früheren Asylverfahrens räumlich beschränkt, gilt die letzte räumliche Beschränkung fort, solange keine andere Entscheidung ergeht. Die §§ 59a und 59b gelten entsprechend. In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist für ausländerrechtliche Maßnahmen auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhält.
(8) Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt.
(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.
(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.
(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.
(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.
(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.
(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.
(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.
(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.
(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.
(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.
(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.
(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.
(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.
(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.
(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.
(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.
(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.
(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.
Tenor
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Jeder Beteiligte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige andere Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Bulgarien angedroht wurde.
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit, reiste am
Das Bundesamt stellte am
Mit Bescheid vom
Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am
Hiergegen ließ der Kläger mit am 18. Februar 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 6. Februar 2015 die vorliegende Klage erheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beklagte in ihrem Bescheid auf den gewährten subsidiären Schutz verweise, den der Kläger wohl auf dem Papier in Bulgarien erhalten habe. Leider nicht mehr. Dem Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Wohnung, Essen, ärztliche Versorgung zur Verfügung gestellt worden. Er sei in der ganzen Zeit obdachlos gewesen. Dies stelle einen Verstoß gegen die Aufnahmerichtlinien dar. Diese gälten ebenfalls für die „Papierschutzberechtigten“ nach bulgarischem Verständnis. Hierzu wurde auf ein Urteil des VG München
Der Kläger beantragt:
Der Bescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2015 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
Mit Schreiben vom 18. März 2015 legte der Bevollmächtigte des Klägers einen Beschluss des VG Oldenburg
Mit Schreiben vom 29. September 2015 wies das Gericht darauf hin, dass im streitgegenständlichen Bescheid als Rechtsgrundlage für die Ziffer 2 (Abschiebungsandrohung nach Bulgarien) § 34a AsylVfG genannt sei. Dieser verlange als Tatbestandsvoraussetzung unter anderem, dass feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Dies bedeute insbesondere, dass die Übernahmebereitschaft des Mitgliedstaates, in den abgeschoben werden solle, abschließend geklärt sei (vgl. nur Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 34, Rn. 20 m. w. N.). Den Behördenakten sei nicht zu entnehmen, dass bzw. wie Bulgarien seine Übernahmebereitschaft bezüglich des Klägers erklärt habe. Um Stellungnahme werde gebeten.
Die Beklagte nahm hierzu mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2015 dahingehend Stellung, dass eine Abschiebungsandrohung ausgesprochen worden sei. § 34a AsylVfG fordere das Vorliegen des Einverständnisses des Mitgliedstaates mit der Rücküberstellung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung. Vorliegend sei als milderes Mittel „lediglich“ eine Abschiebungsandrohung ausgesprochen worden. Eine solche könne ohne Vorliegen eines Nachweises, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne, ausgesprochen werden. Bei der Abschiebungsandrohung liege die Zuständigkeit für die Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse (z. B. Reisefähigkeit) nicht beim Bundesamt, sondern bei der zuständigen Ausländerbehörde. Somit könne das Bundesamt im Zeitpunkt der Bescheiderstellung nicht beurteilen, ob die angedrohte Abschiebung tatsächlich vollzogen werden könne. Dies werde unter anderem auch dadurch deutlich, dass die Absprache der Modalitäten und die Organisation einer gegebenenfalls tatsächlich durchzuführenden Abschiebung ausschließlich zwischen der zuständigen Ausländerbehörde und der Bundespolizei erfolge. Eine Mitwirkung des Bundesamtes sei nicht vorgesehen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2015 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die erhobene Anfechtungsklage hier die statthafte Klageart, obwohl das Rechtsschutzbegehren des Klägers letztendlich darauf abzielt, eine materielle Entscheidung über den gestellten Asylantrag zu erlangen. Denn durch die Aufhebung eines Bescheides, mit dem ein Asylantrag wie vorliegend nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt wurde, wird das Verfahren in den Zustand vor Erlass des Bescheides zurückversetzt (so die obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. nur BayVGH, U. v. 13.4.2015, 11 B 15.50031, juris Rn. 18 m. w. N.). Diese Rechtsprechung ist auch auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar, obwohl sie streng genommen für Bescheide auf der Grundlage der Dublin-II- oder -III-VO ergangen ist. Jedoch ist die diesbezügliche Begründung für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage auf den vorliegenden „Drittstaatenbescheid“ übertragbar (ebenso VG Berlin, U. v. 4.6.2015, Az. 23 K 906.14 A, juris Rn. 14 m. w. N.).
Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 1. Halbsatz AsylVfG von zwei Wochen. Ein Fall der einwöchigen Klagefrist nach § 74 Abs. 1, 2. Halbsatz AsylVfG liegt weder nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG vor, da vorliegend kein unbeachtlicher Asylantrag im Sinne von § 29 Abs. 1 AsylVfG vorliegt, noch nach § 34a Abs. 2 AsylVfG, da das Bundesamt eine Abschiebungsanordnung gerade nicht getroffen hat. Der Bescheid wurde ausweislich der Bundesamtsakten am 4. Februar 2015 mit Postzustellungsurkunde zugestellt, die Klageerhebung am 18. Februar 2015 erfolgte daher fristgerecht.
Die Klage ist jedoch nur im Umfang des Tenors begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 28. Januar 2015 ist, was seine Ziffer 1 (Ablehnung des Asylantrags als unzulässig) angeht, rechtmäßig. Er verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, weshalb die Klage insoweit nach dem Maßstab des § 113 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als unbegründet abzuweisen war. Ziffer 2 des Bescheides (Abschiebungsandrohung bezüglich Bulgariens) ist jedoch rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Klage ist daher insoweit begründet.
1.
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgelehnt.
Allerdings kann das Bundesamt sich zur Begründung dieser Entscheidung entgegen der Bescheidsbegründung nicht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Die Entscheidung ist jedoch gleichwohl im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn Bulgarien, das Land, in dem der Kläger den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten hat, ist sicherer Drittstaat nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, Art. 16a Abs. 2 GG, da es sich um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt. Reist ein Ausländer aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland ein wie im vorliegenden Fall, so prüft das Bundesamt grundsätzlich weder die Voraussetzungen der Asylberechtigung noch des Flüchtlingsstatus noch das Vorliegen der subsidiären Schutzberechtigung oder von Abschiebungsverboten (so Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 31, Rn. 30). Dies ist letztlich im System der Drittstaatenregelung begründet. Allerdings hat das Bundesamt ein Verfahrensermessen dahingehend, dass es freiwillig eine Prüfung der Voraussetzungen des Flüchtlingsstatus, des subsidiären Schutzes und von Abschiebungsverboten durchführen kann. Allein eine Prüfung, ob Asylberechtigung im Sinn des Art. 16a GG besteht, ist dem Bundesamt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 16a GG bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat nicht möglich (vgl. zum Ganzen Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 31, Rn. 31; Hailbronner, AuslR., § 31 AsylVfG Rn. 58). Eine Verpflichtung des Bundesamtes, bei der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 31 Abs. 4, § 26a AsylVfG vorzugehen, besteht aber gerade nicht (so auch Hailbronner, AuslR., § 31 AsylVfG, Rn. 58). Dies ergibt sich auch aus der amtlichen Begründung der genannten Vorschriften (BT-Drs. 12/450, 23), wo von einer Wahlmöglichkeit des Bundesamts die Rede ist. Daneben spricht für eine derartige Auslegung im Sinne einer Wahlmöglichkeit des Bundesamtes auch der Zweck der Beschleunigung und der Praktikabilität des Asylverfahrens: Auch bei Einreise über einen sicheren Drittstaat widerspräche es dem Sinn des Gesetzes, das Bundesamt in derartigen Fällen immer auf eine mögliche, unter Umständen aber mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbundene Abschiebung in den sicheren Drittstaat festzulegen (Hailbronner a. a. O.; ebenso OVG NRW
Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides zwar in der Begründung des Bescheides nur auf den Ausschluss einer Prüfung des subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG gestützt. In der Sache hat es damit aber zu erkennen gegeben, dass es nicht gewillt ist, eine sachliche Entscheidung auch über den bisher erlangten Schutzstatus hinausgehenden Schutzstatus als anerkannter Flüchtling nach der Genfer Konvention zu treffen. Konkret wird dies auf Seite 2 des Bescheides dadurch ausgedrückt, dass eine materielle Prüfung des Asylantrags nicht erfolgt. Im Ergebnis ist dies die gleiche Folge, wie wenn sich das Bundesamt von vornherein auf die Einreise aus dem sicheren Drittstaat beruft und auf eine Prüfung des Asylantrags in materieller Hinsicht verzichtet.
Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist auch nicht aus dem Grunde rechtswidrig, dass eine Ausnahme von dem der Drittstaatenregelung zugrunde liegenden Konzept der normativen Vergewisserung hier vorliegen würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U. v. 14.5.1996, 2 BvR 1938.93, 2 BvR 2315.93
Der insoweit maßgebliche Schutzstatus, dessen Einhaltung in Bulgarien zu überprüfen ist, ist ausschließlich der EMRK zu entnehmen. Nicht überzeugen kann der Ansatz des VG Oldenburg in dem vom Bevollmächtigten des Klägers übersandten Beschluss vom 27. Januar 2015 (Az. 12 B 245/15, juris, insbesondere Leitsatz 1 und Rn. 15), wonach die in der Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96) und der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011) genannten Anforderungen den Schutzstandard nach Art. 3 der EMRK erweitern. Diese Forderung wird in dem genannten Beschluss vom VG Oldenburg nicht nähergehend begründet, sondern postuliert. Bezug wird insoweit auf ein Urteil des VGH Baden-Württemberg
Die Kammer schließt sich nach Auswertung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) vorliegenden Erkenntnismittel hinsichtlich der Situation von subsidiär Schutzberechtigten in Bulgarien der Einschätzung verschiedener anderer Gerichte (VG Berlin, U. v. 4.6.2015, Az. 23 K 906.14 A, juris; OVG Nordrhein-Westphalen,
Der Bericht von Amnesty International (AI) vom Februar 2015 (Missing the point - Lack of adequate investigation of hate crimes in Bulgaria) betrifft allgemein die Situation von Minderheiten, also nicht nur der Gruppe, zu der der Kläger gehört. Vielmehr untersucht er allgemein die Diskriminierung von Minderheiten in Bulgarien. Darüber hinaus kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass das bulgarische Recht, insbesondere die Strafgesetzgebung, grundsätzlich Schutz vor rassistisch motivierten oder fremdenfeindlichen Straftaten bietet (dort Seite 41) und stellt auch die tatsächliche Einleitung von Ermittlungs- und Strafverfahren durch die bulgarischen Behörden als solches nicht grundsätzlich in Frage. Dementsprechend lässt sich für die hier interessierende Frage daraus nichts Wesentliches ableiten. Ähnliches gilt für die Dokumentation von Pro Asyl „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015: Die dort skizzierten Einzelfallschicksale stammen, was die Verhältnisse in Bulgarien angeht, bereits aus dem Jahr 2013. Darüber hinaus betreffen sie vor allem die Situation in laufenden Asylverfahren, nicht jedoch die hier interessierende Lage anerkannter Schutzberechtigter wie des Klägers. Ungeachtet dessen lässt sich insbesondere aufgrund der zwischen der bulgarischen Regierung und dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) vereinbarten Programme zur Verbesserung der Situation für Asylsuchende und Asylberechtigte nicht feststellen, dass das Land der Situation der anerkannt Schutzberechtigten gleichgültig gegenübersteht. So hat Bulgarien im Juli 2014 eine „nationale Strategie zur Integration von international Schutzberechtigten in Bulgarien“ für die Jahre 2014 bis 2020 entwickelt (vgl. den genannten Bericht von Pro Asyl auf S. 32 und den „Special Support Plan to Bulgaria“ der EASO vom 5.12.2014, S. 11). Eines der zentralen Ziele dieser nationalen Strategie ist es danach, das Problem der Obdachlosigkeit durch die Schaffung von Wohnraum zu bekämpfen (EASO a. a. O., S. 17). Auch wenn die konkrete Umsetzung dieser Pläne derzeit noch nicht absehbar ist, lässt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht feststellen, dass der bulgarische Staat die Umsetzung von vornherein nicht ernsthaft beabsichtigt. Gegen eine derartige Annahme spricht insbesondere, dass Bulgarien bereits im Jahr 2014 mit der Unterstützung der EASO und anderer internationaler Organisationen wie dem UNHCR die Situation der Asylantragsteller maßgeblich verbessern konnte (EASO a. a. O. S. 11).
Außerdem lässt sich aus den vorliegenden Berichten keine Verletzung der aus Art. 3 EMRK folgenden Schutzpflichten durch den bulgarischen Staat ableiten. Ein Verstoß gegen die Pflicht, Schutz vor Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit zu gewähren, liegt nicht vor, da rassistisch motivierte Gewalttaten an Asylantragstellern und Flüchtlingen grundsätzlich dokumentiert werden (so der Bericht von AI, S. 18 und 39; ebenso der Bericht von Pro Asyl auf S. 16, 21 und 30 ff.). Ein strukturelles Versagen der bulgarischen staatlichen Behörden hinsichtlich der Strafverfolgung ist daher nicht erkennbar, auch wenn Missstände vorliegen mögen. Auch die mit einiger Wahrscheinlichkeit anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien drohende Obdachlosigkeit stellt als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Seiten des bulgarischen Staates dar. Diese bleiben nach der Anerkennung in der Regel nur 14 Tage in den Aufnahmeeinrichtungen für Asylantragsteller, nur in Ausnahmefällen können besonders Schutzbedürftige bis zu sechs Monate nach der Anerkennung dort wohnen bleiben (vgl. den Bericht von Pro Asyl, S. 33 ff.). In Obdachlosenunterkünften oder Sozialwohnungen können sie zwar kein Obdach finden, da hierfür Voraussetzung die bulgarische Staatsbürgerschaft mindestens eines Familienmitgliedes ist. Allerdings vermittelt Art. 3 EMRK nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jedenfalls keinen Anspruch auf ein Obdach. Ebenso wenig begründet dieser eine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, B. v. 2.4.2013, 27725.10, juris, insb. Leitsatz 1). Das Land bietet international Schutzberechtigten Sozialhilfeleistungen, wobei der monatliche Leistungssatz der Mindestsozialhilfe, die auch bulgarische Staatsangehörige erhalten, entspricht (vgl. den Bericht von AIDA (Asylum Information Database), Länderreport Bulgarien, Stand Januar 2015, S. 41). Nach dem genannten Bericht von Pro Asyl werden diese Sozialleistungen auch tatsächlich ausgezahlt (dort S. 35) auch wenn es im Einzelfall für nicht mit den örtlichen Verhältnissen vertraute Flüchtlinge schwierig sein mag, die Auszahlung zu erreichen. Auch die unabdingbare medizinische Grundversorgung wird durch Bulgarien für anerkannte Schutzberechtigte gewährleistet. Diese sind auch im nationalen Gesundheitssystem versichert. Voraussetzung hierfür ist wie bei bulgarischen Staatsangehörigen die Zahlung eines monatlichen Beitrags in Höhe von 8,70 EUR (UNHCR, Bulgarien als Asylland, Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation und Bulgarien, Stand April 2014, S. 12). Dieser Beitrag kann jedenfalls theoretisch mit den gewährten Sozialhilfeleistungen bestritten werden. Das durch Art. 3 EMRK gebotene lebenserhaltende Niveau ist damit gewährleistet.
Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist daher rechtmäßig. Die Klage ist insoweit abzuweisen.
2.
Dagegen ist die Anfechtungsklage gegen Ziffer 2 des Bescheides begründet. Die dort geregelte Abschiebungsandrohung nach Bulgarien ist rechtswidrig (hierzu a)) und verletzt den Kläger auch in seinen Rechten (hierzu b)).
a) Die Abschiebungsandrohung ist mangels einer einschlägigen Rechtsgrundlage rechtswidrig. In der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides (dort S. 3) ist noch § 34a AsylVfG erwähnt, ohne dass klar ausgedrückt wird, dass die Abschiebungsandrohung auf diese Bestimmung gestützt wird. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2015 hat das Bundesamt auf die entsprechende Anfrage des Gerichts klar zu erkennen gegeben, dass es sich als Rechtsgrundlage nicht auf § 34a AsylVfG berufen will, da es die danach notwendige Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse (wie z. B. die Reisefähigkeit), anders als nach § 34a AsylVfG notwendig, selbst nicht vornehmen will. Eine anderweitige Rechtsgrundlage für Ziffer 2 des Bescheides ist jedoch nicht ersichtlich.
Als „milderes Mittel“ im Vergleich zur Abschiebungsanordnung wäre eine Abschiebungsandrohung denkbar, wenn § 34a AsylVfG tatbestandsmäßig erfüllt wäre. Die Voraussetzungen des § 34a AsylVfG liegen hier nicht vor. Bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung ist Tatbestandsvoraussetzung, dass „feststeht, dass sie (die Abschiebung) durchgeführt werden kann“. Zu prüfen ist daher grundsätzlich die Übernahmebereitschaft des jeweiligen Drittstaats, welche abschließend geklärt sein muss (vgl. nur VG Gelsenkirchen, U. v. 8.5.2015, Az. 18a K 3619/14, juris Rn. 57; OVG Hamburg, B. v. 3.12.2010, Az. 4 Bs 223/10, juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.2.2012, Az. 2 S 6.12, juris Rn. 4; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 34a AsylVfG, Rn. 20; Hailbronner, AuslR., § 34a AsylVfG, Rn. 16; Pietz in: Kluth/Heusch, Beck-OK AuslR., § 34a AsylVfG, Rn. 12). Eine derartige Klärung lässt sich der Bundesamtsakte nicht entnehmen. Insoweit kann auch nicht die abschlägige Antwort Bulgariens auf die Anfrage um Übernahme des Klägers nach den Vorschriften der Dublin-III-VO herangezogen werden. Denn daraus ergibt sich eindeutig die Notwendigkeit einer erneuten Anfrage an eine andere, hierfür zuständige bulgarische Behörde (vgl. Bl. 92 der Bundesamtsakte).
Damit liegen aber die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a AsylVfG nicht vor. Die Abschiebungsandrohung konnte damit auf diese Bestimmung auch nicht im Sinne eines milderen Mittels gestützt werden, da sich diese Frage erst stellen würde, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen würden.
Es lässt sich aber auch keine andere Rechtsgrundlage für die in Ziffer 2 verfügte Abschiebungsandrohung finden. Insbesondere können hier nicht § 34 AsylVfG und §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG herangezogen werden. Denn das Bundesamt ist im vorliegenden Fall für eine Abschiebungsandrohung nicht zuständig. § 34 AsylVfG regelt in Abs. 1 Satz 1 unter Bezugnahme auf den für ausländerrechtliche Abschiebungsandrohungen geltenden § 59 AufenthG die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der asylrechtlichen Abschiebungsandrohung (Pietz in: Beck-OK AuslR., § 34 AsylVfG, vor Rn. 1). Danach ist materielle Voraussetzung für eine Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt, dass die in Ziffern 1 bis 4 genannten Voraussetzungen (keine Zuerkennung eines Schutzstatus) erfüllt sind. Erforderlich ist damit, dass eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags durchgeführt wurde. Wie bereits oben ausführlich dargestellt wurde, ist dies im vorliegenden Fall, da der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt wurde, gerade nicht erfolgt. Daher ist das Bundesamt hier für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG gerade nicht zuständig. Es kann sich daher als Rechtsgrundlage der in Ziffer 2 verfügten Abschiebungsandrohung auch nicht auf die ausländerrechtlichen Bestimmungen der §§ 59 und 60 AufenthG berufen.
Nachdem eine anderweitige Rechtsgrundlage weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, ist Ziffer 2 mangels einer Rechtsgrundlage objektiv rechtswidrig.
b) Der Kläger wird hierdurch auch in eigenen Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Wie das VG Berlin in dem bereits zitierten Urteil vom 4. Juni 2015 (Az. 23 K 906.14 A, juris) zutreffend entschieden hat, entzieht sich das Bundesamt durch den Erlass einer Abschiebungsandrohung seinem ihm gesetzlich zugewiesenen Prüfungsauftrag hinsichtlich des Bestehens inländischer Abschiebungshindernisse gerade in den von § 34a AsylVfG erfassten Fällen einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat. Während derartige Vollstreckungshindernisse beim Erlass einer Abschiebungsanordnung unmittelbar vom Bundesamt geprüft werden müssen, nimmt das Bundesamt, wie es in seiner Stellungnahme an das Gericht vom 1. Oktober 2015 ausdrücklich klargestellt hat, diese Prüfung nicht vor, und zwar nach eigenen Angaben auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt. Falls solche Hindernisse später vorliegen, kann der betroffene Asylsuchende dies nur gegenüber der Ausländerbehörde geltend machen und vorläufigen Rechtsschutz im Streitfall nur nach § 123 Abs. 1 VwGO erreichen. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Ausländers sind daher insoweit empfindlich eingeschränkt. Darüber hinaus soll § 34a AsylVfG auch bezüglich Abschiebungshindernissen in Bezug auf den sicheren Drittstaat eine einheitliche Prüfung durch das gesetzlich hierfür vorgesehene Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewährleisten. Aufgrund der Handlungsweise des Bundesamtes käme es demgegenüber zu einer Zersplitterung der Zuständigkeiten auf sämtliche Ausländerbehörden der Länder. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Länder auch ansonsten für die Abwicklung von Abschiebungen und für die Prüfung etwaiger Abschiebungshindernisse außerhalb eines Asylverfahrens zuständig sind. Denn der Gesetzgeber hat hier im Rahmen des § 34a AsylVfG gerade ein abweichendes Verfahren vorgesehen. Diesem gesetzlichen Auftrag kann sich das Bundesamt nicht mit der Argumentation, es werde hier ein milderes Mittel angewandt, entziehen. Das Bundesamt unterliegt somit auch hier der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) und besitzt nicht die Kompetenz, unter Nichtausübung der ihm obliegenden Aufgabe deren tatsächliche Verlagerung auf Ausländerbehörden mit der Erfüllung durch diese zu bewirken, wodurch im Übrigen die Gefahr einer gegen Art. 3 GG verstoßenden Ungleichbehandlung bei einer Vielzahl an Ausländerbehörden anstelle der seitens des Gesetzgebers gewünschten Konzentration beim Bundesamt einträte. Die Bundesbehörde kann also nicht die ihr obliegende Aufgabe auf Länderbehörden/Kommunen delegieren. Abgesehen davon ergäbe sich auch das prozessuale Problem bei Akzeptanz der hiesigen Entscheidungsweise des Bundesamtes, dass dieses einen einen Dritten belastenden Bescheid erlässt, ohne dass der jeweilige Träger der Ausländerbehörde im bisherigen (insofern rechtswidrigen) Behördenverfahren involviert gewesen wäre; hier wäre im Gerichtsverfahren dann eine (notwendige) Beiladung des Trägers der Ausländerbehörde zu dessen Rechts- und Interessenwahrung verankert. Es drängt sich beim Blick in das Gesetz auf, dass der Gesetzgeber - auch angesichts des Beschleunigungsgrundsatzes - eine solche - auch prozessuale - Konstruktion nicht gewollt hat, weshalb auch mangels Lücke ein Analogieverbot insofern gilt. Eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten liegt daher vor.
Somit ergibt sich die Verletzung des Klägers in eigenen Rechten auch daraus, dass es sich bei der Abschiebungsandrohung um eine durch eine unzuständige Behörde getroffene, ihn belastende Regelung handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83b AsylVfG.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 5 K 1658/14.TR geführten Klage des Antragstellers wird hinsichtlich der in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. September 2014 enthaltenen Abschiebungsandrohung angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller begehrt Rechtsschutz gegen eine von der Antragsgegnerin erlassen Abschiebungsandrohung. Deren Erlass liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
Der Antragsteller stellte im Januar 2014 in Deutschland einen Asylantrag. Sodann richtete die Antragsgegnerin am 20. Februar 2014 ein Aufnahmegesuch an Italien, das sie auf einen Eurodac-Treffer „IT2…“ und einen in Italien am 18. Dezember 2012 gestellten Asylantrag stützte. Hierauf antworteten die italienischen Behörden nicht innerhalb der in Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Dublin III–VO – genannten Fristen, teilten dann aber der Antragsgegnerin nachfolgend mit, dass dem Antragsteller in Italien subsidiärer Schutz gewährt worden sei, so dass seiner Rückübernahme auf der Grundlage der Dublin III-VO nicht zugestimmt werden könne; eine eventuelle Überstellung müsse mit der italienischen Polizei abgeklärt werden.
- 3
Mit Bescheid vom 1. September 2014, der dem Antragsteller am 4. September 2014 zugestellt wurde, lehnte die Antragsgegnerin daraufhin den vom Antragsteller gestellte Asylantrag als unzulässig ab. Zur Begründung des Bescheids führte die Antragsgegnerin ohne Nennung einer der im Asylverfahrensgesetz genannten Rechtsgrundlagen für eine Antragsablehnung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 -) aus, dass der Antrag auf Durchführung des Asylverfahrens aufgrund des dem Antragsteller in Italien gewährten subsidiären Schutzes nach § 60 AufenthG unzulässig sei. Unzulässig sei auch der Antrag auf Feststellung nationalen Schutzes in Bezug auf Somalia, da dem Antragsteller insoweit in Italien hinreichend Rechtsschutz gewährt worden sei. Deklaratorisch werde allerdings ausgesprochen, dass er nicht nach Somalia abgeschoben werden dürfe. Des Weiteren forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides auf und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Italien an. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 AsylVfG in Verbindung mit § 59 AufenthG zu erlassen, wobei sich die einwöchige Ausreisefrist aus einer analogen Anwendung des § 36 Abs. 1 AsylVfG ergebe und berücksichtige, dass die Situation mit derjenigen des in § 29 AsylVfG genannten unbeachtlichen Asylantrags vergleichbar sei. Außerdem heißt es in der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen ihn innerhalb einer Woche Klage und gegen die Abschiebungsandrohung ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden könne.
- 4
Am 9. September 2014 hat der Kläger sodann Klage erhoben mit dem Ziel der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung gestellt. Die Antragsgegnerin habe angesichts der Verhältnisse in Italien das ihr eingeräumte Ermessen hinsichtlich einer sachlichen Prüfung des Asylantrags nicht ordnungsgemäß ausgeübt und nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller in Deutschland nach religiösem Ritus die Ehe geschlossen habe und seine Ehefrau inzwischen im 7. Monat schwanger sei.
- 5
Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass die italienischen Behörden zwischenzeitlich einer Wiedereinreise des Antragstellers zugestimmt hätten.
II.
- 6
Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig.
- 7
Bei der Entscheidung darüber, ob die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, ist das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzuwägen.
- 8
Dabei hat das Gericht vorrangig die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage zu prüfen, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob vorliegend § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG Anwendung findet, wonach eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides in Betracht kommt, oder ob – wie in den Fällen des § 34a Abs. 2 AsylVfG - eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen ist (vgl. Beschluss der Kammer vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR –, juris). Zu einer über die Rechtmäßigkeitsprüfung hinausgehenden weitergehenden Einzelfallbetrachtung ist das Gericht aufgrund der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides der Antragsgegnerin allerdings grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des sofortigen Vollziehbarkeit ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris).
- 9
Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung, denn es erscheint mehr als fraglich, ob angesichts der von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als unzulässig Raum ist für eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG.
- 10
Das Asylverfahrensgesetz enthält in den §§ 26a ff., 71 und 71a AsylVfG ausdrücklich zahlreiche Bestimmungen, wie in Deutschland gestellte Asylanträge seitens des Bundesamtes zu bescheiden sind, wobei sich die Frage der nachfolgendem Aufenthaltsbeendigung bei erfolglosem Asylantrag unterschiedlich danach richtet, aufgrund welcher Rechtsvorschriften der Asylantrag abgelehnt wurde. Insoweit regeln die §§ 34, 34a, 36 und 38 AsylVfG die Frage der Aufenthaltsbeendigung durch Erlass einer Abschiebungsanordnung oder einer Abschiebungsandrohung unter Setzung unterschiedlicher Fristen für eine freiwillige Ausreise, wobei die sofortige Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung in § 75 Abs. 1 AsylVfG ebenfalls unterschiedlich geregelt ist. Außerdem ist der dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übertragene Prüfungsrahmen – und damit auch der Regelungsgehalt einer von ihm getroffenen aufenthaltsbeendenden Entscheidung – unterschiedlich, je nachdem, ob eine Abschiebungsanordnung oder aber eine Abschiebungsandrohung erlassen wird, da eine Abschiebungsanordnung – anders als eine Abschiebungsandrohung – nur ergehen darf, wenn die Abschiebung tatsächlich und rechtlich möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -; Beschluss der beschließenden Kammer vom 17. April 2014 - 5 L 583/14.TR -).
- 11
Von daher spricht viel dafür, dass eine Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig durch die Antragsgegnerin zur Frage ihrer Bestimmtheit erkennen lassen muss, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruht, da nur so erkennbar wird, welche aufenthaltsbeendende Entscheidungen zulässiger Weise auf sie gestützt werden dürfen, zumal die Antragsgegnerin eine derartige Tenorierung ihrer Bescheide regelmäßig in den Anwendungsfällen des § 27a AsylVfG verwendet.
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Selbst wenn dahingehende Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung der Antragsgegnerin vorliegend zurückgestellt werden, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 36 Abs. 1 AsylVfG – Ablehnung des Asylantrags als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet – jedenfalls nicht erfüllt. Auch hat die Antragsgegnerin ihre Entscheidung ersichtlich nicht auf der Grundlage der §§ 71 Abs. 4 bzw. 71a Abs. 4 AsylVfG treffen wollen, so dass § 36 AsylVfG weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher Verweisung als Rechtsgrundlage für die streitige Abschiebungsandrohung unter Setzung einer einwöchigen Ausreisefrist in Betracht kommt.
- 13
Anlass für eine analoge Anwendung der zuletzt genannten Norm sieht sie Kammer bei überschlägiger Prüfung nicht, denn die analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie (nur) geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 2 C 2/13 -, juris).
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Vorliegend vermag die Kammer indessen nicht zu erkennen, dass sich für eine Bescheidung eines Asylantrags eines Antragstellers, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union vor Inkrafttreten der Dublin III-VO subsidiärer Schutz, wie er nunmehr in dieser Verordnung geregelt ist, gewährt worden ist, im Asylverfahrensgesetz keine ausdrückliche Grundlage für eine Entscheidung finden lassen könnte. Zu denken ist insoweit nämlich – je nachdem, ob die Antragsgegnerin nach den vorrangig zu prüfenden europarechtlichen Bestimmungen für eine sachliche Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist - an eine unmittelbare Anwendung der §§ 26a, 27, 27a, 29, 30, 31 und 71a AsylVfG, die ihrerseits unterschiedliche Regelungen dazu enthalten, unter welchen Voraussetzungen aufenthaltsbeendende Entscheidungen zu ergehen haben. Allein der Umstand, dass das BVerwG in dem von der Antragsgegnerin herangezogenen Urteil vom 17. Juni 1014 – 10 C 7/13 – ausgeführt hat, dass der Antrag eines Ausländers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes, dem im Ausland entsprechender Schutz gewährt worden ist, unzulässig ist, besagt nichts darüber, wie verfahrensrechtlich über einen derartigen Antrag zu entscheiden ist. Im Übrigen muss gesehen werden, dass das OVG Rheinland-Pfalz (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014 - 10 A 10692/13.OVG -, juris) auf einen vergleichbaren Sachverhalt bei aufgrund Zeitablaufs bejahter europarechtlicher Zuständigkeit der Antragsgegnerin § 71a AsylVfG angewandt hat.
- 15
Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, dass der vorliegende Sachverhalt mit demjenigen des § 29 Abs. 1 AsylVfG vergleichbar und deshalb eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG geboten sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen, denn eine derartiger Verfahrensweise würde zu einer Umgehung des § 29 Abs. 2 AsylVfG führen, der ausdrücklich bestimmt, dass ein – an sich unbeachtliches – Asylverfahren fortzuführen ist, wenn – wie vorliegend - eine Rückführung des Asylbewerbers nicht innerhalb von drei Monaten möglich ist.
- 16
Von daher hat die Kammer ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer auf eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG gestützten Abschiebungsandrohung.
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Die gleichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen im Ergebnis auch, wenn man eine analoge Anwendung des § 36 AsylVfG zuließe oder die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Unzulässigkeit des Asylantrags als die Anwendbarkeit des § 36 AsylVfG eröffnende Entscheidung auf der Grundlage des § 71a AsylVfG auslegen würde.
- 18
Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt nämlich – anders als derjenige einer Abschiebungsanordnung – nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG stets voraus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Ob Letzteres der Fall ist, bedarf einer ausdrücklichen – nicht aber lediglich inzidenten – Entscheidung der Antragsgegnerin (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 11. August 2014 – 10 A 2348/13.Z.A. -, juris). Daran fehlt es indessen vorliegend.
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Die Antragsgegnerin hat im Tenor ihres Bescheides keine Entscheidung zu § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG getroffen. Dass sie sich in den Gründen des Bescheides mit den Normen befasst hat, erscheint insoweit nicht ausreichend, um eine für den Antragsteller und die für ihn zuständige Ausländerbehörde verbindliche Entscheidung über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Norm in Bezug auf Italien als Zielstaat der Abschiebungsandrohung zu treffen.
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Von daher bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erlassenen Abschiebungsandrohung, so dass es der Kammer interessengerecht erscheint, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen sie anzuordnen.
- 21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
- 22
Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
Tenor
1. Die Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Abschiebungsandrohung nach Griechenland.
Der Kläger, geb. am ... 1988, ist iranischer Staats- und persischer Volkszugehörigkeit. Er reiste eigenen Angaben zufolge am
In Griechenland hatte er bereits - wie er selbst in seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG am
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
Hiergegen ließ der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, mit Schriftsatz vom 10. März 2015, eingegangen beim zuständigen Verwaltungsgericht Ansbach
Zur Begründung trägt er vor, dass er bereits als Flüchtling in Griechenland anerkannt worden sei. Aufgrund der Situation für anerkannte Flüchtlinge in Griechenland sei er nach Deutschland weiter gereist. Nach dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16. Oktober 1980 sei die Verantwortung auf den deutschen Staat übergegangen. Dies ergebe sich aus Art. 2 des Übereinkommens, denn der Kläger habe bereits seit 2 Jahren seinen tatsächlichen und dauernden Aufenthalt in Deutschland. Für den Beginn der Zweijahresfrist sei auf den Zeitpunkt der Aufnahme des Flüchtlings im Hoheitsgebiet des Zweitstaats oder wenn sich dieser Zeitpunkt nicht feststellen lasse, auf den Tag, an dem er sich bei den Behörden des Zweitstaats gemeldet habe, abzustellen. Im vorliegenden Fall könne sogar auf den Zeitpunkt des Asylantrages abgestellt werden, um den Ablauf der Zweijahresfrist festzustellen. Jene endete am 21. September 2014. Zudem bestehe zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem griechischen Staat kein Rückübernahmeabkommen, aufgrund dessen eine Rücküberstellung des Klägers in Betracht kommen könnte. Des Weiteren läge hinsichtlich Griechenlands ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Der Kläger habe bei seiner Rückkehr nach Griechenland Grundrechtsverletzungen, insbesondere nach Art. 3 EMRK, zu befürchten. Für die Beurteilung einer möglichen Grundrechtsverletzung seien andere Kriterien zu berücksichtigen, als diejenigen, welche bei der Rückführung ins Heimatland in Betracht kämen. Auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
In Griechenland bestünden systemische Mängel im Asylverfahren, so dass eine Verletzung seiner Grundrechte zu erwarten sei. Dies bestätige auch ein aktueller Bericht von Pro Asyl aus November 2014. Dort werde die Perspektivlosigkeit der anerkannten Flüchtlinge geschildert sowie die fehlende soziale Absicherung durch den jeweiligen Staat, zu denen auch Griechenland zähle. Auf die Entscheidung des EGMR
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 4. März 2015.
Die Beteiligten erklärten beide gegenüber dem Verwaltungsgericht Ansbach den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Blatt 55 und 56 der Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorliegende Behörden- und Gerichtsakte verwiesen.
Gründe
Die Einzelrichterin konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten im Vorfeld auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung schriftlich verzichtet haben.
Die zulässige Klage ist begründet, soweit sich der Kläger gegen die Ziffer 2) des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. März 2015 wendet. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Der Bescheid des Bundesamts vom 4. März 2015 ist hinsichtlich der Ziffer 2) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
1.
Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach Griechenland in der Ziffer 2) ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) rechtswidrig.
Das Bundesamt führt in seiner Begründung aus, dass eine Abschiebungsandrohung anstatt einer Anordnung ebenfalls zulässig sei, da es sich hierbei um das mildere Mittel handle.
Diese rechtliche Auffassung der Beklagten ist unzutreffend. Es fehlt gerade an einer Rechts-grundlage für eine Abschiebungsandrohung. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Androhung der Abschiebung nicht als zulässiges milderes Mittel gegenüber der Anordnung angesehen werden (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2015, 1 B 41/15 - juris; BayVGH, B. v. 23.11.2015 - 21 ZB 15.30237 - juris; VG Stade, U. v. 15.12.2015 - 4 A 980/15; VG Düsseldorf, U. v. 29.6.2015 - 13 K 3215/15.A - juris; VG Ansbach, U. v. 22.4.2015 - 14 K 15.50044 - juris). Der klare Wortlaut des § 34a Abs. 1 AsylG „bedarf es nicht“ ist in anderen Regelungszusammenhängen so zu verstehen, dass die erwähnte Alternative gerade ausgeschlossen sein soll (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 68 Rn. 16).
§ 34a Abs. 1 AsylG ist aus systematischen Erwägungen als Spezialvorschrift zu § 34 Abs. 1 AsylG anzusehen. Grundsätzlich kann, wenn ein Ausländer abgeschoben werden soll, dem im Ausland bereits internationaler Schutz zuerkannt wurde, nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen (§ 60 Abs. 10 AufenthG). Von dieser Vorschrift sind die Fälle erfasst, in denen der Ausländer über eine von einem Drittstaat zugesprochene Flüchtlingsanerkennung verfügt (§ 60 Abs. 1 Satz 3 3. Alt. AufenthG) bzw. ihm subsidiärer Schutz zugesprochen wurde (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) und seine Abschiebung in den Drittstaat beabsichtigt ist. Durch die enge Verknüpfung von § 34a Abs. 1 AsylG mit § 26a AsylG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Regelung im Sonderfall der Rückführung in den sicheren Drittstaat keine Geltung beanspruchen soll (vgl. VG Berlin, U. v. 4.6.2015 - 23 K 906.14 A - juris; VG Düsseldorf, U. v. 29.6.2015 - 13 K 3215/15.A - juris).
Gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG stünde dem Kläger aufgrund der mit Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) vorgenommenen Änderung des § 34a Abs. 2 AsylVfG ein erhöhter Rechtsschutz gegenüber Abschiebungen auf dieser Grundlage zu. Wird innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung gestellt, ist die Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Nach dem bis dahin geltenden Abs. 2 des § 34a AsylVfG durfte demgegenüber die Abschiebung nach Abs. 1 gerade nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Demgegenüber können Anträge im vorläufigen Rechtsschutz, mit denen im Rahmen von § 34 Abs. 1 AsylG zu berücksichtigende Abschiebungsverbote geltend gemacht werden, nur über § 123 Abs. 1 VwGO verfolgt werden, was den jeweiligen Antragsteller vor deutlich höhere Darlegungshürden stellen würde (VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 - 23 K 906.14 A -, juris, Rn. 39).
Die Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG kommt vorliegend gerade nicht in Betracht. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Diese hierfür erforderliche inhaltliche Prüfung wurde durch das Bundesamt gerade nicht vorgenommen.
§ 34 Abs. 1 AsylG kommt jedoch bei Entscheidungen (nur) nach §§ 26a, 27a AsylG nicht zur Anwendung. Lehnt das Bundesamt einen Asylantrag - wie hier geschehen - nur nach § 26a AsylG ab, ist nach § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG lediglich festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Diese Entscheidung ist nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu treffen und dann dem Ausländer selbst zuzustellen. Nach der Gesetzessystematik besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Asylversagung wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) bzw. der Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 27a AsylG) und der Anordnung der Abschiebung in diesen Staat nach § 34a AsylG (OVG NRW, B. v. 25.9.2000 - 18 B 1783/99 -, juris Rn. 11 und 21 und
Der Erlass einer Abschiebungsandrohung - anders als der einer Abschiebungsanordnung - ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG), was vom Bundesamt festzustellen ist. Demgegenüber darf das Bundesamt bei Entscheidungen nach §§ 26a, 27a AsylG die in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen jedoch gerade nicht prüfen (vgl. § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG), weil es allein die Zulässigkeit des Asylantrags zu überprüfen hat. So hat das Bundesamt auch im vorliegenden Fall lediglich eine Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit des Asylantrags getroffen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem streitgegenständlichen Bescheid. Insofern passt das Prüfprogramm des § 34 Abs. 1 AsylG von vornherein nicht zu der hier gegebenen Konstellation des § 26a AsylG (VG Berlin, U. 24.6.2015 - 23 K 906.14 A - juris). Nur wenn die Durchführung der Abschiebung im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht möglich ist, ist § 31 Abs. 4 AsylG nicht einschlägig mit der Folge, dass nicht nach dem reduzierten, sondern gemäß § 31 Abs. 2 und 3 AsylG nach dem "gewöhnlichen Entscheidungsprogramm" über den Asylantrag zu befinden ist. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben (VG Berlin, U. v. 24.6.2015 - 23 K 906.14 A -, juris).
Durch die rechtswidrige Abschiebungsandrohung in der Ziffer 2) des Bescheides wird der Kläger auch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da - wie bereits festgestellt - seine Rechtsschutzmöglichkeiten hinsichtlich der Prüfung inländischer Vollstreckungshindernisse hierdurch erheblich eingeschränkt werden (vgl. dazu VG Ansbach, U. v. 7.10.2015 - 11 K 15.50067 - juris;
2.
Die Ziffer 1) des Bescheides vom 4. März 2015 ist dagegen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anerkennung des Klägers als Flüchtling durch einen Drittstaat nach § 3 AsylG stellt kraft Gesetzes für die Beklagte ein Abschiebungsverbot in das Herkunftsland dar (§ 60 Abs. 1 AufenthG). Ein Anspruch auf eine erneute Anerkennungsentscheidung besteht hingegen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht. Ein gleichwohl gestellter Asylantrag ist unzulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 - sowie
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 1, 2 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG. Der Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem AsylG folgt aus § 30 RVG.
(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn
- 1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, - 2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, - 2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird, - 3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und - 4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.