Verwaltungsgericht Trier Urteil, 11. Okt. 2011 - 1 K 990/11.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2011:1011.1K990.11.TR.0A
11.10.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erlaubnis, nach seinem Tod die Asche seiner sterblichen Überreste auf einem ihm gehörenden Waldgrundstück verstreuen zu lassen.

2

Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Februar 2010 stellte er erstmals bei dem Beklagten den Antrag, ihm die Entsorgung der Asche seiner sterblichen Überreste auf einem in seinem Eigentum stehenden Waldgrundstück innerhalb der Gemarkung ... zu gestatten.

3

Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 26. Februar 2010 mit, dass in Rheinland-Pfalz grundsätzlich Friedhofszwang bestehe. Erdbestattungen und Aschenbeisetzungen müssten daher auf öffentlichen Bestattungsplätzen, mithin auf kommunalen oder kirchlichen Friedhöfen erfolgen. Der darin liegende Eingriff in die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit sei durch legitime öffentliche Interessen und überragende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Nur in begründeten Ausnahmefällen könnten nach § 4 Bestattungsgesetz private Bestattungsplätze angelegt und genehmigt werden, wenn ein berechtigtes Bedürfnis oder Interesse vorliege und öffentliche Interessen sowie schutzwürdige Belange Dritter nicht beeinträchtigt würden. Diese Voraussetzungen seien im Fall des Klägers nicht erfüllt. Das rein persönliche Interesse an einer Privatbestattung vermöge eine Ausnahme nicht zu rechtfertigen.

4

Unter dem 13. April 2010 beschied der Beklagte den Antrag des Klägers förmlich und führte ergänzend aus, dass Ausnahmen vom Friedhofszwang nach § 4 Bestattungsgesetz auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken seien. Es dürfe nicht zu einer Verkehrung der gesetzlichen Regel kommen.

5

Hiergegen legte der Kläger am 23. April 2010 Widerspruch ein. Sein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz werde unzulässig dadurch beschnitten, dass der Beklagte ihm die beantragte Genehmigung verweigere. Öffentliche Interessen oder schutzwürdige Belange Dritter stünden seinem Begehren nicht entgegen, da die Asche auf seinem Privatgelände verstreut werden solle. Insbesondere begründe die von ihm gewünschte Bestattungsform keine Gesundheitsgefahren für andere.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Genehmigung eines privaten Bestattungsplatzes gem. §§ 1 Abs. 3, 4 Abs. 2 Bestattungsgesetz. Im Fall des Klägers liege kein atypischer Sonder- oder Härtefall vor, der die Befolgung des Friedhofszwangs unzumutbar erscheinen lasse. Die den Friedhofszwang und damit den Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG rechtfertigenden öffentlichen Interessen seien die Wahrung der Totenruhe, die Scheu der Bevölkerung vor der Begegnung mit dem Tod sowie die hergebrachte Sitte, Tote auf öffentlichen Friedhöfen zu bestatten. Schließlich sei auch das Verstreuen der Totenasche in Rheinland-Pfalz generell unzulässig, da die Aufzählung zulässiger Bestattungsarten in § 8 Abs. 4 Bestattungsgesetz insofern abschließend sei.

7

Der Kläger hat am 20. Juli 2011 Klage erhoben. Ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren führt er aus, dass es ihm gerade darum gehe, dass seine sterblichen Überreste nicht an einem bestimmten Ort aufbewahrt, sondern vielmehr der Natur zugeführt würden. In anderen Bundesländern und Staaten werde dergleichen nicht beanstandet, dort existierten sogar öffentliche "Streufelder".

8

Der Kläger beantragt,

9

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 13. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2011 zu verpflichten, ihm die Entsorgung der Asche seiner sterblichen Überreste auf seinem Waldgrundstück in der Gemarkung T... zu genehmigen.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im vorangegangenen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

13

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

15

Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte Genehmigung nicht zu. Dabei ist sein Klagebegehren nach § 88 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - unter Berücksichtigung des gesamten Parteivorbringens dahingehend auszulegen, dass der Kläger unter "Entsorgung der Asche seiner sterblichen Überreste" das Verstreuen der Totenasche versteht. Mithin zielt sein Antrag darauf, ihm eine Genehmigung dafür zu erteilen, dass nach seinem Ableben seine Totenasche auf dem in seinem Eigentum stehenden Waldgrundstück in der Gemarkung ... verstreut werden darf.

16

Die Voraussetzungen zur Erteilung einer solchen Genehmigung auf Grundlage der - hierfür auf einfach-gesetzlicher Ebene einzig in Betracht kommenden - §§ 4 Abs. 2 i. V. m. 1 Abs. 1 Nr. 4 Bestattungsgesetz - BestG - vom 4. März 1983 (GVBl. S. 69), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. September 2009 (GVBl. S. 333), sind nicht erfüllt.

17

§ 1 Abs. 1 BestG benennt als mögliche Bestattungsplätze Gemeindefriedhöfe, kirchliche Friedhöfe und Grabstätten in Kirchen, Anstaltsfriedhöfe sowie - unter Ziffer 4. - private Bestattungsplätze. Nach § 4 Abs. 2 BestG bedarf jede Bestattung auf einem privaten Bestattungsplatz der schriftlichen Genehmigung. Zuständige Genehmigungsbehörde ist gem. § 1 Abs. 3 Halbsatz 2 BestG der Landkreis. Da der Genehmigungsbehörde ein Ermessensspielraum ausweislich des Wortlauts des § 4 Abs. 2 BestG nicht eingeräumt ist, muss sie die Genehmigung erteilen, wenn der Antrag auf eine Bestattung im Sinne des § 8 BestG gerichtet ist und die nach §§ 1 Abs. 2 und 4 Abs. 1 BestG an private Bestattungsplätze zu stellenden Anforderungen erfüllt sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

18

Mit Blick auf das Waldgrundstück des Klägers fehlt es bereits an der nach § 1 Abs. 3 Halbsatz 1 BestG erforderlichen Genehmigung zur Anlage eines privaten Bestattungsplatzes. Danach bedürfen die Anlage und die Erweiterung eines Bestattungsplatzes sowie die Wiederbelegung eines geschlossenen Bestattungsplatzes einer schriftlichen Genehmigung der Kreisverwaltung.

19

Eine solche Genehmigung wurde dem Kläger bislang nicht erteilt. Die Voraussetzungen für die Erteilung sind auch nicht erfüllt. Nach § 1 Abs. 2 BestG sind Bestattungsplätze so anzulegen und zu gestalten, dass die Totenruhe gewährleistet ist und das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Für die Anlage privater Bestattungsplätze gilt außerdem nach § 4 Abs. 1 BestG, dass an ihr ein berechtigtes Bedürfnis oder Interesse bestehen muss und öffentliche Interessen oder schutzwürdige Belange Dritter nicht beeinträchtigt werden dürfen.

20

Hierdurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass Bestattungen in der Regel auf öffentlichen Bestattungsplätzen vorzunehmen sind und nur im Ausnahmefall eine private Ruhestätte zugelassen werden kann (sog. Friedhofszwang). Dieser gesetzgeberische Wille geht auch aus der amtlichen Begründung zu §§ 1 und 4 BestG hervor (abgedruckt in Werther/Gripp, Friedhofs- und Bestattungsrecht in Rheinland-Pfalz, S. 4 und 10 f.), wonach mit Rücksicht auf die allgemeinen Grund- und Wertvorstellungen der Bevölkerung Bestattungen grundsätzlich auf Gemeinde- und kirchlichen Friedhöfen stattzufinden haben. Die Ausnahmeregelung des § 4 BestG ist danach eng zu verstehen. Ein berechtigtes Bedürfnis oder Interesse an einem privaten Bestattungsplatz im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 BestG kann daher nur angenommen werden, wenn besondere Umstände im Einzelfall das Festhalten am Friedhofszwang als unnötig oder als unzumutbare Härte erscheinen lassen. Zu einer Umkehrung des im Gesetz angelegten Regel-/Ausnahmeverhältnisses darf es hierbei nicht kommen (VG Trier, Urteil vom 23. November 2009 - 1 K 447/09.TR -, BeckRS 2009, 42294). Eine solche Besonderheit oder Härte ergibt sich nicht schon daraus, dass jemand eine besondere Verbundenheit zu seinem Grundstück oder zur Natur verspürt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1974 - VII C 36/72 -, BVerwGE 45, 224).

21

Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die eine Ausnahme vom Friedhofszwang im oben beschriebenen Sinne rechtfertigen. Soweit es ihm, wie er ausgeführt hat, ein Anliegen ist, dass seine sterblichen Überreste nicht an einem bestimmten Ort aufbewahrt, sondern vielmehr der Natur zugeführt werden, erschließt sich daraus kein zwingendes Bedürfnis nach einer privaten Bestattungsstätte in der vom Kläger beantragten Form. Auch bei einer auf einem öffentlichen Friedhof oder in einem als privater Bestattungsplatz genehmigten Friedwald vorgenommenen, anonymen Bestattung in einer biologisch abbaubaren Urne werden die sterblichen Überreste letztlich wieder Teil der Natur und kein Grabstein bindet die Erinnerung an den Verstorbenen an einen bestimmten Ort. Inwiefern eine solche Art der Bestattung nach rheinland-pfälzischem Bestattungsrecht zulässig ist oder unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Erwägungen zuzulassen wäre, mag vorliegend dahinstehen, da das Klägerbegehren hierauf nicht abzielt.

22

Des Weiteren scheitert ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der gewünschten Genehmigung auch daran, dass sein Begehren nicht auf eine Bestattung im Sinne des § 8 BestG gerichtet ist. § 8 Abs. 4 Satz 1 BestG bestimmt, dass eine Bestattung als Erd- oder als Feuerbestattung vorgenommen werden kann. Nach Satz 2 der Vorschrift ist unter Erdbestattung die Bestattung einer Leiche in einem Sarg in einer Grabstätte zu verstehen, während nach Satz 3 eine Feuerbestattung die Einäscherung der Leiche und die Beisetzung der Asche in einer Grabstätte erfordert. Unter Beisetzung ist die Übergabe der in aller Regel in einer Urne verschlossenen Aschenreste in die Erde oder einen anderen dafür bestimmten Platz zu verstehen (Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Auflage, S. 100). Die Aufzählung zulässiger Bestattungsverfahren in § 8 BestG ist abschließend.

23

Das Verstreuen der Totenasche entspricht keiner dieser beiden Bestattungsformen, insbesondere handelt es sich dabei wegen des Fehlens der nach § 8 Abs. 4 Satz 3 BestG erforderlichen Beisetzung in einer Grabstätte nicht um eine Feuerbestattung. Dies folgt bereits aus der amtlichen Begründung zu § 8 BestG. Danach wollte der Gesetzgeber mit der genannten Regelung das Verstreuen der Asche oder das Einbringen der Asche in Gewässer in Rheinland-Pfalz unterbinden. Er wies dabei zugleich auf die Möglichkeit der Überführung der Asche in ein Küstenland zur Vornahme einer Seebestattung hin (vgl. Werther/Gipp, Friedhofs- und Bestattungsrecht in Rheinland-Pfalz, Amtliche Begründung zu 3 8 BestG, S. 17). Zu letzterem sei angemerkt, dass auch auf Hoher See - jedenfalls in Deutschland - das Ausstreuen der Totenasche nicht erlaubt ist, sondern vielmehr auch im Rahmen einer Seebestattung die Beisetzung in einer - biologisch abbaubaren - Urne zu erfolgen hat (vgl. § 4 Nr. 2 Gesetz über das Verbot der Einbringung von Abfällen und anderen Stoffen und Gegenständen in die Hohe See vom 25. August 1998 [BGBl. I S. 2455]; § 15 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein vom 4. Februar 2005 [GVOBl. S. 70]; § 13 Abs. 2 Satz 3 Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Juli 1998 [GVOBl. M-V S. 617]).

24

Darüber hinaus folgt für Rheinland-Pfalz der Urnenzwang aus § 9 der Landesverordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes - BestattGDV - vom 20. Juni 1983 (GVBl. S. 133), der das Verfahren der Feuerbestattung im Einzelnen normiert. So bestimmt § 9 Abs. 3 Satz 1 BestattGDV, dass bei Vornahme einer Feuerbestattung dem Sarg vor der Einführung in die Einäscherungskammer ein hitzebeständiges Schild beizugeben ist, das die laufende Nummer der Einäscherung und den Namen der Feuerbestattungsanlage enthält. Nach der Einäscherung ist die Asche zusammen mit dem Schild unverzüglich in einer Urne zu verschließen, wobei der Urnendeckel in geprägter Schrift den Namen der Feuerbestattungsanlage, die laufende Nummer der Einäscherung, den Vor- und Familiennamen des Verstorbenen und den Tag der Einäscherung enthalten muss (Sätze 2 und 3).

25

Dieses Verfahren der Einurnung dient der Sicherung der Strafrechtspflege, da es ermöglicht, Aschereste auch nach längerer Zeit noch einer behördlichen Untersuchung zu unterziehen (Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Auflage 2004, S. 214). Angesichts dieser Zwecksetzung ist davon auszugehen, dass die Asche nicht nur - wie von § 9 Abs. 3 BestattGDV vorgegeben - nach der Einäscherung in einer Urne zu verschließen ist, sondern auch die Beisetzung der Asche in dieser Urne zu erfolgen hat. Würde die Asche hingegen verstreut, liefe dies der genannten Zwecksetzung zuwider.

26

Der in § 4 Abs. 1 BestG normierte Friedhofszwang und der aus §§ 8 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. 9 BestattGDV resultierende Urnenzwang hindern somit die Genehmigungsfähigkeit des klägerischen Begehrens. Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung verstoßen die genannten Bestimmungen nicht gegen höherrangiges Recht. Das Recht des Einzelnen, Art und Ort seiner Bestattung zu bestimmen, ist zwar von der durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1974 - VII C 36/72 -, BVerwGE 45, 224). Soweit diese durch den Friedhofs- und den Urnenzwang beschränkt wird, sind entsprechende Regelungen jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung hinzunehmen. Hiernach ist es legitim, wenn der Gesetzgeber mit Regelungen wie den hier in Streit stehenden Rücksicht nimmt auf ganz überwiegend bestehende Gepflogenheiten und die dadurch geprägten Empfindungen der Bevölkerung. So konstatierte das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 1974 bei einem Großteil der Bevölkerung eine "verbreitete Scheu vor dem Tode und seinen Erscheinungsformen" (BVerwG, a. a. O.). Ferner nannte das Gericht den von Art. 1 Abs. 1 GG geforderten Schutz der Totenruhe als weiteres vom Gesetzgeber zulässig verfolgbares Ziel. Zugleich wies es aber darauf hin, dass weder das in Art. 2 Abs. 1 GG genannte Sittengesetz noch Rechte Dritter den Friedhofs- und den Urnenzwang erforderlich machten (BVerwG, a. a. O.).

27

Die zitierte Rechtsprechung zum Friedhofs- und Urnenzwang ist nicht als von den tatsächlichen Entwicklungen überholt anzusehen. Sie beansprucht vielmehr nach wie vor Geltung. Dabei muss dahingestellt bleiben, ob andere, möglicherweise großzügigere Regelungen zu Orten und Arten der Bestattung rechtspolitisch denkbar oder gar wünschenswert wären. Der Einzelne muss sich nämlich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, die Eigenständigkeit der Person bleibt gewahrt (BVerfG, Entscheidung vom 29. Juni 1965 - 1 BvR 289/62, BVerfGE 19, 93; Beschluss vom 28. Februar 1979 - 1 BvR 317/74, BVerfGE 50, 256). Der Gesetzgeber verfügt mithin über einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend, welche gesellschaftspolitischen Ziele er verfolgt und welcher Mittel zu deren Erreichung er sich bedient, solange Verfassungsgrundsätze dabei nicht verletzt werden (BVerfG, Entscheidung vom 25. Februar 1960 - 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354). Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum ist umso weiter, je geringfügiger die Handlungsfreiheit des Einzelnen berührt wird (BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1979 - 1 BvR 317/74, BVerfGE 50, 256). Dies vorangestellt, erweist sich der Friedhofs- und Urnenzwang auch heute noch als im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zumindest vertretbar.

28

Der von Art. 1 GG und § 168 StGB gewährleistete Schutz der Totenruhe ebenso wie die in § 8 Abs. 1 BestG genannten Schutzgüter der Würde des Toten und des sittlichen Empfindens der Allgemeinheit erfordern es, dass staatlicherseits strukturell Vorsorge getroffen wird für einen pietätvollen Umgang mit den Überresten Verstorbener. Zur Erfüllung dieses Schutzauftrags steht dem Gesetzgeber, wie gesehen, ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dabei erweist sich die Vorhaltung öffentlicher Begräbnisstätten verbunden mit einem grundsätzlichen Zwang zur Nutzung derselben (Friedhofszwang) als jedenfalls geeignet, den würdevollen Umgang mit dem Tod und den Toten zu gewährleisten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine weniger restriktive Handhabung des Friedhofszwangs und damit einhergehend eine großzügigere Bewilligung privater Bestattungsplätze in einer Vielzahl von Fällen dazu führen würde, dass einem Teil der Lebenden ein Ort der Erinnerung an den Verstorbenen nicht mehr zur Verfügung stünde, sei es, weil sie nicht wüssten, wo der Bestattungsplatz des Toten sich befindet, oder weil ihnen kein Zugang zu demselben gewährt würde. Freilich wiegt ein dahingehender Wille des Verstorbenen, dass es keine Stätte der Erinnerung an ihn geben soll, stärker als das "Recht der Lebenden" auf eine solche. Um einem solchen Wunsch im Einzelfall gerecht zu werden, stehen jedoch, wie oben bereits angemerkt, die Instrumente der anonymen Bestattung und der Seebestattung zur Verfügung. Einer Aufhebung des Friedhofszwangs bedarf es hierfür nicht.

29

Zwar trifft es zu, wenn der Kläger darauf hinweist, dass teilweise in anderen Staaten, beispielsweise in der Schweiz und den Niederlanden, die Herausgabe von Urnen an Hinterbliebene oder das Verstreuen der Totenasche liberaler gehandhabt werden als dies in Rheinland-Pfalz der Fall ist. Dies gilt auch mit Blick auf einige andere Bundesländer wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, das derzeit in Deutschland über das wohl liberalste Bestattungsrecht verfügen dürfte. Ungeachtet dessen, dass solche Unterschiede im föderalen System und erst recht im supranationalen Staatenverbund hinzunehmen sind, ist festzustellen, dass die Regelung in Nordrhein-Westfalen im Ansatz an ebenjenen Problemen leidet, die durch das Festhalten am Friedhofs- und Beisetzungszwang vermieden werden sollen. So kann nach § 15 Abs. 6 Satz 2 Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen Nordrhein-Westfalen - BestG NRW - (GV NRW S. 313) vom 17. Juni 2003 die Behörde das Verstreuen der Totenasche auf einem Grundstück außerhalb des Friedhofs genehmigen, wenn diese Beisetzung von Todes wegen verfügt und der Behörde nachgewiesen ist, dass die Beisetzung bodennutzungsrechtlich zulässig ist, der Beisetzungsort nicht in einer der Totenwürde widersprechenden Weise genutzt wird und dauerhaft öffentlich zugänglich ist. Zugleich heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 15 BestG NRW, dass die dauerhafte Achtung der Totenruhe an Orten außerhalb eines Friedhofs, an denen Totenasche verstreut wurde, nicht erforderlich sei, da Totenwürde und Totenruhe nach dem Verstreuen keinen örtlichen Bezugspunkt mehr hätten (Landtag Nordrhein-Westfalen, 17. Juni 2002, LT-Drucks 13/2728, S. 26). Offen ist damit angesichts der schon dem Gesetz und seiner Begründung innewohnenden Widersprüchlichkeit die Beantwortung so essentieller Fragen wie jener nach der späteren Nutzbarkeit oder ggf. Bebaubarkeit eines Grundstücks, das zum Verstreuen von Totenasche genutzt wurde. Ob auf diese Weise ein angemessener Ausgleich gefunden wurde zwischen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Recht des Einzelnen auf Bestimmung von Art und Ort seiner Bestattung und der von Art. 1 GG geschützten postmortalen Würde mag dahinstehen.

30

Schließlich hat sich zwar auch mit Blick auf Fragen der Trauer- und Bestattungskultur seit Mitte der 70er Jahre, als das Bundesverwaltungs- und das Bundesverfassungsgericht zuletzt zu diesen Fragen Stellung bezogen haben, ein Werte- und Bewusstseinswandel vollzogen. Dieser hat jedoch nicht erkennbar dazu geführt, dass der Friedhofszwang heute nach dem sittlichen Empfinden eines Großteils oder gar der Mehrheit der Bevölkerung überflüssig wäre. Vielmehr existiert nach wie vor die Gepflogenheit, Tote an dafür vorgesehenen und geschützten öffentlichen Ruhe- und Erinnerungsstätten zu bestatten.

31

Vorstehendes trifft in Teilen auch auf den Urnenzwang zu, soweit dieser isoliert in den Blick genommen wird. Aschenreste genießen den gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie erdbestattete Leichen (OVG RP, Beschluss vom 4. Februar 2010 - 7 A 11390/09.OVG -, BeckRS 2010, 46180). Darüber hinaus steht dem Verstreuen von Totenasche im privaten Bereich, wie es der Kläger für sich in Anspruch nehmen will, die Scheu der Bevölkerung vor einer unerwünschten Konfrontation mit dem Tod entgegen (so schon BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1974 - VII C 36/72 -, BVerwGE 45, 224). Ob diese Belange sowie die oben bereits erwähnten Bedürfnisse der Strafrechtspflege auch einer Zulassung des Verstreuens von Asche im geschützten Bereich öffentlicher Friedhöfe entgegen gehalten werden könnten, erscheint zweifelhaft, ist jedoch vorliegend nicht zu entscheiden.

32

Erweist sich die Klage mithin als unbegründet, sind dem Kläger gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

33

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 VwGO, denn die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Friedhofs- und des Urnenzwangs hat grundsätzliche Bedeutung.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 168 Störung der Totenruhe


(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug ver

Referenzen

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.