Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Dez. 2011 - 11 K 2043/11

bei uns veröffentlicht am08.12.2011

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 30. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04. Mai 2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung.
Der Kläger ist am ... in Sri Lanka als dortiger Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit geboren. 1993 kam er nach Deutschland. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.08.1993 wurde der Kläger als Asylberechtigter anerkannt. Er ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und eines Reiseausweises nach der GFK. Im Jahre 1999 heiratete der Kläger in Stuttgart eine ebenfalls sri-lankesische Staatsagehörige. Diese ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Aus dieser Ehe ging am 02.09.1999 die Tochter ... hervor, die seit ihrer Einbürgerung am 12.03.2009 deutsche Staatsangehörige ist.
Der Kläger hat am 09.10.2003 bei der Beklagten seine Einbürgerung beantragt. Die Zusammenstellung der notwendigen Unterlagen erbrachte zunächst keine Beanstandungen, allerdings erreichte der Kläger bei dem von ihm absolvierten Sprachtest am 14.10.2005 nur 48 Punkte, weshalb der Test als nicht bestanden galt. Erst in einem zweiten Versuch, nach weiterem Besuch des Sprachkurses, war der Kläger insoweit erfolgreich.
Bereits unter dem 11.04.2005 hatte der Kläger auf einem von der Beklagten vorgelegten Formblatt die Loyalitätserklärung zum Einbürgerungsantrag unterzeichnet. Unter Ziffer 1 dieses Formblattes ist darin ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes formuliert, verbunden mit der Erklärung, insbesondere, a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen, b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung und Gesetz und Recht, c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition, d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, e) die Unabhängigkeit der Gerichte, f) den Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte anzuerkennen.
Zugleich bestätigte der Kläger auf Grund des Vordruckes in diesem Formular mit seiner Unterschrift, dass er keine Bestrebungen verfolge oder unterstütze oder verfolgt oder unterstützt habe, die a) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder b) eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziel haben oder c) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
Schließlich versicherte der Kläger mit seiner Unterschrift zudem, über die Bedeutung seines Bekenntnisses und der Erklärung sei er schriftlich und mündlich belehrt worden.
In einem Aktenvermerk der Beklagten ist am Ende des verwendeten Formblattes festgehalten, dass durch ein persönliches Gespräch festgestellt worden sei, dass der Einbürgerungsbewerber über Grundkenntnisse der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland verfüge.
Im weiteren Verlauf teilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg der Beklagten auf Anfrage unter dem 23.01.2006 zunächst mit, die Überprüfung des Klägers könne noch nicht abgeschlossen werden; nach Abschluss der Bearbeitung ergehe unaufgefordert weitere Nachricht. Gleichwohl vermerkte die sachbearbeitende Person bei der Beklagten im Rahmen der weiteren Verfahrensbearbeitung am 23.02.2006, beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg lägen keine nachteiligen Erkenntnisse vor und verfügte, die Einbürgerung sei zu vollziehen. Dies geschah schließlich durch Übergabe der Einbürgerungsurkunde am 08.03.2006.
Im Juni 2006 bemerkte die Beklagte im Rahmen der Bearbeitung des Einbürgerungsverfahrens eines anderen sri-lankesischen Staatsangehörigen den vorliegenden Fehler. Mit weiterer Stellungnahme vom 18.10.2006 teilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg der Beklagten zudem mit, der Vorgang bezüglich des Klägers sei inzwischen an das Innenministerium Baden-Württemberg weitergeleitet worden. Von dort erhielt die Beklagte schließlich am 14.11.2006 die Mitteilung, der Kläger sei im Zusammenhang mit den Befreiungstigern von Tamil Elam (LTTE) bekannt geworden, es sei zweifelhaft, ob der Kläger die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfülle. Auf mehrere Vorkommnisse zwischen 1993 und 2006 wurde verwiesen. U.a. sei er 1. Vorsitzender des Vereins "Kulturvereinigung der Tamilen e.V." in ... Die LTTE sei eine links-extremistische separatistische Tamilenorganisation.
10 
Am 21.11.2006 hörte die Beklagte den Kläger sodann zu einer beabsichtigten Rücknahme seiner Einbürgerung an. Hierbei verwies sie auf die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Bei der Abgabe seiner Loyalitätserklärung am 11.04.2005 habe der Kläger der Staatsangehörigkeitsbehörde trotz entsprechender Belehrung keinen Hinweis auf seine Aktivitäten in der LTTE und deren Tarn- und Nebenorganisationen gegeben. Durch Abgabe einer wahrheitswidrigen Loyalitätserklärung habe er einen aktiven und kausalen Beitrag für das Zustandekommen einer rechtswidrigen Einbürgerung geleistet.
11 
Der Kläger trat dem mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 02.01.2007 entgegen. Ein tatsächlicher Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG liege nicht vor. Im Übrigen habe sich der Kläger längstens von der LTTE abgewandt. Einen Freiheitskampf, der mit Gewalt geführt werde, habe er zu keinem Zeitpunkt unterstützen wollen. Entsprechend sei er in ... lediglich im Rahmen einer Kulturvereinigung der Tamilen aktiv gewesen. Derartige Vereinsveranstaltungen könnten nicht der LTTE zugerechnet werden.
12 
Auf weitere Anfrage der Beklagten teilte das Innenministerium Baden-Württemberg ergänzend mit, der Kläger sei auch im Jahre 2007 noch für die „Kulturvereinigung der Tamilen e.V.“ in ... in Erscheinung getreten. Für diese habe er am 25.07.2007 eine Veranstaltung angemeldet und er sei mit Stand März 2007 im Vereinsregister des Amtsgerichts ... auch noch als 1. Vorsitzender genannt.
13 
Mit Verfügung vom 30.08.2007 nahm die Beklagte daraufhin die Einbürgerung des Klägers vom 08.03.2006 mit Wirkung ab Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück und forderte den Kläger auf, die Einbürgerungsurkunde selbst innerhalb einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft dieser Verfügung zurückzugeben. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, gestützt auf die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg ergebe sich, dass die am 11.04.2005 abgegebene Loyalitätserklärung wahrheitswidrig gewesen sei. Da der Kläger seine bisherigen Aktivitäten für die LTTE verschwiegen habe, lege dies den Schluss nahe, dass er von vorn herein nicht die Absicht gehabt habe, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen und sich ihr gegenüber loyal zu verhalten. Der Kläger habe daher die Einbürgerungsbehörde bewusst über das Vorliegen einer wesentlichen Einbürgerungsvoraussetzung getäuscht. Die Einbürgerung selbst sei daher rechtswidrig und könne nach § 48 Abs. 1 LVwVG zurückgenommen werden. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erteilten Einbürgerung überwiege das Interesse des Klägers am weiteren Bestand. Die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts könne nicht der Verwaltung, sondern müsse dem vom Kläger gezeigten Verhalten zugerechnet werden. Im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung überwiege das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes.
14 
Der Kläger hat gegen diese Verfügung fristgerecht Widerspruch eingelegt. Die Bearbeitung dieses Widerspruchs zog sich zunächst hin.
15 
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2011 schließlich, zugestellt am 06.05.2011, wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung heißt es dort u. a., mit Änderung des Staatangehörigkeitsgesetztes zum 05.02.2009 müsse die erfolgte Rücknahme der Einbürgerung nunmehr an der speziellen Ermächtigungsgrundlage des § 35 StAG gemessen werden. Dessen Vorgaben seien hier erfüllt. Die Einbürgerung des Klägers sei einerseits rechtswidrig und andererseits sei sie durch arglistige Täuschung des Klägers erwirkt worden. Der Kläger habe seine Aktivitäten für die LTTE im Einbürgerungsverfahren bewusst verschwiegen, obwohl er bei der Abgabe seines Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Loyalitätserklärung im April 2005 über die Bedeutung schriftlich und mündlich belehrt worden sei. Dies lasse den Schluss zu, dass es an einem ernsthaften Bekenntnis und einem entsprechenden loyalen Verhalten fehle. Die im Verwaltungsverfahren abgegebenen Erklärungen des Klägers hätten die entsprechenden Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht ausräumen können. Dem Kläger sei auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit der terroristische und mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarende Charakter der LTTE bewusst gewesen. Es sei ihm daher bei Abgabe der Loyalitätserklärung ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der LTTE für die Einbürgerung von maßgeblicher Bedeutung waren. Dadurch, dass er sie gleichwohl verleugnet habe, habe er die Einbürgerungsbehörde vorsätzlich über wesentliche Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht und dadurch seine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt. Hätte er damals eine wahrheitsgemäße Erklärung abgegeben, wäre die Einbürgerung abgelehnt worden. Es spiele in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Rolle, dass der Einbürgerungsbehörde auf Grund eines Versehens erst nachträglich bekannt geworden sei, dass einschlägige Erkenntnisse über den Kläger bereits vorlagen. Denn der Einbürgerungsbewerber müsse aus sich heraus erkennen lassen, dass er auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. Hierüber aber habe der Kläger die Behörde bei der Abgabe seiner Loyalitätserklärung in entscheidungserheblicher Weise getäuscht. Es genüge, wenn die unrichtigen Angaben zwar nicht wesentlich, aber doch kausal für den Erlass des Verwaltungsaktes gewesen seien und zugleich den Tatbestand der arglistigen Täuschung erfüllten. Hierfür genüge jegliche Form des Vorsatzes. Arglistig handele, wer Angaben mache, deren Unrichtigkeit ihm bewusst sei oder deren Unrichtigkeit er für möglich halte, jedoch in Kauf nehme. Unrichtige Angaben seien stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Einbürgerungsbehörde hiernach gefragt habe oder nicht. Im Rahmen der Ermessensausübung sei zu Recht festgestellt worden, dass das öffentliche Interesse an der Rücknahme der rechtswidrig erteilten Einbürgerung überwiege. Dass der Kläger staatenlos werde, stehe nach § 35 Abs. 2 StAG der Rücknahmeentscheidung in der Regel nicht entgegen. Dem Kläger stehe weiterhin ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu.
16 
Der Kläger hat am 6. Juni 2011 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Der Kläger habe seine Aktivitäten im Rahmen der Kulturvereinigung der Tamilen in ... bereits im Jahre 2007 eingestellt und auch seinen Austritt aus diesem Verein erklärt. Es läge kein Beweis dafür vor, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt gegen sein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verstoßen habe.
17 
Der Kläger beantragt,
18 
die Verfügung der Beklagten vom 30. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4. Mai 2011 aufzuheben.
19 
Die Beklagte beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angegriffenen Bescheide.
22 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Das Gericht konnte vorliegend durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
24 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten daher durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
25 
Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass sich die behördliche Entscheidung, nachdem im laufenden Widerspruchsverfahren der insoweit maßgebliche § 35 StAG als lex specialis in Kraft getreten ist und die Anwendung von 48 LVwVfG nunmehr ausscheidet, an der erstgenannten Norm messen lassen muss.
26 
Danach ist die Rücknahme einer Einbürgerung nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung zulässig und zwar, wenn sie rechtswidrig erfolgt ist und dieser Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.
27 
Die zeitlichen Voraussetzungen sind danach zwar gegeben. Auch war die Einbürgerung des Klägers im Jahre 2006 rechtswidrig.
28 
Die erkennende Kammer hat bereits im Jahre 2010 (Urt. v. 07.01.2010 - 11 K 1108/09 -, zit. n. ) entschieden, dass im Falle einer Vorstandstätigkeit - wie hier beim Kläger - im Verein "Kulturvereinigung der Tamilen e.V." in ... eine Einbürgerung ausscheidet. Die Entscheidung betraf seinerzeit den 2. Vorsitzenden und gilt umso mehr für den Kläger, als im Zeitpunkt seiner Einbürgerung 1. Vorsitzenden dieses Vereins. Der Berichterstatter hält hieran fest.
29 
Die Beklagte, der insoweit die Beweisführungslast obliegt, vermochte aber nicht den Nachweis zu führen, dass die sonach rechtswidrige Einbürgerung des Klägers durch arglistige Täuschung bzw. durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für den Vollzug dieser Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist.
30 
Eine arglistige Täuschung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn der Betreffende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem am Erlass des Verwaltungsaktes maßgeblich beteiligten Bediensteten der Behörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben über objektive Tatsachen sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Behörde hiernach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Behörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Betreffende auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Behörde auf Grund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder – umgekehrt – hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.1985 - 2 C 30/84 -, DVBl 1986, 148).
31 
Die Behörde hat den Kläger im Einbürgerungsverfahren nicht nach Bezügen zur LTTE befragt, obwohl dies bei einem Staatsangehörigen Sri Lankas tamilischer Volkszugehörigkeit, der hier als Asylberechtigter anerkannt ist, ausgesprochen nahe lag. Eine unwahre Tatsachenbehauptung diesbezüglich hat der Kläger im Einbürgerungsverfahren insoweit also auch nicht angebracht. Der Kläger musste im Zeitpunkt seiner Einbürgerung aber auch noch nicht erkennen, dass er von sich aus auf seine Stellung als 1. Vorsitzender der „Kulturvereinigung der Tamilen e. V.“ in ... hätte hinweisen müssen, weil er hätte erkennen müssen, dass gerade diese Tatsache für die Entscheidung der Behörde erheblich gewesen wäre. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zur Schädlichkeit einer derartigen Aktivität im Einbürgerungsverfahren datiert erst von Anfang 2010, erging also beinahe vier Jahre nach der Einbürgerung des Klägers. Zu diesem Zeitpunkt musste der Kläger aber auch nicht davon ausgehen, jedwede Betätigung für eine tamilische Exil-Organisation wäre insoweit im Einbürgerungsverfahren von Interesse und müsse offenbart werden. So hat das erkennende Gericht etwa im Falle der "Thamiliyam ... e.V.", eine solche Feststellung nicht zu treffen vermocht (vgl. das Urteil der Kammer vom 14.01.2008 - 11 K 5097/07 -, n.vö.).
32 
Damit rückt - insoweit sind die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart konsequent - die Frage in den Blickpunkt, ob der Kläger durch Unterzeichnung des Formblattes zur Loyalitätserklärung zum Einbürgerungsantrag am 11.04.2005 eine solche arglistige Täuschung bzw. unrichtige Tatsachenbehauptung unternommen hat.
33 
Daran bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel, weil nicht zu erkennen ist, ob das Gesetz über die formelle Abgabe dieser Erklärungen hinaus auch ihre inhaltliche Richtigkeit voraussetzt (mit beachtlichen Gründen dagegen Berlit in: GK-StAR § 10 StAG Rz 144 ff; zweifelnd ebenso VG München, Urt. v. 22.02.2010 - M 25 K 09.2704 -, zit. n. ). Entsprechend fällt schon auf, dass in der Rechtsprechung in der Vergangenheit die Rücknahme einer Einbürgerung wegen arglistiger Täuschung zwar häufig wegen verschwiegener „Doppel-Ehe“, einer „Schein-Ehe“, strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder Verurteilungen, erörtert wird, aber praktisch nie in Zusammenhang mit der Abgabe einer Loyalitätserklärung.
34 
Entscheidend ist aber hierbei, dass sowohl das unter Ziffer 1 des Formblattes vom Kläger abgegebene Bekenntnis als auch die von ihm hernach abgegebene Bestätigung politische Deutungen und Wertungen voraussetzt. Eine arglistige Täuschung bzw. die Abgabe unrichtiger Tatsachenbehauptungen könnte dem Kläger insoweit nur vorgehalten werden, wenn nachzuweisen wäre, dass er im Zeitpunkt seiner Unterschrift unter dieses Formblatt, am 11.04.2005, sich über die Widersprüchlichkeit seines Exil-politischen Tuns und der Abgabe seines Bekenntnisses bzw. der nachfolgen Erklärung hinlänglich bewusst gewesen ist. Dies ist aber nicht zu erkennen. Soweit der Kläger im Rahmen seiner Unterschrift unter das von der Beklagten ihm vorgelegte Formblatt auch die Versicherung abgegeben hat, über die Bedeutung seines Bekenntnisses und der Erklärung sei er schriftlich und mündlich belehrt worden, genügt dies - jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht. Der Kläger hat nämlich noch sechs Monate später, im Oktober 2005, den von ihm absolvierten deutschen Sprachtest nicht bestanden und von 100 möglichen Punkten lediglich 48 erreicht. Wenn solche Defizite bereits im Rahmen eines vergleichsweise einfachen Sprachtests zu Tage traten, so liegt die Feststellung nahe, der Kläger könne unmöglich ein halbes Jahr früher einen derart differenzierten Text, bestehend aus schwierigsten Vokabeln und überaus komplizierten Satzkonstruktionen, die zugleich eine umfassende politische Bedeutung beinhalten, wirklich verstanden haben. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dem Kläger sei das entsprechende Formblatt als Einbürgerungsvoraussetzung vorgelegt worden und er hat es eben unterschrieben. Dass er diesbezüglich zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, eine entsprechende Arglist zu entwickeln, ist gänzlich unwahrscheinlich. Entsprechende Anhaltspunkte vermochte die Beklagte auch nicht anzugeben.
35 
Im Übrigen hätte die Beklagte im Einbürgerungsverfahren des Klägers nach Vorlage des misslungenen Deutschtests im Oktober 2005 durchaus Anlass gehabt, von sich aus die bereits im April 2005 abgegebene Loyalitätserklärung des Klägers einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dies mag dahinstehen.
36 
Ein weiteres kommt hinzu. Im Rahmen des Rücknahmeverfahrens ist es den Behörden auch nicht gelungen darzutun, in Bezug auf welchen Umstand konkret der Kläger arglistig getäuscht bzw. eine unrichtige Tatsachenbehauptung abgegeben haben könnte. Das im Rahmen der Loyalitätserklärung abgegebene Bekenntnis zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und die hierzu im Einzelnen abgegebenen Erklärungen stellen im Wesentlichen politisch-programmatische Aussagen dar. Das Problem des politischen Extremismus ist aber, dass er häufig dieselben politisch-programmatischen Aussagen für sich in Anspruch nimmt, sie aber mit anderen Inhalten verbindet. So versteht sich die LTTE als Kämpfer für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des tamilischen Volkes. Zumindest verbal nimmt sie die Achtung der Menschenrechte und den Ausschluss von Gewalt- und Willkürherrschaft für sich in Anspruch, wohingegen sie der singhalesischen Regierungsmehrheit in Sri Lanka eben dieses abspricht. Es ist das Wesen politischer Verblendung, dass sie objektive Wertungen außer Acht lässt. Schon unabhängig von den zu konstatierenden sprachlichen Defiziten (vgl. oben) ist daher nicht nachzuweisen, dass der Kläger bei Abgabe seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung willentlich und bewusst von einer anders lautenden politischen Auffassung absichtsvoll getragen war.
37 
Dasselbe gilt schließlich für die auf diesem Vordruck vom Kläger abgegebene Erklärung, keine inkriminierten Bestrebungen zu verfolgen, zu unterstützen oder verfolgt oder unterstützt zu haben. Zum sprachlichen Verständnis dessen gilt das oben Ausgeführt. Aber auch für die inhaltliche Bewertung gilt nichts anderes. Dass der Kläger seine Aktivitäten für die „tamilische Sache“ hier zutreffend hätte einordnen können - in Frage gekommen wären am ehesten Bestrebungen, die durch Vorbereitungshandlungen zur Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden -, ist mehr als zweifelhaft. Eine bewusst unrichtige Tatsachenbehauptung bzw. eine bewusste arglistige Täuschung ist dem Kläger diesbezüglich nicht nachweisbar. Der Kläger hätte insoweit aus der Formulierung des von der Beklagten verwendeten Vordruckes in Ansehung seiner Aktivitäten zugunsten der LTTE den Hauptsatz „destillieren“ müssen, dass er nichts tue oder getan habe, was letztlich - etwa auch in den Kampfgebieten Sri Lankas - zu Gewaltanwendung führt, wodurch die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, also ihr Verhältnis zur Regierung Sri Lankas, beeinträchtigt wurde oder wird. Der Berichterstatter hegt schon gewisse Zweifel, ob insoweit eine Gefährdung der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland überhaupt zu gewärtigen war. Nach Lage der Dinge dürfte es für die Regierung Sri Lankas in der Vergangenheit im bi-lateralen Verhältnis schon schwierig gewesen sein, dass die Bundesrepublik Staatsangehörigen Sri Lankas die Asylanerkennung zusprach und damit, mit einer gewissen völkerrechtlichen Verbindlichkeit, gegenüber der dortigen Regierung den Vorwurf der politischen Verfolgung erhob. Dass dem Kläger bei Abgabe der Loyalitätserklärung im April 2005 bewusst war, dass er für Aktivitäten verantwortlich zeichnete, die letztlich die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten, weshalb seine gegenteilige Erklärung in dem ihm vorgelegten Formblatt von Arglist getragen war, ist nach Lage der Dinge nicht feststellbar.
38 
Ein weiteres kommt hinzu. Selbst im Falle der Annahme einer durch arglistige Täuschung erlangten Einbürgerung erfordert die Entscheidung über eine Rücknahme derselben gemäß § 35 StAG eine - den Umständen des Falles entsprechende - Ermessensbetätigung, wobei das Gesetz insoweit nicht von einem intendierten Ermessen ausgeht (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 24.02.2011 - 1 A 327/10 -, zit. n. =NVwZ-RR 2011, 654). Auch insoweit weisen die behördlichen Verfügungen Mängel auf, die zu ihrer Aufhebung führen müssen. Die fehlerhafte Einbürgerung des Klägers, die im Übrigen bemerkenswerte Parallelen zu dem vom Berichterstatter mit Urteil vom 19.09.2007 (- 11 K 2800/06 -, ) entschiedenen Fall aufweist, beruht ganz eindeutig nicht allein ursächlich auf dem Verhalten des Klägers, selbst wenn dieses als arglistige Täuschung zu qualifizieren wäre. Anders als etwa in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber arglistig über das Vorliegen einer sogenannten „Scheinehe“ täuscht oder er etwa gegen ihn anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren bewusst verschweigt und hierdurch die Einbürgerungsbehörde zu einem fehlerhaften Handeln verleitet, liegt im vorliegenden Fall zusätzlich ein Behördenfehler vor, der - im Sinne einer Kausalitäts-Qualifizierung - dem von den Behörden an den Kläger gerichteten Vorwurf durchaus gleichkommt. Der Kläger hat seine exil-politischen Aktivitäten zugunsten der LTTE in aller Offenheit in ... betrieben. Die Beklagte verfügt auch durch das Instrument der sogenannten „Regel-Anfrage“ an das Landesamt für Verfassungsschutz über die Möglichkeit, sicherheitsrelevante Bedenken in einem Einbürgerungsverfahren zu Tage zu fördern. Wenn - wie hier - eine Information des Landesamtes für Verfassungsschutz, wie diejenige vom 23.01.2006, die Überprüfung des Klägers könne noch nicht abgeschlossen werden, dahingehend „gedeutet“ wird, es lägen keine nachteiligen Erkenntnisse vor, und infolge dessen die Einbürgerung vollzogen wird, so kann an der Mitursächlichkeit dieses Behördenfehlers an der Einbürgerung des Klägers nicht gezweifelt werden. Selbst bei Annahme einer arglistigen Täuschung durch den Kläger müsste solches im Rahmen des Rücknahmeermessens dann aber berücksichtigt werden. Der Vorwurf der „Arglist“ wiegt dann geringer, wenn die Behörde über ein Instrumentarium verfügt, dass ihr an sich eine korrekte Lagebeurteilung unabhängig von den Angaben des Betreffenden erlaubt hätte, sie dieses aber nicht oder fehlerhaft einsetzt. Entsprechende Erwägungen fehlen im Rahmen der Ermessensbetätigung der Behörden. Im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart wird angenommen, dieser Fehler spiele in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Rolle. Im Ausgangsbescheid der Beklagten heißt es sogar, die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts könne nicht der Verwaltung, sondern müsse dem vom Kläger gezeigten Verhalten zugerechnet werden. Beides ist in dieser Absolutheit unrichtig. Eine korrekte Ermessensbetätigung hätte daher zumindest erfordert, dass die eigenen Fehler in Beziehung zum Vorwurf, der dem Kläger zu machen wäre, gesetzt werden. Das völlige Außerachtlassens dieses Zusammenhangs macht die getroffene Ermessensentscheidung ebenfalls rechtswidrig (§ 114 Satz 1 VwGO).
39 
Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist schließlich auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde, nachdem die Rücknahme der Einbürgerung nach dem oben Gesagten aufgehoben werden musste (vgl. § 52 LVwVfG).
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
23 
Das Gericht konnte vorliegend durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
24 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten daher durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
25 
Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass sich die behördliche Entscheidung, nachdem im laufenden Widerspruchsverfahren der insoweit maßgebliche § 35 StAG als lex specialis in Kraft getreten ist und die Anwendung von 48 LVwVfG nunmehr ausscheidet, an der erstgenannten Norm messen lassen muss.
26 
Danach ist die Rücknahme einer Einbürgerung nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung zulässig und zwar, wenn sie rechtswidrig erfolgt ist und dieser Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.
27 
Die zeitlichen Voraussetzungen sind danach zwar gegeben. Auch war die Einbürgerung des Klägers im Jahre 2006 rechtswidrig.
28 
Die erkennende Kammer hat bereits im Jahre 2010 (Urt. v. 07.01.2010 - 11 K 1108/09 -, zit. n. ) entschieden, dass im Falle einer Vorstandstätigkeit - wie hier beim Kläger - im Verein "Kulturvereinigung der Tamilen e.V." in ... eine Einbürgerung ausscheidet. Die Entscheidung betraf seinerzeit den 2. Vorsitzenden und gilt umso mehr für den Kläger, als im Zeitpunkt seiner Einbürgerung 1. Vorsitzenden dieses Vereins. Der Berichterstatter hält hieran fest.
29 
Die Beklagte, der insoweit die Beweisführungslast obliegt, vermochte aber nicht den Nachweis zu führen, dass die sonach rechtswidrige Einbürgerung des Klägers durch arglistige Täuschung bzw. durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für den Vollzug dieser Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist.
30 
Eine arglistige Täuschung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn der Betreffende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, jedoch in Kauf nahm, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem am Erlass des Verwaltungsaktes maßgeblich beteiligten Bediensteten der Behörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben über objektive Tatsachen sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Behörde hiernach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Behörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Betreffende auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Behörde auf Grund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder – umgekehrt – hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.1985 - 2 C 30/84 -, DVBl 1986, 148).
31 
Die Behörde hat den Kläger im Einbürgerungsverfahren nicht nach Bezügen zur LTTE befragt, obwohl dies bei einem Staatsangehörigen Sri Lankas tamilischer Volkszugehörigkeit, der hier als Asylberechtigter anerkannt ist, ausgesprochen nahe lag. Eine unwahre Tatsachenbehauptung diesbezüglich hat der Kläger im Einbürgerungsverfahren insoweit also auch nicht angebracht. Der Kläger musste im Zeitpunkt seiner Einbürgerung aber auch noch nicht erkennen, dass er von sich aus auf seine Stellung als 1. Vorsitzender der „Kulturvereinigung der Tamilen e. V.“ in ... hätte hinweisen müssen, weil er hätte erkennen müssen, dass gerade diese Tatsache für die Entscheidung der Behörde erheblich gewesen wäre. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zur Schädlichkeit einer derartigen Aktivität im Einbürgerungsverfahren datiert erst von Anfang 2010, erging also beinahe vier Jahre nach der Einbürgerung des Klägers. Zu diesem Zeitpunkt musste der Kläger aber auch nicht davon ausgehen, jedwede Betätigung für eine tamilische Exil-Organisation wäre insoweit im Einbürgerungsverfahren von Interesse und müsse offenbart werden. So hat das erkennende Gericht etwa im Falle der "Thamiliyam ... e.V.", eine solche Feststellung nicht zu treffen vermocht (vgl. das Urteil der Kammer vom 14.01.2008 - 11 K 5097/07 -, n.vö.).
32 
Damit rückt - insoweit sind die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart konsequent - die Frage in den Blickpunkt, ob der Kläger durch Unterzeichnung des Formblattes zur Loyalitätserklärung zum Einbürgerungsantrag am 11.04.2005 eine solche arglistige Täuschung bzw. unrichtige Tatsachenbehauptung unternommen hat.
33 
Daran bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel, weil nicht zu erkennen ist, ob das Gesetz über die formelle Abgabe dieser Erklärungen hinaus auch ihre inhaltliche Richtigkeit voraussetzt (mit beachtlichen Gründen dagegen Berlit in: GK-StAR § 10 StAG Rz 144 ff; zweifelnd ebenso VG München, Urt. v. 22.02.2010 - M 25 K 09.2704 -, zit. n. ). Entsprechend fällt schon auf, dass in der Rechtsprechung in der Vergangenheit die Rücknahme einer Einbürgerung wegen arglistiger Täuschung zwar häufig wegen verschwiegener „Doppel-Ehe“, einer „Schein-Ehe“, strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder Verurteilungen, erörtert wird, aber praktisch nie in Zusammenhang mit der Abgabe einer Loyalitätserklärung.
34 
Entscheidend ist aber hierbei, dass sowohl das unter Ziffer 1 des Formblattes vom Kläger abgegebene Bekenntnis als auch die von ihm hernach abgegebene Bestätigung politische Deutungen und Wertungen voraussetzt. Eine arglistige Täuschung bzw. die Abgabe unrichtiger Tatsachenbehauptungen könnte dem Kläger insoweit nur vorgehalten werden, wenn nachzuweisen wäre, dass er im Zeitpunkt seiner Unterschrift unter dieses Formblatt, am 11.04.2005, sich über die Widersprüchlichkeit seines Exil-politischen Tuns und der Abgabe seines Bekenntnisses bzw. der nachfolgen Erklärung hinlänglich bewusst gewesen ist. Dies ist aber nicht zu erkennen. Soweit der Kläger im Rahmen seiner Unterschrift unter das von der Beklagten ihm vorgelegte Formblatt auch die Versicherung abgegeben hat, über die Bedeutung seines Bekenntnisses und der Erklärung sei er schriftlich und mündlich belehrt worden, genügt dies - jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht. Der Kläger hat nämlich noch sechs Monate später, im Oktober 2005, den von ihm absolvierten deutschen Sprachtest nicht bestanden und von 100 möglichen Punkten lediglich 48 erreicht. Wenn solche Defizite bereits im Rahmen eines vergleichsweise einfachen Sprachtests zu Tage traten, so liegt die Feststellung nahe, der Kläger könne unmöglich ein halbes Jahr früher einen derart differenzierten Text, bestehend aus schwierigsten Vokabeln und überaus komplizierten Satzkonstruktionen, die zugleich eine umfassende politische Bedeutung beinhalten, wirklich verstanden haben. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dem Kläger sei das entsprechende Formblatt als Einbürgerungsvoraussetzung vorgelegt worden und er hat es eben unterschrieben. Dass er diesbezüglich zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, eine entsprechende Arglist zu entwickeln, ist gänzlich unwahrscheinlich. Entsprechende Anhaltspunkte vermochte die Beklagte auch nicht anzugeben.
35 
Im Übrigen hätte die Beklagte im Einbürgerungsverfahren des Klägers nach Vorlage des misslungenen Deutschtests im Oktober 2005 durchaus Anlass gehabt, von sich aus die bereits im April 2005 abgegebene Loyalitätserklärung des Klägers einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dies mag dahinstehen.
36 
Ein weiteres kommt hinzu. Im Rahmen des Rücknahmeverfahrens ist es den Behörden auch nicht gelungen darzutun, in Bezug auf welchen Umstand konkret der Kläger arglistig getäuscht bzw. eine unrichtige Tatsachenbehauptung abgegeben haben könnte. Das im Rahmen der Loyalitätserklärung abgegebene Bekenntnis zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes und die hierzu im Einzelnen abgegebenen Erklärungen stellen im Wesentlichen politisch-programmatische Aussagen dar. Das Problem des politischen Extremismus ist aber, dass er häufig dieselben politisch-programmatischen Aussagen für sich in Anspruch nimmt, sie aber mit anderen Inhalten verbindet. So versteht sich die LTTE als Kämpfer für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des tamilischen Volkes. Zumindest verbal nimmt sie die Achtung der Menschenrechte und den Ausschluss von Gewalt- und Willkürherrschaft für sich in Anspruch, wohingegen sie der singhalesischen Regierungsmehrheit in Sri Lanka eben dieses abspricht. Es ist das Wesen politischer Verblendung, dass sie objektive Wertungen außer Acht lässt. Schon unabhängig von den zu konstatierenden sprachlichen Defiziten (vgl. oben) ist daher nicht nachzuweisen, dass der Kläger bei Abgabe seines Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung willentlich und bewusst von einer anders lautenden politischen Auffassung absichtsvoll getragen war.
37 
Dasselbe gilt schließlich für die auf diesem Vordruck vom Kläger abgegebene Erklärung, keine inkriminierten Bestrebungen zu verfolgen, zu unterstützen oder verfolgt oder unterstützt zu haben. Zum sprachlichen Verständnis dessen gilt das oben Ausgeführt. Aber auch für die inhaltliche Bewertung gilt nichts anderes. Dass der Kläger seine Aktivitäten für die „tamilische Sache“ hier zutreffend hätte einordnen können - in Frage gekommen wären am ehesten Bestrebungen, die durch Vorbereitungshandlungen zur Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden -, ist mehr als zweifelhaft. Eine bewusst unrichtige Tatsachenbehauptung bzw. eine bewusste arglistige Täuschung ist dem Kläger diesbezüglich nicht nachweisbar. Der Kläger hätte insoweit aus der Formulierung des von der Beklagten verwendeten Vordruckes in Ansehung seiner Aktivitäten zugunsten der LTTE den Hauptsatz „destillieren“ müssen, dass er nichts tue oder getan habe, was letztlich - etwa auch in den Kampfgebieten Sri Lankas - zu Gewaltanwendung führt, wodurch die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland, also ihr Verhältnis zur Regierung Sri Lankas, beeinträchtigt wurde oder wird. Der Berichterstatter hegt schon gewisse Zweifel, ob insoweit eine Gefährdung der auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland überhaupt zu gewärtigen war. Nach Lage der Dinge dürfte es für die Regierung Sri Lankas in der Vergangenheit im bi-lateralen Verhältnis schon schwierig gewesen sein, dass die Bundesrepublik Staatsangehörigen Sri Lankas die Asylanerkennung zusprach und damit, mit einer gewissen völkerrechtlichen Verbindlichkeit, gegenüber der dortigen Regierung den Vorwurf der politischen Verfolgung erhob. Dass dem Kläger bei Abgabe der Loyalitätserklärung im April 2005 bewusst war, dass er für Aktivitäten verantwortlich zeichnete, die letztlich die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten, weshalb seine gegenteilige Erklärung in dem ihm vorgelegten Formblatt von Arglist getragen war, ist nach Lage der Dinge nicht feststellbar.
38 
Ein weiteres kommt hinzu. Selbst im Falle der Annahme einer durch arglistige Täuschung erlangten Einbürgerung erfordert die Entscheidung über eine Rücknahme derselben gemäß § 35 StAG eine - den Umständen des Falles entsprechende - Ermessensbetätigung, wobei das Gesetz insoweit nicht von einem intendierten Ermessen ausgeht (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 24.02.2011 - 1 A 327/10 -, zit. n. =NVwZ-RR 2011, 654). Auch insoweit weisen die behördlichen Verfügungen Mängel auf, die zu ihrer Aufhebung führen müssen. Die fehlerhafte Einbürgerung des Klägers, die im Übrigen bemerkenswerte Parallelen zu dem vom Berichterstatter mit Urteil vom 19.09.2007 (- 11 K 2800/06 -, ) entschiedenen Fall aufweist, beruht ganz eindeutig nicht allein ursächlich auf dem Verhalten des Klägers, selbst wenn dieses als arglistige Täuschung zu qualifizieren wäre. Anders als etwa in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber arglistig über das Vorliegen einer sogenannten „Scheinehe“ täuscht oder er etwa gegen ihn anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren bewusst verschweigt und hierdurch die Einbürgerungsbehörde zu einem fehlerhaften Handeln verleitet, liegt im vorliegenden Fall zusätzlich ein Behördenfehler vor, der - im Sinne einer Kausalitäts-Qualifizierung - dem von den Behörden an den Kläger gerichteten Vorwurf durchaus gleichkommt. Der Kläger hat seine exil-politischen Aktivitäten zugunsten der LTTE in aller Offenheit in ... betrieben. Die Beklagte verfügt auch durch das Instrument der sogenannten „Regel-Anfrage“ an das Landesamt für Verfassungsschutz über die Möglichkeit, sicherheitsrelevante Bedenken in einem Einbürgerungsverfahren zu Tage zu fördern. Wenn - wie hier - eine Information des Landesamtes für Verfassungsschutz, wie diejenige vom 23.01.2006, die Überprüfung des Klägers könne noch nicht abgeschlossen werden, dahingehend „gedeutet“ wird, es lägen keine nachteiligen Erkenntnisse vor, und infolge dessen die Einbürgerung vollzogen wird, so kann an der Mitursächlichkeit dieses Behördenfehlers an der Einbürgerung des Klägers nicht gezweifelt werden. Selbst bei Annahme einer arglistigen Täuschung durch den Kläger müsste solches im Rahmen des Rücknahmeermessens dann aber berücksichtigt werden. Der Vorwurf der „Arglist“ wiegt dann geringer, wenn die Behörde über ein Instrumentarium verfügt, dass ihr an sich eine korrekte Lagebeurteilung unabhängig von den Angaben des Betreffenden erlaubt hätte, sie dieses aber nicht oder fehlerhaft einsetzt. Entsprechende Erwägungen fehlen im Rahmen der Ermessensbetätigung der Behörden. Im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart wird angenommen, dieser Fehler spiele in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Rolle. Im Ausgangsbescheid der Beklagten heißt es sogar, die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts könne nicht der Verwaltung, sondern müsse dem vom Kläger gezeigten Verhalten zugerechnet werden. Beides ist in dieser Absolutheit unrichtig. Eine korrekte Ermessensbetätigung hätte daher zumindest erfordert, dass die eigenen Fehler in Beziehung zum Vorwurf, der dem Kläger zu machen wäre, gesetzt werden. Das völlige Außerachtlassens dieses Zusammenhangs macht die getroffene Ermessensentscheidung ebenfalls rechtswidrig (§ 114 Satz 1 VwGO).
39 
Der streitgegenständliche Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist schließlich auch insoweit rechtswidrig, als der Kläger zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert wurde, nachdem die Rücknahme der Einbürgerung nach dem oben Gesagten aufgehoben werden musste (vgl. § 52 LVwVfG).
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Dez. 2011 - 11 K 2043/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Dez. 2011 - 11 K 2043/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Dez. 2011 - 11 K 2043/11 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 10


(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit gekl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 11


Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn 1. tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, d

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 35


(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzl

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Dez. 2011 - 11 K 2043/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 08. Dez. 2011 - 11 K 2043/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 24. Feb. 2011 - 1 A 327/10

bei uns veröffentlicht am 24.02.2011

Tenor Die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 901/09 - wird zurückgewiesen.Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.Das U

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 19. Sept. 2007 - 11 K 2800/06

bei uns veröffentlicht am 19.09.2007

Tenor Die Verfügung der Beklagten vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06. Juli 2006 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Referenzen

Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn

1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder
2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und auch für Staatsangehörige der Schweiz und deren Familienangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit besitzen.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Tenor

Die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 901/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger reiste mit seiner Ehefrau und seinen vier ältesten Kindern im Januar 1990 in das Bundesgebiet ein, beantragte die Gewährung politischen Asyls und gab an, staatenloser Kurde aus dem Libanon zu sein.

Am 22.11.1991 machten er und seine Ehefrau ausweislich notarieller Urkunde gleichen Datums - Urkundenrolle-Nr. .../1991 - (Bl. 12 - 14 d. Verwaltungsakte) im Rahmen einer Versicherung an Eides statt unter Hinzuziehung eines für die arabische Sprache - nicht hingegen für türkisch oder kurdisch - vereidigten Dolmetschers Angaben zu den Geburtsdaten und -orten der einzelnen Familienmitglieder (jeweils Beirut) sowie zu Tag und Ort ihrer Eheschließung (ebenfalls Beirut). Weitere Schriftstücke zu Herkunft und Abstammung des Klägers befinden sich in der Verwaltungsakte in Gestalt von Übersetzungen den Libanon betreffender Aufenthaltserlaubnisse seiner Eltern, die - ausweislich der Übersetzungen - am 23.7.1975 (Vater) bzw. am 21.8.1975 (Mutter) von der Libanesischen Republik - Innenministerium - ausgestellt worden sind und hinsichtlich der Nationalität jeweils den Eintrag „ungeklärt“ enthalten (Bl. 227 und 228 d. Verwaltungsakte).

Nach rechtskräftiger Abweisung der Asylklage im März 1993 wurden dem seit Dezember 1993 verwitweten Kläger und seinen zwischenzeitlich sechs Kindern am 14.11.1996 auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse aufgrund der Härtefallregelung für Familien mit langjährigem Aufenthalt erteilt, deren Geltung später mehrfach verlängert wurde. Seit 1997 ist der Kläger erwerbstätig, hat aber zunächst noch ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt der Familie bezogen, die zum 1.2.2002 eingestellt werden konnte, weil das Familieneinkommen seitdem zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht.

Am 19.7.2001 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Er gab in dem entsprechenden Antragsformular hinsichtlich seiner Selbst, seiner verstorbenen Ehefrau, seiner Kinder und seiner Eltern an, staatenlose kurdische Volkszugehörige zu sein, und beantwortete die Fragen „wehrpflichtig“ bzw. „anderer Militärdienst“ jeweils durch Ankreuzen der Antwort „nein“. In den Rubriken „vom Wehrdienst befreit“ bzw. „Wehrdienst abgeleistet“ befinden sich keine Eintragungen. Zu seinem bisherigen Aufenthalt gab er an, von seiner Geburt bis Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben.

Am 9.9.2003 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Während des Einbürgerungsverfahrens aufgetretene Zweifel an der Herkunft des Klägers aus dem Libanon bestätigten sich im Rahmen einer im Oktober/November 2004 durchgeführten erkennungsdienstlichen Überprüfung seiner Identität nicht.

Am 3.12.2004 wurde der Kläger durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde eingebürgert. Seine Kinder wurden unter gleichem Datum bzw. unter dem Datum 6.5.2005 eingebürgert.

Im Juni/Juli 2005 teilte die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim der für den Kläger zuständig gewesenen Ausländerbehörde unter Vorlage eines türkischen Registerauszugs mit, dass Anhaltspunkte für eine türkische Staatsangehörigkeit des Klägers bestünden. Ein Personenfeststellungsverfahren unter Beteiligung von Interpol Ankara ergab im Dezember 2006, dass der Kläger als türkischer Staatsbürger registriert ist.

Zu diesen Erkenntnissen und der auf sie gestützten Absicht der Rücknahme seiner Einbürgerung wurde der Kläger durch Schreiben des Beklagten vom 22.5.2007 angehört.

Mit Schreiben vom 31.7.2007 ließ er sich dahingehend ein, dass er kurdischer Volkszugehöriger und in Beirut geboren sei. Dort habe er bis 1976 gelebt und sei dann wegen des Ausbruchs des Bürgerkrieges mit seinen Eltern und der gesamten Familie in die Türkei geflohen, wo sein Vater Verwandtschaft gehabt habe. Da die Familienmitglieder die libanesische Staatsangehörigkeit nicht besessen hätten, hätten sie keine libanesischen Pässe, sondern nur Laissez-Passer als Identitätspapiere gehabt, mit denen sie nicht in die Türkei hätten einreisen können. Aus Erzählungen des Vaters wisse er, dass dieser die Grenzbeamten bestochen habe, um die Einreise in die Türkei zu bewerkstelligen und türkische Pässe, ausgestellt auf den türkischen Namen K. - A. sei ein arabischer Name -, zu beschaffen. In der Folge habe er auch den zweijährigen türkischen Wehrdienst abgeleistet. Als sich die Lage im Libanon um1980 beruhigt habe, sei die Familie dorthin zurückgekehrt, sei aber etwa 1982 wegen Verschlechterung der politischen Lage erneut in die Türkei ausgewandert. Dieses Hin und Her habe sich in der Folgezeit wiederholt. 1990 habe er sich im Libanon befunden und sei von dort unter seinem richtigen libanesischen (arabischen) Namen A. in die Bundesrepublik ausgereist. Bei der Einreise habe er sein libanesisches Laissez-Passer vorgelegt.

Am 16.4.2009 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Merzig von dem strafrechtlichen Vorwurf, durch falsche Angaben gegen das Ausländergesetz verstoßen und eine mittelbare Falschbeurkundung begangen zu haben, mangels Nachweises der türkischen Staatsangehörigkeit freigesprochen (25 Cs 24 Js 1557/02).

Durch Bescheid vom 9.9.2009, zugestellt am 10.9.2009, nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers unter Rückforderung der Einbürgerungsurkunde und Festsetzung einer Verwaltungsgebühr von 255,- Euro nach § 35 StAG rückwirkend zum 3.12.2004 zurück, da der Inlandsaufenthalt und die Einbürgerung durch arglistige Täuschung in Gestalt des Vorspiegelns falscher Personalien und bewussten Verschweigens persönlicher Verhältnisse erwirkt worden seien und der Kläger daher keinen Vertrauensschutz genieße. Hinsichtlich der Kinder des Klägers sind keine entsprechenden Verfahren eingeleitet worden.

Gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung hat der Kläger am 16.9.2009 Klage erhoben und geltend gemacht, er habe keine falsche Identität vorgetäuscht, da er von seiner Abstammung her staatenloser kurdischer Volkszugehöriger sei. Die türkische Staatsangehörigkeit habe er nie besessen und auch 1976 nicht erworben, da die Bestechung der türkischen Grenzbeamten keine ordnungsgemäße Einbürgerung bewirkt habe. Seine Angaben im Einbürgerungsformular zum Thema Wehrdienst seien nicht falsch gewesen, da er die Fragen auf sein Herkunftsland Libanon bezogen und diesbezüglich vollständig und zutreffend beantwortet habe. Mangels damaliger Beherrschung der deutschen Schriftsprache habe er die Ausfüllung des Formulars seinem ältesten Kind überlassen. Auch im strafgerichtlichen Verfahren habe sich der Vorwurf falscher Angaben nicht bestätigt. Die Festsetzung der Höchstgebühr als Verwaltungsgebühr sei nicht gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, der strafgerichtliche Freispruch ändere nichts daran, dass der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. So habe er bewusst alle Angaben, die auf einen Bezug zur Türkei hingedeutet hätten, unterlassen, um seine Einbürgerung nicht zu gefährden. Seine diesbezüglichen Erklärungsversuche überzeugten weder rechtlich noch tatsächlich und müssten als Schutzbehauptungen bewertet werden.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.9.2010 ergangenes Urteil, dem Beklagten zugestellt am 3.11.2010, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der die Rücknahme einer Einbürgerung regelnden Vorschrift des § 35 StAG erfüllt seien, da der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. Ungeachtet der Frage, ob § 35 StAG der Behörde ein intendiertes oder ein freies Ermessen einräume, fehle es an einer ordnungsgemäßen, den Verhältnismäßigkeitgrundsatz im Einzelfall angemessen berücksichtigenden Ermessensbetätigung, die auch im Rahmen eines intendierten Ermessens unabdingbar sei. Dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände im Staatsangehörigkeitsrecht sei durchschlagendes Gewicht beigemessen worden, ohne die besonderen Lebensumstände des Klägers - insbesondere seine gelungene wirtschaftliche und soziale Integration, seine nachgewiesen ausgezeichneten Deutschkenntnisse und seine strafrechtliche Unbescholtenheit - sowie die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahme bereits fast verstrichen war, in die Abwägung einzubeziehen und ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten.

Der Beklagte hat am 25.11.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.12.2010, eingegangen am 23.12.2010, begründet.

Seines Erachtens steht außer Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind. Der Kläger habe sowohl im ausländerrechtlichen Verfahren wie auch im Einbürgerungsverfahren über seine Staatsangehörigkeit getäuscht, da er seine Aufenthalte in der Türkei, seine dortige Registrierung als türkischer Staatsangehöriger und die Tatsache, in der Türkei Wehrdienst abgeleistet zu haben, verschwiegen habe. Hierdurch habe er zunächst ein Daueraufenthaltsrecht und sodann seine Einbürgerung erlangt, letzteres ohne zuvor das Verfahren zur Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit zu durchlaufen. Durch die so erschlichene Einbürgerung sei die Ausländerbehörde unzuständig und damit eine Rücknahme der rechtswidrigen Aufenthaltstitel unmöglich geworden. Es könne nicht sein, dass der Beklagte die einbürgerungsrelevante Täuschung infolge seiner Bindung an Entscheidungen der Ausländerbehörde reaktionslos hinnehmen müsse. Der vom Kläger bewirkte Irrtum über dessen Staatsangehörigkeit habe sich unmittelbar auf eine tatbestandliche Voraussetzung der Einbürgerung bezogen, so dass die konkret erfolgte Einbürgerung auf diesem Irrtum beruhe. Ob der Kläger nach heutiger Rechtslage eingebürgert werden könne, sei völlig offen, da hinsichtlich der Deutschkenntnisse und der Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung noch Tests abzulegen wären. Ebenso sei fraglich, ob den Anforderungen an die abzulegende Loyalitätserklärung Rechnung getragen wäre. In rechtlicher Hinsicht ist der Beklagte der Auffassung, dass § 35 StAG ein intendiertes Ermessen eröffne, was insbesondere in Verbindung mit der Fünfjahresfrist des Absatzes 3 der Vorschrift zur Folge habe, dass die Rücknahme die regelmäßige Folge einer Täuschung sei und dem Betroffenen während des Zeitraums von fünf Jahren grundsätzlich kein Vertrauensschutz zugebilligt werden könne. Ein Absehen von der Rücknahme könne daher nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz besonderer Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar sein müssten, gerechtfertigt sein. Die vom Verwaltungsgericht angeführten, nach dessen Auffassung im Rahmen der Ermessensbetätigung nicht gebührend berücksichtigten Umstände seien keine besonderen Gründe in diesem Sinne und entsprächen im Übrigen weitgehend nicht einmal den tatsächlichen Gegebenheiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.9.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass § 35 Abs. 1 StAG kein intendiertes Ermessen vorgibt und daher die allgemeinen Grundsätze zur Ausübung und gerichtlichen Überprüfung des Rücknahmeermessens Anwendung finden müssten. Die Rücknahme seiner Einbürgerung sei aber selbst dann ermessensfehlerhaft, wenn man die Vorschrift im Sinne eines intendierten Ermessens verstehe. Auch unter dieser Prämisse seien die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet, die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahmeverfügung bereits fast vollständig verstrichen gewesen sei, seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, die Einbürgerung seiner Kinder und die hieran anknüpfende Unzumutbarkeit einer Rückkehr in den Libanon oder die Türkei in die behördlichen Erwägungen einzustellen, was nicht geschehen sei.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu seiner Abstammung und den näheren Umständen der behaupteten Aufenthalte in der Türkei in den Jahren von 1976 bis 1990 angehört.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Vorprozesses 12 K 47/05, des im Asylverfahren ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 2.3.1993 - 5 K 118/92 - und der Verwaltungsakte (1 Ordner), der zum Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Die Verfügung der Beklagten vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06. Juli 2006 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung durch die Beklagte.
Der Kläger, ein am ... 1962 geborener sri-lankesischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit, gelangte im Jahr 1985 in die Bundesrepublik Deutschland. Seit 09.04.1998 besaß der Kläger eine Aufenthaltsberechtigung, nachdem er zuvor seit dem 19.07.1995 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gewesen war.
Der Kläger hat am 19.11.1996 eine sri-lankesische Staatsangehörige geheiratet. Aus dieser Ehe gingen 1997 und 1999 zunächst zwei Kinder hervor.
Unter dem 09.11.1999 beantragte der Kläger für sich und seine beiden Kinder die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Nachdem sich die Verfahrensbearbeitung zunächst hinzog, gab der Kläger am 01.02.2003 eine von der Beklagten geforderte Loyalitätserklärung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ab. Er erklärte hierin darüber hinaus, u.a. keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt zu haben, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die Zusammenstellung der weiteren zur Einbürgerung erforderlichen Unterlagen ergaben keine Beanstandungen.
Unter dem 12.04.2002 teilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg der Beklagten auf deren Anfrage per Formblatt mit, die Überprüfung des Klägers könne noch nicht abgeschlossen werden, nach Abschluss der Bearbeitung erfolge unaufgefordert weitere Nachricht. Da das hierzu verwandte Formular u.a. in der Rubrik „Besondere Umstände nichts bekannt“ ein Kreuzchen enthielt, übersah der Sachbearbeiter der Beklagten die unten angefügte Zwischennachricht über die weitere Bearbeitung und Überprüfung und nahm, nachdem die vorgelegten Unterlagen keinerlei Beanstandungen ergaben, am 06.05.2002 die Einbürgerung des Klägers und seiner beiden Kinder durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vor.
Wenig später, am 23.05.2002, erreichte die Beklagte die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, der Einbürgerungsvorgang sei dem Innenministerium Baden-Württemberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt worden. In einem Aktenvermerk vom 29.05.2002 hielt die Beklagte daraufhin fest, aufgrund welcher Irrtümer es auf ihrer Seite zur Einbürgerung des Klägers gekommen war. Darüber hinaus fragte die Beklagte unter dem 05.07.2002 beim Innenministerium Baden-Württemberg an, was in dieser Sache nun zu geschehen habe. Mit Erlass vom 06.08.2002 forderte das Innenministerium Baden-Württemberg die Beklagte auf, eine Rücknahme dieser Einbürgerung zu prüfen. Das Innenministerium teilte hierzu mit, der Kläger sei dem Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der linksextremistischen tamilischen Separatistenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) bekannt. Es gebe aus den Jahren 1993 bis 1999 Erkenntnisse über den Kläger. Es lägen damit tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Kläger Bestrebungen verfolgt oder unterstützt habe, die durch auf die Anwendung von Gewalt gerichteten Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die vom Kläger abgegebene Loyalitätserklärung vom 01.02.2002 stehe diesen Erkenntnissen entgegen. Die Einbürgerung könne daher rechtswidrig sein und der Rücknahme unterliegen.
Unter dem 03.09.2002 hörte die Beklagte den Kläger zu diesen Vorhalten an. Der Kläger äußerte sich unter dem 10.09.2002 dahingehend, dass er sich aus humanitären Gründen für den Verein „TRO“ engagiert habe, der sich insbesondere um Kinder in Sri Lanka, die ihre Eltern verloren hätten und nun Waisen seien, kümmere. Mit der LTTE habe er nichts zu tun. Er unterstütze auch deutsche humanitäre Organisationen wie das DRK oder die Johanniter-Unfall-Hilfe. Im Übrigen habe er aus familiären Gründen seine Mitwirkung der TRO entzogen.
Nach erneuter Vorlage forderte das Innenministerium Baden-Württemberg die Beklagte mit Erlass vom 26.11.2002 auf, die Einbürgerung des Klägers nunmehr zurückzunehmen.
Am 29.12.2002 kam ein weiteres Kind des Klägers und seiner Ehefrau zur Welt. Dieses erwarb gemäß § 4 Abs. 1 StAG, abgeleitet vom Kläger, die deutsche Staatsangehörigkeit.
10 
Mit Bescheid vom 03. April 2003 schließlich nahm die Beklagte die Einbürgerung des Klägers und der beiden seinerzeit mit eingebürgerten Kinder rückwirkend zum Zeitpunkt der Einbürgerung zurück. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides die drei Einbürgerungsurkunden zurückzugeben. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, die Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg und die Beziehungen des Klägers zur tamilischen Separatistenorganisation LTTE in den Jahren 1993 bis 1999 würden belegen, dass der Kläger von deutschem Boden aus unmittelbar und mittelbar die LTTE und damit zugleich deren Bestrebungen unterstützt habe, die auch auf die Vorbereitung der Anwendung von Gewalt in Sri Lanka gerichtet sind. Diese Betätigung sei im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG (a.F.) geeignet, die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Sri Lanka und seiner Regierung nachhaltig zu beeinträchtigen und damit auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Von einem Abwenden von diesen Bestrebungen könne nicht ausgegangen werden, nachdem der Kläger dem Landesamt für Verfassungsschutz letztmals 1999 entsprechend bekannt geworden sei und nach seinen eigenen Einlassungen die Zurückhaltung nunmehr lediglich familiär bedingt sei. Damit habe § 86 Nr. 2 AuslG der Einbürgerung des Klägers seinerzeit und auch weiterhin entgegengestanden. Gemäß § 48 LVwVfG könne diese Einbürgerung daher zurückgenommen werden. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG nicht berufen, nachdem der Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt worden sei, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Bei der Ermessensausübung sei nicht verkannt worden, dass aufgrund des langen Inlandsaufenthaltes und im Hinblick auf die Kinder, die in Deutschland aufgewachsen seien, ein erhebliches Interesse am Bestand der Einbürgerung bestehe. Zumal bei einem Fortbestand der Einbürgerung das am 29.12.2002 geborene Kind des Klägers gemäß § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt besitze. Da die Rechtsposition des Klägers aber durch wahrheitswidrige Angaben erlangt worden sei, bestehe ein noch viel gewichtigeres öffentliches Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes und zwar auch unter generalpräventiven Aspekten. Die Einbürgerung sei daher rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einbürgerung zurückzunehmen, da ansonsten das letztgeborene Kind im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bliebe, obwohl die Person, von der es die deutsche Staatsangehörigkeit ableitet, von Anfang an und somit auch im Zeitpunkt der Geburt dieses Kindes keinen Anspruch hierauf hatte. Darüber hinaus sei die Rücknahme einer durch falsche Angaben erreichten Einbürgerung nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg selbst dann rechtlich zulässig, wenn der Betroffene dadurch staatenlos werde. Nachdem die Einbürgerung des Klägers keinen Bestand haben könne, treffe dies auch auf die Miteinbürgerung der beiden seinerzeit mit eingebürgerten Kinder zu. Dabei habe es sich um eine akzessorische Entscheidung gehandelt, so dass aus der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung des Klägers auch die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung der Kinder folge. Diese müssten sich die wahrheitswidrigen Angaben ihres Vaters zurechnen lassen. Eine anderweitige Einbürgerungsmöglichkeit, nach § 8 StAG, bestehe im Fall des Klägers und der beiden Kinder nicht, da auch insoweit der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG entgegenstehe.
11 
Der Kläger legte gegen diese Verfügung Widerspruch ein. Ein Grund für die Rücknahme der Einbürgerung bestehe nicht.
12 
Im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung fragte das Regierungspräsidium Stuttgart unter dem 10.03.2005 bei der Beklagten nach, ob das am 29.12.2002 geborene Kind des Klägers auch auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben könnte. Die Beklagte teilte daraufhin unter dem 13.06.2006 mit, dies sei nicht der Fall, da die Eltern des Kindes im Zeitpunkt der Geburt nicht die erforderlichen Aufenthaltsgenehmigungen besessen hätten.
13 
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2006, zugestellt am 10.07.2006, wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers selbst gegen die Verfügung der Beklagten vom 03.04.2003 mit der Maßgabe zurück, dass die Rücknahme der Einbürgerung erst ab dem 07.04.2003, dem Datum der Zustellung des Rücknahmebescheides, wirksam werde. Zur Begründung ist ausgeführt, mit Blick auf den Kläger mache sich die Widerspruchsbehörde die Erwägungen des Ausgangsbescheides zu eigen. Um aber bei dem am 29.12.2002 geborenen Kind Staatenlosigkeit zu verhindern, werde die Einbürgerung nicht ex tunc - rückwirkend zum Zeitpunkt der Einbürgerung am 06.05.2002 -, sondern erst ex nunc - mit Zustellung des Rücknahmebescheides am 07.04.2003 - zurückgenommen. Insoweit werde das Rücknahmeermessen zugunsten des dritten Kindes ausgeübt, das somit die deutsche Staatsangehörigkeit behalte. Bezüglich der beiden erstgeborenen Kinder des Klägers habe sich das Widerspruchsverfahren erledigt, da die Beklagte die Rücknahme deren Einbürgerung aufheben und einen Abhilfebescheid erlassen werde.
14 
Mit Bescheid vom 18.07.2006 hob sodann die Beklagte ihre Rücknahmeverfügung vom 03.04.2003 in Bezug auf die beiden 1997 und 1999 geborenen Kinder des Klägers wieder auf.
15 
Der Kläger hat am 26.07.2006 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung ist auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Der Kläger habe lediglich für die TRO, eine anerkannte Hilfsorganisation, gespendet.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid der Beklagten vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06. Juli 2006 aufzuheben.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Sie bezieht sich auf die angegriffenen Verfügungen.
21 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Das Gericht konnte vorliegend durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
23 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten (auch) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten daher durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
24 
In der gegebenen Konstellation verfügt die Beklagte (derzeit) über keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Einbürgerung des Klägers. Insbesondere kann sie sich nicht - wie geschehen - auf § 48 LVwVfG Ba.-Wü. stützen. Auf die Frage, ob beim Kläger tatsächlich im Zeitpunkt seiner Einbürgerung der einer Einbürgerung entgegenstehende Ausschlussgrund des damaligen § 86 Nr. 2 AuslG vorlag, kommt es hier nicht an.
25 
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.05.2006 (- 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, 807 = InfAuslR 2006, 335) entschieden, wann § 48 LVwVfG Ba.-Wü. eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bietet für die Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte getäuscht hat. Namentlich für den Fall einer zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung könne darin eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gesehen werden (3. Leitsatz der Entscheidung). Dem Fall lag die Rücknahme einer Einbürgerung zugrunde, die fast genau zwei Jahre zuvor vorgenommen worden war. Nachdem im vorliegenden Fall zwischen der Einbürgerung des Klägers und der angegriffenen Rücknahmeentscheidung der Beklagten (wenn man nicht auf den Erlass des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart abstellt) weniger als 1 Jahr verstrichen war, wäre zwar von einer solch zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch auszugehen.
26 
Gleichwohl vermag sich die Beklagte nicht auf diese Entscheidung berufen. Denn diesem Urteil ist über dieses zeitliche Kriterium hinaus unzweideutig zu entnehmen, dass § 48 LVwVfG von den Behörden auch dann nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden darf, wenn die Rücknahmeentscheidung unmittelbare Auswirkungen auf das staatsangehörigkeitsrechtliche Schicksal weiterer Personen haben kann. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 = InfAuslR 2003, 445 = StAZ 2003, 364 = NVwZ 2004, 489) ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts überholt.
27 
Insbesondere unter Berücksichtigung der umfangreichen Ausführungen der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht tragenden Hälfte der Richter des Senats (a.a.O., IV.) - denen sich der Berichterstatter uneingeschränkt anschließt -, ist zu verlangen, dass der Gesetzgeber - im Staatsangehörigkeitsgesetz selbst - eigenständige Regelungen trifft über die Rücknahme einer Einbürgerung, die aufgrund unlauterer Verhaltensweisen des Eingebürgerten als mängelbehaftet angesehen werden kann, wenn es um mehr als eine zeitnahe Rücknahme geht, bzw. wenn staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkungen von dieser Rücknahme bei an der Täuschungshandlung unbeteiligten Dritten ausgehen können .
28 
Selbst von der die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden Fallkonstellationen ausdrücklich als möglich genannt, die in § 48 LVwVfG Ba.-Wü. keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Rechtszustandes finden (BVerfG, a.a.O., III. 3. = Nr. 88 i.d.F. ). Die das Urteil tragende Hälfte des Senats bezieht sich für seine Rechtsansicht ausdrücklich auch auf die sog. Wesentlichkeitstheorie. Danach verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen ( BVerfG, Urt. v. 24.05.2006, a.a.O., III. 2. c) = Nr. 85 i.d.F. m.w.N.) . Nur weil für den einzelnen auf Grund einer Täuschungshandlung Eingebürgerten § 48 LVwVfG eine klar erkennbare Sanktion bereithalte, hielt diese Senatshälfte dem in dem dort zu entscheidenden Fall noch für genügt.
29 
Dagegen bezeichnet die die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts namentlich Fälle, in denen wesentliche Fragen der sachlichen und zeitlichen Reichweite der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen durch § 48 LVwVfG BW nicht grundrechtsspezifisch und konkret gelöst werden können. So heißt es in der Entscheidung vom 24.05.2006 ( a.a.O., III. 3. = Nr. 89 i.d.F. m.w.N.) :
30 
„Die Regelungsbedürftigkeit der Aufhebung von Einbürgerungen ... zeigt sich insbesondere bei ... Konstellationen, in denen die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung von Angehörigen, insbesondere Kindern im Vordergrund steht. Hier stellen sich besondere grundrechtsbezogene Probleme, die eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Gesetzgebers angezeigt erscheinen lassen. Die Frage, welche Auswirkungen ein Fehlverhalten im Einbürgerungsverfahren auf den Bestand der Staatsangehörigkeit Dritter haben kann, die an diesem Fehlverhalten nicht beteiligt waren, bedarf einer Antwort durch den Gesetzgeber.“
31 
Und weiter:
32 
„Auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsberechtigten besteht eine Vielfalt möglicher Lösungswege bei der Rücknehmbarkeit der Einbürgerung, die dazu führt, dass der Gesetzgeber die angemessenen Lösungen selbst auszuwählen und auszugestalten hat.“
33 
Auch dem schließt sich der Berichterstatter an. Diese Äußerungen des Verfassungsgerichts sind eindeutig und einer Auslegung, wie sie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat, nicht zugänglich. Es kann keine Rede davon sein, dass dem Erfordernis einer Entscheidung durch den Gesetzgeber schon dann genügt ist, wenn die Verwaltung durch mehr oder weniger geschickte Ermessensbetätigung versucht sicherzustellen, dass die Auswirkungen der Rücknahme einer Einbürgerung für Angehörige, namentlich Kinder gering gehalten werden. Denn auch eine solche Vorgehensweise bleibt eine Entscheidung der Verwaltung. Dies ist aber mit der Wesentlichkeitstheorie (vgl. oben) unvereinbar.
34 
Nachdem eine Rücknahme der Einbürgerung des Klägers unmittelbar Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des am 29.12.2002 geborenen Kindes haben kann, wäre hier der Gesetzgeber gefordert gewesen. Diesem allein bleibt die Entscheidung vorbehalten, ob es bei diesem Kind in einer solchen Konstellation bei der deutschen Staatsangehörigkeit verbleiben soll, ob der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren soll oder ob - was aus Gründen der Generalprävention ja ebenfalls denkbar wäre - beider Staatsangehörigkeit verlorengehen soll.
35 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Zulassung der Berufung konnte entgegen dem Begehren der Beklagten hier nicht gemäß § 124 a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfolgen, da die maßgeblichen grundsätzlichen Rechtsfragen bereits geklärt sind (vgl. oben).

Gründe

 
22 
Das Gericht konnte vorliegend durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
23 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten (auch) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten daher durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
24 
In der gegebenen Konstellation verfügt die Beklagte (derzeit) über keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Einbürgerung des Klägers. Insbesondere kann sie sich nicht - wie geschehen - auf § 48 LVwVfG Ba.-Wü. stützen. Auf die Frage, ob beim Kläger tatsächlich im Zeitpunkt seiner Einbürgerung der einer Einbürgerung entgegenstehende Ausschlussgrund des damaligen § 86 Nr. 2 AuslG vorlag, kommt es hier nicht an.
25 
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.05.2006 (- 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, 807 = InfAuslR 2006, 335) entschieden, wann § 48 LVwVfG Ba.-Wü. eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bietet für die Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte getäuscht hat. Namentlich für den Fall einer zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung könne darin eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gesehen werden (3. Leitsatz der Entscheidung). Dem Fall lag die Rücknahme einer Einbürgerung zugrunde, die fast genau zwei Jahre zuvor vorgenommen worden war. Nachdem im vorliegenden Fall zwischen der Einbürgerung des Klägers und der angegriffenen Rücknahmeentscheidung der Beklagten (wenn man nicht auf den Erlass des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart abstellt) weniger als 1 Jahr verstrichen war, wäre zwar von einer solch zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch auszugehen.
26 
Gleichwohl vermag sich die Beklagte nicht auf diese Entscheidung berufen. Denn diesem Urteil ist über dieses zeitliche Kriterium hinaus unzweideutig zu entnehmen, dass § 48 LVwVfG von den Behörden auch dann nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden darf, wenn die Rücknahmeentscheidung unmittelbare Auswirkungen auf das staatsangehörigkeitsrechtliche Schicksal weiterer Personen haben kann. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 = InfAuslR 2003, 445 = StAZ 2003, 364 = NVwZ 2004, 489) ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts überholt.
27 
Insbesondere unter Berücksichtigung der umfangreichen Ausführungen der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht tragenden Hälfte der Richter des Senats (a.a.O., IV.) - denen sich der Berichterstatter uneingeschränkt anschließt -, ist zu verlangen, dass der Gesetzgeber - im Staatsangehörigkeitsgesetz selbst - eigenständige Regelungen trifft über die Rücknahme einer Einbürgerung, die aufgrund unlauterer Verhaltensweisen des Eingebürgerten als mängelbehaftet angesehen werden kann, wenn es um mehr als eine zeitnahe Rücknahme geht, bzw. wenn staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkungen von dieser Rücknahme bei an der Täuschungshandlung unbeteiligten Dritten ausgehen können .
28 
Selbst von der die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden Fallkonstellationen ausdrücklich als möglich genannt, die in § 48 LVwVfG Ba.-Wü. keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Rechtszustandes finden (BVerfG, a.a.O., III. 3. = Nr. 88 i.d.F. ). Die das Urteil tragende Hälfte des Senats bezieht sich für seine Rechtsansicht ausdrücklich auch auf die sog. Wesentlichkeitstheorie. Danach verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen ( BVerfG, Urt. v. 24.05.2006, a.a.O., III. 2. c) = Nr. 85 i.d.F. m.w.N.) . Nur weil für den einzelnen auf Grund einer Täuschungshandlung Eingebürgerten § 48 LVwVfG eine klar erkennbare Sanktion bereithalte, hielt diese Senatshälfte dem in dem dort zu entscheidenden Fall noch für genügt.
29 
Dagegen bezeichnet die die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts namentlich Fälle, in denen wesentliche Fragen der sachlichen und zeitlichen Reichweite der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen durch § 48 LVwVfG BW nicht grundrechtsspezifisch und konkret gelöst werden können. So heißt es in der Entscheidung vom 24.05.2006 ( a.a.O., III. 3. = Nr. 89 i.d.F. m.w.N.) :
30 
„Die Regelungsbedürftigkeit der Aufhebung von Einbürgerungen ... zeigt sich insbesondere bei ... Konstellationen, in denen die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung von Angehörigen, insbesondere Kindern im Vordergrund steht. Hier stellen sich besondere grundrechtsbezogene Probleme, die eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Gesetzgebers angezeigt erscheinen lassen. Die Frage, welche Auswirkungen ein Fehlverhalten im Einbürgerungsverfahren auf den Bestand der Staatsangehörigkeit Dritter haben kann, die an diesem Fehlverhalten nicht beteiligt waren, bedarf einer Antwort durch den Gesetzgeber.“
31 
Und weiter:
32 
„Auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsberechtigten besteht eine Vielfalt möglicher Lösungswege bei der Rücknehmbarkeit der Einbürgerung, die dazu führt, dass der Gesetzgeber die angemessenen Lösungen selbst auszuwählen und auszugestalten hat.“
33 
Auch dem schließt sich der Berichterstatter an. Diese Äußerungen des Verfassungsgerichts sind eindeutig und einer Auslegung, wie sie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat, nicht zugänglich. Es kann keine Rede davon sein, dass dem Erfordernis einer Entscheidung durch den Gesetzgeber schon dann genügt ist, wenn die Verwaltung durch mehr oder weniger geschickte Ermessensbetätigung versucht sicherzustellen, dass die Auswirkungen der Rücknahme einer Einbürgerung für Angehörige, namentlich Kinder gering gehalten werden. Denn auch eine solche Vorgehensweise bleibt eine Entscheidung der Verwaltung. Dies ist aber mit der Wesentlichkeitstheorie (vgl. oben) unvereinbar.
34 
Nachdem eine Rücknahme der Einbürgerung des Klägers unmittelbar Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des am 29.12.2002 geborenen Kindes haben kann, wäre hier der Gesetzgeber gefordert gewesen. Diesem allein bleibt die Entscheidung vorbehalten, ob es bei diesem Kind in einer solchen Konstellation bei der deutschen Staatsangehörigkeit verbleiben soll, ob der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren soll oder ob - was aus Gründen der Generalprävention ja ebenfalls denkbar wäre - beider Staatsangehörigkeit verlorengehen soll.
35 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Zulassung der Berufung konnte entgegen dem Begehren der Beklagten hier nicht gemäß § 124 a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfolgen, da die maßgeblichen grundsätzlichen Rechtsfragen bereits geklärt sind (vgl. oben).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

Tenor

Die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 901/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger reiste mit seiner Ehefrau und seinen vier ältesten Kindern im Januar 1990 in das Bundesgebiet ein, beantragte die Gewährung politischen Asyls und gab an, staatenloser Kurde aus dem Libanon zu sein.

Am 22.11.1991 machten er und seine Ehefrau ausweislich notarieller Urkunde gleichen Datums - Urkundenrolle-Nr. .../1991 - (Bl. 12 - 14 d. Verwaltungsakte) im Rahmen einer Versicherung an Eides statt unter Hinzuziehung eines für die arabische Sprache - nicht hingegen für türkisch oder kurdisch - vereidigten Dolmetschers Angaben zu den Geburtsdaten und -orten der einzelnen Familienmitglieder (jeweils Beirut) sowie zu Tag und Ort ihrer Eheschließung (ebenfalls Beirut). Weitere Schriftstücke zu Herkunft und Abstammung des Klägers befinden sich in der Verwaltungsakte in Gestalt von Übersetzungen den Libanon betreffender Aufenthaltserlaubnisse seiner Eltern, die - ausweislich der Übersetzungen - am 23.7.1975 (Vater) bzw. am 21.8.1975 (Mutter) von der Libanesischen Republik - Innenministerium - ausgestellt worden sind und hinsichtlich der Nationalität jeweils den Eintrag „ungeklärt“ enthalten (Bl. 227 und 228 d. Verwaltungsakte).

Nach rechtskräftiger Abweisung der Asylklage im März 1993 wurden dem seit Dezember 1993 verwitweten Kläger und seinen zwischenzeitlich sechs Kindern am 14.11.1996 auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse aufgrund der Härtefallregelung für Familien mit langjährigem Aufenthalt erteilt, deren Geltung später mehrfach verlängert wurde. Seit 1997 ist der Kläger erwerbstätig, hat aber zunächst noch ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt der Familie bezogen, die zum 1.2.2002 eingestellt werden konnte, weil das Familieneinkommen seitdem zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht.

Am 19.7.2001 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Er gab in dem entsprechenden Antragsformular hinsichtlich seiner Selbst, seiner verstorbenen Ehefrau, seiner Kinder und seiner Eltern an, staatenlose kurdische Volkszugehörige zu sein, und beantwortete die Fragen „wehrpflichtig“ bzw. „anderer Militärdienst“ jeweils durch Ankreuzen der Antwort „nein“. In den Rubriken „vom Wehrdienst befreit“ bzw. „Wehrdienst abgeleistet“ befinden sich keine Eintragungen. Zu seinem bisherigen Aufenthalt gab er an, von seiner Geburt bis Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben.

Am 9.9.2003 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Während des Einbürgerungsverfahrens aufgetretene Zweifel an der Herkunft des Klägers aus dem Libanon bestätigten sich im Rahmen einer im Oktober/November 2004 durchgeführten erkennungsdienstlichen Überprüfung seiner Identität nicht.

Am 3.12.2004 wurde der Kläger durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde eingebürgert. Seine Kinder wurden unter gleichem Datum bzw. unter dem Datum 6.5.2005 eingebürgert.

Im Juni/Juli 2005 teilte die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim der für den Kläger zuständig gewesenen Ausländerbehörde unter Vorlage eines türkischen Registerauszugs mit, dass Anhaltspunkte für eine türkische Staatsangehörigkeit des Klägers bestünden. Ein Personenfeststellungsverfahren unter Beteiligung von Interpol Ankara ergab im Dezember 2006, dass der Kläger als türkischer Staatsbürger registriert ist.

Zu diesen Erkenntnissen und der auf sie gestützten Absicht der Rücknahme seiner Einbürgerung wurde der Kläger durch Schreiben des Beklagten vom 22.5.2007 angehört.

Mit Schreiben vom 31.7.2007 ließ er sich dahingehend ein, dass er kurdischer Volkszugehöriger und in Beirut geboren sei. Dort habe er bis 1976 gelebt und sei dann wegen des Ausbruchs des Bürgerkrieges mit seinen Eltern und der gesamten Familie in die Türkei geflohen, wo sein Vater Verwandtschaft gehabt habe. Da die Familienmitglieder die libanesische Staatsangehörigkeit nicht besessen hätten, hätten sie keine libanesischen Pässe, sondern nur Laissez-Passer als Identitätspapiere gehabt, mit denen sie nicht in die Türkei hätten einreisen können. Aus Erzählungen des Vaters wisse er, dass dieser die Grenzbeamten bestochen habe, um die Einreise in die Türkei zu bewerkstelligen und türkische Pässe, ausgestellt auf den türkischen Namen K. - A. sei ein arabischer Name -, zu beschaffen. In der Folge habe er auch den zweijährigen türkischen Wehrdienst abgeleistet. Als sich die Lage im Libanon um1980 beruhigt habe, sei die Familie dorthin zurückgekehrt, sei aber etwa 1982 wegen Verschlechterung der politischen Lage erneut in die Türkei ausgewandert. Dieses Hin und Her habe sich in der Folgezeit wiederholt. 1990 habe er sich im Libanon befunden und sei von dort unter seinem richtigen libanesischen (arabischen) Namen A. in die Bundesrepublik ausgereist. Bei der Einreise habe er sein libanesisches Laissez-Passer vorgelegt.

Am 16.4.2009 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Merzig von dem strafrechtlichen Vorwurf, durch falsche Angaben gegen das Ausländergesetz verstoßen und eine mittelbare Falschbeurkundung begangen zu haben, mangels Nachweises der türkischen Staatsangehörigkeit freigesprochen (25 Cs 24 Js 1557/02).

Durch Bescheid vom 9.9.2009, zugestellt am 10.9.2009, nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers unter Rückforderung der Einbürgerungsurkunde und Festsetzung einer Verwaltungsgebühr von 255,- Euro nach § 35 StAG rückwirkend zum 3.12.2004 zurück, da der Inlandsaufenthalt und die Einbürgerung durch arglistige Täuschung in Gestalt des Vorspiegelns falscher Personalien und bewussten Verschweigens persönlicher Verhältnisse erwirkt worden seien und der Kläger daher keinen Vertrauensschutz genieße. Hinsichtlich der Kinder des Klägers sind keine entsprechenden Verfahren eingeleitet worden.

Gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung hat der Kläger am 16.9.2009 Klage erhoben und geltend gemacht, er habe keine falsche Identität vorgetäuscht, da er von seiner Abstammung her staatenloser kurdischer Volkszugehöriger sei. Die türkische Staatsangehörigkeit habe er nie besessen und auch 1976 nicht erworben, da die Bestechung der türkischen Grenzbeamten keine ordnungsgemäße Einbürgerung bewirkt habe. Seine Angaben im Einbürgerungsformular zum Thema Wehrdienst seien nicht falsch gewesen, da er die Fragen auf sein Herkunftsland Libanon bezogen und diesbezüglich vollständig und zutreffend beantwortet habe. Mangels damaliger Beherrschung der deutschen Schriftsprache habe er die Ausfüllung des Formulars seinem ältesten Kind überlassen. Auch im strafgerichtlichen Verfahren habe sich der Vorwurf falscher Angaben nicht bestätigt. Die Festsetzung der Höchstgebühr als Verwaltungsgebühr sei nicht gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, der strafgerichtliche Freispruch ändere nichts daran, dass der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. So habe er bewusst alle Angaben, die auf einen Bezug zur Türkei hingedeutet hätten, unterlassen, um seine Einbürgerung nicht zu gefährden. Seine diesbezüglichen Erklärungsversuche überzeugten weder rechtlich noch tatsächlich und müssten als Schutzbehauptungen bewertet werden.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14.9.2010 ergangenes Urteil, dem Beklagten zugestellt am 3.11.2010, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der die Rücknahme einer Einbürgerung regelnden Vorschrift des § 35 StAG erfüllt seien, da der Kläger seine Einbürgerung durch vorsätzliche unrichtige und unvollständige Angaben erwirkt habe. Ungeachtet der Frage, ob § 35 StAG der Behörde ein intendiertes oder ein freies Ermessen einräume, fehle es an einer ordnungsgemäßen, den Verhältnismäßigkeitgrundsatz im Einzelfall angemessen berücksichtigenden Ermessensbetätigung, die auch im Rahmen eines intendierten Ermessens unabdingbar sei. Dem öffentlichen Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände im Staatsangehörigkeitsrecht sei durchschlagendes Gewicht beigemessen worden, ohne die besonderen Lebensumstände des Klägers - insbesondere seine gelungene wirtschaftliche und soziale Integration, seine nachgewiesen ausgezeichneten Deutschkenntnisse und seine strafrechtliche Unbescholtenheit - sowie die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahme bereits fast verstrichen war, in die Abwägung einzubeziehen und ihrer Bedeutung entsprechend zu gewichten.

Der Beklagte hat am 25.11.2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.12.2010, eingegangen am 23.12.2010, begründet.

Seines Erachtens steht außer Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind. Der Kläger habe sowohl im ausländerrechtlichen Verfahren wie auch im Einbürgerungsverfahren über seine Staatsangehörigkeit getäuscht, da er seine Aufenthalte in der Türkei, seine dortige Registrierung als türkischer Staatsangehöriger und die Tatsache, in der Türkei Wehrdienst abgeleistet zu haben, verschwiegen habe. Hierdurch habe er zunächst ein Daueraufenthaltsrecht und sodann seine Einbürgerung erlangt, letzteres ohne zuvor das Verfahren zur Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit zu durchlaufen. Durch die so erschlichene Einbürgerung sei die Ausländerbehörde unzuständig und damit eine Rücknahme der rechtswidrigen Aufenthaltstitel unmöglich geworden. Es könne nicht sein, dass der Beklagte die einbürgerungsrelevante Täuschung infolge seiner Bindung an Entscheidungen der Ausländerbehörde reaktionslos hinnehmen müsse. Der vom Kläger bewirkte Irrtum über dessen Staatsangehörigkeit habe sich unmittelbar auf eine tatbestandliche Voraussetzung der Einbürgerung bezogen, so dass die konkret erfolgte Einbürgerung auf diesem Irrtum beruhe. Ob der Kläger nach heutiger Rechtslage eingebürgert werden könne, sei völlig offen, da hinsichtlich der Deutschkenntnisse und der Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung noch Tests abzulegen wären. Ebenso sei fraglich, ob den Anforderungen an die abzulegende Loyalitätserklärung Rechnung getragen wäre. In rechtlicher Hinsicht ist der Beklagte der Auffassung, dass § 35 StAG ein intendiertes Ermessen eröffne, was insbesondere in Verbindung mit der Fünfjahresfrist des Absatzes 3 der Vorschrift zur Folge habe, dass die Rücknahme die regelmäßige Folge einer Täuschung sei und dem Betroffenen während des Zeitraums von fünf Jahren grundsätzlich kein Vertrauensschutz zugebilligt werden könne. Ein Absehen von der Rücknahme könne daher nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz besonderer Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar sein müssten, gerechtfertigt sein. Die vom Verwaltungsgericht angeführten, nach dessen Auffassung im Rahmen der Ermessensbetätigung nicht gebührend berücksichtigten Umstände seien keine besonderen Gründe in diesem Sinne und entsprächen im Übrigen weitgehend nicht einmal den tatsächlichen Gegebenheiten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.9.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass § 35 Abs. 1 StAG kein intendiertes Ermessen vorgibt und daher die allgemeinen Grundsätze zur Ausübung und gerichtlichen Überprüfung des Rücknahmeermessens Anwendung finden müssten. Die Rücknahme seiner Einbürgerung sei aber selbst dann ermessensfehlerhaft, wenn man die Vorschrift im Sinne eines intendierten Ermessens verstehe. Auch unter dieser Prämisse seien die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet, die Tatsache, dass die Fünfjahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG zur Zeit der Rücknahmeverfügung bereits fast vollständig verstrichen gewesen sei, seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, die Einbürgerung seiner Kinder und die hieran anknüpfende Unzumutbarkeit einer Rückkehr in den Libanon oder die Türkei in die behördlichen Erwägungen einzustellen, was nicht geschehen sei.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu seiner Abstammung und den näheren Umständen der behaupteten Aufenthalte in der Türkei in den Jahren von 1976 bis 1990 angehört.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Vorprozesses 12 K 47/05, des im Asylverfahren ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 2.3.1993 - 5 K 118/92 - und der Verwaltungsakte (1 Ordner), der zum Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009, mit dem dieser die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung ist seit dem 12.2.2009 § 35 StAG. Diese neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügte Vorschrift enthält spezialgesetzliche Regelungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme einer Einbürgerung und gibt vor, dass die Einbürgerungsbehörde eine Einbürgerung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zurücknehmen kann. Bezogen auf ihren konkreten Regelungsgegenstand ersetzt sie die bis dahin als Rechtsgrundlage der Rücknahme einer Einbürgerung zur Anwendung gelangten, dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht angehörenden Vorschriften des jeweiligen Landesverfahrensrechts, vorliegend des § 48 SVwVfG. Durch die Schaffung der spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 35 StAG ist dem in der Rechtsprechung - zuletzt seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24 ff.) - in mehrfacher Hinsicht aufgezeigten konkreten Regelungsbedarf Rechnung getragen worden, indem der Gesetzgeber die aus Sicht der Rechtsprechung aufgeworfenen Fragen einer verbindlichen Regelung zugeführt hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f., 6)

Nach § 35 Abs. 1 StAG kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für die Einbürgerung gewesen sind, erwirkt worden ist. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen enger als unter der früheren Heranziehung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SVwVfG gefasst, der eine Rücknahmemöglichkeit grundsätzlich auch in Fällen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eröffnete.

Fallbezogen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig ist, vor.

Zunächst ist festzustellen, dass das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffend seinen Antrag auf Einbürgerung - gemessen an seiner inzwischen durch den Vorhalt, als türkischer Staatsbürger registriert zu sein, veranlassten Einlassung zu den Geschehnissen im Zeitraum von 1976 bis 1990 - unrichtige und unvollständige Angaben enthält. Unrichtig ist seine Erklärung, von Geburt an bis zu seiner Ausreise im Januar 1990 in Beirut/Libanon gelebt zu haben. Unvollständig sind seine Angaben insoweit, als er die Frage, ob er Wehrdienst geleistet habe, nicht beantwortet und die Ableistung eines anderen Militärdienstes verneint hat.

Diese Angaben sind zumindest, soweit es um das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei geht, im Sinn des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für seine Einbürgerung gewesen. Denn die Angabe, in der Türkei Wehrdienst geleistet zu haben, hätte - anders wohl als die Offenlegung einer bürgerkriegsbedingten zeitweiligen Flucht in die Türkei - die Annahme nahegelegt, dass der türkische Staat den Kläger jedenfalls damals als türkischen Staatsangehörigen angesehen hat. Das Verschweigen des Wehrdienstes in der Türkei war mithin im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG wesentlich für die Annahme des Beklagten, der Kläger sei staatenlos und seine Einbürgerung daher rechtlich möglich, ohne dass zuvor seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit aufzugeben wäre.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger den türkischen Wehrdienst - wie der Tatbestand des § 35 Abs. 1 StAG voraussetzt - vorsätzlich verschwiegen hat. Seine diesbezüglichen Versuche, einen entsprechenden Schuldvorwurf von sich zu weisen, überzeugen nicht. Seine Behauptung, er habe das Ausfüllen des Formulars infolge unzureichender Kenntnisse der deutschen Schriftsprache seinem ältesten Kind überlassen, zielt offenbar darauf ab, den Eindruck zu vermitteln, er habe nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig, was zur Erfüllung des Tatbestands des § 35 Abs. 1 StAG nicht ausreichen würde (ebenso bereits die neuere Rechtsprechung zu § 48 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 13.6.2007 - 5 B 132/07 -; HessVGH, Urteil vom 18.1.2007 - 11 UE 111/06 -, und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.12.2007 – 2 M 303/07 -, jeweils juris) , unvollständige Angaben gemacht. Indes überzeugt diese Darstellung nicht. Denn das älteste Kind des Klägers, seine ausweislich seiner am 22.11.1991 abgegebenen Erklärung an Eides statt im Januar 1981 geborene Tochter Amal, war zur Zeit der Ausreise der Familie nach Deutschland bereits neun Jahre alt und hatte sich den Bekundungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge - ebenso wie die übrigen im Libanon geborenen Kinder - selbst mehrfach gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in der Türkei aufgehalten, kennt die familiären Bezüge dorthin daher aus eigenem Erleben und wusste zudem - wie sich aus ihrer im Urteil des Amtsgerichts Merzig im Verfahren 25 Cs 24 Js 1557/02 wiedergegebenen Zeugenaussage ergibt - aus Erzählungen innerhalb der Familie, dass der Kläger 1976 mit seinen Eltern in die Türkei geflohen war. Dies berücksichtigend kann nicht angenommen werden, dass die Angabe, der Kläger habe von Geburt bis 1990 immer in der Türkei gelebt, auf Unkenntnis der Tochter basierte. Das diesbezügliche unrichtige Ausfüllen des Formulars und die fehlende Angaben zur Ableistung von Wehrdienst, einer Frage, die die Tochter - falls sie die Einzelheiten nicht ohnehin kannte - nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger beantworten konnte, lassen sich demgemäß nur damit erklären, dass der Kläger seiner Tochter die entsprechende - jedenfalls hinsichtlich seiner Aufenthalte vor 1990 auch nach deren Kenntnisstand unrichtige - Beantwortung vorgegeben, also vorsätzlich veranlasst hat. Er kann sich schließlich nicht mit der Behauptung entlasten, er habe die Frage betreffend den Wehrdienst auf sein Heimatland Libanon bezogen und insoweit wahrheitsgemäß beantwortet. Dieser Darstellung steht entgegen, dass er hinsichtlich der Angaben zu seinem Aufenthalt bis 1990 die in der Türkei verbrachten Jahre bewusst verschwiegen hat, was belegt, dass er darauf bedacht war, einen Verdacht, er könne aus der Türkei stammen oder gar die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 35 Abs. 1 StAG ist, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt worden ist, d.h. die erfolgte Einbürgerung muss rechtswidrig und die Fehlerhaftigkeit der Angaben muss hierfür kausal sein. Der Begünstigte muss seine Einbürgerung durch zweck- und zielgerichtetes Handeln in Gestalt entscheidungserheblicher fehlerhafter oder unvollständiger Angaben erlangt haben. (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, 24. Erg.Lfg. November 2010, § 35 Rdnr. 80 m.w.N.)

Rechtsgrundlage der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung des Klägers war die damals noch in Kraft befindliche Vorschrift des § 85 AuslG, die unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Einbürgerung begründete. Erforderlich war - neben anderen damals unstreitig erfüllten Voraussetzungen - u.a. ein achtjähriger rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland, der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung und die Aufgabe oder der Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Eine Rechtswidrigkeit der Einbürgerung ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Fehlen der beiden erstgenannten Voraussetzungen, denn diese liegen vor. Der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet ist rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. (BVerwG, Urteil vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 ff.; GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnrn. 102, 104, 107) Nach der im einschlägigen Zeitraum maßgeblichen Gesetzeslage wurde der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet gemäß § 5 AuslG durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erlaubt. Der Kläger verfügte seit dem 14.11.1996 über eine solche, und zwar zunächst in Gestalt einer befristeten mehrfach verlängerten Aufenthaltsbefugnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 30 AuslG und seit dem 9.9.2003 über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 AuslG, so dass sein Aufenthalt zur Zeit der am 3.12.2004 vollzogenen Einbürgerung seit acht Jahren erlaubt und damit rechtmäßig war und die nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erforderliche Aufenthaltserlaubnis vorlag.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einbürgerung des Klägers ist allein maßgeblich, ob die ihm erteilten Aufenthaltstitel wirksam waren, denn die Einbürgerungsbehörde ist an die Tatbestandswirkung wirksamer Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden und nicht befugt, deren Rechtsmäßigkeit im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen. (GK-StAR, a.a.O., § 10 Rdnr. 200 ff.) Die eventuelle Rechtswidrigkeit eines der Einbürgerung zugrunde liegenden Aufenthaltstitels schlägt nicht auf die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung durch. Es bedarf daher keiner Klärung, ob die dem Kläger auf den Namen A. unter der Annahme, er sei ein aus dem Libanon stammender kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit, seitens der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltsbefugnis bzw. –er-laubnis unter der Prämisse, dass es sich bei dem Kläger in Wahrheit um einen türkischen Staatsangehörigen mit dem Namen M. K. handelt, rechtswidrig war.

Nicht anders sieht dies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu der Relevanz von Zweifeln der Einbürgerungsbehörde an der Identität eines Ausländers erst kürzlich mit überzeugender Argumentation entschieden hat, dass die geklärte Identität eines Ausländers kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Einbürgerung sei. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010 - 19 A 1412/09 -, InfAuslR 2011, 31 ff.; anders VG Stuttgart, Urteil vom 1.3.2010, juris) Die Klärung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik ausschließlich dem Aufenthaltsrecht zugeordnet. So sei die geklärte Identität des Ausländers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG ausdrücklich eine Regelvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, während die geklärte Identität im Einbürgerungsrecht nicht erneut als tatbestandliche Voraussetzung einer Einbürgerung gefordert werde. Eine erweiternde Auslegung der Einbürgerungsvorschriften dahingehend, dass die Identität des Ausländers im Einbürgerungsverfahren erneut zu prüfen sei, sei nicht zulässig, denn sie widerspräche der gesetzlich normierten Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde und lasse sich auch aus Sinn und Zweck der Einbürgerungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorgaben zur Anspruchseinbürgerung nicht herleiten. Ziel der Anspruchseinbürgerung sei es allgemein, die Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer zu fördern. Die Einbürgerung dieser Personen sei als Abschluss eines hinreichenden Integrationsprozesses und Grundlage weiterer Inte-gration gedacht. Sinn und Zweck einer gesonderten Überprüfung der Identität im Einbürgerungsverfahren könne im Hinblick auf diese Ziele nur sein, sicherzustellen, dass die Person, die mit einem Namen in der Einbürgerungsurkunde bezeichnet ist und der diese ausgehändigt wird, auch diejenige Person ist, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen tatsächlich erfülle. Denn diese Person habe eine Lebensgeschichte, die nicht nur durch ihre bloße über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Namen gelebte Existenz in der Bundesrepublik Deutschland abschließend charakterisiert werde. Eine im Interesse der Bundesrepublik liegende sorgfältige Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und der Ausschlussgründe setze voraus, die konkrete Person und deren Lebensgeschichte, auch soweit sie sie vor der Einreise durchlaufen hat, zuverlässig zusammenzuführen, also ihre inländische mit ihrer ausländischen Identität abzugleichen. Dies sei nach der Gesetzeslage für den Regelfall sichergestellt. Eine erneute Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren sei unzulässig, solange der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbürgerung nicht durch Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entsprechend ergänze. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.8.2010, a.a.O.)

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die keinen Zweifel daran lassen, dass es der Einbürgerungsbehörde auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) nach der Einbürgerung neue Erkenntnisse über Identitätsmerkmale – wie etwa Name und Staatsangehörigkeit – bekannt werden, mangels gesetzlich begründeter Kompetenz verwehrt ist, die Rechtmäßigkeit des der Einbürgerung vorangegangenen Aufenthalts und die Wirksamkeit der damaligen Aufenthaltstitel in Frage zu stellen.

Fallbezogen bedeutet dies, dass die nach erfolgter Einbürgerung bekannt gewordene Registrierung des Klägers als türkischer Staatsangehöriger nichts daran ändert, dass der Kläger als die Person, die 1990 als kurdischer Volkszugehöriger ungeklärter Staatsangehörigkeit aus dem Libanon unter dem Namen A. eingereist ist, eingebürgert wurde. Die neuen Erkenntnisse betreffend seine Registrierung als türkischer Staatsangehöriger unter dem Namen M. K. begründen nach der Konzeption des Gesetzes keine Befugnis des Beklagten als Einbürgerungsbehörde, die Einbürgerung des Klägers mit der Begründung, er sei in Wahrheit eine andere Person als die, die am 3.12.2004 nach dem behördlichen Willen eingebürgert worden ist, für rechtswidrig zu erklären. Insoweit bleibt maßgeblich, dass der unter dem Namen A. eingebürgerte Kläger sich zur Zeit seiner Einbürgerung unter diesem Namen seit acht Jahren ausländerbehördlich erlaubt und damit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten (§ 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und über eine wirksame - wenn vielleicht auch rechtswidrige - Aufenthaltserlaubnis verfügt hat (§ 85 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG).

Die Einbürgerung des Klägers ist indes in ihrer konkreten Ausgestaltung mit Blick auf § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert. Da der Kläger nach den zwischenzeitlichen Erkenntnissen als türkischer Staatsangehöriger registriert ist, hätte seine Einbürgerung erst nach Befassung der türkischen Behörden mit der Angelegenheit erfolgen dürfen. Die Rechtmäßigkeit seiner Einbürgerung setzte nach der zitierten gesetzlichen Vorgabe voraus, dass ihm von Seiten der türkischen Behörden zuvor entweder ein sogenanntes Negativattest im Sinne einer Bestätigung, dass eine türkische Staatsangehörigkeit nicht besteht, ausgestellt oder dass seine Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verfügt worden wäre. Hieran fehlt es und dies nur deshalb, weil der Kläger dem Beklagten jeglichen persönlichen und rechtlichen Bezug zur Türkei, insbesondere die Tatsache, dass er türkischen Wehrdienst geleistet hat, verschwiegen und behauptet hat, staatenlos zu sein.

Damit steht fest, dass der Kläger seine Einbürgerung in ihrer konkreten rechtlichen Gestalt durch seine vorsätzlich unvollständigen Angaben erwirkt hat und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten in Gestalt der Rücknahme der Einbürgerung erfüllt sind.

Dennoch unterliegt der angefochtene Bescheid mit Blick darauf, dass der Beklagte das ihm durch § 35 Abs. 1 StAG eröffnete Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat, der Aufhebung (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

Prämisse der behördlichen Ermessensausübung war - wie insbesondere in der Berufungsbegründung deutlich zum Ausdruck kommt - die Annahme, dass § 35 Abs. 1 StAG ein sogenanntes intendiertes Ermessen vorgibt. Der Beklagte meint, die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe, die nach Schwere und Gewicht in etwa mit den Fällen einer besonderen Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbar seien, könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.

Zumindest letzteres überzeugt nicht. Denn für die Auffassung, dass nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das Staatsangehörigkeitsgesetz keine Grundlage. Hätte der Gesetzgeber eine dem Eingebürgerten günstige Ermessensentscheidung nur bei Vorliegen einer besonderen Härte der vorbezeichneten Art zulassen und damit eine gemessen an der zu der Rücknahme nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.) - sehr restriktive Regelung schaffen wollen, so wäre zu erwarten, dass diese Absicht in Anlehnung an die Formulierung des § 8 Abs. 2 StAG im Gesetzeswortlaut, zumindest aber in der Gesetzesbegründung, ihren eindeutigen Niederschlag gefunden hat, was nicht festzustellen ist.

Ob § 35 StAG der Verwaltung unabhängig hiervon nur ein intendiertes Ermessen eröffnet, erscheint fraglich. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte geben jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts aus Sicht des Senats keine eindeutigen Hinweise in diese Richtung.

§ 35 StAG beschränkt die Rücknahmemöglichkeit zwar in Abs. 3 in zeitlicher Hinsicht auf fünf Jahre nach der Bekanntgabe der Einbürgerung und gibt in Abs. 2 ausdrücklich vor, dass der Rücknahme in der Regel nicht entgegensteht, dass der Betroffene staatenlos wird. Des Weiteren verhält Abs. 5 sich zu Fallgestaltungen, in denen die Rücknahme Auswirkungen auf Dritte hat und legt Abs. 4 abschließend fest, dass jede Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt, was sich im Vergleich zu § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG als eine diesbezüglich verbleibendes Ermessen ausschließende Verschärfung darstellt. Ansonsten beschränkt die gesetzliche Regelung sich ihrem Wortlaut nach in Abs. 1 auf die Ermächtigung der Einbürgerungsbehörde, eine Einbürgerung bei Vorliegen der näher bezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen, die enger als diejenigen des § 48 Abs. 2 SVwVfG gefasst sind, zurückzunehmen. Formulierungen, aus denen sich herleiten ließe, dass der Gesetzgeber im Regelfall ein bestimmtes Ergebnis der Ermessensbetätigung als angemessen erachtet, finden sich im Gesetzeswortlaut anders als etwa in § 48 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG, einem anerkannten Fall intendierten Ermessens (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 21 b) , nicht. Ob das einschlägige Fachrecht - vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht - hinsichtlich der Rücknahme einer Einbürgerung vorgibt, dass das Ermessen im Regelfall fehlerfrei nur durch eine bestimmte Entscheidung, nämlich die Entscheidung für die Rücknahme, ausgeübt werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 5.7.1985 - 8 C 22/83 -, NJW 1986, 738 ff., vom 25.9.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, NJW 1993, 744 ff., und vom 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233 f.) , beurteilt sich nach der Entstehungsgeschichte und den grundsätzlichen Wertentscheidungen und Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

Allgemein ist unter den Gesichtspunkten Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des § 35 StAG festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits in Bezug genommenen, den Gesetzgeber zum Tätigwerden veranlassenden Entscheidung vom 24.5.2006 zu den Rechtsfolgen einer erschlichenen Einbürgerung und dem Regelungsgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeführt hat, es sei grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern sei. Dabei sei dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen – auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehe – nicht der Einsatz bestimmter Sicherungsmittel vorgegeben. Insbesondere verbiete die Verfassung es nicht prinzipiell, begünstigende Verwaltungsakte, die durch Täuschung, Bestechung oder Betrug des Entscheidungsträgers erwirkt worden seien, in Geltung zu belassen, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt nicht so beschaffen seien, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Es könne auch bei erschlichenen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaats zu verzichten. Umgekehrt sei selbst bei drohender Staatenlosigkeit davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit der Rücknahme durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundsätzlich habe verschließen wollen. Zu beachten sei, dass der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung sei, da er seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten bestimme. Der diesbezügliche Grundrechtsschutz habe besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden könne, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts“ darstelle. Im Falle der zeitnahen Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung stehe dem Täuschenden gemäß § 48 VwVfG kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiege, wobei die Verwaltung im Rahmen des Ermessens einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle habe. Hier sei durch die Einräumung von Ermessen die Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion eröffnet. Die öffentliche Gewalt sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, jeden rechtswidrigen oder verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen. Ebenso sei der Gesetzgeber nicht gehalten, in Fällen der erschlichenen Einbürgerung etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG) kraft Gesetzes deren zwingende Rücknahme vorzugeben.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die die im zitierten Urteil getroffene Entscheidung, dass die Landesverwaltungsverfahrensgesetze der Rücknahme einer Einbürgerung zumindest im Regelfall eine hinreichende Rechtsgrundlage bieten, nicht mitgetragen haben, haben ihre abweichende Meinung unter dem Gliederungspunkt IV des Urteils begründet, wobei sie die grundlegende Bedeutung der Staatsangehörigkeit für den Einzelnen und die Gemeinschaft ebenfalls betont und hieraus hinsichtlich der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen auf die Notwendigkeit geschlossen haben, die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit in die Abwägung einbeziehen. Der Gesetzgeber habe eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten zur Rücknahme der Einbürgerung führe. Denn es verstehe sich nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten über das Instrument der Rücknahme der Einbürgerung und nicht auf andere Weise sanktioniert werde. Es liege im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. (BVerfG, Urteil vom 24.5.2006, a.a.O.)

Mithin stimmen alle an der Entscheidung beteiligten Richter des Bundesverfassungsgerichts darin überein, dass die Fälle einer erschlichenen Einbürgerung bedingt durch die Umstände des Einzelfalls sehr vielgestaltig sein können und es daher gerade unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Staatsangehörigkeit gute Gründe dafür gibt, dass der Gesetzgeber der Verwaltung ein Rücknahmeermessen einräumt und ihr damit die Möglichkeit eröffnet, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ihrem Gewicht entsprechend in ihre Abwägungen einzustellen. Diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und § 35 StAG seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nach als Ermessensvorschrift ausgestaltet.

Zur Frage, ob den Strukturen des Staatsangehörigkeitsrechts aus verfassungsgerichtlicher Sicht eher ein freies oder ein intendiertes Ermessen gerecht wird, enthalten die Urteilsgründe und die Begründung der abweichenden Meinung keine eindeutigen Vorgaben bzw. Empfehlungen. Die verfassungsgerichtlichen Ausführungen, die das Tätigwerden des Gesetzgebers letztendlich veranlasst haben, lassen sich daher aus Sicht des Senats nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten, ihm sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein intendiertes Ermessen eingeräumt, heranziehen.

Die Gesetzesbegründung zu § 35 StAG ist hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltung ein freies oder ein intendiertes Ermessen eröffnet werden sollte, ebenfalls nicht aussagekräftig.

Nach seinen die Gesetzesbegründung einleitenden Erwägungen hat der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Regelungsbedarf hinsichtlich drei näher bezeichneter Problemkomplexe gesehen, wobei die Ausgestaltung des Rücknahmeermessens keine Erwähnung gefunden hat. (BT-Drs. 16/10528, S. 1 f.) Der allgemeine Teil der Gesetzesbegründung und die Einzelbegründung zu § 35 enthalten ebenfalls keine eindeutig im Sinn eines intendierten Ermessens zu verstehende Aussage. (BT-Drs., a.a.O., S. 6 u. 7 f.) Eher gegen die Annahme eines intendierten Ermessens spricht, dass es in der Gesetzesbegründung heißt, die tatsächliche Anzahl von Fällen der Rücknahme von Einbürgerungen sei gemessen an der Zahl an Einbürgerungen in der Praxis sehr gering. (BT-Drs. 16/10528, a.a.O., S. 7) Die Rücknahme von Einbürgerungen ist mithin keine Rechtsmaterie, die auch nur annähernd Züge einer Massenverwaltung aufweist. Es geht typischerweise um Einzelschicksale, was es nahelegt, der Einbürgerungsbehörde ungeachtet des Fehlens von schutzwürdigem Vertrauen eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls abzuverlangen.

Begründet sich die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung - wie vorliegend - ausschließlich darauf, dass diese in Unkenntnis einer etwaig bestehenden Staatsangehörigkeit des als staatenlos angesehenen Einbürgerungsbewerbers erfolgt ist, ohne dass zuvor behördlicherseits das Notwendige zur Vermeidung von Doppelstaatigkeit veranlasst werden konnte, spricht ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Annahme eines intendierten Ermessens. Denn ein dem Staatsangehörigkeitsrecht innewohnendes Bedürfnis, auf das Verschweigen einer bestehenden Staatsangehörigkeit bei Vorliegen aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen mit einer Einzelbelange weitgehend ausschließenden Bindung des Rücknahmeermessens zu reagieren, drängt sich nicht auf. Vielmehr ist die unterbliebene Befassung der Heimatbehörden mit der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage ohne weiteres nachholbar, wodurch dem mit den einschlägigen Vorschriften (hier § 85 Abs. 1 Nr. 4 AuslG) allein verfolgten Anliegen des Gesetzgebers, Doppelstaatigkeit zu vermeiden, im Nachhinein vollumfänglich Geltung verschafft werden kann. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu Einbürgerungen, deren Rechtswidrigkeit sich aus einer irreparablen Missachtung anderer Zielsetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts herleiten, weil sie beispielsweise durch eine Scheinehe erschlichen worden sind.

Fallbezogen bedarf - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - die Frage, ob § 35 StAG der Verwaltung lediglich ein intendiertes Ermessen einräumt, wovon insbesondere die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17.4.2009 ausgehen (GK-StAG, a.a.O., Band 2, VII-3, Nr. 35.1, S. 64) , oder ob der Verwaltung ein freies Ermessen eröffnet ist, mit Blick auf die Begründung des konkret angefochtenen Rücknahmebescheids keiner Entscheidung. Denn nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und der auszugsweise wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht jedenfalls außer Zweifel, dass einzelfallbezogen eine behördliche Abwägung unter Einbeziehung der Belange des Betroffenen stattzufinden hat. So heißt es in der Begründung zu § 35 StAG ausdrücklich, dass die Gründe der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit den Rechten der betroffenen Person abzuwägen sind, wobei der Vertrauensschutzgedanke keine Rolle spiele, weil die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung in deren Sphäre liege (BT-Drs., a.a.O., S. 8) . Dies macht deutlich, dass auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers - ungeachtet der Nichtgewährung von Vertrauensschutz - alle etwaigen den konkreten Einzelfall prägenden Belange des Betroffenen zu ermitteln und im Rahmen der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen sind.

Dem wird der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten nicht gerecht, denn der Beklagte hat es verabsäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden Belange des Klägers in seine Ermessensentscheidung einzustellen. Diesbezüglich enthält auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Union eindeutige Vorgaben, denen die Rücknahmeverfügung des Beklagten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Das Bundesverwaltungsgericht fordert in Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber in seinem Einbürgerungsantrag ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren verschwiegen, dadurch eine Aussetzung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Klärung des Strafvorwurfs verhindert und demgemäß seine „sofortige“ Einbürgerung erwirkt hat, dass die Einbürgerungsbehörde das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist, im Rahmen der Betätigung ihres Rücknahmeermessens berücksichtigt. (BVerwG, Urteil vom 3.6.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 ff.) Nicht anders sieht dies der Gerichtshof der Europäischen Union, der verlangt, dass unter anderem die Schwere des von dem Betroffenen begangenen Verstoßes in das Rücknahmeermessen einzustellen ist. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010 - C-135/08 -, juris) Bezogen auf die vorliegende Konstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger Anhaltspunkte für das eventuelle Bestehen einer türkischen Staatsangehörigkeit verschwiegen und dadurch erreicht hat, dass er unmittelbar, also ohne vorherige Befassung der türkischen Behörden mit seiner Angelegenheit zwecks Ausstellung eines Negativattestes beziehungsweise Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit, eingebürgert wurde, bedeutet dies, dass das Fehlverhalten des Klägers mit dem ihm nach dem Sach- und Streitstand konkret zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen ist. Dies ist nicht geschehen, obwohl dem Beklagten aufgrund der Anhörung des Klägers dessen Einlassung bekannt war, er sei staatenloser kurdischer Volkszugehöriger aus dem Libanon und habe die türkische Staatsangehörigkeit weder aufgrund entsprechender Abstammung noch aufgrund einer wirksamen Einbürgerung jemals erworben. Dass er und seine Eltern und Geschwister dennoch in dem Register von Mersin als türkische Staatsangehörige geführt werden, erkläre sich allein daraus, dass sein Vater diese Eintragungen 1976 durch Bestechung erwirkt habe, um die durch den damals im Libanon ausgebrochenen Bürgerkrieg veranlasste Flucht der Familie in die Türkei zu ermöglichen.

Diese Erklärung der Registereinträge kann - wie sie insbesondere in einem Untersuchungsbericht zu staatenlosen Kurden aus dem Libanon vom April 2001 dokumentiert sind (RA Freckmann, Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon vom 20.4.2001) - mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Region durchaus der Wahrheit entsprechen und hätte daher eine Befassung des Beklagten mit diesem Vorbringen notwendig gemacht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage angegeben, zur Volksgruppe der Mahalmi zu gehören. Hinsichtlich dieser Volksgruppe ergibt sich aus dem erwähnten Untersuchungsbericht, dass es sich um arabisch sprechende Kurden handeln dürfte, die seit mehreren Jahrhunderten in dem türkischen Gebiet zwischen Mardin, Savur und Midyat leben. Diese Menschen tragen an und für sich arabische Namen, wurden aber vom türkischen Staat gezwungen, einen türkischen Namen zu führen, den sie im Umgang mit den türkischen Behörden benutzen müssen. Insbesondere die Mahalmi, die in dem Bereich um Savur, in dem auch die als Geburtsort des Klägers bezeichnete Ortschaft Ückavak liegt, angesiedelt sind, sind zumeist arm und gelten als Gegner des türkischen Staates. Etwa seit Ende der 20iger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Mahalmi verstärkt in den Libanon ausgewandert, weil sie dort in wirtschaftlicher Hinsicht bessere Lebensbedingungen vorfanden. Dort konnten sie ungehindert unter ihren arabischen Namen leben. Schon ihre Kinder haben die türkischen Familiennamen nicht mehr gekannt und in der Regel keine Kontakte in die Herkunftsregion der Familie mehr gehabt. Soweit Angehörige der Volksgruppe der Mahalmi die Türkei bereits vor Ende 1930 verlassen haben und ihr Verbleib ungeklärt war, regelt das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1964, dass sie nicht mehr als türkische Staatsangehörige gelten.

Unter Zugrundelegung dieser Gegebenheiten erscheint durchaus möglich, dass die Darstellung des Klägers, er sei nur aufgrund Bestechung als türkischer Staatsangehöriger registriert, ohne dass ihm dieser Status nach türkischem Recht zustünde, zutrifft. So spricht der Kläger - wie der notariellen Urkunde vom 22.11.1991 zu entnehmen ist - weder Türkisch noch Kurmanci, die Sprache der türkischen Kurden. Ferner sind seine Eltern ausweislich ihrer libanesischen Aufenthaltserlaubnisse aus dem Jahre 1975, deren Übersetzungen sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befinden (Bl. 227 und 228), 1932 bzw. 1935 geboren. Nach Angaben des Klägers haben sie ihren Erzählungen zufolge von Geburt an im Libanon gelebt. Dies vorausgesetzt ist nicht fernliegend, dass seine Großeltern vor Ende 1930 in den Libanon ausgewandert sind und daher nach türkischen Staatsangehörigkeitsrecht 1964 ihre ursprüngliche türkische Staatsangehörigkeit verloren haben, so dass auch der Kläger diese nicht kraft Abstammung erlangt hätte. In diesem Fall könnte er zu Recht für sich in Anspruch nehmen, alleine aufgrund der Bestechung türkischer Beamter, von der sein Vater immer erzählt habe, unter dem türkischen Namen M. K. als türkischer Staatsangehöriger registriert worden zu sein.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, der zitierte Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2001 liege ihm vor und sein Inhalt sei ihm seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass er die ihm bekannte Einlassung des Klägers, nur aufgrund Bestechung in den türkischen Registern geführt zu werden, in seinem Rücknahmebescheid vom 9.9.2009 damit abgehandelt hat, dass nach den entgegenstehenden Ergebnissen der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Interpol Ankara zweifelsfrei davon auszugehen sei, dass der Kläger der türkische Staatsangehörige M. K. sei. Es wäre geboten gewesen, die Angaben des Klägers - gegebenenfalls im Wege einer ergänzenden Befragung - einer Glaubhaftigkeitskontrolle und den Kläger selbst einer Glaubwürdigkeitskontrolle zu unterziehen und bejahendenfalls im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers nicht im Verschweigen seiner „wahren“ arabischen Identität, sondern seiner erkauften türkischen Aliasidentität bestand und ihm daher nicht mit dem Gewicht, das ihm ansonsten beizumessen wäre, entgegengehalten werden kann. Da dies nicht geschehen ist, leidet die Ermessensentscheidung des Beklagten an einem ihre Rechtswidrigkeit begründenden Mangel. Gegen die Erheblichkeit dieses Mangels lässt sich insbesondere nicht einwenden, der Kläger hätte unter Offenlegung seiner Registrierung in der Türkei nie ein vorläufiges Bleiberecht und daher auch später kein Aufenthaltsrecht erlangen können. Denn ausweislich der Auskunft des Landesverwaltungsamtes vom 20.3.2008 (Bl. 283 der Verwaltungsakte) hätte der Kläger als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit bei einem Abschluss des entsprechenden Asylverfahrens nach dem 25.3.1992, dem Tag, an dem die diesbezügliche Härtefallregelung in Kraft getreten ist, deren Voraussetzungen erfüllt.

Abgesehen hiervon ist die Ermessensausübung des Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu beanstanden, als der Beklagte es versäumt hat, die Dauer des Gesamtaufenthalts des Klägers im Bundesgebiet und die zwischen Einbürgerung und Rücknahme verstrichene Zeit zugunsten des Klägers in seine Erwägungen einzustellen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Dauer des Aufenthalts in Deutschland in Fällen eines erschlichenen Aufenthaltsrechts im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigt werden braucht (BVerwG, Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6/03 -, BVerwGE 119, 17 ff.) , ist überholt.

Unter dem Eindruck der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2006 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 -, juris) im Oktober 2006 die Auffassung vertreten, dass eine unzureichende Gewichtung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland im Rahmen der Abwägung - im dortigen Fall 13 ½ Jahre - zur Ermessensfehlerhaftigkeit der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung führen dürfte, dies aber letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen. In der nachfolgenden Revisionsentscheidung, in der es auf diese Frage ebenfalls nicht ankam, hat das Bundesverwaltungsgericht dennoch festgestellt, dass es die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg dazu, dass die Zeitdauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und der zwischen der Einbürgerung und deren Rücknahme verstrichene Zeitraum als maßgebliche Abwägungsgesichtspunkte bei der Ausübung des Ermessens einzustellen seien, im rechtlichen Ansatz teile (BVerwG, Urteil vom 14.2.2008 - 5 C 4/07 -, BVerwGE 130, 209 ff.) , insoweit also von seiner früheren Rechtsprechung Abstand genommen.

Diese Neuorientierung der Rechtsprechung ist sachgerecht. Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig - und dies gilt im besonderen Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird - ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belange trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union betont ebenfalls, dass die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, als ein maßgeblicher Abwägungsgesichtspunkt in das Rücknahmeermessen einzustellen sei und hebt im Übrigen hervor, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu beachten sei. (EuGH, Urteil vom 2.3.2010, a.a.O.)

Diesen vom Bundesverwaltungsgericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union formulierten Anforderungen wird die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Insbesondere der Umstand, dass der Kläger sich zur Zeit der Rücknahmeentscheidung seit fast 20 Jahren in Deutschland aufhielt, findet in seinen Erwägungen nicht einmal ansatzweise Erwähnung. Ebensowenig verhält er sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass zwischen der Einbürgerung und der Rücknahme bereits knapp fünf Jahre verstrichen waren. Vielmehr behauptet der Beklagte pauschal, besondere Gründe, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien, seien nicht ersichtlich. Hierin liegt ein durchgreifender Ermessensfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muss, zumal das Bundesverwaltungsgericht in einem ganz neuen Urteil vom 11.11.2010 (BVerwG, Urteil vom 11.11.2010 - 5 C 12/10 -, juris) , dessen Begründung erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlicht worden ist, bekräftigt hat, dass im Rahmen der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange alle nach Lage der Dinge maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen seien. Hierbei seien insbesondere die Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes und die Zeit zwischen Einbürgerungsentscheidung und Rücknahmeentscheidung zu gewichten. So könne zum Beispiel eine geringe Schwere des Verstoßes im Zusammenwirken mit anderen Umständen dazu führen, dass die Rücknahme ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Einen Versuch, im Berufungsverfahren im Rahmen des nach § 114 Satz 2 VwGO Möglichen Ermessenserwägungen nachzuschieben, hat der Beklagte nicht unternommen, sondern beharrlich den Standpunkt vertreten, der Fall biete keine Veranlassung zu ergänzenden Ermessenserwägungen.

Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, es sei fraglich, ob der Kläger alle nach heutiger Rechtslage maßgeblichen Einbürgerungsvoraussetzungen erfülle, nicht entscheidungserheblich. Seiner Relevanz steht bereits das im Staatsangehörigkeitsrecht geltende Günstigkeitsprinzip, das in § 40 c StAG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, entgegen. Zudem gilt, dass die Erfüllung der Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zwar zur Rechtswidrigkeit einer nach den Rücknahmevorschriften eigentlich rechtmäßigen Rücknahme führen kann, weil ihr der aktuelle Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht. Indes kann das Nichtbestehen eines Einbürgerungsanspruchs zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung über die angefochtene Rücknahme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Folge haben, dass eine den rechtlichen Anforderungen nicht genügende und damit rechtswidrige Rücknahme rechtmäßig wird.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht der gegen die Rücknahme der Einbürgerung erhobenen Klage zu Recht stattgegeben, so dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird in Anwendung der §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1. der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch für das Berufungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Die Verfügung der Beklagten vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06. Juli 2006 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung durch die Beklagte.
Der Kläger, ein am ... 1962 geborener sri-lankesischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit, gelangte im Jahr 1985 in die Bundesrepublik Deutschland. Seit 09.04.1998 besaß der Kläger eine Aufenthaltsberechtigung, nachdem er zuvor seit dem 19.07.1995 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gewesen war.
Der Kläger hat am 19.11.1996 eine sri-lankesische Staatsangehörige geheiratet. Aus dieser Ehe gingen 1997 und 1999 zunächst zwei Kinder hervor.
Unter dem 09.11.1999 beantragte der Kläger für sich und seine beiden Kinder die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Nachdem sich die Verfahrensbearbeitung zunächst hinzog, gab der Kläger am 01.02.2003 eine von der Beklagten geforderte Loyalitätserklärung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ab. Er erklärte hierin darüber hinaus, u.a. keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt zu haben, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Die Zusammenstellung der weiteren zur Einbürgerung erforderlichen Unterlagen ergaben keine Beanstandungen.
Unter dem 12.04.2002 teilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg der Beklagten auf deren Anfrage per Formblatt mit, die Überprüfung des Klägers könne noch nicht abgeschlossen werden, nach Abschluss der Bearbeitung erfolge unaufgefordert weitere Nachricht. Da das hierzu verwandte Formular u.a. in der Rubrik „Besondere Umstände nichts bekannt“ ein Kreuzchen enthielt, übersah der Sachbearbeiter der Beklagten die unten angefügte Zwischennachricht über die weitere Bearbeitung und Überprüfung und nahm, nachdem die vorgelegten Unterlagen keinerlei Beanstandungen ergaben, am 06.05.2002 die Einbürgerung des Klägers und seiner beiden Kinder durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vor.
Wenig später, am 23.05.2002, erreichte die Beklagte die Mitteilung des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, der Einbürgerungsvorgang sei dem Innenministerium Baden-Württemberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt worden. In einem Aktenvermerk vom 29.05.2002 hielt die Beklagte daraufhin fest, aufgrund welcher Irrtümer es auf ihrer Seite zur Einbürgerung des Klägers gekommen war. Darüber hinaus fragte die Beklagte unter dem 05.07.2002 beim Innenministerium Baden-Württemberg an, was in dieser Sache nun zu geschehen habe. Mit Erlass vom 06.08.2002 forderte das Innenministerium Baden-Württemberg die Beklagte auf, eine Rücknahme dieser Einbürgerung zu prüfen. Das Innenministerium teilte hierzu mit, der Kläger sei dem Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der linksextremistischen tamilischen Separatistenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) bekannt. Es gebe aus den Jahren 1993 bis 1999 Erkenntnisse über den Kläger. Es lägen damit tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Kläger Bestrebungen verfolgt oder unterstützt habe, die durch auf die Anwendung von Gewalt gerichteten Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die vom Kläger abgegebene Loyalitätserklärung vom 01.02.2002 stehe diesen Erkenntnissen entgegen. Die Einbürgerung könne daher rechtswidrig sein und der Rücknahme unterliegen.
Unter dem 03.09.2002 hörte die Beklagte den Kläger zu diesen Vorhalten an. Der Kläger äußerte sich unter dem 10.09.2002 dahingehend, dass er sich aus humanitären Gründen für den Verein „TRO“ engagiert habe, der sich insbesondere um Kinder in Sri Lanka, die ihre Eltern verloren hätten und nun Waisen seien, kümmere. Mit der LTTE habe er nichts zu tun. Er unterstütze auch deutsche humanitäre Organisationen wie das DRK oder die Johanniter-Unfall-Hilfe. Im Übrigen habe er aus familiären Gründen seine Mitwirkung der TRO entzogen.
Nach erneuter Vorlage forderte das Innenministerium Baden-Württemberg die Beklagte mit Erlass vom 26.11.2002 auf, die Einbürgerung des Klägers nunmehr zurückzunehmen.
Am 29.12.2002 kam ein weiteres Kind des Klägers und seiner Ehefrau zur Welt. Dieses erwarb gemäß § 4 Abs. 1 StAG, abgeleitet vom Kläger, die deutsche Staatsangehörigkeit.
10 
Mit Bescheid vom 03. April 2003 schließlich nahm die Beklagte die Einbürgerung des Klägers und der beiden seinerzeit mit eingebürgerten Kinder rückwirkend zum Zeitpunkt der Einbürgerung zurück. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides die drei Einbürgerungsurkunden zurückzugeben. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, die Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg und die Beziehungen des Klägers zur tamilischen Separatistenorganisation LTTE in den Jahren 1993 bis 1999 würden belegen, dass der Kläger von deutschem Boden aus unmittelbar und mittelbar die LTTE und damit zugleich deren Bestrebungen unterstützt habe, die auch auf die Vorbereitung der Anwendung von Gewalt in Sri Lanka gerichtet sind. Diese Betätigung sei im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG (a.F.) geeignet, die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Sri Lanka und seiner Regierung nachhaltig zu beeinträchtigen und damit auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Von einem Abwenden von diesen Bestrebungen könne nicht ausgegangen werden, nachdem der Kläger dem Landesamt für Verfassungsschutz letztmals 1999 entsprechend bekannt geworden sei und nach seinen eigenen Einlassungen die Zurückhaltung nunmehr lediglich familiär bedingt sei. Damit habe § 86 Nr. 2 AuslG der Einbürgerung des Klägers seinerzeit und auch weiterhin entgegengestanden. Gemäß § 48 LVwVfG könne diese Einbürgerung daher zurückgenommen werden. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG nicht berufen, nachdem der Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt worden sei, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Bei der Ermessensausübung sei nicht verkannt worden, dass aufgrund des langen Inlandsaufenthaltes und im Hinblick auf die Kinder, die in Deutschland aufgewachsen seien, ein erhebliches Interesse am Bestand der Einbürgerung bestehe. Zumal bei einem Fortbestand der Einbürgerung das am 29.12.2002 geborene Kind des Klägers gemäß § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt besitze. Da die Rechtsposition des Klägers aber durch wahrheitswidrige Angaben erlangt worden sei, bestehe ein noch viel gewichtigeres öffentliches Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes und zwar auch unter generalpräventiven Aspekten. Die Einbürgerung sei daher rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einbürgerung zurückzunehmen, da ansonsten das letztgeborene Kind im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bliebe, obwohl die Person, von der es die deutsche Staatsangehörigkeit ableitet, von Anfang an und somit auch im Zeitpunkt der Geburt dieses Kindes keinen Anspruch hierauf hatte. Darüber hinaus sei die Rücknahme einer durch falsche Angaben erreichten Einbürgerung nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg selbst dann rechtlich zulässig, wenn der Betroffene dadurch staatenlos werde. Nachdem die Einbürgerung des Klägers keinen Bestand haben könne, treffe dies auch auf die Miteinbürgerung der beiden seinerzeit mit eingebürgerten Kinder zu. Dabei habe es sich um eine akzessorische Entscheidung gehandelt, so dass aus der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung des Klägers auch die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung der Kinder folge. Diese müssten sich die wahrheitswidrigen Angaben ihres Vaters zurechnen lassen. Eine anderweitige Einbürgerungsmöglichkeit, nach § 8 StAG, bestehe im Fall des Klägers und der beiden Kinder nicht, da auch insoweit der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG entgegenstehe.
11 
Der Kläger legte gegen diese Verfügung Widerspruch ein. Ein Grund für die Rücknahme der Einbürgerung bestehe nicht.
12 
Im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung fragte das Regierungspräsidium Stuttgart unter dem 10.03.2005 bei der Beklagten nach, ob das am 29.12.2002 geborene Kind des Klägers auch auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben könnte. Die Beklagte teilte daraufhin unter dem 13.06.2006 mit, dies sei nicht der Fall, da die Eltern des Kindes im Zeitpunkt der Geburt nicht die erforderlichen Aufenthaltsgenehmigungen besessen hätten.
13 
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2006, zugestellt am 10.07.2006, wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers selbst gegen die Verfügung der Beklagten vom 03.04.2003 mit der Maßgabe zurück, dass die Rücknahme der Einbürgerung erst ab dem 07.04.2003, dem Datum der Zustellung des Rücknahmebescheides, wirksam werde. Zur Begründung ist ausgeführt, mit Blick auf den Kläger mache sich die Widerspruchsbehörde die Erwägungen des Ausgangsbescheides zu eigen. Um aber bei dem am 29.12.2002 geborenen Kind Staatenlosigkeit zu verhindern, werde die Einbürgerung nicht ex tunc - rückwirkend zum Zeitpunkt der Einbürgerung am 06.05.2002 -, sondern erst ex nunc - mit Zustellung des Rücknahmebescheides am 07.04.2003 - zurückgenommen. Insoweit werde das Rücknahmeermessen zugunsten des dritten Kindes ausgeübt, das somit die deutsche Staatsangehörigkeit behalte. Bezüglich der beiden erstgeborenen Kinder des Klägers habe sich das Widerspruchsverfahren erledigt, da die Beklagte die Rücknahme deren Einbürgerung aufheben und einen Abhilfebescheid erlassen werde.
14 
Mit Bescheid vom 18.07.2006 hob sodann die Beklagte ihre Rücknahmeverfügung vom 03.04.2003 in Bezug auf die beiden 1997 und 1999 geborenen Kinder des Klägers wieder auf.
15 
Der Kläger hat am 26.07.2006 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung ist auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Der Kläger habe lediglich für die TRO, eine anerkannte Hilfsorganisation, gespendet.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid der Beklagten vom 03. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06. Juli 2006 aufzuheben.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Sie bezieht sich auf die angegriffenen Verfügungen.
21 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Das Gericht konnte vorliegend durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
23 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten (auch) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten daher durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
24 
In der gegebenen Konstellation verfügt die Beklagte (derzeit) über keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Einbürgerung des Klägers. Insbesondere kann sie sich nicht - wie geschehen - auf § 48 LVwVfG Ba.-Wü. stützen. Auf die Frage, ob beim Kläger tatsächlich im Zeitpunkt seiner Einbürgerung der einer Einbürgerung entgegenstehende Ausschlussgrund des damaligen § 86 Nr. 2 AuslG vorlag, kommt es hier nicht an.
25 
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.05.2006 (- 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, 807 = InfAuslR 2006, 335) entschieden, wann § 48 LVwVfG Ba.-Wü. eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bietet für die Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte getäuscht hat. Namentlich für den Fall einer zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung könne darin eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gesehen werden (3. Leitsatz der Entscheidung). Dem Fall lag die Rücknahme einer Einbürgerung zugrunde, die fast genau zwei Jahre zuvor vorgenommen worden war. Nachdem im vorliegenden Fall zwischen der Einbürgerung des Klägers und der angegriffenen Rücknahmeentscheidung der Beklagten (wenn man nicht auf den Erlass des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart abstellt) weniger als 1 Jahr verstrichen war, wäre zwar von einer solch zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch auszugehen.
26 
Gleichwohl vermag sich die Beklagte nicht auf diese Entscheidung berufen. Denn diesem Urteil ist über dieses zeitliche Kriterium hinaus unzweideutig zu entnehmen, dass § 48 LVwVfG von den Behörden auch dann nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden darf, wenn die Rücknahmeentscheidung unmittelbare Auswirkungen auf das staatsangehörigkeitsrechtliche Schicksal weiterer Personen haben kann. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 = InfAuslR 2003, 445 = StAZ 2003, 364 = NVwZ 2004, 489) ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts überholt.
27 
Insbesondere unter Berücksichtigung der umfangreichen Ausführungen der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht tragenden Hälfte der Richter des Senats (a.a.O., IV.) - denen sich der Berichterstatter uneingeschränkt anschließt -, ist zu verlangen, dass der Gesetzgeber - im Staatsangehörigkeitsgesetz selbst - eigenständige Regelungen trifft über die Rücknahme einer Einbürgerung, die aufgrund unlauterer Verhaltensweisen des Eingebürgerten als mängelbehaftet angesehen werden kann, wenn es um mehr als eine zeitnahe Rücknahme geht, bzw. wenn staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkungen von dieser Rücknahme bei an der Täuschungshandlung unbeteiligten Dritten ausgehen können .
28 
Selbst von der die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden Fallkonstellationen ausdrücklich als möglich genannt, die in § 48 LVwVfG Ba.-Wü. keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Rechtszustandes finden (BVerfG, a.a.O., III. 3. = Nr. 88 i.d.F. ). Die das Urteil tragende Hälfte des Senats bezieht sich für seine Rechtsansicht ausdrücklich auch auf die sog. Wesentlichkeitstheorie. Danach verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen ( BVerfG, Urt. v. 24.05.2006, a.a.O., III. 2. c) = Nr. 85 i.d.F. m.w.N.) . Nur weil für den einzelnen auf Grund einer Täuschungshandlung Eingebürgerten § 48 LVwVfG eine klar erkennbare Sanktion bereithalte, hielt diese Senatshälfte dem in dem dort zu entscheidenden Fall noch für genügt.
29 
Dagegen bezeichnet die die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts namentlich Fälle, in denen wesentliche Fragen der sachlichen und zeitlichen Reichweite der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen durch § 48 LVwVfG BW nicht grundrechtsspezifisch und konkret gelöst werden können. So heißt es in der Entscheidung vom 24.05.2006 ( a.a.O., III. 3. = Nr. 89 i.d.F. m.w.N.) :
30 
„Die Regelungsbedürftigkeit der Aufhebung von Einbürgerungen ... zeigt sich insbesondere bei ... Konstellationen, in denen die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung von Angehörigen, insbesondere Kindern im Vordergrund steht. Hier stellen sich besondere grundrechtsbezogene Probleme, die eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Gesetzgebers angezeigt erscheinen lassen. Die Frage, welche Auswirkungen ein Fehlverhalten im Einbürgerungsverfahren auf den Bestand der Staatsangehörigkeit Dritter haben kann, die an diesem Fehlverhalten nicht beteiligt waren, bedarf einer Antwort durch den Gesetzgeber.“
31 
Und weiter:
32 
„Auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsberechtigten besteht eine Vielfalt möglicher Lösungswege bei der Rücknehmbarkeit der Einbürgerung, die dazu führt, dass der Gesetzgeber die angemessenen Lösungen selbst auszuwählen und auszugestalten hat.“
33 
Auch dem schließt sich der Berichterstatter an. Diese Äußerungen des Verfassungsgerichts sind eindeutig und einer Auslegung, wie sie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat, nicht zugänglich. Es kann keine Rede davon sein, dass dem Erfordernis einer Entscheidung durch den Gesetzgeber schon dann genügt ist, wenn die Verwaltung durch mehr oder weniger geschickte Ermessensbetätigung versucht sicherzustellen, dass die Auswirkungen der Rücknahme einer Einbürgerung für Angehörige, namentlich Kinder gering gehalten werden. Denn auch eine solche Vorgehensweise bleibt eine Entscheidung der Verwaltung. Dies ist aber mit der Wesentlichkeitstheorie (vgl. oben) unvereinbar.
34 
Nachdem eine Rücknahme der Einbürgerung des Klägers unmittelbar Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des am 29.12.2002 geborenen Kindes haben kann, wäre hier der Gesetzgeber gefordert gewesen. Diesem allein bleibt die Entscheidung vorbehalten, ob es bei diesem Kind in einer solchen Konstellation bei der deutschen Staatsangehörigkeit verbleiben soll, ob der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren soll oder ob - was aus Gründen der Generalprävention ja ebenfalls denkbar wäre - beider Staatsangehörigkeit verlorengehen soll.
35 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Zulassung der Berufung konnte entgegen dem Begehren der Beklagten hier nicht gemäß § 124 a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfolgen, da die maßgeblichen grundsätzlichen Rechtsfragen bereits geklärt sind (vgl. oben).

Gründe

 
22 
Das Gericht konnte vorliegend durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu jeweils ihre Zustimmung erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
23 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten (auch) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie mussten daher durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
24 
In der gegebenen Konstellation verfügt die Beklagte (derzeit) über keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Rücknahme der Einbürgerung des Klägers. Insbesondere kann sie sich nicht - wie geschehen - auf § 48 LVwVfG Ba.-Wü. stützen. Auf die Frage, ob beim Kläger tatsächlich im Zeitpunkt seiner Einbürgerung der einer Einbürgerung entgegenstehende Ausschlussgrund des damaligen § 86 Nr. 2 AuslG vorlag, kommt es hier nicht an.
25 
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.05.2006 (- 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, 807 = InfAuslR 2006, 335) entschieden, wann § 48 LVwVfG Ba.-Wü. eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage bietet für die Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte getäuscht hat. Namentlich für den Fall einer zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung könne darin eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gesehen werden (3. Leitsatz der Entscheidung). Dem Fall lag die Rücknahme einer Einbürgerung zugrunde, die fast genau zwei Jahre zuvor vorgenommen worden war. Nachdem im vorliegenden Fall zwischen der Einbürgerung des Klägers und der angegriffenen Rücknahmeentscheidung der Beklagten (wenn man nicht auf den Erlass des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart abstellt) weniger als 1 Jahr verstrichen war, wäre zwar von einer solch zeitnahen Rücknahme der Einbürgerung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch auszugehen.
26 
Gleichwohl vermag sich die Beklagte nicht auf diese Entscheidung berufen. Denn diesem Urteil ist über dieses zeitliche Kriterium hinaus unzweideutig zu entnehmen, dass § 48 LVwVfG von den Behörden auch dann nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden darf, wenn die Rücknahmeentscheidung unmittelbare Auswirkungen auf das staatsangehörigkeitsrechtliche Schicksal weiterer Personen haben kann. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19/02 -, BVerwGE 118, 216 = InfAuslR 2003, 445 = StAZ 2003, 364 = NVwZ 2004, 489) ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts überholt.
27 
Insbesondere unter Berücksichtigung der umfangreichen Ausführungen der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht tragenden Hälfte der Richter des Senats (a.a.O., IV.) - denen sich der Berichterstatter uneingeschränkt anschließt -, ist zu verlangen, dass der Gesetzgeber - im Staatsangehörigkeitsgesetz selbst - eigenständige Regelungen trifft über die Rücknahme einer Einbürgerung, die aufgrund unlauterer Verhaltensweisen des Eingebürgerten als mängelbehaftet angesehen werden kann, wenn es um mehr als eine zeitnahe Rücknahme geht, bzw. wenn staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkungen von dieser Rücknahme bei an der Täuschungshandlung unbeteiligten Dritten ausgehen können .
28 
Selbst von der die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden Fallkonstellationen ausdrücklich als möglich genannt, die in § 48 LVwVfG Ba.-Wü. keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Rechtszustandes finden (BVerfG, a.a.O., III. 3. = Nr. 88 i.d.F. ). Die das Urteil tragende Hälfte des Senats bezieht sich für seine Rechtsansicht ausdrücklich auch auf die sog. Wesentlichkeitstheorie. Danach verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen ( BVerfG, Urt. v. 24.05.2006, a.a.O., III. 2. c) = Nr. 85 i.d.F. m.w.N.) . Nur weil für den einzelnen auf Grund einer Täuschungshandlung Eingebürgerten § 48 LVwVfG eine klar erkennbare Sanktion bereithalte, hielt diese Senatshälfte dem in dem dort zu entscheidenden Fall noch für genügt.
29 
Dagegen bezeichnet die die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfGG tragenden Hälfte der Senatsmitglieder des Bundesverfassungsgerichts namentlich Fälle, in denen wesentliche Fragen der sachlichen und zeitlichen Reichweite der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen durch § 48 LVwVfG BW nicht grundrechtsspezifisch und konkret gelöst werden können. So heißt es in der Entscheidung vom 24.05.2006 ( a.a.O., III. 3. = Nr. 89 i.d.F. m.w.N.) :
30 
„Die Regelungsbedürftigkeit der Aufhebung von Einbürgerungen ... zeigt sich insbesondere bei ... Konstellationen, in denen die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung von Angehörigen, insbesondere Kindern im Vordergrund steht. Hier stellen sich besondere grundrechtsbezogene Probleme, die eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Gesetzgebers angezeigt erscheinen lassen. Die Frage, welche Auswirkungen ein Fehlverhalten im Einbürgerungsverfahren auf den Bestand der Staatsangehörigkeit Dritter haben kann, die an diesem Fehlverhalten nicht beteiligt waren, bedarf einer Antwort durch den Gesetzgeber.“
31 
Und weiter:
32 
„Auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsberechtigten besteht eine Vielfalt möglicher Lösungswege bei der Rücknehmbarkeit der Einbürgerung, die dazu führt, dass der Gesetzgeber die angemessenen Lösungen selbst auszuwählen und auszugestalten hat.“
33 
Auch dem schließt sich der Berichterstatter an. Diese Äußerungen des Verfassungsgerichts sind eindeutig und einer Auslegung, wie sie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat, nicht zugänglich. Es kann keine Rede davon sein, dass dem Erfordernis einer Entscheidung durch den Gesetzgeber schon dann genügt ist, wenn die Verwaltung durch mehr oder weniger geschickte Ermessensbetätigung versucht sicherzustellen, dass die Auswirkungen der Rücknahme einer Einbürgerung für Angehörige, namentlich Kinder gering gehalten werden. Denn auch eine solche Vorgehensweise bleibt eine Entscheidung der Verwaltung. Dies ist aber mit der Wesentlichkeitstheorie (vgl. oben) unvereinbar.
34 
Nachdem eine Rücknahme der Einbürgerung des Klägers unmittelbar Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des am 29.12.2002 geborenen Kindes haben kann, wäre hier der Gesetzgeber gefordert gewesen. Diesem allein bleibt die Entscheidung vorbehalten, ob es bei diesem Kind in einer solchen Konstellation bei der deutschen Staatsangehörigkeit verbleiben soll, ob der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren soll oder ob - was aus Gründen der Generalprävention ja ebenfalls denkbar wäre - beider Staatsangehörigkeit verlorengehen soll.
35 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Zulassung der Berufung konnte entgegen dem Begehren der Beklagten hier nicht gemäß § 124 a Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfolgen, da die maßgeblichen grundsätzlichen Rechtsfragen bereits geklärt sind (vgl. oben).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.