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| Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Vorauszahlungsbescheid und der Widerspruchsbescheid der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, sie sind deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| Rechtsgrundlage für die ergangenen Bescheide sind §§ 20 ff. und §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 22.05.2007. Nach § 25 KAG und § 15 EBS kann die Beklagte für Grundstücke, für die ein Erschließungsbeitrag noch nicht entstanden ist, Vorauszahlungen bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags erheben, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage begonnen worden und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorschrift setzt damit voraus, dass die Erschließungsanlage noch nicht endgültig hergestellt worden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegend gegeben sein. Insbesondere dürfte die Straße „U. N. “ noch nicht endgültig hergestellt sein und damit auch noch nicht die endgültige Beitragsschuld i.S. von § 41 KAG entstanden sein. Denn solches setzte voraus, dass neben dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 KAG - u.a. muss danach die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweisen und diese den in der Erschließungsbeitragssatzung geregelten Merkmalen der endgültigen Herstellung entsprechen - der Gemeinde auch die Möglichkeit der vollständigen Aufwandsermittlung gegeben ist, was voraussetzt, dass alle Rechnungen der bauausführenden Unternehmen eingegangen sind. Danach ist von einer endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage erst mit Vorliegen der letzten Unternehmerrechnung auszugehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.2011 - 2 S 1294/11 -). So verhält es sich nach den Angaben der Beklagten, die auch von Klägerseite nicht substantiiert in Frage gestellt wurden, vorliegend nicht. So liegt bisher noch nicht die Schlussrechnung des Ingenieurbüros P. vor, das mit der Herstellung und Entwicklungspflege der zu der hier abgerechneten Erschließungsanlage gehörenden Grünanlagen beauftragt ist. Da nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 EBS auch die gärtnerische Gestaltung der Grünpflanzungen ein Merkmal der endgültigen Herstellung der Anbaustraßen ist, dürfte danach noch nicht von einer endgültigen Herstellung der vorliegend maßgeblichen Straße „U. N. “ ausgegangen werden können. |
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| Der angefochtene Bescheid dürfte auch nicht insoweit an einem entscheidungserheblichen formellen Fehler leiden, als dieser keine detaillierte Kostenaufstellung enthielt. Denn die Begründungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b KAG i.V.m. § 121 AO, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist, dürfte gleichwohl erfüllt sein. Denn Beitragsbescheide brauchen eine erschöpfende Wiedergabe der Aufwandsermittlung und -verteilung, insbesondere aller Posten der Aufwandsermittlung und sämtlicher Berechnungsgrundlagen für die Aufwandsverteilung nicht zu enthalten. Vielmehr reicht es im Erschließungsbeitragsrecht aus, wenn in der Begründung die für den Beitrag unmittelbar erheblichen Parameter - beitrags- und umlagefähiger Aufwand, anrechenbare Grundstücksfläche, Beitragssatz, im Einzelfall angerechnete Grundstücksfläche - aufgeführt sind (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., RdNr. 27 zu § 24 unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.09.1989 - 9 M 47/89 -). Die danach notwendigen Angaben enthält der angefochtene Bescheid. Im Übrigen steht eine Verletzung der Begründungspflicht auch unter dem Vorbehalt des § 127 AO, wonach ein Beitragsbescheid nicht allein wegen fehlender Begründung aufgehoben werden darf, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Dies ist bei Erschließungsbeiträgen in aller Regel der Fall, weil insoweit von den Gemeinden keine Ermessenserwägungen anzustellen sind. |
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| Schließlich genügt die vorliegend streitige Beitragsveranlagung auch den von einem Beitragsbescheid zu erfüllenden Bestimmtheitserfordernissen. Zwar wird im Ausgangsbescheid das veranlagte Grundstück lediglich mit „H. Straße 21“ bezeichnet, wobei aber zur Beitragsermittlung lediglich die Fläche des Flurstücks Nr. 114 herangezogen wurde. Die möglicherweise hierdurch hervorgerufene Unsicherheit, ob Gegenstand der Beitragsveranlagung allein dieses Flurstück oder auch das Flurstück Nr. 109 ist, wurde aber im Widerspruchsbescheid dadurch beseitigt, dass dort ausdrücklich ausgeführt wird, „die Flurstücke 114 und 109, H. Straße 21 in B.-E. “, seien grundbuchrechtlich als ein Grundstück zu behandeln, da sie unter einer Nummer im Bestandsverzeichnis stünden. Das Flurstück Nr. 109 sei kein selbständiges Grundstück und nicht als solches im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück H. Straße 21 grenze daher direkt an die Straße „U. N. “ an. Damit ist klargestellt, was auch von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, dass mit dem angefochtenen Bescheid das Gesamtgrundstück, bestehend aus dem Flurstück Nr. 114 und Flurstück Nr. 109, veranlagt wurde. |
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| Damit dürfte die Beitragserhebung aus formellen Gründen nicht fehlerhaft sein. |
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| Nicht zu folgen dürfte dem Kläger in materieller Hinsicht zu sein, soweit er geltend macht, eine Beitragserhebung sei ausgeschlossen, weil es sich bei der Straße „U. N. “ - jedenfalls im Einmündungsbereich dieser Straße in die H. Straße - um eine historische oder aber eine vorhandene Straße in erschließungsbeitragsrechtlichem Sinne handle. |
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| Nach § 49 Abs. 6 KAG kann nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes kein Erschließungsbeitrag erhoben werden für eine Erschließungsanlage, für die eine Erschließungsbeitragsschuld aufgrund der bis zum 29.06.1961, dem Tag vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, geltenden Vorschrift nicht entstehen konnte. Die Vorschrift des § 49 Abs. 6 KAG entspricht damit den Vorgängerregelungen in den §§ 242 Abs. 1 BauGB bzw. 180 Abs. 2 lit. b BBauG. Ob eine Straße i.S. dieser Vorschriften vorhanden war, richtet sich nach dem bis zum Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes geltenden Landesrecht. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 12.94 - DVBl. 1996, 376; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.10.1995 - 2 S 120/93 -, juris; Urteil vom 04.08.1987 - 2 S 72/95 -, BWGZ 1987, 903 -; Urteil vom 11.03.2010 - 2 S 2425/09 -, VBlBW 2010, 321 ff.) ist die tatsächliche Existenz einer Straße, d.h. das Vorhandensein einer zu Verkehrszwecken nutzbaren Fläche, aber nicht ausreichend, um diese zu einer vorhandenen Erschließungsanlage im Rechtssinne zu machen. Zu den vorhandenen Erschließungsanlagen zählen vielmehr nur Straßen, die nach den vor dem Inkrafttreten des früheren Bundesbaugesetzes geltenden landes- oder ortsrechtlichen Vorschriften zum Anbau bestimmt waren oder dem Anbau dienten. |
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| Ein derartiger Sachverhalt dürfte vorliegend nicht gegeben sein. |
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| Im ehemaligen württembergischen Landesteil von Baden-Württemberg ist unter einer historischen Anbaustraße eine fertige Ortsstraße zu verstehen, deren Entwicklung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Württembergischen Neuen Allgemeinen Bauordnung am 01.01.1873 hinsichtlich ihres Ausbaus und Verkehrszustands für den innerörtlichen Verkehr von Haus zu Haus und für den regelmäßigen Anbau im Wesentlichen abgeschlossen war (st. Rspr. des VGH Bad.-Württ., vgl. etwa Urteil vom 11.03.2010, a.a.O., m.w.N.). Die Straße „U. N. “ dürfte - auch was Teilstrecken angeht - diese Voraussetzungen nicht erfüllen. |
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| Allein der vom Kläger hervorgehobene Umstand, dass das westlich des Einmündungsbereichs der Straße „U. N. “ in die heutige H. Straße und unmittelbar südlich der heutigen Straße „U. N. “ gelegene Grundstück (heute: U. N. 3; früher: Gebäude Nr. 98) schon seit 200 Jahren bebaut ist und „für eine landwirtschaftliche Nutzung auf die Benutzung der Straße angewiesen“ war, ist noch kein ausreichendes Indiz dafür, dass es sich bei dem danach maßgeblichen Teil der heutigen Straße „U. N. “ um eine historische, also zum Anbau bestimmte und für den innerörtlichen Verkehr von Haus zu Haus bestimmte Straße handelte. Dies gilt schon deshalb, weil es nach den vorliegenden historischen Planunterlagen das einzige Gebäude in diesem Bereich war, das lediglich durch das genannte Straßenstück an die Hauptstraße angeschlossen war, und schon deshalb nichts dafür spricht, dass der hier maßgebliche Straßenteil allgemein zum Anbau bestimmt gewesen wäre. Auch § 4 Abs. 1 LBO, wonach (heute) Gebäude nur errichtet werden dürfen, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt, vermag die Argumentation des Klägers nicht entscheidend zu stützen, da nicht ersichtlich ist, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes - folgt man den Angaben des Klägers, so müsste dies Anfang des 19. Jahrhunderts und damit noch vor Inkrafttreten der Württembergischen Neuen Allgemeinen Bauordnung gewesen sein - eine derartige Bauvorschrift bestanden hätte. Dazu kommt, dass in dem bei den Akten befindlichen „Bauplan für die Gemeinde E. “ vom August 1840 der hier maßgebliche Weg im Bereich des früheren Gebäudes Nr. 98 die Beschriftung „Feldweg“ trägt, also gerade nicht als Ortsstraße oder Ortsweg bezeichnet wird, und ferner im Einmündungsbereich des Wegs in die Ortsstraße Nr. 2, die heutige H. Straße, über die gesamte Breite des Feldwegs eine durchgezogene und einseitig schraffierte Linie gezogen ist, wie sie in dem genannten Plan zur Darstellung von Baulinien verwendet wurde, wobei sich allerdings der Zeitpunkt dieser Eintragung dem Plan nicht entnehmen lässt. |
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| Neben der Bezeichnung als Feldweg stellt die Existenz einer Baulinie in der vorliegenden Art und Weise nach Auffassung des Gerichts ein schwerwiegendes Indiz gegen das Vorhandensein einer bereits fertiggestellten und tatsächlich zum Anbau bestimmten Straße dar. Von daher dürfte es sich auch bei dem hier maßgeblichen Teilstück der Straße „U. N. “ im unmittelbaren Einmündungsbereich in die heutige H. Straße nicht um eine historische Straße handeln. |
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| Entsprechendes dürfte auch für die Beurteilung als in erschließungsbeitragsrechtlichem Sinne vorhandene Straße gelten, also als eine Straße, die zwar erst nach dem Inkrafttreten der Württembergischen Neuen Allgemeinen Bauordnung am 01.01.1873 aber noch vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 entstanden ist. |
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| Für diese Beurteilung maßgeblich ist, dass im ehemals württembergischen Landesteil unter Geltung der bereits erwähnten Württembergischen Neuen Allgemeinen Bauordnung, der Württembergischen Bauordnung vom 28.07.1910 sowie des Aufbaugesetzes vom 18.08.1948 eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße nur aufgrund und nach Maßgabe eines Ortsbauplans oder eines nach § 7 des Aufbaugesetzes erlassenen Bebauungsplans entstehen konnte, weil die Gemeinden neue Ortsstraßen nur nach den Vorschriften dieser Gesetze, d.h. nur nach Maßgabe verbindlicher Pläne, herstellen durften (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.03.2010, a.a.O., m.w.N.). |
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| Vorliegend existiert zwar aus der hier maßgeblichen Zeit der „Ortsbauplan über das Gewann R. “, der u.a. Festsetzungen über Baulinien trifft, die am 03.05.1913 vom Königlichen Oberamt B. genehmigt worden waren. Darüber hinaus finden sich in dem dem Gericht vorliegenden Planexemplar Eintragungen von Baulinien, deren Genehmigungsdatum mit „30. Sept. 1843“ angegeben wird. Soweit den Planunterlagen zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Eintragungen der entsprechenden Baulinien dadurch, dass die im Jahre 1913 genehmigten Baulinien in einem kräftigen Rot angelegt sind, während die Baulinien aus dem Jahr 1843 in einer etwas blasseren, ins Rotbräunliche gehende Farbe markiert sind. In dem hier maßgeblichen Bereich der Einmündung der heutigen Straße „U. N. “ in die heutige H. Straße verläuft parallel zur H. Straße quer über den (heutigen) Einmündungsbereich eine Baulinie, die nach der dort verwendeten roten Farbe wohl im Jahre 1913 genehmigt worden ist. Unmittelbar nördlich hieran schließt sich ein mit Flurstück Nr. 111 bezeichnetes, an die H. Straße angrenzendes Grundstück an, über das in Fortsetzung der bereits erwähnten Baulinie eine Baulinie - wiederum parallel zur H. Straße - verläuft, die allerdings das Genehmigungsdatum „30. Sept. 1843“ trägt. Einen Hinweis auf einen dort im Einmündungsbereich verlaufenden Weg - außer der heutigen H. Straße - enthält der genannte Plan nicht, insbesondere findet sich keine Eintragung „Straße“, „Ortsweg“ oder „O.W.“, wie dies bei anderen Straßen oder Wegeanlagen innerhalb des Plangebiets der Fall ist. Auch ist in dem Plan allenfalls die südliche Begrenzung eines im bezeichneten Einmündungsbereich möglicherweise schon damals tatsächlich vorhandenen Wegs in eindeutiger Weise durch die Eintragung von Grundstücksgrenzen bezeichnet. Die nördliche Begrenzung einer dort eventuell vorhandengewesenen Wegeanlage wird im Plan lediglich im unmittelbaren Einmündungsbereich in die H. Straße durch Eintragung der Umrisse des Flurstücks Nr. 111 bestimmt. Ansonsten lässt sich dem vorliegenden Plan keine eindeutige Abgrenzung einer Wegeanlage in nördlicher Richtung entnehmen. Danach lässt sich noch nicht einmal die Breite eines solchen u.U. damals vorhandenen Wegs exakt bestimmen. Damit konnte aufgrund des genannten Ortsbauplanes aber auch nach 1873 keine nunmehr als vorhandene Straße in obigem Sinne einzustufende Verkehrsanlage entstehen, weil es bereits an ausreichenden Festsetzungen, die einen plangemäßen Ausbau hätten ermöglichen können, fehlt. Im Übrigen weist auch sonst nichts auf einen etwa aufgrund des genannten Ortsbauplans schon damals geplanten Ausbau der streitgegenständlichen Straße hin, wie der Umstand zeigt, dass jeglicher Hinweis auf Ausbauabsichten fehlt, obwohl der Plan zahlreiche projektierte Straßen ausweist, die entsprechend und mit ihrer beabsichtigten Bezeichnung (G.-Straße, B.-Straße, M.-Straße etc.) eingetragen sind. |
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| Die fehlende Bezeichnung des hier fraglichen Straßenteils in dem Plan aus dem Jahre 1913 spricht im Übrigen auch entscheidend dagegen, dass damals an dieser Stelle eine zum Anbau bestimmte Ortsstraße vorhanden war, so dass hierin ein weiteres Argument gegen die Annahme einer bereits vor 1873 vorhandenen und bis heute bestehenden historischen Straße liegt. |
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| Danach dürfte eine Beitragsveranlagung nicht daran scheitern, dass die Straße „U. N. “ bereits vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhanden gewesen wäre. |
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| Das Gericht vermag auch nicht festzustellen, dass unter Geltung des Bundesbaugesetzes bzw. des Baugesetzbuches bereits eine endgültige Herstellung der hier maßgeblichen Straße stattgefunden hätte. Zwar wurden nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes „I. Z.“ Straßenbaumaßnahmen durchgeführt, der Kläger räumt aber selbst ein, dass ein endgültiger, den Festsetzungen dieses Bebauungsplans entsprechender Ausbau nie durchgeführt worden ist. |
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| Damit dürfte eine Abrechnung der Kosten des Ausbaus der Straße „U. N. “ nach Maßgabe des gleichnamigen Bebauungsplans aus dem Jahre 2002 und eine Heranziehung der Eigentümer der dadurch erschlossenen Grundstücke im Grundsatz nicht rechtswidrig gewesen sein. |
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| Der angefochtene Vorauszahlungsbescheid ist aber deshalb rechtswidrig, weil der Beklagten methodische Fehler bei der Heranziehung des Klägers unterlaufen sind, die den Bescheid zu dessen Nachteil insgesamt fehlerhaft machen. |
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| Dem gegenüber dem Kläger erlassenen Bescheid liegt die Rechtsauffassung zugrunde, dass das Grundstück H. Straße 21, das Gegenstand der Veranlagung ist, nach grundbuchrechtlichen Grundsätzen aus den unselbständigen Flurstücken mit den Nummern 114 und 109 besteht. Dies - so die Auffassung der Beklagten - folge daraus, dass beide Flurstücke im Bestandsverzeichnis des Grundbuches zusammen gebucht sind, wobei dem Eigentümer bzw. den Miteigentümern des Flurstücks Nr. 114 ausweislich der Eintragung im Grundbuch ein (ideeller) Anteil nach altem württembergischen Recht an dem Flurstück Nr. 109 zusteht. Ein weiterer entsprechender Anteil am Flurstück Nr. 109 gehört nach dem dem Gericht vorliegenden Grundbuchauszug auch dem jeweiligen Eigentümer der Flurstücke Nrn. 111 und 115 (U. N. 1), wobei in der dortigen Buchung von einem „Anteil an Hauptstraße - gemeinschaftlicher Hofraum mit Gebäude 96“ (dies war die frühere Bezeichnung des auf dem klägerischen Flurstück Nr. 114 befindlichen Gebäudes H. Straße 21) die Rede ist. Auch im Hinblick auf das Grundstück U. N. 1 vertritt die Beklagte - wie in der mündlichen Verhandlung geklärt wurde - die Auffassung, dass das Flurstück Nr. 109 ebenso Bestandteil dieses Buchgrundstückes sei. Die Beklagte hat allerdings die Fläche des Flurstücks Nr. 109 - wie oben bereits ausgeführt - weder bei der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Flächenberechnung noch bei der Veranlagung des Grundstücks U. N. 1 berücksichtigt. Das Flurstück Nr. 109 wurde auch nicht in die Oberverteilung aufgenommen, was von der Beklagten damit begründet wird, es handle sich um eine private Verkehrsanlage, die mangels Baulandqualität nicht von der Straße „U. N. “ erschlossen werde. |
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| Diesem rechtlichen Ansatz vermag die Kammer nicht zu folgen. |
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| Dabei braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob es im Blick auf das im Grundbuch dargestellte alte württembergische Recht tatsächlich zutrifft, dass das Flurstück Nr. 109 Bestandteil der beiden Buchgrundstücke mit der Bezeichnung H. Straße 21 und U. N. 1 ist. Denn auch wenn dieser Auffassung gefolgt wird, erweist sich die Veranlagung des Klägers in der konkret durchgeführten Art und Weise als fehlerhaft. |
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| Zwar ist im Erschließungsbeitragsrecht ebenso wie im Baurecht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig von dem bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 16.09.1998 - 8 C 8/97 -, NVwZ 1999, 154; auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.05.2003 - 2 S 446/02 -, VBlBW 2003, 440 und juris). Die Verwendung des Begriffs des Buchgrundstücks in der von der Beklagten praktizierten Art und Weise, die auf der Erwägung beruht, dass das Flurstück Nr. 109 sowohl Teil des Grundstücks H. Straße 21 als auch Teil des Grundstücks U. N. 1 ist, wird aber im vorliegenden Fall den Besonderheiten des Erschließungsbeitragsrechts und dem damit bezweckten interessengerechten Belastungs- und Vorteilsausgleich nicht gerecht. Denn führte man den rechtlichen Ansatz der Beklagten konsequent weiter, hätte dies - wie noch auszuführen sein wird - zur Folge, dass das Flurstück 109 im Rahmen der Oberverteilung der erschlossenen Flächen doppelt berücksichtigt werden müsste, nämlich einmal beim klägerischen Grundstück H. Straße 21 und zum andern beim Grundstück U. N. 1. Dies widerspräche aber dem Grundsatz, dass jedes erschlossene Grundstück - und damit auch dessen Fläche - nur einmal in die Oberverteilung einzubeziehen ist. |
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| Diese Problematik hat die Beklagte offenbar erkannt und versucht, diese - wie bereits dargelegt - dadurch zu bewältigen, dass sie die Fläche des Flurstücks Nr. 109 als „Verkehrsfläche“ überhaupt nicht in die Ermittlung der gesamten erschlossenen Flächen einbezogen hat. Dies ist allerdings deshalb fehlerhaft, weil der einschlägige Bebauungsplan auf dem Flurstück Nr. 109 zwar kein Baufenster ausweist, aber nach § 23 Abs. 5 BauNVO auch auf nicht überbaubaren Grundstücksflächen bestimmte Anlagen zugelassen werden können, soweit - wie hier - der Bebauungsplan nichts anderes festsetzt. Dabei handelt es sich um Nebenanlagen i.S. des § 14 BauNVO und um bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können, in Baden-Württemberg also beispielsweise Garagen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO. Auch Flächen, die außerhalb des durch Festsetzungen des Bebauungsplan als bebaubar ausgewiesenen Bereichs liegen, aber im Rahmen des § 23 Abs. 5 BauNVO baulich nutzbar sind, sind in erschließungsbeitragsrechtlichem Sinne aber erschlossen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.08.2008 - 6 ZB 05.1617 -, juris). Die Nutzung des Flurstücks Nr. 109 für derartige Anlagen wurde von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Frage gestellt; tatsächlich findet dort - wie die vorgelegten Fotografien zeigen - eine Stellplatznutzung auch regelmäßig und, soweit ersichtlich, auch unbeanstandet statt. Eine Klage der damaligen Eigentümer des Grundstücks U. N. 1 gegen eine baurechtliche Verfügung, mit der diesen die Herstellung von zwei Stellplätzen auf dem Flurstück Nr. 109 untersagt wurde, wurde denn auch nicht abgewiesen, weil das Gericht die Stellplätze aus Gründen des materiellen Baurechts für unzulässig hielt, sondern allein, weil damals für das betreffende Gebiet eine Veränderungssperre verhängt worden war (Urteil des VG Sigmaringen vom 20.03.2002 - 9 K 140/00 -). |
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| Das Flurstück Nr. 109 ist von der Straße „U. N. “ her - auch mit Kraftfahrzeugen -erreichbar und erfährt somit durch diese Straße einen Erschließungsvorteil. Rechtliche Hindernisse bestehen diesbezüglich nicht. Denn nach den Festsetzungen des Bebauungsplans stößt das Flurstück Nr. 109 mit seiner nordöstlichen Grenze unmittelbar an das Straßengrundstück an und der dort ausgewiesene Grünzug entlang der Straße weist eine Lücke von 5 m auf, womit eine Zufahrt auf das Grundstück ermöglicht wird. Wie die dem Gericht vorliegenden Fotografien zeigen, ist auch rein tatsächlich eine solche Zufahrt möglich und wird auch genutzt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Kläger selbst hiervon Gebrauch macht. Damit gehört aber auch das Flurstück Nr. 109 zum Kreis der erschlossenen und zu veranlagenden Grundstücke. |
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| Um die bei einem strengen Festhalten am Begriff des Buchgrundstücks - und unter der Prämisse, dass das Flurstück Nr. 109 Bestandteil sowohl des Grundstücks H. Straße 21 als auch des Grundstücks U. N. 1 ist - unvermeidbare Doppelberücksichtigung dieses Flurstücks zu vermeiden, bietet nach Auffassung der Kammer ein Abrücken vom Begriff des Buchgrundstücks einen gangbaren Weg, wie ihn das Bundesverwaltungsgericht bei Vorliegen einer Sondersituation auch bereits beschritten hat. So hat das Bundesverwaltungsgericht es für zulässig erachtet, mehrere schmale Buchgrundstücke, sogenannte Handtuchgrundstücke, die im Eigentum desselben Eigentümers stehen und jeweils einzeln betrachtet nicht baulich nutzbar wären, in erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne als einheitliches Grundstück zu behandeln, wenn sich das Vorliegen nicht eines, sondern mehrerer (Buch-)Grundstücke baurechtlich in keiner Weise hinderlich für den Eigentümer auswirkt, bei einer Gesamtbetrachtung dieser Grundstücke einer baulichen Nutzung also nichts entgegen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1986 - 8 C 9/86 -, NVwZ 1987, 420 ff.). |
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| Auch im vorliegenden Fall besteht nach Auffassung der Kammer aus den dargelegten Gründen eine atypische Sachlage, die es erforderlich macht, den Grundstücksbegriff des Erschließungsbeitragsrechts zu modifizieren. Dies bedeutet konkret, dass das Grundstück Flurstück Nr. 109 erschließungsbeitragsrechtlich als eigenständiges Grundstück zu beurteilen und so auch in jedem Verfahrensabschnitt der Beitragsveranlagung zu behandeln ist. Konsequenz dieses rechtlichen Ansatzes ist es dann beispielsweise auch, dass der Nutzungsfaktor des Grundstücks Flurstück Nr. 109 separat zu bestimmen ist und nicht nach Maßgabe des entsprechenden Faktors der „herrschenden“ Grundstücke. Eigentumsrechtlich ist das Flurstück 109 als im Miteigentum stehend zu behandeln (vgl. Schuhmacher, Altrechtliche Anteile im Grundbuch, BWNotZ 1988, 143 ff., wo von einem „besonderen Miteigentum“ die Rede ist). |
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| Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch, sollte man davon ausgehen müssen, dass das Flurstück Nr. 109 bereits per se, also grundbuchrechtlich, ein eigenständiges Grundstück darstellt. |
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| Ist das Flurstück Nr. 109 damit aber nach jeder Betrachtungsweise erschließungsbeitragsrechtlich separat zu behandeln, bezieht sich der angefochtene Bescheid auf ein in der geschehenen Art und Weise nicht veranlagbares Gesamtgrundstück, bestehend aus den Flurstücken Nrn. 114 und 109. Der Bescheid ist damit zu Lasten des Klägers rechtswidrig und aufzuheben. Denn es scheidet auch eine Umdeutung in eine lediglich das Flurstück Nr.114 betreffende Beitragsveranlagung aus. |
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| Dabei braucht die Frage, ob das Flurstück Nr. 114 tatsächlich einer Beitragspflicht als Hinterliegergrundstück unterfällt, nicht beantwortet zu werden; aufgrund der konkreten örtlichen und rechtlichen Gegebenheiten dürfte nach Auffassung der Kammer eine Heranziehung allerdings nicht ohne Weiteres ausgeschlossen sein. Eine Umdeutung des angefochtenen Bescheids in der dargestellten Art und Weise scheitert jedoch bereits daran, dass eine solche der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche (§ 47 Abs. 2 Satz 1 1. Alternat. LVwVfG), denn die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung gegen eine solche Umdeutung gewandt. Ferner wären auch die Rechtsfolgen des umgedeuteten Verwaltungsaktes für den Kläger ungünstiger (§ 47 Abs. 2 Satz 1 2. Alternat. LVwVfG), denn der ergangene Bescheid erfasst räumlich zwei Flurstücke, der umgedeutete Verwaltungsakt beträfe aber nur das Flurstück Nr. 114, weshalb dem Kläger noch die Heranziehung zu einem Beitrag für das Flurstück Nr. 109 drohte. |
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| Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 1 VwGO liegen nicht vor. Dies gilt auch im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung alten württembergischen Rechts im vorliegenden Kontext, denn dabei handelt es sich um sogenanntes auslaufendes Recht. |
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