Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 24. Nov. 2017 - 15 A 4193/15 As SN
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt über dem ihm zugebilligten subsidiären Schutz hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Der am 1. Januar 1990 im vom United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) geführten Flüchtlingslager Wad Sharif (Sudan) geborene Kläger ist nach eigenen Angaben eritreischer Staatsangehöriger der Volksgruppe Tigre. Er sei nach islamischem Recht verheiratet. Er hat bezüglich des Reisweges weiter angegeben, noch nie in Eritrea gewesen zu sein. Er habe den Sudan Ende 2013 verlassen, habe sich in Libyen acht Monate, davon drei Monate im Gefängnis, und im August 2014 in Italien eine Woche aufgehalten. Ende September 2014 sei er auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist. Tigre sei seine Muttersprache, arabisch habe er in der Schule gelernt.
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Seinen am 22. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gestellten Asylantrag begründete er schriftlich und in der Anhörung vom 22. Oktober 2014 im Wesentlichen wie folgt: Seine Familie gehöre zu den Leuten, die 1988 in den Sudan geflüchtet seien. Er sei im genannten Flüchtlingslager geboren. Im Sudan habe er sich nicht frei bewegen dürfen, sondern nur im Camp. Sei man außerhalb des Camps erwischt worden, habe man einen Monat im Gefängnis verbracht. Das Leben dort sei gefährlich, da es Entführungen gebe. 2011 habe er das Camp verlassen. Vor der Ausreise habe er in Khartum gelebt. In Eritrea sei keine Sicherheit. Dort gebe es kein Gesetz, das Schutz gewähre. Man drohe auch mit dem Militärdienst, den er im Fall seiner Einreise dort ein Leben lang werde leisten müssen. Seine Ehefrau habe er im Sudan zurückgelassen.
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Mit Bescheid vom 2. November 2015 erkannte das Bundesamt dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu, lehnte aber den Asylantrag im Übrigen ab. Zur Begründung führte es u. a. aus, auf Grund des ermittelten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass dem Kläger im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Die Einberufung zum Nationaldienst sei keine flüchtlingsschutzauslösende Maßnahme. Der Bescheid wurde dem Kläger am 5. November 2015 zugestellt.
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Hiergegen hat der Kläger zwischen dem 14. und 16. November 2015 Klage erhoben. Er hat hinsichtlich der Begründung auf die Ausführungen in der Anhörung verwiesen. Er trägt vor, angesichts der vom VG Schwerin im Urteil vom 7. September 2015 – 3 A 1611/14 – unter Hinweis auf VG Minden, Urteil vom 13. November 2014 – 10 K 28815/13 - beschriebenen Zustände in Eritrea sei seine „Übersiedlung“ nach dorthin nicht möglich.
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Nachdem das Gericht Zweifel bezüglich der eritreischen Staatsangehörigkeit des Klägers geäußert hatte, hat er eine Kopie des Passes seiner Mutter sowie eine Bescheinigung des UNHCR eingereicht, aus denen sich ergibt, dass seine Mutter, er - der Kläger - und ein Bruder sich im Camp Wad Sharife aufgehalten haben und die eritreische Nationalität hätten. Die Unterlagen habe er sich von seiner Frau aus dem Sudan mailen lassen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter entsprechend teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 2. November 2015 zu verpflichten, ihm - dem Kläger - die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
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Auf gerichtliche Nachfrage hat der UNHCR unter dem 3. März 2016 eine Bescheinigung vom 29. September 2007 (letzte Veränderung: 9. Februar 2010) des Klägers übersandt, wonach dieser am 1. Januar 1990 im genannten Camp geboren und Eritreer sei.
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Das Gericht hat weiter dazu Beweis erhoben, ob der Kläger ab der Staatsgründung Eritreas am 24. Mai 1993 die eritreische Staatsangehörigkeit besessen hat und ob er unabhängig von einer Staatsangehörigkeit im Falle seiner Einreise nach Eritrea befürchten muss, den Militär- oder Nationaldienst abzuleisten durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie Auskünften von amnesty international, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) und von UNHCR Deutschland. Auf den Inhalt der übersandten Auskünfte und einer gerichtlich beigezogenen Auskunft von Dr. Nicole Hirt an die SFH wird verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Gericht konnte die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen ist. Die Beklagte ist unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ordnungsgemäß geladen worden.
II.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere auch fristgerecht erhoben worden. Die Klage ist aber unbegründet, soweit der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt worden ist. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm angestrebte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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1. Das Gericht lässt offen, ob der Kläger die eritreische oder äthiopische Staatsangehörigkeit hat.
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a) Zwar folgt aus Art. 3 Abs. 1 der nicht in Kraft getretenen eritreischen Verfassung, dass „Eritreer durch Geburt“ sei, „wer einen eritreischen Vater oder eine eritreische Mutter“ habe. Auch Art. 2 Abs. 1 der Eritreischen Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992 bestimmt, dass derjenige, „wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren“ sei „eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt“ sei. Diese letzte Bestimmung wird aber in Art. 2 Abs. 5 der genannten Verordnung insoweit eingeschränkt, als es dort heißt:
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„Wer durch Geburt Eritreer ist, seinen Aufenthalt im Ausland hat und eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, hat einen Antrag an das Ministerium des Innern zu richten, wenn er förmlich auf seine ausländische Staatsangehörigkeit zu verzichten und die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht [...].“
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Nach der deutschen Übersetzung der Verordnung Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit des Sprachendienstes des Auswärtigen Amtes (AA), übersandt an das VG Wiesbaden vom 12. September 1995; auszugsweise Übersetzung und Darstellung des Staatsangehörigkeitsrechts Äthiopiens und Eritreas bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Äthiopien, S. 11 ff. und Eritrea, S. 7 ff.
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Dies entspricht auch völkerrechtlichen Maßstäben, da demzufolge eine aufgedrängte Staatsangehörigkeit ohne Zustimmung des Betroffenen problematisch ist.
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Vgl. Herdegen, Völkerrecht, 12. Aufl. 2013, § 25, Rn. 2 ff. (Rn. 6).
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Maßgebend ist insoweit grundsätzlich eine hinreichende tatsächliche Beziehung zwischen dem Betroffenen und dem Staat.
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Dazu BVerfG, Beschluss vom 28. Mai 1952 – 1 BvR 213/51 –, BVerfGE 1, 322-332 juris Rn. 17; Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 5 Rn. 87 ff. (92).
- 25
Nach Art. 2 Abs. 5 der genannten Verordnung hat der Kläger im Zeitpunkt seiner Geburt (1990) gemäß Art. 3 Abs. 1 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 (bzw. der entsprechenden Vorgängervorschrift vom 22. Juli 1930, dazu AA, ebenda, S. 1) zunächst die äthiopische Staatsangehörigkeit durch seine damaligen äthiopischen Eltern erworben. Die damalige äthiopische Provinz Eritrea hat sich erst danach am 24. Mai 1993 von Äthiopien getrennt und für unabhängig erklärt.
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Dazu etwa Dangmann, Eritrea, in: Gieler (Hrsg.), Staatenlexikon Afrika, 2016, S. 151 und 156; Matthies, in: Kollmer/Mükusch, Horn von Afrika, 2007, S. 141 (143).
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Dass sich seine Eltern oder er um die eritreische Staatsangehörigkeit bemüht oder gar erhalten haben, ist nur auf Grund eines kopierten Ausweises der Mutter und Unterlagen des UNHCR aus dem Flüchtlingscamp Wad Sharife zu ersehen. Das Auswärtige Amt hat in seiner amtlichen Auskunft vom 9. Juni 2016 an das Gericht (S. 2 [zu Frage 1]) mitgeteilt, wenn sich die Eltern des Klägers als dessen gesetzliche Vertreter nicht für die eritreische Staatsangehörigkeit entschieden und diese beantragt haben, sei für den Kläger die äthiopische Staatsangehörigkeit anzunehmen.
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In einem solchen Fall könnte der Kläger bezüglich Eritreas bereits deshalb keinen Flüchtlingsstatus beanspruchen, da nicht feststeht, dass er die eritreische Staatsangehörigkeit (erhalten) hat und demzufolge im Falle einer Einreise nach Eritrea wahrscheinlich keinen Nationaldienst zu leisten hätte (vgl. die amtliche Auskunft des AA, aaO, S. 3 [zu Frage 2]).
- 29
b) Demgegenüber könnte auch angenommen werden, dass der Kläger die Staatsangehörigkeit Eritreas besitzt, weil die Mutter des Klägers (nach seinen Angaben) einen eritreischen Pass besessen hat und der eritreische Staat - unabhängig vom tatsächlichen Status der Staatsangehörigkeit - den Kläger wegen seiner Abstammung von eritreischen Eltern als eritreischer Staatsangehöriger betrachten würde.
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Vgl. dazu die Wiedergabe der Expertenauffassungen bei Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Staatsangehörigkeit (23. August 2016), S. 2 f. an das Gericht; vgl. auch UNHCR, Stellungnahme vom 18. Januar 2017 an das Gericht, wonach die Registrierung der Flüchtlinge im Sudan als Eritreer ihre Herkunft (aus dem späteren Staat Eritrea) und dessen Nationalität widerspiegele; ai, Stellungnahme vom 15. August 2016, das annimmt, dass die Mutter Eritreerin ist; vgl. auch die vom Gericht beigezogene Stellungnahme von Frau Dr. Nicole Hirt an die SFH vom 7. September 2016 und Auskunft des AA, aaO, S. 2 (zu Frage 2).
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Dann würde er aufgrund seines Lebensalters nach den Erkenntnissen des Gerichts auch der Dienstpflicht zum nationalen Dienst unterliegen.
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Zum Nationaldienst siehe EASO, Fokus Eritrea (Mai 2015), S. 32 ff; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Eritrea: Nationaldienst vom 30. Juni 2017, S. 1 ff.
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Trotzdem liegen in seinem Fall die Voraussetzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG nicht vor.
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2. § 3 Abs. 1 AsylG bestimmt, dass ein Ausländer Flüchtling ist, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Dabei ist unerheblich, ob er ein zur Verfolgung führendes Merkmal tatsächlich aufweist, sofern ihm ein solches Merkmal von seinem Verfolger zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG).
- 35
a) Dabei kommt es aus der Sicht des Gerichts allein auf die Frage, mit welchen Maßnahmen er im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen hätte. Bezüglich dieser Prognose kann auch nicht allein auf ein bei objektiver Betrachtung dem Kläger zuzurechnendes Verhalten – z.B. eine exilpolitische Betätigung – abgestellt werden, sondern es ist vielmehr in den Blick zu nehmen, wie die eritreischen Staatsorgane unter Berücksichtigung der Erkenntnislage wahrscheinlich das Verhalten des Klägers würdigen würden.
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b) Maßgeblich ist dabei aber auch, dass in der Gesamtschau eine harte und im Vollzug zumeist erniedrigende Bestrafung ohne gerichtliches oder geordnetes Verfahren nicht nur in Einzelfällen, sondern häufig stattfindet. Als Folge der Unberechenbarkeit staatlicher Organe Eritreas ist die häufige Einlassung von Klägern zu werten, sie könnten nicht sagen, warum sie inhaftiert oder auch später wieder freigelassen worden seien. Dies ist weniger Ausdruck eines farblosen Vorbringens erfundener Sachverhalte als vielmehr die Ratlosigkeit, warum in ihrem konkreten Fall die staatlichen Organe konkret mit der dargestellten Härte gehandelt haben. Dies entspricht der Auffassung des Gerichts, dass Eritrea politikwissenschaftlich als totalitäres Regime einzuschätzen ist.
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Näher Hirt, Sanktionen gegen Eritrea: Anstoß für Reformen oder „Akt der Verschwörung?“, GIGA-Focus (Afrika) 1/2010, S. 1 (2); Dangmann, Eritrea, in: Gieler (Hrsg.), Staatenlexikon Afrika, 2016, S. 151 (161 f.); ausführlich zu totalitären Systemen: Linz, Totalitäre und autoritäre Regime, Potsdamer Textbücher 4, (2000), 20 ff.; ders., Typen politischer Regime und die Achtung der Menschenrechte, in: Jesse (Hrsg.), Totalitarismus im 20. Jahrhundert, 2. Aufl. 1999, 519 (550 f.) je mwN.
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Insoweit ist die Unberechenbarkeit des Handels der staatlichen Organe Eritreas kennzeichnend und typisch. Aus einer Vielzahl von mündlichen Verhandlungen ist nunmehr für das Gericht deutlich geworden, dass in Eritrea kritisches Hinterfragen von staatlichen Anordnungen ebenso wie die Ablehnung des Empfangs der Waffe während des nationalen Dienstes und insbesondere der Verdacht, dass der Betroffene sich dem nationalen Dienst entziehen will oder einem anderen bei der Entziehung oder der illegalen Ausreise behilflich war, häufig zu Inhaftierung und auch länger währenden, unbestimmten Haftzeiten führen. Kennzeichnend ist dabei augenscheinlich, dass diese Strafen nicht in einem rational nachvollziehbaren formalisierten Verfahren ausgesprochen werden, sondern vielmehr in wenig vorhersehbarer Weise von einzelnen Entscheidungsträgern vor Ort getroffen werden.
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Ausführlich EASO, Fokus Eritrea (Mai 2015), S. 32 ff.; 38 f., 41 ff.; ferner Schweizerische Flüchtlingshilfe (Rico Tuor), Eritrea: Wehrdienst und Desertion (Februar 2009), S. 11 ff.
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3. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die Furcht des Klägers vor Verfolgung nicht begründet, weil ihm im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgungsmaßnahmen i.S.d. § 3a Abs. 1 und 2 AsylG drohen, die i.S.d. § 3a Abs. 3 AsylG an Verfolgungsgründe i.S.d. § 3b Abs. 1 AsylG anknüpfen.
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a) Auch unter Berücksichtigung der oben unter 2. genannten Gesichtspunkte begegnet es im vorliegenden Fall durchgreifenden Zweifeln anzunehmen, dass der Kläger im Fall seiner Einreise „politisch“ motivierten Verfolgungsmaßnahmen seitens des eritreischen Staats ausgesetzt sein könnte, selbst wenn er den Nationaldienst leisten müsste.
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b) Gemäß Art. 6 der Proklamation Nr. 82/1995 über den Nationalen Dienst
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Gesetzblatt Eritrea Nr. 11 vom 23. Oktober 1995, englische Übersetzung: http://www.refworld.org/docid/3dd8d3af4.html -
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unterliegen Männer und Frauen vom 18. bis zum 50. Lebensjahr einer allgemeinen Dienstpflicht. Diese Dienstpflicht unterteilt sich gemäß Art. 2 Abs. 3 und 4 der Proklamation Nr. 82/1995 in einen aktiven Wehrdienst ("active national service") und einen Reservistendienst ("reserve military service"). Der aktive Wehrdienst besteht aus einer sechsmonatigen Grundausbildung ("training") und einem sich daran anschließenden zwölfmonatigen Wehrdienst ("active military service") und ist von allen eritreischen Staatsbürgern vom 18. bis zum 40. Lebensjahr abzuleisten (Art. 8 der Proklamation Nr. 82/1995). Personen, die den aktiven Dienst beendet haben, sind bis zum Ablauf ihres 50. Lebensjahres zum Reservistendienst verpflichtet (Art. 23 der Proklamation Nr. 82/1995), wobei Angaben von Flüchtlingen darauf hindeuten, dass die Altersgrenze zumindest bei Männern tatsächlich erst bei Ablauf des 55. oder 57. Lebensjahres liegt. Die Aufgaben der Reservisten bestehen u.a. in der Verstärkung der regulären Armee im Falle eines Angriffs, der Abwehr interner Angriffe auf die Einheit und die Souveränität Eritreas sowie der Hilfe in Notfällen (Art. 25 der Proklamation Nr. 82/1995). Tatsächlich werden Reservisten zunehmend beim Bau von Dämmen und Straßen sowie in der Landwirtschaft, aber auch in allen Bereichen der Verwaltung und Wirtschaft, insbesondere der Bauwirtschaft, eingesetzt werden. Es ist zudem gängige Praxis, dass Dienstpflichtige weit länger als die vorgesehenen 18 Monate, zum Teil über zehn Jahre, Dienst leisten müssen.
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Vgl. näher etwa VG Minden, Urteil vom 13. November 2014 – 10 K 2815/13.A –, juris Rn. 14 ff. mwN, SFH, aaO, S. 4 ff.
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c) Indessen ist der Kläger nach eigenem Vortrag nie in Eritrea gewesen, so dass zweifelhaft bleibt, ob er im Fall seiner Übersiedlung dorthin politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG wegen illegalen Verlassen des Landes und Nichtleistung des Nationaldienstes befürchten müsste. Auch aus Sicht der Staatsorgane Eritreas dürfte er den Straftatbestand der Desertation nicht erfüllt haben, weil er sich immer außerhalb des Landes befunden hat, zumal die Dienstpflicht erst mit dem 18. Lebensjahr beginnt.
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aa) Selbst bei Personen, die Eritrea vor Antritt zum Nationaldienst illegal verlassen haben, ist nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes bei Rückkehr von Straffreiheit bezüglich einer Desertation auszugehen.
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Vgl. AA, Auskunft vom 10. Oktober 2017 an das erkennende Gericht im Verfahren 15 A 528/17, S. 2.
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Zwar gehen demgegenüber andere Quellen davon aus, dass eine Bestrafung illegal ausgereister Personen im Rahmen des sodann abzuleistenden Nationaldienstes erfolgen wird, wobei das Strafmaß unbekannt ist.
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Vgl. etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22. September 2016 zu Eritrea: Bestrafung von illegaler Ausreise, S. 2 mwN.
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c) Nach den Quellen fehlen aber bereits Anhaltspunkte dafür, dass Personen, die als Kinder Eritrea verlassen haben, bei lebensnaher Betrachtung aus flüchtlingsrechtlich relevanten Gründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG verfolgt werden.
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Insoweit VG Trier, Urteil vom 11. Mai 2017 - 5 K 2317/16.TR -, Umdruck S. 12; abrufbar bei www.asyl.net; siehe ferner VG Potsdam, Urteil vom 17. Februar 2016 – VG 6 K 1995/15.A –, juris LS 1 und Rn. 18 jeweils für Personen, die Eritrea als Kinder verlassen haben.
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Dies muss erst Recht für Personen gelten, die außerhalb Eritreas geboren sind und bisher nie in Eritrea waren.
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Insoweit verbleibt es für den Kläger bei dem vom Bundesamt zuerkannten subsidiären Schutzstatus.
III.
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Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger als Unterliegender gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Von einer Erklärung der Vollstreckbarkeit des Urteils sieht das Gericht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO ab.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 24. Nov. 2017 - 15 A 4193/15 As SN
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Referenzen - Gesetze
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
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unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
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aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
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ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.