Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 21. Okt. 2016 - 15 A 3428/15 As SN

bei uns veröffentlicht am21.10.2016

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. August 2015 verpflichtet, die Klägerin in das Bundesland Berlin umzuverteilen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten ihre asylrechtliche länderübergreifende Umverteilung von Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin.

2

Die Klägerin ist geboren […] 1942. Sie sei nach eigenen Angaben im März 2015 vor kriegerischen Auseinandersetzungen aus L. (Ukraine) nach Deutschland geflohen. Am 31. März 2015 stellte sie einen Asylantrag, über den noch nicht entschieden ist.

3

Die Klägerin wurde nach Mecklenburg-Vorpommern erstverteilt und schließlich am 27. April 2015 in eine Aufnahmeeinrichtung nach Ludwigslust weiterverteilt. Unter dem 15. Mai 2016 beantragte sie ihre Umverteilung in das Bundesland Berlin. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass sie in Ludwigslust nicht betreut werde. Sie sei schwer erkrankt, habe ein schweres Knochen- und Gelenkleiden und sei herzkrank sowie infolge eines Schlaganfalls halbseitig gelähmt. Ihr Neffe, der Zeuge C. (geb. ... Dezember 1976) sei ihr einziger Verwandter. Er sei bereit, sie bei sich aufzunehmen und sie zu unterstützen. In seiner Wohnung stehe ihr genügend Wohnraum zur Verfügung. Auf seine Hilfe sei sie dringend angewiesen.

4

Gestützt auf § 51 Abs. 1 AsylG lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 21. August 2015 diesen Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte er aus: Es seien keine Gründe ersichtlich, die für eine Umverteilung sprächen. Der Wunsch der Klägerin, bei ihrem Neffen zu wohnen, sei verständlich, asylrechtlich aber nicht zu berücksichtigen. Die Erkrankungen seien nicht durch Atteste belegt. Es sei davon auszugehen, dass eine medizinische Betreuung der Klägerin auch in Mecklenburg-Vorpommern gewährleistet sei. Der Neffe der Klägerin könne sie auch unterstützen, wenn sie weiterhin in Ludwigslust bleibe. Der Bescheid wurde der Klägerin durch Empfangsbekenntnis am 28. August 2015 zugestellt.

5

Die Klägerin hat am 8. September 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ergänzend ein fachorthopädisches Attest von D., Berlin vom 27. September 2015 vorlegt. Sie sei danach pflegebedürftig und u. a. im täglichen Leben dauerhaft auf Hilfe angewiesen. Ihr Gesundheitszustand habe sich erheblich verschlechtert. Sie habe ihr Hab und Gut in der Ukraine verloren und benötige gerade jetzt eine vertraute familiäre Umgebung durch den Neffen und dessen Lebensgefährtin. Sie wohne jetzt seit 12. Juli 2016 vorläufig in Berlin Marzahn-Hellersdorf, solange das Wohnungsproblem nicht gelöst sei. Herr C. kümmere sich täglich um sie.

6

Die Klägerin beantragt,

7

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 21. August 2015 zu verpflichten, sie - die Klägerin - in seinen Zuständigkeitsbereich [= das Land Berlin] umzuverteilen.

8

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

9

die Klage abzuweisen.

10

Zur Begründung verweist er auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheides und trägt weiter vor, dass die Klägerin in der Ukraine in einem Haus gelebt und trotz ihrer Erkrankungen den Alltag selbst bewältigt habe. Das Attest beinhalte keinen Behandlungsansatz. Durch das vom Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eingeholte amtsärztliche Gutachten sei erstmalig der Gesundheitszustand der Klägerin nachvollziehbar dokumentiert. Zudem wohne der Neffe in einer Ein-Raum-Wohnung einer sozialen Einrichtung. Weiter sei laut dem amtsärztlichen Gutachten eine Verwandte bei der Untersuchung anwesend gewesen. Nach dem Mietvertrag vom 22. Februar 2010 dürfe Herr C. nicht untervermieten.

11

Das Gericht hat im Verfahren 15 B 3429/16 As SN über den Gesundheitszustand der Klägerin ein amtsärztliches Gutachten eingeholt. Auf das Ergebnis des Gutachtens vom 21. April 2016 des Gesundheitsamtes Ludwigslust-Parchim wird Bezug genommen. Die Amtsärztin befürwortet die Umverteilung der Klägerin nach Berlin. Ferner hat das Gericht Herrn C. als Zeugen hinsichtlich seiner Beziehung zur Klägerin und den Möglichkeiten der Unterbringung der Klägerin in Berlin vernommen. Wegen der Einzelheiten der Vernehmung wird auf den Inhalt der Niederschrift Bezug genommen.

12

Durch Beschluss vom 24. Mai 2016 - 15 B 3429/15 As SN - hat das Gericht dem Eilantrag der Klägerin im Verfahren stattgegeben.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nebst beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

14

Das Gericht konnte die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen ist. Die Beklagte ist unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ordnungsgemäß geladen worden.

II.

15

Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Ablehnung der Umverteilung der Klägerin nach Berlin ist rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat hierauf Anspruch.

16

1. Zwar hat ein Asylbewerber grundsätzlich keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Bundesland oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 des Asylgesetzes [AsylG]). Nach § 51 Abs. 1 AsylG ist bei der länderübergreifenden Verteilung der Haushaltgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht Rechnung zu tragen. Zu den letzteren Gründen gehören auch Krankheitsgründe, da das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz durch Art. 2 Abs. 2 verbürgt ist. Diese Gründe können zu einer Ermessensreduzierung führen.

17

Vgl. VG Dresden, Urteil vom 06. August 2003 – 14 A 30460/02.A –, juris Rn. 15;VG Lüneburg, Urteil vom 13. Oktober 2004 – 1 A 271/04 –, juris Rn. 20; VG Schwerin, Beschluss vom 18. April 2013 – 3 B 693/12 As –, juris Rn. 24; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 51 Rn. 5, § 50 Rn. 37; Keßler, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, AsylG, § 51 Rn. 10, 27 mwN.

18

Geht es dem Asylbewerber um die Aufnahme von familiären Beziehungen außerhalb der Kernfamilie, müssen diese ein vergleichbares Gewicht aufweisen. Dies kann der Fall sein, wenn die betreffende Person auf die Lebenshilfe der anderen aufgrund Krankheit, Schwangerschaft, Alter, Gebrechlichkeit oder sonstiger Gesichtspunkte besonderer Betreuungsbedürftigkeit angewiesen ist. Die Frage, ob sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht gegeben sind, lässt sich dabei nur einzelfallbezogen beantworten.

19

So auch VG München, Gerichtsbescheid vom 13. August 2015 – M 24 K 14.5107 –, juris Rn. 33 unter Hinweis auf BayVGH, Beschluss vom 12. September 2002 – 25 ZB 02.31330 – juris Rn. 1.

20

2. Bei Beachtung dieser Vorgaben liegen im vorliegenden Fall humanitäre Gründe vor, die eine Umverteilung der Klägerin nach Berlin rechtfertigen.

21

a) Die am […] 1942 geborene Klägerin leidet an verschiedenen fachorthopädisch behandelten Erkrankungen, wie sich aus Attest des Facharztes für Orthopädie Sch., Berlin ergibt. Insbesondere ist die Klägerin aber nach der vom Gericht eingeholten Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landkreises Ludwigslust-Parchim vom 21. April 2016 nach einem embolischen Hirninfarkt (Schlaganfall) bei persönlichen Verrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen. Aufgrund von krankheitsbedingten Bewegungseinschränkungen seien diese Tätigkeiten nicht mehr möglich. Die Amtsärztin hat die Umverteilung der Klägerin nach Berlin daher befürwortet. In Berlin lebt der Großneffe der Klägerin, der Zeuge C., der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin bereit sei, diese bei sich aufzunehmen. Es ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Großneffe nicht bereit wäre, die Klägerin bei sich aufzunehmen und bei den täglichen Verrichtungen zu helfen. Der weitere Vortrag des Beklagten, es sei davon auszugehen, dass der Klägerin in ihrer Unterkunft in Ludwigslust entsprechende Hilfe zuteil werde, der dem gegenteiligen Vortrag der Klägerin widerspricht, ist nicht näher substantiiert worden.

22

b) Das Gericht geht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die Angaben der Klägerin bezüglich der Gründe der Umverteilung im Wesentlichen zutreffen. Aus der Tatsache, dass die Klägerin sich in ihrer Heimat noch zu helfen wusste, folgt nicht, dass sie in Deutschland nicht auf Hilfe angewiesen ist. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, nach ihrem Schlaganfall im Jahre 2001 jahrelang bettlägerig gewesen und auf die Hilfe von Nachbarn angewiesen gewesen zu sein. Sie hat weiter dargelegt, dass sie sich in Berlin nicht unter ihrer Meldeanschrift aufhalte, sondern in der Wohnung des Zeugen, bei dem es sich um ihren Großneffen handele. Dies sei dem Umstand zu verdanken, dass die Hausverwaltung des Großneffen keine entsprechende Meldebescheinigung habe ausstellen wollen. Er und seine Freundin versorgten sie auch.

23

Diese Angaben hat der Zeuge bei seiner Vernehmung bestätigt und glaubhaft ausgeführt, dass die Klägerin derzeit in seiner Wohnung wohnt. Er lebe bei seiner Freundin, die 10 Minuten von seiner Wohnung entfernt wohne.

24

c) Im Übrigen bietet das Gesetz keine Handhabe, ausreichende Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten regelmäßig im Einzelnen zu überprüfen. Liegen – wie hier – die Voraussetzungen der länderübergreifenden Umverteilung vor, hat der nach § 51 Abs. 2 Satz 2 AsylG zuständige Beklagte diesem Umstand durch länderübergreifende Umverteilung nach Berlin Rechnung zu tragen. Soweit eine Unterbringung und/oder Versorgung der Klägerin in der Wohnung des Zeugen (etwa wegen Problemen mit dem Vermieter) nicht (mehr) möglich sein sollte, müsste für eine anderweitige Unterbringung Sorge getragen werden, die die weitere Betreuung der Klägerin durch ihren Großneffen gewährleistet. Dazu wäre ggf. ein Antrag auf Wohnsitzwechsel bei dem Beklagten zu stellen. Für das Gericht ist maßgebend, dass nach seiner Überzeugung die erforderlichen Hilfestellungen durch den Zeugen (und dessen Freundin) sichergestellt sind.

25

Vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation VG München, Gerichtsbescheid vom 13. November 2015 – M 24 K 15.2129, M 24 K M 24 K 15.2130 –, juris Rn. 32.

26

Dass die Klägerin bei ihrer Umverteilung nach Berlin in unzumutbare oder menschenunwürdige Lebensverhältnisse geraten würde, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Eine Ein-Raum-Wohnung erscheint für die Klägerin jedenfalls als ausreichend.

III.

27

Die Kosten des Verfahrens hat nach § 154 Abs. 1 VwGO der Beklagte als Unterliegender zu tragen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

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(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn 1. die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,2. die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Sta

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 55 Aufenthaltsgestattung


(1) Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet ab Ausstellung des Ankunftsnachweises gemäß § 63a Absatz 1 gestattet (Aufenthaltsgestattung). Er hat keinen Anspruch darauf, sich in ei

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 51 Länderübergreifende Verteilung


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Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 13. Aug. 2015 - M 24 K 14.5107

bei uns veröffentlicht am 13.08.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München M 24 K 14.5107 Im Namen des Volkes Gerichtsbescheid vom 13. August 2015 24. Kammer Sachgebiets-Nr. 600 Hauptpunkte: Erfolgreiche Klage; Länderübergreifende Umv

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(1) Ist ein Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen.

(2) Die Verteilung nach Absatz 1 erfolgt auf Antrag des Ausländers. Über den Antrag entscheidet die zuständige Behörde des Landes, für das der weitere Aufenthalt beantragt ist.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet ab Ausstellung des Ankunftsnachweises gemäß § 63a Absatz 1 gestattet (Aufenthaltsgestattung). Er hat keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten. In den Fällen, in denen kein Ankunftsnachweis ausgestellt wird, entsteht die Aufenthaltsgestattung mit der Stellung des Asylantrags.

(2) Mit der Stellung eines Asylantrags erlöschen eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels und ein Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer bis zu sechs Monaten sowie die in § 81 Abs. 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes bezeichneten Wirkungen eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. § 81 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt, wenn der Ausländer einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besessen und dessen Verlängerung beantragt hat.

(3) Soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, wird die Zeit eines Aufenthalts nach Absatz 1 nur angerechnet, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt ist oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wurde.

(1) Ist ein Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen.

(2) Die Verteilung nach Absatz 1 erfolgt auf Antrag des Ausländers. Über den Antrag entscheidet die zuständige Behörde des Landes, für das der weitere Aufenthalt beantragt ist.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 24 K 14.5107

Im Namen des Volkes

Gerichtsbescheid

vom 13. August 2015

24. Kammer

Sachgebiets-Nr. 600

Hauptpunkte: Erfolgreiche Klage; Länderübergreifende Umverteilung; Sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...

gegen

Land Nordrhein-Westfalen,

vertreten durch Bezirksregierung Arnsberg, Seibertzstr. 1, 59821 Arnsberg

- Beklagter -

wegen länderübergreifender Umverteilung

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 24. Kammer, durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin am 13. August 2015 folgenden Gerichtsbescheid:

I.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom ... Oktober 2014 verpflichtet, die Klägerin nach Nordrhein-Westfalen umzuverteilen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die ihren eigenen Angaben zufolge am ... 1944 geborene Klägerin ist kongolesische Staatsangehörige. Nach ihrer Asylantragstellung am 1. April 2014 wurde sie von der Regierung von Oberbayern einer Gemeinschaftsunterkunft in ... zugewiesen.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2014 bat der Bevollmächtigte der Klägerin beim Ausländeramt des Landratsamtes Miesbach, es der Klägerin in Ansehung ihrer Krankheitssituation zu ermöglichen, nach ... zu ihrer Tochter umverlegt zu werden, zumindest zu ermöglichen, dass sie in ein sich in ... befindendes Asylheim umverlegt werde.

Ausweislich eines augenfachärztlichen Attestes vom ... Juli 2014 (Bl. 18 d. A.) beträgt das Sehvermögen der Klägerin mit bester Korrektur auf dem rechten Auge 0,20 bis 0,25%. Auf dem linken Auge besteht nur mehr eine Lichtwahrnehmung.

Mit Schreiben vom 18. August 2014 wandte sich das Ausländeramt des Landratsamtes Miesbach sowohl an die Regierung von Oberbayern, Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber, als auch an den Beklagten und teilte mit, dass die Klägerin (auf einem Auge) nur noch ein Sehvermögen von 20% und auf dem anderen Auge nur noch eine Schwarz/Weiß-Wahrnehmung besitze. Um die Pflege der Klägerin sicherzustellen, wäre es von entscheidendem Vorteil, wenn ein Umzug zeitnah zu der Familie nach ... erfolgen könnte. Seitens des Landratsamtes Miesbach wurde ein Antrag auf Umverteilung und private Wohnsitznahme unter der Adresse der Tochter der Klägerin in ... gestellt.

Mit Schreiben vom 19. August 2014 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin dem Landratsamt Miesbach mit, dass die Tochter der Klägerin diese am 25. oder 26. August 2014 abholen und mit nach ... nehmen werde.

Mit Schreiben vom 22. August 2014 teilte das Landratsamt Miesbach dem Beklagten mit, dass der Klägerin ab dem 25. August 2014 bis auf Weiteres eine Verlassens-erlaubnis gemäß § 58 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ausgestellt werde, da - wie im Antrag vom 18. August 2014 erläutert - für die Klägerin ein Pflegebedarf bestehe, der durch die Familienangehörigen in ... geleistet werden könne. Um Zustimmung nach § 58 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG werde gebeten.

Mit Kurzmitteilung vom 24. September 2014 übermittelte der Beauftragte des Freistaates Bayern für die Aufnahme und Verteilung ausländischer Flüchtlinge und unerlaubt eingereister Ausländer dem Beklagten den Umverteilungsantrag des Bevollmächtigten der Klägerin vom 27. Mai 2014 mit der Bitte, als zuständige Behörde gemäß § 51 Abs. 2 AsylVfG zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 8. September 2014 forderte der Beklagte vom Bevollmächtigten der Klägerin diverse Unterlagen, wie ein Fachärztliches Attest bzgl. der angegebenen Erkrankung mit einer Stellungnahme zum Erfordernis einer ständigen Versorgung und Betreuung durch die angegebene Bezugsperson, eine schriftliche Erklärung der Antragstellerin, dass nur die von ihr angegebene Person die Versorgung und Betreuung übernehmen kann, einen Nachweis darüber, dass eine ständige Anwesenheit der angegebenen Person zur Versorgung und Betreuung erforderlich ist, einen Wohnungsnachweis der Betreuungsperson in Form eines Mietvertrages sowie eine Einverständniserklärung des Vermieters mit einer Untervermietung, eine Meldebescheinigung der Betreuungsperson, ausgestellt von der Meldebehörde der begehrten Zuweisungskommune und die gültigen Aufenthaltsdokumente der ausländischen Betreuungsperson.

Mit Schreiben vom 29. September 2014 bat der Bevollmächtigte der Klägerin den Beklagten um bevorzugte Bearbeitung, worauf dieser mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 auf die noch ausstehenden angeforderten Unterlagen verwies.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 übermittelte der Bevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten ein ärztliches Attest vom ... Oktober 2014, wonach der Tochter der Klägerin attestiert wurde, frei und gesund von ansteckenden Krankheiten und körperlich in der Lage zu sein, ihre Mutter zu pflegen. Zudem wurde ein vorläufiger Bewilligungsbescheid von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Jobcenters ... vom ... September 2014 im Hinblick auf die Bedarfsgemeinschaft, zu der auch die Tochter der Klägerin gehört, vorgelegt. Ausweislich des zudem vorgelegten Personalausweises der Tochter der Klägerin besitzt diese die deutsche Staatsangehörigkeit. Dem vorgelegten Schreiben der Hausverwaltung der von der Tochter der Klägerin gemieteten Wohnung vom ... September 2014 ist zu entnehmen, dass die Eigentümerin der Wohnung mit einer Untervermietung nicht einverstanden ist, weshalb eine Untervermietung untersagt werde. Zudem wurde ein Auszug aus dem zugehörigen Mietvertrag und eine Meldebestätigung der Stadt ... betreffend die Tochter der Klägerin vorgelegt.

Mit Bescheid vom ... Oktober 2014, dem Bevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 29. Oktober 2014 zugestellt, lehnte der Beklagte den Umverteilungsantrag der Klägerin nach ... ab.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass, da ein Verwandtschaftsverhältnis der in §§ 50 Abs. 4 Satz 5, 51 Abs. 2 AsylVfG geforderten Art nicht vorliege, eine Umverteilung nur noch bei Vorliegen sonstiger humanitärer Gründe von vergleichbarem Gewicht in Betracht komme. Hierzu gehörten insbesondere medizinisch-therapeutische Gründe, wenn eine Behandlung am Ort der beantragten Zuweisung zwingend notwendig ist und Fahrten zum Behandlungsort im Einzelfall unzumutbar sein oder der Antragsteller infolge einer schweren Erkrankung dauerhaft auf die Hilfe angewiesen ist. Aus den vorgelegten, die Umverteilung begründenden Unterlagen, und der ärztlichen Bescheinigung vom ... Juli 2014 sei ersichtlich, dass die Augen der Klägerin erkrankt seien. Aus allem könne aber nicht geschlossen werden, dass die Umverteilung der Klägerin aus medizinischer Sicht unabweislich erforderlich sei. Zwar könne dem Umstand, dass ein Asylbewerber infolge seines Gesundheitszustandes auf die Unterstützung durch nahe Verwandte/Bekannte in besonderer Weise angewiesen sei, im Einzelfall ein ähnlich hohes Gewicht zukommen wie der Lebensgemeinschaft der in § 51 Abs. 1 AsylVfG genannten Personen. Dies setze jedoch voraus, dass schlüssig und glaubhaft gemacht werde, dass in gesundheitlicher Sicht eine dauerhafte Hilfe- und Pflegebedürftigkeit bestehe, die ausschließlich durch die angegebene Bezugsperson am Ort der beantragten Zuweisung sichergestellt werden könne. Ein fachärztliches Attest darüber, dass eine ausreichende und angemessene fachärztliche Versorgung und Betreuung am derzeitigen Aufenthaltsort nicht sichergestellt sei und die Klägerin zur Betreuung und Versorgung unbedingt nach ... umverteilt werden müsse, sei nicht vorgelegt worden. Betreffend die vorgetragene Erkrankung sei darauf hinzuweisen, dass im gesamten Bundesgebiet die medizinische Versorgung und Betreuung auch für Asylbewerber gewährleistet sei. Eine Erlaubnis, dass die Klägerin mit in die Wohnung ihrer Tochter ziehen dürfe, liege bis heute nicht vor. Andere humanitäre Gründe seien nicht ersichtlich und lägen nicht vor.

Mit Telefax vom 11. November 2014 erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten gegen diesen Bescheid Klage mit dem Antrag,

unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom ... Oktober 2014, zugestellt am 29. Oktober 2014, die Beklagte zu verpflichten, antragsgemäß eine Umverteilung nach ... vorzunehmen.

Zur Begründung wurde auf die bisherigen Darstellungen Bezug genommen und weitere Belege übermittelt, die dem Beklagten nicht mehr zugeleitet werden konnten und welche ausweisen würden, dass die Klägerin unbedingt der Betreuung durch ihre Tochter bedürfe, und dies auch möglich sei. Eine Frist, bis zu der die von dem Beklagten angeforderten Unterlagen hätten vorgelegt werden müssen, sei nicht gesetzt worden. Die Klägerin werde möglichst kurzfristig noch weitere Unterlagen beibringen.

Neben den bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen war dem Klageschriftsatz ein augenfachärztlicher Bericht vom ... August 2014 beigefügt, in dem die Sehminderung der Klägerin festgestellt wurde, eine Terminbestätigung einer augenärztlichen Gemeinschaftspraxis vom ... November 2014 für den ... November 2014 und eine Erklärung der Klägerin, wonach sie gerne nur von ihrer in ... wohnenden Tochter gepflegt werden würde. Ihr jetziger Gesundheitszustand ermögliche ihr nicht, alleine ohne Betreuung zu leben.

Mit Schriftsatz vom 13. November 2014 übermittelte der Bevollmächtigte der Klägerin ein weiteres Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe vom ... November 2014, wonach die Klägerin aufgrund der Erkrankungen „Art. Hypertonie, Gonarthrose, Wirbelsäulendegeneration und V. a. LVH“ auf Hilfe im Alltag angewiesen sei. Mit Schreiben vom 26. November 2014 legte der Bevollmächtigte der Klägerin eine Erklärung deren Tochter vom ... November 2014 vor, wonach sie sich bereit erkläre, ihrer Mutter unter die Arme zu greifen und ihre Hilfe anzubieten, sie zu betreuen, ihre Einkäufe zu erledigen, Arzttermine mit ihr wahrzunehmen und, wenn es nötig sei, ihren Haushalt zu machen.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Es sei verständlich, dass eine 70 Jahre alte Frau, die stark sehbehindert ist, Hilfe im Alltag benötige. Diese Hilfe könne aber auch von der Stadt ... oder sonstigen sozialen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Die Notwendigkeit einer ständigen Versorgung und Betreuung durch die Tochter sei nicht dargelegt worden. Zudem sei aus keiner der Unterlagen ersichtlich, dass die Tochter mit ihren vier Kindern willens und in der Lage sei, notwendige Hilfestellungen zu leisten. In der derzeitigen Wohnung sei das auch nicht möglich, da der Vermieter eine Untervermietung verweigert habe, und im Mietvertrag vereinbart worden sei, dass die Nutzung der Mietwohnung durch sechs Personen (Tochter, Ehemann und vier Kinder) erfolge.

Mit Schreiben vom 20. Januar 2015 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage sei, ohne mehr oder weniger ständiger Hilfestellung alleine zu leben; insbesondere könne sie nicht in irgendeinem Asylheim weiterhin alleine leben. Die Klägerin sei nicht nur stark durch ihr Augenleiden eingeschränkt, sondern vor allen Dingen kaum noch gehfähig, was der Unterzeichner persönlich zur Kenntnis habe nehmen können. Die Klägerin sei bemüht, insoweit kurzfristig ein weiteres Attest einzuholen. Insbesondere werde angeregt, ein amtsärztliches Attest einzuholen, das sicher die gesundheitliche Situation der Klägerin belegen werde. Das Gericht möge insofern eine Anordnung zur amtsärztlichen Untersuchung durch den Amtsarzt bzw. die Amtsärztin der Stadt ... verfügen.

Zugleich wurde mit am 22. Januar 2015 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 20. Januar 2015 beantragt, der Klägerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zu gewähren. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin wurde beigefügt und mitgeteilt, dass die Klägerin von ihrer Familie unterstützt werde, bei der sie nunmehr in ... lebe.

Mit Beschluss vom 30. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Beschluss vom 6. Juli 2015 wurde der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu den Bedingungen eines im Bezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichts München ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 6. Juli 2015, dem Bevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten jeweils am 21. Juli 2015 zugestellt, wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Klägerbevollmächtigte und der Beklagte erklärten jeweils ihr Einverständnis hierzu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakte (Bl. 1-70) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

2. Das Verwaltungsgericht München ist entscheidungsbefugt, insbesondere örtlich zuständig, weil die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung ihren Aufenthalt im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts München (Landkreis Miesbach) zu nehmen hatte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der VwGO - AGVwGO - i. V. m. § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -). Es handelt sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz i. S.v. § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO, weil streitentscheidende Vorschrift § 51 AsylVfG ist.

Aufgrund des Übertragungsbeschlusses der Kammer vom 30. Juni 2015 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

3. Gegenstand der Klage ist die Verpflichtung des Beklagten nach § 51 AsylVfG, die Klägerin nach Nordrhein-Westfalen umzuverteilen.

Das Gericht legt den Klageantrag auf Verpflichtung der Beklagten, eine Umverteilung nach „...“ vorzunehmen, als Verpflichtung nach § 51 AsylVfG auf Umverteilung nach Nordrhein-Westfalen aus (§ 88 VwGO).

4. Die insoweit verstandene Klage ist zulässig und begründet, da der Bescheid des Beklagten vom ... Oktober 2014 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylVfG) einen Anspruch auf Umverteilung nach Nordrhein-Westfalen nach § 51 Abs. 1 AsylVfG.

Grundsätzlich hat ein Ausländer, der um Asyl nachsucht, keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Nach § 51 Abs. 1 AsylVfG ist jedoch, wenn der Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylVfG, also von Ehegatten oder Lebenspartnern sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern, oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen. Geht es dem Ausländer, wie vorliegend, um die Aufnahme von familiären Beziehungen außerhalb der Kernfamilie müssen diese ein vergleichbares Gewicht aufweisen. Dies kann der Fall sein, wenn die betreffende Person auf die Lebenshilfe der anderen aufgrund Krankheit, Schwangerschaft, Alter, Gebrechlichkeit oder sonstiger Gesichtspunkte besonderer Betreuungsbedürftigkeit angewiesen ist. Die Frage, ob sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht gegeben sind, lässt sich nur einzelfallbezogen beantworten (BayVGH, B. v. 12.09.2002 - 25 ZB 02.31330 - juris).

So liegt es hier. Bei der Klägerin handelt es sich um eine 71jährige kongolesische Staatsangehörige, deren Sehvermögen - belegt durch ein augenfachärztliches Attest vom ... Juli 2014 (Bl. 18 der Behördenakte) - mit bester Korrektur auf dem rechten Auge 0,20 bis 0,25% beträgt, während auf dem linken Auge nur mehr eine Lichtwahrnehmung möglich ist. Den Ausführungen ihres Bevollmächtigten zufolge ist sie zudem kaum noch gehfähig. Auch wenn insoweit ein im Schriftsatz vom 20. Januar 2015 angekündigtes entsprechendes ärztliches Attest bislang nicht vorgelegt wurde, geht das Gericht von der Gebrechlichkeit der Klägerin aus, die es erfordert, dass sie sich zumindest in der Nähe ihrer Tochter aufhält. In dem im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 13. November 2014 vorgelegten ärztlichen Attest vom ... November 2014 wird der Klägerin insoweit Kniegelenksarthrose und eine Wirbelsäulendegeneration bescheinigt.

Liegen in der Person der Klägerin sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht i. S. v. § 51 Abs. 1 AsylVfG vor, hat der nach § 51 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG zuständige Beklagte diesem Umstand durch länderübergreifende Umverteilung nach Nordrhein-Westfalen Rechnung zu tragen, wobei angesichts der persönlichen Situation der Klägerin eine Umverteilung zumindest in eine Gemeinschaftsunterkunft in die Nähe der Wohnung der Tochter in... geboten ist.

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Entscheidung über die Verteilung in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt ist (vgl. Sächsisches OVG, B. v. 7.4.1999 - A 4 S 78/98 - juris Rn. 4, Hailbronner, AuslR, § 51 AsylVfG Rn. 16) oder ob ein Rechtsanspruch auf Umverteilung besteht (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 51 Rn. 5). Denn in den von § 51 Abs. 1 AsylVfG erfassten Fallgestaltungen ist - so wie vorliegend - das der Behörde zustehende Ermessen in der Regel gebunden (vgl. Sächsisches OVG, B. v. 7.4.1999, a. a. O., juris Rn. 4, VGH Baden-Württemberg, U. v. 2.2.2006 - A 12 S 929/05 - juris Rn. 17).

Nach § 52 AsylVfG wird die Aufnahme der Klägerin auf die nach § 45 AsylVfG für das Bundesland Nordrhein-Westfalen vorgesehene Quote angerechnet.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündliche Verhandlung beantragen.

Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

Dem Antrag eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Ist ein Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen.

(2) Die Verteilung nach Absatz 1 erfolgt auf Antrag des Ausländers. Über den Antrag entscheidet die zuständige Behörde des Landes, für das der weitere Aufenthalt beantragt ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.