Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Mai 2014 - 7 A 297/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt eine Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie.
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Die am … geborene Klägerin absolvierte nach dem Abitur eine Krankenschwesterausbildung, die sie … mit dem Abschluss als staatlich examinierte Krankenschwester abschloss. Anschließend absolvierte sie von … bis … eine Ausbildung zur Krankengymnastin an der …-Schule in B-Stadt und absolvierte ihr praktisches Jahr im Kreiskrankenhaus B-Stadt. Danach war sie von Juni … bis Juli … als Physiotherapeutin im Angestelltenverhältnis bzw. als freie Mitarbeiterin tätig. Von April … bis Juli … war sie erneut als Physiotherapeutin im Angestelltenverhältnis tätig, davon ca. … Jahre in X. Von Juli … bis Januar … arbeitete sie in der allgemeinmedizinischen Praxis ihres Ehemannes mit. Von Januar … bis Februar … betrieb sie eine eigene Privatpraxis für Physiotherapie in A-Stadt und war zeitweilig parallel als freie Mitarbeiterin in einer Praxis für Physiotherapie in A-Stadt tätig. Seit März … betreibt sie eine eigene Praxis für Physiotherapie mit Krankenkassenzulassung in A-Stadt. Sie absolvierte diverse zusätzliche Physiotherapiekurse auch für neurophysiologische und osteopathische Anwendungstechniken sowie vom … bis … einen Nachqualifikationskurs für die Beantragung der Heilpraktiker-Erlaubnis beschränkt auf den Bereich der Physiotherapie des A-Instituts für naturnahe Medizin, der sich über 60 Zeitstunden erstreckte und zum Inhalt einen ärztlichen Unterricht von 30 Stunden, physiotherapeutisch/heilpraktischen Unterricht von 15 Stunden und juristischen Unterricht von 15 Stunden hatte. Diesen Kurs schloss sie erfolgreich bestandenen Prüfung ab (MC-Test, 28 Fragen und mündliche Prüfung).
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Sie beantragte am 28.02.2013 bei der Beklagten die Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie ohne vorherige Kenntnisprüfung.
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Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12.04.2013 mit der Begründung ab, die Gesundheitsämter des Landes Schleswig-Holstein hätten sich auf einer gemeinsamen Sitzung am 06.02.2013 darauf geeinigt, die erfolgreiche Ablegung der Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 lit. i) der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (DVHeilprG) zu fordern. Da die Klägerin diese Kenntnisüberprüfung nicht absolviert habe, sei ihr Antrag auf Erteilung der Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie abzulehnen.
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Gegen diesen, der Klägerin am 17.04.2013 zugestellten Bescheid legte die Klägerin am 10. Mai 2013 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, in welcher Form und in welchem Umfang die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der Heilkunde zu erfolgen haben, sei weder im Heilpraktikergesetz noch in der Durchführungsverordnung geregelt. Die Ausübung der Heilkunde dürfe nur keine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten. Sie habe ihre fachlichen Kompetenzen durch ihren Ausbildungsweg dargelegt. Es obliege der Beklagten, im Wege der Sachverhaltsermittlung im Einzelfall zu prüfen, ob von dem Betreffenden Gefahren für die Volksgesundheit ausgehen würden. Die Beklagte müsse daher die vorgelegten Zeugnisse und sonstigen Nachweise über absolvierte Studiengänge und Zusatzausbildungen prüfen und könne sich nicht auf die Argumentation zurückziehen, dass die Gesundheitsämter in Schleswig-Holstein generell die Ablegung einer Kenntnisüberprüfung fordern würden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrer Vorbildung, ihren Zusatzausbildungen und ihrer langjährigen mannigfaltigen Berufserfahrung würde ergeben, dass keine Versagungsgründe vorlägen, so dass sie einen Anspruch auf die beantragte Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Physiotherapie habe.
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Das von der Beklagten zu Rate gezogene Rechtsamt kam in seiner Stellungnahme vom 20.06.2013 zu dem Ergebnis, dass in Form einer Einzelfallprüfung zu entscheiden sei, ob die Kenntnisprüfung nach § 2 Abs. 1 DVHeilprG gefordert werden dürfe. Die Lehrgangsbescheinigung des A-Instituts mit dem Nachweis der erfolgreichen Bewertung eines Abschlusstests mit 28 Fragen und einer mündlichen Prüfung reiche nicht aus, um eine Gefahr für die Volksgesundheit nach § 2 Abs. 1 lit. i DVHeilprG auszuschließen. Der zum Abschluss dieser Fortbildungsveranstaltung durchgeführte Test sei schon mit der Kenntnisüberprüfung der Gesundheitsämter deshalb nicht zu vergleichen, weil sich der Umfang dieser Tests erheblich unterscheide. Während der Test der eingeschränkten Kenntnisüberprüfung durch die Gesundheitsämter 60 Fragen umfasse, habe die Klägerin bei dem A-Institut nur einen Test mit 28 Fragen absolviert. Außerdem handele es sich um einen kommerziellen Anbieter, der folglich weder unabhängig noch objektiv diese Prüfung abnehmen könne.
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Das Gesundheitsamt A-Stadt als zentralisierter Überprüfungsort in Schleswig-Holstein für angehende Heilpraktiker kam in seiner Stellungnahme vom 10.07.2013 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass in der Regel die Ablegung der Kenntnisprüfung nach der Durchführungsverordnung nach dem Heilpraktikergesetz gefordert werden müsse, insbesondere zum Schutz von Privatpatienten, da allein die Berufsausbildung zum Physiotherapeuten nicht dazu befähige, das gesamte Spektrum des Heilmittelkataloges der gesetzlichen Krankenkassen, das u.a. Heilmittel sowie Krankengymnastik an Geräten, die manuelle Therapie, die manuelle Lymphdrainage, die Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage beinhalte, zu erbringen. Erforderlich sei, um Kassenpatienten behandeln zu dürfen, eine umfangreiche Nachqualifizierung zur Ausübung des Berufs des Physiotherapeuten, die zB eine Fortbildung in Heilmittel in der MTT mit 125 Stunden, in der manuellen Medizin mit 320 Stunden, in der manuellen Lymphdrainage mit 160 Stunden und bei den krankengymnastischen neurophysiologischen Techniken ebenfalls mit 240 Stunden beinhalte. Da im Bereich des sektoral tätigen Heilpraktikers begrenzt auf das Gebiet der Physiotherapie im Vorfeld kein Arzt tätig sei, eine umfangreiche Nachqualifizierung aber nicht gefordert werde, trage der Heilpraktiker eine umfassende Verantwortung. Um sicherzustellen, dass der Heilpraktiker dabei auch der Volksgesundheit gerecht werde, sei die zentralisierte Überprüfung auf der Grundlage des umfangreichen Gegenstandskataloges zur Vorbereitung auf die sektorale Heilpraktikerüberprüfung in Husum durchzuführen und die entsprechende Kenntnisprüfung abzulegen. Auch der Nachqualifizierungskurs beim A-Institut sei mit der Kenntnisprüfung durch das Gesundheitsamt A-Stadt nicht vergleichbar und inhaltlich nicht geeignet, den gestellten Anforderungen zur Ausübung der Heilkunde gerecht zu werden.
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Der Gutachterausschuss des Landesamtes für soziale Dienste schloss sich am 20.08.2013 den Ausführungen des Rechtsamtes der Beklagten vom 20.06.2013 an und führte ergänzend aus, auf die beschränkte Kenntnisprüfung nach der Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz könne seiner Auffassung nach im Falle der Klägerin nicht verzichtet werden.
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Daraufhin wies die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2013 den Widerspruch der Klägerin im Wesentlichen aus den Gründen der Stellungnahme des Rechtsamtes vom 20.06.2013 sowie aus den Gründen der Stellungnahme des Kreises Nordfriesland, Gesundheitsamt, Frau Dr. …, vom 10.07.2013 sowie der Stellungnahme des Gutachterausschusses des Landesamtes für soziale Dienste Schleswig-Holstein vom 20.08.2013 durch Bescheid vom 26.09.2013 zurück. Ergänzend wurde ausgeführt, weder die Ausbildung zur Krankenschwester noch die umfangreichen physiotherapeutischen Fortbildungen der Klägerin noch der Nachschulungskurs beim A-Institut würden für eine Erteilung der Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf die Physiotherapie, ohne Kenntnisprüfung ausreichen, da insbesondere davon auszugehen sei, dass der Werdegang der Klägerin keine genügende Grundlage für eine eigenständige Diagnoseerstellung von Krankheitsbildern bilde, die einer physiotherapeutischen Behandlung entgegenstehen könnten.
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Gegen diesen, der Klägerin am 28.09.2013 zugestellten Bescheid richtet sich die am 25.10.2013 eingereichte Klage, mit der die Klägerin ergänzend geltend macht, insbesondere in den Kursen zur manuellen Medizin habe sie Kenntnisse zur Befundung aller einzelnen Gelenke inklusive der umgebenden Muskulatur und des Nervengewebes erlernt. In den osteopathischen Kursen habe sie das Mobilisieren von Schädelknochen und Organen gelernt. Sie habe Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF) gelernt, die sich um Erkrankungen des Nervensystems im weitesten Sinne kümmere. Desweiteren habe sie die britische Zulassung zur Physiotherapie nach einer Prüfung in A-Stadt, wobei hervorzuheben sei, dass Physiotherapeuten in Großbritannien selbstständig arbeiten und Ärzte beraten, sofern es um Fragen des Bewegungsapparates gehe. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 26.08.2009 stehe der Umfang der zu fordernden Kenntnisüberprüfung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Es gehe nicht darum, eine ärztliche Differenzialdiagnose zu ersetzen, sondern nur darum, die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeiten zu kennen und zu beachten, wobei aufgrund der vorgelegten Zeugnisse und sonstigen Nachweise über absolvierte Studiengänge und Zusatzausbildungen die Einzelumstände maßgebend seien. Angesichts ihres vorgelegten Lebenslaufs und ihrer nachgewiesenen Kenntnisse und Erfahrungen - sie habe sich intensiv in verschiedenen Bereichen der Physiotherapie und Osteopathie fortgebildet, sei in X als Physiotherapeutin tätig gewesen und könne eine über zwanzigjährige praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Physiotherapie nachweisen - sei festzustellen, dass sie ohne weitergehende Kenntnisüberprüfung einen Anspruch auf Erteilung der Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf die Physiotherapie, habe. Dieser Anspruch ergebe sich zumindest nach der erfolgreichen Teilnahme an dem Kurs des A-Instituts für naturnahe Medizin, dessen erfolgreicher Besuch auch in Hamburg, in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Niedersachsen und Baden-Württemberg in Absprache mit den dortigen Gesundheitsämtern anerkannt werde und der die von der Rechtsprechung formulierten Anforderungen erfülle.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 12.04.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung nach dem Heilpraktikergesetz, beschränkt auf die Physiotherapie, ohne weitere Kenntnisüberprüfung zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt zur Begründung ergänzend aus:
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Auch aufgrund der von der Klägerin zitierten neueren Rechtsprechung ergebe sich kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis ohne weitere Kenntnisprüfung, da der Werdegang der Klägerin mit denjenigen in den zitierten Entscheidungen nicht vergleichbar sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Nachqualifikation bei dem A-Institut in bestimmten anderen Bundesländern anerkannt werde, könne die Klägerin ebenfalls keinen Rechtsanspruch herleiten, da diese Kurse in Schleswig-Holstein nicht anerkannt würden. Auch aufgrund ihres Vortrages, sie habe die britische Zulassung zur Physiotherapie, könne die Fähigkeit zur Erstdiagnose nicht nachgewiesen werden. Zum Einen gehe allein aus der Urkunde nicht hervor, dass ein Studium der Physiotherapie, wie die Klägerin behauptet, 10 Semester umfasse. Zum Anderen sei aus der Urkunde nicht erkennbar, welche konkreten fachlichen Themenbereiche in diesem Studium behandelt werden. Entsprechend sei der Urkunde vom 14.06.1999 nicht zu entnehmen, welcher Kenntnisstand abgefragt worden sei. Unter Berücksichtigung der Grundlagenentscheidung der Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall könne daher ohne Kenntnisprüfung nach der Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz nicht davon ausgegangen werden, dass von der Klägerin nicht zumindest mittelbar eine Gefahr für die Volksgesundheit ausgeht, so dass die beantragte Erlaubnis zu Recht abgelehnt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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In der mündlichen Verhandlung führten die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter ergänzend aus, dass bei allen Fortbildungen auch die Kontraindikationen der erlernten Behandlungstechniken angesprochen werden, wobei die Kontraindikationen über sog. „gelbe Flaggs“ und über sog. „rote Flaggs“ in den Unterlagen gekennzeichnet seien. Auch als Physiotherapeutin müsse sie - basierend auf einer vom Arzt vorgegebenen Leitsymptomatik und Diagnosegruppe - oft selbst die konkrete Diagnose stellen. Schon aufgrund ihres vielfältigen Werdegangs und der vielfältigen Berufserfahrung sei bei der Klägerin nur noch von einer „geringen Kenntnislücke“ im Sinne der Rechtsprechung des OVG NW vom 14.11.2013 auszugehen, die sie über die Nachqualifikation des A-Institutes habe schließen können. Die Kenntnisüberprüfung, die in Schleswig-Holstein in A-Stadt durchgeführt werde, sei sehr schwer und erfordere erneut eine Vorbereitung, da man - wie bei jeder Prüfung - durchfallen könne.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Versagungsbescheid der Beklagten vom 12.04.2013 i.d.F. vom 26.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin eine Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie, ohne Kenntnisprüfung zu erteilen.
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Anspruchsgrundlage für die begehrte Erlaubniserteilung ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung - HeilprG - vom 17.02.1939 (RGBl I 1939, 251). Danach bedarf der Erlaubnis, wer, ohne als Arzt bestallt zu sein, die Heilkunde ausüben will. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein rechtsstaatlich unbedenklicher Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum HeilprG eingreift. Gemäß § 2 Abs. 1 Buchstabe i) dieser Verordnung wird die Erlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde.
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Mit Grundsatzurteil vom 26.08.2009 - 3 C 19.08 - hat das Bundesverwaltungsgericht die zuvor streitige Frage, ob eine Heilpraktikererlaubnis inhaltlich auf die Ausübung der Physiotherapie beschränkt werden kann, bejaht und klargestellt, dass sich ein ausgebildeter Physiotherapeut grundsätzlich einer eingeschränkten Kenntnisüberprüfung zu unterziehen hat.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - (BVerwGE 134, 345 = NVwZ-RR 2010, 111 = juris) zum Erfordernis der Kenntnisüberprüfung ausgeführt, ein Physiotherapeut sei allein kraft seiner Ausbildung nicht zu einer eigenverantwortlichen heilkundlichen Tätigkeit befähigt (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 -, juris, Rn. 21).
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Zum Schutz der Patienten sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass über die richtige Anwendung der Therapie hinausgehende Kenntnisse aus den verschiedenen medizinischen Fachgebieten darüber vorhanden sind, ob eine solche Behandlung angezeigt ist (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 -, juris, Rn. 25).
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Dies rechtfertige aber nicht die Annahme, die nachzuweisenden Kenntnisse seien auf physiotherapeutische Krankheitsbilder zu beschränken. Von einem ausgebildeten Physiotherapeuten müsse zum Schutz der Patienten auch verlangt werden, dass er über die richtige Anwendung der Therapie hinausgehende Kenntnisse aus den verschiedenen medizinischen Fachgebieten darüber verfügt, ob eine physiotherapeutische Behandlung überhaupt angezeigt ist. Insoweit gehe es nicht darum, eine ärztliche Differentialdiagnose zu ersetzen oder nicht in den Bereich der Physiotherapie fallende Erkrankungen zu behandeln, sondern lediglich darum, die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeiten zu kennen und zu beachten (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 -, juris, Rn. 25).
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Der jeweilige Antragsteller müsse nachweisen, dass er ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung der heilkundlichen Tätigkeit als Physiotherapeut gegenüber der den Ärzten und den allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen besitze und ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf die einschlägigen Krankheitsbilder habe. Außerdem seien Kenntnisse in Berufs- und Gesetzeskunde einschließlich der rechtlichen Grenzen der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde nachzuweisen. (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 -, juris, Rn. 27).
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Ob und gegebenenfalls in welchen Umfang die im Regelfall gebotene Kenntnisüberprüfung für ausgebildete Physiotherapeuten im Hinblick auf absolvierte Zusatzausbildungen ausnahmsweise entbehrlich seien, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (so auch Heilberufekommentar, Band 1, § 1 HeilprG, Rdnr. 25 unter Berufung auf das Urteil des BVerwG vom 26.08.2009 - 3 C 19.08 -).
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Hierbei haben sich die behördlichen sowie gegebenenfalls die gerichtliche Prüfung auf alle von dem Antragsteller vorgelegten Zeugnisse und sonstigen Aus-, Fort- und Weiterbildungsnachweise zu erstrecken. Dementsprechend können auch Teilnahmebescheinigungen über absolvierte Lehrgänge, Seminare, Zusatzausbildungen und Ähnliches von Belang sein. Allerdings ist der Aussagegehalt einer solchen Bescheinigung differenziert zu betrachten. Es liegt auf der Hand, dass der erfolgreichen Teilnahme an einer anerkannten Fachveranstaltung , die ein inhaltlich und zeitlich umfangreiches Unterrichtsprogramm mit einer Prüfung abschließt, mehr Gewicht beizumessen ist, als dem Besuch einer Fortbildungsveranstaltung, die nach Lehrgangsinhalt und -dauer von vergleichsweise geringer(er) Intensität ist und auch keine Überprüfung der vermittelten Kenntnisse vorsieht. Das zeigt aber zugleich, dass sich nur im Einzelfall beantworten lässt, ob eine beigebrachte Ausbildungsunterlage ein tauglicher Kenntnisnachweis ist (BVerwG, Beschluss vom 11.07.2013, - 3 B 64/12 -).
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Hieran gemessen verzichtet die Beklagte zu Recht vorliegend nicht auf eine Kenntnisüberprüfung bei der Klägerin im Hinblick auf die eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis. Denn nach Aktenlage wird nicht dargetan, dass bei der Klägerin die Kenntnis der einzelnen Krankheitsbilder und Beachtung der Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeiten - ohne die Kenntnisüberprüfung - gewährleistet ist.
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Die Ausbildungen der Klägerin als Krankenschwester und als Krankengymnastin können die notwendigen Fähigkeiten zur Erstdiagnose nicht nachweisen, da die durch die Ausbildung vermittelte Befähigung begrenzt ist auf die fachgerechte Anwendung der Physiotherapie bei Patienten, bei denen vorgelagerte Entscheidungen darüber, ob überhaupt eine mit dieser Therapieform zu behandelnde Krankheit vorliegt, bereits getroffen worden ist.
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Dasselbe gilt in Bezug auf ihre Berufstätigkeit in England nach britischer Zulassung zur Physiotherapie. Der eingereichten Urkunde vom 14.06.1999 ist schon nicht zu entnehmen, ob und welche konkreten Kriterien der Ausstellung dieser Urkunde zugrundeliegen. Auch die insoweit vorgelegten Arbeitszeugnisse enthalten keine konkreten Anhaltspunkte über die Qualifikation der Klägerin. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sie habe in England diejenige Prüfung abgelegt, die in England nach einem 5jährigen Physiotherapiestudium zu absolvieren sei, kann dies auch nicht zu einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage führen, da weder der Studien- noch der Prüfungsinhalt bekannt sind und es zudem hier nicht um ihre Qualifikation als Physiotherapeutin geht, die unzweifelhaft vorliegt, sondern um die Frage der Zulassung als (beschränkte) Heilpraktikerin, einem Beruf, den es in England nicht gibt.
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Auch ersetzen die diversen Fortbildungen, an denen die Klägerin im Zeitraum von 1999 bis 2008 teilgenommen hat, nicht die Kenntnisüberprüfung. Aus den vorgelegten Bescheinigungen geht nicht hervor, ob es sich dabei um Fortbildungen gehandelt hat, die dazu befähigen, bei einer Erstdiagnose Patienten, die nicht (lediglich) einer physiotherapeutischen Behandlung bedürfen, erforderlichenfalls darauf hinzuweisen, dass eine ärztliche Behandlung geboten ist. Das Gericht teilt die Auffassung des VG Hannover (Urteil vom 23.11.2011 - 5 A 5116/10 -, Rdnr. 27) und des VG Oldenburg (Urteil vom 23.09.2011 - 7 A 2259/10 -, Rdnr. 27), dass Kenntnisse in Krankheitsbildern nachgewiesen werden sein müssen, die zu Symptomen führen, welche möglicherweise auch eine physiotherapeutische Behandlung indizieren. Es muss also nachgewiesen werden, dass die Klägerin durch Fortbildung sicher ihre "Unzuständigkeit" erkennen und den Betroffenen sachkundig informieren kann.
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Diese Fähigkeit ist durch die Fortbildungsnachweise über zusätzliche Physiotherapiekurse und durch die anderen relevanten Kurse, die die Klägerin absolviert hat, nicht nachgewiesen. Es handelt sich dabei in der Mehrzahl um Kurse über Vertiefungen therapeutischer Verfahrenstechniken, die zum Tätigkeitsspektrum eines Physiotherapeuten gehören und die sie benötigt, um nach dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen diese jeweiligen Behandlungstechniken abzurechnen. Zudem ist aufgrund der verschiedenen Leistungsanbieter die Qualität der Fortbildungen nicht nachvollziehbar.
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Bei den anderen Kursen - z.B. „Grundlagen EKG, Hygiene Praxis Check, Notfalltraining" - ist ebenfalls nicht erkennbar, inwieweit diese Kurse - zumal nur durch Teilnahme - (siehe VG Göttingen, Urteil vom 25.04.2012 - 1 A 249/10, das nur eine Teilnahme in keinem Fall ausreichen lässt) der Klägerin hinreichend die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeiten aufzeigen. Ob die Klägerin daher tatsächlich die o.g. erforderlichen Kenntnisse besitzt, kann nur durch die Kenntnisüberprüfung nach einheitlichem Leistungsstandard festgestellt werden.
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Der Werdegang der Klägerin ist ferner nicht mit denjenigen vergleichbar, die das OVG NW (Urteil vom 13.06.2012 - 13 A 668/09 -, bestätigt durch das BVerwG, Beschluss vom 11.07.2013 - 3 B 64/12 -) und das OVG Lüneburg (Urteil vom 14.11.2013 - 8 LB 225/12-) zu entscheiden hatten und in denen Nachqualifikationskurse die Kenntnisprüfung nicht mehr erforderlich machten. Im ersten Verfahren mit einer 5-jährigen berufsbegleitenden Weiterbildung zur Osteopathin stellte das Gericht namentlich darauf ab, dass „die fünfjährige Weiterbildung in Osteopathie die Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin sowohl in quantitativer und qualitativer Hinsicht als auch in Bezug auf eine eigenverantwortliche Tätigkeit als Psychotherapeutin deutlich erweitert habe“. Dem zweiten Verfahren lag eine 11-jährige Berufserfahrung als Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie vor. Hieraus schloss das Gericht, dass es nahe liegt, dass „der Kläger bereits die Fähigkeit zur eigenständigen Diagnose habe...“
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Angesichts dieser nicht vergleichbaren Sachlagen ist ferner nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Teilnahme an dem Nachqualifikationskurs des A-Instituts und den erfolgreich absolvierten Abschlusstest für die Beantragung der Heilpraktiker-Erlaubnis beschränkt auf den Bereich der Physiotherapie“ vom 22.01. bis 27.01.2013 zur Schließung der normativen Ausbildungslücke gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 - 3 C 19.08 nicht als ausreichenden Nachweis für die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten ansieht (so auch OVG NW Beschluss vom 04.11.2013 - 13 A 1428/12 - zitiert nach juris zu einer Physiotherapeutin mit Zusatzausbildungen).
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Zwar bestätigt die Teilnahmebescheinigung vom 27.01.2013 den Nachweis der erfolgreichen Bewertung eines Abschlusstestes mit 28 Fragen und einer mündlichen Prüfung. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Durchführung des Tests den Anforderungen und dem Umfang der in Schleswig-Holstein durchgeführten beschränkten Kenntnisprüfung gleichkommt. Denn nur durch einen vergleichbaren Test mit den gleichen Maßstäben kann sichergestellt werden, dass die Volksgesundheit nicht gefährdet ist. Nur dann wäre eine beschränkte Kenntnisüberprüfung entbehrlich. Auch das zum Verwaltungsvorgang gereichtes "Curriculum" des A-Instituts (Anlage K 3 zum Schriftsatz der Klägerin vom 13.12.2013), das für diese Nachqualifikation entwickelt worden ist, welche speziell die bestehende Ausbildungslücke für Physiotherapeuten schließen soll, hilft bei der Frage nach der Vergleichbarkeit der Tests nicht weiter. Zu Recht führt die Beklagte daher aus, dass trotz der diversen Fortbildungen und Berufserfahrung der Klägerin diese Zusatzausbildung, die in lediglich 60 Zeitstunden absolviert wurde, von denen 30 Stunden ärztlicher Unterricht, 15 Stunden physiotherapeutisch/heilpraktischer Unterricht und 15 Stunden juristischer Unterricht war, nicht geeignet ist, um nachzuweisen, dass die Klägerin über die vom Bundesverwaltungsgericht geforderten ausreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten zum Zwecke einer Differentialdiagnostik und Indikationsstellung verfügt.
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Die Klägerin kann auch nicht mit dem Argument gehört werden, die Prüfung in A-Stadt sei sehr schwer und erfordere eine weitere Prüfungsvorbereitung, da die Gefahr des Durchfallens bestehe. In Bezug auf die Schwere der Prüfung besteht ein nur beschränkt vom Gericht überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Behörde. Außerdem ist die sektorale Kenntnisüberprüfung - dies hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt - beliebig oft wiederholbar und die Gefahr des Durchfallens hat daher nicht dieselben Konsequenzen wie ein Durchfallen bei einer „echten“ Prüfung.
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Auch ist die von der Beklagten angeführte Überlegung nicht von der Hand zu weisen, dass das privatrechtlich organisierte A-Institut selbst bestrebt ist, sich Kunden zu erhalten und deshalb nicht allzu hohe Hürden bei seinen Prüfungen aufbauen dürfte, sodass fraglich ist, welcher Wert der im Rahmen der Fortbildung abgelegten Prüfung zukommt. Dass die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) in Hamburg diese Prüfung in bestimmten Fällen anerkennt (vgl. Anlage K 5 zum klägerischen Schriftsatz vom 13.12.2013), ist vorliegend unbeachtlich, da die Durchführung des Heilpraktikergesetzes Ländersache ist.
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Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Ermangelung einer staatlichen Ausbildungs- und Prüfungsregelung für Heilpraktiker hohe Anforderungen an die Zulassungskriterien für Heilpraktiker stellt und im Falle der Klägerin die Kenntnisüberprüfung verlangt hat.
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Kommt mithin im vorliegenden Fall aufgrund der vorgelegten Nachweise eine Erteilung der Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf die Physiotherapie mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen nicht in Betracht, ist eine Erlaubniserteilung ohne Kenntnisüberprüfung nicht möglich, sodass die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO abzuweisen ist.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Mai 2014 - 7 A 297/13
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Urteil einreichenSchleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 27. Mai 2014 - 7 A 297/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis.
(2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.
(3) Wer die Heilkunde bisher berufsmäßig ausgeübt hat und weiterhin ausüben will, erhält die Erlaubnis nach Maßgabe der Durchführungsbestimmungen; er führt die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker".
Gründe
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Die Klägerin ist Physiotherapeutin und seit 1991 in eigener Praxis tätig. Sie begehrt die Erteilung einer auf den Bereich der Physiotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis ohne vorherige Kenntnisüberprüfung. Das Verwaltungsgericht hat ihrer Klage stattgegeben und die Beklagte zur Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Eine weitere Kenntnisüberprüfung sei entbehrlich. Die Klägerin verfüge über fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten, die die Annahme rechtfertigten, dass bei der von ihr beabsichtigten Heilkundeausübung im Bereich der Physiotherapie keine Gesundheitsgefährdungen für die Bevölkerung zu befürchten seien. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin ausgebildete Physiotherapeutin sei und eine fünfjährige berufsbegleitende Weiterbildung zur Osteopathin absolviert habe, sie darüber hinaus zahlreiche weitere fachbezogene Aus- und Fortbildungsveranstaltungen besucht habe und über eine langjährige Berufserfahrung verfüge. Des Weiteren hat es auf die Lehrtätigkeit der Klägerin in der Ausbildung von Physiotherapieschülern/innen verwiesen sowie auf ihre Teilnahme an einem Lehrgang des VDB-Physiotherapieverbandes "Zusatzausbildung für Physiotherapeuten/innen ... zur Schließung der normativen Ausbildungslücke gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 - 3 C 19.08".
- 2
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.). Es liegt auch kein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (2.).
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1. Die Beklagte meint, der Besuch von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen ohne abschließende Prüfung dürfe bei der Beurteilung, ob von der beabsichtigten Heilkundeausübung des jeweiligen Antragstellers eine Gefahr für die Volksgesundheit ausgehe (§ 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz), keine Rolle spielen, weil die Veranstaltungsteilnahme nichts darüber aussage, ob der vermittelte Stoff von dem Antragsteller auch verstanden worden sei. Ausgehend davon hält sie für klärungsbedürftig,
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"ob bloße Teilnahmebescheinigungen ohne anschließende Überprüfung des erworbenen Wissens für ausreichend zu erachten sind"
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und
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"ob die Teilnahme an der Zusatzausbildung des VDB-Physiotherapieverbandes die Annahme der Schließung etwaiger Ausbildungsdefizite nach den Vorgaben der Rechtsprechung rechtfertigt".
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Diese Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Erlangung einer auf den Bereich der Physiotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis den Nachweis voraussetzt, über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur physiotherapeutischen Behandlung ohne ärztliche Verordnung zu verfügen. Der Antragsteller muss darlegen, dass er ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung der heilkundlichen Tätigkeit als Physiotherapeut gegenüber der den Ärzten und den allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlung besitzt und ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf die einschlägigen Krankheitsbilder hat. Außerdem sind Kenntnisse in Berufs- und Gesetzeskunde einschließlich der rechtlichen Grenzen der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde nachzuweisen. Ob und gegebenenfalls inwieweit die im Regelfall gebotene eingeschränkte Kenntnisüberprüfung für ausgebildete Physiotherapeuten im Hinblick auf absolvierte Zusatzausbildungen ausnahmsweise entbehrlich sein kann, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345
= Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 24). Hierbei haben sich die behördliche sowie gegebenenfalls die gerichtliche Prüfung auf alle von dem Antragsteller vorgelegten Zeugnisse und sonstigen Aus-, Fort- und Weiterbildungsnachweise zu erstrecken. Dementsprechend können auch Teilnahmebescheinigungen über absolvierte Lehrgänge, Seminare, Zusatzausbildungen und Ähnliches von Belang sein. Allerdings ist der Aussagegehalt einer solchen Bescheinigung differenziert zu betrachten. Es liegt auf der Hand, dass der erfolgreichen Teilnahme an einer anerkannten Fachveranstaltung, die ein inhaltlich und zeitlich umfangreiches Unterrichtsprogramm mit einer Prüfung abschließt, mehr Gewicht beizumessen ist als dem Besuch einer Fortbildungsveranstaltung, die nach Lehrgangsinhalt und -dauer von vergleichsweise geringer(er) Intensität ist und auch keine Überprüfung der vermittelten Kenntnisse vorsieht. Das zeigt aber zugleich, dass sich nur im Einzelfall beantworten lässt, ob eine beigebrachte Ausbildungsunterlage ein tauglicher Kenntnisnachweis ist.
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Hier ist das Oberverwaltungsgericht unter Zugrundelegung der Senatsentscheidung vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 19.08 - (a.a.O.) im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Einzelumstände zu der Einschätzung gelangt, dass die von der Klägerin beigebrachten Aus- und Fortbildungsnachweise eine Kenntnisüberprüfung durch die Beklagte entbehrlich machen. Dabei hat es namentlich darauf abgestellt, dass die mehrjährige Weiterbildung in Osteopathie die Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin sowohl in quantitativer und qualitativer Hinsicht als auch in Bezug auf eine eigenverantwortliche Tätigkeit als Physiotherapeutin deutlich erweitert habe. Mit ihrer Kritik an der berufungsgerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung legt die Beschwerde keinen grundsätzlichen, über den konkreten Streitfall hinausweisenden Klärungsbedarf dar.
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2. Die Verfahrensrüge ist ebenfalls unbegründet.
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Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, es könne in eigener Sachkunde beurteilen, ob die vorgelegten Aus- und Fortbildungsnachweise den Schluss auf hinreichende Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin zur eigenverantwortlichen physiotherapeutischen Behandlung zuließen. Darin liegt kein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO). Einen förmlichen Beweisantrag hat die Beklagte nicht gestellt. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, aufgrund entsprechender Hinweise des Berufungsgerichts habe sie davon ausgehen dürfen, dass es eines ausdrücklichen Beweisantrags nicht bedurfte. Weder die Verfügung des Berichterstatters vom 1. September 2011 noch dessen zitierte telefonische Äußerung rechtfertigten eine solche Annahme. Abgesehen davon, dass es sich offenkundig um vorläufige Einschätzungen gehandelt hat, hat das Gericht - wie die Beschwerde selbst vorträgt - lediglich bekundet, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens "unter Umständen in Betracht kommt".
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Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen. Die Tatsachengerichte entscheiden über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen ihrer Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Stützt sich das Gericht auf eigene Sachkunde, verletzt es seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn es eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne darzulegen, dass ihm das erforderliche Wissen in genügendem Maße zur Verfügung steht, oder wenn die Entscheidungsgründe sonst auf eine mangelnde Sachkunde schließen lassen (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - ZOV 2012, 289 = juris Rn. 7 und vom 9. Januar 1990 - BVerwG 1 B 1.90 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 55 S. 35, jeweils m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Das Beschwerdevorbringen geht daran vorbei, dass sich die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts nicht allein auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen stützt. So werden in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils u.a. der Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 2010 ("Eingeschränkte Heilpraktiker-Erlaubnis für ausgebildete Physiotherapeuten"), die Stellungnahme der Bundesärztekammer "Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren" (Deutsches Ärzteblatt 2009, 2325) sowie verschiedene Beschlüsse der Arbeitsgruppe "Berufe des Gesundheitswesens" der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) ausgewertet. Außerdem lagen dem Gericht die fachliche Stellungnahme des Stadtdienstes Gesundheit der Beklagten vom 13. Juli 2011 und die Äußerung des Amtsarztes der Beklagten im Schreiben vom 12. Juni 2012 vor. Vor dem Hintergrund dieser (weiteren) Erkenntnisquellen lässt sich der Schluss auf eine mangelnde Sachkunde des Gerichts nicht ziehen.
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 VwGO) liegen nach den maßgeblichen fristgerechten Darlegungen zur Begründung des Antrags nicht vor (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
21. Es bestehen keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
3Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie ohne Kenntnisüberprüfung. Das BVerwG habe in seinem Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - (BVerwGE 134, 345 = NVwZ-RR 2010, 111 = juris) zum Erfordernis der Kenntnisüberprüfung ausgeführt, ein Physiotherapeut sei allein kraft seiner Ausbildung nicht zu einer eigenverantwortlichen heilkundlichen Tätigkeit befähigt. Zum Schutz der Patienten sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die in der Ausbildung nicht vermittelten Kenntnisse zu physiotherapeutischen Behandlung ohne ärztliche Verordnung nachgewiesen würden. Der jeweilige Antragsteller müsse nachweisen, dass er ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung der heilkundlichen Tätigkeit als Physiotherapeut gegenüber der den Ärzten und den allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen besitze und ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf die einschlägigen Krankheitsbilder habe. Außerdem seien Kenntnisse in Berufs- und Gesetzeskunde einschließlich der rechtlichen Grenzen der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde nachzuweisen. Ob und gegebenenfalls die im Regelfall gebotene Kenntnisüberprüfung für ausgebildete Physiotherapeuten im Hinblick auf absolvierte Zusatzausbildungen ausnahmsweise entbehrlich seien, hänge von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.
4Ausgehend hiervon habe die Beklagte zu Recht von der Klägerin verlangt, dass sie sich einer Überprüfung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten unterziehe. Besondere Einzelumstände, die in ihrem Falle ein Absehen von der Überprüfung rechtfertigten, lägen nicht vor.
5Die Klage habe auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag festzustellen, dass sich eine Kenntnisprüfung nicht auf Grundkenntnisse in der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung der häufigsten Krankheiten, insbesondere Stoffwechselkrankheiten, der Herz-Kreislauf-Krankheiten, der degenerativen und übertragbaren Krankheiten, der bösartigen Neubildung sowie seelischer Erkrankungen erstrecken dürfe, keinen Erfolg. Diese Bereiche seien, so wie sie von der Beklagten als Prüfungsstoff in der Heilpraktikerprüfung vorgesehen seien, nicht bereits Gegenstand der Ausbildung der Klägerin zur Physiotherapeutin gewesen.
6a) Erfolglos wendet die Klägerin ein, die Gegenstände, die die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu Protokoll gegeben habe, seien keiner Überprüfung zugänglich. Die erforderlichen Kenntnisse seien ihr bereits vollumfänglich in der physiotherapeutischen Ausbildung vermittelt worden. Dies folge u.a. aus § 14 Abs. 1 Ziff. 3 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV). Dem ist nicht zu folgen. Das Ausbildungsprogramm für Physiotherapeuten nach Maßgabe des § 8 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (MPhG), das in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PhysTh-AprV) konkretisiert wird, vermittelt dem Physiotherapeuten nicht die für die Erteilung der eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis erforderlichen Kenntnisse in den verschiedenen medizinischen Fachgebieten. Hierzu hatte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 -, juris, Rn. 25, ausgeführt, für eine abweichende Einschätzung müsse dargelegt werden, dass die vorgegebenen physiotherapeutischen Ausbildungsinhalte nicht mit dem Berufsbild eines Heilhilfsberufes korrespondierten, sondern - gleichsam überschießend - deutlich weitergehende Kenntnisse vermittelten als für die Ausübung des Berufs erforderlich. Dafür spreche schon deshalb nichts, weil § 8 MPhG eine Ausbildung entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs fordere und sich das verordnungsrechtliche Ausbildungsprogramm ersichtlich in diesem Rahmen halte.
7Den Darlegungen im Zulassungsantrag ist für eine überschießende Ausbildung der Klägerin nichts zu entnehmen. Die Klägerin behauptet insbesondere nicht in hinreichend substantiierter Weise, dass die von einem Physiotherapeuten nicht verlangte und nicht zu verantwortende Erstdiagnose Gegenstand ihrer Ausbildung gewesen sei. Der Verweis auf § 14 Abs. 1 Ziff. 3 PhysTh-APrV in der seit dem 6. Dezember 1994 unverändert geltenden Fassung hilft nicht weiter. Danach ist im praktischen Teil der Prüfung an einem Patienten aus den medizinischen Fachgebieten Chirurgie oder Orthopädie sowie an einem Patienten aus den medizinischen Fachgebieten Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie oder Pädiatrie je eine Befunderhebung durchzuführen, zu bewerten, zu dokumentieren und der Therapieplan mit Behandlungsziel und Behandlungsschwerpunkt zu erstellen. Auf dieser Grundlage sind geeignete Behandlungstechniken durchzuführen. Dementsprechend verfügt der Physiotherapeut zwar über Kenntnisse und Fähigkeiten in der Befunderhebung. Die Diagnosestellung erfordert aber weitergehend die Zuordnung von Befunden – diagnostischen Zeichen oder Symptomen – zu einem Krankheitsbegriff oder einer Symptomatik. Die Klägerin vermag mit ihrem Zulassungsantrag auch nicht überzeugend zu begründen, warum die Ausbildung sie (zugleich) dazu befähigen könnte, die vielfältigen Ursachenzusammenhänge für tatsächliche oder nur vermeintliche Störungen des Bewegungsapparates zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, auch wenn sich Überschneidungen im Bereich der Kenntnisinhalte zu den in Frage kommenden Erkrankungen ergeben könnten, bestehe ein Unterschied zwischen dem Gegenstand der Physiotherapeutischen Ausbildung und dem zulässigen Prüfungsinhalt der beschränkten Heilpraktikerüberprüfung. Dieser bestehe weniger in der Materie als solcher als in der Fragestellung und Zielrichtung, mit der die Kenntnisse über die bestimmten Krankheiten zu betrachten seien und zur Anwendung kommen sollten.
8b) Ohne Erfolg bleibt der Zulassungsantrag weiter, soweit die Klägerin geltend macht, sie schulde nur physiotherapeutische Diagnosen. Wenn sie außerhalb des Gebiets der Physiotherapie eine Diagnosestellung durchführe - etwa eine seelische Erkrankung diagnostiziere -, gebe sie zu erkennen, dass sie nicht bereit und in der Lage sei, die Abgrenzung zu Ärzten und allgemein tätigen Heilpraktikern zu beachten.
9Das Bundesverwaltungsgericht hat im zitierten Urteil (juris, Rn. 21) zwar ausgeführt, zum Schutze des Patienten sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die in der Ausbildung zum Physiotherapeuten nicht vermittelten Kenntnisse zur physiotherapeutischen Behandlung ohne ärztliche Verordnung nachzuweisen seien. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, die nachzuweisenden Kenntnisse seien auf physiotherapeutische Krankheitsbilder zu beschränken. Von einem ausgebildeten Physiotherapeuten muss zum Schutz der Patienten auch verlangt werden, dass er über die richtige Anwendung der Therapie hinausgehende Kenntnisse aus den verschiedenen medizinischen Fachgebieten darüber verfügt, ob eine physiotherapeutische Behandlung überhaupt angezeigt ist (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 -, juris, Rn. 25). Insoweit geht es nicht darum, eine ärztliche Differentialdiagnose zu ersetzen oder nicht in den Bereich der Physiotherapie fallende Erkrankungen zu behandeln, sondern lediglich darum, die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeiten zu kennen und zu beachten.
10Eine weitergehende ärztliche Differenzialdiagnostik verlangen - anders als die Klägerin offensichtlich meint - weder das Verwaltungsgericht noch die Beklagte.
11c) Die Klägerin kann zu ihren Gunsten ferner nichts auch dem Senatsurteil vom 13. Juni 2012 - 13 A 668/09 -, MedR 2012, 751-754, sowie den Beschlüssen des OVG Niedersachsen vom 29. November 2012 - 8 LA 4/12 - und vom 7. Mai 2013 - 8 LA 20/12 – herleiten. Es fehlt an einer vergleichbaren Fallgestaltung.
12Die Klägerin des Verfahrens, das Gegenstand der Senatsentscheidung vom 13. Juni 2012 war, war ausgebildete Physiotherapeutin, betrieb seit 1991 in selbständiger Tätigkeit eine physiotherapeutische Praxis und hatte eine 5-jährige berufsbegleitende Weiterbildung in Osteopathie sowie weitere Weiterbildungen absolviert. Derartige vergleichbare Weiterbildungen hat die Klägerin nicht durchlaufen.
13Der Kläger des Verfahrens 8 LA 4/12 verfügte - anders als die Klägerin - zudem bereits über eine eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis auf dem Gebiet der Psychotherapie, weshalb es - so das OVG - nahe lag, dass der Kläger bereits über Kenntnisse in der Berufs- und Gesetzeskunde einschließlich der rechtlichen Grenzen der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde und auch Kenntnisse über die grundlegende Abgrenzung der Behandlungsbefugnisse eines Heilpraktikers mit eingeschränkter Erlaubnis gegenüber den Ärzten und den allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen nachgewiesen hatte. Der verbleibende Bereich nachzuweisender Fähigkeiten und Kenntnisse beschränke sich damit auf die Abgrenzung der Behandlungsbefugnisse speziell der heilkundlichen Tätigkeit als Physiotherapeut gegenüber den den Ärzten und den allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen sowie auf diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf die für eine physiotherapeutische Behandlung einschlägigen Krankheitsbilder. Ob die insoweit vom Bundesverwaltungsgericht ausgemachte normative Ausbildungslücke in Niedersachsen bestehe, sei - so die Ausführungen des OVG in den benannten Beschlüssen - zweifelhaft, weil unter Berücksichtigung der vom Niedersächsischen Kultusministerium erlassenen „Rahmenrichtlinien für die Ausbildung in der Physiotherapie“ Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Ausbildung in Niedersachsen weitergehende Kenntnisse vermittele, als dies nach § 8 MPhG und PhysTh-APrV erforderlich sei.
14d) Schließlich stellt das Zulassungsvorbringen auch nicht durchgreifend in Frage, dass sich die eingeschränkte Kenntnisprüfung, der sich die Klägerin unterziehen muss, grundsätzlich auch auf die im Hilfsantrag benannten Gebiete beziehen darf, um festzustellen, ob die Klägerin insoweit zu der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten selbständigen Diagnosestellung und zur Abgrenzung ihrer Behandlungsbefugnisse gegenüber den den Ärzten und den allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen in der Lage ist. Zwar ist die Kenntnisüberprüfung im Einzelfall nach sachgerechten Kriterien auszugestalten, ferner dürfen die gestellten Fragen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Dies erkennt auch die Beklagte an. Ob die Ausgestaltung eines Prüfungsverfahrens im Falle der Klägerin diesen Anforderungen genügt, ist nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Diese Frage kann deshalb in zulässiger Weise auch nicht zum Gegenstand des Verfahrens auf Zulassung der Berufung gemacht werden. Offen bleiben kann deshalb weiter, ob die Beklagte die im Erlass des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen zur „Durchführung des Heilpraktikergesetzes; Kriterienkatalog zur Erteilung der eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Physiotherapie“ vom 21. November 2012 – 416-0461 – unter 4.2.2. benannten Nachweise von Kenntnissen und Fähigkeiten verlangen darf oder ob diese über das erforderliche Maß hinausgehen, weil etwa Kenntnisse über Knochenmetastasen bereits in der Ausbildung zum Physiotherapeuten hinreichend vermittelt werden (vgl. Anlage 1 zu PhysTh-AprV Nr. 4 Allgemeine Krankheitslehre, Nr. 4.6 Wachstum und Störungen, gutartige und bösartige Neubildungen).
152. Die erhobene Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) genügt nicht den Darlegungsanforderungen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zur Darlegung einer Divergenz ist erforderlich, dass ein inhaltlich bestimmter, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechts- oder Tatsachensatz benannt wird, mit dem dieses von einem in der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten und entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz abgewichen sein soll.
16Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2001 - 5 B 105.00 -, NJW 2001, 2898.
17Daran fehlt es hier schon deshalb, weil mit dem Zulassungsantrag allenfalls eine unrichtige Anwendung der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - aufgestellten Rechtssätze geltend gemacht wird, was für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht ausreicht.
183. Die Berufung ist schließlich nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
19Ausgehend hiervon kommt den Fragen,
20- wie eine Zusatzausbildung beschaffen sein muss, um den Nachweis zu ermöglichen, dass eine Kenntnislücke geschlossen wird,
21- und welche Überprüfungsgegenstände in zulässiger Weise im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüft werden dürfen,
22die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
23Die Frage, wie eine Zusatzausbildung generell beschaffen sein muss, um den Nachweis zu erbringen, dass eine Kenntnislücke geschlossen wird, musste das Verwaltungsgericht nicht entscheiden. Dass jedenfalls die von der Klägerin absolvierte Zusatzausbildung nicht geeignet ist, die Kenntnislücke zu schließen, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
24Die weitere Frage, welche Überprüfungsgegenstände in zulässiger Weise im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüft werden können, ist einer abstrakten Klärung nicht zugänglich. Die Beantwortung dieser Frage hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und bestimmt sich nach den vom Antragsteller vorgelegten Zeugnissen und sonstigen Aus-, Fort- und Weiterbildungsnachweisen und deren Aussagegehalt. Es liegt auf der Hand, dass dem Nachweis einer erfolgreichen Teilnahme an einer anerkannten Fachveranstaltung, die ein inhaltlich und zeitlich umfangreiches Unterrichtsprogramm mit einer Prüfung abschließt, mehr Gewicht beizumessen ist als dem Besuch einer Fortbildungsveranstaltung, die nach Lehrgangsinhalt und -dauer von vergleichsweise geringer(er) Intensität sei und auch keine Überprüfung der vermittelten Kenntnisse vorsieht. Das zeigt aber zugleich, dass sich nur im Einzelfall beantworten lässt, in welchem Umfang eine weitergehende Kenntnisüberprüfung erforderlich ist.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2013, - 3 B 64.12 -, juris Rn. 4.
26Dass sich bei fehlenden Kenntnissen eine Kenntnisprüfung jedenfalls auf die von der Beklagten benannten Grundkenntnisse in der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung der häufigsten Krankheiten, insbesondere Stoffwechselkrankheiten, der Herz-Kreislauf-Krankheiten, der degenerativen und übertragbaren Krankheiten, der bösartigen Neubildung sowie seelischer Erkrankungen erstrecken darf, soweit diese wegen der vom BVerwG erforderliche Diagnosestellung unerlässlich sind, lässt sich auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens feststellen. Ebenso steht fest, dass jedenfalls die im Erlass vom 21. November 2012 beschriebene Zusatzausbildung geeignet ist, die vom Bundesverwaltungsgericht ausgemachte Kenntnislücke zu schließen.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
28Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.