Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 14. Juni 2018 - RN 5 K 17.1256

bei uns veröffentlicht am14.06.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage.

Am 10.04.2016 wurde um 21.21 Uhr auf der BAB 19, P. Brücke (Baustelle) bei km 38,5 in Fahrtrichtung Rostock folgender Verkehrsverstoß mit dem PKW amtliches Kennzeichen …, der auf die klagende GmbH zugelassen ist, begangen:

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 48 km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (abzüglich Toleranz): 88 km/h, zulässige Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h. § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, § 49 StVO, § 24, § 25 StVG, 11.3.7 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV.

Die Ermittlungen hinsichtlich des Fahrzeugführers durch den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte unter Mithilfe der Polizeiinspektion 1… und der Polizeiinspektion 2… waren erfolglos geblieben.

Als Halterin des Kfz eingetragen ist die Klägerin. Deren Geschäftsführer machte im Rahmen des mit Schreiben des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 27.04.2016 durchgeführten Anhörungs- und Ermittlungsverfahrens keine Angaben, die zur Feststellung des Fahrzeugführers hätten führen können. Er sandte auch den Anhörungsbogen nach Aktenlage nicht zurück. Ihm wurde im Rahmen der Anhörung die Möglichkeit gegeben, die Beweisfotos im Internet abzurufen, auf denen der Fahrer erkennbar dargestellt ist. Adressiert war dieses Schreiben an die Klägerin.

Der Geschäftsführer gab gegenüber der Polizeiinspektion 1… an, das Kfz sei zur Tatzeit an Herrn X… überlassen gewesen. Dieser gab an, zum Tatzeitpunkt seien zwei Leiharbeiter namens A… und B… bei der Firma beschäftigt gewesen und laut Lichtbild sei B… der Fahrer gewesen, mehr wisse er über die Beiden nicht. Nähere Informationen habe nur der Geschäftsführer. Dieser machte keine näheren Angaben bezüglich des Fahrzeugführers. Auch an den Geschäftsführer persönlich wurde am 13.06.2016 ein Schreiben gerichtet, mit dem er zum Bußgeldverfahren hinsichtlich des Verkehrsverstoßes als möglicher Fahrzeugführer angehört wurde. Er erschien auf Vorladung der Polizeiinspektion 1… zum 18.06.2016, sowie zum 19.06.2016 (lt. Mitteilung der Polizeiinspektion 1…, Bl. 19 BA) unentschuldigt nicht. Das Ermittlungsverfahren gegen den Halter wurde nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Das Ordnungsamt des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte teilte dem Landratsamt … mit Schreiben vom 20.07.2016 den Verstoß mit. Es regte außerdem an, dem Halter - dort als der Geschäftsführer der Klägerin bezeichnet - eine Fahrtenbuchauflage aufzuerlegen.

Mit Schreiben vom 03.08.2016 hörte das Landratsamtes … unter der Adresse der Firma … GmbH, Herrn Y… zu der beabsichtigten Fahrtenbuchauflage an. Dieser berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Per Fax ließ der Geschäftsführer am 12.08.2016 dem Landratsamt … mitteilen, anwaltlich durch die Kanzlei … Rechtsanwälte vertreten zu werden. Die Bevollmächtigten rügten im Schriftsatz vom 29.8.2016, dass er erst nach 3 Wochen von der Polizei befragt worden sei. Das sei zu spät gewesen, um sich an konkrete Fahrten erinnern zu können.

Mit Bescheid vom 25.10.2016, adressiert an den Bevollmächtigten, erließ das Landratsamt … gegen den Geschäftsführer der hiesigen Klägerin eine Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, sowie für jedes an die Stelle dieses Fahrzeugs tretende Ersatzfahrzeug, für sechs Monate ab Rechtskraft des Bescheides.

Ziffer 2 legte fest, dass das Fahrtenbuch für jede einzelne Fahrt einen zuverlässigen Nachweis darüber erbringen muss, wer das Kraftfahrzeug geführt hat und folgende Angaben enthalten muss:

a) amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs

b) Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers,

c) Datum und Uhrzeit des Fahrbeginns und -endes.

In Ziffer 3 wurde geregelt, dass die erforderlichen Eintragungen unverzüglich nach der Beendigung der Fahrt mit Unterschrift vorzunehmen sind, das Fahrtenbuch noch 6 Monat nach Ablauf der Zeit, für die es geführt wird, aufzubewahren ist und es dem Landratsamt … sowie sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen ist.

Ziffer 4 regelte, dass das Fahrtenbuch durch einen Fahrtenschreiber ersetzbar ist, bei einem Wechsel des Fahrzeugführers aber zusätzliche Eintragungen notwendig sind.

Ziffer 5 bestimmte die Kostentragungspflicht des Geschäftsführers der Klägerin als Veranlasser und die Festsetzung einer Gebühr von 50,00 Euro, sowie Auslagen in Höhe von 3,20 Euro.

Das Landratsamt … begründete den Bescheid im Wesentlichen mit der Unmöglichkeit der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am 10.04.2016. Der Bescheid führte außerdem aus, dass der Bescheid nicht ermessensfehlerhaft ergangen sei und die Grundsätze, die die Rechtsprechung hinsichtlich der Ausübung des behördlichen Ermessens entwickelt habe, eingehalten seien:

Es liege eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften vor, hinsichtlich derer der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden könne und der Geschäftsführer habe keine Angaben gemacht, die zur Feststellung des Fahrers hätten führen können.

Außerdem handle es sich nicht um einen geringfügigen Verstoß, wobei ein einmaliger Verstoß ausreiche, wenn er erheblich sei. Um einen solchen handle es sich im vorliegenden Sachverhalt, da eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h einen wesentlichen Verkehrsverstoß darstelle, der sich verkehrsgefährdend auswirken könne. Bereits ein einmaliger Verstoß, der mit einem Punkt zu bewerten ist, rechtfertige die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Der vorliegende Verstoß sei mit einer Geldbuße von 160 Euro und 2 Punkten, sowie einem Fahrverbot von einem Monat zu bewerten.

Die nachträgliche Feststellung des Fahrzeugführers sei außerdem unmöglich. Die Behörde sei nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage gewesen, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe. Dabei sei entscheidend, ob die Behörde in sachgerechtem und rationalem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen habe, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang können sich dabei an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Weitere Ermittlungen seien dann nicht angezeigt, wenn dieser jede Aufklärung darüber ablehne, wer das Kfz zum maßgeblichen Zeitpunkt geführt habe oder mangels geeigneter Vorsorgemaßnahmen keine Angaben darüber machen könne. Im vorliegenden Fall seien weitere Ermittlungen nicht angezeigt gewesen, da der Geschäftsführer keine für die Aufklärung hilfreichen Angaben gemacht habe und er sich äußerst unkooperativ gezeigt habe. Die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung beruhe daher nicht auf unzureichender oder verzögerter Ermittlungstätigkeit der Polizei oder des Landratsamtes.

Die Fahrtenbuchauflage sei auch zulässig, wenn der Betroffene im Ordnungswidrigkeitsverfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache.

Gegen diesen Bescheid hatte der Geschäftsführer der Kläger am 28.11.2016 unter dem Aktenzeichen RN 5 K 16.1826 Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg erhoben. Über diese wurde mit Urteil vom 20.04.2017 entschieden und dieser Bescheid aufgehoben. Der Geschäftsführer der hiesigen Klägerin sei nämlich der falsche Adressat gewesen. Der Bescheid hätte an den Halter, die nunmehr klagende GmbH gerichtet werden müssen.

Mit Schreiben vom 19.05.2017 an die Klägerin wurde nunmehr diese zum beabsichtigten Erlass einer Fahrtenbuchauflage angehört. Explizit erwähnt wurde dort, dass das Verwaltungsgericht den vorherigen Bescheid aufgehoben hatte, weil er an den Geschäftsführer und nicht an die GmbH adressiert war.

Mit Fax vom 02.06.2017 versicherte der Klägervertreter anwaltliche Vollmacht für die Klägerin, machte Angaben zur Person und verwies im Übrigen auf das frühere Verwaltungsverfahren.

Mit Bescheid vom 19.06.2017, wiederum adressiert an den Bevollmächtigten, erließ das Landratsamt … gegen die nunmehr klagende GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, eine Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, sowie für jedes an die Stelle dieses Fahrzeugs tretende Ersatzfahrzeug, für sechs Monate ab Rechtskraft des Bescheides. Dieser Bescheid stimmte ansonsten im Wesentlichen mit demjenigen vom 25.10.2016 überein.

Gegen den Bescheid vom 19.06.2017, dem Klägervertreter ausweislich Empfangsbekenntnis am 22.06.2017 zugegangen, wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 24.07.2017, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag. Sie trägt zur Begründung vor, nachdem sich der Bescheid an den Halter zu richten habe, hätten auch die Maßnahmen im Vorfeld an den Halter gerichtet sein müssen. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, man hab die Maßnahmen, wie etwa das Schreiben vom 03.08.2016 zunächst an den Geschäftsführer der Klägerin als vermeintlichen Halter und nicht an die Klägerin selbst gerichtet und vor Erlass des Bescheids an die nunmehr klagende GmbH nicht wiederholt. Falsch sei es aber auch gewesen, dass der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte die Zeugenanhörung vom 27.04.2016 an die klagende GmbH adressiert hätte, Zeuge könne nämlich nur eine natürliche Person sein. Zudem sei der Geschäftsführer der Klägerin nicht unkooperativ gewesen.

Die Klägerin beantragt vorliegend:

Der Bescheid des Landratsamtes … vom 19.06.2017, 32-140/7/2 BS 01/16 (2) wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte meint, dass das Schreiben vom 27.04.2016 lediglich an die Klägerin adressiert war, sei irrelevant. Mit Schreiben vom 03.08.2016 wurde lediglich dem Geschäftsführer der Klägerin erneut die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern. Mit der Anhörung der Klägerin vom 19.05.2017 wurden jedenfalls alle eventuellen vorherigen Fehler im Anhörungsverfahren geheilt. Der Verweis des Klägervertreters auf einen vermeintlichen Anhörungsfehler im hiesigen Verwaltungsverfahren sei daher unzutreffend. Auch im Übrigen seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 a StVZO erfüllt.

Mit Schriftsatz vom 26.10.2017, bei Gericht eingegangen am 30.10.2017, erklärte der Klägervertreter, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden zu sein. Mit Schriftsatz vom 06.11.2017, eingegangen bei Gericht am 07.11.2017, erklärte auch der Beklagte sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch im Verfahren RN 5 K 16.1826 sowie auf die den jeweiligen Vorgang betreffenden Behördenakten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt ist.

Nach § 31a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) kann die zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

1. Die Klägerin war zum für die Anordnung relevanten Zeitpunkt, nämlich dem des Verstoßes gegen die Verkehrsvorschrift, Halterin des betreffenden Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … Dies trug schon der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 11.01.2017 im Verfahren RN 5 K 16.1826 vor und ist im hiesigen Verfahren nicht bestritten.

2. Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang liegt vor. Der Verkehrsverstoß wäre nach § 49 Straßenverkehrsordnung (StVO), § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG), Nr. 11.3.7 Bußgeldkatalog, mit einer Geldbuße von 160 Euro und 2 Punkten im Fahreignungsregister, sowie einem Fahrverbot von einem Monat zu belegen. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage bereits dann angemessen, wenn der Verkehrsverstoß wenigstens mit einem Punkt bewertet wird (BVerwG, B.v. 9.9.1999 - 3 B 94/99 - BayVBl 2000, 380). Dann kann bereits bei einem einmaligen Verstoß eine Fahrtenbuchauflage angeordnet werden (BayVGH, B.v. 17.2.2010 - 11 CS 09.2977 - juris Rn. 17). Der vorliegende Verstoß liegt deutlich über dieser Grenze, zumal er mit 2 Punkten und einem Monat Fahrverbot zu belegen wäre und sich seit der Begründung dieser Rechtsprechung die Schwere eines Verkehrsverstoßes, für den 1 Punkt vergeben wird, noch erhöht hat.

3. Die Feststellung des Fahrzeugführers innerhalb der Verjährungsfrist war nicht möglich. Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Die Behörde hat in sachgemäßem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 - BayVBl 1983, 310; BVerwG, B.v. 21.10.1987 - 7 B 162/87; BayVGH, B.v. 25.1.2016 - 11 CS 15.2576 - juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 18.2.2016 - 11 BV 15.1164 - juris Rn. 17).

a) Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört zunächst eine umgehende Benachrichtigung des Halters vom Verkehrsverstoß, i.d.R. innerhalb von 2 Wochen. Vorliegend datiert das Anhörungsschreiben des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte zwar erst vom 27.04.2016, also ca. 2,5 Wochen nach der Verkehrsordnungswidrigkeit. Dabei ist das Zwei-Wochen-Kriterium aber kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal und auch keine starre Grenze (VG München, GB v. 19.7.2007 - M 23 K 07.2195 - juris Rn. 23). Es beruht vielmehr auf dem Erfahrungssatz, wonach Personen Vorgänge nur einen begrenzten Zeitraum erinnerbar oder noch rekonstruierbar sind. Die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist ist daher unschädlich in den Fällen, in denen wegen vom Regelfall abweichender Fallgestaltung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder die Überschreitung des Zeitrahmens nicht ursächlich gewesen sein konnte für die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers (VG München, GB v. 19.7.2007 - M 23 K 07.2195 - juris Rn. 23). Eine verzögerte Anhörung ist für die unterbliebene Feststellung des Fahrers etwa dann nicht ursächlich, wenn ein zur Identifizierung ausreichendes Fahrerfoto - wie hier durch Eröffnung einer online-Einsichtmöglichkeit - existiert, da eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeuglenkers anhand des Fotos keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen des Fahrzeughalters stellt (VGH Baden-Württemberg, NZV 1999, 224 und NZV 1999, 396; VG München, GB v. 19.7.2007 - M 23 K 07.2195 - juris Rn. 23). Das vorliegende Foto genügt, um eine der Klägerin bzw. den für sie handelnden natürlichen Personen bekannte Person zu identifizieren. Die Erfolglosigkeit beruht also nicht auf durch die etwas späte Anhörung begünstigten Erinnerungslücken.

b) Auch im Übrigen ist der ermittelnden Behörde kein Ermittlungsdefizit bei der Ermittlung des Fahrers vorzuwerfen. Die Klägerin hätte wenigstens den Kreis der möglichen Fahrer einschränken und bezeichnen müssen (OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 4.8.2015 - 7B 10540/15 - juris Rn. 13; BVerwG, B.v. 14.5.1997 - 3 B 28,97 - juris), zumal auch noch die beiden Vornamen A… und B… im Raum standen. Allein diese Unterlassung führt dazu, dass weitere Ermittlungen in der Regel nicht erforderlich sind und eine Fahrtenbuchauflage gerechtfertigt ist (BayVGH, B.v. 23.2.2015 - 11 CS 15.6 - juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 8.3.2013 - 11 CS 13.187 - juris Rn. 19; VG Neustadt, B. v. 5.11.2015 - 3 L 967/15.NW - juris Rn. 13) Ob dies nun als unkooperativ zu bezeichnen ist, oder nicht, ist für das Vorliegen der Voraussetzungen unerheblich. Daher kommt es auf ein angebotenes Zeugnis der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin nicht an.

Nachdem die Ermittlungsbemühungen der Behörde in der Sache ohne Erfolg waren, konnte die ermittelnde Behörde unter Berücksichtigung eines sachgemäßen und rationellen Einsatzes ihrer Mittel nach pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens auf weitere Ermittlungen verzichten. Entscheidend ist dabei allein, dass der Fahrzeugführer ohne vorwerfbares Ermittlungsdefizit der ermittelnden Behörde nicht ermittelt werden konnte. Auf ein Verschulden oder einen Pflichtverstoß des Fahrzeughalters kommt es dabei nicht an. Die Fahrtenbuchauflage soll nicht den Fahrzeughalter bestrafen, sondern sie hat vielmehr präventive Funktion. Mit ihr soll zum einen ermöglicht werden, dass künftig bei Verstößen eine Grundlage zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers vorliegt. Zum anderen sollen künftige Verkehrsverstöße durch die zu erwartende Selbstdisziplinierung von Fahrern unterbunden werden, denen durch das Fahrtenbuch deutlich gemacht wird, dass sie im Falle eines Verstoßes als Täter ermittelt und mit Sanktionen belegt werden können (VG Düsseldorf, U.v. 5.3.2015 - 6 K 7123/13 - juris Rn. 35; VG München, GB v. 19.7.2007 - M 23 K 07.2195 - juris Rn. 27).

c) Darüber hinaus kommt es auch nicht, wie von Klägerseite argumentiert, zu einer formellen Rechtswidrigkeit durch Anhörungsfehler oder Falschbezeichnung des Halters im Vorfeld des Bescheidserlasses. Durch die von dem Klägervertreter in seiner Argumentation übersehene erneute Anhörung der klagenden GmbH vom 19.05.2017 ist dieser Pflicht zweifelsohne nachgekommen worden. Außerdem spricht manches dafür, dass selbst die Anhörung des Geschäftsführers der GmbH statt der GmbH selbst das Anhörungserfordernis erfüllt hätte, da letztlich der gleichen natürlichen Person die Möglichkeit zur Stellungnahme zu bestimmten tatsächlichen Vorgängen gegeben wurde (jedenfalls zu diesem Ergebnis gelangend: BeckOK VwVfG/Herrmann VwVfG § 28 Rn. 14.1, beck-online). Auch eine Anhörung der GmbH als Zeugin begegnet wohl keinen durchgreifenden Zweifeln, da sich eine juristische Person, letztlich ein bloßes Gedankenkonstrukt, freilich natürlicher Personen zu ihrem Tätigwerden bedienen muss. Letzten Endes müssen diese Fragen dank der Nachholung der Anhörung nicht entschieden werden. Dass der Bescheid gegenüber dem richtigen Adressaten (hier: Fahrzeughalter) ergehen muss und nunmehr richtigerweise gegen die GmbH ergangen ist, wird demgegenüber freilich dadurch nicht in Zweifel gezogen. Schließlich soll mit der aus dem Bescheid erwachsenden Handlungspflicht, ein Fahrtenbuch zu führen, der Gefahr entgegengewirkt werden, dass auch künftige Fahrzeugführer, die von der Halterin das Fahrzeug oder ein an seine Stelle tretendes überlassen bekommen, nicht zu ermitteln wären. Wie im Verfahren RN 5 K 16.1826 festgestellt, würde die Auferlegung dieser Pflicht zulasten des Geschäftsführers dem nicht genügen, da ein Geschäftsführer aus der GmbH ausscheiden kann, die GmbH aber weiterhin Halterin bliebe.

d) Weiter ist die Anordnung der Fahrtenbuchauflage nicht wegen eines Ermessensfehlers zu beanstanden, soweit das Gericht dies innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO überprüfen kann. Insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, da der Anordnung ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht zugrunde liegt, der mit der Eintragung von 2 Punkten und einem Monat Fahrverbot sanktioniert werden würde. Auch die vorliegend angeordnete Dauer von sechs Monaten ist nicht unverhältnismäßig. Dies muss im Hinblick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck im Einzelfall beurteilt werden. Als Kriterium für die zeitliche Bemessung ist vor allem das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung heranzuziehen (BayVGH, B.v. 24.06.2013 - 11 CS 13.1079 - juris Rn. 14). Damit die Auflage die Verfolgung von zukünftigen Verkehrsverstößen ermöglichen und auch ihre Disziplinierungsfunktion erfüllen kann, muss sie auch zutreffend eine gewisse Dauer erreichen. Besondere Umstände, die vorliegend gegen eine Dauer von sechs Monaten sprechen, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.

Ziffern 2, 3 und 4 des angegriffenen Bescheids geben lediglich Vorschriften der StVZO wieder. Zuletzt bewegt sich auch die getroffene Kostenregelung in Ziffer 5 im unteren Rahmen, der sich aus §§ 1 bis 4 und Nr. 252 GebOStV, sodass keine Ansätze für rechtliche Bedenken hiergegen gesehen werden.

Die Klage war somit abzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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4.
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7a.
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11.
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13.
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14.
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15a.
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18.
die Benutzung von Autobahnen und Kraftfahrstraßen nach § 18 Absatz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 2 oder Absatz 6 bis 11,
19.
das Verhalten
a)
an Bahnübergängen nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3, Satz 2, Satz 3 oder Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 oder Absatz 3 bis 6 oder
b)
an und vor Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulbussen nach § 20,
20.
die Personenbeförderung nach § 21 Absatz 1 Satz 1 oder 4, Absatz 1a Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 Nummer 2, Absatz 2 Satz 1, 4 oder 6 oder Absatz 3 Satz 1 bis 3,
20a.
das Anlegen von Sicherheitsgurten, Rollstuhl-Rückhaltesystemen oder Rollstuhlnutzer-Rückhaltesystemen nach § 21a Absatz 1 Satz 1 oder das Tragen von Schutzhelmen nach § 21a Absatz 2 Satz 1,
21.
die Ladung nach § 22,
22.
sonstige Pflichten des Fahrzeugführers nach § 23 Absatz 1, Absatz 1a Satz 1, auch in Verbindung mit den Sätzen 2 bis 4, Absatz 1c, Absatz 2 erster Halbsatz, Absatz 3 oder Absatz 4 Satz 1,
23.
das Fahren mit Krankenfahrstühlen oder anderen als in § 24 Absatz 1 genannten Rollstühlen nach § 24 Absatz 2,
24.
das Verhalten
a)
als zu Fuß Gehender nach § 25 Absatz 1 bis 4,
b)
an Fußgängerüberwegen nach § 26 oder
c)
auf Brücken nach § 27 Absatz 6,
25.
den Umweltschutz nach § 30 Absatz 1 oder 2 oder das Sonn- und Feiertagsfahrverbot nach § 30 Absatz 3 Satz 1 oder 2 Nummer 7 Satz 2,
26.
das Sporttreiben oder Spielen nach § 31 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 3,
27.
das Bereiten, Beseitigen oder Kenntlichmachen von verkehrswidrigen Zuständen oder die wirksame Verkleidung gefährlicher Geräte nach § 32,
28.
Verkehrsbeeinträchtigungen nach § 33 Absatz 1 oder 2 oder
29.
das Verhalten nach einem Verkehrsunfall nach § 34 Absatz 1 Nummer 1, Nummer 2, Nummer 5 oder Nummer 6 Buchstabe b – sofern in diesem letzten Fall zwar eine nach den Umständen angemessene Frist gewartet, aber nicht Name und Anschrift am Unfallort hinterlassen wird – oder nach § 34 Absatz 3,
verstößt.

(2) Ordnungswidrig im Sinne des § 24 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes handelt auch, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
als Führer eines geschlossenen Verbandes entgegen § 27 Absatz 5 nicht dafür sorgt, dass die für geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt werden,
1a.
entgegen § 27 Absatz 2 einen geschlossenen Verband unterbricht,
2.
als Führer einer Kinder- oder Jugendgruppe entgegen § 27 Absatz 1 Satz 4 diese nicht den Gehweg benutzen lässt,
3.
als Tierhalter oder sonst für die Tiere Verantwortlicher einer Vorschrift nach § 28 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 2 zuwiderhandelt,
4.
als Reiter, Führer von Pferden, Treiber oder Führer von Vieh entgegen § 28 Absatz 2 einer für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregel oder Anordnung zuwiderhandelt,
5.
(weggefallen)
6.
entgegen § 29 Absatz 2 Satz 1 eine Veranstaltung durchführt oder als Veranstaltender entgegen § 29 Absatz 2 Satz 3 nicht dafür sorgt, dass die in Betracht kommenden Verkehrsvorschriften oder Auflagen befolgt werden, oder
7.
entgegen § 29 Absatz 3 ein dort genanntes Fahrzeug oder einen Zug führt.

(3) Ordnungswidrig im Sinne des § 24 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes handelt ferner, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
entgegen § 36 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4, oder entgegen § 36 Absatz 5 Satz 4 oder § 36a Satz 1 ein Zeichen, eine Weisung oder eine Anweisung nicht befolgt,
2.
einer Vorschrift des § 37 über das Verhalten an Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen oder beim Rechtsabbiegen mit Grünpfeil zuwiderhandelt,
3.
entgegen § 38 Absatz 1, 2 oder 3 Satz 3 blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn oder allein oder gelbes Blinklicht verwendet oder entgegen § 38 Absatz 1 Satz 2 nicht sofort freie Bahn schafft,
4.
entgegen § 41 Absatz 1 ein durch Vorschriftzeichen angeordnetes Ge- oder Verbot der Anlage 2 Spalte 3 nicht befolgt,
5.
entgegen § 42 Absatz 2 ein durch Richtzeichen angeordnetes Ge- oder Verbot der Anlage 3 Spalte 3 nicht befolgt,
6.
entgegen § 43 Absatz 3 Satz 2 eine abgesperrte Straßenfläche befährt oder
7.
einer den Verkehr verbietenden oder beschränkenden Anordnung, die nach § 45 Absatz 4 zweiter Halbsatz bekannt gegeben worden ist, zuwiderhandelt.

(4) Ordnungswidrig im Sinne des § 24 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes handelt schließlich, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
dem Verbot des § 35 Absatz 6 Satz 1, 2 oder 3 über die Reinigung von Gehwegen zuwiderhandelt,
1a.
entgegen § 35 Absatz 6 Satz 4 keine auffällige Warnkleidung trägt,
2.
entgegen § 35 Absatz 8 Sonderrechte ausübt, ohne die öffentliche Sicherheit und Ordnung gebührend zu berücksichtigen,
3.
entgegen § 45 Absatz 6 mit Arbeiten beginnt, ohne zuvor Anordnungen eingeholt zu haben, diese Anordnungen nicht befolgt oder Lichtzeichenanlagen nicht bedient,
4.
entgegen § 46 Absatz 3 Satz 1 eine vollziehbare Auflage der Ausnahmegenehmigung oder Erlaubnis nicht befolgt,
5.
entgegen § 46 Absatz 3 Satz 3, auch in Verbindung mit Satz 4, die Bescheide, Ausdrucke oder deren digitalisierte Form nicht mitführt oder auf Verlangen nicht aushändigt oder sichtbar macht,
6.
entgegen § 48 einer Vorladung zum Verkehrsunterricht nicht folgt oder
7.
entgegen § 50 auf der Insel Helgoland ein Kraftfahrzeug führt oder mit einem Fahrrad fährt.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Rechtsverordnung nach § 1j Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 6, § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a bis c oder d, Nummer 2, 3, 5, 6 Buchstabe a, Nummer 8 bis 16 oder 17, jeweils auch in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Nummer 1 bis 5 oder 7, nach § 6e Absatz 1 Nummer 1 bis 5 oder 7 oder nach § 6g Absatz 4 Satz 1 Nummer 3, 5, 7 oder 9 oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2
a)
Nummer 1 Buchstabe a bis e oder g,
b)
Nummer 1 Buchstabe f, Nummer 2 oder 3 Buchstabe b,
c)
Nummer 3 Buchstabe a oder c oder
d)
Nummer 4,
jeweils auch in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Nummer 1, 2, 3 Buchstabe a oder c, Nummer 4, 5 oder 7 oder einer vollziehbaren Anordnung auf Grund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, oder
2.
einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in Nummer 1
a)
Buchstabe a,
b)
Buchstabe b,
c)
Buchstabe c oder
d)
Buchstabe d
genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach Satz 2 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union erforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Tatbestände zu bezeichnen, die als Ordnungswidrigkeit nach Satz 1 Nummer 2 geahndet werden können.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen

1.
des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe d und Nummer 2 Buchstabe d mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro,
2.
des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c und Nummer 2 Buchstabe c mit einer Geldbuße bis zu dreihunderttausend Euro,
3.
des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2 Buchstabe a mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro,
4.
des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 Buchstabe b mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro,
5.
des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro
geahndet werden.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 Nummer 1 und 2 ist § 30 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten anzuwenden.

(5) Fahrzeuge, Fahrzeugteile und Ausrüstungen, auf die sich eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 10 oder eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 2 Satz 1 bezieht, können eingezogen werden.

(1) Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Absatz 1, die sie unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt, so kann ihr die Verwaltungsbehörde oder das Gericht in der Bußgeldentscheidung für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Wird gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen.

(2) Das Fahrverbot wird mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

(2a) Ist in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen die betroffene Person nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt, so bestimmt die Verwaltungsbehörde oder das Gericht abweichend von Absatz 2 Satz 1, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

(2b) Werden gegen die betroffene Person mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.

(3) In anderen als in Absatz 2 Satz 3 genannten ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt. Zu diesem Zweck kann der Führerschein beschlagnahmt werden.

(4) Wird der Führerschein in den Fällen des Absatzes 2 Satz 4 oder des Absatzes 3 Satz 2 bei der betroffenen Person nicht vorgefunden, so hat sie auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (§ 92 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Führerscheins abzugeben. § 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.

(6) Die Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozessordnung) wird auf das Fahrverbot angerechnet. Es kann jedoch angeordnet werden, dass die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten der betroffenen Person nach Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht gerechtfertigt ist. Der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozessordnung) gleich.

(7) Wird das Fahrverbot nach Absatz 1 im Strafverfahren angeordnet (§ 82 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten), so kann die Rückgabe eines in Verwahrung genommenen, sichergestellten oder beschlagnahmten Führerscheins aufgeschoben werden, wenn die betroffene Person nicht widerspricht. In diesem Fall ist die Zeit nach dem Urteil unverkürzt auf das Fahrverbot anzurechnen.

(8) Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Fahrverbots nach Absatz 2 oder 2a Satz 1 und über den Beginn der Verbotsfrist nach Absatz 5 Satz 1 ist die betroffene Person bei der Zustellung der Bußgeldentscheidung oder im Anschluss an deren Verkündung zu belehren.

(1) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes kommt die Anordnung eines Fahrverbots (§ 25 Absatz 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes) wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, wenn ein Tatbestand

1.
der Nummern 9.1 bis 9.3, der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs,
2.
der Nummern 12.6.3, 12.6.4, 12.6.5, 12.7.3, 12.7.4 oder 12.7.5 der Tabelle 2 des Anhangs,
3.
der Nummern 19.1.1, 19.1.2, 21.1, 21.2, 39.1, 41, 50, 50.1, 50.2, 50.3, 50a, 50a.1, 50a.2, 50a.3, 83.3, 89b.2, 132.1, 132.2, 132.3, 132.3.1, 132.3.2, 135, 135.1, 135.2, 152.1 oder
4.
der Nummern 244, 246.2, 246.3 oder 250a
des Bußgeldkatalogs verwirklicht wird. Wird in diesen Fällen ein Fahrverbot angeordnet, so ist in der Regel die dort bestimmte Dauer festzusetzen.

(2) Wird ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers zum ersten Mal angeordnet, so ist seine Dauer in der Regel auf einen Monat festzusetzen. Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht.

(3) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes ist ein Fahrverbot (§ 25 Absatz 1 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes) in der Regel mit der in den Nummern 241, 241.1, 241.2, 242, 242.1 und 242.2 des Bußgeldkatalogs vorgesehenen Dauer anzuordnen.

(4) Wird von der Anordnung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen, so soll das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden.

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.

(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist

1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder
2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
In einem Strafverfahren entnommene Blutproben und sonstige Körperzellen, deren Entnahme im Bußgeldverfahren nach Satz 1 zulässig gewesen wäre, dürfen verwendet werden. Die Verwendung von Blutproben und sonstigen Körperzellen zur Durchführung einer Untersuchung im Sinne des § 81e der Strafprozeßordnung ist unzulässig.

(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.

(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.

(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.

(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.

(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes L … vom 25.10.2016, 32-140/7/2 … 01/16 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Kosten abwenden, wenn er vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der vollstreckbaren Kosten leistet, es sei denn, der Kläger leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Tatbestand

Am 10.04.2016 wurde um 21.21 Uhr auf der BAB 19, P … Brücke (Baustelle) bei km 38,5 in Fahrtrichtung R … folgender Verkehrsverstoß mit dem PKW amtliches Kennzeichen …, der auf die Firma F … GmbH zugelassen ist, begangen:

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserhalb geschlossener Ortschaft um 48 km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (abzüglich Toleranz): 88 km/h, zulässige Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h. § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, § 49 StVO, § 24, § 25 StVG, 11.3.7 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV.

Die Ermittlungen hinsichtlich des Fahrzeugführers durch den Landkreis M … unter Mithilfe der Polizeiinspektion V … und der Polizeiinspektion W … waren erfolglos geblieben.

Als Halterin des Kfz eingetragen ist die Firma F … GmbH. Der Kläger als ihr Geschäftsführer machte im Rahmen des mit Schreiben des Landkreises M …Bl. 5 u. zu BA vom 27.04.2016 durchgeführten Anhörungs- und Ermittlungsverfahrens keine Angaben, die zur Feststellung des Fahrzeugführers hätten führen können. Er sandte auch den Anhörungsbogen nach Aktenlage nicht zurück. Ihm wurde im Rahmen der Anhörung die Möglichkeit gegeben, die Beweisfotos im Internet abzurufen, auf denen der Fahrer erkennbar dargestellt ist. Adressiert war dieses Schreiben an die Firma F … GmbH.

Der Kläger gab gegenüber der Polizeiinspektion V … an, das Kfz sei zur Tatzeit an Herrn H …, …, …, überlassen gewesen. Dieser gab an, zum Tatzeitpunkt seien zwei Leiharbeiter namens 1 … und 2 … bei der Firma beschäftigt gewesen und laut Lichtbild sei 2 … der Fahrer gewesen, mehr wisse er über die Beiden nicht. Nähere Informationen habe nur der Kläger. Der Kläger machte keine näheren Angaben bezüglich des Fahrzeugführers.

Auch an den Kläger persönlich wurde am 13.06.2016 ein Schreiben gerichtet, mit dem er zum Bußgeldverfahren hinsichtlich des Verkehrsverstoßes als möglicher Fahrzeugführer angehört wurde. Er erschien auf Vorladung der Polizeiinspektion V … zum 18.06.2016, sowie 19.06.2016 (lt. Mitteilung der Polizeiinspektion V …, Bl. 19 BA) unentschuldigt nicht. Das Ermittlungsverfahren gegen den Halter wurde nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Das Ordnungsamt des Landkreises M … teilte dem Landratsamt L … mit Schreiben vom 20.07.2016 den Verstoß mit. Es regte außerdem an, dem Halter - dort als der Kläger bezeichnet - eine Fahrtenbuchauflage aufzuerlegen.

Mit Schreiben vom 03.08.2016 hörte das Landratsamtes L … unter der Adresse der Firma F … GmbH, Herrn K … zu der beabsichtigten Fahrtenbuchauflage an. Der Kläger berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Per Fax ließ der Kläger am 12.08.2016 dem Landratsamt L … mitteilen, anwaltlich durch die Kanzlei … Rechtsanwälte vertreten zu werden. Die Bevollmächtigten rügten im Schriftsatz vom 29.8.2016, dass der Kläger erst nach 3 Wochen von der Polizei befragt worden sei. Das sei zu spät gewesen, um sich an konkrete Fahrten erinnern zu können.

Mit Bescheid vom 25.10.2016, adressiert an den Bevollmächtigten, erließ das Landratsamt L … gegen den Kläger eine Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, sowie für jedes an die Stelle dieses Fahrzeugs tretende Ersatzfahrzeug, für sechs Monate ab Rechtskraft des Bescheides.

Ziffer 2 legt fest, dass das Fahrtenbuch für jede einzelne Fahrt einen zuverlässigen Nachweis darüber erbringen muss, wer das Kraftfahrzeug geführt hat und folgende Angaben enthalten muss:

a) amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs

b) Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers,

c) Datum und Uhrzeit des Fahrbeginns und -endes.

In Ziffer 3 wird geregelt, dass die erforderlichen Eintragungen unverzüglich nach der Beendigung der Fahrt mit Unterschrift vorzunehmen sind, das Fahrtenbuch noch 6 Monat nach Ablauf der Zeit, für die es geführt wird, aufzubewahren ist und es dem Landratsamt L … sowie sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen ist.

Ziffer 4 regelt, dass das Fahrtenbuch durch einen Fahrtenschreiber ersetzbar ist, bei einem Wechsel des Fahrzeugführers aber zusätzliche Eintragungen notwendig sind.

Ziffer 5 bestimmt die Kostentragunspflicht des Klägers als Veranlasser und die Festsetzung einer Gebühr von 50,00 Euro, sowie Auslagen in Höhe von 3,20 Euro.

Das Landratsamt L … begründet den Bescheid im Wesentlichen mit der Unmöglichkeit der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am 10.04.2016. Der Bescheid führt außerdem aus, dass der Bescheid nicht ermessensfehlerhaft ergangen sei und die Grundsätze, die die Rechtsprechung hinsichtlich der Ausübung des behördlichen Ermessens entwickelt habe, eingehalten seien:

Es liege eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften vor, hinsichtlich derer der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden könne und der Kläger habe keine Angaben gemacht, die zu dessen Feststellung hätten führen können.

Ausserdem handle es sich nicht um einen geringfügigen Verstoß, wobei ein einmaliger Verstoß ausreiche, wenn er erheblich sei. Um einen solchen handle es sich im vorliegenden Sachverhalt, da eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h einen wesentlichen Verkehrsverstoß darstelle, der sich verkehrsgefährdend auswirken könne. Bereits ein einmaliger Verstoß, der mit einem Punkt zu bewerten ist, rechtfertige die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Der vorliegende Verstoß sei mit einer Geldbuße von 160 Euro und 2 Punkten, sowie einem Fahrverbot von einem Monat zu bewerten.

Die nachträgliche Feststellung des Fahrzeugführers sei ausserdem unmöglich. Die Behörde sei nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage gewesen, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe. Dabei sei entscheidend, ob die Behörde in sachgerechtem und rationalem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen habe, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang können sich dabei an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Weitere Ermittlungen seien dann nicht angezeigt, wenn dieser jede Aufklärung darüber ablehne, wer das Kfz zum maßgeblichen Zeitpunkt geführt habe oder mangels geeigneter Vorsorgemaßnahmen keine Angaben darüber machen könne. Im vorliegenden Fall seien weitere Ermittlungen nicht angezeigt gewesen, da der Kläger keine für die Aufklärung hilfreichen Angaben gemacht habe und er sich äußerst unkooperativ gezeigt habe. Die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung beruhe daher nicht auf unzureichender oder verzögerter Ermittlungstätigkeit der Polizei oder des Landratsamtes.

Die Fahrtenbuchauflage sei auch zulässig, wenn der Betroffene im Ordnungswidrigkeitenverfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid des Landratsamtes L … vom 25.10.2016, 32-140/7/2 … 01/16 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger meint, der streitgegenständliche Bescheid hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage sei an den falschen Adressaten gerichtet und daher rechtswidrig. Gemäß § 31a StVZO könne die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Adressat der Anordnung sei gemäß § 31a StVZO der Halter des Fahrzeugs, es gelte dort der Halterbegriff des § 7 StVG. Halter im Sinne von § 31a StVZO sei unabhängig von der Eigentümerstellung und der Nutzungsinhaberschaft derjenige, der ein Kfz für eigene Rechnung in Gebrauch hat, also Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten für die Unterhaltung und den laufenden Betrieb trägt.

Der Kläger als Adressat des Bescheids des Landratsamtes L … sei gerade nicht der Halter des Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen … Halter des Kfz sei zur relevanten Tatzeit, am 10.04.2016, 21:21 Uhr die Firma F … GmbH gewesen. Davon sei der Landkreis M … in seinem Schreiben vom 27.04.2016 selbst ausgegangen.

Der Kläger sei daher falscher Adressat des Bescheids. Eine Verwechslung könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 a StVZO seien daher dem Kläger gegenüber nicht erfüllt und der Bescheid materiell rechtswidrig. Auch die Kostenentscheidung, die der Bescheid enthält, sei daher fehlerhaft und hätte dem Kläger gegenüber nicht ergehen dürfen. Der bezahlte Betrag sei zurückzuerstatten.

Der Beklagte meint, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 a StVZO seien erfüllt:

Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die bei der Ausfüllung des verwaltungsbehördlichen Ermessensspielraums beim Vollzug der Norm zu beachten sind, seien beachtet worden. Äußerungen, die zur Ermittlung des veranwortlichen Fahrzeugführers hätten führen können, seien nicht gemacht worden. Mit dem Fahrzeug des Klägers sei ausserdem eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden.

Es handle sich des Weiteren um einen einmaligen aber erheblichen Verkehrsverstoß. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h könne nicht mehr als unerheblich und geringfügig angesehen werden und stelle einen wesentlichen Verkehrsverstoß dar, der sich verkehrsgefährdend auswirken könne und deshalb die Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs rechtfertige.

Ein geringfügiger Verstoß könne nur angenommen werden, wenn er nicht mit Punkten bewertet sei.

Die Formulierung „kann“ bedeute, dass eine abstrakte Gefährdung ausreiche.

Es seien auch unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Befragungen keine zeitraubenden weiteren Ermittlungen zu betreiben, die kaum Aussicht auf Erfolg bieten.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klage des Klägers gegen die Fahrtenbuchauflage des Landratsamtes L … vom 25.10.2016 ist zulässig.

2. Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid des Landratsamtes L … vom 25.10.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Nach § 31 a Abs. 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Der Kläger ist aber nicht Halter des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen …, sondern Halter dieses Kraftfahrzeuges ist die F … GmbH. Der streitgegenständliche Bescheid richtet sich aber eindeutig an den Kläger und nicht an die F … GmbH. Die Fahrtenbuchauflage richtet sich somit gegen den falschen Adressaten. Adressat eines Verwaltungsaktes ist grundsätzlich derjenige, der von der Regelung des Verwaltungsaktes materiell betroffen, aus diesem also berechtigt oder verpflichtet sein soll, vgl. Art. 37 BayVwVfG, § 157 Abs. 1 2 AO.

Wer in Anspruch genommen wird, ergibt sich durch Auslegung des Bescheids im Zusammenhang mit den Gründen. Wer tatsächlich in Anspruch zu nehmen ist, bestimmt das Fachrecht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 37 Rn. 16).

Aus der Fahrtenbuchauflage des Landratsamtes L … ergibt sich, dass nach dem Willen der Behörde der Kläger selbst zum Führen eines Fahrtenbuchs verpflichtet werden soll.

Eine Gesamtschau der Umstände, insbesondere die Begründung des Verwaltungsaktes ergibt nichts anderes: Das Landratsamt wollte den Bescheid gegen den Kläger persönlich erlassen. Dies bestätigt auch die Erwiderung der Behörde, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH und als natürliche Person dafür verantwortlich sei, das Fahrtenbuch zu führen und der Bescheid deshalb an ihn zu richten war. Er ist nach dem Willen der Behörde nicht nur Bekanntgabeadressat hinsichtlich eines Verwaltungsaktes gegen die GmbH, sondern Inhaltsadressat. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31a StVZO sind allerdings gegenüber dem Kläger nicht erfüllt. Er war zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht Halter des Kfz. Dies war die F … GmbH. Die juristische Person ist selbst Träger von Rechten und Pflichten, vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG. Ein Durchgriff auf die Geschäftsführung oder die Gesellschafter verbietet sich daher im Grundsatz (vgl. VG Magdeburg, NJW. 2001, 2418, 2419).

Auch der Umstand, dass der Kläger Alleingesellschafter der GmbH ist, ändert daran nichts. Sonst müsste der Kläger etwa bei einem Ausscheiden aus der GmbH die streitgegenständliche Fahrtenbuchauflage selbst erfüllen, obwohl Halter des Kfz die GmbH ist. Bei juristischen Personen, wie einer GmbH gilt das Prinzip der Fremdorganschaft, bei dem die Geschäftsführung und Vertretung von den Mitgliedern losgelöst ist und besonderen Organen übertragen wird.

Dem Landratsamt L … ist beizupflichten, soweit vorgebracht wird, der Kläger sei als Geschäftsführer für die Führung des Fahrtenbuchs verantwortlich. Dennoch ist die Auflage gegen die juristische Person selbst zu richten, da nur diese Halterin im Sinne des § 31 a StVZO ist. Als Geschäftsführer hat der Kläger dann die Verpflichtung der GmbH umzusetzen. In der StVZO findet sich gerade keine Regelung wie in der GewO, vgl. dort § 35 Abs. 7a GewO, die es erlaubt, den Verwaltungsakt an den Vertretungsberechtigten selbst zu richten. Auch aus dem tatsächlichen Vortrag des Beklagten ergeben sich keine Umstände, die für eine Haltereigenschaft des Klägers trotz Eintragung der F … GmbH als Halterin sprechen. Der Beklagte trägt vielmehr vor, dass ihm bekannt sei, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht Halter des Kfz war.

Auch hinsichtlich der Kostenentscheidung erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt als rechtswidrig.

Deshalb ist der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Bescheid war deshalb gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben.

Nach § 154 Abs. 1 VwGO hat der Beklagte als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

(2) Der Fahrzeughalter oder sein Beauftragter hat in dem Fahrtenbuch für ein bestimmtes Fahrzeug und für jede einzelne Fahrt

1.
vor deren Beginn
a)
Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers,
b)
amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs,
c)
Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt und
2.
nach deren Beendigung unverzüglich Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen.

(3) Der Fahrzeughalter hat

a)
der das Fahrtenbuch anordnenden oder der von ihr bestimmten Stelle oder
b)
sonst zuständigen Personen
das Fahrtenbuch auf Verlangen jederzeit an dem von der anordnenden Stelle festgelegten Ort zur Prüfung auszuhändigen und es sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, aufzubewahren.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.200 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs für das auf ihren Namen zugelassene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M-...

Bei einer Geschwindigkeitsmessung am 6. April 2015 um 8.46 Uhr stellte die Polizei fest, dass mit dem Fahrzeug der Antragstellerin die zulässige Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft von 80 km/h um 23 km/h überschritten wurde.

Mit Schreiben vom 24. April 2015 hörte das Bayerische Polizeiverwaltungsamt die Antragstellerin unter Beifügung des beim Verstoß aufgenommenen Frontfotos, das einen Mann zeigte, als Zeugin an. Sie wurde gebeten, innerhalb einer Woche ab Zugang die Personalien des Verantwortlichen mitzuteilen. Hierzu sei sie nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO verpflichtet. Des Weiteren wurde ausgeführt, der Halterin oder dem Halter des Kraftfahrzeugs könne die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden, wenn nicht festgestellt werden könne, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt habe. Der Zeugenfragebogen kam nicht in Rücklauf.

Die mit den örtlichen Ermittlungen beauftragte Polizeiinspektion nahm am 19. Mai 2015 Kontakt mit der Antragstellerin auf. Nach Vorlage der Lichtbilder erklärte der Fuhrparkverantwortliche der Firma, dass es sich bei dem Fahrzeugführer um den ihm namentlich nicht bekannten Freund der Geschäftsführerin der Antragstellerin handle. Diese berief sich bei der Befragung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht. Nach Hinweis, dass das Zeugnisverweigerungsrecht für einen Freund nicht geltend gemacht werden könne, erklärte sie, dass sie den Fahrer „dann nicht kenne“. Die Polizeiinspektion teilte dies dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt mit Schreiben vom 1. Juni 2015 mit und wies auf eine weitere offene Fahrerermittlung mit dem Fahrzeug der Antragstellerin hin. Nach Lichtbildvergleich dürfte es sich um denselben Fahrer handeln.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2015 stellte das Bayerische Polizeiverwaltungsamt beim Amtsgericht München Antrag auf richterliche Vernehmung der Geschäftsführerin der Antragstellerin. Diese wurde mit Schreiben des Amtsgerichts München vom 24. Juni 2015 für den 2. Juli 2015 als Zeugin zur Vernehmung geladen. Laut Postzustellungsurkunde ging ihr diese Vorladung erst am 6. Juli 2015 zu. Das Ermittlungsverfahren wurde daraufhin eingestellt.

Nach Anhörung verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 21. September 2015 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, bis 31. März 2016 ein Fahrtenbuch für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M-... zu führen (Nr. 1 des Bescheids), dieses innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, zur Prüfung vorzulegen (Nr. 4) und drohte ihr für den Fall der Nichtbefolgung der Verpflichtung unter Nr. 4 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 255 Euro an (Nr. 6 des Bescheids). Die Polizei müsse regelmäßig nur angemessene Ermittlungen nach dem Fahrer anstellen. Eine richterliche Vernehmung sprenge im Regelfall den Rahmen angemessener Ermittlungen. Bei entsprechender Mitwirkungsbereitschaft hätte die Geschäftsführerin der Antragstellerin den Fahrzeugführer auch schon bei der polizeilichen Vorsprache benennen können.

Die Antragstellerin erhob Klage gegen den Bescheid beim Verwaltungsgericht München, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Den Antrag, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids wiederherzustellen und hinsichtlich Nr. 6 des Bescheids anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. November 2015 ab.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der die Antragsgegnerin entgegentritt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.

Es kann offenbleiben, ob das Beschwerdevorbringen insgesamt nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, wie die Antragsgegnerin meint. Soweit in der Beschwerde jedoch auf das Antragsvorbringen vor dem Verwaltungsgericht verwiesen wird, sind Gründe nicht im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dargelegt; das Antragsvorbringen kann insoweit im Rahmen der Beschwerde nicht berücksichtigt werden. Das in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO normierte Darlegungsgebot dient dem Zweck, die Oberverwaltungsgerichte durch ein strukturiertes, auf den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts aufbauendes Beschwerdevorbringen zu entlasten und so eine beschleunigte Abwicklung einstweiliger Rechtsschutzverfahren zu ermöglichen (vgl. OVG Hamburg, B. v. 2.10.2002 - 4 Bs 257/02 - NVwZ 2003, 1529). Diese Intention des Gesetzgebers liefe leer, würde es zur Wahrung des Begründungserfordernisses ausreichen, Vorbringen aus dem ersten Rechtszug oder aus dem verwaltungsbehördlichen Verfahren schlicht zu wiederholen oder hierauf sogar nur zu verweisen. Auch von der Sache her kann die in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderte „Auseinandersetzung“ mit der angefochtenen Entscheidung nicht in der Weise stattfinden, dass eine Argumentation unverändert übernommen wird, die noch vor dem Erlass des angegriffenen Beschlusses - und damit notwendig in Unkenntnis seiner Begründung - vorgetragen wurde (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 22).

Zur Begründung der Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, das Verwaltungsgericht begründe seine ablehnende Entscheidung damit, dass bereits die seitens der Behörden ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen vor der Vorladung der Geschäftsführerin der Antragstellerin ausreichend gewesen seien und es damit der Vorladung zum Ermittlungsrichter gar nicht mehr bedurft hätte. Dies sei eine schlichtweg falsche, rein ergebnisorientierte Scheinargumentation. Nach dem gesetzlichen Normzweck müssten denklogisch objektiv geeignete Ermittlungsmaßnahmen zur Aufklärung ergriffen werden. Das schlichte Versenden eines Zeugenfragebogens, dessen Zugang nicht einmal dokumentiert sei, und die schlichte Vorsprache eines Polizeibeamten bei einem vermeintlichen Zeugen an dessen Arbeitsplatz könnten niemals objektiv geeignete Ermittlungsmaßnahmen darstellen, da ein vermeintlicher Zeuge weder einer polizeilichen Vorladung Folge leisten, geschweige denn Angaben bei einem polizeilichen Besuch in seiner Wohnung oder am Arbeitsplatz machen müsse. Wenn daher eine solche Verpflichtung von Gesetzes wegen nicht bestehe, könne eine solche Ermittlungsmaßnahme objektiv niemals geeignet und damit auch niemals ausreichend sein. Die einzig objektiv ausreichende Maßnahme sei die Vorladung der Zeugin beim Ermittlungsrichter gewesen, was die Behörde auch gewusst habe, sonst hätte sie diese Maßnahme nicht verfügt. Dass die Vorladung der Zeugin unverschuldet verspätet zugegangen sei, könne nicht zulasten der Antragstellerin gehen.

Diese Gründe rechtfertigen keine Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Ermittlung des verantwortlichen Fahrers nicht möglich war. Nach § 31a Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2014 (BGBI I S. 2010), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Die Behörde hat in sachgemäßem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. etwa BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 - BayVBl 1983, 310; B. v. 21.10.1987 - 7 B 162/87 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 18; B. v. 23.12.1996 - 11 B 84/96 - juris; BayVGH, B. v. 23.2.2015 - 11 CS 15.6 - juris). Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (BVerwG, U. v. 17.12.1982 a. a. O.).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend und rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung getroffen wurden.

Dass die Befragung eines Zeugen durch die Verfolgungsbehörde (hier das Bayerische Polizeiverwaltungsamt, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ordnungswidrigkeitenrecht - ZuVOWiG) oder die Polizei nicht geeignet sei, einen Sachverhalt aufzuklären, ist schlichtweg abwegig. Vielmehr ist das der normale und vorrangig gebotene Weg, sachgerechte oder zumindest weiterführende Informationen zur Aufklärung eines Sachverhalts zu erhalten, wenn Anlass zu der Annahme besteht, der Zeuge könne etwas zur Sachverhaltsaufklärung beitragen. Die Zeugenaussage ist in der Ermittlungsarbeit das wichtigste und häufigste Beweismittel. Der Zeuge ist grundsätzlich auch im Ordnungswidrigkeitsverfahren zum Zeugnis verpflichtet (§ 46 Abs. 2 OWiG, § 48 Abs. 1, § 161a Abs. 1 StPO). Dass der Zeuge nicht zum Erscheinen vor der Polizei und auch nicht zur Aussage vor dieser gezwungen werden kann, macht das Beweismittel der Zeugenbefragung oder -einvernahme durch die Polizei nicht ungeeignet. Es gibt keinen Grund anzunehmen, ein Zeuge könne nur deswegen Angaben zur Sache verweigern, weil er nur vor der Verfolgungsbehörde, die insoweit an die Stelle der Staatsanwaltschaft tritt (vgl. § 46 Abs. 2 OWiG, § 161a Abs. 1 StPO), auf Ladung erscheinen und aussagen muss und nur vom Ermittlungsrichter zur Aussage gezwungen werden kann (§ 46 Abs. 5 OWiG). Ein Zeuge hat in der Regel keinen Grund, die Mitwirkung an der Aufklärung eines Sachverhalts, etwa einer Straftat oder - wie hier - einer Ordnungswidrigkeit zu verweigern. Erst recht gilt das angesichts der Möglichkeit einer Ladung vor den Ermittlungsrichter. Warum ein Zeuge, der kein eigenes Interesse am Ausgang eines Ermittlungsverfahrens hat, sich und den beteiligten Dienststellen einen derartigen Aufwand verursachen sollte, ist unerfindlich. Gerade ein Fahrzeughalter, der als Zeuge gehört wird, wer das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit gefahren hat, hat ein Eigeninteresse daran, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, weil gegen ihn, wenn die Ermittlung des verantwortlichen Fahrers nicht möglich ist, eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden kann.

Der Senat folgt der Ansicht von Verwaltungsgericht und Antragsgegnerin, dass weitere Ermittlungen der zuständigen Behörde nicht mehr zumutbar und angemessen gewesen sind, als die Geschäftsführerin der Antragstellerin gegenüber der Polizei erklärte, dass sie ihn (den Fahrzeugführer) „dann nicht kenne“. Angesichts der Aussage des Fuhrparkverwalters der Antragstellerin und der Reaktion der Geschäftsführerin, ist es offensichtlich, dass diese den Fahrzeugführer mit Namen kannte. Die Geschäftsführerin der Antragstellerin hätte jedenfalls den Fahrer nach Einsicht in die Firmenunterlagen nennen können. Denn es handelt sich bei dem Tatfahrzeug um einen Firmenwagen; bei diesen entspricht es kaufmännischen Gepflogenheiten und handels- und steuerrechtlichen Verpflichtungen, zu dokumentieren, wer den Firmenwagen jeweils fährt. Weitere Hinweise über die Identität des Fahrers lagen der Polizei nicht vor.

Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Antragsgegnerin, dass es im vorliegenden Fall des weiteren Ermittlungsversuchs durch die Vorladung der Geschäftsführerin der Antragstellerin vor den Ermittlungsrichter nicht bedurft hätte. Das ist regelmäßig kein geschuldeter Aufwand zur Ermittlung eines Fahrzeugführers, der eine Ordnungswidrigkeit der hier vorliegenden Art begangen hat. Die Geschwindigkeitsüberschreitung um 23 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft ist nach dem Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße von 70 Euro (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Bußgeldkatalog-Verordnung - BKatV - i. V. m. Nr. 11.3.4 Tabelle 1 Buchst. c des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur BKatV) und einem Punkt im Fahreignungsregister zu ahnden (Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr - FeV). Zeugen, die zur Aufklärung einer solchen Ordnungswidrigkeit beitragen könnten, regelmäßig vor den Ermittlungsrichter zu laden, würde einen Aufwand verursachen, der weder der Tat noch der Buße gerecht werden würde. Zeugen erhalten eine Entschädigung für den ihnen abverlangten Aufwand für das Erscheinen vor dem Gericht (Fahrtaufwand, Verdienstentschädigung u. a., vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 OWiG, § 71 StPO, § 19 JVEG). Hinzu kommt der Aufwand für das Gericht selbst. Ein solcher Mitteleinsatz wäre angesichts der zu erwartenden Geldbuße nicht mehr rationell. Abgesehen davon wäre eine solche Ermittlungsmaßnahme aufgrund der Arbeitsbelastung der Justiz mit der Aufklärung von Straftaten in der Regel schon in zeitlicher Hinsicht bei einer Ordnungswidrigkeit, die bereits drei Monate nach Begehen der Tat verjährt (§ 26 Abs. 3, § 24 StVG), nicht erfolgversprechend. Die vorliegende Tat weist keine Besonderheiten auf, nach denen ausnahmsweise eine richterliche Vernehmung der Geschäftsführerin der Antragstellerin erforderlich und angemessen gewesen wäre.

Es steht der ermittelnden Behörde natürlich frei, zusätzliche (überobligatorische) Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen, um Ermittlungserfolge zu erzielen und ggf. auch auf das rechtstreue Verhalten von Zeugen durch eine richterliche Vernehmung hinzuwirken. Hier wurde die richterliche Vernehmung der Zeugin offenbar deshalb angeordnet, weil die Polizei in ihrem Schreiben vom 1. Juni 2015 auf eine weitere offene Fahrerermittlung mit dem Fahrzeug der Antragstellerin hingewiesen hatte und es sich nach einem Lichtbildvergleich um denselben Fahrer gehandelt haben dürfte. Der Antrag auf richterliche Zeugenvernehmung diente daher wohl der Aufklärung beider Ordnungswidrigkeiten.

Die (überobligatorische) Ermittlungsmaßnahme war jedenfalls nicht erfolgreich. Auch eine Ermittlungsmaßnahme, die fehlschlägt, und wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht wiederholt werden kann, führt dazu, dass die Ermittlung des Täters nicht (mehr) möglich ist.

Es kann offen bleiben, welche Konsequenzen aus überobligatorischen Ermittlungsmaßnahmen im Hinblick auf die Feststellung, dass die Ermittlung des Fahrzeugführers nicht möglich ist, zu ziehen sind, wenn die Ermittlungsmaßnahmen von der Verfolgungsbehörde fehlerhaft durchgeführt worden sind, bei ordnungsgemäßer Durchführung aber erfolgversprechend gewesen wären. Denn die Verfolgungsbehörde hat hier ordnungsgemäß gehandelt. Nachdem die Geschäftsführerin der Antragstellerin die Zeugenaussage vor der Polizei verweigert bzw. eine falsche Aussage gemacht hatte, hat sie angesichts der Tatsache, dass eine Aussage vor der Verfolgungsbehörde nicht erzwungen werden kann, eine Durchsuchung der Geschäftsräume der Antragstellerin oder eine Überwachung ihrer Geschäftsführerin wohl unverhältnismäßig, jedenfalls aber nicht im geschilderten Sinn erforderlich gewesen wären, das einzig noch erfolgversprechende Mittel gewählt, nämlich die Vernehmung durch den Ermittlungsrichter. Der Bericht der Polizei über die Ermittlungsversuche ging am 9. Juni 2015 bei der Verfolgungsbehörde ein. Bereits mit Schreiben vom 10. Juni 2015 richtete diese das Vernehmungsersuchen an das Amtsgericht München.

Es kann offen bleiben, welche Ursache dem Fehlschlagen des Ermittlungsversuchs durch den Ermittlungsrichter am Amtsgericht München zugrunde lag. Auch kommt es nicht darauf an, ob sich die zuständige Behörde ein etwaiges fehlerhaftes Handeln des Ermittlungsrichters zurechnen lassen müsste. Denn ein solches ist nicht ersichtlich. Der Ermittlungsrichter hat die Ladung zur Vernehmung der Geschäftsführerin der Antragstellerin bereits am 24. Juni 2015 gefertigt und den Termin für den 2. Juli 2015 angesetzt. Selbst wenn das auf Mittwoch, den 24. Juni 2015 datierte Schreiben erst am Freitag, den 26. Juni 2015 zur Post gegeben worden wäre, wäre davon auszugehen gewesen, dass es die Zeugin noch rechtzeitig erreicht hätte. Vieles spricht dafür, dass die Ladung aufgrund des (auch von der Antragstellerin angesprochenen) vierwöchigen Poststreiks, der in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 2015 endete, zu spät bei der Zeugin ankam.

Anhaltspunkte dafür, dass die zu späte Zustellung im Verantwortungsbereich des Amtsgerichts München gelegen hätte, sind jedenfalls nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Wie oben ausgeführt ist die Vernehmung von Zeugen durch den Ermittlungsrichter bei Ordnungswidrigkeiten, die drei Monate nach der Tat verjähren, schon in zeitlicher Hinsicht häufig nicht erfolgversprechend, zumal kein Grund besteht, die Vernehmung einer Zeugin in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren anderen Ermittlungstätigkeiten etwa zur Verfolgung von Straftaten vorzuziehen.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 11 BV 15.1164

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 18. Februar 2016

(VG Bayreuth, Entscheidung vom 20. April 2015, Az.: B 1 K 14.624)

11. Senat

Sachgebietsschlüssel: 550

Hauptpunkte:

Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs

Versand und Zugang des Anhörungsschreibens im Ordnungswidrigkeitsverfahren an den Fahrzeughalter

überobligatorische Ermittlungsmaßnahmen

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch: Landesanwaltschaft ...

- Beklagter -

wegen Führung eines Fahrtenbuchs;

hier: Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 20. April 2015,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 11. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Borgmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Stadlöder, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Geist ohne mündliche Verhandlung am 18. Februar 2016 folgendes Urteil:

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs.

Am 22. Januar 2014 überschritt ein unbekannter Fahrer mit dem auf die Klägerin unter dem amtlichen Kennzeichen BT-... zugelassenen Fahrzeug in Chemnitz die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften nach Toleranzabzug um 23 km/h. Die Akten der Stadt Chemnitz enthalten ein Anhörungsschreiben an die Klägerin vom 4. Februar 2014 mit Zeugenfragebogen und dem an der Messstelle gefertigten Frontfoto, auf dem ein männlicher Fahrer zu erkennen ist, mit der Bitte um Rücksendung innerhalb einer Woche, sowie ein Erinnerungsschreiben vom 7. März 2014 mit der Bitte um Benennung des Fahrzeugführers innerhalb einer Woche und dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Fahrtenbuchauflage. In den Akten befinden sich weder Postauslaufvermerke noch Zustellnachweise zu diesen Schreiben. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. März 2014 bat die Stadt Chemnitz die Verwaltungsgemeinschaft Weidenberg um Angaben zu den Familienangehörigen der Klägerin. Ein von dort an die Stadt Chemnitz übermitteltes Foto des Ehemanns der Klägerin ist in den Akten mit der handschriftlichen Bemerkung versehen: „scheidet aus - zu alt“.

Nach einem Aktenvermerk der um weitere Ermittlungen gebetenen Polizeiinspektion Bayreuth-Land sprach der Sohn der Klägerin am 4. April 2014 dort vor. Er scheide aufgrund seines Erscheinungsbilds als Fahrer aus. Nach Vorlage des Lichtbilds habe er angegeben, den Fahrer des Fahrzeugs nicht zu kennen. Der Beifahrer sei jedoch ein Freund von ihm namens C. Mit per Fax vorab versandtem Schreiben vom 9. April 2014 bat die Polizeiinspektion Bayreuth-Land das Polizeirevier Mittweida unter Hinweis auf die drohende Verjährung um Durchführung weiterer Ermittlungen. Der Ehemann der Klägerin habe am 28. März 2014 auf telefonische Nachfrage angegeben, sie könnten zu der Geschwindigkeitsüberschreitung nichts sagen, da das Fahrzeug hauptsächlich durch den Sohn genutzt werde, der in Mittweida studiere. Dem Schreiben der Polizeiinspektion Bayreuth-Land zufolge studiere der Beifahrer C. ebenfalls in Mittweida, scheide aber nach einem Bildabgleich als Fahrer aus. Er habe an seinem Hauptwohnsitz in Bayreuth bislang nicht angetroffen werden können. Deshalb werde um Ermittlungen im Umfeld des Sohns der Klägerin und „insbesondere um Befragung des benannten Beifahrers“ gebeten, dessen Adresse in Mittweida dem Schreiben beigefügt war.

Mit Schreiben vom 29. April 2014 sandte die Polizeidirektion Chemnitz/Polizeirevier Mittweida den Vorgang an die Stadt Chemnitz zurück. Der Fahrer habe in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden können.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2014 hörte das Landratsamt Bayreuth die Klägerin auf Ersuchen der Stadt Chemnitz zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs an. Hierzu ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten erklären, die Schreiben der Stadt Chemnitz vom 4. Februar 2014 und vom 7. März 2014 niemals erhalten zu haben. Es sei nicht der Klägerin, sondern der verzögerten Bearbeitung durch die Stadt Chemnitz anzulasten, dass der Fahrer trotz der rechtzeitigen Angabe der Anschriften des Beifahrers durch ihren Sohn nicht habe ermittelt werden können.

Mit Bescheid vom 7. August 2014 verpflichtete das Landratsamt Bayreuth die Klägerin unter Anordnung des Sofortvollzugs zur Führung eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug BT-... und zukünftig zugelassene Folge- bzw. Ersatzfahrzeuge für die Dauer von sechs Monaten und zu dessen monatlicher Vorlage.

Mit Beschluss vom 29. September 2014 stellte das Verwaltungsgericht Bayreuth auf Antrag der Klägerin die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Fahrtenbuchauflage wieder her und ordnete diese gegen die im Bescheid verfügten Zwangsgeldandrohungen an. Mit Gerichtsbescheid vom 20. April 2015 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 7. August 2014 auf. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin vor dem Eintritt der Verfolgungsverjährung nachweislich überhaupt in eigener Person über die Verkehrsordnungswidrigkeit benachrichtigt und um Benennung des Fahrzeugführers gebeten worden sei. Auch wenn ihre Anschrift auf den Schreiben der Stadt Chemnitz zutreffend angegeben sei, folge daraus nicht zwingend, dass der Zeugenfragebogen und die nachfolgende Erinnerung sie tatsächlich erreicht hätten. Die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sei vorliegend weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die materielle Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Anhörung liege ungeachtet des Umstands, dass die Stadt Chemnitz nicht verpflichtet gewesen sei, den Anhörungsbogen förmlich zuzustellen, beim Beklagten. Mache die Behörde von ihrem Recht auf formlose Anhörung Gebrauch, könne dies nicht zur Folge haben, dass dann der Adressat der Anhörung beweisen müsse, das Schreiben nicht erhalten zu haben. Die Klägerin sei auch nicht telefonisch oder persönlich befragt worden. Daher sei zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass sie zu keinem Zeitpunkt vor dem Eintritt der Verfolgungsverjährung schriftlich über die Verkehrsordnungswidrigkeit informiert worden sei, weshalb auch ihre Obliegenheit, bei der Ermittlung des Fahrers mitzuwirken, nicht zum Zuge komme.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung führt der Beklagte aus, die Stadt Chemnitz habe alle nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung ergriffen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin zumindest eines der beiden an sie versandten Schreiben der Stadt Chemnitz vom 4. Februar 2014 und 7. März 2014 erhalten habe. Die Befragung mit einfachem Brief sei bei Massenverfahren im Zusammenhang mit Verkehrsordnungswidrigkeiten jedenfalls dann ausreichend, wenn - wie hier - diesbezüglich zwei Schreiben versandt würden. Beide Schreiben seien korrekt adressiert worden und nicht in Rücklauf gelangt. Hinsichtlich des Zugangs komme es auch auf die Glaubwürdigkeit des Bestreitens an. Aus dem Abgabeschreiben der Polizeiinspektion Bayreuth-Land vom 9. April 2014 gehe hervor, dass der zuvor telefonisch kontaktierte Ehemann der Klägerin von der Verkehrszuwiderhandlung keineswegs überrascht gewesen sei. Auch seine dort wiedergegebene Aussage, wonach „sie“ zur Geschwindigkeitsüberschreitung „nichts sagen könnten“, spreche für eine vorausgegangene Informiertheit der Klägerin und sei ein weiteres Indiz für den Zugang wenigstens eines der Anhörungsschreiben. Die Klägerin habe durch ihre unterbliebene Reaktion auf die Schreiben der Stadt Chemnitz eine Mitwirkung an der Aufklärung erkennbar abgelehnt. Im Übrigen sei ein etwaiger Nichtzugang der Schreiben nicht kausal für die Nichtermittelbarkeit des Fahrers, da hauptsächlich der Sohn der Klägerin das Fahrzeug an seinem Studienort nutze. Es könne als ausgeschlossen angesehen werden, dass die Klägerin den Fahrer gekannt habe bzw. anhand des Frontfotos hätte identifizieren können. Ihre Befragung hätte somit nicht zu dessen Ermittlung geführt.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 20. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin sei für den Nichtzugang der Schreiben nicht beweispflichtig. Deren ordnungsgemäße Adressierung und Versendung könne keineswegs als gesichert gelten, zumal die Stadt Chemnitz auch die zuständigen Polizeibehörden verwechselt und die Verfahrensakte an die Polizeiinspektion Kulmbach versandt habe. Hierdurch sei eine - ohnehin nicht bestehende - Zugangsvermutung erschüttert. Eine „Vorinformiertheit“ der Klägerin ergebe sich auch nicht daraus, dass ihr Ehemann telefonisch angegeben habe, er könne zu der Sache nichts sagen. Die Stadt Chemnitz habe durch ihre Nachlässigkeit eine Mithilfe der Klägerin, die bei Kenntnis der Schreiben an ihren Sohn herangetreten wäre und von diesem die Telefonnummer des Beifahrers abverlangt hätte, vereitelt und müsse die Konsequenzen für die unterbliebene Versendung der Anhörungsschreiben per Einschreiben mit Rückschein tragen.

Auf gerichtliche Nachfrage hat die Landesanwaltschaft Bayern mitgeteilt, bei der Polizeiinspektion Bayreuth-Land seien keine weiteren Dokumentationen über die Telefonate mit dem Ehemann der Klägerin und die Befragung ihres Sohns vorhanden. Die hiermit befassten Polizeibediensteten könnten hierzu angesichts des langen Zeitablaufs keine weiteren Angaben mehr machen. Auch das Polizeirevier Mittweida habe zu den dortigen Ermittlungen keine über die Abgabenachricht vom 29. April 2014 hinausgehenden Erkenntnisse mitteilen können. Allerdings müsse das Ermittlungsersuchen an die Polizeidienststelle in Mittweida ebenso wie eine kaum Aussicht auf Erfolg bietende Nachforschung am Nebenwohnsitz des Beifahrers durch eine Polizeistreife als überobligatorisch angesehen werden und stehe daher der Fahrtenbuchauflage nicht entgegen. Die Fahrerfeststellung bleibe auch dann unmöglich, wenn zunächst angedachte überobligatorische Maßnahmen nicht ergriffen würden. Die Klägerin und ihr Sohn seien weder ihrer Obliegenheit nachgekommen, bei Überlassung des Fahrzeugs an einen Unbekannten vorher dessen Identität festzustellen und sich hierüber Notizen zu machen, noch hätten sie nach Begehung der Zuwiderhandlung dessen Namen und Anschrift in Erfahrung gebracht und mitgeteilt. Die Polizei habe davon ausgehen können, dass der Sohn der Klägerin das Fahrzeug nicht dem Beifahrer C., sondern unmittelbar einem ihm unbekannten Fahrer überlassen habe. Die Überlassung des Fahrzeugs an einen Unbekannten und die fehlenden Bemühungen des Sohns der Klägerin, diesen in Erfahrung zu bringen, senkten die Schwelle des gebotenen polizeilichen Ermittlungsaufwands. Weitere Ermittlungen der Polizei Mittweida an der Nebenwohnung des C. seien daher nicht veranlasst gewesen.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Unterlagen des Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin als Fahrzeughalterin und Zeugin das Anhörungsschreiben der Stadt Chemnitz vom 4. Februar 2014 und das Erinnerungsschreiben vom 7. März 2014 erhalten hat (1.a). Unabhängig davon war die Fahrerfeststellung jedenfalls nicht unmöglich, weil die um Amtshilfe ersuchte Polizeidienststelle Mittweida entweder nicht rechtzeitig versucht hat, den Beifahrer des Fahrzeugs als Zeugen zur Identität des Fahrers zu befragen, oder entsprechende Bemühungen jedenfalls nicht ausreichend dokumentiert hat (1.b).

1. Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. März 2015 (BGBI I S. 243), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Die Behörde hat in sachgemäßem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. etwa BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 - BayVBl 1983, 310; B. v. 21.10.1987 - 7 B 162.87 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 18; B. v. 23.12.1996 - 11 B 84.96 - juris; BayVGH, B. v. 23.2.2015 - 11 CS 15.6 - juris; B. v. 25.1.2016 - 11 CS 15.2576 - juris Rn. 14). Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (BVerwG, U. v. 17.12.1982 a. a. O.). Vielmehr darf ein Fahrzeughalter, der unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, grundsätzlich durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden (BVerwG, B. v. 23.6.1989 - 7 B 90.89 - NJW 1989, 2704 Rn. 8; BayVGH, B. v. 6.5.2010 - 11 ZB 09.2947 - juris Rn. 8). Allerdings muss die Verfolgungsbehörde auch in solchen Fällen naheliegenden und mit wenig Aufwand durchführbaren Ansätzen zur Fahrerermittlung nachgehen und das Ergebnis ihrer Bemühungen dokumentieren.

a) Grundsätzlich gehört es zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand der Verfolgungsbehörde, den Fahrzeughalter unverzüglich, d. h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung zu benachrichtigen (vgl. BVerwG, U. v. 13.10.1978 - VII C 77.74 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 5). Die Wahrscheinlichkeit einer weiterführenden Auskunft des Halters über den Fahrzeugführer sinkt wegen des nachlassenden Erinnerungsvermögens mit zunehmendem Zeitabstand zur begangenen Ordnungswidrigkeit. Die Zweiwochenfrist jedoch gilt nicht für vom Regelfall abweichende Gestaltungen, in denen bei typisierender Betrachtung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Gleiches gilt, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist.

Die an das Landratsamt Bayreuth übermittelten Unterlagen der Stadt Chemnitz enthalten ein an die Klägerin adressiertes Anhörungsschreiben vom 4. Februar 2014 und ein Erinnerungsschreiben vom 7. März 2014, deren Zugang die Klägerin bestreitet. Beide Schreiben wurden jedenfalls nicht mit Zustellungsnachweis und auch nicht per Einschreiben versandt. In den Akten befinden sich auch keine Auslaufvermerke oder Datenauszüge, die den Versand belegen würden (zu diesem Erfordernis vgl. HessVGH, U. v. 22.3.2005 - 2 UE 582/04 - NJW 2005, 2411 = juris Rn. 27; NdsOVG, B. v. 10.3.2006 - 12 ME 48/06 - juris Rn. 12; OVG Berlin-Bbg, B. v. 21.1.2013 - OVG 1 S 50.12 - juris Rn. 4; Haus in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Auflage 2014, § 31a StVZO Rn. 69). Soweit der Beklagte hierzu mit der Berufungsbegründung eine Bestätigung der Sachbearbeiterin der Stadt Chemnitz vom 5. Mai 2015 vorgelegt hat, wonach der Zeugenfragebogen am 4. Februar 2014 „über das Rechenzentrum gedruckt wurde und in den Postauslauf ging“ und das Schreiben vom 7. März 2014 „am Arbeitsplatz gedruckt und von mir persönlich kuvertiert und in den Postversand gegeben“ wurde, ist der Versand hierdurch nicht hinreichend nachgewiesen, zumal sich die Sachbearbeiterin der Mitteilung der Landesanwaltschaft Bayern vom 10. Dezember 2015 zufolge an den Inhalt eines Telefonats am 28. April 2014 mit dem Polizeirevier Mittweida in der gleichen Angelegenheit nicht mehr erinnern kann. Unter diesen Umständen erscheint es zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nach allgemeiner Lebenserfahrung eher unwahrscheinlich, dass der Sachbearbeiterin ein in den Akten nicht dokumentierter Routinevorgang wie der Versand einfacher Schreiben nach mehr als einem Jahr noch in Erinnerung geblieben ist.

Gleichwohl deutet vieles darauf hin, dass die Klägerin das Anhörungsschreiben der Stadt Chemnitz vom 4. Februar 2014 und das Erinnerungsschreiben vom 7. März 2014 erhalten hat. Zu einer förmlichen Zustellung war die Stadt Chemnitz nicht verpflichtet (§ 50 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Zwar trägt die Verfolgungsbehörde die Beweislast für die rechtzeitige Anhörung und den Zugang des Anhörungsschreibens (BayVGH, B. v. 10.10.2006 - 11 CS 06.607 - juris Rn. 19; B. v. 30.9.2008 - 11 CS 08.1953 - juris Rn. 5). Auch ist die Zugangsfiktion gemäß § 1 Satz des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 503), i. V. m. § 41 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt bei (formloser) Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, vorliegend weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, da das Verwaltungsverfahrensgesetz für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nicht gilt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) und die Zugangsfiktion nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ist (vgl. BayVGH, B. v. 10.10.2006 u. v. 30.9.2008, a. a. O.).

Eine Behörde kann ihrer Beweispflicht hinsichtlich des Zugangs jedoch auch nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins genügen, wenn sie Tatsachen vorträgt, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden kann, dass der Empfänger einen Bescheid oder ein Schreiben tatsächlich erhalten haben muss (vgl. BayVGH, B. v. 6.7.2007 - 7 CE 07.1151 - NVwZ-RR 2008, 252 - juris Rn. 8; B. v. 11.5.2011 - 7 C 11.232 - juris Rn. 2; SächsOVG, B. v. 16.7.2012 - 3 A 663/10 - juris Rn. 7; SaarlOVG, B. v. 7.11.2011 - 3 B 371/11 - NVwZ-RR 2012, 131 - juris Rn. 5; VG Düsseldorf, U. v. 24.5.2012 - 6 K 8411/10 - juris Rn. 32). Vorliegend wurden beide Schreiben an die Klägerin korrekt adressiert und sind nicht als unzustellbar in Rücklauf gekommen. Die Klägerin hat den Zugang auch lediglich pauschal bestritten und keinen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorgetragen, aus dem sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ihr die Schreiben - ihren Versand unterstellt - nicht zugegangen sind und dass sie etwa im Postbetrieb verloren gegangen sein könnten. Auch die von der Polizei dokumentierte Äußerung ihres telefonisch kontaktierten Ehemanns vom 28. März 2014, „sie könnten“ (und nicht „er könne“, wie in der Berufungserwiderung vom 24.7.2015 behauptet) „zu der Geschwindigkeitsüberschreitung nichts sagen“, da das Fahrzeug hauptsächlich durch den Sohn genutzt werde, spricht dafür, dass die Klägerin zumindest eines der beiden Schreiben erhalten hat. Aufgrund der verbliebenen und vom Beklagten nicht ausgeräumten Zweifel daran, dass die beiden Schreiben überhaupt versandt wurden, kann jedoch nicht ohne Weiteres von deren Zugang ausgegangen werden. Die Stadt Chemnitz als Verfolgungsbehörde hat die Klägerin persönlich als Fahrzeughalterin auch nicht anderweitig vor Eintritt der Verfolgungsverjährung von der begangenen Ordnungswidrigkeit und den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt.

b) Die Frage des Zugangs des Anhörungs- und Erinnerungsschreibens und einer sich daraus ergebende Verletzung der Mitwirkungspflicht der Klägerin kann jedoch offen bleiben, da die nicht als überobligatorisch anzusehenden Ermittlungen der Polizeidienststelle Mittweida hinsichtlich des Beifahrers als Zeugen nicht ausreichend waren oder jedenfalls nicht entsprechend dokumentiert wurden. Somit fehlt es an der erforderlichen Kausalität einer etwaigen Verweigerung der Mitwirkung durch die Klägerin für die Nichtfeststellbarkeit des Fahrers vor Ablauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der begangenen Ordnungswidrigkeit.

aa) Zwar weist die Landesanwaltschaft Bayern zu Recht darauf hin, dass es dem Fahrzeughalter obliegt, sich vor der Überlassung des Fahrzeugs an einen ihm unbekannten Fahrer über dessen Identität zu vergewissern und sich hierüber Notizen zu machen. Eine Verletzung dieser Obliegenheit rechtfertigt im Falle der Nichtfeststellbarkeit eines Fahrers, der mit dem Fahrzeug eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen hat, in der Regel die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage (BayVGH, B. v. 8.3.2013 - 11 CS 13.187 - juris Rn. 22; B. v. 6.5.2010 - 11 ZB 09.2947 - juris Rn. 8; B. v. 6.3.2008 - 11 CS 07.3451 - juris Rn. 24). Das entbindet die Verfolgungsbehörde jedoch nicht davon, zumindest naheliegende und mit wenig Aufwand realisierbare Ermittlungen zur Fahrerfeststellung durchzuführen und zu dokumentieren.

bb) Den Unterlagen der Polizeiinspektion Bayreuth-Land ist zu entnehmen, dass sie den Ehemann und den Sohn der Klägerin telefonisch kontaktiert und dass der Sohn der Klägerin am 4. April 2014 bei der Polizeiinspektion vorgesprochen hat. Er scheide als Fahrer aus und habe angegeben, diesen nicht zu kennen, wohl aber den mit ihm befreundeten Beifahrer C., der eventuell Angaben zum Fahrer machen könne. Hier hätte es nahegelegen, den Sohn der Klägerin zu fragen, wem er das Fahrzeug überlassen hat, und die Antwort festzuhalten. Der Aktenvermerk der Polizeiinspektion Bayreuth-Land vom 8. April 2014 enthält hierzu jedoch ebenso wie das Amtshilfeersuchen vom 9. April 2014 an das Polizeirevier Mittweida keine Angaben. Da die Landesanwaltschaft Bayern mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 auf gerichtliche Nachfrage mitgeteilt hat, bei der Polizeiinspektion Bayreuth-Land seien keine weiteren Dokumente über die Einvernahme vorhanden und die Polizeibeamten könnten sich auch nicht mehr an darüberhinausgehende Einzelheiten erinnern, bleibt unklar, ob diese dem Sohn der Klägerin die sich aufdrängende Frage, wem er das Fahrzeug überlassen hat, überhaupt gestellt oder ob sie lediglich dessen Antwort nicht dokumentiert haben. In beiden Fällen läge jedoch ein Versäumnis naheliegender Ermittlungen vor, das sich die Verfolgungsbehörde zurechnen lassen muss und das Zweifel daran aufkommen lässt, ob die Fahrerfeststellung i. S. v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich war.

cc) Unabhängig davon steht der Fahrtenbuchauflage jedenfalls entgegen, dass die knapp zwei Wochen vor Eintritt der Verfolgungsverjährung um Amtshilfe ersuchte Polizeidienststelle Mittweida nicht dokumentiert hat, was sie nach Erhalt der Unterlagen am 9. April 2014 unternommen hat, um den Beifahrer des Fahrzeugs zur Person des Fahrers zu befragen. Die Mitteilung vom 29. April 2014 an die Stadt Chemnitz, der Fahrer habe in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden können, enthält hierzu keine Angaben. Es hätte jedoch vor Eintritt der Verfolgungsverjährung gemäß § 26 Abs. 3 StVG i. V. m. § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG am 22. April 2014 ausreichend Zeit bestanden, den Beifahrer C. an seiner Nebenwohnung aufzusuchen oder ihn schriftlich aufzufordern, bei der Polizeidienststelle vorzusprechen. Die dann unter Umständen noch vor Verjährungseintritt mögliche erste Vernehmung des Fahrers, die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe hätte zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung geführt (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG). Entgegen der Auffassung des Beklagten kann mangels Angaben über die durchgeführten Ermittlungen auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, aus der Formulierung im Schreiben des Polizeireviers Mittweida vom 29. April 2014, der Fahrer habe in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden können, ergebe sich eindeutig, dass solche ergebnislos gebliebenen Ermittlungen tatsächlich stattgefunden hätten.

Dem kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Amtshilfeersuchen an das Polizeirevier Mittweida und die dortigen Bemühungen hinsichtlich einer Befragung des Beifahrers seien als überobligatorische Ermittlungen anzusehen, die der Fahrtenbuchauflage nicht entgegen stünden. Zwar hat der Senat erst jüngst bestätigt, dass die Fahrerfeststellung auch bei fehlgeschlagenen überobligatorischen Ermittlungsmaßnahmen als unmöglich anzusehen ist (BayVGH, B. v. 25.1.2016 - 11 CS 15.2576 - juris Rn. 20). Allerdings ist zumindest der einmalige Versuch, den Beifahrer an seiner Nebenwohnung zu erreichen und zur Identität des Fahrers zu befragen, hier nicht als überobligatorisch anzusehen. Die Polizei Mittweida kannte den Namen und die Adresse des Beifahrers, der Angaben zum Fahrer hätte machen können. Es handelte sich um einen konkreten und vielversprechenden Ermittlungsansatz, dem die Polizei mit vergleichsweise geringem Aufwand hätte nachgehen können. Wäre der Beifahrer an seiner Nebenwohnung nicht angetroffen worden und hätte er auch auf eine Aufforderung zur Vorsprache nicht reagiert, wären weitere Bemühungen allerdings als überobligatorisch anzusehen. Unter den gegebenen Umständen ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Fahrerfeststellung auch ohne Mitwirkung der Klägerin mit geringem Aufwand möglich gewesen wäre. Damit wäre aber nicht (nur) deren etwaige Verweigerung der Mitwirkung an der Aufklärung, sondern auch der unterbliebene oder zumindest nicht dokumentierte Versuch der Polizei, den Beifahrer zu befragen, für die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung kausal. Die Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchauflage gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO lagen daher nicht vor.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.400,- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.400 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage.

Am 1. März 2014 wurde sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... auf der Bundesautobahn A 45 bei km 162.250 im Bereich einer Baustelle mit einer Geschwindigkeit von 106 km/h (110 km/h abzüglich Messtoleranz) gemessen.

Mit Schreiben vom 17. März 2014 hörte das Regierungspräsidium Kassel den Antragsteller unter Übersendung eines Abdrucks des Fahrerfotos zu einer ordnungswidrigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h an. Der Anhörbogen kam ohne Angaben, vom Antragsteller am 25. März 2014 unterschrieben, in Rücklauf. Daraufhin erließ das Regierungspräsidium Kassel am 2. April 2014 einen Bußgeldbescheid über 80 Euro, gegen den der Antragsteller am 8. April 2014 Einspruch einlegte. Am 9. April 2014 übersandte das Regierungspräsidium die Akten an seinen Bevollmächtigten und forderte ein Foto bei der Personalausweisbehörde an.

Nachdem die Personalausweisbehörde ein Passbild übersandt hatte, ersuchte das Regierungspräsidium die Polizeiinspektion Fürth mit Schreiben vom 28. April 2014 um Ermittlung des Fahrers. Die Polizeiinspektion teilte am 26. Mai 2014 mit, der Antragsteller habe nicht persönlich erreicht werden können. Auch auf zwei Vorladungen als Zeuge sei keine Reaktion erfolgt. Am 10. Juni 2014 stellte das Regierungspräsidium das Bußgeldverfahren ein und regte die Prüfung eine Fahrtenbuchauflage an.

Mit Bescheid vom 19. August 2014 ordnete die Antragsgegnerin an, dass der Antragsteller für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ..., ersatzweise für jedes an dessen Stelle zugelassene Kraftfahrzeug, für die Dauer eines Jahres ein Fahrtenbuch zu führen hat (Nr. 1), beginnend an dem der Zustellung des Bescheides folgenden Tag (Nr. 2). In das Fahrtenbuch ist vor Fahrtbeginn Name, Vorname und Anschrift der Fahrzeugführerin/des Fahrzeugführers, das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs, Datum und Uhrzeit des Fahrtbeginnes und Fahrtendes einzutragen und die Eintragung handschriftlich durch Unterschrift abzuzeichnen (Nr. 3). Das Fahrtenbuch ist binnen vier Wochen nach dem Ablauf der Frist gemäß Nr. 1 dieses Bescheids der Stadt Fürth, Bereich Auto & Führerschein, unaufgefordert vorzulegen und für eine Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Frist gemäß Nr. 1 aufzubewahren (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nr. 5).

Über die gegen den Bescheid vom 19. August 2014 erhobene Klage (AN 10 K 14.01447) hat das Verwaltungsgericht Ansbach nach Aktenlage noch nicht entschieden. Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat es mit Beschluss vom 2. Dezember 2014 abgelehnt.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt. Er macht geltend, es liege schon kein Verkehrsverstoß vor. Es sei kein Beschilderungsplan aktenkundig und dem Messprotokoll lasse sich nicht entnehmen, dass die Verkehrszeichen auch nach der verfahrensgegenständlichen Messung überprüft worden seien. Zudem seien nicht alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Täterermittlung unternommen worden. Das Foto sei angesichts der geringen Auflösung ungeeignet zur Feststellung des Täters. Unter Umgehung seines Verteidigers sei der Antragsteller als Zeuge vorgeladen worden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Polizei versucht habe, ihn persönlich aufzusuchen oder Fotoabgleiche mit Haushaltsangehörigen vorzunehmen. Die Ermittlungsmaßnahmen seien auch erst zwei Monate nach der Tat eingeleitet worden. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erschöpfe sich darüber hinaus in standardisierten Wendungen ohne Bezug zum Einzelfall.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs den formellen Anforderungen genügt. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Die Antragsgegnerin hat unter Nr. II. 4. des angefochtenen Bescheids unter Bezugnahme auf den konkreten Einzelfall das besondere Interesse am Sofortvollzug ausreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigene Interessenabwägung durchgeführt.

2. Das Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer Änderung der Entscheidung, da das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Klage bei summarischer Prüfung keine Erfolgsaussichten hat.

2.1 Soweit der Antragsteller vorträgt, selbst bei summarischer Prüfung könne nicht von einem Verkehrsverstoß ausgegangen werden, weil sich kein Beschilderungsplan bei den Akten befinde, das Messblatt keine Aussage darüber enthalte, welche Verkehrsregelung überhaupt vorgelegen habe und nicht ausreichend kontrolliert worden sei, ob das Verkehrsschild tatsächlich aufgestellt gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 31a Abs. 1 Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl. S. 679), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2014 (BGBI S. 2010), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dabei muss der Verstoß in tatsächlicher Hinsicht feststehen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 31a StVZO, Rn. 3). Aus dem unterschriebenen Messprotokoll vom 1. März 2014 ergibt sich, dass die Messung von 10:00 bis 13:30 Uhr durchgeführt wurde, die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle 80 km/h betrug, durch Zeichen 274 der Anlage 2 zur Straßenverkehrsordnung (StVO) angeordnet war und das Zeichen überprüft wurde. Dass das Verkehrszeichen nur vor der Messung überprüft wurde, so wie der Antragsteller meint, ergibt sich aus dem Messprotokoll nicht. Der Antragsteller hat darüber hinaus auch keine substantiierten Ausführungen dazu gemacht, aus welchen Gründen zum Zeitpunkt der Messung seines Fahrzeugs das Zeichen nicht erkennbar gewesen sein könnte.

Auch das Fehlen eines Beschilderungsplans führt zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Messprotokoll ergibt sich, dass die Messstelle ca. 400 Meter hinter dem Zeichen eingerichtet war. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass mit dem verwendeten Lasergeschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3 eine Messung über eine solche Distanz überhaupt erfolgen könnte. Nach der im Internet abrufbaren Broschüre des Herstellers (http://www.leivtec.de/de/pdf/Broschuere_XV3.pdf) beginnt die Messung frühestens im Abstand von 50 Metern zum Messgerät und endet ca. 30 Meter vor dem Messgerät. Welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn unter diesen Umständen ein Beschilderungsplan bringen könnte, ist nicht dargelegt.

2.2 Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass die Ermittlung des Fahrers nicht möglich war. Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (vgl. etwa BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 - BayVBl. 1983, 310; B. v. 21.10.1987 - 7 B 162/87 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 18; B. v. 23.12.1996 - 11 B 84/96 - juris). Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (BVerwG, U. v. 17.12.1982, a. a. O.).

Soweit der Antragsteller ausführt, das Frontfoto weise eine so geringe Auflösung auf, dass individuelle Gesichtszüge nicht ansatzweise zu erkennen seien und deshalb habe er nicht erkennen können, wer dort abgebildet sei, trifft dies nicht zu. Das Foto ist zwar nicht von besonders guter Qualität, es ist jedoch erkennbar, dass der Fahrer ein Mann war. Eine bekannte Person kann darauf wahrscheinlich auch anhand der Kopfform und erkennbaren Nasen-Mund-Partie identifiziert werden. Im Übrigen bleibt der Fahrzeughalter aber auch bei fehlender subjektiver Fähigkeit zur Identifizierung der Radaraufnahme insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einzuschränken hat. Unterbleiben dahingehende Angaben, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht erforderlich und eine Fahrtenbuchauflage gegen den Fahrzeughalter gerechtfertigt (vgl. BayVGH, B. v. 8.3.2013 - 11 CS 13.187 - juris Rn. 19; OVG NW, B. v. 21.4.2008 - 8 B 491/08 - juris Rn. 9).

Die Feststellung des Fahrers ist auch dann unmöglich, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte (SächsOVG, B. v. 4.8.2014 - 3 B 90/14 - DÖV 2014, 987; OVG NW, B. v. 25.3.2008 - 8 A 586/08 - NZV 2008, 536). Hier konnte anhand des Abgleichs mit dem übersandten Passfoto eine Täterschaft des Antragstellers nicht sicher festgestellt werden. Auch ein Abgleich mit den Meldedaten, ob noch andere männliche Personen in seinem Haushalt leben, ist erfolglos geblieben. Nach den in den Behördenakten befindlichen Unterlagen der Polizeiinspektion Fürth versuchte diese an den auf den Vorladungen angegebenen Daten, nämlich am 8. Mai 2014 um 8.15 Uhr und am 19. Mai 2014 um 10.15 Uhr, den Antragsteller zu Hause zu erreichen. Nachdem dies keinen Erfolg hatte, wurden die Vorladungen in den Briefkasten eingelegt. Da der Antragsteller im Rahmen der Anhörung keinerlei Angaben gemacht und den Vorladungen als Zeuge keine Folge geleistet hat, waren weitere Ermittlungen nicht zumutbar.

Soweit der Antragsteller vorträgt, die Ermittlungen seien erst zwei Monate nach dem Verkehrsverstoß eingeleitet worden und deshalb könne die Antragsgegnerin sich nicht auf die Unzumutbarkeit weiterer Ermittlungen berufen, trifft dies nicht zu. Mit Schreiben vom 17. März 2014 wurde der Antragsteller erstmals angehört. Nachdem er keine Angaben gemacht und gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hatte, wurde am 9. April 2014 ein Passbild angefordert, um zu prüfen, ob sich damit ein Tatnachweis führen lässt. Weil auch das Passbild nicht zu einer eindeutigen Identifizierung des Fahrers führte, wurden noch rechtzeitig vor Verjährungseintritt weitere Maßnahmen eingeleitet.

3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. Oktober 2015 wird insoweit wiederhergestellt, als dem Antragsteller aufgegeben wird, für die auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen .. und .. ein Fahrtenbuch zu führen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller trägt ein Drittel und der Antragsgegner zwei Drittel der Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.200,-- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 14. Oktober 2015 wiederherzustellen, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

2

Nicht stattzugeben war dem Antrag, soweit der Antragsteller mit ihm die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Anordnung, für das auf ihn zugelassene Kraftrad mit dem amtlichen Kennzeichen .. ein Fahrtenbuch zu führen, begehrt (1.). Mit Erfolg kann er hingegen geltend machen, für die beiden anderen auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeuge (…) kein Fahrtenbuch führen zu müssen (2.).

3

1. Der Antragsgegner hat bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung der in Rede stehenden Verfügung bezüglich des Kraftrades mit dem amtlichen Kennzeichen …dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.

4

Das Gesetz verlangt zwar regelmäßig das Vorliegen besonderer Gründe, die über die Gesichtspunkte hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst rechtfertigen. Dies erfordert aber nicht die Darlegung solcher Gründe, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutreffen. Wenn immer wiederkehrenden Sachverhalts-gestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem das Straßenverkehrsrecht zählt, in Betracht. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zeigt, dass sich der Antragsgegner durchaus des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst ist, und enthält die Erwägungen, die im vorliegenden Fall für die Anordnung des Sofortvollzugs maßgeblich waren. Die von dem Antragsgegner damit gegebene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung, dass es im öffentlichen Interesse, aber auch eines eventuell Geschädigten liege, jederzeit den Führer eines Kraftfahrzeugs nach einem Verkehrsverstoß feststellen zu können, hält sich im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

5

Bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Interessenabwägung gelangt auch das Gericht zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides, mit dem dem Antragsteller die Führung eines Fahrtenbuches für das Kraftrad mit dem amtlichen Kennzeichen … auferlegt wird, sein privates Interesse daran, vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vom Vollzug verschont zu bleiben, überwiegt, weil nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung derzeit alles dafür spricht, dass diese Fahrtenbuchauflage rechtlich nicht zu beanstanden ist. In dieser Situation verlangt das öffentliche Verkehrssicherungsinteresse, dass ab sofort bei etwaigen weiteren den Straßenverkehr (abstrakt) gefährdenden Verstößen der Fahrer oder die Fahrerin dieses Kraftrades, dessen Halter der Antragsteller ist, ermittelt werden kann.

6

Rechtsgrundlage für die angeordnete Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO -. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dem entspricht die Anordnung im angefochtenen Bescheid, mit der dem Antragsteller aufgegeben wird, für die Dauer von einem Jahr für das auf ihn zugelassene Kraftrad sowie für alle Nachfolge- und Ersatzfahrzeuge, welche während der Gültigkeitsdauer der Fahrtenbuchauflage auf ihn zugelassen werden, ein Fahrtenbuch zu führen.

7

Mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftrad wurde den Verkehrsvorschriften der § 24 Straßenverkehrsgesetz - StVG -, § 49 Straßenverkehrsordnung - StVO – i.V.m. Anlage 2 zuwidergehandelt, indem der Fahrer dieses Fahrzeugs am 14. Juni 2015 um … Uhr auf der Bundesstraße.., KM 0,8, Gemarkung L.., Fahrrichtung J… statt der dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h 173 km/h (nach Toleranzabzug) fuhr. Dieser festgestellte Verkehrsverstoß ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

8

Der gegenständliche Verkehrsverstoß vom 14. Oktober 2015 ist geeignet, die Anordnung eines Fahrtenbuchs zu rechtfertigen.

9

Es handelte sich vorliegend bei der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerorts von 100 km/h um 73 km/h um einen Verkehrsverstoß, für den die Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehen ist sowie ein Fahrverbort von drei Monaten auszusprechen gewesen wäre. Darüber hinaus wäre eine Geldbuße von mindestens 600,-- € zu verhängen gewesen.

10

Aber bereits im Fall der erstmaligen Begehung eines Verkehrsverstoßes, der im Fall seiner Ahndung zur Eintragung von wenigstens einem Punkt im (ehemaligen Verkehrszentralregister =) Fahreignungsregister geführt hätte, ist die Auferlegung eines Fahrtenbuchs gerechtfertigt und verhältnismäßig, da es sich um einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht i.S.v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO handelt. Nicht erforderlich ist, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -, BVerwGE 98, 227/229, und Beschluss vom 9. September 1999 - 3 B 94/99 -, juris). Ferner ist nicht erforderlich, dass eine Wiederholungsgefahr besteht (BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1989 - 7 B 90/89 -, NJW 1989, 2704), so dass auch die bloße Androhung einer Fahrtenbuchauflage für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung, bei der der verantwortliche Fahrzeugführer nicht festgestellt werden kann, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kein milderes, ebenfalls in Betracht kommendes Mittel wäre (s. BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 11 CS 14.176 –, juris, Rn. 10). Danach kann es hier keinem Zweifel unterliegen, dass der mit dem Kraftrad des Antragstellers begangene Verkehrsverstoß die Auferlegung eines Fahrtenbuchs rechtfertigt.

11

Die weitere Voraussetzung zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, dass der für die Begehung des Verkehrsverstoßes verantwortliche Fahrzeugführer nicht ermittelt werden konnte, ist ebenfalls erfüllt.

12

Im Sinne des § 31a StVZO ist die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter innerhalb der Verjährungsfrist zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 1994 - 11 B 130/93 -, juris und VRS 88, 158). Es kommt dabei darauf an, ob die zuständige Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen veranlasst, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 1997 - 3 B 28.97 - und vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, juris). Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde dürfen sich dabei wesentlich an den Erklärungen des Fahrzeughalters, bei anwaltlicher Vertretung an den Erklärungen des Anwalts ausrichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 -7 C 3/80 - und Beschluss vom 1. März 1994 - 11 B 130/93 -, juris).

13

Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden. Ein Fahrzeughalter ist auch bei fehlender subjektiver Fähigkeit zur Identifizierung einer im Rahmen der Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigten Lichtbildaufnahme insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, dass er zumindest den Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einzuschränken hat. Unterbleiben namentliche Angaben zum Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht erforderlich und eine Fahrtenbuchauflage gegen den Fahrzeughalter gerechtfertigt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8.März 2013 – 11 CS 13.187 – und vom 23. Februar 2015 – 11 CS 15.6; OVG NRW, Beschluss vom 21. April 2008 – 8 B 491/08 –, alle in juris).

14

Darf sich somit der von der Behörde zu betreibende Ermittlungsaufwand an den Erklärungen des Fahrzeughalters orientieren, so ist vorliegend der von der für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Behörde betriebene Ermittlungsaufwand nicht zu beanstanden.

15

Die Bußgeldstelle hatte durch Anhörung des Antragstellers versucht, den Fahrer des Kraftrades mit dem amtlichen Kennzeichen .. im Tatzeitpunkt am 14. Oktober 2015 zu ermitteln. Der Antragsteller hatte auf Zusendung eines Anhörungsbogens durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 4. August 2015 seine Fahrereigenschaft bestreiten lassen. Die daraufhin aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Pirmasens vom 19. August 2015 (Az: 1 Gs 231/15) beim Antragsteller durchgeführte Wohnungsdurchsuchung zum Auffinden des auf dem Messfoto ersichtlichen Motorradhelms sowie der im Tatzeitpunkt getragenen Motorradkleidung ergab keine Anhaltspunkte auf den Fahrer. Damit gab es keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen hinsichtlich des Täters.

16

Auch die behördliche Ermessensentscheidung, die Dauer der Fahrtenbuchauflage auf ein Jahr festzulegen, ist nicht zu beanstanden.

17

§ 31a StVZO enthält keine Aussage darüber, für welche Zeitspanne die Führung eines Fahrtenbuchs anzuordnen ist. Die Beantwortung dieser Frage bleibt vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde überlassen, die hierbei lediglich die zwingenden Vorgaben der Rechtsordnung, insbesondere den Gleichbehandlungs- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu beachten hat. Ein Fall intendierten Ermessens kann jedoch insoweit angenommen werden, als die Führung eines Fahrtenbuchs den ihr zugedachten Zweck nur dann erfüllen kann, wenn sie für eine gewisse Dauer angeordnet wird, wobei sechs Monate im „unteren Bereich einer effektiven Kontrolle“ liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -, juris; siehe zum Ganzen auch: BayVGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - 11 CS 13.606 -, juris, Rn. 14).

18

Die hier ausgesprochene Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von einem Jahr ist bei einem unter anderem mit zwei Punkten zu ahndenden Verkehrsverstoß nicht zu beanstanden. Dies folgt bereits daraus, dass es sich vorliegend um eine deutliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts von 100 km/h um 73 km/h (abzüglich Messtoleranz) gehandelt hat, die ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential aufgewiesen hat.

19

2. Unverhältnismäßig ist allerdings die Fahrtenbuchauflage für die weiteren auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeuge (PKW) mit den amtlichen Kennzeichen .. und … Regelmäßig wird sich die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, auf das Fahrzeug beziehen, mit dem die unaufklärbare Verkehrszuwiderhandlung begangen wurde, doch kann auch die Ausdehnung auf weitere Fahrzeuge des Halters geboten sein. Eine Anordnung, die mehrere oder alle Fahrzeuge eines Halters betrifft, stellt im Verhältnis zur Einzelanordnung aber eine erhebliche Erweiterung dar und bedarf deshalb einer ihre Auswirkungen berücksichtigenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. Eine solche auf den gesamten Fahrzeugbestand bezogene Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist nach der Rechtsprechung dann gerechtfertigt, wenn bei mehreren Verkehrsverstößen mit verschiedenen auf einen Halter zugelassenen Kraftfahrzeugen der Fahrer im Zeitpunkt der Tatbegehung nicht ermittelt werden konnte (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1970 - VII B 19.70 -, Buchholz 442.15 § 7 StVO Nr. 6; OVG NRW, Urteil vom 10. September 1997 - 25 A 4812/96 -, juris). Dies setzt voraus, dass die Behörde für ihre Entscheidung den Sachverhalt hinreichend aufklärt. Grundlage einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung ist es dabei, dass Art und Umfang des Fahrzeugparks geklärt werden, um abschätzen zu können, ob Verkehrsverfehlungen mit anderen Fahrzeugen des Halters zu befürchten sind (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 2. November 2005 - 12 ME 315/05 -, juris, Rn. 29). Die Behörde muss also eine Prognose darüber anstellen, ob über das Fahrzeug, mit dem die der Fahrtenbuchauflage zugrunde liegende Verkehrszuwiderhandlung begangen wurde, hinaus Verkehrsverstöße mit anderen Fahrzeugen des Halters ebenfalls nicht aufgeklärt werden können (VG Würzburg, Beschluss vom 19. Mai 2011 - W 6 S 11.367 -; VG Cottbus, Urteil vom 11. September 2007 - 2 K 1526/04 -, beide in juris).

20

Vorliegend hat der Antragsgegner zwar in der angefochtenen Verfügung vom 14. Oktober 2015 ausgeführt, dass auf den Antragsteller noch zwei Personenkraftwagen zugelassen sind, ohne diese aber näher zu charakterisieren (z.B. hinsichtlich ihrer Motorisierung). Aus dem Bescheid selbst ergeben sich bezüglich der Ausdehnung der Auflage auf alle Fahrzeuge des Antragstellers keinerlei Erwägungen. Der Antragsgegner stellt dort lediglich allgemein die Voraussetzungen für die Anordnung eines Fahrtenbuches dar, bevor er unter Hinweis auf den von ihm herangezogenen Verkehrsverstoß ausführt, dass er in dem konkreten Fall eine Fahrtenbuchauflage für alle auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeuge für die Dauer von einem Jahr für gerechtfertigt hält. Ausführungen dazu, warum das Fahrtenbuch auf alle Fahrzeuge zu erstrecken war, fehlen hingegen in der Begründung. Dies allein ist bereits ein Indiz auf fehlerhaften Ermessensgebrauch (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 8. Januar 2004 - 3 K 5347/03 -, juris, Rn. 7). Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Anhörungsschreiben vom 28. September 2015 nicht eindeutig, dass für alle auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeuge die Führung von Fahrtenbüchern angeordnet werden soll. In diesem Schreiben heißt es nämlich:

21

„Es ist nun beabsichtigt, Ihnen die Führung eines Fahrtenbuches für ein oder mehrere auf Sie zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge nach § 31 a StVZO aufzuerlegen.“

22

Der Antragsgegner hat die Ausdehnung der Fahrtenbuchauflage auf alle auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeuge in dem angefochtenen Bescheid damit nicht begründet. In der Antragserwiderung hat er hierzu ausgeführt:

23

„Auch die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf sämtliche drei vom Antragsteller gehaltenen Kraftfahrzeuge ist rechtmäßig. Aufgrund des erheblichen Verkehrsverstoßes besteht ein öffentliches Interesse daran, einem Halter die Führung eines Fahrtenbuches aufzuerlegen, um damit sicherzustellen, dass die jeweiligen Fahrer eines Fahrzeuges ausreichend schnell festgestellt werden können. Unter Berücksichtigung der Erheblichkeit des Verkehrsverstoßes ist die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf sämtliche auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeuge verhältnismäßig.“

24

Die Begründung, warum auch mit Verkehrsverstößen bei der Nutzung der auf den Antragsteller zugelassenen Personenkraftwagen zu rechnen sein soll, ist auch diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Denn es sind außer dem hier in Rede stehenden Verkehrsverstoß keine mit anderen auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeugen begangene Verkehrszuwiderhandlungen bekannt geworden.

25

Im vorliegenden Fall ist nur ein Verkehrsverstoß mit einem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftfahrzeug und zwar dem Kraftrad bekannt geworden. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist derzeit nicht anzunehmen, dass mit den Antragsteller zugelassenen Personenkraftwagen Verkehrsverstöße begangen werden, ohne dass anschließend der Täter zu ermitteln wäre. Nach Auffassung des Gerichts sind bei der Einschätzung, ob sich das Verhalten des Antragstellers in dieser Form bei einem der anderen auf ihn zugelassenen Personenkraftwagen auch so zutragen könnte, nicht nur der Fahrzeugbestand, sondern auch die Handlungsweise des Antragstellers in den Blick zu nehmen. Anders als bei dem Tatfahrzeug handelt es sich bei den beiden Kraftfahrzeugen um Personenkraftwagen. Hinsichtlich der Fahrweise ist hier zu berücksichtigen, dass der Tatort auf der B48 zwischen Leimen und Johanniskreuz auf einer bei Motorradfahrern äußerst beliebten Fahrstrecke liegt, was nicht nur gerichtsbekannt, sondern allgemein bekannt ist (siehe z.B. „Motorrad-Tour-Pfalz“ auf YouTube). Aus einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Kraftrad speziell auf dieser Strecke kann daher zur Überzeugung der Kammer nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass auch mit den auf den Antragsteller zugelassenen Personenkraftwagen Verkehrsverstöße wie der am 14. Juni 2015 festgestellte begangen würden und anschließend der Fahrer nicht benannt würde.

26

Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs war nach alledem in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu entsprechen.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

28

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V.m. Nr. 1.5 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (NVwZ 2013 Beilage 58).

29

Für den begehrten Ausspruch über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist kein Raum, da das Vorverfahren noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 162 Rn. 16).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes L … vom 25.10.2016, 32-140/7/2 … 01/16 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Kosten abwenden, wenn er vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der vollstreckbaren Kosten leistet, es sei denn, der Kläger leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Tatbestand

Am 10.04.2016 wurde um 21.21 Uhr auf der BAB 19, P … Brücke (Baustelle) bei km 38,5 in Fahrtrichtung R … folgender Verkehrsverstoß mit dem PKW amtliches Kennzeichen …, der auf die Firma F … GmbH zugelassen ist, begangen:

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserhalb geschlossener Ortschaft um 48 km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (abzüglich Toleranz): 88 km/h, zulässige Höchstgeschwindigkeit: 40 km/h. § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, § 49 StVO, § 24, § 25 StVG, 11.3.7 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV.

Die Ermittlungen hinsichtlich des Fahrzeugführers durch den Landkreis M … unter Mithilfe der Polizeiinspektion V … und der Polizeiinspektion W … waren erfolglos geblieben.

Als Halterin des Kfz eingetragen ist die Firma F … GmbH. Der Kläger als ihr Geschäftsführer machte im Rahmen des mit Schreiben des Landkreises M …Bl. 5 u. zu BA vom 27.04.2016 durchgeführten Anhörungs- und Ermittlungsverfahrens keine Angaben, die zur Feststellung des Fahrzeugführers hätten führen können. Er sandte auch den Anhörungsbogen nach Aktenlage nicht zurück. Ihm wurde im Rahmen der Anhörung die Möglichkeit gegeben, die Beweisfotos im Internet abzurufen, auf denen der Fahrer erkennbar dargestellt ist. Adressiert war dieses Schreiben an die Firma F … GmbH.

Der Kläger gab gegenüber der Polizeiinspektion V … an, das Kfz sei zur Tatzeit an Herrn H …, …, …, überlassen gewesen. Dieser gab an, zum Tatzeitpunkt seien zwei Leiharbeiter namens 1 … und 2 … bei der Firma beschäftigt gewesen und laut Lichtbild sei 2 … der Fahrer gewesen, mehr wisse er über die Beiden nicht. Nähere Informationen habe nur der Kläger. Der Kläger machte keine näheren Angaben bezüglich des Fahrzeugführers.

Auch an den Kläger persönlich wurde am 13.06.2016 ein Schreiben gerichtet, mit dem er zum Bußgeldverfahren hinsichtlich des Verkehrsverstoßes als möglicher Fahrzeugführer angehört wurde. Er erschien auf Vorladung der Polizeiinspektion V … zum 18.06.2016, sowie 19.06.2016 (lt. Mitteilung der Polizeiinspektion V …, Bl. 19 BA) unentschuldigt nicht. Das Ermittlungsverfahren gegen den Halter wurde nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Das Ordnungsamt des Landkreises M … teilte dem Landratsamt L … mit Schreiben vom 20.07.2016 den Verstoß mit. Es regte außerdem an, dem Halter - dort als der Kläger bezeichnet - eine Fahrtenbuchauflage aufzuerlegen.

Mit Schreiben vom 03.08.2016 hörte das Landratsamtes L … unter der Adresse der Firma F … GmbH, Herrn K … zu der beabsichtigten Fahrtenbuchauflage an. Der Kläger berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Per Fax ließ der Kläger am 12.08.2016 dem Landratsamt L … mitteilen, anwaltlich durch die Kanzlei … Rechtsanwälte vertreten zu werden. Die Bevollmächtigten rügten im Schriftsatz vom 29.8.2016, dass der Kläger erst nach 3 Wochen von der Polizei befragt worden sei. Das sei zu spät gewesen, um sich an konkrete Fahrten erinnern zu können.

Mit Bescheid vom 25.10.2016, adressiert an den Bevollmächtigten, erließ das Landratsamt L … gegen den Kläger eine Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, sowie für jedes an die Stelle dieses Fahrzeugs tretende Ersatzfahrzeug, für sechs Monate ab Rechtskraft des Bescheides.

Ziffer 2 legt fest, dass das Fahrtenbuch für jede einzelne Fahrt einen zuverlässigen Nachweis darüber erbringen muss, wer das Kraftfahrzeug geführt hat und folgende Angaben enthalten muss:

a) amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs

b) Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers,

c) Datum und Uhrzeit des Fahrbeginns und -endes.

In Ziffer 3 wird geregelt, dass die erforderlichen Eintragungen unverzüglich nach der Beendigung der Fahrt mit Unterschrift vorzunehmen sind, das Fahrtenbuch noch 6 Monat nach Ablauf der Zeit, für die es geführt wird, aufzubewahren ist und es dem Landratsamt L … sowie sonst zuständigen Personen auf Verlangen jederzeit zur Prüfung auszuhändigen ist.

Ziffer 4 regelt, dass das Fahrtenbuch durch einen Fahrtenschreiber ersetzbar ist, bei einem Wechsel des Fahrzeugführers aber zusätzliche Eintragungen notwendig sind.

Ziffer 5 bestimmt die Kostentragunspflicht des Klägers als Veranlasser und die Festsetzung einer Gebühr von 50,00 Euro, sowie Auslagen in Höhe von 3,20 Euro.

Das Landratsamt L … begründet den Bescheid im Wesentlichen mit der Unmöglichkeit der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am 10.04.2016. Der Bescheid führt außerdem aus, dass der Bescheid nicht ermessensfehlerhaft ergangen sei und die Grundsätze, die die Rechtsprechung hinsichtlich der Ausübung des behördlichen Ermessens entwickelt habe, eingehalten seien:

Es liege eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften vor, hinsichtlich derer der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden könne und der Kläger habe keine Angaben gemacht, die zu dessen Feststellung hätten führen können.

Ausserdem handle es sich nicht um einen geringfügigen Verstoß, wobei ein einmaliger Verstoß ausreiche, wenn er erheblich sei. Um einen solchen handle es sich im vorliegenden Sachverhalt, da eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h einen wesentlichen Verkehrsverstoß darstelle, der sich verkehrsgefährdend auswirken könne. Bereits ein einmaliger Verstoß, der mit einem Punkt zu bewerten ist, rechtfertige die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Der vorliegende Verstoß sei mit einer Geldbuße von 160 Euro und 2 Punkten, sowie einem Fahrverbot von einem Monat zu bewerten.

Die nachträgliche Feststellung des Fahrzeugführers sei ausserdem unmöglich. Die Behörde sei nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage gewesen, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe. Dabei sei entscheidend, ob die Behörde in sachgerechtem und rationalem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen habe, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang können sich dabei an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Weitere Ermittlungen seien dann nicht angezeigt, wenn dieser jede Aufklärung darüber ablehne, wer das Kfz zum maßgeblichen Zeitpunkt geführt habe oder mangels geeigneter Vorsorgemaßnahmen keine Angaben darüber machen könne. Im vorliegenden Fall seien weitere Ermittlungen nicht angezeigt gewesen, da der Kläger keine für die Aufklärung hilfreichen Angaben gemacht habe und er sich äußerst unkooperativ gezeigt habe. Die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung beruhe daher nicht auf unzureichender oder verzögerter Ermittlungstätigkeit der Polizei oder des Landratsamtes.

Die Fahrtenbuchauflage sei auch zulässig, wenn der Betroffene im Ordnungswidrigkeitenverfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid des Landratsamtes L … vom 25.10.2016, 32-140/7/2 … 01/16 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger meint, der streitgegenständliche Bescheid hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage sei an den falschen Adressaten gerichtet und daher rechtswidrig. Gemäß § 31a StVZO könne die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Adressat der Anordnung sei gemäß § 31a StVZO der Halter des Fahrzeugs, es gelte dort der Halterbegriff des § 7 StVG. Halter im Sinne von § 31a StVZO sei unabhängig von der Eigentümerstellung und der Nutzungsinhaberschaft derjenige, der ein Kfz für eigene Rechnung in Gebrauch hat, also Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten für die Unterhaltung und den laufenden Betrieb trägt.

Der Kläger als Adressat des Bescheids des Landratsamtes L … sei gerade nicht der Halter des Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen … Halter des Kfz sei zur relevanten Tatzeit, am 10.04.2016, 21:21 Uhr die Firma F … GmbH gewesen. Davon sei der Landkreis M … in seinem Schreiben vom 27.04.2016 selbst ausgegangen.

Der Kläger sei daher falscher Adressat des Bescheids. Eine Verwechslung könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 a StVZO seien daher dem Kläger gegenüber nicht erfüllt und der Bescheid materiell rechtswidrig. Auch die Kostenentscheidung, die der Bescheid enthält, sei daher fehlerhaft und hätte dem Kläger gegenüber nicht ergehen dürfen. Der bezahlte Betrag sei zurückzuerstatten.

Der Beklagte meint, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 a StVZO seien erfüllt:

Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die bei der Ausfüllung des verwaltungsbehördlichen Ermessensspielraums beim Vollzug der Norm zu beachten sind, seien beachtet worden. Äußerungen, die zur Ermittlung des veranwortlichen Fahrzeugführers hätten führen können, seien nicht gemacht worden. Mit dem Fahrzeug des Klägers sei ausserdem eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden.

Es handle sich des Weiteren um einen einmaligen aber erheblichen Verkehrsverstoß. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h könne nicht mehr als unerheblich und geringfügig angesehen werden und stelle einen wesentlichen Verkehrsverstoß dar, der sich verkehrsgefährdend auswirken könne und deshalb die Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs rechtfertige.

Ein geringfügiger Verstoß könne nur angenommen werden, wenn er nicht mit Punkten bewertet sei.

Die Formulierung „kann“ bedeute, dass eine abstrakte Gefährdung ausreiche.

Es seien auch unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Befragungen keine zeitraubenden weiteren Ermittlungen zu betreiben, die kaum Aussicht auf Erfolg bieten.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klage des Klägers gegen die Fahrtenbuchauflage des Landratsamtes L … vom 25.10.2016 ist zulässig.

2. Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid des Landratsamtes L … vom 25.10.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Nach § 31 a Abs. 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Der Kläger ist aber nicht Halter des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen …, sondern Halter dieses Kraftfahrzeuges ist die F … GmbH. Der streitgegenständliche Bescheid richtet sich aber eindeutig an den Kläger und nicht an die F … GmbH. Die Fahrtenbuchauflage richtet sich somit gegen den falschen Adressaten. Adressat eines Verwaltungsaktes ist grundsätzlich derjenige, der von der Regelung des Verwaltungsaktes materiell betroffen, aus diesem also berechtigt oder verpflichtet sein soll, vgl. Art. 37 BayVwVfG, § 157 Abs. 1 2 AO.

Wer in Anspruch genommen wird, ergibt sich durch Auslegung des Bescheids im Zusammenhang mit den Gründen. Wer tatsächlich in Anspruch zu nehmen ist, bestimmt das Fachrecht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 37 Rn. 16).

Aus der Fahrtenbuchauflage des Landratsamtes L … ergibt sich, dass nach dem Willen der Behörde der Kläger selbst zum Führen eines Fahrtenbuchs verpflichtet werden soll.

Eine Gesamtschau der Umstände, insbesondere die Begründung des Verwaltungsaktes ergibt nichts anderes: Das Landratsamt wollte den Bescheid gegen den Kläger persönlich erlassen. Dies bestätigt auch die Erwiderung der Behörde, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH und als natürliche Person dafür verantwortlich sei, das Fahrtenbuch zu führen und der Bescheid deshalb an ihn zu richten war. Er ist nach dem Willen der Behörde nicht nur Bekanntgabeadressat hinsichtlich eines Verwaltungsaktes gegen die GmbH, sondern Inhaltsadressat. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31a StVZO sind allerdings gegenüber dem Kläger nicht erfüllt. Er war zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht Halter des Kfz. Dies war die F … GmbH. Die juristische Person ist selbst Träger von Rechten und Pflichten, vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG. Ein Durchgriff auf die Geschäftsführung oder die Gesellschafter verbietet sich daher im Grundsatz (vgl. VG Magdeburg, NJW. 2001, 2418, 2419).

Auch der Umstand, dass der Kläger Alleingesellschafter der GmbH ist, ändert daran nichts. Sonst müsste der Kläger etwa bei einem Ausscheiden aus der GmbH die streitgegenständliche Fahrtenbuchauflage selbst erfüllen, obwohl Halter des Kfz die GmbH ist. Bei juristischen Personen, wie einer GmbH gilt das Prinzip der Fremdorganschaft, bei dem die Geschäftsführung und Vertretung von den Mitgliedern losgelöst ist und besonderen Organen übertragen wird.

Dem Landratsamt L … ist beizupflichten, soweit vorgebracht wird, der Kläger sei als Geschäftsführer für die Führung des Fahrtenbuchs verantwortlich. Dennoch ist die Auflage gegen die juristische Person selbst zu richten, da nur diese Halterin im Sinne des § 31 a StVZO ist. Als Geschäftsführer hat der Kläger dann die Verpflichtung der GmbH umzusetzen. In der StVZO findet sich gerade keine Regelung wie in der GewO, vgl. dort § 35 Abs. 7a GewO, die es erlaubt, den Verwaltungsakt an den Vertretungsberechtigten selbst zu richten. Auch aus dem tatsächlichen Vortrag des Beklagten ergeben sich keine Umstände, die für eine Haltereigenschaft des Klägers trotz Eintragung der F … GmbH als Halterin sprechen. Der Beklagte trägt vielmehr vor, dass ihm bekannt sei, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht Halter des Kfz war.

Auch hinsichtlich der Kostenentscheidung erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt als rechtswidrig.

Deshalb ist der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Bescheid war deshalb gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben.

Nach § 154 Abs. 1 VwGO hat der Beklagte als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.