Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 14. Okt. 2014 - 6 K 14.1209

bei uns veröffentlicht am14.10.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar, für den Beigeladenen jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich im Rahmen einer Nachbarklage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ...6/2 der Gemarkung ... (Anwesen E-straße 10 in B.). Hieran grenzt westlich das Grundstück Fl.Nr. ...8/10 (E-straße ... in B.) an, welches dem Beigeladenen gehört. Beide Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „A.“, der vom Gemeinderat der Gemeinde G... am 19.1.1972 beschlossen wurde. Dieser Bebauungsplan setzt in Nr. 2.1.17 unter „Zahl der Vollgeschosse“ eine Höchstgrenze von Erdgeschoss und einem Vollgeschoss (E+1) fest und bestimmt, dass ein Dachgeschossausbau unzulässig ist. In den textlichen Festsetzungen bestimmt er unter der Überschrift „Gebäude“, dass ein Kniestock unzulässig ist, der Überstand beim Ortgang und bei der Traufe jeweils mindestens 0,15 m und höchstens 0,5 m betragen darf und die Traufhöhe talseitig nicht über 6,50 m ab gewachsenem Boden liegen darf.

Mit Bauantrag vom 10.3.2014 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport. Gleichzeitig beantragte er die Erteilung einer Befreiung, dass er anstelle von Keller- und Erdgeschoss einen Keller und zwei Vollgeschosse bauen dürfe.

Nach Beschluss des Bauausschusses vom 27.3.2014 erteilte die Gemeinde B. am 2.4.2014 das Einvernehmen zum geplanten Bauvorhaben einschließlich der beantragten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans.

Mit Schreiben vom 22.4.2014 wandte sich der Kläger an das Landratsamt L. und beantragte, den Bauantrag des Beigeladenen abzulehnen, da das Bauvorhaben seine nachbarlichen Rechte tangiere.

Mit Schreiben vom 23.4.2014 beantragte der Beigeladene die Befreiung vom Bebauungsplan in folgenden Punkten:

Kniestock 2,23 m, Dachgeschossausbau, Traufhöhe Zwerchgiebel 6,9 m, Traufhöhe Garage 2,7 m, Dachüberstand Ortgang 1 m, Dachüberstand Traufe 0,9 m, Zahl der Vollgeschosse 3. Zur Begründung trug er vor, dass sich in unmittelbarer südlicher Nachbarschaft Gebäude mit ähnlicher Bauhöhe und in nördlicher Nachbarschaft höhere Gebäude befänden.

Auf Nachfrage des Landratsamts L., ob das gemeindliche Einvernehmen sich auch auf sämtliche Abweichungen vom Bebauungsplan erstrecke, erteilte die Gemeinde B. nach Beschluss des Bauausschusses vom 20.5.2014 am 3.6.2014 auch insoweit das gemeindliche Einvernehmen.

Mit am 21.5.2014 beim Landratsamt L. eingegangenen Schreiben wies der Kläger darauf hin, dass die asymmetrische Dachform zu einer Erhöhung des Hauses des Beigeladenen um ca. 0,7 m führe.

Mit Bescheid vom 23.6.2014 erteilte das Landratsamt L. dem Beigeladenen die beantragte Genehmigung zum Neubau seines Einfamilienhauses. Dabei wurden folgende Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „...“ der Gemeinde B. erteilt:

● Überschreitung der zulässigen Traufhöhe beim Wohnhaus um 0,40 m

● Überschreitung der zulässigen Traufhöhe bei der Garage um 0,20 m

● Errichtung eines Kniestocks mit einer Höhe von 2,23 m

● Überschreitung des zulässigen Dachüberstandes (Ortgang) um 0,50 m

● Überschreitung des zulässigen Dachüberstandes (Traufe) um 0,40 m

● Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse (§ 20 BauNVO)

● Ausbau des Dachgeschosses.

Außerdem wurde eine Abweichung von Art. 6 Abs. 9 BayBO wegen der Wandhöhe des Carports an der Grenze zugelassen.

Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans habe erteilt werden können, weil dadurch die Grundzüge der Planung noch nicht berührt würden und die Abweichungen städtebaulich verträglich seien. In unmittelbarer Umgebung des geplanten Objekts fänden sich bei der bereits bestehenden Bebauung Objekte mit gleichen oder ähnlichen Abweichungen vom Bebauungsplan. Insbesondere auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen seien die Abweichungen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da die notwendigen Abstandsflächen eingehalten würden.

Gegen diesen Bescheid, welcher dem Kläger am 25.6.2014 zugestellt wurde, hat dieser am 23.7.2014 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben.

Der Kläger trägt vor, dass der Genehmigungsbescheid in extremer Weise in die Grundzüge der Planung eingreife. Die südliche Straßenseite der Häuser an der E-straße weise mit einer Ausnahme eine durchgehend homogene Bebauung mit Untergeschoss und Erdgeschoss aus. Nur ein Ausnahmefall habe eine höhere Dachneigung. Die Besonderheit dieses Hauses sei wohl auch zum Teil einer fehlenden Hangneigung geschuldet. Im ganzen Baugebiet gebe es noch kein Gebäude mit drei Vollgeschossen. Bemerkenswert sei schon die Formulierung in der Baugenehmigung, dass die Grundzüge der Planung noch nicht berührt würden. Dies lasse auf Zweifel an der eigenen Entscheidung schließen. Neben dem Wunsch des Bauherrn nach Gestaltungsfreiheit müsse der Vertrauensschutz in eine öffentlich-rechtliche Norm stehen. Durch die Baugenehmigung würden seine Nachbarrechte verletzt, da der dreigeschossige Bau zu einer zusätzlichen markanten Verschattung der Westseite seines Hauses mit einer wesentlichen Einschränkung der freien Sicht, insbesondere durch den hohen Kniestock führe. Das asymmetrische Satteldach habe eine signifikante Höhenzunahme des Gebäudes zur Folge und bewirke eine finanziell belastende Minderung des Ertrages seiner Photovoltaikanlage. Zudem führe die Dreigeschossigkeit des Gebäudes zu einer Verdichtung im Baugebiet und damit zu einer nachbarlichen Belastung. Ländliche Baugebiete müssten anders als städtische Baugebiete behandelt werden. Zur weiteren Begründung beruft sich der Kläger auf die Verletzung der nachbarschützenden Verfahrensvorschrift des Art. 68 BayBO. Außerdem reklamiert er mit seiner Klage den Gebietserhaltungsanspruch. Die Festlegungen im Bebauungsplan zur Unzulässigkeit eines Kniestocks, zur maximalen Wandhöhe und zur Höchstgrenze bei der Geschosszahl hätten sehr wohl nachbarschützende Wirkung. Er beantrage als Indizien für den mutmaßlichen Willen der „Väter des Bebauungsplans“ Fotos zuzulassen, denen man entnehmen könne, dass eine Bebauung südlich der E-straße mit mehrstöckigen Wohnhäusern städtebaulich nicht vertretbar gewesen wäre. Die Außenkonturen des Vorhabens des Beigeladenen hielten die Vorgaben des Bebauungsplans nicht ein. Für den talseitigen Kniestock mit einer Höhe von 100 cm sei keine Befreiung erteilt worden. Der Bruder des Beigeladenen habe in der Bauausschusssitzung vom 20.5.2014 als außerordentliches Mitglied mitgewirkt, indem er Fragen beantwortet und Anträge gestellt habe. Traufhöhe der Garage und Dachüberstände seien für ihn kein Streitpunkt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Landratsamts L. vom 23.6.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landratsamt L. trägt vor, dass in der näheren Umgebung bereits eine gleiche oder ähnliche Bebauung mit gleichen oder ähnlichen Abweichungen vom Bebauungsplan bestehe. Nach fachlicher Feststellung sei das Vorhaben des Beigeladenen städtebaulich verträglich und füge sich in die vorhandene Umgebungsbebauung ein. Der Beigeladene habe die notwendigen Befreiungen und Abweichungen in seinem Schreiben vom 23.4.2014 nochmal präzisiert und erneut beantragt. Das Landratsamt habe die zahlreichen schriftlichen und persönlich vorgetragenen Einwände des Klägers gewürdigt, sei aber im Ergebnis zur Entscheidung gelangt, dass beim Vorhaben des Beigeladenen die Grundzüge der Planung noch nicht entscheidend gestört seien und dieses genehmigungsfähig sei. Die möglichen Einschränkungen seien für den Kläger zumutbar und im Rahmen der Sozialgemeinschaft einer geschlossenen Wohnsiedlung vertretbar.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls Klageabweisung.

Er schließt sich dem Vorbringen des Landratsamts an. Zudem trägt er vor, dass das Dachgeschoss auf dem klägerischen Anwesen entgegen den Festsetzungen des Bebauungsplans ausgebaut sei. Im Übrigen hätten die Festsetzungen des Bebauungsplans keine drittschützende Wirkung, ein entsprechender Wille der Gemeinde als Planungsträger sei nicht gegeben. Der Gebietserhaltungsanspruch habe keine Relevanz. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots des § 31 Abs. 2 BauGB sei nicht gegeben. Die Auswirkungen der Befreiung führten nicht zu für den Nachbarn besonderen belastenden Umständen, die über die bloße Abweichung von den planerischen Festsetzungen hinausgingen. Die Gesamthöhe des Gebäudes überschreite nicht das zulässige Maß. Die vom Kläger behauptete Verschattung werde bestritten, sei aber nicht relevant, zumal das Gebäude des Klägers selbst keineswegs symmetrisch gebaut sei.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins durch den Berichterstatter am 18.9.2014.

Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Behördenakten, die wechselseitigen Schriftsätze sowie den Inhalt der Niederschriften über die Beweisaufnahme am 18.9.2014 und die mündliche Verhandlung am 14.10.2014.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger wird durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Bauvorhaben des Beigeladenen ist im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „A.“ gemäß §§ 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 BauGB grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig. Eine Rechtsverletzung des Klägers ergibt sich auch nicht aus den dem Beigeladenen erteilten Befreiungen.

1) Die dem Beigeladenen erteilten Befreiungen decken alle Widersprüche des Vorhabens zum Bebauungsplan „A.“ ab. Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Klägers, dass eine Befreiung hinsichtlich des Kniestocks auf der Südseite des Vorhabens des Beigeladenen nicht erteilt worden ist. Zwar hat das Landratsamt ausdrücklich wegen „Errichtung eines Kniestocks mit einer Höhe von 2,23 m“ befreit, obwohl diese Höhenangabe nur auf den nordseitigen Kniestock zutrifft, während der südseitige Kniestock aufgrund der vom Beigeladenen gewählten asymmetrischen Dachform lediglich eine Höhe von 1,0 m aufweist. Es ist jedoch im Wege eines Erst-Recht-Schlusses offenkundig, dass die erteilte Befreiung, die den höheren Kniestock auf der Nordseite nennt, auch den niedrigeren Kniestock auf der Südseite mitumfassen soll, zumal aus der Tatsache, dass der südseitige Kniestock niedriger ist, auch keinerlei Rechtsbeeinträchtigungen des Klägers erkennbar sind.

2) Die dem Beigeladenen erteilten Befreiungen sind auch ausreichend bestimmt. Zur Bestimmtheit einer Regelung ist erforderlich, dass deren Inhalt für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist und auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden den Inhalt ihren etwaigen Entscheidungen zugrunde legen können (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 37, Rdnr. 5).

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus dem Text der dem Beigeladenen erteilten Genehmigung im Zusammenhang mit den genehmigten Plänen klar und unzweideutig, welchen Inhalt die dem Beigeladenen erteilten Befreiungen haben. Diese werden im Bescheid vom 23.6.2014 eindeutig benannt und beziffert. Soweit bei der Überschreitung der zulässigen Traufhöhe beim Wohnhaus um 0,40 m nicht ausgeführt wird, dass sich dies auf die Traufhöhe des Zwerchgiebels bezieht, ergibt sich hieraus schon deshalb keine Unbestimmtheit, auf die sich der Kläger berufen könnte, weil aus den Plänen, die Bestandteil der Baugenehmigung sind, hervorgeht, dass die Traufhöhe des Zwerchgiebels gemeint ist. Der Kläger befürchtet auch zu Unrecht, dass der Bescheid dem Beigeladenen eine Überschreitung der Traufhöhe um 0,40 m für das gesamte Wohnhaus gestatte, obwohl sie so nicht beantragt sei. Da in den vom Beigeladenen eingereichten und mit Genehmigungsvermerk versehenen Plänen eine solche Überschreitung beim Wohnhaus gerade nicht eingezeichnet ist, wäre sie auch nicht zulässig.

3) Soweit vom Beklagten Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt wurden, ist hinsichtlich des Nachbarschutzes danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden oder von nicht drittschützenden Vorschriften eines Bebauungsplans befreit wird (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris, Rdnr. 33;). Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so kann es nur zugelassen werden, wenn die Abweichung durch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB gerechtfertigt wird. In diesen Fällen hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - juris, Rdnr. 5). Auf den Rechtsbehelf des Nachbarn hin ist dann das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen für eine Befreiung in vollem Umfang nachzuprüfen. Wird dagegen von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans befreit, hat der Nachbar lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen (BayVGH, B. v. 24.3.2009, a. a. O.). Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dann nach den Maßstäben zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO zu beurteilen (vgl. BayVGH, B. v. 26.2.2014 - 2 ZB 14.101 - juris).

Eine im oben genannten Sinn drittschützende Wirkung von Festsetzungen eines Bebauungsplans besteht - mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung - nicht schon kraft Gesetzes. Dies gilt insbesondere für die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung. (BayVGH, B. v. 24.3.2009, a. a. O., Rdnr. 34). Vielmehr hängt die Frage, ob einer bestimmten Festsetzung des Bebauungsplans drittschützende Wirkung zukommt, vom Willen der planenden Gemeinde ab. Insoweit ist durch Auslegung des Bebauungsplans zu ermitteln, inwieweit die jeweilige Festsetzung Drittschutz vermitteln will (BVerwG, B. v. 9.10.1991 - 4 B 137/91 - juris). Ob eine Festsetzung in diesem Sinn auch dem Schutz eines bestimmbaren und von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis zu dienen bestimmt ist oder nicht, kann sich dabei aus dem Bebauungsplan selbst oder aus der Begründung ergeben (BayVG, B. v. 24.3.2009, a. a. O. m. w. N.).

Den im Bebauungsplan „„A.“ getroffenen Festsetzungen über das Maß der Bebauung (Zahl der Vollgeschosse, Unzulässigkeit des Dachgeschossausbaus) sowie über die Gebäude (Unzulässigkeit eines Kniestocks, Überstand von Ortgang bzw. Traufe sowie Höhe der zulässigen Traufhöhe) kommt keine nachbarschützende Wirkung zu. Im vorliegenden Fall ergeben sich nämlich weder aus dem Bebauungsplan selbst noch aus seiner Begründung irgendwelche Hinweise, dass seitens der Gemeinde B. eine nachbarschützende Zielrichtung mit den getroffenen Festsetzungen, von denen befreit wurde, verfolgt werden sollte. Soweit sich aus der knapp gehaltenen Begründung überhaupt Hinweise auf eine Zielrichtung entnehmen lassen, sprechen diese vielmehr dafür, dass mit den Festsetzungen städtebauliche Ziele verfolgt werden sollten. So erläutert die Begründung zum Bebauungsplan unter III, dass der Bebauungsplan innerhalb seines Geltungsbereichs eine „geordnete bauliche Entwicklung des Gemeindegebiets sowie eine wirtschaftliche und sinnvolle Erschließung der Baugrundstücke“ sicherstellen solle. Eine gesonderte Begründung für die unter Nr. 2.1.17 (Maß der baulichen Nutzung) getroffenen textlichen Festsetzungen, wurde nicht gegeben.

Auch aus den sonstigen Umständen ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Gemeinde B. beim Beschluss des Bebauungsplans „...“ eine nachbarschützende Zielsetzung bei dessen Festsetzungen beabsichtigt hat. Soweit sich der Kläger auf die von ihm vorgelegten Fotos und die dort sichtbare Höhenentwicklung der Bauplätze südlich der E...straße als Indizien für einen mutmaßlichen planerischen Willen der „Väter des Bebauungsplans“ beruft, folgt auch daraus keine nachbarschützende Zielrichtung. Auch der Kläger selbst führt aus, dass eine höhere Bebauung nach dem planerischen Willen im Hinblick auf das nach Süden um ein bis zwei Stockwerkshöhen abfallende Gelände „städtebaulich nicht vertretbar“ gewesen sei. Dass neben dieser städtebaulichen Überlegung auch nachbarschützende Gesichtspunkte bei den Festsetzungen des Bebauungsplans eines Rolle gespielt haben, wird dadurch aber gerade nicht belegt.

Fehlen wie im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass der Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse eine Schutzwirkung zugunsten des Grundstücks des Klägers zukommen sollte, ist in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung von einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen auszugehen (BayVGH, B. v.24.3.2009, a. a. O., Rdnr. 36 f; zuletzt VG Augsburg, U. v. 14.5.2014 - Au 4 K 13.1143 - juris). Dies hat zur Folge, dass offen bleiben kann, ob die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB eingehalten wurden.

4) Nachbarschutz besteht demgemäß lediglich im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme. Dieses findet bei der Gewährung von Befreiungen bezüglich nicht nachbarschützender Vorschriften gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über das Tatbestandsmerkmal der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung und soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Es vermittelt insoweit Drittschutz, als die Baugenehmigungsbehörde hierdurch gezwungen wird, in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter zu achten. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der Rechtsprechung wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (BVerwG, U. v. 28.20.1993 - 4 C 5.93). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksicht verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatzpunkt kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. (BayVGH, B. v. 24.3.2009, a. a. O., Rdnr. 40 m. w. N.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe besteht vorliegend keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich einige der vom Beklagten beantragten Befreiungen nicht oder nur in sehr geringem Umfang auf das Grundstück des Klägers auswirken. Namentlich gilt dies für die Überschreitung der zulässigen Traufhöhe bei der Garage sowie für die Überschreitung des zulässigen Dachüberstands bei Ortgang und Traufe, von denen der Kläger beim Ortstermin selbst erklärt hat, dass es ihm hierauf nicht ankomme.

Auch bezüglich der anderen Befreiungen bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Insbesondere liegt keine fehlerhafte oder unzureichende Ermessensausübung seitens des Beklagten vor. Vielmehr hat sich das Landratsamt L. im angefochtenen Bescheid mit den Belangen des Klägers auseinandergesetzt und dessen Interessen gewürdigt, indem es zur Begründung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit nachbarlichen Belangen angeführt hat, dass die notwendigen Abstandsflächen eingehalten werden. Diese knappe Würdigung genügt den an die Ausübung des Ermessens zu stellenden Anforderungen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung zumindest aus tatsächlichen Gründen im Regelfall nicht verletzt sein wird, wenn die Abstandsflächenvorschriften - wie hier - eingehalten sind (BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 15 CS 13.1561 - juris, Rdnr. 15 m. w. N.).

Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist zudem zu berücksichtigen, dass letztlich weder die Befreiung vom Verbot eines Kniestocks noch die Befreiung von der Überschreitung der zulässigen Traufhöhe beim Wohnhaus, die sich nur auf den Zwerchgiebel bezieht, dazu führt, dass das Hauptgebäude des Beigeladenen höher wird als dies auch bei Beachtung sämtlicher Maßgaben des Bebauungsplans „A.“ zulässig wäre.

Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus der vom Kläger befürchteten Verschattung seiner Photovoltaikanlage. Selbst wenn durch das Vorhaben des Beigeladenen eine solche Verschattung hervorgerufen würde, was im Übrigen nicht glaubhaft gemacht ist, könnte dies keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme begründen, da mit der Einhaltung der Abstandsfläche zugleich feststeht, dass der Kläger eine gegebenenfalls durch das streitgegenständliche Bauvorhaben hervorgerufene Beeinträchtigung seiner Photovoltaikanlage hinnehmen muss (VG Regensburg, B. v. 12.7.2013 - RN 6 S 13.859). Dies folgt schon daraus, dass Wertminderungen für sich genommen keinen Maßstab dafür bilden, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht (BayVGH, B. v. 12.12.2013, a. a. O.). Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist vielmehr bei der Prüfung der Schutzwürdigkeit der baurechtlichen Stellung des Betroffenen zu berücksichtigen, dass ein Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, es nicht in der Hand hat, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaukarkeit anderer Grundstücke zu nehmen (BayVGH, B. v. 12.12.2013, a. a. O.).

5) Eine Verletzung nachbarlicher Rechte besteht auch nicht aufgrund der Nichteinhaltung drittschützender Verfahrensvorschriften.

Soweit sich der Kläger auf die Mitwirkung des Bruders des Beigeladenen in der Sitzung vom 20.5.2014 als „außerordentliches Bauausschussmitglied“ beruft, indem dieser Fragen beantwortete und Anträge stellte, ist dies weder rechtlich zu beanstanden noch könnte es die Verletzung einer drittschützenden Norm begründen. Ein Verstoß gegen Art. 49 Abs. 1 i. V. m. Art. 55 Abs. 1 GO liegt schon deshalb nicht vor, da diese Vorschrift lediglich die Beratung und Abstimmung der jeweiligen Ausschussmitglieder verbietet, aber nicht, dass ein Mitglied des Gemeinderats, der nicht Mitglied des betreffenden beschließenden Ausschusses ist, dort die Interessen seines Bruders wahrnimmt. Im Übrigen würde auch eine Verletzung der Vorschriften der GO kein subjektiv-öffentliches Recht des Klägers begründen.

Ebenso ist eine Verletzung der grundsätzlich drittschützenden Verfahrensvorschrift des Art. 68 Abs. Satz 2 BayBO auszuschließen. Nach dieser Vorschrift ist eine Baugenehmigung zu begründen, soweit ohne Zustimmung des Nachbarn von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen wird. Wie oben ausführlich dargestellt wurde, liegt jedoch zum Einen gerade keine Befreiung von nachbarschützenden, sondern eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Vorschriften vor. Zum Anderen liegt eine zwar knappe, aber doch ausreichende Begründung darin, dass das Landratsamt auf die Einhaltung der Abstandsflächen verweist.

Nachdem auch sonst keinerlei Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften erkennbar sind, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entsprach dabei der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 05. Sept. 2018 - RN 6 S 18.1219

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(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden.

(2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 zulässig sind.

(3) Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

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Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann als Nachbar die Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. grundlegend BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8). Bei einer Befreiung von nicht drittschützenden Festsetzungen kann der Nachbar lediglich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen. Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung dann zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8).

Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ-RR 1996, 170; BayVGH, B. v. 31.3.2005 - 2 ZB 04.2673 - juris), dass den Festsetzungen eines Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zukommt, sondern vielmehr im Einzelfall zu ermitteln ist, ob sie nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen oder ausnahmsweise (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinn eines Austauschverhältnisses dienen sollen.

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hinsichtlich der hier erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans keine Bedenken, da keine der Festsetzungen im konkreten Fall nachbarschützende Wirkung entfaltet. Hierzu enthält die Begründung des Zulassungsantrags auch keine Ausführungen.

a) Erteilt wurde eine Befreiung von der Festsetzung A) 10.1 „Dachform im nördlichen Teil des Planes zwischen F.- und T-straße für die Atrium-Häuser Flachdach mit Innenentwässerung“. Diese Festsetzung steht bereits unter dem Titel „Äußere Gestaltung“. Der Feststellung des Erstgerichts, dass diese Festsetzung für sich gesehen lediglich gestalterischen Charakter hat, ist der Kläger in seiner Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht substantiiert entgegen getreten. Vielmehr beruft er sich insoweit lediglich darauf, dass eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO (wohl nach Art. 63 Abs. 1 BayBO) hätte erteilt werden müssen und dass das nunmehr genehmigte 18° geneigte Walmdach seinen Gebietsgewährleistungsanspruch verletze. Die Wahl der falschen Rechtsgrundlage ist hier jedoch nachbarrechtlich nicht relevant, da insoweit bei einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Nachbarrechtsverletzung ebenfalls nur in Betracht kommt, wenn von einer nachbarschützenden Festsetzung abgewichen werden soll (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.1999 - 2 B 96.1048 - BayVBl. 2000, 532), was hier gerade nicht der Fall ist.

Hinsichtlich des Carports sowie des Wintergartens erfolgten Befreiungen bezüglich der überbaubaren Fläche (A) 5.), da der Carport nach Osten die dort festgesetzte Baulinie und der Wintergarten nach Süden die dort festgesetzte Baugrenze überschreitet. Allenfalls der Baulinie nach Norden, welche die Grenzbebauung für die Atriumbauweise festsetzt, könnte eine nachbarschützende Wirkung zukommen. Diese wird aber nicht überschritten, so dass insoweit auch keine Befreiung erfolgte. Im Übrigen fehlt zu diesen Befreiungen jeglicher Vortrag des Klägers in der Begründung seines Berufungszulassungsantrags.

Die Festsetzung A) 4.3 von „0,6 als maximale Grund- und Geschoßflächenzahl für die eingeschossigen Atriumhäuser (§ 17 Abs. 2 BauNVO)“ ist per se nicht nachbarschützend (vgl. BVerwG, B. v. 20.9.1984 - 4 B 202/84 - NVwZ 1985, 748). Abgesehen davon wurde eine Befreiung von dieser Festsetzung in der Baugenehmigung vom 19. September 2013 nicht erteilt.

Da im Ergebnis lediglich von nicht nachbarschützenden Festsetzungen Befreiungen erteilt wurden, kommt es auf alle übrigen denkbaren Fehler, die von Klägerseite vorgetragen wurden, wie Fehlen einer Atypik und Berührung der Grundzüge der Planung, nicht entscheidungserheblich an, weil diese Fehler, sollten sie denn vorliegen, die Rechte des Klägers nicht berühren würden (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8).

b) Auch ein möglicher Gebietsbewahrungs- bzw. Gebietserhaltungsanspruch des Klägers ist nicht verletzt. Dieser wurde als neues Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151) und zunächst aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB hergeleitet, später dann direkt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG, U. v. 23.8.1996 - 4 C 13/94 - BVerwGE 101, 364; BayVGH, B. v. 26.5.2008 - 1 CS 08.881/882 - BauR 2008, 1556; U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl. 2013, 51; Stühler, BauR 2011, 1576/1577). Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. Stühler, BauR 2011, 1576/1577; Decker, JA 2007, 55/56). Denn die Festsetzungen von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwG, BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; U. v. 23.8.1996 - 4 C 13/94 - BVerwGE 101, 364; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583; BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl. 2013). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, U. v. 11.5.1989 - 4 C 1/88 - BVerwGE 82, 61; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583). Anwendungsfall im Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundstückseigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583). Im Rahmen dieses nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Hinsichtlich der Frage, ob auch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs Relevanz besitzen können, hat sich das Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ 1996, 170) klar geäußert. Zwar gilt auch insoweit, dass der Nachbarschutz auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses beruht. Der Grundstückseigentümer kann deshalb grundsätzlich die Beachtung öffentlich-rechtlicher Beschränkungen auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen, weil und soweit er selbst in der Ausnutzung seines Grundstücks solchen Beschränkungen unterworfen ist. Allerdings werden die Planbetroffenen durch die Maßfestsetzungen eines Bebauungsplans nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in der gleichen Weise zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden, wie das für die Festsetzungen der Art der Nutzung angenommen wird. Das spielt vor allem für die Frage eine Rolle, ob der Nachbarschutz eine spürbare Beeinträchtigung im Einzelfall voraussetzt. Dies hat das Bundesverwaltungsgerichts bei der Anerkennung des Gebietserhaltungsanspruchs im Fall einer baugebietswidrigen Nutzungsart verneint, weil durch das baugebietswidrige Vorhaben, das zwar für sich gesehen noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führen mag, gleichwohl typischerweise eine „schleichende“ Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird. Mit dieser Situation sind jedoch Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht vergleichbar, weil diese in der Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben. Zum Schutz des Nachbarn ist daher das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme des § 31 Abs. 2 BauGB ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Eine einzelne Literaturmeinung (vgl. Wolf NVwZ 2013, 247/250), welche davon ausgeht, dass erst die Gesamtheit der Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung den Charakter eines geschützten Baugebiets schafft, setzt sich hingegen nicht damit auseinander, dass das Maß der baulichen Nutzung lediglich das Baugrundstück und die unmittelbar angrenzenden Grundstücke betrifft. In aller Regel setzt ein Bebauungsplan die Art der baulichen Nutzung für einen größeren Bereich des Plangebiets einheitlich fest, wohingegen das Maß der baulichen Nutzung kleinräumig variieren kann, wie es auch im vorliegenden Bebauungsplan der Fall ist, welcher hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung im Norden eingeschossige Atriumhäuser und im Süden zweigeschossige Reihenhäuser, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung das ganze, vergleichsweise kleine Baugebiet jedoch als reines Wohngebiet festsetzt. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Gebietserhaltungsanspruch um ein von der Rechtsprechung entwickeltes Instrument zur Abwehr von Unbilligkeiten, welches nicht beliebig ausgeweitet werden kann und soll.

Im vorliegenden Fall bemüht der Kläger zudem im Wesentlichen die Festsetzung hinsichtlich des Flachdachs zur Begründung eines Gebietserhaltungsanspruchs. Insoweit handelt es sich um eine gestalterische Festsetzung und nicht um eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung, was der Kläger selbst vorträgt. Dies mag den architektonischen Charakter dieser Häusergruppe prägen, auf dessen Erhalt der Kläger jedoch keinen Anspruch hat. Eine Ausdehnung des Gebietserhaltungsanspruchs auf gestalterische Festsetzungen eines Bebauungsplans fordert selbst die vom Kläger vorgetragene Literaturmeinung nicht. Insoweit ist zudem nicht erkennbar, wie die Nutzungsmöglichkeiten des klägerischen Grundstücks durch diese Festsetzung eingeschränkt werden sollten. Für den Charakter von Atrium- oder Gartenhäusern ist zudem die Dachform eines Flachdachs nicht zwingend und damit nicht allgemein prägend. Auch andere Dachformen sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich möglich. Darüber hinaus lässt sich dem Bebauungsplan entnehmen, dass zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits sechs der acht Atriumhäuser errichtet und als Bestand im Planteil eingezeichnet waren. Lediglich die Grundstücke FlNrn. 1827/9 und 1827/21 sind noch als unbebaut dargestellt. Ebenso war der südliche Reihenhausbereich bereits vollständig bebaut. Im Übrigen wirken sich auch gestalterische Festsetzungen in der Regel ebenso wie die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nur auf die unmittelbare Umgebung eines Baugrundstücks aus. Dies zeigt auch der hier maßgebliche Bebauungsplan, der Flachdächer lediglich für die nördlichen Atriumhäuser, für die südlichen Reihenhausgruppen jedoch ein Satteldach mit einer maximalen Dachneigung von 40° und einer einheitlichen Farbgebung in rotbraun oder anthrazit innerhalb des einheitlichen reinen Wohngebiets festsetzt. Eine Ausdehnung des Gebietserhaltungsanspruchs auch auf Festsetzungen, welche nur für Teilbereiche eines Baugebiets mit gleicher Art der baulichen Nutzung gelten, würde zudem die Abgrenzung der einzelnen Gebiete voneinander deutlich erschweren und zu teils sehr kleinteiligen Gebieten führen, da gestalterische Festsetzungen und Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung innerhalb eines Baugebiets stark variieren können. Dagegen wird die Art der baulichen Nutzung grundsätzlich für einen größeren Bereich festgesetzt und die Grenzen sind klar im Plan selbst z. B. durch entsprechende Planzeichen (sog. Knödellinie) klar definiert.

c) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist ebenso wenig gegeben. Auch hierzu fehlen substantiierte Ausführungen des Klägers in seiner Begründung des Zulassungsantrags. Das eingeholte Verschattungsgutachten (vgl. Bl. 36 der Bauakte) zeigt, dass eine zusätzliche geringfügige Verschattung des klägerischen Grundstücks durch das Walmdach mit einer Dachneigung von 18° lediglich in der Mittagszeit an einigen Tagen im Dezember zu erwarten ist. Eine solche geringfügige zusätzliche Verschattung stellt jedoch keine unzumutbare Beeinträchtigung dar. Der Wintergarten wird im Süden des Baugrundstücks - außerhalb des Bauraums - errichtet. Dies tangiert den Kläger jedoch ebenfalls nicht, da es sich um die von seinem Grundstück abgewandte Gebäudeseite handelt. Der Carport wird an die Ostfassade des Gebäudes der Beigeladenen, unmittelbar an die Grenze zum klägerischen Grundstück angebaut, jedoch lediglich in einer Tiefe von 3 m. Durch die versetzt gebauten Baukörper wird der Carport teilweise durch das Gebäude des Klägers verdeckt und betrifft ansonsten den Vorgarten. Aufgrund der offenen Bauweise eines Carports ist auch insoweit nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob über den anerkannten Fall des Gebietserhaltungsanspruchs hinaus ein solcher Anspruch auch bei Verfremdung eines Gebietscharakters durch andere Abweichungen von wesentlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans anerkannt werden muss. Dabei beruft sich der Kläger auf eine Literaturmeinung (vgl. Wolf NVwZ 2013, 247/250). Nach dieser Auffassung soll der abstrakt-generelle Gebietserhaltungsanspruch auf die Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung ausgedehnt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ 1996, 170) jedoch ausdrücklich abgelehnt und festgestellt, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugrundstück selbst und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben. Daher seien die Planbetroffenen gerade nicht in gleicher Weise einer „Schicksalsgemeinschaft“ unterworfen wie bei den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung. Zum Schutz des Nachbarn ist deshalb hier das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme aus § 31 Abs. 2 BauGB ausreichend, welches eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Der Kläger will den Gebietserhaltungsanspruch nun auch auf rein gestalterische Festsetzungen wie die Dachform ausdehnen. Eine vereinzelte Literaturmeinung begründet zum einen nicht erneut die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage, die bereits durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden ist (vgl. auch die Ausführungen unter Ziffer 1.). Zum anderen beschränkt sich die Literaturmeinung auf die Erweiterung des Gebietserhaltungsanspruchs auf Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, fordert aber nicht auch die Einbeziehung von gestalterischen Festsetzungen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl. 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Im Übrigen haben die Beigeladenen keinen Antrag gestellt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.