Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 12. Mai 2017 - 3 L 539/17.NW
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann sowohl mit seinem Haupt- als auch mit seinem Hilfsantrag keinen Erfolg haben.
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1. Der Hauptantrag, den Beigeladenen vorläufig zu untersagen, dass auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … in A-Dorf ein Bauvorhaben durchgeführt wird, bei dem im von der Straße abgewandten Grundstücksteil ein Versprung des neuen Gebäudes gegenüber dem bestehenden Gebäude der Antragstellerin auf dem Nachbargrundstück Flurstück-Nr. … realisiert wird, scheitert schon an dem Umstand, dass vorliegend ausschließlich der Antragsgegner und nicht der Beigeladene verpflichtet werden kann, bauaufsichtlich einzuschreiten.
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2. Der Hilfsantrag, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Beigeladenen vorläufig die Realisierung des genannten Bauvorhabens zu untersagen, ist zwar zulässig (2.1.), in der Sache aber unbegründet (2.2.).
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2.1. Das genannte Begehren ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Da für das Bauvorhaben der Beigeladenen keine Baugenehmigung ergangen ist, dieses vielmehr im Wege des Freistellungsverfahrens gemäß § 67 Landesbauordnung – LBauO – verwirklicht werden soll, richtet sich der vorläufige Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO (s. ausführlich zum vorläufigen Rechtsschutz eines Nachbarn bei genehmigungsfreigestellten Vorhaben Bamberger, NVwZ 2000, 983; Uechtritz, BauR 1998, 719). Wurde – wie hier – mit den Bauarbeiten bereits begonnen, steht dem Nachbarn die Möglichkeit zu, von der Bauaufsichtsbehörde die einstweilige Stilllegung der Bauarbeiten nach Maßgabe des § 80 Abs. 1 LBauO zu verlangen. Da der Antragsgegner zum Erlass einer Baueinstellungsverfügung jedoch nicht bereit ist, kann das Gericht diesen im Wege einer einstweiligen Anordnung hierzu verpflichten.
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Die Antragstellerin ist auch analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie sich möglicherweise auf eine Verletzung der Festsetzungen des Bebauungsplans „…“ der Gemeinde … berufen kann. Sie kann geltend machen, dass es sich bei dem angebauten Gebäudeteil der Beigeladenen möglicherweise nicht um ein Element einer – im Bebauungsplan zugelassenen – Hausgruppe handelt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 8 B 11203/15.OVG –, BauR 2016, 791).
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2.2. Der Hilfsantrag der Antragstellerin ist in der Sache aber unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist eine einstweiligen Anordnung zulässig, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich er-schwert werden könnte. Der Erlass einer solchen Sicherungsanordnung kommt hier in Betracht, denn der Antragstellerin geht es um den vorläufigen Erhalt des status quo. Durch die weitere Bebauung des Nachbargrundstücks droht eine Veränderung des bestehenden Zustandes und eine Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin – nämlich ihres Anspruchs gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Einschreiten, da dieses Recht bei Realisierung des Bauvorhabens zumindest „wesentlich erschwert“ werden könnte.
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Die Voraussetzungen einer Sicherungsanordnung sind hier aber nicht gegeben. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner auf Einstellung der Bauarbeiten auf dem streitgegenständlichen Grundstück der Beigeladenen nach § 80 Abs. 1 LBauO glaubhaft gemacht.
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Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Bauarbeiten anordnen, die im Widerspruch zu baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeführt werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans „...“ der Gemeinde … befinden sich sowohl das Grundstück der Antragstellerin als auch das Baugrundstück in einem allgemeinen Wohngebiet in einem Teilbereich, für den zwei Vollgeschosse, offene Bauweise mit Hausgruppen, eine Baugrenze von 15 m, eine Grundflächenzahl von 0,3 und eine Geschossflächenzahl von 0,6 vorgegeben sind. Nach Ziffer A 2.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans darf die Tiefe der Hauptbaukörper nicht mehr als 12 m betragen. In Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen ein Bauvorhaben eines Dritten ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Bebauungsplans auszugehen, wenn dieser nicht offensichtlich unwirksam ist (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 2 B 48/12 –, juris; VG Neustadt, Beschluss vom 3. März 2017 – 4 L 216/17.NW –). Da Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirksamkeit weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, legt die Kammer den genannten Bebauungsplan ihrer weiteren Prüfung daher zugrunde.
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Das Bauvorhaben der Beigeladenen, das auf der Grundlage des § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch – BauGB – im Freistellungsverfahren nach § 67 LBauO errichtet werden soll, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren schützenswerten Nachbarrechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
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Voraussetzung eines Abwehrrechts des Nachbarn gegen das Vorhaben des Bauherrn ist, dass dieses gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Ein Rechtsbehelf des Nachbarn ist nicht schon dann erfolgreich, wenn der angefochtene Verwaltungsakt gegen objektives Recht verstößt, sondern nur dann, wenn der Nachbar dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1997 – 4 B 167.96 –, NVwZ-RR 1998, 457; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 8 B 10011/12.OVG –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. November 2016 – 7 A 775/15 –, juris). Nichts anderes kann gelten, wenn der Nachbar im Freistellungsverfahren bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Bauherrn begehrt (vgl. zum Prüfungsmaßstab im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bei baugenehmigungsfrei gestellten Bauvorhaben Bay. VGH, Beschluss vom 26. Juli 1996 – 1 CE 96.2081 –, NVwZ 1997, 923); d.h. der Nachbar muss sich auf die Verletzung einer drittschützenden Bestimmung berufen.
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Danach verstößt das umstrittene Bauvorhaben weder gegen nachbarschützende Festsetzungen des Bebauungsplans „…“ der Gemeinde … (2.2.1.) noch gegen das Gebot der Rücksichtnahme (2.2.2.).
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2.2.1. Das Bauvorhaben der Beigeladenen hält nach Auffassung der Kammer die im genannten Bebauungsplan festgesetzte offene Bauweise ein. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 Baunutzungsverordnung – BauNVO – dürfen in der offenen Bauweise Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet werden. Die Festsetzung der offenen Bauweise betrifft ausschließlich die Stellung der Gebäude in Bezug auf Grundstücksgrenzen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 8 B 11203/15.OVG –, BauR 2016, 791 m.w.N.), hier also die Grenze zwischen den Grundstücken der Antragstellerin und den Beigeladenen. Bei der Zulassung von Doppelhäusern und Hausgruppen handelt es sich um eine vom Verordnungsgeber zugelassene Modifikationen der offenen Bauweise. Denn es wird gerade ein Anbau an einer bzw. beiden seitlichen Grundstücksgrenzen ermöglicht, was man deshalb für hinnehmbar hält, weil die Hausform insgesamt wegen ihrer maximalen Länge von 50 m (§ 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) und den seitlichen Grenzabständen immer noch an der gewollten aufgelockerten Bebauung teilhat (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12.98 –, NVwZ 2000, 1055).
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Das Bauvorhaben der Beigeladenen stellt sich nach Ansicht der Kammer als Teil einer in der offenen Bauweise neben einem zulässigen Doppelhaus ebenfalls zulässigen Hausgruppe dar.
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Ein Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12/98 –, NVwZ 2000, 1055). Bei einer aus mehr als zwei Häusern bestehenden Hausgruppe auf benachbarten Grundstücken müssen die innerhalb der Gesamtbaukörper selbständigen Gebäudeeinheiten an eine seitliche Grundstücksgrenze (Reihenendhäuser) bzw. an beide seitlichen Grundstücksgrenzen (Reihenmittelhäuser) gebaut werden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –, BauR 2015, 239; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juli 2010 – 7 A 44/09 –, NVwZ-RR 2010, 911). Eine Hausgruppe im klassischen Sinn ist eine Gruppe von Reihenhäusern. Der Begriff der Hausgruppe ist jedoch insoweit auch für andere Bauformen offen. Die genannte Definition beschränkt den Begriff einer Hausgruppe dabei gerade nicht auf das Aneinanderbauen an der jeweils seitlichen Grundstücksgrenze. Lediglich die Frage der offenen Bauweise regelt sich über die Stellung der Gebäude in Bezug auf die seitlichen Grundstücksgrenzen, welche von der das jeweilige Grundstück erschließenden öffentlichen Verkehrsfläche aus zu beurteilen ist (Bay. VGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 2 BV 13.789 –, juris).
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Die Hausgruppenfestsetzung in der offenen Bauweise gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist nachbarschützend. Der bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses: Weil und soweit der einzelne Eigentümer gemeinsam mit anderen – benachbarten – Eigentümern in der Ausnutzung seines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er grundsätzlich deren Beachtung auch im Verhältnis zu den anderen Eigentümern verlangen. Der wechselseitige Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, der den Begriff des Doppelhauses in der offenen Bauweise prägt, begründet ein derartiges nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf. Diese Vorgaben gelten entsprechend für Hausgruppen, weil zwischen einem Reihenendhaus und einer Doppelhaushälfte ohnehin Kongruenz besteht und weil für die Reihenmittelhäuser durch den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen ebenfalls eine Wechselbeziehung vergleichbar der von Doppelhaushälften besteht (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –, BauR 2015, 239).
- 18
Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine Verletzung des § 22 BauNVO zu Lasten eines Grundstückseigentümers anzunehmen ist, sind alleine die Verhältnisse innerhalb der jeweiligen Hausgruppe (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –, BauR 2015, 239). Der Grundstücksnachbar innerhalb der Hausgruppe kann verlangen, dass ein Anbau an die gemeinsame Grundstücksgrenze unter Beachtung der hierfür geltenden bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen erfolgt.
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Die ein Doppelhaus bzw. eine Hausgruppe im genannten Sinn bildenden Gebäude müssen nicht vollständig oder zumindest im Wesentlichen deckungsgleich errichtet werden. Die einzelnen Gebäudeeinheiten können vielmehr auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden, sie müssen jedoch in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut sein. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach quantitativen und qualitativen Merkmalen. In welchem Umfang die beiden Haushälften zusammengebaut sein müssen, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen; verlangt ist vielmehr eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12/98 –, NVwZ 2000, 1055 und BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.14 –, BauR 2015, 1309). Quantitative Kriterien sind neben der Bebauungstiefe und –breite, der Geschossigkeit und der Gebäudehöhe auch das oberirdische Brutto-Raumvolumen. Bei dem qualitativen Element geht es um eine spezifische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes. Die Gebäudeeinheiten müssen diesbezüglich zwar nicht deckungsgleich oder spiegelbildlich sein, jedoch ein Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 8 B 11203/15.OVG –, BauR 2016, 791; Bay. VGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 2 BV 13.789 –, juris). Der Grundstücksnachbar innerhalb der jeweiligen Hausgruppe kann sich darauf berufen, dass das angebaute Gebäude der Hausgruppe nicht nur hinsichtlich der unmittelbar grenzständigen Gebäudeteile verträglich ist, sondern auch im Übrigen den Anforderungen an die notwendige Einheit der Hausform genügt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 8 B 11203/15.OVG –, BauR 2016, 791).
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Vor diesem Hintergrund hält sich das Vorhaben der Beigeladenen im Rahmen der in einer offenen Bauweise gestatteten wechselseitigen Grenzbebauung.
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Das bereits vor Jahren errichtete etwa 9,60 m tiefe Reihenmittelhaus der Antragstellerin ist eines von vier Reihenhäusern innerhalb einer Hausgruppe und befindet sich innerhalb der durch Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze, die 5 m jenseits der Straßenbegrenzungslinie beginnt. Der Abstand zwischen der vorderen und der hinteren Baugrenze beträgt 15 m. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans darf die Tiefe des Hauptbaukörpers bis zu 12 m betragen. Die Antragstellerin hat den planerisch eröffneten Freiraum daher nicht ausgeschöpft. Der Baukörper des geplanten Reihenendhauses der Beigeladenen nimmt innerhalb des Baufensters einschließlich der Terrasse – diese ist als Bestandteil des Gebäudes anzusehen und muss daher innerhalb der Baugrenze liegen (s. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Februar 2017 – 1 ZB 15.2215 –, juris) – 14,20 m in Anspruch, wobei das Gebäude innerhalb der Baugrenze 3 m tiefer errichtet werden soll als das Reihenmittelhaus der Antragstellerin.
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Zwar können sich die Beigeladenen nicht schon darauf berufen, ihr Gebäudekörper liege vollständig innerhalb der durch Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze. Durch die Festsetzung von Baugrenzen wird nur ein äußerer Rahmen gesetzt, der nicht überschritten (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO), aber nur insofern ausgeschöpft werden darf, als dies unter Berücksichtigung sonstiger Festsetzungen zulässig ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14 –, juris).
- 23
Gleichwohl hat die Antragstellerin als Nachbarin keinen Anspruch darauf, dass die bei der Errichtung ihres Reihenmittelhauses gewählte Gebäudetiefe in demselben Umfang bestehen bleibt und die Beigeladenen als angrenzende Nachbarn bei der Gestaltung ihres Gebäudes dergestalt bindet. Bauherren, die, wie die Antragstellerin, in Ausnutzung einer Hausgruppen-Festsetzung einen Grenzbau errichten, ohne dass auf dem Nachbargrundstück ein Gebäude zeitgleich angebaut wird, können nicht erwarten, dass der später errichtete Grenzanbau die überbaubare Grundstücksfläche nur in demselben eingeschränkten Umfang wie die zuerst gebaute Gebäudeeinheit ausnutzt. Die Bauherren tragen – sozusagen als planerische Vorbelastung – das Risiko, dass die nachfolgende Nachbarbebauung den planerisch eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als sie selbst. Dennoch muss sich der spätere Bau an der Grenzstellung des früheren orientieren und in eine „harmonische Beziehung“ zu diesem treten. Der frühere Grenzbau wirkt daher für den späteren als maßstabsbildende „Vorbelastung“. Das kann im Einzelfall für den späteren Bau bedeuten, dass er die überbaubare Grundstücksfläche nicht voll ausschöpfen darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12/98 –, NVwZ 2000, 1055; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –, BauR 2015, 239).
- 24
Bei der hier vorzunehmenden Einzelfallabwägung ist daher alleine darauf abzustellen, ob die zueinander versetzten an der Grenze errichteten Gebäudeeinheiten der Antragstellerin und der Beigeladenen in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Dies ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen.
- 25
Was den Versprung von 0,80 m an der straßenzugewandten Seite des Reihenendhauses der Beigeladenen anbetrifft, so verfügt bereits das Reihenendhaus auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …, A-Straße …, über einen Versprung von mehr als 1 m (s. das Lichtbild auf Blatt 47 der Gerichtsakte). Der Versprung von 0,80 m ist daher als vollkommen unproblematisch anzusehen.
- 26
Der Charakter einer Hausgruppe geht vorliegend auch nicht durch den Versprung von 3 m an der gartenzugewandten Seite des Anwesens der Beigeladenen verloren. Die Gebäudehöhe des Reihenmittelhauses der Antragstellerin und des geplanten Reihenendhauses der Beigeladenen ist mit 9,31 m bzw. 9,39 m im Wesentlichen gleich, ebenso die Bebauungsbreite mit ca. 5,60 m bzw. 6,05 m. Beide Gebäude verfügen über jeweils zwei Vollgeschosse. Während das Gebäude der Antragstellerin etwa 9,60 m tief ist, beträgt die Bebauungstiefe des Gebäudes der Beigeladenen knapp 12 m, wobei 9 m davon am Gebäude der Antragstellerin angebaut werden. Damit sind die beiden Gebäude noch zum weit überwiegenden Teil aneinandergebaut; an der Einheitlichkeit der Gesamtkubatur ändert sich nichts (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 – 8 C 10974/14 –, juris und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –, BauR 2015, 239). Das oberirdische Brutto-Raumvolumen des Anwesens der Beigeladenen beträgt 680,816 m³, während das oberirdische Brutto-Raumvolumen des Reihenmittelhauses der Antragstellerin dem Gericht nicht bekannt ist. Dieses kann aber, wie den von der Antragstellerin eingereichten Bauplänen entnommen werden kann (s. Blatt 45 und 46 der Gerichtsakte), nicht wesentlich hinter dieser Größenordnung zurück bleiben. Hinsichtlich der genannten quantitativen Elemente kann vorliegend daher nicht von einer deutlichen Disproportionalität der beiden Gebäudeeinheiten gesprochen werden. Vielmehr sind die zueinander versetzten Gebäudeeinheiten der Antragstellerin und der Beigeladenen noch als wechselseitig verträglich aneinandergebaut zu bezeichnen.
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Auch qualitative Aspekte rechtfertigen es nicht, nicht mehr von einer Gebäudeeinheit zu sprechen. Die Stellung der vorderen Gebäudefronten der Hauptbaukörper und deren Dachausrichtung sind identisch; die unterschiedliche Dachneigung von 35 Grad bzw. 40 Grad spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Von der Straße aus gesehen dominiert das leicht zurückversetzte Gebäude der Beigeladenen das Gebäude der Antragstellerin keinesfalls; von dort fällt der Versprung von 3 m im hinteren Grundstücksbereich nicht auf.
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Im Ergebnis genügt daher der beabsichtigte Anbau des Gebäudes der Beigeladenen den Anforderungen an die notwendige Einheit der Hausform Hausgruppe. Die beiden Reihenhäuser bilden quantitativ und qualitativ eine bauliche Einheit, die das nachbarliche Austauschverhältnis noch nicht aus dem Gleichgewicht bringt und die harmonische Beziehung der Gebäudeteile zueinander nicht in Frage stellt.
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2.2.2. Ein nachbarliches Abwehrrecht lässt sich auch nicht erfolgreich auf das bauplanungsrechtliche Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme stützen.
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Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit § 22 BauNVO eine vorrangige und abschließende Regelung darstellt, die einen Rückgriff auf das Rücksichtnahmegebot grundsätzlich ausschließt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –, BauR 2015, 239). Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin eine uneingeschränkte Anwendung des Rücksichtnahmegebots bejaht, ergibt sich daraus keine für sie günstigere Betrachtung.
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Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, NJW 1978, 2564; zur dogmatischen Verankerung und Bedeutung für den baurechtlichen Nachbarschutz s. Uechtritz, VBlBW 2016, 265). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).
- 32
Danach erweist sich der Versprung von 3 m auf der Gartenseite nicht als rücksichtslos gegenüber der Antragstellerin.
- 33
Diese moniert, dass sie bei Verwirklichung des Bauvorhabens der Beigeladenen aufgrund des Versprungs von 3 m an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf der Terrasse ihres Reihenmittelhauses zukünftig neben einer 4 – 5 m hohen Hauswand auf über 3 m Länge im Sommer ab mittags und im Winter stets im Schatten sitze werde. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme einer Rücksichtslosigkeit.
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Was die Belichtung, Belüftung und Besonnung von Nachbargrundstücken anbelangt, so hat nach ständiger Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (s. z.B. den Beschluss vom 12. Januar 2017 – 8 B 11672/16.OVG –), der die Kammer folgt, die Beachtung des Abstandsflächenrechts nach der Landesbauordnung indizielle Bedeutung für die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots. Dieses ist in aller Regel nicht verletzt, wenn die Abstandsvorschriften eingehalten sind. Vorliegend ist für die grenzständige Errichtung der Gebäudeeinheit der Beigeladenen innerhalb der Hausgruppe die Einhaltung einer Abstandsfläche zur Gebäudeeinheit der Antragstellerin nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBauO jedoch entbehrlich. Nach dieser Vorschrift sind innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen Abstandsflächen vor Außenwänden nicht erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude ohne Grenzabstand gebaut werden muss. Nach Planungsrecht muss (abgesehen von dem in § 22 Abs. 3 BauNVO angeführten, hier nicht gegebenen Ausnahmefall) an die seitliche Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn – wie hier – Doppelhäuser oder Hausgruppen zwingend durch Bebauungsplan vorgeschrieben sind (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Mai 2009 – 8 A 11090/08.OVG –, juris). Damit ist die um 3 m tiefere Grenzbebauung der Beigeladenen als solche nicht als rücksichtslos zu werten.
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Zwar sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen trotz Beachtung des Abstandsflächenrechts eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens gegenüber benachbarten Grundstücken bestehen kann. Hierbei handelt es sich jedoch um seltene Ausnahmefälle, bei denen aufgrund der Besonderheiten des einzelnen Falles, insbesondere der Kombination verschiedener nachteiliger Auswirkungen, eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit angenommen wird. So kann eine Bebauung wegen ihrer optisch bedrängenden Wirkung auf Nachbargebäude gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden“ Gebäudes derart übermächtig sind, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder einer Gefängnishofsituation hervorruft (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 8 B 11672/16.OVG –; zur erdrückenden Wirkung vgl. auch Uechtritz, DVBl. 2016, 90).
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Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls bestehen nach summarischer Prüfung keine überzeugenden objektiven Anhaltspunkte.
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Von einer unzumutbaren „abriegelnden Wirkung“ des Vorhabens der Beigeladenen kann nicht deshalb die Rede sein, weil der Baukörper des Gebäudes der Beigeladenen gegenüber dem Gebäude der Antragstellerin einen 3 m tiefen Versprung hat. Von einem „Einmauerungseffekt“ auf ein Grundstück kann nur gesprochen werden, wenn ein betroffenes Grundstück an wenigstens zwei Seiten von einem dominanten Bauwerk umfasst wird (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 8 B 11672/16.OVG –; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. August 2005 – 10 A 3138/02 –, juris). Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn der südliche Grundstücksteil des Grundstücks der Antragstellerin bleibt jenseits ihres eigenen Gebäudes sowohl nach Osten als auch nach Süden hin von einer grenzständigen oder auch nur grenznahen Bebauung weiterhin frei. Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Grundstückssituation für die Antragstellerin durch die Bebauung des Grundstücks der Beigeladenen in Bezug auf Belichtung, Belüftung und Besonnung verschlechtern wird. Das künftige Gebäude der Beigeladenen erreicht aber nicht den Umfang einer erdrückenden Wirkung. Die Antragstellerin hat – so schmerzhaft es für sie sein mag – daher insoweit keinen Anspruch darauf, dass eine für sie zuvor günstige Situation unverändert erhalten bleibt.
- 38
Andere Gesichtspunkte, aufgrund derer das Vorhaben der Beigeladenen eine optisch bedrängende, abriegelnde oder sonst rücksichtslos erscheinende nachteilige Gesamtwirkung auf das Grundstück der Antragstellerin haben könnte, bestehen aus Sicht der Kammer ebenfalls nicht.
- 39
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Tenor
Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.2.2012 – 5 L 1918/11 – werden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen im Beschwerdeverfahren jeweils die eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die übrigen Kosten zu je 1/2.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
II.
A.
B.
C.
III.
Tenor
Der Antrag des Beigeladenen auf Abänderung des Beschlusses vom 16. Februar 2017 – 4 L 73/17.NW –, mit dem dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufgegeben wurde, die Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beigeladenen in der A-Straße …, … A-Dorf, Flurstück-Nr. …, vorläufig einzustellen, wird abgelehnt.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Abänderungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Der Antragsgegner trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Das Begehren des Beigeladenen und Änderungsantragstellers (im Folgenden: Beigeladener), den Beschluss der Kammer vom 16. Februar 2017 – 4 L 73/17.NW –, mit dem diese den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, die Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beigeladenen in der A-Straße ..., … A-Dorf, Flurstück-Nr. …, vorläufig einzustellen, gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – abzuändern und das Eilrechtsschutzgesuch der Antragsteller und Änderungsantragsgegner (im Folgenden: Antragsteller) abzulehnen, ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.
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1. Was die Bezeichnung der Beteiligten im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO anbetrifft, schließt sich die Kammer der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in seinem Beschluss vom 27. Juni 2016 – 8 B 10519/16 –, juris an, wonach es sachgerecht sei, die Beteiligten auch im Abänderungsverfahren mit der Beteiligtenstellung zu bezeichnen, die sie im Ausgangsverfahren nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO hatten. Zwar stellt das Verfahren nach §§ 123, 80 Abs. 7 VwGO ein selbstständiges Verfahren dar, woraus sich eine besondere prozessuale Rollenverteilung ergibt. So hat der die Abänderung eines Beschlusses nach § 123 VwGO begehrende Beigeladene des Ausgangsverfahrens (Bauherr) im Abänderungsverfahren die Stellung eines Hauptbeteiligten (Änderungsantragsteller), zusammen mit dem (erfolgreichen) Antragsteller des Ausgangsverfahrens (Änderungsantragsgegner). Denn Letzterer und nicht der Rechtsträger der Baugenehmigungsbehörde ist Begünstigter der erlassenen einstweiligen Anordnung, die der Änderungsantragsteller im Wege des Änderungsantrags bekämpft. Dies hat u.a. Folgen für die Anwendung der Kostenvorschriften (§ 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 1 VwGO statt § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO; s. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2016 – 4 VR 3.15 –, NVwZ-RR 2016, 357).
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Die Kammer hält es aber aus Gründen der Klarheit vorzugswürdig, in der vorliegenden Konstellation auch im Abänderungsverfahren das Rubrum des Ausgangsverfahrens beizubehalten (s. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Juni 2016 – 8 B 10519/16 –, juris; a.A. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2016 – 4 VR 3.15 –, NVwZ-RR 2016, 357 und Bay. VGH, Beschluss vom 1. Dezember 2016 – 22 CS 16.1682 –, juris: Antragsteller des Abänderungsverfahrens ist der ursprüngliche Beigeladene, Antragsgegner des Abänderungsverfahrens ist der ursprüngliche Antragsteller; der Hoheitsträger ist notwendig beizuladen). Um die besondere prozessuale Stellung im Abänderungsverfahren zum Ausdruck zu bringen, werden im Rubrum allerdings die ursprünglichen Beteiligtenbezeichnungen um den Zusatz „hier: Änderungsantragsteller“ bzw. „hier: Änderungsantragsgegner“ ergänzt.
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2. Der Abänderungsantrag ist zulässig.
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2.1. Insbesondere ist er gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO statthaft. Danach kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Über den eingeschränkten Wortlaut hinaus ist die Vorschrift auch auf Anträge nach § 123 VwGO entsprechend anwendbar (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Juli 2015 – 2 B 10498/15.OVG –; Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rn. 35 m.w.N.).
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2.2. Dem Antrag des Beigeladenen fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Denn das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO setzt nicht voraus, dass das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unanfechtbar abgeschlossen ist (ausführlich dazu s. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. September 2004 – 8 B 11561/04 –, NVwZ-RR 2005, 748).
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2.3. Die Antragsbefugnis des Beigeladenen folgt gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO aus seiner Stellung als insoweit unterlegener Beteiligter im vorangegangenen Verfahren nach § 123 VwGO.
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3. Der Abänderungsantrag ist aber in der Sache unbegründet. Der Beigeladene hat gegenüber der zugrunde liegenden Sachlage im Beschluss der Kammer vom 16. Februar 2017 – 4 L 73/17.NW – zwar „veränderte Umstände“ geltend gemacht (3.1.). Der Beigeladene hat aber nicht dargelegt, dass diese entscheidungserheblich sind und die von ihm begehrte Abänderung der einstweiligen Anordnung rechtfertigen (3.2.). Nach Auffassung des Gerichts bestehen vielmehr nach wie vor ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch der Antragsteller für die von der Kammer erlassene einstweilige Anordnung, die Bauarbeiten auf dem Grundstück des Beigeladenen in der A-Straße ..., … A-Dorf, Flurstück-Nr. …, vorläufig einzustellen.
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3.1. Es liegen veränderte Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO vor.
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Eine Veränderung der Umstände kann in nachträglich eingetretenen tatsächlichen Verhältnissen oder in einer nachträglichen Änderung der Rechtslage bestehen, die für die rechtliche Beurteilung im Ausgangsverfahren maßgeblich waren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2008 – 9 VR 16/08 –, NVwZ 2008, 1010; Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 80 Rn. 185). Solche Umstände hat der Beigeladene schlüssig dargelegt.
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In ihrem Beschluss vom 16. Februar 2017 – 4 L 73/17.NW – führte die Kammer aus, es sei nach der gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass das Nebengebäude des Beigeladenen gegen die drittschützende Bestimmung des § 8 Landesbauordnung – LBauO – verstoße und die Antragsteller hierdurch in ihren Belangen mehr als nur geringfügig berührt würden. Das Nebengebäude sei nicht nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 bzw. 3 LBauO in den Abstandsflächen privilegiert zulässig, da ausweislich der eingereichten Baupläne in der Anlage 2/Blatt 3 zu den haustechnischen Anlagen, Ziffer 3.4. „Aufstellung der Feuerstätten“ in dem Nebengebäude des Beigeladenen eine Feuerstätte in einem Aufstellraum untergebracht werde und sich dieser Aufstellraum innerhalb der Abstandsflächen befinde.
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Im Abänderungsverfahren hat der Beigeladene neue Pläne und eine neue Baubeschreibung vorgelegt, ausweislich derer sich in dem Nebengebäude keine Feuerstätte mehr in den Abstandsflächen befindet. In der zeichnerischen Darstellung des Erdgeschosses sind in dem Nebengebäude jetzt drei Stellplätze und ein Abstellraum vorgesehen. In Ziffer 3.3 der Baubeschreibung des Gebäudes ist nunmehr angegeben, dass keine Feuerstätte in dem Nebengebäude aufgestellt wird. Der Umstand, dass der Abstellraum über eine Verbindungstür zu dem Hauptgebäude verfügt, ist nachbarrechtlich irrelevant, denn nach § 8 Abs. 9 Satz 5 LBauO dürfen die Gebäude nach Satz 1 Nr. 1 und 3 auch einen Zugang zu einem anderen Gebäude haben.
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3.2. Die veränderten Umstände sind aber nicht entscheidungserheblich. Denn das Nebengebäude des Beigeladenen ist nach wie vor nicht gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO privilegiert in den Abstandsflächen zulässig.
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3.2.1. Nach dieser Vorschrift dürfen gegenüber Grundstücksgrenzen ohne Abstandsflächen oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsflächen u.a. Garagen und sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten errichtet werden, wenn sie an den Grundstücksgrenzen oder in einem Abstand von bis zu 3 m von den Grundstücksgrenzen a) eine mittlere Wandhöhe von 3,20 m über der Geländeoberfläche nicht überschreiten, b) eine Länge von 12 m an einer Grundstücksgrenze nicht überschreiten und c) Dächer haben, die zur Grundstücksgrenze nicht mehr als 45° geneigt sind; Giebel an der Grundstücksgrenze dürfen eine Höhe von 4 m über der Geländeoberfläche nicht überschreiten. Die Tiefe der vor Außenwänden oberirdischer Gebäude einzuhaltenden Abstandsflächen bemisst sich nach der Höhe der Wand oder des Wandteils, die senkrecht zur Wand gemessen wird. Als Wandhöhe gilt das Maß von der Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 LBauO). Maßgebend ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 LBauO die im Mittel gemessene Höhe der Wand oder des Wandteils. Die Wandhöhe ist als arithmetisches Mittel der jeweils gemessenen Wandhöhen zu bestimmen. Der untere Bezugspunkt ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 LBauO die Geländeoberfläche.
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3.2.2. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen überschreitet sein Nebengebäude eine mittlere Wandhöhe von 3,20 m über der Geländeoberfläche. Denn die Außenwand des Nebengebäudes ist nach den letzten Bauplänen inklusive der Stützmauer (s. Schnitt B-B auf Blatt 43 der Gerichtsakte 4 L 73/17.NW) ausgehend von der natürlichen Geländeoberfläche insgesamt 3,78 m hoch (0,70 m Stützmauer zuzüglich 3,08 m Außenwand).
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Der in § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO verwendete Begriff der Geländeoberfläche ist in § 2 Abs. 6 LBauO legaldefiniert. Danach ist Geländeoberfläche die Fläche, die sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans ergibt oder die von der Bauaufsichtsbehörde festgelegt ist, im Übrigen die natürliche, an das Gebäude angrenzende Geländeoberfläche. Auf die natürliche, „an das Gebäude" angrenzende Geländeoberfläche als Bezugspunkt für die Höhenbegrenzung ist daher nur dann abzustellen, wenn eine Festlegung der Geländeoberfläche in einem Bebauungsplan oder einer Baugenehmigung nicht erfolgt ist. Die Legaldefinition der Geländeoberfläche in § 2 Abs. 6 LBauO dient dazu, einen effektiven und zugleich rechtsbefriedenden Vollzug derjenigen Vorschriften des Bauordnungsrechts zu ermöglichen, die auf Höhenmaße abstellen. Nicht zuletzt deshalb werden vorrangig Festsetzungen des Bebauungsplans oder Festlegungen der Bauaufsichtsbehörden für maßgeblich erklärt. Diese Geländeoberflächen lassen sich in aller Regel durch Urkunden zweifelsfrei nachweisen und verfügen, da ihre Festlegung unter Abwägung auch der nachbarlichen Interessen erfolgen muss, gegenüber den Betroffenen über eine im Vergleich zur tatsächlichen Geländeoberfläche erhöhte Legitimation (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 1 A 10815/15 –, NVwZ-RR 2016, 764).
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3.2.3. Eine von der natürlichen Geländeoberfläche abweichende Festsetzung der Geländeoberfläche ist vorliegend nicht durch den Bebauungsplan „…“ der Gemeinde A-Dorf erfolgt. In den textlichen Festsetzungen des genannten Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch – BauGB – wird in Ziffer 2 für die drei Teilgebiete des Bebauungsplangebiets Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl, maximale Zahl der Vollgeschosse und die maximal zulässige Firsthöhe festgelegt. Ziffer 2.4 bestimmt, dass Bezugshöhe die Höhe ist, die in der Mitte der gesamten am Grundstück anliegenden Straßenbegrenzungslinie an der Oberkante des fertigen Straßenniveaus gemessen wird. In der Begründung des Bebauungsplans wird zur Bestandssituation ausgeführt, das Gelände steige von der Nord- zur Südgrenze des Plangebiets um ca. 2 m an. Die Festsetzungen zur Bauweise und zur Höhenlage der baulichen Anlagen sollten eine helle und offene Gestaltung der Bebauung des Gebiets ermöglichen.
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Nach Auffassung der Kammer enthalten diese Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung keine von der natürlichen Geländeoberfläche abweichende Festsetzung der Geländeoberfläche. Werden im Bebauungsplan – wie hier – Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sowie zu überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB getroffen, so kann der Satzungsgeber aus städtebaulichen Gründen nach § 9 Abs. 3 BauGB auch die Höhenlage dieser Flächen festsetzen. Dabei können diese Festsetzungen u.a. auch für sonstige Teile baulicher Anlagen gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind. Die Höhenlage kann etwa festsetzungsbedürftig sein, wenn die natürliche Geländeoberfläche starke Unterschiede aufweist und wenn die Höhenlage für den Vollzug der im Bebauungsplan vorgesehenen Nutzungen, auch im Verhältnis zu den benachbarten Grundstücken, von Bedeutung ist (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand August 2016, § 9 Rn. 244). Auch wenn die Festsetzungsmöglichkeit der Höhenlage nach § 9 Abs. 3 Satz 1 eine bodenrechtliche Vorschrift ist, so ist diese im Rahmen des § 2 Abs. 6 LBauO uneingeschränkt maßgebend, sofern der Bebauungsplan gültig ist (vgl. Jeromin in: Jeromin, Landesbauordnung RhPf, 4. Auflage 2016, § 2 Rn. 80).
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Der bauplanungsrechtliche Begriff der Höhenlage im Sinne des § 9 Abs. 3 BauGB kann als der lotrechte Abstand einer baulichen oder sonstigen Anlage, die Gegenstand einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 BauGB ist, von einer Referenzfläche bezeichnet werden. Die Festsetzung der Höhenlage setzt somit eine Bezugnahme auf einen bestimmten Teil einer baulichen Anlage sowie auf eine Referenzfläche voraus (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 9 Rn. 245). Bei Maßnahmen der Festlegung der Höhenlage eines nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans zulässigen Gebäudes und der in § 2 Abs. 6 LBauO vorausgesetzten Festlegung der Geländeoberfläche handelt es sich grundsätzlich um voneinander zu trennende Entscheidungen; d.h. die Höhenlage im Sinne des § 9 Abs. 3 BauGB ist nicht notwendigerweise identisch mit der Geländeoberfläche (Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Auflage 2016, § 9 Rn. 214; vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 1994 – 26 CS 94.3069 –, juris und Spannowsky in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand Januar 2017, § 9 Rn. 139).
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Die Festsetzung der Höhenlage bedarf der städtebaulichen Begründung und muss dem Bestimmtheitserfordernis genügen. Weiter müssen die Auswirkungen der festgesetzten Höhenlage etwa auf Nachbargrundstücke geprüft und gegebenenfalls in die Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) einbezogen werden (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 9 Rn. 245 und 246).
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Da sich Festsetzungen zur Geländeoberfläche besonders auf die Anwendung bauordnungsrechtlicher Regelungen auswirken, können solche Bestimmungen nur grundstücksbezogen erfolgen. Im Bebauungsplan müssen daher die zu treffenden Festsetzungen der Geländeoberfläche stets für jedes Grundstück entwickelt und im Einzelnen angegeben werden (Stich/Gabelmann/Porger/Messer/Derichsweiler/ Günthner/Müller, Landesbauordnung RhPf, März 2016, § 2 Ziffer 8.2.2.). Materiell ist die Festlegung der Geländeoberfläche nur zulässig, wenn ein Bedürfnis dafür besteht. Dies ist z.B. der Fall bei schwierigen topographischen Verhältnissen, wenn es die Sicherheit oder gestalterische Gesichtspunkte erfordern, die natürliche Geländeoberfläche aufgrund von Aufschüttungen bzw. großer Unregelmäßigkeiten und Schwankungen nicht mehr feststellbar ist, oder eine Harmonisierung des Geländes aus sonstigen Gründen unerlässlich ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Februar 1996 – 8 B 10341/96.OVG –; VG Neustadt, Beschluss vom 7. August 2014 – 3 L 644/14.NW –, juris; vgl. auch OVG Saarland, Beschluss vom 17. September 1979 – II W 1.204/79 –, BauR 1980, 158 zur Festlegung der Geländeoberfläche in der Baugenehmigung). Ferner sind die Auswirkungen einer Festlegung der Geländeoberfläche im Hinblick auf die Anwendung von nachbarschützenden Vorschriften zu beachten und abzuwägen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG). So würde die Festlegung der Geländeoberfläche nach einer Aufschüttung dazu führen, dass nachbarschützende Bestimmungen umgangen würden. Daher ist der Satzungsgeber gehalten, nachbarschützende Vorschriften zu beachten und in seine Entscheidung mit einzustellen. Die Abstandsflächenregelungen des § 8 LBauO stellen solche nachbarschützende Vorschriften dar. Sie dienen neben dem Brandschutz und der Gestaltung auch der Beleuchtung mit Tageslicht und der Lüftung sowie dem Schutz benachbarter Grundstücke vor Gefahren und unzumutbaren Belästigungen (Amtl. Begründung zum Entwurf der Landesbauordnung, Landtagsdrucksache 10/1344, Seite 76). Es muss deshalb gewährleistet werden, dass die Festlegung der Geländeoberfläche und die Errichtung etwaiger baulicher Anlagen mit dem Nachbarinteresse vereinbar sind; darauf hat der Grundstücksnachbar einen Anspruch (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. August 1996 – 8 B 12041/96.OVG –). Eine abweichende Festlegung der Geländeoberfläche im Bebauungsplan oder durch die Bauaufsichtsbehörde darf daher nicht dazu führen, dass die in Abhängigkeit von der Höhenlage getroffenen Festsetzungen generell unterlaufen werden. Dies würde ein Missbrauch der Festlegungsbefugnis darstellen, durch welche Verstöße gegen Bauvorschriften, die an die Höhe von Gebäudeteilen über der Geländeoberfläche anknüpfen, unrechtmäßig ausgeräumt würden.
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In Anwendung dieser Grundsätze kommt die Kammer zu dem Schluss, dass dem hier maßgeblichen Bebauungsplan, dessen Gültigkeit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht „inzident“ überprüft werden muss (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 2 B 48/12 –, juris), nicht entnommen werden kann, dass er nicht nur aus städtebaulichen Gründen die Höhenlage der im Wege der offenen Bauweise zu errichtenden Hauptgebäude bestimmen, sondern auch im Sinne von § 2 Abs. 6 LBauO die Geländeoberfläche als der für die Berechnung der Wandhöhe und damit für die Tiefe der Abstandsfläche maßgebliche Bezugspunkt festlegen wollte. Während in der Planzeichnung keine Festsetzungen zur Geländeoberfläche wie z.B. Höhenschnitte enthalten sind, treffen die Ziffern 2.1 bis 2.3 und 2.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ersichtlich „nur“ eine Festsetzung der Höhenlage nach § 9 Abs. 3 BauGB in Bezug auf die Hauptgebäude. Bezugspunkt ist zum einen die Höhe, die in der Mitte der gesamten am Grundstück anliegenden Straßenbegrenzungslinie an der Oberkante des fertigen Straßenniveaus gemessen wird und zum anderen die maximal zulässige Firsthöhe der Hauptgebäude. Demgegenüber trifft Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen für Nebenanlagen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB weder eine Regelung über die Höhenlage noch über die Geländeoberfläche. Aus der Ziffer 5.3 der Begründung zum Bebauungsplan ergibt sich auch, dass der Satzungsgeber nur aus städtebaulichen Gründen die Höhenlage für die Hauptgebäude und zwar deren maximal zulässige Firsthöhe festlegen wollte. Er begründete die Festsetzungen zur offenen Bauweise und Höhenlage der baulichen Anlagen damit, es solle eine helle und offene Gestaltung der Bebauung des Gebiets ermöglicht werden.
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Zwar dürfte der Antragsgegner als zuständige Bauaufsichtsbehörde hier befugt sein, in einem Freistellungsverfahren nach § 67 LBauO analog § 2 Abs. 6 LBauO durch Verwaltungsakt (s. VG Neustadt, Beschluss vom 7. August 2014 – 3 L 644/14.NW –, juris; Jeromin in: Jeromin a.a.O., § 2 Rn. 80) eine isolierte Festsetzung der Geländeoberfläche vorzunehmen. Eine solche Festlegung, bei der zwischen dem Interesse des Beigeladenen als Eigentümer eines hängigen Grundstücks, dieses angemessen bebauen zu können und dem Interesse der Antragsteller als Nachbarn, von unzumutbaren Beeinträchtigungen des Bauwerks verschont zu bleiben, abgewogen werden muss, liegt hier aber nicht vor.
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Damit hat die Kammer zur Bestimmung der Wandhöhe auf die natürliche Geländeoberfläche abzustellen. Dies ergibt für das Nebengebäude des Beigeladenen eine Wandhöhe von 3,78 m und überschreitet daher die zulässige mittlere Wandhöhe von 3,20 m über der Geländeoberfläche. Die geltend gemachten „veränderten Umstände“ sind folglich nicht entscheidungserheblich und rechtfertigen nicht die Abänderung der einstweiligen Anordnung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 12. November 2012 wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 12. November 2012 wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.
(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.
(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.
Tenor
Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan zur 1. Änderung des Bebauungsplans … „A. Straße“, der eine Intensivierung der Bebauung vorsieht.
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Der Antragsteller ist Eigentümer des im Geltungsbereich des ursprünglichen Bebauungsplans und in unmittelbarer Nachbarschaft des Änderungsplangebiets gelegenen Grundstücks Z. Straße … (Flurstücke Nrn. … und …). Der ursprüngliche Bebauungsplan aus dem Jahr 1991 hat das aus Z. Straße, R. Straße, P.-Straße und S. Straße gebildete Karree überplant. Während die Baufenster entlang dieser Straßen mit dem dort vorhandenen Baubestand übereinstimmen, ist im Blockinnenbereich die Errichtung von Mehrfamilienhäusern vorgesehen. Diese Häuser sind bereits teilweise errichtet, und zwar zweigeschossig mit einem Mansardengeschoss. Auch im Bereich des Grundstücks des Antragstellers und des benachbarten Änderungsplangebiets (Z. Straße …) ist im nördlichen, straßenseitigen Bereich lediglich der vorhandene Baubestand überplant worden. Im rückwärtigen Bereich ist über die ganze Breite des Grundstücks des Antragstellers und über eine Teilfläche des Grundstücks Z. Straße … ein Baufenster mit der Festsetzung „KD II + D“ vorgesehen. Bei dem 1.990 m² großen Änderungsplangebiet handelt es sich um das Gelände einer ehemaligen Gärtnerei.
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Nachdem die Nutzung der Gärtnerei aufgegeben und das Gelände verkauft worden war, entschied sich die Antragsgegnerin für eine Änderung der bisherigen, auf den vorhandenen Gärtnereibetrieb abgestimmten Bauleitplanung. Im Anschluss an den Aufstellungsbeschluss vom 18. Februar 2014 wurde die Planung bereits im März/April 2014 den Trägern öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach dem städtebaulichen Konzept ist die Schaffung von zwei Wohngebäuden in erster und zweiter Reihe vorgesehen, zwischen denen eine Tiefgarage eingeplant wird. Im straßenseitigen Bereich ist ein 24 m breites und überwiegend 14,50 m tiefes Baufenster vorgesehen. Es grenzt unmittelbar an das 10 m tiefe Wohnhaus des Antragstellers an. Während im rückwärtigen Bereich die Bautiefe mit derjenigen des Wohnhauses des Antragstellers übereinstimmt, ist das Baufenster zur Straße hin um 5 m versetzt; es nimmt insofern die Lage des dort früher stehenden, inzwischen abgerissenen Wohnhauses auf. Nach Westen hin springt die straßenseitige Baugrenze wieder auf die Baufluchtlinie der Nachbargebäude zurück. Als Maß der Nutzung ist in diesem Bereich ein zweigeschossiges Gebäude mit Satteldach vorgesehen. Im rückwärtigen Bereich ist das dort bereits bislang vorgesehene Baufenster nach Südwesten verlängert worden; hier ist eine dreigeschossige Bebauung mit Knickspanndach vorgesehen. Dieses Baufenster hat eine Breite von 24,50 m und eine Tiefe von 14,75 m. Daran schließt sich nach Norden hin ein 12 m breites und 10 m tiefes Baufenster für eine zweigeschossige Bebauung mit Flachdach an.
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Von den Trägern öffentlicher Belange wies die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord darauf hin, dass die Realisierung der Bauvorhaben wegen ihrer Lage im festgestellten Überschwemmungsgebiet der Mosel eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung erfordere. Darüber hinaus erhob lediglich der Antragsteller Einwendungen gegen die Planung und rügte im Wesentlichen das Ungleichgewicht zwischen der auf seinem Grundstück bestehenden und der auf dem Nachbargrundstück nun geplanten Bebauung. Dies entspreche nicht mehr der ursprünglich vorgesehenen Doppelhausbebauung. Auch sei eine städtebauliche Rechtfertigung für das Hervortreten des neuen Baufensters vor die straßenseitige Bauflucht nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin wies diese Einwendungen in ihrer Abwägung zurück: Durch die Änderungsplanung würden die Grundzüge der bisherigen Planung nicht verändert. Es erfolge lediglich eine Nachverdichtung des Blockinnenbereichs, in dem die für andere Grundstücke vorgesehene Planung auch auf das Grundstück Z. Straße … erstreckt werde. Bei der Planung handele es sich nicht um eine Vermischung von Elementen der angebots- und vorhabenbezogenen Planung. Trotz der Lage im Überschwemmungsgebiet sei die Bebaubarkeit des Grundstücks bei Verwendung geeigneter Abdichtungsmaßnahmen nicht in Frage gestellt. Die Änderungsplanung sehe keine Abweichung hinsichtlich der früheren Festsetzung einer offenen Bauweise vor. Auch bei der Geschossigkeit habe sich keine Veränderung ergeben. Die in der Ursprungsplanung enthaltene Geschossfestsetzung „II + D“ entspreche der jetzt im Änderungsplan vorgesehenen Festsetzung von drei Vollgeschossen. Der Änderungsplan ziele auf eine wechselseitig verträgliche und harmonische Bauweise auch im Hinblick auf die Nachbargrundstücke ab. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Änderungsplan alle bisherigen Festsetzungen zum Bauvolumen und den Dachformen unverändert übernehme. Das Vortreten des Baufensters an der Z. Straße sei aus Gründen einer Rhythmisierung und Gliederung des Straßenzugs sinnvoll.
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Der Bebauungsplan … 1. Änderung „A. Straße“ wurde am 22. Juli 2014 als Satzung beschlossen, am Folgetag ausgefertigt und am 5. August 2014 öffentlich bekanntgemacht.
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Zur Begründung der dagegen erhobenen Normenkontrolle trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor: Der Bebauungsplan stelle eine unzulässige Vermischung von Angebotsplanung mit Elementen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans dar. Wie man der in der Planbegründung enthaltenen Simulation und der Schnittzeichnung entnehmen könne, sei in die Abwägung lediglich ein genau definiertes Vorhaben eingeflossen. Ferner füge sich die Änderungsplanung nicht stimmig in die Ursprungsplanung ein. Die bisherige Doppelhausbebauung werde aufgegeben. Die Errichtung einer Hausgruppe sei wegen der Grundstückssituation nicht möglich. Die Änderungsplanung mache die bisher vorhandene „harmonische Beziehung“ zwischen den benachbarten Gebäuden unmöglich. Die Abweichung hinsichtlich der bisher festgesetzten zweigeschossigen zu einer nunmehr dreigeschossigen Bebauung sei nicht nachvollziehbar erklärt. Die Festsetzung einer Dachform lasse sich dem Bebauungsplan nicht entnehmen. Schließlich fehle eine städtebauliche Rechtfertigung für das Vortreten des Baufensters aus der straßenseitigen Bauflucht, nachdem der dort vorhandene Altbestand nicht mehr existiere. Im rückwärtigen Grundstücksbereich weise das Baufenster im Änderungsplangebiet in Verbindung mit dem sich östlich anschließenden Baufenster eine Breite von 52 m auf, die aber wegen der Beschränkung der Bebauung in offener Bauweise auf 50 m nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden könne. Dies führe zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung desjenigen Bauherrn, der sein Bauvorhaben zuerst realisiere.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Bebauungsplan „…, 1. Änderung“ der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Die angegriffene Bauleitplanung sei städtebaulich erforderlich. Die Neuplanung sei nach Nutzungsaufgabe der Gärtnerei möglich geworden. Sie erfülle den vorhandenen Bedarf an Wohnbauflächen und schließe die an der Z. Straße westlich des früheren Wohnhauses Nr. … vorhandene Baulücke. Es sei legitim, auch bei einer Angebotsplanung auf Absichten eines privaten Investors einzugehen. Der Abwägung habe die nach den Festsetzungen maximal mögliche Bebauung zugrunde gelegen. Im Änderungsplan sei weiterhin eine offene Bauweise festgesetzt. Die Vergrößerung des Baufensters sei im Sinne der Innenentwicklung städtebaulich sinnvoll. Innerhalb des neuen Baufensters entlang der Z. Straße sei die Errichtung eines Doppelhauses oder – nach vorheriger Teilung der Parzelle – einer Hausgruppe möglich. Ob der Neubau den Anforderungen an ein Doppelhaus genüge, sei deshalb hier ohne Belang. Bei der Geschossigkeit habe sich keine Veränderung ergeben. Das früher festgesetzte Dachgeschoss mit Knickspanndach entspreche der jetzt festgesetzten dreigeschossigen Bebauung. Entgegen der Auffassung des Antragstellers handele es sich nicht um eine „ungleichgewichtige“ Bebauung der benachbarten Grundstücke. Die umfangreichere Bebauung im Änderungsplangebiet rühre von der größeren Breite dieses Grundstücks her. Das Vortreten des Baufensters vor die straßenseitige Bauflucht stelle eine städtebaulich sinnvolle Gliederung des Straßenzugs dar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Planaufstellungsunterlagen zum Ursprungs- sowie zum Änderungsplan verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
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Insbesondere ist die Antragsbefugnis zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, wer sich auf einen abwägungsbeachtlichen privaten Belang, d.h. ein mehr als nur geringfügig schutzwürdiges Interesse berufen kann; denn wenn es einen solchen Belang gibt, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass die Gemeinde ihn bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 BN 42.10 –, ZfBR 2011, 566). Hier stehen die Auswirkungen der Änderungsplanung auf das benachbarte Anwesen des Antragstellers im Raum. Die Änderungsplanung zielt auf eine Intensivierung der Bebauung, so dass ein nicht bloß geringfügiges Interesse des Antragstellers an einem schonenden Ausgleich gegenüber seinem Grundstück vorliegt.
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Der Normenkontrollantrag ist jedoch nicht begründet.
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Der Bebauungsplan … 1. Änderung ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
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1. In formell-rechtlicher Hinsicht sind Rechtsfehler weder geltend gemacht noch ersichtlich.
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Insbesondere konnte die Änderungsplanung gemäß § 13 BauGB im vereinfachten Verfahren ergehen, so dass auf eine Umweltprüfung, die Erstellung des Umweltberichts und die Bekanntgabe verfügbarer Arten umweltbezogener Informationen verzichtet werden durfte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Auf das Unterbleiben einer Umweltprüfung ist entsprechend § 13 Abs. 3 Satz 2 BauGB in der Offenlagebekanntmachung hingewiesen worden (vgl. Bl. 32 der Planaufstellungsunterlagen).
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2. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Änderungs-Bebauungsplan nicht zu beanstanden.
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a) Zunächst ist das Planungserfordernis zu bejahen. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB dürfen die Gemeinden Bauleitpläne nur aufstellen, soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.
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Die Änderungsplanung verfolgt mit der Schaffung zusätzlicher Wohnbauflächen in der Innenstadt eine städtebauliche Zielrichtung. Auch wenn die Planung auf die Vorstellungen eines privaten Vorhabenträgers zurückgeht, handelt es sich nicht um eine bauplanungsrechtlich unzulässige bloße Gefälligkeitsplanung in ausschließlich privatem Interesse eines Bauherrn (vgl. hierzu: OVG RP, Urteil vom 9. November 2005 – 8 C 10964/05.OVG –, OVG NRW, Urteil vom 13. September 2012 – 2 D 38/11.NE –, BauR 2013, 1408 und juris, Rn. 52). Es ist legitim, wenn eine städtische Planung auch Wünsche Privater aufnimmt und diese Anstoß für die Planung geben, solange sie zugleich städtebauliche Interessen verfolgt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2011 – 2 D 36/09.NE –, BauR 2012, 210). Letzteres ist hier der Fall, weil die Antragsgegnerin mit der Planung die Schaffung von Wohnbauflächen durch Nachverdichtung sowie die Schließung der Baulücke an der Z. Straße anstrebt. Dabei kommt der Antragsgegnerin bei der Frage, welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, ein planerischer Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 BN 15.99 –, NVwZ 1999, 1338).
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt auch keine bauplanungsrechtlich unzulässige Vermischung von angebots- und vorhabenbezogener Planung vor.
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Die Gemeinde ist bei der Wahl des Planungsinstruments, mit dem sie ihre städtebaulichen Ziele erreichen will, weitestgehend frei. Auch wenn die Gemeinde mit dem Bebauungsplan das Vorhaben eines bestimmten Vorhabenträgers planungsrechtlich ermöglichen will, ist sie aufgrund von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht gezwungen, einen mit einer Durchführungsverpflichtung des Vorhabenträgers nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB gekoppelten vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 2012 – 2 D 38/11.NE –, BauR 2013, 1408 und juris, Rn. 55; OVG Nds., Urteil vom 4. Januar 2011 – 1 MN 130/10 –, BauR 2011, 805 und juris, Rn. 77; auch: BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5/14 - [„projektbezogener Angebotsbebauungsplan“]). Ein Angebotsbebauungsplan ist im Vergleich zu dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan das flexiblere Planungsinstrument. Er lässt innerhalb des gesetzten Rahmens Änderungswünsche des Vorhabenträgers ohne Weiteres zu und vermeidet, einen allein auf das ursprüngliche Konzept bezogenen Bebauungsplan zuvor nebst dem Durchführungsvertrag ändern zu müssen. Darüber hinaus kann ein (projektbezogener) Angebotsbebauungsplan aufrechterhalten werden, auch wenn das Projekt des ursprünglichen Vorhabenträgers nicht zustande kommt.
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Das Planungserfordernis ist dem angegriffenen Bebauungsplan auch nicht wegen fehlender Vollzugsfähigkeit abzusprechen.
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In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Bebauungsplan dann nicht erforderlich ist, wenn der Umsetzung der Planung auf unabsehbare Zeit unüberwindliche tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 – 4 B 43.09 –, ZfBR 2010, 376).
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Die Umsetzung des Bebauungsplans ist insbesondere nicht wegen der Lage des Plangebiets im Überschwemmungsgebiet der Mosel ausgeschlossen. Zunächst begründet diese Lage kein Planungsverbot. Denn § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Wasserhaushaltsgesetz – WHG – erfasst nur solche Flächen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten, die erstmalig einer Bebauung zugeführt werden sollen. Bloße Umplanungen fallen indes nicht hierunter (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2014 – 4 CN 6.12 –, UPR 2014, 354 [LS]). Ferner ist nicht ausgeschlossen, dass die für die Verwirklichung der Bauvorhaben im Plangebiet nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 WHG notwendige Erlaubnis erteilt werden wird. Hierfür spricht nicht zuletzt die Stellungnahme der wasserwirtschaftlichen Fachbehörde im Planaufstellungsverfahren (vgl. Schreiben der SGD Nord vom 4. April 2014, Bl. 44 der Behördenakten). Mit ihrem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Ausnahmegenehmigung für die Bauvorhaben hat sie zu erkennen gegeben, dass sie die Erteilung einer solchen Erlaubnis nicht von vorneherein für ausgeschlossen hält.
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b) Schließlich genügt der Bebauungsplan auch den Anforderungen an eine fehlerfreie Abwägung.
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Diese Anforderungen betreffen zum einen das – nunmehr als Verfahrensnorm ausgestaltete – Gebot zur ordnungsgemäßen Ermittlung und zutreffenden Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB), zum anderen die inhaltlichen Vorgaben des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB zum angemessenen Ausgleich der gegenläufigen Belange (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2008 – 4 CN 1.07 –, BauR 2008, 1268; OVG RP, Urteil vom 3. November 2010 – 8 C 10550/10.OVG –).
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(1) Zunächst weist die Abwägung kein Defizit auf. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat sich der Rat der Antragsgegnerin in ausreichender Weise mit der durch den Änderungs-Bebauungsplan ermöglichten Bebauung auseinandergesetzt und war sich dabei auch bewusst, dass es sich nur um einen Angebotsbebauungsplan handelt.
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Die durch den Bebauungsplan …, 1. Änderung, ermöglichte Bebauung ist durch abstrakte Festsetzungen, insbesondere zum Maß der Nutzung sowie zur Dachgestaltung, hinreichend bestimmt festgelegt. Die durch diese abstrakten Festsetzungen (maximal) ermöglichte Bebauung war auch Gegenstand der bauleitplanerischen Abwägung. Denn diese Maximalbebauung entspricht der dreidimensionalen Simulation unter Ziffer 5.2 der Begründung des Bebauungsplans sowie dem Schemaschnitt in der Planurkunde. Der Antragsgegnerin kann deshalb nicht vorgehalten werden, sie habe die Abwägung verkürzt und lediglich auf eine bestimmte, die Möglichkeiten des Angebotsbebauungsplans nicht ausschöpfende Bebauung abgestellt (vgl. zu einem solchen Fehler: OVG Nds., Urteil vom 4. Januar 2011, a.a.O., juris, Rn. 79).
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Der Rat der Antragsgegnerin war sich aber entgegen der Auffassung des Antragstellers auch bewusst, dass mit dem Bebauungsplan lediglich ein Rahmen (Angebot) gesetzt wird, der nicht ausgeschöpft werden muss und bei dem auch eine von dem visualisierten Projekt abweichende Ausgestaltung zulässig ist. Dies ergibt sich aus der Abwägungstabelle, die Grundlage für die Abwägung und den anschließenden Satzungsbeschluss des Stadtrats war (vgl. die Sitzungsvorlage vom 4. Juni 2014 nebst der Anlage 2, Bl. 64 ff. der Planaufstellungsunterlagen). In der Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Antragstellers wird ausgeführt, dass es sich „nicht um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ handele (vgl. Ziffer 1.1) und dass die Festsetzung der offenen Bauweise aus dem Ursprungsbebauungsplan übernommen werde, woraus sich die Zulässigkeit „von Einzel-, Doppelhäusern und Hausgruppen“ ergebe (vgl. Ziffer 1.4) und damit „den beteiligten Nachbarn überlassen [bleibe], wie sie die Möglichkeiten, die sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplanes ergeben, umsetzen“ (vgl. Ziffer 1.9 der Abwägungstabelle).
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(2) Die Antragsgegnerin hat den Ausgleich zwischen den abwägungsbeachtlichen Belangen auch nicht in einer Weise vorgenommen, die zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht.
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Insbesondere erweist sich die Änderungsplanung als hinreichend abgestimmt mit den bauleitplanerischen Festsetzungen des Ursprungsbebauungsplans … . Dies gilt auch im Verhältnis zu den bauleitplanerischen Festsetzungen des Grundstücks des Antragstellers.
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Betrachtet man zunächst die Festsetzungen im nördlichen (straßenseitigen) Bereich des Plangebiets, so ergeben sich hieraus keine unzumutbaren Konflikte mit der Nachbarbebauung. Hinsichtlich der Festsetzung von zwei Vollgeschossen stimmt die geänderte Planung mit derjenigen im Ursprungsbebauungsplan … ebenso überein wie bei der Festsetzung der offenen Bauweise. Letztere steht auch nicht in einem unüberbrückbaren Widerspruch zur Festsetzung eines größeren Baufensters im straßenseitigen Bereich des Änderungsbebauungsplans. Zum einen wird durch die Festsetzung von Baugrenzen nur ein äußerer Rahmen gesetzt, der nicht überschritten (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO), aber nur insofern ausgeschöpft werden darf, als dies unter Berücksichtigung sonstiger Festsetzungen zulässig ist. Aber auch bei einer vollständigen Ausschöpfung des Baufensters entsprechend dem städtebaulichen Konzept ergäbe sich kein unüberbrückbarer Widerspruch zur Festsetzung der offenen Bauweise. Diese Festsetzung umfasst neben der Errichtung von Einzelhäusern auch die Errichtung von Doppelhäusern oder Hausgruppen (§ 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Die Besonderheit des Doppelhauses besteht darin, dass hier zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 C 12.98 –, BVerwGE 110, 355 und juris, Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 –, BVerwGE 148, 290, Rn. 13). Die Errichtung eines Doppelhauses verlangt darüber hinaus, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Von einem Doppelhaus kann daher nicht mehr gesprochen werden, wenn ein Gebäude gegen das andere so stark versetzt wird, dass es den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet und den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 20 und LS 3). Entsprechendes hat auch für die – jeweils auf eigenen Flurstücken errichteten – Häuser einer Hausgruppe zu gelten (vgl. zum Begriff der Hausgruppe: Determann/Stühler, in: Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 6.3 und 6.4).
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Ein derart wechselseitig verträglicher und abgestimmter Anbau wird hier durch die bauplanerischen Festsetzungen im Verhältnis zu dem Anwesen des Antragstellers ermöglicht. Das Haus des Antragstellers und das auf dem Nachbargrundstück bei vollständiger Ausnutzung des Baufensters entstehende Gebäude würden noch zu wesentlichen Teilen, nämlich auf einer Länge von 10 m, bei einem Versprung auf Seiten des im Plangebiet ermöglichten Gebäudes von lediglich 5 m, aneinandergebaut sein (vgl. zu dem Erfordernis der wesentlichen Überdeckung: BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000, a.a.O., juris, Rn. 22).
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Ob darüber hinaus die Annahme eines Doppelhauses verlangt, dass die beiden Doppelhaushälften über den verträglich abgestimmten Anbau hinaus ein Mindestmaß an Übereinstimmung auch hinsichtlich anderer Baugestaltungsmerkmale, insbesondere des Brutto-Raumvolumens, aufweisen (so: OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2014 – 7 A 1276/13 –, juris, Rn. 42 bis 46; vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 –, BVerwGE 148, 290, Rn. 16), kann hier dahingestellt bleiben. Sollte dies der Fall sein und die straßenseitige Bebauung im Plangebiet entsprechend dem städtebaulichen Konzept sich wegen des im Vergleich zum Gebäude des Antragstellers deutlich größeren Raumvolumens nicht mehr als Doppelhaushälfte darstellen, würde dies keinen unlösbaren Konflikt zwischen der Festsetzung offener Bauweise auf der einen und der überbaubaren Grundstücksfläche auf der anderen Seite begründen. Denn in diesem Fall könnte die vollständige Ausschöpfung des Baufensters durch Errichtung einer Hausgruppe geschehen. Bei Errichtung einer solchen Hausgruppe, bestehend aus dem Anwesen des Antragstellers und etwa zwei im Änderungsplangebiet neu zu errichtenden Gebäuden würde das geforderte Mindestmaß an Übereinstimmung, auch über den verträglich ausgestalteten Anbau an der jeweils gemeinsamen Grundstücksgrenze hinaus, erfüllt.
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Dass das Baufenster im nördlichen Bereich des Änderungsplangebiets zum Teil aus der straßenseitigen Bauflucht hervortritt, erweist sich ebenfalls nicht als abwägungsfehlerhaft. Zunächst unterliegt die Antragsgegnerin keinen zwingenden gesetzlichen Vorgaben zur Festlegung der straßenseitigen Baugrenze. Es erscheint auch nicht abwägungsfehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin aus stadtgestalterischen Gründen einer stärkeren Gliederung und Rhythmisierung des Straßenzugs einen solchen Versprung in der Bebauung vorsieht.
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Schließlich ergeben sich auch aus den Festsetzungen für den rückwärtigen Grundstücksbereich keine unzumutbaren Konflikte mit der auf den Nachbargrundstücken, insbesondere dem Grundstück des Antragstellers, geltenden Bauleitplanung.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt eine widersprüchliche Festsetzung zur Geschossigkeit nicht vor. Aus der Urkunde des Ursprungsplans „…“ ergibt sich, dass mit der Festsetzung „II + D“ ein Gebäude mit 2 Vollgeschossen und einem (ausgebauten) „Dachgeschoss als Vollgeschoss“ zugelassen werden soll, wobei das Dachgeschoss als Knickspanndach auszugestalten ist. Dies entspricht der Festsetzung einer dreigeschossigen Bebauung im Änderungsplan, der ebenfalls die Errichtung eines Knickspanndaches („KD“) vorsieht.
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Dass das Baufenster im Änderungsplangebiet eine Breite von 24,50 m aufweist und damit zusammen mit dem angrenzenden Baufenster auf den Flurstücken Nrn. …, … und … mit einer Breite von 27,50 m die maximale Länge von Gebäuden in der offenen Bauweise überschreitet, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch insofern ist darauf hinzuweisen, dass die Festsetzung von Baugrenzen lediglich einen äußeren Rahmen vorgibt, der gerade auch unter Berücksichtigung sonstiger Festsetzungen nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden muss. Wenn der Antragsteller eine ungerechtfertigte Bevorzugung desjenigen Grundstücksnachbarn rügt, der als erster mit der Bebauung für ein Doppelhaus oder eine Hausgruppe beginnt, erweist sich dies nicht als abwägungsfehlerhaft. Denn zum einen überschreitet das Baufenster die in der offenen Bauweise maximal zulässige Länge von 50 m lediglich um 2 m. Im Übrigen ist die vorgreifliche Wirkung bei Errichtung des ersten Gebäudes eines Doppelhauses oder einer Hausgruppe wegen der oben beschriebenen Anforderungen an die Übereinstimmung der Gebäude zwangsläufige Folge einer solchen Bauweise und daher abwägungsfehlerfrei zulässig.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für eine grenzständige Bebauung.
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Kläger und Beigeladener sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in K.... Diese sind mit einem Doppelwohnhaus mit jeweils zwei Geschossen und einem Dachgeschoss bebaut. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 11,60 m. Die Haushälften stehen mit vier bzw. sechs Metern Abstand zur festgesetzten Baufluchtlinie. Die Haushälfte des Beigeladenen wurde 1954, die des Klägers 1971 errichtet. Die übrige Bebauung der Straße besteht auf der einen Straßenseite - abgesehen von einem freistehenden zweigeschossigen Wohngebäude - aus zwei- oder mehrgeschossigen Häusern, Doppelhäusern oder Hausgruppen, auf der anderen Straßenseite herrscht eine zwei- bis dreigeschossige Bebauung mit Doppelhäusern oder Hausgruppen vor. Außer einem Fluchtlinienplan fehlen bauplanerische Festsetzungen.
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Der Beigeladene beabsichtigt auf seinem Grundstück die Errichtung eines 15 m hohen viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit zusätzlichem Staffelgeschoss und Flachdach. Es soll anstelle der bestehenden Haushälfte ohne Einhaltung von Grenzabständen und unter Ausnutzung der Baufluchtlinie errichtet werden. Für das Vorhaben erteilte das Bauaufsichtsamt der Beklagten den streitgegenständlichen planungsrechtlichen Vorbescheid.
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Das Verwaltungsgericht wies die gegen den Vorbescheid erhobene Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den streitgegenständlichen Vorbescheid aufgehoben. Der Vorbescheid sei rechtswidrig, weil das geplante Vorhaben mit § 34 Abs. 1 BauGB unvereinbar sei. Es füge sich nach seiner Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die in offener Bauweise gebaut sei. Das Vorhaben des Beigeladenen beseitige das bestehende Doppelhaus, ohne ein neues Doppelhaus zu schaffen. Die beiden Haushälften würden vielmehr bei Realisierung des Vorhabens den Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper erwecken. Auf diesen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB könne sich der Kläger berufen. Denn mit der Doppelhausbebauung gingen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden dürfe.
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Mit seiner vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Beigeladene geltend, die Rechtsprechung zur nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <362 f.>) könne auf den unbeplanten Innenbereich nicht übertragen werden. Die maßgeblichen Fälle seien über das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 BauGB zu lösen. Danach sei die Klage abzuweisen. Auf den Kläger sei umso weniger Rücksicht zu nehmen, als dieser sein Grundstück baulich nicht vollständig ausnutze.
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Die Beklagte schließt sich dem Standpunkt des Beigeladenen an.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der streitgegenständliche Vorbescheid ist rechtswidrig (1.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2.) (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass sich das Vorhaben des Beigeladenen entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
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a) Das Vorhaben des Beigeladenen ist hinsichtlich seiner Bauweise planungsrechtlich an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehlt und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegt. Maßstabsbildend im Sinne dieser Vorschrift ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr, Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 48). Das Oberverwaltungsgericht hat als nähere Umgebung die beiden Seiten der R...straße in den Blick genommen (UA S. 9), die Beteiligten haben hiergegen Einwände nicht erhoben.
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b) In dieser Umgebung befindet sich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Bebauung mit Doppelhäusern, Hausgruppen und wenigen Einzelhäusern, die das Oberverwaltungsgericht als offene Bauweise bezeichnet.
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Mit diesen Bezeichnungen greift das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler auf Begriffe der Baunutzungsverordnung zurück. Denn deren Vorschriften können im unbeplanten Innenbereich als Auslegungshilfe herangezogen werden (Beschluss vom 27. Juli 2011 - BVerwG 4 B 4.11 - BRS 78 Nr. 102 Rn. 4; Urteile vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278> = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 168 S. 9 und vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 19.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 173 S. 30). Sie enthalten definitorische Grundsätze, was etwa die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen (Beschlüsse vom 7. Juli 1994 - BVerwG 4 B 131.94 - juris Rn. 3 und vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166 S. 6). Aus diesem Grund konnte das Oberverwaltungsgericht auch auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgreifen, als es die Eigenart der Umgebungsbebauung, die bestehende Bebauung auf den Grundstücken des Klägers und des Beigeladenen und das streitgegenständliche Vorhaben gewürdigt hat.
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Im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist ein Doppelhaus eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - a.a.O. S. 357 ff. = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 3 ff.; Beschluss vom 23. April 2013 - BVerwG 4 B 17.13 - BauR 2013, 1427 Rn. 5). Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses im Sinne bauplanungsrechtlicher Vorschriften (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - ZfBR 2012, 478, juris Rn. 9), also auch für den unbeplanten Innenbereich.
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Die knappen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Umgebungsbebauung bieten keinen Anlass für die Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Feststellung von Doppelhäusern in der näheren Umgebung einen hiervon abweichenden Begriff des Doppelhauses zugrunde gelegt. Nach den Urteilsgründen handelt es sich bei dem gegenwärtigen Gebäude des Klägers und des Beigeladenen "auch" um ein Doppelhaus (UA S. 9). Diese Formulierung setzt einen einheitlichen Begriffsinhalt voraus. Damit steht fest, dass sich in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks nur solche einseitig grenzständigen Haushälften befinden, die das begrifflich geforderte Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen und deshalb Doppelhäuser im Sinne des Senatsurteils vom 24. Februar 2000 (a.a.O.) sind. Diese mit Revisionsrügen nicht angegriffene Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO), insbesondere ist sie nicht zweifelsfrei aktenwidrig (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 70).
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c) Damit prägen solche Gebäude die nähere Umgebung, die bei bauplanerischer Festsetzung einer offenen Bauweise zulässig sind (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Dennoch bestimmt sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen hinsichtlich der Bauweise nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Vorschrift richtet sich an die planende Gemeinde (vgl. Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <154> = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118 S. 97). Anders als § 34 Abs. 2 BauGB für die Art der baulichen Nutzung verweist § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich des Einfügens nach der Bauweise selbst dann nicht auf den Maßstab der Baunutzungsverordnung, wenn die nähere Umgebung der dort definierten offenen oder geschlossenen Bauweise entspricht. Den rechtlichen Maßstab bestimmt vielmehr § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach sich das Vorhaben des Beigeladenen nach seiner Bauweise in die nähere Umgebung einfügen muss.
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Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts beseitigt das Vorhaben des Beigeladenen das bestehende Doppelhaus, führt aber nicht zur Entstehung eines neuen Doppelhauses. Es stützt sich für diese Würdigung auf quantitative Abweichungen, die zwei zusätzlichen Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, die unterschiedliche Höhe der Gebäudehälften und die Erweiterung im viergeschossigen Bereich sowie die zusätzliche Erweiterung im zweigeschossigen Bereich. Hinzu träten qualitative Gesichtspunkte, insbesondere die unterschiedlichen Dachformen (Satteldach auf der einen, Flachdach auf der anderen Seite). Diese Würdigung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Zwar mahnt das Urteil vom 24. Februar 2000, den Begriff des Doppelhauses nicht bauordnungsrechtlich zu überladen. In dem städtebaulichen Regelungszusammenhang beurteilt sich die Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude noch ein Doppelhaus bilden, allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Stadtbildes verfolgt wird (BVerwGE 110, 355 <361> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 6). Dennoch hängt die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - a.a.O. Rn. 12). Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, bei Verwirklichung des Vorhabens des Beigeladenen entstände der Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper, wahrt diesen bundesrechtlichen Maßstab.
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d) Das Vorhaben des Beigeladenen fügt sich damit in den Rahmen der Umgebungsbebauung nicht ein. Denn seine Verwirklichung führt nicht zu einem Doppelhaus, sondern zu einer einseitig grenzständigen Bebauung, für die es in der Umgebung an Vorbildern fehlt. Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass das Vorhaben geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen (Urteile vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <386> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 53 und vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 7). Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (Urteil vom 16. September 2010 - BVerwG 4 C 7.10 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 212 Rn. 23). Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens (Urteil vom 26. Mai 1978 a.a.O.), die ein Bedürfnis nach planerischer Gestaltung auslösen kann (vgl. § 22 Abs. 4 BauNVO).
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2. Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht angenommen, dass dieser Rechtsverstoß Rechte des Klägers verletzt. Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt (Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juni 2013, § 22 BauNVO Rn. 50; Upmeier, Mampel, BRS-Info 4/2012, S. 19; Aschke, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 3. Aufl. 2013, § 22 BauNVO Rn. 16; Wolf, Drittschutz im Bauplanungsrecht, Band 11, 2012, S. 175 f.).
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a) Ein Drittschutz kann weder direkt noch analog aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden. Die Vorschrift entfaltet selbst im beplanten Bereich keinen Nachbarschutz. Nachbarschutz vermittelt hier vielmehr die planerische Festsetzung (Urteil vom 24. Februar 2000 a.a.O. S. 362 = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 7), an der es im unbeplanten Bereich fehlt.
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b) Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Drittschutz folgt vielmehr aus dem Gebot der Rücksichtnahme.
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Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, Beschluss vom 13. November 1997 - BVerwG 4 B 195.97 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189 S. 59; Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 4 C 34.85 - Buchholz 406.11 § 34 BBauGB Nr. 114 S. 64). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (Urteil vom 26. September 1991 - BVerwG 4 C 5.87 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 103 S. 76
). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 52). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (Beschluss vom 11. Januar 1999 - BVerwG 4 B 128.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159 S. 3). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (Urteil vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 99). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 8.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71 S. 56).
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Dies ist hier der Fall: Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, "erkauft" (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 4). Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet. Sie ist im beplanten und unbeplanten Bereich identisch. Dass die Rücksichtnahmepflichten im beplanten Gebiet auf einer planerischen Konzeption beruhen, führt auf keinen Unterschied. Denn im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB ergeben sich die Beschränkungen der Baufreiheit regelmäßig aus der Umgebungsbebauung und nicht aus einer planerischen Konzeption.
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Sachgesetzlichkeiten (Beschluss vom 19. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 215.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12) fordern keine unterschiedliche Behandlung. Dass der Zulässigkeitsmaßstab bei § 34 Abs. 1 BauGB stets weniger scharf ist, lässt sich nicht sagen. Allerdings ist einzuräumen, dass den Nachbarn größere Hinnahmepflichten treffen, wenn die maßgebliche Umgebungsbebauung eine größere Wahlfreiheit als eine planerische Festsetzung eröffnet (vgl. Beschluss vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166). So liegt es hier nicht, weil die Umgebungsbebauung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts einen vergleichsweise engen Rahmen setzt. Anders als bei Festsetzungen nach den §§ 16 ff. BauNVO und § 23 BauNVO (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1995 a.a.O. S. 13) hängt es im Übrigen auch im beplanten Gebiet nicht vom Willen der Gemeinde ab, ob Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hinsichtlich der Nachbarn von Doppelhäusern dem Schutz des Nachbarn dienen. Schließlich kann für die "Doppelhaus"-Fälle eine so einheitliche Interessenlage angenommen werden, dass es jedenfalls grundsätzlich einer Betrachtung der konkreten Situation nicht bedarf. Dass hier ausnahmsweise etwas Anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich. Namentlich reicht der Hinweis des Beigeladenen nicht aus, dass die bestehenden Haushälften die Bebauungsmöglichkeiten derzeit nicht vollständig ausnutzen. Dies betrifft das Maß der baulichen Nutzung, berührt aber das nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu erfüllende Erfordernis eines Einfügens nach der Bauweise nicht.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.