Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 K 517/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2016:1109.1K517.16.NW.0A
09.11.2016

Tenor

Die Bescheide der Beklagten vom 25. Juni 2012, 9. April 2013, 10. Januar 2014 und vom 12. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2016 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen vier Bescheide der Beklagten in Gestalt eines Widerspruchsbescheids der Kreisverwaltung Kusel über die Erhebung wiederkehrender Ausbaubeiträge und Vorausleistungen für die Jahre 2011 bis 2015.

2

Die Beklagte regelt mit ihrer Ausbaubeitragssatzung vom 7. März 2011, geändert unter dem 15. März 2013 (ABS), seit 1. Januar 2011 die Erhebung wiederkehrender Ausbaubeiträge für die zum Anbau bestimmten öffentlichen Verkehrsanlagen ihres Gemeindegebiets. Dabei fasst sie sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des Gemeindegebiets zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammen, einschließlich des Ortsteils W. Hier ist der Kläger Eigentümer des Grundstücks W. 20 mit einer Gesamtfläche von 1.130 m² (Flurstücks-Nr. ..., Wohngrundstück). Der Ortsteil W. gehört mit seinem südlichen, größeren Teil zur Ortsgemeinde W. und mit dem nördlichen Teil zur Ortsgemeinde D.. Beide Gemeinden liegen in der Verbandsgemeinde W., zu der außerdem die Ortsgemeinde Breitenbach gehört. Die Beklagte hat derzeit rund 5.200, die Verbandsgemeinde insgesamt rund 7.900 Einwohner (vgl. Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Bevölkerung der Gemeinden am 31. Dezember 2015).

3

Am 15. März 2011 beschloss der Ortsgemeinderat W. das Ausbauprogramm für die Jahre 2011 bis 2015, auf dessen Grundlage der jährlich durchschnittlich zu erwartende Ausbauaufwand ermittelt wurde. Das Ausbauprogramm sah zehn Einzelmaßnahmen vor mit jährlicher Zuordnung zu den Jahren 2011 bis 2015 und einem Gesamtinvestitionswert von 1.551.000,00 €.

4

Der Gemeindeanteil wird in der Satzung auf 35 v. H. festgelegt. Für den Beitragsmaßstab ist die Grundstücksfläche heranzuziehen bis zu einer Tiefenbegrenzung von 30 m. Sie unterliegt gemäß § 6 ABS einem Vollgeschosszuschlag, der je Vollgeschoss 15 v. H., für die ersten beiden Vollgeschosse einheitlich 30 v. H. beträgt.

5

Auf dieser Satzungsgrundlage erließ die Beklagte einen Bescheid gegenüber dem Kläger vom 25. Juni 2012, mit dem sie den endgültigen wiederkehrenden Ausbaubeitrag 2011 und Vorausleistungen für das Jahr 2012 in Höhe von jeweils 71,31 € festsetzte. Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, die Waldziegelhütte liege 2 km über eine durch den Außenbereich führende Kreisstraße entfernt vom Ortsausgang W..

6

Mit Bescheid vom 9. April 2013 setzte die Beklagte den endgültigen wiederkehrenden Beitrag 2012 (72,02 €) und Vorausleistungen für 2013 (67,53 €), mit Bescheid vom 10. Januar 2014 den endgültigen Beitrag 2013 (67,80 €) und Vorausleistungen für 2014 (67,61 €) sowie schließlich mit Bescheid vom 12. Januar 2015 den endgültigen Beitrag 2014 (67,60 €) und Vorausleistungen für 2015 (67,60 €) gegenüber dem Kläger fest. Er erhob auch gegen diese Bescheide Widerspruch mit der vorgenannten Begründung.

7

Der Kreisrechtsausschuss der Kreisverwaltung Kusel wies die Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2016 zurück. Im Widerspruchsbescheid wird zur Begründung ausgeführt: Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz stelle zwar das einheitliche Ermittlungsgebiet die Ausnahme dar. Trotz der Außenbereichsfläche von ca. 1,5 km Länge zwischen dem Ortskern von W. und der W. liege hier aber ein zusammenhängendes Gemeindegebiet vor wegen der typischen Straßennutzung der durch den Außenbereich führenden L354. Diese werde nämlich als Verbindungsstraße zur einheitlichen Nutzung von zentralen Einrichtungen im Ortskern von W. auch von der W. aus genutzt. Die W. weise nur Wohnbebauung und eine Gaststätte auf. Es bestehe deshalb eine intensive Verknüpfung zum Ortskern.

8

Nachdem ihm der Widerspruchsbescheid am 8. Juni 2016 zugestellt wurde, hat der Kläger am 30. Juni 2016 Klage erhoben.

9

Er trägt vor: Die W. müsse als eigene Abrechnungseinheit ausgewiesen werden. Sie stelle eine Durchfahrt für Anwohner der Gemeinden D., B. und L. dar, nicht jedoch für Einwohner der Ortsgemeinde W.. Es gebe keine Verbindung nach W. über Ortsstraßen. An der L354 liege zudem eine 200 m breite Schneise für eine Überlandleitung. Ein Zusammenwachsen der Ortsteile sei auch in der Zukunft nicht zu erwarten.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Bescheide vom 25. Juni 2012, 9. April 2013, 10. Januar 2014, 12. Januar 2015 und den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses Kusel vom 19. April 2016 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid,

13

die Klage abzuweisen.

14

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

15

Die Anfechtungsklage gemäß § 42 VwGO ist gegen alle streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2016 zulässig.

16

Im Hinblick auf die Festsetzung der endgültigen wiederkehrenden Ausbaubeiträge und die Vorausleistungen für das Jahr 2015 ist dies unproblematisch. Der Kläger kann aber auch die Bescheide der Beklagten noch anfechten, soweit damit Vorausleistungen für die Jahre 2012 bis 2014 festgesetzt wurden. Die Bescheide haben sich nach der Festsetzung der endgültigen wiederkehrenden Beiträge für diese Jahre nicht erledigt. Die Vorausleistungsbescheide können nämlich bis zur Rechtskraft der endgültigen Festsetzungsbescheide eine mögliche Rechtsgrundlage dafür darstellen, dass die Gemeinde die entsprechenden Beitragsleistungen behalten darf. Das kann sich namentlich in einer Fallgestaltung auswirken, in der ein endgültiger Festsetzungsbescheid im Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren aufgehoben wird, nicht aber der entsprechende Vorausleistungsbescheid, weil ersterer an einem selbständigen Rechtsfehler leidet. Nach Auffassung der Kammer entfaltet der Vorausleistungsbescheid solange eine Rechtswirkung, bis dieser Fall – nach Rechtskraft des endgültigen Beitragsbescheids – nicht mehr eintreten kann (a.A. OVG RP, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 6 A 10853/14.OVG und Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 6 B 10759/15.OVG, m.w.N.).

17

Im vorliegenden Fall leidet die Erhebung von Vorausleistungen und von endgültigen wiederkehrenden Beiträgen indessen an demselben Rechtsfehler, weshalb die Klage insgesamt begründet ist und alle streitgegenständlichen Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es fehlt hierfür nämlich an der erforderlichen rechtswirksamen satzungsrechtlichen Grundlage.

18

Gemäß § 10a Abs. 1 Sätze 1 und 2 Kommunalabgabengesetz – KAG – können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass an Stelle der Erhebung einmaliger Beiträge gemäß § 10 KAG die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils als wiederkehrender Beitrag auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden. In der Satzung kann geregelt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, für deren Ausbau vorteilsbezogene Beiträge für Grundstücken erhoben werden können, welche die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer dieser Verkehrsanlagen haben. Die Entscheidung über die eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen trifft die Gemeinde in Wahrnehmung ihres Selbstverwaltungsrechts unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten. Diese gesetzliche Regelung entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –, wenn sie verfassungskonform so ausgelegt wird, dass dem Gebot der Belastungsgleichheit Rechnung getragen wird (vgl. BVerfG, Beschl. vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668/10 und 1 BvR 2104/10 –, juris). Unter Beachtung dieses verfassungsrechtlichen Gebots ist § 3 Abs. 1 der ABS der Beklagten mit der Bestimmung, dass sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen des Gemeindegebiets als einheitliche öffentliche Einrichtung das Ermittlungsgebiet (Abrechnungseinheit) bilden, unwirksam; das führt zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt.

19

Nach der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fordert der Grundsatz der Belastungsgleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und Nichtbeitragspflichtigen nach Maßgabe des konkret zurechenbaren Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Erfolgt die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen grundstücksbezogen, können nach dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen hinreichend individuell zurechenbaren Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem der Allgemeinheit der Straßennutzer unterscheidet. Dieser Vorteil ist bei Ausschöpfung der Möglichkeit zur Bildung einheitlicher öffentlicher Einrichtungen in abgrenzbaren Gebietsteilen der Gemeinden individuell hinreichend zurechenbar. § 10a KAG eröffnet dem Satzungsgeber die Möglichkeit, einheitliche öffentliche Einrichtungen zu bilden, die nicht notwendig das gesamte Gemeindegebiet umfassen, sondern auch nur einzelne abgrenzbare Gebietsteile. Die Gemeinde hat bei dieser Entscheidung im Rahmen des Satzungsermessens die örtlichen Gegebenheiten zu beachten.

20

Die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten Gemeindegebiet ist gerechtfertigt, wenn mit den Verkehrsanlagen ein Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. Besteht ein solcher Vorteil - wie in Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet - nicht, liegt in der Heranziehung aller Grundstücke zur Beitragspflicht eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte. Aus diesen Gründen ist § 10a KAG verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass in Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet das Satzungsermessen zur Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten Gemeindegebiet insoweit von Verfassungs wegen auf Null reduziert ist, als nur durch Aufteilung des Gebiets dem Gebot eines zurechenbaren Sondervorteils auch bei Berücksichtigung des Typisierungs- und Vereinfachungsspielraums des Satzungsgebers Rechnung getragen werden kann.

21

Ob die herangezogenen Grundstücke einen konkreten, individuell zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben, hängt nicht von der politischen Zuordnung, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines zusammenhängend bebauten Gebiets, der Topographie - wie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen - oder der typischen tatsächlichen Straßennutzung. Dabei dürfte in Großstädten die Aufteilung der Verkehrsanlagen in mehrere abgrenzbare Gebietsteile regelmäßig erforderlich und unbeschadet des ansonsten bestehenden Satzungsermessens die Annahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen sein; in kleinen Gemeinden – insbesondere solchen, die aus nur einem kleinen, zusammenhängend bebauten Ort bestehen – werden sich demgegenüber die einheitliche öffentliche Einrichtung und das Gemeindegebiet häufig decken (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014, a. a. O., juris Rnrn. 51, 59 f., 61 ff.).

22

Diese vom BVerfG entwickelten Maßstäbe hat das OVG Rheinland-Pfalz mit Urteilen vom 10. Dezember 2014 (6 A 10852/14.OVG und 6 A 10853/14.OVG) weiter ausdifferenziert und ausgeführt: Der mit dem Ausbau einer Straße den übrigen Verkehrsanlagen innerhalb einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung vermittelte Vorteil könne je nach Entfernung unterschiedlich ausfallen, ohne dass dadurch die erforderliche ausreichend enge „Vermittlungsbeziehung“ zwischen sämtlichen Verkehrsanlagen ohne weiteres entfalle. Nicht nur im Fall der typischen kleinen Gemeinde mit allenfalls 3.000 Einwohnern - wozu ungefähr 90 v. H. der Gemeinden in Rheinland-Pfalz gehörten - komme die Bildung einer einzigen öffentlichen Einrichtung und damit ein Verzicht auf die Aufteilung in mehrere Abrechnungseinheiten in Betracht. Die Möglichkeit, eine einzige öffentliche Einrichtung der Anbaustraßen des gesamten Gemeindegebiets zu bilden, bestehe regelmäßig in Gemeinden, die nur aus einem kleinen, zusammenhängend bebauten Ort bestehen, sei aber nicht zwingend auf solche Gemeinden beschränkt. Von einer zusammenhängenden Bebauung in diesem Sinn könne aber nicht mehr gesprochen werden, wenn Außenbereichsflächen von nicht nur unbedeutendem Umfang zwischen den bebauten Gebieten lägen. Auch Bahnanlagen, Flüsse und größere Straßen, deren Querung mit Hindernissen verbunden sei, könnten eine Zäsur darstellen, die den Zusammenhang einer ansonsten zusammenhängenden Bebauung aufhebe. Entscheidend sei die jeweilige örtliche Situation.

23

Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Beklagte ihr Satzungsermessen nicht dahin ausüben, sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen der Ortsteile W. und W. zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammen zu fassen. Die Beklagte hat aktuell mehr als 5.000 Einwohner und ist deshalb nicht als die typische kleine Gemeinde mit bis zu 3.000 Einwohnern anzusehen, bei der das Vorliegen eines einheitlichen Gemeindegebiets schon deshalb regelmäßig naheliegt. Auch kann hier unzweifelhaft nicht von einer zusammenhängenden Bebauung des gesamten Gemeindegebiets gesprochen werden, weil zwischen dem Ortskern von W. und dem Ortsteil W. eine Außenbereichsfläche von jedenfalls mehr als 1 km Länge liegt. Die Landesstraße L 354, die durch diesen Außenbereich führt, ist nicht zum Anbau bestimmt. Die sehr deutliche topographische Zäsur in Form der großen Außenbereichsfläche trennt die Verkehrsanlagen der beiden Ortsteile in zwei selbständige öffentliche Einrichtungen. Aufgrund der erheblichen Entfernung zwischen den Ortsteilen kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Grundstücke der Waldziegelhütte einen hinreichend individuell zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau der Verkehrsanlagen in dem räumlich getrennten Bereich des Ortskerns von W. erlangen.

24

Die verfassungsrechtlich erforderliche „Vermittlungsbeziehung“ der Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets kann nicht durch die typische tatsächliche Straßennutzung zwischen den Ortsteilen W. und W. hergestellt werden.

25

Wie ausgeführt, ist die Bildung einer einheitlichen öffentlich-rechtlichen Einrichtung aus sämtlichen Verkehrsanlagen des Gemeindegebiets nicht zwingend auf kleine, zusammenhängend bebaute Orte beschränkt. Ein räumlicher Zusammenhang im Sinne der geforderten Vermittlungsbeziehung kann im Einzelfall auch zwischen getrennt bebauten Bereichen einer Gemeinde bestehen, wenn räumliche Hindernisse und Zäsuren durch eine festzustellende typische tatsächliche Straßennutzung überwunden und aufgehoben werden. Das kann nach der Rechtsprechung des OVG RP der Fall sein, wenn in einem der getrennten Teile zentrale Einrichtungen liegen, die auch von den Einwohnern des anderen Ortsteils typischerweise aufgesucht werden, was vor allem in dörflich strukturierten bebauten Bereichen und bei weniger prägnanten topographischen Zäsuren in Betracht kommt. Bei der Bewertung der typischen örtlichen Verhältnisse und Verkehrsströme steht der Gemeinde ein Satzungsermessen zu, für das sie keine Verkehrszählung durchführen muss und das gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (OVG RP, Urteil vom 24. Februar 2016 – 6 A 11031/15.OVG –). Auch unter Berücksichtigung dieser Möglichkeiten kann der Aspekt der typischen Straßennutzung hier aber nicht zur Annahme eines einheitlichen Ermittlungsgebiets führen.

26

Dabei bestehen schon Zweifel, ob die angeführte Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz, die zur Verbindung zwischen zwei durch einen Fluss (die Nahe) geteilten Ortsteilen über eine Brücke entwickelt wurde, auf den vorliegenden Fall einer räumlichen Zäsur durch eine große Außenbereichsfläche und der Verbindung durch eine nicht zum Anbau bestimmte Landesstraße von mehr als einem Kilometer Länge anwendbar ist (offengelassen auch bei VG Koblenz, Urteil vom 22. September 2016 – 4 K 822/15.KO –). Schon für den Fall eines breiteren Flusses (die Saar) hat das OVG eine Überwindung der Trennung durch Brücken nicht anerkannt. Die Lage und Verteilung zentraler Einrichtungen im Ort wurde bei deutlichen Zäsuren im Gemeindegebiet durch Bahnanlagen vom OVG nicht erörtert.

27

Im vorliegenden Fall liegen zwar unzweifelhaft im größeren Ortsteil W. zahlreiche zentrale Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Einkaufs- und Freizeitstätten sowie ein Altenheim, während der deutlich kleinere Ortsteil W. neben der Wohnbebauung lediglich über einen Friedhof, eine Kapelle und eine Gaststätte verfügt. Dieser Umstand spricht, wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, durchaus dafür, dass die Einwohner der W. zentrale Einrichtungen im Ortsteil W. über die Landesstraße als Verbindung zwischen den Ortsteilen aufsuchen. Andererseits handelt es sich bei der trennenden Außenbereichsfläche auch unter Berücksichtigung der insgesamt ländlichen Struktur der Verbandsgemeinde schon um eine sehr prägnante topografische Zäsur. Bei natürlicher Betrachtung der gesamten örtlichen Gegebenheiten ist der Ortsteil W., abgesehen von den kommunalen Verwaltungseinrichtungen, nicht spezifisch oder gar ausschließlich auf die zentralen Einrichtungen im Ortsteil W. angewiesen. Denn die W. ist auch in anderen Richtungen mit dem öffentlichen Straßennetz verbunden und so an - gerade für ländliche Verhältnisse nicht wesentlich weiter entfernte - größere Ortschaften mit Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten angebunden: Nach Norden an die Gemeinden D. und B., nach Osten an Sch.-K. und nach Südwesten an die Stadt H. (vgl. zu diesem Aspekt Urteil der Kammer vom 4. November 2015 – 1 K 443/15.NW –).

28

Darüber hinaus besteht die Besonderheit, dass der nördliche Teil des Gebietes der W. politisch nicht zur Ortsgemeinde W., sondern zur Ortsgemeinde D. gehört. Zwar soll die politische Zugehörigkeit im Beitragsrecht grundsätzlich nicht erheblich sein. Dieser besondere Umstand legt es hier aber nahe, dass die typische Erwartung einer traditionell gewachsenen, speziellen Orientierung der Einwohner der W. zum Hauptort W. zu relativieren ist. Die vom OVG in der zitierten Entscheidung vom 24. Februar 2016 ausdrücklich zur Begründung hervorgehobene typische dörfliche Struktur mit einem besonderen Zusammengehörigkeitsgefühl im Dorfleben der Einwohner, die sich auch in den seit jeher bestehenden Verkehrsströmen über die Brücke wiederfindet, wird dadurch jedenfalls abgeschwächt.

29

Die beschriebene Besonderheit der W. hat indessen noch weitere Folgen: Selbst wenn man die spezifische Vermittlungsbeziehung zu den Verkehrsanlagen in W. über die typische tatsächliche Straßennutzung herstellen wollte, könnte nur der südliche Teil der Grundstücke des zusammenhängend bebauten Gebiets W. für den Ausbau der Verkehrsanlagen in W. beitragspflichtig werden. Die politisch zu D. gehörenden Grundstücke fallen nämlich von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Satzung der Ortsgemeinde W. und können von dieser nicht zu Ausbaubeiträgen veranlagt werden. Aufgrund ihrer Lage lässt sich aber keine wesentlich andere Erwartung in Bezug auf die typische tatsächliche Straßennutzung zum Ortsteil W. und den dort gelegenen zentralen Einrichtungen begründen. Ihre Vorteilslage unterscheidet sich im Hinblick auf die Verkehrsanlagen in W. nicht wesentlich von der Vorteilslage der zur Ortsgemeinde W. gehörenden Grundstücke der W.. Die vom BVerfG geforderte nachvollziehbare, dem Gebot der Belastungsgleichheit genügende Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und Nichtbeitragspflichtigen kann innerhalb der Waldziegelhütte mithin nicht über das Kriterium der typischen tatsächlichen Straßennutzung getroffen werden. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, inwieweit nicht in vergleichbarer Weise die Erwartung berechtigt ist, dass auch die übrigen Einwohner der Ortsgemeinden D. und B. zentrale Einrichtungen im Hauptteil von W. aufsuchen. Es ist gerade in ländlichen Gebieten nicht ungewöhnlich, dass Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte nur noch in größeren Ortschaften vorhanden sind und weitere Strecken zur Befriedigung dieser Bedarfe zurückgelegt werden müssen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der örtlichen Verhältnisse gehen die Vorteile, welche die zur Ortsgemeinde W. gehörenden Grundstücke der W. von einem Ausbau der Verkehrsanlagen im Ortskern von W. haben, auch so besehen nicht wesentlich über die allgemeinen Vorteile hinaus, die für andere Straßennutzer mit den Verkehrsanlagen in W. verbunden sind. Dies gilt in gleicher Weise, sogar erst recht, umgekehrt betrachtet für die Grundstücke im Ortsteil W., die keinen erkennbaren Sondervorteil von einem Straßenausbau im Ortsteil W. erlangen.

30

Ein auf alle Verkehrsanlagen im Ortsteil W. bezogener Sondervorteil für die Grundstücke im südlichen Teil der W. gegenüber der Allgemeinheit lässt sich nach alldem nicht ausreichend begründen. Die Situation stellt sich vielmehr nicht anders dar als in einem vom Stadtkern getrennten Ortsteil einer größeren Stadt, in der ebenfalls der Aspekt der Nutzung zentraler Einrichtungen in der Kernstadt nicht ausreichen kann, um eine beitragsrechtlich relevante Vermittlungsbeziehung zwischen Kernstadt und getrennt bebauten Stadtteilen herzustellen.

31

Die Beklagte, der im Hinblick auf die Bewertung der örtlichen Verhältnisse ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Satzungsermessen zusteht, hat schließlich keine weiteren Gesichtspunkte angeführt, die hier trotz der prägnanten topographischen Zäsur zwischen den Ortsteilen W. und W. im Ausnahmefall ein einheitliches Ermittlungsgebiet rechtfertigen könnten.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

34

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung für eine Vielzahl anderer Ortsgemeinden mit vergleichbaren örtlichen Strukturen zugelassen.

Beschluss

35

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 347,02 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 K 517/16.NW

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 K 517/16.NW

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 K 517/16.NW zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 K 517/16.NW zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 K 517/16.NW zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 04. Nov. 2015 - 1 K 443/15.NW

bei uns veröffentlicht am 04.11.2015

weitere Fundstellen ... Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 11.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.4.2015 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vol

Referenzen

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 11.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.4.2015 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem wiederkehrenden Ausbaubeitrag für das Jahr 2013. Er ist Eigentümer des Grundstücks mit der Flurstücksnummer ..., ... Straße ....

2

Die Beklagte hat für ihr Stadtgebiet mehrere Abrechnungseinheiten gebildet und erhebt dort wiederkehrende Ausbaubeiträge nach dem B-Modell, neben einmaligen Beiträgen im übrigen Stadtgebiet. Die hier maßgebliche Abrechnungseinheit E./S. liegt mit ihrem Hauptteil, dem Ortsteil E., südlich der B270. Nördlich der B270 schließen sich Außenbereichsflächen von mehreren hundert Metern an, bevor der bebaute Bereich S. erreicht wird. Dieser wird mit dem Gebiet E. durch die K8 verbunden, die dort ihrerseits mehrere hundert Meter durch den Außenbereich verläuft.

3

In seinen Sitzungen vom 21.6.2012, 10.6.2013 und 28.10.2013 beschloss der Bauausschuss der Beklagten auf Vorschlag und mit Zustimmung des Ortsbeirates das Bauprogramm für den Abrechnungsbezirk E./S.. Der Stadtrat der Beklagten verabschiedete am 17.12.2012 den Haushaltsplan 2013, der straßenbezogene Investitionen in dieser Abrechnungseinheit vorsah. Das Bauprogramm legt fest, dass im Jahr 2013 die Straße am S. zwischen S. Straße und G.-Straße, in 2014 und 2015 die G.-Straße und in 2016 die C.-Straße ausgebaut werden soll. Nach der Einschätzung der Beklagten erwies sich der Ausbau als notwendig, da sich die Verkehrsanlagen in einem desolaten Zustand befanden. Den Straßenzustand dokumentieren diverse Feststellungen und Fotoausdrucke in der Verwaltungsakte.

4

Die Beklagte schätzte die voraussichtlichen Ausbaukosten in dem Vierjahreszeitraum und bezog nach Abzug eines Gemeindeanteils von 25 v.H. einen Aufwand von 1.237.101 € in die Oberverteilung ein. Bei einer Gesamtverteilungsfläche von 702.515 qm ermittelte sie einen Beitragssatz von 1,760960 €/qm. In einem weiteren Rechenschritt teilte sie den Beitragssatz auf 13 "Fälligkeiten" auf, woraus sich ein (Teil-)beitragssatz je "Fälligkeit" von 0,135458 €/qm ergab.

5

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.11.2013 nahm die Beklagte den Kläger mit 100,85 € für 2013, in Anspruch. Beitragsmaßstab war die Grundstücksfläche gewichtet mit einem Vollgeschosszuschlag von 20 v.H.. Die verglichen mit dem Folgejahr niedrigere Beitragshöhe erschließt sich daraus, dass die Beklagte bei der Festsetzung lediglich eine von 13 "Fälligkeiten" einbezogen hat.

6

Der Kläger erhob gegen den Bescheid am 2.12.2013 Widerspruch und trug vor: Gegen die Ausgestaltung des Systems des wiederkehrenden Beitrags bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Durch das Abstellen auf die beitragsrechtliche Einheit drohe eine Doppelbelastung der Anlieger. Denn durch jede hinzukommende Anbaustraße erfolge eine Erweiterung der Einheit, was einerseits einmalige Beitragspflichten nach Erschließungsbeitragsrecht, zugleich aber auch Ausbaubeitragspflichten auslöse. Durch die geplanten Ausbaumaßnahmen werde ihm kein beitragsrechtlicher Sondervorteil vermittelt. Denn zu den auszubauenden Verkehrsanlagen habe er keinen unmittelbaren Bezug. Diese Verkehrsanlagen lägen zudem in einem eigenen Wohngebiet, das topographisch durch den E. Bach und eine Bahnlinie von der R. Straße getrennt sei.

7

Die Beklagte hat dem Widerspruch nicht abgeholfen.

8

Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.4.2015 zurück. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.6.2014 bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 10 a des Kommunalabgabengesetzes (KAG). Das Nebeneinander von Stadtgebieten, in denen wiederkehrende Beiträge, und solchen Gebieten, in denen einmalige Beiträge erhoben würden, sei unbedenklich. Das hier den Beitragsbescheiden zugrundeliegende Gebiet - nämlich der Ortsteil E./S. - sei laut § 15 Abs. 1 ABS eine Abrechnungseinheit, deren genaue Lage man anhand der Anlage 1 zur Satzung erkennen könne. Die erforderliche Satzungsbegründung finde sich in der Anlage 2 der Satzung. Bedenken, dass die Festlegung der Abrechnungseinheit fehlerhaft erfolgt wäre, bestünden nicht. Nach der Rechtsprechung sei der räumliche und funktionale Zusammenhang der Straßen, die zu einem Abrechnungsbezirk zusammengefasst würden, erforderlich. Der räumliche Zusammenhang sei zweifelsfrei gegeben, denn der Ortsteil E./S. bilde eine räumliche Einheit, was sich wohl aus der Tatsache erklären lasse, dass dieser Stadtteil bis zur Eingemeindung 1969 eigenständig gewesen sei und sich seinen dörflichen Charakter bewahrt habe. Der Ortsteil sei zwar Teil der großen, kreisfreien Stadt Kaiserslautern, stelle aber einen eigenständigen Ortsteil mit Ortsbeirat und daher mit einer gewissen Eigenständigkeit und vor allem einer räumlich abgrenzbaren Fläche dar. Der erforderliche funktionale Zusammenhang sei ebenfalls gegeben. Die Straßen in E./S. bildeten eine einheitliche öffentliche Anlage, die den Anwohnern den Vorteil gewähre, diese Einrichtung zu nutzen und die ihre Grundstücke durch die Nutzungsmöglichkeit aufwerte. Hieran könne auch die Tatsache nichts ändern, dass durch den Ortsteil der F. Bach und der E. Bach fließen. Beide Bachläufe seien sehr schmal und stellten an keiner Stelle im Ort eine unüberwindbare "Hürde" dar. Häufig sehe man die Bachläufe gar nicht bzw. nehme diese erst wahr, wenn man direkt davor stehe. Auch die in E. Bach noch vorhandene Bahnlinie der so genannten "Bachbahn" habe keinen teilenden Charakter. Die Bahnlinie sei bereits vor Jahren stillgelegt worden. Schließlich sei noch darauf hinzuweisen, dass auch die Tatsache, dass die Anwohner von S. in die Abrechnungseinheit einbezogen worden seien, nicht zu einer der Rechtsprechung widersprechenden Zusammenfassung zu einer Abrechnungseinheit führe. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz habe in seinen Entscheidungen vom 5.3.2015 (Az 6 A 10054/15 und 6 A 10055/15) ausdrücklich auch, ausgeführt, dass das Vorhandensein von "Außenbereichsinseln" nicht zu einer Aufhebung der Abrechnungseinheit führe. Beim Blick auf den Stadtplan erscheine der Bereich S. nicht unmittelbar integriert. Allerdings ergebe die genauere Betrachtung, dass die Verbindung, zwischen E. und S. eine gut ausgebaute Straße mit Straßenbeleuchtung sei, die zweispurig befahrbar sei und auch von Linienbussen genutzt werde. Die Anwohner von S. nutzten diese Verbindung rege. Die ebenfalls vorhandene, allerdings nicht zweispurig und auch ohne Straßenbeleuchtung ausgebaute Straße Richtung K. werde von den Anwohnern sehr viel seltener genutzt; die Buslinien würden diese Straße nicht befahren. In diesem Zusammenhang sei auch noch darauf hinzuweisen, dass das Wesen der wiederkehrenden Beiträge ein solidarisches sei. Es sei also durchaus möglich, dass ein Beitragspflichtiger eines Abrechnungsgebietes, der am westlichen Rand des als Einheit angesehenen Abrechnungsbereiches wohne, eine relativ kleine Straße am östlichen Rand des Gebietes nicht nutzen wolle und dies auch auf seinem Weg zur Arbeit bzw. zu verschiedenen Freizeitunternehmungen tatsächlich nicht müsse. Würde man jedoch diese Verkehrsanlagen aus der Abrechnung nehmen, entfiele der Solidar-Charakter der Abrechnung und damit die Grundvoraussetzung der wiederkehrenden Beiträge, für entstehende Kosten einen größeren Personenkreis heranzuziehen. Der an den Kläger ergangene Beitragsbescheid sei inhaltlich hinreichend bestimmt, da er die Beitragsfestsetzung für das mit der entsprechenden Flurstücksnummer bezeichnete Grundstück erkennen lasse. Das Rechenwerk für die Ermittlung des Beitragssatzes sei Bestandteil des Bescheides. Aus diesem sei die Summe der beitragsfähigen Aufwendungen ebenso ersichtlich wie die Bestimmung des maßgeblichen Anliegeranteils. Der Kläger könne diesem Bescheid entnehmen, in welchem Umfang der Grundbesitz in das Abrechnungsgebiet eingestellt und wie der letztendlich erhobene Beitrag errechnet worden sei. Die Beifügung einer detaillierten Kostenaufstellung sei hingegen ebenso wenig erforderlich, wie ein Belegnachweis, dass diese Kosten der Beklagten auch tatsächlich entstanden seien oder welche Arbeiten konkret ausgeführt würden. Soweit ein Beitragsschuldner weitergehende Informationen etwa über die Durchführung und Abwicklung der Auftragsvergabe, Art und Höhe der Einzelaufwendungen etc. wünsche, so sei er auf das ihm zustehende Akteneinsichtsrecht zu verweisen. Die Beklagte habe zur Vorbereitung der Maßnahme zunächst alle Grundstücke erfasst und so die Fläche erhalten, auf die die Beitragspflicht in dem jeweiligen Abrechnungsbezirk verteilt werde. Nach der Festlegung der Beitragsflächen sei eine Bestandsaufnahme der Verkehrsanlagen angefertigt worden. Aufgrund dieser Feststellung des Istzustandes sei eine Prioritätenliste erstellt und diese dem Ortsbeirat, dem Bauausschuss und dem Stadtrat zur Beratung und Entscheidung vorgelegt worden. Das 4-jährige Bauprogramm mit den jeweiligen Straßen in der jeweiligen Abrechnungseinheit sei dann von den Gremien beschlossen und von der Beklagten umgesetzt worden. Die Beklagte habe bei der Aufstellung des Bauprogramms nicht nur festgelegt, welche Straßen in dem Abrechnungsbezirk erneuert werden sollten, sondern es sei auch von Beginn an festgelegt worden, welche Baumaßnahme in welchem Jahr des 4-jährigen Bauprogramms erfolgen solle. Inwieweit die veranschlagten Baukosten den angenommenen Werten entsprächen, könne erst zum Abschluss des Bauprogramms gesagt werden. Die Erneuerung der Straßen stelle eine Ausbaumaßnahme nach Maßgabe der §§ 7 Abs. 2 und 10 a KAG dar. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Straße erneuerungsbedürftig sei, stehe der Gemeinde ein Einschätzungsermessen zu. Die normale Lebensdauer der Verkehrsanlagen sei zum Zeitpunkt des Baubeginns bereits abgelaufen und dies sei auch aus den Verwaltungsunterlagen erkennbar. Somit seien die Kosten beitrags- und umlagefähig. Der auf den Kläger entfallende Beitrag halte auch in seiner Höhe einer rechtlichen Überprüfung stand. Beitragsmaßstab sei gemäß § 3 ABS die Beitragsfläche des jeweiligen Grundstücks. Die genaueren Regelungen, wie sich die Grundstücksfläche beitragsrechtlich berechnen lasse, fänden sich in den §§ 4-6 ABS. Die in die Abrechnung der Beklagten eingestellten Investitionsaufwendungen seien beitragsfähig und vorab um die von den Leitungsträgern aufgrund ihrer Maßnahmen gezahlten Baukostenzuschüsse gekürzt worden. Nicht zu beanstanden sei darüber hinaus auch der auf die Anlieger umgelegte Anteil an den beitragsfähigen Kosten in Höhe von 75 v.H.. Bei der Bemessung ihres Eigenanteils stehe der Gemeinde ein Einschätzungsspielraum zu. Der von der Beklagten festgelegte Eigenanteil in Höhe von 25 % habe sich durch eine Analyse der Straßen und deren Nutzung ergeben. Insoweit sei auf die Sachakte zu verweisen. Dort sei durch die Verwendung unterschiedlicher Farben erkennbar, welche Straßen, in welchem Maß von Anliegern genutzt würden und welche dem Durchgangsverkehr dienten. Die so festgestellten Daten seien für alle Bereiche, in denen die wiederkehrenden Beiträge erhoben würden, exakt berechnet worden. So hätten sich in allen Bereichen Werte zwischen 20 % und 25,70 % ergeben, so dass die Beklagte zutreffend den Wert von 25 % festgelegt habe. Das OVG Rheinland-Pfalz habe keine durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der satzungsrechtlichen Festlegung des Gemeindeanteils auf 25 v.H. für sämtliche Abrechnungseinheiten geäußert. Auch wenn dessen Ausführungen sich ausdrücklich auf M. bezögen, so könne hier doch festgehalten werden, dass das OVG Rheinland-Pfalz sich grundsätzlich bereits mit der Frage des Gemeindeanteils bzw. der Festlegung desselben auseinandergesetzt und dabei die Vorgehensweise, die die Beklagte gewählt habe, für rechtmäßig angesehen habe. Schließlich treffe nicht zu, man habe durch Formulierungen im Bescheid die Bürger irritieren und weitere Widersprüche vermeiden wollen. Zunächst sei aus dem Bescheid klar erkennbar, dass er nur einen Teil-Beitrag (nämlich ein Dreizehntel bzw. vier Dreizehntel) von mehreren erhebe. Der angefochtene Bescheid für das Jahr 2013 enthalte auch keine Gesamtsumme, die zu zahlen wäre und aus der man möglicherweise entnehmen könne, dass ein Widerspruch gegen einen Bescheid als Widerspruch "gegen die Maßnahme" angesehen werden könne. Für den rechtsunkundigen Bürger möge es gegebenenfalls missverständlich gewesen sein, dass es im Bescheid auf der Seite 2 heiße, "Der Beitragssatz wird auf 13 Fälligkeiten verteilt", ohne dass eine Erläuterung der 13 Fälligkeiten erfolge. Der Kläger sei aber anwaltlich beraten gewesen. Soweit der Kläger erschließungsbeitragsrechtliche Aspekte thematisiere, sei davon auszugehen, dass es sich dabei um ein Versehen handle.

9

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (24.4.2015) hat der Kläger am 26.5.2015 - dem Dienstag nach Pfingsten - Klage erhoben.

10

Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen: Die Abrechnungseinheit sei von dem Innenstadtbereich gut erreichbar, was gegen eine Abtrennung dieses Gebietes spreche. An seinen topographisch begründeten Zweifeln an der Einheitsbildung halte er fest. Sein Grundstück sei von den auszubauenden Verkehrsanlagen zu weit entfernt, um noch einen beitragsrechtlichen Vorteil aus deren Ausbau abzuleiten.

11

Der Kläger beantragt,

12

den Bescheid der Beklagten vom 11.11.2013 in der Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 16.4.2015 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie erwidert: Sie halte an ihrer Auffassung fest, dass keine topographischen Besonderheiten vorlägen, die einer Einheitsbildung wie hier erfolgt, entgegenstünden. Gerade der F. Bach und der E. Bach seien zu schmal und auch zusammen mit der stillgelegten Bahntrasse nicht als erhebliche Zäsur vor Ort zu erkennen. Scheitere die Einheitsbildung an der Einbeziehung von S., werde dies zur Erhöhung des Beitrags für den Kläger führen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs-, Widerspruchs- und Gerichtsakte verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

17

Die vorliegende Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet. Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.4.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

18

Dem streitgegenständlichen Bescheid mangelt es an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage, denn die Abrechnungseinheit E./S. wurde unwirksam gebildet.

19

Dabei weist die Kammer zunächst darauf hin, dass die aktuelle Rechtsprechung zwar keinen räumlich-funktionalen Zusammenhang der zu einer beitragsrechtlichen Einheit zusammengefassten Verkehrsanlagen mehr fordert (BVerfG, Beschluss vom 25.6.2014 - 1 BvR 668 u. 2104/10).

20

Allerdings bedarf es eines räumlichen Zusammenhangs der zum Anbau bestimmten, erstmals hergestellten öffentlichen Verkehrsanlagen der Gemeinde. Im Zeitpunkt, als die Beklage die hier maßgebliche Abrechnungseinheit gebildet hatte, war die gesetzgeberische Grundentscheidung noch im Wesentlichen unangetastet, wonach selbst große, das gesamte Gemeindegebiet umfassende Einheiten gebildet werden durften (und aus Solidargesichtspunkten auch gebildet werden sollten). Damals war die Bildung von einigen kleineren Einheiten, wie im Stadtgebiet der Beklagten, aus Sicht des Gesetzgebers zwar möglich. Ein Abweichen von dem im KAG angelegten Grundsatz "Eine Gemeinde - Eine Abrechnungseinheit" bedurfte aber einer besonderen Satzungsbegründung. Die Bewertungsmaßstäbe hinsichtlich der Größe und des Zuschnitts von Einheiten verschoben sich allerdings in der Folgezeit, nachdem das OVG Rheinland-Pfalz die sogenannte Missbrauchsgrenze eingeführt hatte, wonach die Bildung einer einzigen öffentlichen Einrichtung zu beanstanden war, wenn diese angesichts der besonderen örtlichen Gegebenheiten einen offensichtlichen Missbrauch des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts darstellte (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.7.2013 – 6 A 10213/13; Urteil vom 10.6.2008 – 6 C 10255/08). Durch das BVerfG (Beschluss vom 25.6.2014, a.a.O.) und das OVG Rheinland-Pfalz (Urteile vom 10.12.2014 - 6 A 10852 und 10853/14) wurde die Möglichkeit zur Bildung "großer" Einheiten jedoch sehr stark eingeschränkt und die gesetzgeberisch angestrebte Regelform einer Einheit für das gesamte Gemeindegebiet zum Ausnahmefall. Vor diesem Hintergrund ist die beitragsrechtliche Wirksamkeit der Bildung der Abrechnungseinheit nunmehr neu zu bewerten.

21

Den verfassungsgerichtlichen und obergerichtlichen Vorgaben zur zulässigen Bildung einer beitragsrechtlichen Einheit trägt die vorliegende Abrechnungseinheit nicht hinreichend Rechnung. Die Abrechnungseinheit .E./S. stellt kein zusammenhängendes Gemeindegebiet i.S.d. neueren Rechtsprechung dar.

22

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für die Wirksamkeit der Einheitsbildung politische Zuordnungsfragen nicht maßgeblich sind (BVerfG, Beschluss vom 23.7.2014, a.a.O.). Vielmehr sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten entscheidend. Die hier betroffene Abrechnungseinheit liegt hinsichtlich ihres Hauptteils, dem Ortsteil E., südlich der B270. Selbst wenn sich dieser auf Luftbildern und Lageplänen gut erkennbare Bereich als beitragsrechtliche Einheit begründen ließe, weil auch entlang der nach Norden führenden R. Straße/OD K8 eine recht geschlossene Bebauung vorhanden ist, die noch in räumlichem Zusammenhang mit der restlichen Ortslage gesehen werden kann, so schließt sich aber nördlich des Bebauungsendes entlang der R. Straße eine Außenbereichsfläche mit einer Länge von ca. 50 m an. Diese wird durch die B270 signifikant begrenzt. Nördlich der B270 schließt sich westlich der K8 ein Friedhof und östlich ein landwirtschaftlich genutztes Anwesen an. Die K8 durchläuft sodann nördlich der B270 mehrere hundert Meter Außenbereich, bevor sie die Ortslage S. erreicht. Selbst bei - aus Sicht der Gemeinde - großzügigster Betrachtung lässt sich ein zusammenhängendes Gebiet i.S.d. neueren Rechtsprechung des BVerfG und des OVG Rheinland-Pfalz dort nicht mehr bejahen. Außenbereichsflächen von nicht unbedeutendem Umfang, jedenfalls mehrere hundert Meter breite Außenbereichsflächen, entfalten im beitragsrechtlichen Sinn eine trennende Wirkung (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.6.2015 - 6 A 11016/14). Von einer Außenbereichsinsel (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.3.2015 - 6 A 10054/15) kann hier genauso wenig ausgegangen werden, wie von einer Baulücke (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.6.2015, a.a.O.; U. v. 9.3.2015, a.a.O.). Hierzu ist der Außenbereich - jedenfalls nördlich der B270 zwischen E. und S. - zu großflächig. Bereits ein Bebauungsabstand von 100 m trennt grundsätzlich den räumlichen Zusammenhang (OVG Rheinland-Pfalz, Urteile. v. 10.12.2014, a.a.O.) Soweit die Beklagte zur Rechtfertigung der Einheitsbildung versucht, auf den Bauzustand der K8 abzustellen, ist dieser für die nach tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten vorzunehmende beitragsrechtliche Bewertung unergiebig. Gleiches gilt für die Darlegungen zur Frequentierung dieser Straße durch Linienbusse. Diese hat für die Beurteilung des räumlichen Zusammenhangs keine Bedeutung. Außer von den bezeichneten Außenbereichsflächen geht zudem auch von der außerorts verlaufenden B270 eine trennende Wirkung aus, anders als etwa von einer innerorts verlaufenden vergleichsweise schmalen Bundesstraße (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.6.2015, a.a.O.). In Einzelfällen entfalten Hindernisse wie die oben erwähnte B270 oder große Außenbereichsflächen zwar dann keine trennende Wirkung, wenn typischerweise tatsächlich Straßen so genutzt werden, dass daraus auf einen Zusammenhang der räumlich getrennten Bebauungsbereiche geschlossen werden kann, etwa, wenn in einem der getrennten Teile zentrale Einrichtungen liegen, die trotz der Trennung typischerweise über eine "Verbindungstraße" aufgesucht werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 10.12.2014, a.a.O.). Es ist aber weder vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich, dass im Bereich E. oder in S. in nennenswertem Umfang mehrere zentrale Einrichtungen vorhanden sind, die - trotz der deutlichen räumlichen Trennung - durch Anwohner des jeweils anderen Bereichs regelmäßig und in erheblichem Umfang frequentiert würden und dass eine daraus resultierende intensive Nutzungsbeziehung der maßgeblichen, zur Einheit zusammengefassten Verkehrsanlagen hier ausnahmsweise die räumliche Trennung überspielt. Zentrale Einrichtungen sind jedenfalls ein größerer Bahnhof, das Rathaus, ein Krankenhaus u.ä.. Diese Einrichtungen befinden sich aber nicht im Geltungsbereich der hier gebildeten Abrechnungseinheit. Einzelne Unternehmen, Gaststätten, kleinere Geschäfte oder Handwerksbetriebe, wie sie noch weitgehend im ländlich geprägten Bereich üblich sind, zählen nicht hierzu. Zudem ist S. nach Norden mit K. über die K8/K24 verbunden. Damit besteht auch keine sonstige enge intensive Verknüpfung mit dem Rest der Verkehrsanlagen der Abrechnungseinheit, anders als dies etwa bei einem Bereich, der lediglich über eine Anbindung an das restliche Straßennetz der Abrechnungseinheit verfügt, denkbar ist. Dass der F. Bach und die fast parallel dazu verlaufende Trasse der stillgelegten "Bachbahn" (vgl. zu einer stillgelegten Trasse mit Querungsmöglichkeiten: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.3.2015, a.a.O.), gegebenenfalls zusammen mit dem Verlauf des E. Bachs, ebenfalls eine trennende Wirkung im beitragsrechtlichen Sinn entfaltet, erscheint ausweislich der vorgelegten Pläne, Luftbilder und Fotoausdrucke nicht wahrscheinlich. Die Einbeziehung eines größeren im Osten der Abrechnungseinheit gelegenen Industrie- und Gewerbeareals begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Zum einen besteht dort ein räumlicher Zusammenhang der maßgeblichen Verkehrsanlagen. Zum anderen führt die Einbeziehung dieses Bereichs in die Abrechnungseinheit zu keinen beitragsrechtlich nicht mehr hinzunehmenden Verwerfungen. Die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Zusammenfassung von "Gebieten mit strukturell gravierend unterschiedlichem Straßenausbauaufwand" (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.5.2015 - 6 A 11006/14, Urteile vom 10.12.2014, a.a.O.) soll offenkundig der Sicherung der Belastungsgleichheit dienen. Verfassungsgerichtliche Vorgaben gebieten freilich eine strikte Trennung unterschiedlicher Gebietsarten nicht. Denn Gewerbegebiete, die z.B. mit Wohngebieten zusammen eine Abrechnungseinheit bilden, mögen zwar einen höheren Ausbauaufwand "ihrer" Verkehrsanlagen verursachen. Durch die Größe der Gewerbegebiete, regelmäßig höhere Vollgeschoßzahlen, Baumassen, vor allem auch durch die Artzuschläge, wird aber ein Ausgleich für den höheren Ausbauaufwand erreicht. Zudem gelten regelmäßig für diese Grundstücke keine Eckgrundstücksvergünstigungen und demgemäß zumeist auch modifizierte Verschonungsregelungen. Dennoch bestehende kleinere Verschiebungen sind mit Blick auf die vom BVerfG (Beschluss vom 25.6.2014, a.a.O.) akzeptierte "großzügige Pauschalierungsbefugnis" der Gemeinden hinzunehmen.

23

Mangelt es mit Blick auf die räumliche Trennung zwischen S. und E. an einer wirksamen Bildung der Abrechnungseinheit, führt dies im räumlichen Bereich der Abrechnungseinheit E./S. nach dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit zur Unwirksamkeit der Satzung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7.8.2012 - 6 B 10650/12).

24

Da die Beklagte beabsichtigt, das Modell des wiederkehrenden Beitrags fortzuführen und zwischen den Beteiligten noch weitere Aspekte im Streit standen, sieht sich die Kammer noch zu folgenden Ausführungen veranlasst:

25

Der streitgegenständliche Bescheid ist hinreichend bestimmt. Er weist insbesondere die Flurstücksnummer des klägerischen Grundstücks aus. Die Rechnungslegung der Beklagten muss nicht in den Bescheid aufgenommen werden. Es genügt hier die Wiedergabe der Oberverteilung. Damit liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor, wenn die der Beitragsfestsetzung zugrunde liegende Kostenzusammenstellung nicht in dem Bescheid enthalten bzw. ihm nicht als Anlage beigefügt ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9.12.2010 - 6 A 11132/10).

26

Dass wiederkehrende Beiträge im Rechtssinne keine neue Abgabe darstellen, hat der Stadtrechtsausschuss der Beklagten hinreichend erläutert, hierauf kann verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ein Nebeneinander von wiederkehrenden und einmaligen Beiträgen im Stadtgebiet ist zulässig (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.8.2012 – 6 C 10085/12; Urteil vom 20.11.2007 - 6 C 10601/07). Das vom Kläger angeführte Doppelbelastungsargument greift hier nicht. Wenn im Bereich der Abrechnungseinheit eine neue Verkehrsanlage hergestellt wird, löst diese Maßnahme Herstellungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu Lasten der durch diese Verkehrsanlage erschlossenen Anlieger aus. Ausbaubeiträge für diese Verkehrsanlage fallen zumindest in den ersten 20 Jahren nach ihrer Fertigstellung, auf der Grundlage der ABS nicht an.

27

Ein Bauprogramm liegt hier in Gestalt diverser Ausschuss- und Ratsbeschlüsse vor. Selbst wenn der Bauausschuss keine Entscheidungskompetenz haben sollte, ist das Bauprogramm durch die straßenbezogene Zuweisung von Ausgaben und Einnahmen im Haushaltsplan hinreichend umrissen.

28

Die Beklagte hat den der Beitragserhebung zugrunde gelegten Investitionsaufwand zu Beginn des gewählten 4-Jahresprogramms in zulässiger Weise geschätzt. Dies entspricht den Vorgaben des § 10a Abs. 2 KAG. Erst nach Ablauf des 4-Jahresprogramms sind Abweichungen zwischen den tatsächlichen Aufwendungen sowie den im Durchschnitt erwarteten (= geschätzten) Aufwendungen auszugleichen. Allerdings hat die Beklagte die gesetzlichen Vorgaben zu dem B-Modell im Weiteren nicht zutreffend umgesetzt. Denn dieses sieht - wie in der Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.6.2015 - 6 A 11016/14; Beschluss vom 1.8.2011 - 6 B 10720/11 u.a.) auch im B-Modell die Erhebung jährlicher Beiträge auf der Basis dieser Schätzung, also "den im Durchschnitt erwarteten Aufwendungen", vor. Die Vorgehensweise der Beklagten, für den 4-Jahreszeitraum 13 "Fälligkeiten" zu bestimmen, von denen eine auf das erste Jahr des Veranlagungszeitraums und jeweils vier auf die nächsten drei Jahre verteilt werden, und sodann in Höhe der "Fälligkeiten" den jährlichen Beitrag festzusetzen, mag zwar im Einzelfall auf sachnahen Erwägungen beruhen, ist vom KAG aber nicht gedeckt. Dies hat zur Folge, dass die wiederkehrenden Beiträge 2013 zu niedrig, 2014 aber zu hoch festgesetzt wurden. Dass die Beitragsfestsetzung erfolgte, bevor die Beitragsansprüche 2013 entstanden waren, ist unschädlich. Erfolgt der Erlass eines Bescheides, bevor der Beitragsanspruch entsteht, wird dieser Mangel mit der Beitragsentstehung geheilt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.4.2014 - 6 B 10217/14).

29

Ob der gewählte Beitragsmaßstab in der hier betroffenen Abrechnungseinheit wirksam ist, kann dahinstehen. Zwar ist der Vollgeschoßmaßstab grundsätzlich unbedenklich. Allerdings hat das OVG Rheinland-Pfalz bereits mehrfach entschieden, dass ein Verteilungsmaßstab, der das Nutzungsmaß unter Berücksichtigung der Bebaubarkeit mit Vollgeschossen bestimmt, regelmäßig zwischen ein- und zweigeschossig bebaubaren Grundstücken unterscheiden muss (Urteil vom 19.5.2015 - 6 A 11006/14; Urteil vom 13.12.2011 - 6 A 10870/11; Urteil vom 26.5.2010 - 6 C 10151/10 u.a.). Eine einheitliche Gewichtung ist allerdings nicht zu beanstanden, wenn die zu Beiträgen veranlagten Grundstücke, auf denen nur eine eingeschossige Bebauung oder nur Garagen bzw. Stellplätze oder nur eine sonstige gewerbliche Nutzung zulässig sind, nicht mehr als 10 v.H. ausmachen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.2010 - 6 C 10151/10; Urteil vom 19.3.2009 - 6 A 10750/08; Urteil vom 10.6.2008 - 6 A 10255/08; Urteil vom 19.9.2000 - 6 A 10845/00). Ob damit der Beitragsmaßstab in der Abrechnungseinheit in Ordnung ist, wird von der Beklagten bei der Überarbeitung ihrer Ausbaubeitragsatzung noch zu prüfen sein.

30

Der Beitragspflicht des Klägers steht nicht entgegen, dass sein Grundstück einige hundert Meter von den in der Einheit ausgebauten und auszubauenden Verkehrsanlagen entfernt liegt. Es ist gerade im wiederkehrenden Beitrag der Normalfall, dass nicht die vor dem Anwesen des Beitragsschuldners oder in dessen unmittelbarer Nähe verlaufende sondern eine weiter entfernt gelegene Verkehrsanlage ausgebaut wird, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für eine wirksame Bildung der Abrechnungseinheit erfüllt sind.

31

Ob die Beklagte nach einer Überarbeitung ihrer Satzung für ein abgelaufenes Veranlagungsjahr dennoch nach dem B-Modell Beiträge erheben kann, wurde für das KAG 2006 noch nicht entschieden. Zum KAG 1986 hatte das OVG Rheinland-Pfalz beiläufig entschieden, dass eine Veranlagung für ein abgelaufenes Jahr auf der Basis des A-Modells, also unter Zugrundelegung der festgestellten Aufwendungen im konkreten Veranlagungsjahr möglich ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 2.7.1997 - 6 A 13429/96).

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff. Zivilprozessordnung.

34

Beschluss

35

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100,85 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

36

Gegen die Festsetzung des Streitwertes steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG dieBeschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

37

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

38

Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Robert-Stolz-Str. 20, 67433 Neustadt, schriftlich, in elektronischer Form oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen.

39

Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Rheinland-Pfalz (ERVLVO) vom 10. Juli 2015 (GVBl. S. 175) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.