Verwaltungsgericht Münster Beschluss, 25. Feb. 2016 - 1 L 181/16
Verwaltungsgericht Münster
Tenor
Der Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, den Antragstellern unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Kostenschätzung im Hinblick auf das Bürgerbegehren „Erhaltet den H. X. “ mitzuteilen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2A. Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,
3der Antragsgegnerin aufzugeben, ihnen eine neue Kostenschätzung im Hinblick auf das Bürgerbegehren „Erhaltet den H. X. “ mitzuteilen,
4hat Erfolg.
5I. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zulässig. Der Antrag ist insbesondere statthaft, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage auf Erteilung einer neuen Kostenschätzung zu erheben wäre. Bei der Mitteilung der Kostenschätzung handelt es sich nämlich mangels Regelung nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG NRW, sondern um einen Realakt.
6Vgl. auch von Lennep in: Rehn/Cronauge u.a., GO NRW, Loseblattkomm., Bd. I, Stand: Juni 2015, § 26, III. 3.
7Dem Antrag fehlt – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Vertreter des Bürgerbegehrens haben ein Interesse daran, eine aus ihrer Sicht unzutreffende Kostenschätzung frühzeitig gerichtlich überprüfen zu lassen. Es trifft zwar zu, dass die Vertreter des Bürgerbegehrens verpflichtet sind, die Kostenschätzung der Verwaltung unverändert zu übernehmen, und eine abweichende Auffassung zu den voraussichtlichen Kosten in einer Art Gegendarstellung in der Begründung darlegen können.
8Vgl. ausführlich VG Münster, Urteil vom 8. Dezember 2015 ‑ 1 K 2420/14 -, juris, Rn. 30 - 32 m.w.N.
9Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass die in der Kostenschätzung mitgeteilten Grundlagen der Schätzung zutreffen.
10Dem Rechtsschutzbedürfnis steht auch nicht die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin entgegen, das Bürgerbegehren sei unzulässig. Denn die Antragsgegnerin ist auch unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung nach § 26 Abs. 2 Satz 5 GO NRW verpflichtet, eine Kostenschätzung zu erteilen. Weder die Antragsgegnerin noch das Gericht haben in diesem Stadium des Verfahrens eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu treffen. Denn diese Entscheidung trifft nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW (zunächst) der Rat.
11II. Der Antrag ist auch begründet.
12Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwehren oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).
13Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
141. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 26 Abs. 2 Satz 5 GO NRW. Die Antragsteller haben einen Anspruch auf Mitteilung einer plausiblen und hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen zutreffenden und vollständigen Kostenschätzung. Hier ist die mitgeteilte Tatsachengrundlage nicht vollständig, da der Haftungsausschluss aus dem Durchführungsvertrag nicht wiedergegeben wird.
15Nach § 26 Abs. 2 Satz 5 GO NRW teilt die Verwaltung den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens schriftlich eine Einschätzung der mit der Durchführung der Maßnahme verbundenen Kosten (Kostenschätzung) mit. Die Kostenschätzung der Verwaltung ist gemäß § 26 Abs. 2 Satz 6 GO NRW bei der Sammlung der Unterschriften anzugeben.
16Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung enthalten Angaben zum zwingenden Inhalt oder zum Umfang einer Kostenschätzung. Die Gesetzesbegründung zu § 26 Abs. 2 GO NRW führt jedoch aus, dass die Kommunalverwaltung eine „plausible und summarische Kostenschätzung“ erstellt. Die Notwendigkeit einer plausiblen und hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen zutreffenden und vollständigen Kostenschätzung ergibt sich aus deren Sinn und Zweck.
17Der für Bürgerbegehren bisher notwendige Kostendeckungsvorschlag ist durch das Gesetz zur Stärkung der Bürgerbeteiligung vom 13. Dezember 2011 (GV. NRW S. 685) durch eine Kostenschätzung der Verwaltung ersetzt worden. Der frühere Kostendeckungsvorschlag bestand aus zwei Elementen: Neben der Kostenschätzung musste er einen konkreten Vorschlag enthalten, wie die Kosten gedeckt werden können. Durch die Neuregelung sollten die Bürger bei der Initiierung eines Bürgerbegehrens von den strengen Voraussetzungen des Kostendeckungsvorschlages entlastet werden. Nach ständiger Rechtsprechung und übereinstimmender Meinung in der Literatur wollte der Gesetzgeber durch den (früheren) Kostendeckungsvorschlag sicherstellen, dass die Bürger in finanzieller Hinsicht über die Tragweite und Konsequenzen der im Wege des Bürgerbegehrens vorgeschlagenen Entscheidung unterrichtet werden.
18Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. April 2012 – 15 A 3047/11 -, juris, Rn. 12; vom 23. Juni 2008 - 15 A 2963/07 -, juris, Rn. 27; vom 21. Januar 2008 – 15 A 2697/07 -, juris, Rn. 8 und vom 28. Januar 2003 -15 A 203/02 -, juris, Rn. 37 ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 18. März 2009 -8 B 528/09-, DÖV 2009, S. 724; Brunner in: Kleerbaum/Palmen, GO NRW, 2. Aufl. 2013, § 26, III. 7 a).
19Nichts anderes gilt für die Kostenschätzung nach neuem Recht. Auch diese hat die Funktion, die Bürger über die Kostenfolge der vom Bürgerbegehren beabsichtigten Maßnahme zu informieren. Die Kosten der Maßnahme sind von großer Bedeutung und oftmals ein wesentliches Entscheidungskriterium, über das die Bürger informiert werden müssen.
20Vgl. so ausdrücklich die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 15/2151, S. 14; auch von Lennep in: Rehn/Cronauge u.a., GO NRW, Loseblattkomm., Bd. I, Stand: Juni 2015, § 26, III. 3; Brunner in: Kleerbaum/ Palmen, GO NRW, 2. Aufl. 2013, § 26, III. 7 a).
21Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist die von der Antragsgegnerin mitgeteilte Kostenschätzung nicht vollständig und deshalb unzutreffend. Die Kostenschätzung ist nicht geeignet, den Bürger über die voraussichtlichen Kosten der Maßnahme (hier: „Verzicht auf den Ausbau des H. X1. “) zu informieren. Allerdings ergibt sich dies nicht aus der Formulierung „Der Umfang solcher Entschädigungsansprüche ist derzeit nicht bezifferbar.“ Soweit – wie hier – das Entstehen und die Höhe von möglichen Schadensersatzansprüchen nicht zu prognostizieren sind, weil sie erst von der zukünftigen Entwicklung des Sachverhalts abhängen, ist eine Formulierung wie die vorgenannte unschädlich. Die mitgeteilte Kostenschätzung ist aber unzutreffend, weil eine wesentliche Tatsachengrundlage nicht mitgeteilt wurde. Im Einzelnen:
22Die Kostenschätzung nennt jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob Kosten durch etwaige Schadensersatzansprüche der Vorhabenträgerin entstehen können, nicht die vollständige Tatsachengrundlage.
23Die von der Antragsgegnerin mitgeteilte Kostenschätzung hat folgenden Wortlaut:
24„In dem Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 0 hat sich die Vorhabenträgerin zum Ausbau des H. X1. verpflichtet. Das Erschließungskonzept des Bebauungsplans beruht auf dem Ausbau dieses Wegs. Bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens würde sich die Frage stellen, ob die Vorhabenträgerin, wenn sie den X. nicht bereits ausgebaut hat, an diesem Ausbau gehindert wäre oder ob sich daraus die Notwendigkeit ergeben würde, den Bebauungsplan aufzuheben. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Aufhebung des Bebauungsplans Entschädigungsansprüche nach § 39 BauGB für Aufwendungen, die im Vertrauen auf den Bestand des Bebauungsplans getätigt worden sind, und nach § 42 BauGB wegen der Änderung bzw. Aufhebung einer zulässigen Nutzung auslösen würde. Der Umfang solcher Entschädigungsansprüche ist derzeit nicht bezifferbar.“
25Diese Kostenschätzung leidet daran, dass die Regelung zum Haftungsausschluss in IX a) (2) des Durchführungsvertrages gem. §§ 12, 124 BauGB zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 0, H1. – nordwestlich H. X. , nicht mitgeteilt wird. Diese Regelung lautet:
26„Für den Fall, dass der Bebauungsplan nicht in Kraft tritt oder aufgehoben wird, können Ansprüche gegen die Stadt nicht geltend gemacht werden. Dies gilt auch für den Fall, dass sich die Nichtigkeit des Bebauungsplans im Verlaufe oder als Ergebnis eines gerichtlichen Streitverfahrens herausstellt. …“
27Die Wiedergabe dieser Klausel ist im Zusammenhang mit der Thematisierung von Entschädigungsansprüchen geboten. Ob und welche rechtlichen Folgen sich aus dieser vertraglichen Regelung für etwaige Schadensersatzansprüche der Vorhabenträgerin ergeben, ist eine Frage der Auslegung des Durchführungsvertrages und damit eine Rechtsansicht. Die Antragsgegnerin ist befugt, in der Kostenschätzung ihre Rechtsauffassung zu möglichen Schadensersatzansprüchen etwa der Vorhabenträgerin zu vertreten. Dieser Rechtsauffassung können die Antragsteller in der Begründung des Bürgerbegehrens ihre abweichende Rechtsauffassung, es handele sich um einen umfassenden Haftungsausschluss, entgegenstellen.
28Soweit es um die Frage der Erschließung des Baugebiets H. X. geht, ist die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung in Bezug auf die Tatsachengrundlage nachgekommen. Bei der in der angefochtenen Kostenschätzung enthaltenen Aussage „Das Erschließungskonzept des Bebauungsplans beruht auf dem Ausbau dieses (des H. ) X1. “ handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragsteller um eine zutreffende Tatsache. Denn sowohl aus dem vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 0 als auch aus dem Durchführungsvertrag mit der Vorhabenträgerin ergibt sich, dass das Plangebiet über den H. X. erschlossen wird (vgl. etwa die Begründung des Bebauungsplans, dort Nr. 5 Planungsziele, und Ziff. III. 1. (1) des Durchführungsvertrages – Beschreibung des Vorhabens -).
292. Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Regelung ist nötig, um wesentliche Nachteile für die Antragsteller abzuwenden. Da die Antragsteller verpflichtet sind, die Kostenschätzung der Verwaltung zu übernehmen und auf den Unterschriftslisten abzudrucken, sind sie auf eine zutreffende Kostenschätzung angewiesen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist hier ausnahmsweise gerechtfertigt, weil eine Entscheidung in der Hauptsache zur Rechtmäßigkeit der Kostenschätzung nichts mehr ausrichten könnte.
30B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
31C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Die Kammer setzt den in § 52 Abs. 2 GKG vorgesehenen Auffangwert fest, der auch für ein entsprechendes (nur auf die Kostenschätzung bezogenes) Hauptsacheverfahren anzusetzen wäre, weil die Antragsteller mit ihrem Antrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine Vorwegnahme der Hauptsache erstreben.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Haben Eigentümer oder in Ausübung ihrer Nutzungsrechte sonstige Nutzungsberechtigte im berechtigten Vertrauen auf den Bestand eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans Vorbereitungen für die Verwirklichung von Nutzungsmöglichkeiten getroffen, die sich aus dem Bebauungsplan ergeben, können sie angemessene Entschädigung in Geld verlangen, soweit die Aufwendungen durch die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung des Bebauungsplans an Wert verlieren. Dies gilt auch für Abgaben nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften, die für die Erschließung des Grundstücks erhoben wurden.
(1) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder geändert und tritt dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks ein, kann der Eigentümer nach Maßgabe der folgenden Absätze eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
(2) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks innerhalb einer Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit aufgehoben oder geändert, bemisst sich die Entschädigung nach dem Unterschied zwischen dem Wert des Grundstücks auf Grund der zulässigen Nutzung und seinem Wert, der sich infolge der Aufhebung oder Änderung ergibt.
(3) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks nach Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist aufgehoben oder geändert, kann der Eigentümer nur eine Entschädigung für Eingriffe in die ausgeübte Nutzung verlangen, insbesondere wenn infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung die Ausübung der verwirklichten Nutzung oder die sonstigen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks, die sich aus der verwirklichten Nutzung ergeben, unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden. Die Höhe der Entschädigung hinsichtlich der Beeinträchtigung des Grundstückswerts bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Wert des Grundstücks auf Grund der ausgeübten Nutzung und seinem Wert, der sich infolge der in Satz 1 bezeichneten Beschränkungen ergibt.
(4) Entschädigungen für Eingriffe in ausgeübte Nutzungen bleiben unberührt.
(5) Abweichend von Absatz 3 bemisst sich die Entschädigung nach Absatz 2, wenn der Eigentümer an der Verwirklichung eines der zulässigen Nutzung entsprechenden Vorhabens vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist durch eine Veränderungssperre oder eine befristete Zurückstellung seines Vorhabens gehindert worden ist und er das Vorhaben infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung des Grundstücks nicht mehr verwirklichen kann.
(6) Ist vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist eine Baugenehmigung oder über die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ein Vorbescheid nach Bauaufsichtsrecht erteilt worden und kann der Eigentümer das Vorhaben infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung des Grundstücks nach Ablauf der Frist nicht mehr verwirklichen oder ist die Verwirklichung dadurch für ihn wirtschaftlich unzumutbar geworden, kann der Eigentümer in Höhe des Unterschieds zwischen dem Wert des Grundstücks unter Zugrundelegung der nach der Genehmigung vorgesehenen Nutzung und dem Wert des Grundstücks, der sich infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung ergibt, Entschädigung verlangen.
(7) Ist vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist ein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids nach Bauaufsichtsrecht, der die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zum Gegenstand hat, rechtswidrig abgelehnt worden und kann nach dem Ergebnis eines Rechtsmittelverfahrens die Genehmigung oder der Vorbescheid mit dem beantragten Inhalt nicht erteilt werden, weil die im Zeitpunkt der Antragstellung zulässige Nutzung aufgehoben oder geändert worden ist, bemisst sich die Entschädigung nach Absatz 6. Entsprechend findet Absatz 6 auch Anwendung, wenn über einen den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden und zu genehmigenden Bauantrag oder einen Vorbescheid nach Bauaufsichtsrecht, der die bodenrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zum Gegenstand hat, innerhalb der in Absatz 2 bezeichneten Frist nicht entschieden wurde, obwohl der Antrag so rechtzeitig gestellt wurde, dass eine Genehmigung innerhalb der Frist hätte erteilt werden können.
(8) In den Fällen der Absätze 5 bis 7 besteht der Anspruch auf Entschädigung nicht, wenn der Eigentümer nicht bereit oder nicht in der Lage war, das beabsichtigte Vorhaben zu verwirklichen. Der Eigentümer hat die Tatsachen darzulegen, die seine Bereitschaft und Möglichkeiten, das Vorhaben zu verwirklichen, aufzeigen.
(9) Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben, besteht auch der Übernahmeanspruch nach § 40 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1.
(10) Die Gemeinde hat dem Eigentümer auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob ein sich aus Absatz 2 ergebender vermögensrechtlicher Schutz der zulässigen Nutzung für sein Grundstück besteht und wann dieser durch Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist endet.
(1) Die Gemeinde kann durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Absatz 1 verpflichtet (Durchführungsvertrag). Die Begründung des Planentwurfs hat die nach § 2a erforderlichen Angaben zu enthalten. Für die grenzüberschreitende Beteiligung ist eine Übersetzung der Angaben vorzulegen, soweit dies nach den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach Satz 1 gelten ergänzend die Absätze 2 bis 6.
(2) Die Gemeinde hat auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Auf Antrag des Vorhabenträgers oder sofern die Gemeinde es nach Einleitung des Bebauungsplanverfahrens für erforderlich hält, informiert die Gemeinde diesen über den voraussichtlich erforderlichen Untersuchungsrahmen der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 unter Beteiligung der Behörden nach § 4 Absatz 1.
(3) Der Vorhaben- und Erschließungsplan wird Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans ist die Gemeinde bei der Bestimmung der Zulässigkeit der Vorhaben nicht an die Festsetzungen nach § 9 und nach der auf Grund von § 9a erlassenen Verordnung gebunden; die §§ 14 bis 18, 22 bis 28, 39 bis 79, 127 bis 135c sind nicht anzuwenden. Soweit der vorhabenbezogene Bebauungsplan auch im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans Festsetzungen nach § 9 für öffentliche Zwecke trifft, kann gemäß § 85 Absatz 1 Nummer 1 enteignet werden.
(3a) Wird in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans durch Festsetzung eines Baugebiets auf Grund der Baunutzungsverordnung oder auf sonstige Weise eine bauliche oder sonstige Nutzung allgemein festgesetzt, ist unter entsprechender Anwendung des § 9 Absatz 2 festzusetzen, dass im Rahmen der festgesetzten Nutzungen nur solche Vorhaben zulässig sind, zu deren Durchführung sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichtet. Änderungen des Durchführungsvertrags oder der Abschluss eines neuen Durchführungsvertrags sind zulässig.
(4) Einzelne Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans können in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden.
(5) Ein Wechsel des Vorhabenträgers bedarf der Zustimmung der Gemeinde. Die Zustimmung darf nur dann verweigert werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Durchführung des Vorhaben- und Erschließungsplans innerhalb der Frist nach Absatz 1 gefährdet ist.
(6) Wird der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist nach Absatz 1 durchgeführt, soll die Gemeinde den Bebauungsplan aufheben. Aus der Aufhebung können Ansprüche des Vorhabenträgers gegen die Gemeinde nicht geltend gemacht werden. Bei der Aufhebung kann das vereinfachte Verfahren nach § 13 angewendet werden.
(7) Soll in bisherigen Erholungssondergebieten nach § 10 der Baunutzungsverordnung auch Wohnnutzung zugelassen werden, kann die Gemeinde nach Maßgabe der Absätze 1 bis 6 einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen, der insbesondere die Zulässigkeit von baulichen Anlagen zu Wohnzwecken in diesen Gebieten regelt.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.