Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Aug. 2015 - M 17 K 14.50731
Tenor
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2014 wird aufgehoben.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger und Sunnite. Er reiste eigenen Angaben zufolge am .... Juli 2014 über Kenia (2 Wochen), Iran (2 Tage), Türkei (2 Wochen), Griechenland (8 Monate), Serbien (5 Tage), Ungarn (1 Monat) und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 5. August 2014 Asylantrag.
Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am Tag der Asylantragstellung erklärte er gegenüber dem Bundesamt für ... (Bundesamt), dass er seit .... Januar 2012 verheiratet sei und seine Ehefrau in Kenia Asyl beantragt habe. Sein Heimatland habe er am ... August 2013 per Lkw verlassen. Er legte eine schriftliche Aufforderung der griechischen Behörden, das Land zu verlassen, vor und gab an, dass ihm in Griechenland und Ungarn Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Er wolle nicht nach Griechenland oder Ungarn überstellt werden, sondern in Deutschland bleiben. Er suche hier Schutz und wolle zur Schule gehen und arbeiten. In Griechenland und Ungarn sei er in Haft gewesen und habe nach der Entlassung das Land verlassen müssen.
Eine Eurodac-Abfrage vom .... September 2014 ergab einen Treffer für Ungarn. Hiernach hat der Kläger am 27. Juni 2014 in Ungarn Asylantrag gestellt.
Am 30. Oktober 2014 ersuchte die Beklagte die ungarischen Behörden um Rückübernahme des Klägers. Mit Schreiben vom 7. November 2014 akzeptierte Ungarn seine Verantwortlichkeit für die Rückübernahme des Klägers.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers vom 5. August 2014 als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2). Ungarn sei aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben seien nicht ersichtlich. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vor. Von der sog. Asylhaft, die seit der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2013 verhängt werden könne, würden in der Praxis - neben unbegleiteten minderjährigen Klägern - auch Kläger aus Ländern ausgenommen, bei denen die Wahrscheinlichkeit der Schutzbedürftigkeit sehr hoch eingeschätzt werde. Bei diesen hätten die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt, dass ihre Bereitschaft zur Mitwirkung im Asylverfahren wesentlich höher sei als bei Klägern mit „offenen“ Erfolgsaussichten. Dies treffe für Kläger aus Syrien, Eritrea und Somalia zu. Der Bescheid enthält zudem allgemeine Ausführungen zur Haftdauer und zur Abgrenzung der Asyl- von der Abschiebehaft.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19. Dezember 2014 mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragten
die Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für ... vom 15. Dezember 2014 (richtig: 9.12.2014), zugestellt am 17. Dezember 2014, Geschäftszeichen: 5790618 - 273.
Der Kläger habe in Ungarn keinen Asylantrag gestellt. Lediglich sein Fluchtweg habe ihn über Ungarn geführt. Er sei unmittelbar nach der Einreise in Ungarn in Haft genommen worden, wo er enormen Misshandlungen durch Angestellte der Haftanstalt ausgesetzt gewesen sei. Nach der im Bescheid gegebenen Definition habe er sich in „Abschiebehaft“ befunden, obwohl noch gar kein Asylverfahren durchgeführt worden sei. Dies sei an der Art und Weise seiner Behandlung erkennbar: Während der 25-tägigen Haft seien ihm Fingerabdrücke zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen abgenommen worden. Es sei ihm erklärt worden, dass die Fingerabdrücke dazu dienten, zu erkennen, ob er schon einmal in Ungarn gewesen sei. Sollte dies der Fall sein, müsse er bestraft werden. Jedenfalls müsse er im Falle einer späteren Rückkehr bestraft werden. Er sei nicht nur aus der Haft entlassen, sondern von Polizisten sogar an die Grenze zu Serbien gebracht worden, wo ihm nochmals die Folgen einer Rückkehr nach Ungarn erklärt worden seien. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung des Klägers vom .... Dezember 2014 vorgelegt. Aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen, sei von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen. Den ungarischen Behörden sei es nicht möglich, die Flut an Flüchtlingen mit der gleichen Intensität zu bewältigen, wie die Beklagte.
Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist mit Beschluss vom 5. Januar 2015 abgelehnt worden (M 17 S 14.50732).
Der Klägerbevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 16. Februar 2015 und 26. März 2015 die jeweils aktuelle ladungsfähige Adresse des Klägers mit. Die letzte Anschrift lautet: ...
Das Verwaltungsgericht München übertrug mit Beschluss vom 13. Juli 2015 den Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Juli 2015 wurde die Beklagte gebeten, bis spätestens 5. August 2015 mitzuteilen, ob Ungarn trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist zur Wiederaufnahme des Klägers bereit wäre und ob das Bundesamt die ungarischen Behörden über eine (ggf. erfolgte) Fristverlängerung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist informiert habe. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung äußerte sich die Beklagte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 S 14.50732 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Gründe
1. Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Klagepartei mit Schreiben vom 29. Juni 2015 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt hat (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte hat auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 24. Juni 2015 generell verzichtet.
2. Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 9. Dezember 2014 ist im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Der Bescheid ist aufgrund des zwischenzeitlichen Ablaufs der sog. Überstellungsfrist und des hierdurch bedingten Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik Deutschland rechtswidrig geworden.
Maßgeblich für die Zuständigkeitsbestimmung ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), weil das streitgegenständliche Gesuch auf internationalen Schutz nach dem in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO bestimmten Zeitpunkt, dem 1. Januar 2014, gestellt worden ist.
Zwar war Ungarn der zuständige Mitgliedsstaat für die Überprüfung des Asylantrags, da der Kläger dort zuerst in das Gebiet der EU eingereist war und die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 7. November 2014 schließlich ihre Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens anerkannten, vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO.
Wird die Überstellung - wie hier - jedoch nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über (Art 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO).
Nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat.
Diese sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist inzwischen auch dann abgelaufen ist, wenn man davon ausgeht, dass diese Frist mit der am 13. Januar 2015 erfolgten Zustellung des den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ablehnenden Beschlusses vom 5. Januar 2015 an die Beklagte nochmals neu zu laufen begonnen hat (zum Streitstand hinsichtlich des Fristbeginns vgl. VG München, GB
Ein Tatbestand, der nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ausnahmsweise zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist führt, wurde weder von der Beklagten vorgetragen, noch ist ein solcher ersichtlich.
Zwar teilte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 26. März 2015 als neue ladungsfähige Adresse des Klägers die ... mit, so dass es nahe liegt, dass sich der Kläger zumindest von diesem Zeitpunkt an im Kirchenasyl befunden habe. Gleichwohl sprechen gute Gründe dafür, dass sich daraus gerade nicht ergibt, dass der Kläger „flüchtig“ im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist. Den Behörden war der Aufenthaltsort des Klägers durch die Adressmitteilung seines Klägerbevollmächtigten weiterhin bekannt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger für die Behörden über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht auffindbar war (VG München, U.v. 28.1.2015 - M 12 K 14.30463 - juris Rn. 26). Im Ergebnis kann es allerdings dahinstehen, ob aufgrund des Umstands, dass sich der Kläger zumindest zeitweise im „Kirchenasyl“ befand, eine Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO möglich gewesen wäre (so VG Regensburg, U.v. 20.2.2015 - RN 3 K 14.50264 - juris Rn. 56; VG Saarland, U.v. 6.3.2015 - 3 K 902/14 - juris Rn. 44 unter Verweis auf SaarOVG,
Der Asylantrag des Klägers ist damit nicht mehr nach § 27a AsylVfG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig. Folglich kommt auch eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG nicht mehr in Betracht (vgl. z. B. VG München, U.v. 8.6.2015 - M 12 K 14.50257; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20; BayVGH B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50025 - juris, wonach der Bescheid des Bundesamtes wegen Ablauf der Überstellungsfrist gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG sogar gegenstandslos geworden sei). Dass Ungarn sich entgegen der europarechtlichen Bestimmungen nicht auf den Fristablauf berufen wird und ausnahmsweise dennoch zur Übernahme des Klägers bereit ist, ist weder mitgeteilt worden noch kann hiervon grundsätzlich ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4). Für das Verwaltungsgericht besteht keine Veranlassung im Wege der Amtsermittlung der Frage nachzugehen, ob Ungarn trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist zur Wiederaufnahme des Klägers bereit wäre. Vielmehr hätte es dem Bundesamt, dem insoweit die Darlegungslast zukommt, oblegen, diese Frage rechtzeitig zu klären und das Ergebnis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2015 - 11 ZB 15.50090 - juris Rn. 9). Selbst auf die entsprechende gerichtliche Anfrage vom 28. Juli 2015 hat sich das Bundesamt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht geäußert.
2.2. Der Kläger ist durch den streitgegenständlichen Bescheid auch in seinen Rechten i. S. v. § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.
Zwar dienen die Fristbestimmungen der Dublin-III-VO einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber den Antragstellern einen Anspruch auf die Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewähren. Die Bestimmungen der Dublin-II-VO und Dublin-III-VO richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an den Mitgliedstaat und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber (EuGH, U.v. 14.11.2013 - C-4/11 - juris; U.v. 10.12.2013 - C-394/12
Wenn allerdings - wie hier - wegen Ablaufs der Überstellungsfrist allein die Zuständigkeit der Beklagten bleibt, kann der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem dann zuständigen Staat geltend gemacht werden. Der Kläger ist durch die Aufrechterhaltung der rechtswidrig gewordenen Regelung unter Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids in seinem subjektiven Recht auf ordnungsgemäße Prüfung seines Asylbegehrens in der zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland verletzt (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO; Art. 16 a Abs. 1 GG; vgl. auch den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III; Abwehrmöglichkeit des Problems „Refugee in orbit“). In der vorliegenden Konstellation also, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Ungarn nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i. V. m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem ein durchsetzbares Recht des Antragstellers zugrunde liegt, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass der betroffene Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten kann und - wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert - doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleibt (VGH BW, U.v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 32). Dieser Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens wird vereitelt, wenn eine Überstellung in den ursprünglich für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat nicht erfolgte und nach Ablauf der Überstellungsfrist auch nicht mehr erfolgen kann und die nunmehr zuständige Beklagte weiterhin von der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG ausgeht. Für die Rechtsverletzung kommt es daher nicht darauf an, ob der Fristablauf für den Kläger nunmehr ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland begründet. Durch den Fristablauf wird das Verfahren gleichsam in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat. Damit lebt die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrags wieder auf. Es geht im Ergebnis nicht um eine unionsrechtlich determinierte Zuständigkeitsbestimmung, der die subjektive Komponente fehlt, sondern um die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens im innerstaatlichen Bereich (vgl. VG Hannover, U.v. 22.4.2014 - 1 A 9674/14 - juris).
2.3. Eine Umdeutung des streitgegenständlichen „Dublin-Bescheides“ in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 47 VwVfG nicht vorliegen. Dies ist zwischenzeitlich obergerichtlich geklärt (BayVGH, B.v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068;
3. Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Aug. 2015 - M 17 K 14.50731
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht München Urteil, 06. Aug. 2015 - M 17 K 14.50731 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. September 2014 – Az.: 5794624-251 – wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der nach eigenem Bekunden am geborene Kläger stammt aus Mali. Er stellte am 13. August 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) einen Asylantrag. Im Rahmen eines am selben Tage durchgeführten „persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ gab der Kläger an: Er habe Mali im Januar 2013 verlassen und sei über Burkina Faso, Niger und Libyen nach Italien gelangt, wo er sich fünf Monate lang aufgehalten habe; in dieser Zeit habe er auch einen Asylantrag gestellt. Dann sei er über Österreich weiter nach Deutschland gereist. In Italien habe er unter freiem Himmel schlafen müssen; man habe sich kaum um ihn gekümmert.
3Eine am 18. August 2014 durchgeführte Recherche in der EURODAC-Datenbank ergab für den Kläger hinsichtlich Italiens einen Treffer der Kategorie 1 (IT1SA01EL3).
4Daraufhin bat das Bundesamt die italienischen Behörden am 2. September 2014 um Wiederaufnahme des Klägers. Die italienischen Behörden ließen dieses Ersuchen unbeantwortet.
5Mit Bescheid vom 26. September 2014 – Az.: 5794624-251 – lehnte das Bundesamt unter Ziffer 1. den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete unter Ziffer 2. seine Abschiebung nach Italien an. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 6. Oktober 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
6Am 13. Oktober 2014 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er im Kern geltend macht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien durch gravierende systemische Mängel geprägt seien. Eine Abschiebung nach Italien sei daher unzumutbar. Ferner spreche das Verhalten der italienischen Behörden im vorliegenden Fall dafür, dass diese überhaupt nicht bereit seien, ihn wiederaufzunehmen.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
8den Bescheid vom 26. September 2014 aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bezieht sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides.
12Mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 wurde das vorliegende Hauptsacheverfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG). Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 10 L 783/14.A – lehnte das Gericht einen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 2430/14.A und 10 L 783/14.A sowie den durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgang (ein Heft) Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15A. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat sein Einverständnis mit einer solchen Entscheidung durch Schriftsatz vom 27. April 2015 erklärt. Die Beklagte hat am 26. Januar 2015 – Az.: M21-9221-2015 – gegenüber dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Minden eine allgemeine Prozesserklärung abgegeben, in der sie für asylrechtliche Verfahren (u.a.) auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat für das vorliegende Verfahren keine hiervon abweichende Erklärung beigebracht.
16B. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthaft
17- vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, DVBl. 2014, 790, und juris (Rdnr. 28 ff.); OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013– 3 L 643/12 –, juris (Rdnr. 21 ff.); Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 – 13a B 13.30295 –, BayVBl. 2014, 628, und juris (Rdnr. 22); VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, InfAuslR 2014, 293, und juris (Rdnr. 18), sowie vom 18. November 2014 – A 3 S 265/14 –, Seite 5 des Urteilsabdrucks; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AZ –, juris (Rdnr. 12 ff.); VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 12 ff.); a.A. VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2014 – W 7 K 14.30072 – Seite 5 des Urteilsabdrucks -
18und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde sie innerhalb der einschlägigen Klagefrist erhoben. Dabei kann offen bleiben, ob diese Frist zwei Wochen (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG)
19- so z.B. VG Stuttgart, Urteil vom 26. Mai 2014 – A 12 K 12/14 –, Seite 3 des Urteilsabdrucks -
20oder in Anknüpfung an die gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG einwöchige Frist für die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Woche (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG) ab Zustellung des Bescheids vom 26. September 2014 beträgt
21- so z.B. für entsprechende Fälle VG Ansbach, Urteil vom 8. April 2014– AN 11 K 14.30189 –, juris (Rdnr. 15) -.
22Im vorliegenden Fall wäre auch die Wochenfrist eingehalten. Der angefochtene Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der im beigezogenen Verwaltungsvorgang befindlichen Postzustellungsurkunde am 6. Oktober 2014 zugestellt; seine Klage ist am 13. Oktober 2014 beim Verwaltungsgericht eingegangen.
23Die Abänderung des Klageantrags durch Schriftsatz vom 27. April 2015 ist im Übrigen ohne weiteres zulässig, da sie – wie der Gesamtvortrag des Klägers zeigt – lediglich der Klarstellung des von Anfang an mit der Klage verfolgten Klagebegehrens dient.
24B. Die danach zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2014 enthaltenen Verwaltungsakte, nämlich die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig (I.) und die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien (II.), sind in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25I. Rechtsgrundlage für die Ablehnung des vom Kläger gestellten Asylantrags als unzulässig ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen sind nicht (mehr) erfüllt:
261. Selbst wenn bislang eine Zuständigkeit der Italienischen Republik für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers gegeben gewesen sein sollte, wäre diese Zuständigkeit mittlerweile auf die Beklagte übergegangen.
27a) Maßgeblich für die Bestimmung des für das Asylverfahren des Klägers zuständigen Mitgliedstaates sind die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, 31; im Folgenden: Dublin-III-VO). Diese Verordnung und nicht deren Vorgängerin, die Verordnung (EU) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, 1; im Folgenden: Dublin-II-VO), findet hier Anwendung, weil der Kläger seinen Asylantrag, d.h. seinen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO, am 13. August 2015 und damit nach dem 1. Januar 2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Sätze 1 und 2 Dublin III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt hat.
28b) Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ergibt sich mit Blick darauf, dass der Kläger nach eigenen Angaben über Italien in das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingereist ist und dort während seines fünfmonatigen Aufenthalts einen Asylantrag gestellt hat, zunächst eine Zuständigkeit der Italienischen Republik für die Durchführung seines Asylverfahrens; insoweit nimmt das Gericht auf die Seiten fünf und sechs seines Beschlusses vom 22. Oktober 2014 – 10 L 783/14.A – Bezug. Ferner wurde die sich aus Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO ergebende zweimonatige Frist zur Stellung des Wiederaufnahmegesuchs an die italienischen Behörden gewahrt, da das Bundesamt am 18. August 2014 für den Kläger einen EURODAC-Treffer hinsichtlich Italiens erzielt hatte und bereits am 2. September 2014 die italienischen Behörden um Wiederaufnahme des Klägers bat. Allerdings ist eine Zuständigkeit Italiens (bereits) mit Blick auf die Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 VO Dublin-III-VO problematisch. Danach setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3). Es spricht derzeit Einiges dafür, dass in Italien systemische Schwachstellen im vorstehend genannten Sinne bestehen
29- vgl. zu dieser Problematik im Einzelnen etwa VG Minden, Beschlüsse vom 20. März 2015 – 10 L 117/15.A –, juris (Rdnr. 42 ff.), und vom 29. Dezember 2015 – 10 L 607/14.A –, juris (Rdnr. 27 ff.), jeweils m.w.N. -.
30Das Gericht lässt jedoch offen, ob (schon) aufgrund der Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO eine Zuständigkeit der Italienischen Republik für das Asylverfahren des Klägers ausgeschlossen ist, weil es aus den nachstehend unter c) genannten Gründen hierauf nicht mehr ankommt.
31c) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten einmal unterstellt, eine Zuständigkeit Italiens für das Asylverfahren des Klägers hätte (zunächst) auch in Ansehung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO bestanden, wäre diese Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO inzwischen auf die Beklagte übergegangen, weil im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO verstrichen ist. Nach dieser Norm erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat (hier: Deutschland) in den aufnehmenden Mitgliedstaat (hier: Italien), spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Alt. 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat (Alt. 2).
32Der Kläger hat, nachdem ihm der streitgegenständliche Bundesamtsbescheid am 6. Oktober 2014 zugestellt worden war, am 13. Oktober 2014 und somit innerhalb der einwöchigen Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen die Abschiebungsanordnung gerichteten Klage gestellt und hierdurch bewirkt, dass die Überstellungsfrist mit Zustellung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses begonnen hat und sechs Monate nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist. Denn der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO) ist ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO. Diese Wirkung kommt dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes seit Inkrafttreten des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95 EU vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 6. September 2013 (Art. 7 Satz 2 des Gesetzes vom 28. August 2013) zu, wonach die Abschiebung des Klägers bis zur gerichtlichen Entscheidung über diesen Antrag ausgeschlossen ist.
33Vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 13. Dezember 2013 – RO 9 S 13.30618 –, juris (Rdnr. 19 ff.); VG Hannover, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 5 B 634/14 –, juris (Rdnr. 23); VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris (Rdnr. 20 ff.); VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 43), sowie Beschluss vom 23. Juli 2014 – 10 L 553/14.A –, Seiten 2 f. des Beschlussabdrucks – jeweils zur Rechtlage nach der Dublin-II-VO –; VG Augsburg, Gerichtsbescheid vom 22. Oktober 2014 – Au 3 K 14.50135 –, juris (Rdnr. 31 ff.); VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Dezember 2014 – 23 L 3127/14.A –, juris (Rdnr. 6 ff.) – jeweils zur Rechtlage nach der Dublin-III-VO –.
34Dementsprechend beginnt die Überstellungsfrist in der vorliegenden Fallkonstellation nicht schon gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 1 Dublin-III-VO mit der (hier gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO fingierten) Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat zu laufen
35- so aber für entsprechende Fälle OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 5 ff.); VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris (Rdnr. 26); VG Göttingen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 86/14 –, juris (Rdnr. 5 ff.) – zur Rechtslage nach der Dublin-II-VO –; VG Minden, Urteil vom 12. Dezember 2014 – 6 K 1843/14.A –, Seiten 5 ff. des Urteilsabdrucks; VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 – 22 K 2262/14.A –, juris (Rdnr. 37 f.) – zur Rechtslage nach der Dublin-III-VO –; ähnlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, InfAuslR 2014, 452, und juris (Rdnr. 58), allerdings mit der Einschränkung, dass der Lauf der Überstellungsfrist vom Eingang eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zur Zustellung einer ablehnenden Entscheidung mit der Folge gehemmt wird, dass sich die Überstellungsfrist entsprechend verlängert -.
36Dem Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin II-VO lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob unter „Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn er aufschiebende Wirkung hat“ nur die endgültige gerichtliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren oder auch die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu verstehen ist. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union für den Fall, dass einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – anders als hier – Erfolg beschieden ist, ausdrücklich festgestellt
37- vgl. Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639 (juris Rn. 33); a.A. wohl OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014– 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 5 ff.) -
38und gilt auch für den hier gegebenen Fall, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt wurde. Art. 2 Dublin-III-VO definiert weder den Begriff „Rechtsbehelf“ noch den der „aufschiebenden Wirkung“. Ausgehend davon, dass unionsrechtliche Begriffe autonom, d.h. losgelöst vom nationalen Begriffsverständnis zu interpretieren sind, lassen beide Begriffe es zu, einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, der nach nationalem Recht kraft Gesetzes dem Vollzug der Überstellung entgegen steht und der somit bis zu einer Entscheidung über diesen Antrag faktisch zu demselben Ergebnis wie eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO führt, als Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung anzusehen.
39Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: Juni 2012, § 27a Rdnr. 193, zu der mit § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG inhaltsgleichen Regelung des § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG, sowie ders., in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a Rdnr. 228.
40Bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sind jedoch nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.
41Vgl. EuGH, Urteile vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, juris (Rdnr. 34), vom 6. Juni 2013 - C-648/11 -, InfAuslR 2013, 299, und juris (Rdnr. 50), sowie vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 (Abdullahi) –, ZAR 2014, 199, und juris (Rdnr. 51).
42Ziel des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO ist es zu gewährleisten, dass angesichts der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung eines Antragstellers in einen anderen Mitgliedstaat verbunden sind, der Mitgliedstaat, der eine solche Überstellung durchführt, nach beiden Tatbestandsalternativen des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO über eine Frist von sechs Monaten für die Durchführung der Überstellung verfügt. Aus diesem Grund kann die Frist für die Durchführung der Überstellung erst zu laufen beginnen, wenn grundsätzlich sichergestellt ist, dass diese durchgeführt werden kann und lediglich noch deren Modalitäten zu regeln sind.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, und juris (Rdnr. 40 f. sowie 43 bis 45).
44Hierfür spricht insbesondere, dass die Überstellungsfrist, die nach dem Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags vom 15. Juni 1990 (ABl. 1997, C 254, S. 1) noch einen Monat betrug, mit Inkrafttreten der Dublin-II-VO auf Vorschlag der Kommission auf sechs Monate verlängert wurde, um den bei der Durchführung von Überstellungen auftretenden praktischen Schwierigkeiten angemessen Rechnung zu tragen.
45Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, KOM (2001) 447 endgültig, Seiten 4, 5, 7 und 20.
46Diese sechsmonatige Überstellungsfrist wurde sodann auch in die hier geltende Dublin-III-VO übernommen.
47Steht ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bis zu einer Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kraft Gesetzes einer Durchführung der Überstellung entgegen, ist – ebenso wie dann, wenn die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Durchführung der Überstellung ausschließt –, nicht ausreichend sichergestellt, dass die Überstellung durchgeführt werden kann. Es lässt sich auch kein Hinweis dafür finden, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hätte, die hier zu entscheidende Fallgruppe anders zu behandeln als die beiden Fallgruppen, auf die der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 29. Januar 2009 eingegangen ist.
48Vgl. Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, und juris (Rdnr. 43).
49Ebenso wenig ist ersichtlich, dass er die Absicht hatte, den Antragstellern die Möglichkeit einzuräumen, durch Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Frist für die Durchführung der Überstellung faktisch zu verkürzen.
50Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, juris (Rdnr. 23).
51Dementsprechend ist Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit der in dieser Regelung festgelegten Frist dahingehend auszulegen, dass unter „Entscheidung über den Rechtsbehelf“ auch die Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu verstehen sein kann und dass dann, wenn ein solcher Antrag vom Gericht abgelehnt wird, die Überstellungsfrist erst mit der Zustellung dieser Entscheidung zu laufen beginnt.
52Das bereits zitierte Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. Januar 2009 steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Zwar hat der Gerichtshof mit diesem Urteil für den Fall, dass einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung– anders als hier – stattgegeben wurde, entschieden, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist nicht mit der Entscheidung über den Antrag, sondern erst mit der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache zu laufen beginnt.
53Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 (Petrosian) –, NVwZ 2009, 639, juris (Rdnr. 46 und 53).
54Aus dieser Entscheidung folgt aber nicht, dass für die hier zu entscheidende Fallgruppe nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgestellt werden kann oder – umgekehrt – dass wenn für die hier zu entscheidende Fallgruppe auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist, dies auch für die vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedene Fallgruppe zu gelten hat
55- a.A. wohl OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014– 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 9) -.
56Vielmehr ist angesichts des aus unionsrechtlicher Sicht offenen Wortlauts des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO für jede Fallgruppe unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck bzw. – in der Diktion des Gerichtshofs – des Ziels der Überstellungsfrist gesondert zu bestimmen, welche Entscheidung – endgültige Entscheidung in der Hauptsache oder Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – die Überstellungsfrist in Lauf setzt. Die Auslegung des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Alt. 2 Dublin-III-VO durch das Gericht gewährleistet, dass den Mitgliedstaaten bei allen relevanten Fallkonstellationen – ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird nicht gestellt, Ablehnung des Antrags oder Stattgabe – entsprechend dem laut Gerichtshof mit der Überstellungsfrist verfolgten Ziel für die Durchführung der Überstellung sechs Monate ab dem Zeitpunkt verbleiben, ab dem die Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Überstellung nicht (mehr) entgegen steht. Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegen halten, die bloße Hemmung der Vollziehung hindere die zuständigen Behörden nicht, bereits vor der Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit der Vorbereitung der Überstellung zu beginnen
57- a.A. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, Asylmagazin 2014, 343, und juris (Rdnr. 18); VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, juris (Rdnr. 26) -.
58Abgesehen davon, dass diese Überlegung dem Ziel der Überstellungsfrist widerspricht, dürfte sich eine derartige Vorgehensweise in der Praxis häufig als nicht oder nur schwer durchführbar erweisen. Zu denken ist insbesondere an Fälle der Überstellung kranker Personen, für die im Zielstaat der Überstellung besondere Vorkehrungen zu treffen sind, oder die vom Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bei Überstellungen von Familien nach Italien geforderten Zusicherungen der italienischen Behörden.
59Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 –, AuAS 2014, 244, und juris (Rdnr. 16); EGMR, Urteil vom 4. November 2014– 29217/12 (Tarakhel) –, HUDOC Rdnr. 120.
60Derartige Vorkehrungen lassen sich in der Praxis nur dann sachgerecht treffen, wenn der Termin der Überstellung zumindest absehbar ist. Dies ist nicht der Fall, solange noch ein gerichtliches Verfahren schwebt, aufgrund dessen eine Überstellung rechtlich unzulässig ist.
61Bei Anlegung dieses Maßstabs begann der Lauf der Überstellungsfrist vorliegend (erst) mit Zustellung des Beschlusses vom 22. Oktober 2014 – 10 L 115/14.A –, mit dem das Gericht den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf ein Jahr bzw. 18 Monate (Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO) vorliegen, sind weder dargelegt worden noch anderweitig ersichtlich. Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob sich die Frist beim Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ohne Weiteres verlängert oder ob dafür eine Absprache zwischen ersuchendem und ersuchtem Mitgliedstaat erforderlich ist.
62Vgl. hierzu VG Magdeburg, Urteil vom 28. Februar 2014 – 1 A 413/13 –, juris (Rdnr. 19).
63Ausgehend hiervon ist die mit Zustellung des Beschlusses vom 22. Oktober 2014 in Gang gesetzte sechsmonatige Überstellungsfrist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung verstrichen.
642. Dass die Italienische Republik nach Ablauf der Überstellungsfrist (erneut) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden wäre, lässt sich nicht feststellen. Ist die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats aufgrund Fristablaufs entfallen, so kann dessen (erneute) Zuständigkeit nur begründet werden, wenn die normativen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Im vorliegenden Fall kommt insoweit nur in Betracht, dass Italien (konkludent) von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch macht, indem sich die italienischen Behörden mit der Überstellung des Klägers dorthin einverstanden erklären. Anhaltspunkte dafür, dass die italienischen Behörden, die schon auf das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes vom 2. September 2014 in keiner Weise reagiert haben, trotz des zwischenzeitlichen Übergangs der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens mit der Überstellung des Klägers einverstanden sind, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Die Beklagte hat weder im vorliegenden Fall noch in anderen beim erkennenden Gericht anhängigen Fällen eine entsprechende einzelfallbezogene Erklärung der Behörden des ersuchten Mitgliedstaats oder Nachweise dafür vorgelegt, dass sich im Verhältnis zu bestimmten Mitgliedstaaten eine entsprechende Verwaltungspraxis herausgebildet hätte.
653. Durch den unveränderten Fortbestand des Ausspruchs unter Nr. 1 des angefochtenen Bescheids trotz Ablaufs der Überstellungsfrist und Übergangs der Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers auf die Bundesrepublik Deutschland ist dieser auch in seinen Rechten verletzt.
66Vgl. zu entsprechenden Fällen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2013 – 12 S 675/13 –, InfAuslR 2014, 29, und juris (Rdnr. 13); VG Minden, Urteile vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 90 ff.), und vom 12. Dezember 2014 - 6 K 1843/14.A -, Seite 8 f. des Urteilsabdrucks; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Januar 2015 – 11 K 1640/14.A –, juris (Rdnr. 24); VG Würzburg, Urteil vom 13. Januar 2015– W 3 K 14.30092 –, juris (Rdnr. 18); VG Ansbach, Urteil vom 16. Januar 2015 – AN 14 K 14.50166 –, juris (Rdnr. 21 ff.); VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – A 1 K 500/14 –, juris (Rdnr. 34 f.); VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. Februar 2015 – 6a L 239/15.A –, juris (Rdnr. 12 ff.); a.A. Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 A 975/14.A –, juris (Rdnr. 17); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, InfAuslR 2014, 452, und juris (Rdnr. 59), mit der Einschränkung, dass die Überstellung noch zeitnah möglich sein muss; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, InfAuslR 2015, 74, und juris (Rdnr. 11 f.); OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 LA 15/15 –, juris (Rdnr. 7); Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014 Anm. 3, Seite 2; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2014, § 27a Rdnr. 234.
674. Die Berufung auf den Ablauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO und den damit verbundenen Zuständigkeitsübergang verstößt nicht gegen Treu und Glauben, insbesondere nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens.
68Vgl. VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 137 ff.); a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris (Rdnr. 83 ff.); VG Cottbus, Beschluss vom 3. März 2015 – 5 L 108/15.A –, juris (Rdnr. 19).
695. Eine Aufrechterhaltung der Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids auf anderer tatsächlicher oder rechtlicher Grundlage oder eine Umdeutung dieser Regelung in eine rechtmäßige Regelung kommt nicht in Betracht
70Vgl. dazu VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, m.w.N., NRWE-Datenbank (Rdnr. 142 ff.).
71II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Anordnung der Abschiebung nach Italien in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist inzwischen ebenfalls rechtswidrig geworden und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach dieser Norm ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Wie bereits ausgeführt, ist die Italienische Republik nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Außerdem steht – wie ausgeführt – nicht im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG fest, dass Italien trotz Ablaufs der Überstellungsfrist bereit wäre, den Kläger wiederaufzunehmen.
72C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens beruht auf § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger. Am
Bei der persönlichen Befragung durch die Bundespolizei am
Am
Am
Am
Am
Mit Bescheid vom
Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-II-VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Am ... März 2014 hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und zuletzt beantragt,
den Bescheid des Bundesamts vom
Mit Beschluss vom ... April 2014 hat das Gericht den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (Az. M 12 S 14.30464). Der Beschluss wurde dem Kläger am 8. April 2014 und dem Bundesamt am 11. April 2014 zugestellt.
Eine am
Mit Schreiben vom ... September 2014 hat sich Frau ... an das Landratsamt ... gewandt und mitgeteilt, dass der Kläger ab sofort bei ihr kostenfrei wohnen könne. Er wolle zum Christentum konvertieren und sei diesbzgl. mit dem Pfarrer und anderen Gemeindemitgliedern intensiv im Gespräch. Der Kläger befürchte Schwierigkeiten mit den muslimischen Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft. Sie habe ihm daher eine kostenfreie Wohnmöglichkeit angeboten und dies Herrn ... vom Landratsamt bereits telefonisch mitgeteilt. In dem Gespräch habe sie die Rückmeldung erhalten, dass dies seitens des Landratsamts ohne Probleme möglich sei.
Ein weiterer Überstellungsversuch am
Mit Beschluss vom ... Januar 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Mit Schriftsatz vom ... Januar 2015 übermittelte die Klägerbevollmächtigte eine Stellungnahme des Klägers, die er mit Hilfe des Kirchenasyl gewährenden Pfarrers erstellt habe. Darin wird u. a. ausgeführt, dass der Kläger am 24. September 2014 bei Frau ... zu Besuch gewesen sei. Wie schon öfter habe er darüber geklagt, dass er nachts nicht richtig schlafen könne, da seine Mitbewohner bis in die Nacht hinein sehr laut gewesen wären. Er nehme Schlaftabletten, um überhaupt schlafen zu können, weil er morgens aufstehen und zur Arbeit gehen müsse. Der Kläger sei seit März 2014 im Bauhof des Marktes ..., später an der Grund- und Mittelschule ... zur Verrichtung gemeinnütziger Arbeit beschäftigt gewesen. An jenem Abend habe der Kläger Frau ... gebeten, doch bei ihr übernachten zu dürfen. Er habe ihr gesagt, dass seine Mitbewohner wohl erfahren hätten, dass er zur Kirche gehe und sich auf seine Konversion vorbereite. Er fühle sich misstrauisch beobachtet und unwohl in deren Gesellschaft. Frau ... habe ihn vom 24. auf den 25. September 2014 aus Gutherzigkeit im Gästezimmer übernachten lassen. Rückschiebungen würden nicht angemeldet, so dass weder Frau ... noch der Kläger hätten ahnen können, dass am folgenden Morgen die Polizei zur Gemeinschaftsunterkunft kommen würde, um den Kläger abzuholen. Frau ... könne nicht mehr genau sagen, wann sie mit Herrn ..., dann mit Herrn ... vom Landratsamt telefonisch gesprochen habe. Frau ... habe in diesem Gespräch mitgeteilt, dass sie den Kläger bei sich aufnehmen möchte und ob dies denn möglich sei. Herr ... habe sich dahingehend geäußert, dass dies keine Probleme bereite, sie jedoch keine finanzielle Unterstützung zu erwarten hätte. Er habe eine schriftliche Bestätigung angefordert, die Frau ... angefertigt hätte. Am Morgen des 25. September 2014 sei der Kläger gegen 7.30 Uhr aufgestanden und habe sich in seine Unterkunft begeben. Er habe sich zur Arbeit fertig machen wollen. Dort hätten ihm seine Mitbewohner erklärt, dass die Polizei da gewesen sei und ihn gesucht hätte. Der Kläger sei seither nicht mehr zur Arbeit gegangen und wohne bei Frau ... Nach weiteren Ausführungen zum Rückführungsversuch vom 30. Oktober 2014 wird weiter ausgeführt, dass sich der Kläger subjektiv weder bewusst noch absichtlich einer Rückschiebung entzogen habe.
Mit Schriftsatz vom ... Januar 2015 führte die Klägerbevollmächtigte weiter aus, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylsystems vorlägen.
In der mündlichen Verhandlung am
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
1. Die zulässige Klage ist begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er kann auch nicht im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG aufrechterhalten werden.
Maßgebend ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom
Die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Buchst d) Dublin II-VO ist abgelaufen. Danach erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.
Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Ungarn oder auf den Zeitpunkt der ablehnenden Eilentscheidung, die dem Bundesamt am 11. April 2014 zugestellt wurde, abzustellen ist, da die sechsmonatige Überstellungsfrist auch im letztgenannten Fall spätestens am 11. Oktober 2014 abgelaufen ist.
Eine Verlängerung der Frist gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin II-VO konnte vorliegend nicht erfolgen. Danach kann die Frist höchstens auf 18 Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Zwar hat das Bundesamt den ungarischen Behörden mit Schreiben vom 25. September 2014 mitgeteilt, dass der Kläger flüchtig sei. Gegenüber der Ausländerbehörde wurde die Überstellungsfrist im Zuge dessen auf den 11. Oktober 2015 datiert. Allerdings war der Kläger während des sechsmonatigen Überstellungszeitraums tatsächlich nicht flüchtig. Unter den Begriff „flüchtig“ sind Sachverhalte zu subsumieren, in denen der Asylbewerber aus von ihm zu vertretenden Gründen für die Behörden über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht auffindbar ist. Zwar wurde der Kläger von der Polizei am Morgen des 25. September 2014 nicht in der Gemeinschaftsunterkunft angetroffen. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger einmalig nicht in der Gemeinschaftsunterkunft angetroffen wurde, kann jedoch nicht der Rückschluss gezogen werden, dass der Kläger flüchtig ist. Zwar wurde der Kläger mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom ... Dezember 2013 zur Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft ... verpflichtet. Hieraus ergibt sich jedoch keine Verpflichtung dahingehend, sich ständig in der Gemeinschaftsunterkunft aufzuhalten. Eine derartige ständige Anwesenheit wird selbst in einer Aufnahmeeinrichtung nicht verlangt. Nach der glaubhaften Darstellung des Klägers hat dieser bis zum 25. September 2014 lediglich vereinzelt bei Frau ... übernachtet, da er aufgrund des Lärms seiner Zimmergenossen in der Gemeinschaftsunterkunft nachts kaum schlafen konnte und er Probleme wegen seiner Zuwendung zum Christentum bekommen hat. Seine Wohnung wie auch seine persönlichen Dinge hat der Kläger jedoch weiterhin in der Gemeinschaftsunterkunft gehabt. Zudem ist der Kläger bis zum 25. September 2014 einer regelmäßigen Beschäftigung im Rahmen gemeinnütziger Arbeit nachgegangen, zu der er auch am Morgen des 25. September 2014 wieder gehen wollte. Auch der Kontakt des Klägers zu Frau ... und die beabsichtigte dauerhafte Aufnahme des Klägers durch Frau ... war dem Landratsamt zu diesem Zeitpunkt aus einem Telefonat der zuständigen Sachbearbeiter mit Frau ... bekannt. Auf ein entsprechendes Telefonat wird im Schreiben von Frau ... vom 25. September 2014 - von Seiten des Landratsamtes in den dort aufgebrachten Vermerken unwidersprochen - Bezug genommen (Bl. ... der Akte des Landratsamts ...). Aus den Akten ergibt sich nicht, dass ein weiterer Versuch unternommen worden wäre, den Kläger zu einem späteren Zeitpunkt in der Gemeinschaftsunterkunft, an seinem Arbeitsplatz oder bei Frau ... anzutreffen. Dem Kläger war der Termin der Abschiebung auch nicht bekannt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass er sich vorsätzlich der Rücküberstellung entziehen wollte. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger am 25. September 2014 aufgrund der kurzzeitigen Abwesenheit von der Gemeinschaftsunterkunft flüchtig war. Auch in der Zeit bis zum Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist war der Kläger nicht flüchtig. Zwar hat er seit dem 25. September 2014 dauerhaft die Gemeinschaftsunterkunft verlassen und Wohnung bei Frau ... genommen. Damit hat er zwar gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom ... Dezember 2013 verstoßen. Er war jedoch nicht flüchtig, da das Landratsamt ... hierüber umgehend schriftlich informiert wurde (vgl. Schreiben vom ... September 2014, Bl. ... der Akte des Landratsamts ...). Den Behörden war der Aufenthaltsort des Klägers daher weiterhin bekannt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger für die Behörden über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht auffindbar war.
Die nicht innerhalb der 6-Monats-Frist erfolge Überstellung des Klägers nach Ungarn hat gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO zur Folge, dass die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Damit ist der Ausspruch in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig geworden.
Der im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) somit rechtswidrige Bescheid vom 18. Februar 2014 verletzt den Kläger auch in seinen Rechten. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Dublin II-VO dem Asylbewerber kein subjektives Recht darauf einräumt, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird. Ist jedoch dieser vom Asylbewerber „bevorzugte“ Mitgliedstaat in Folge des Ablaufs der Überstellungsfrist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zuständig geworden, so soll die Regelung in dieser Norm auch dem schutzwürdigen Interesse des Asylbewerbers dienen, dass sein Schutzgesuch - nach Ablauf eines gewissen Zeitraums, welcher der Klärung von Zuständigkeitsfragen vorbehalten ist - in angemessener Zeit in der Sache geprüft wird. Es muss sichergestellt sein, dass das Ziel der Gewährleistung eines umfassenden Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) nicht reduziert wird. Insoweit steht ihm ein Anspruch auf sachliche Prüfung seines Asylantrags zu mit der Folge, dass ihn eine Maßnahme nach § 27a AsylVfG i. V. m. § 34a AsylVfG, die nach Fristablauf und damit einhergehendem Zuständigkeitsübergang rechtswidrig geworden ist, in seinen subjektiv öffentlichen Rechten verletzt (VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris, Rn. 13 m. w. N.; VG Magdeburg, U. v. 28.2.2014 - 1 A 413/13 - juris; VG Augsburg, GB. v. 8.10.2014 - Au 7 K 14.30121 - juris).
Eine Umdeutung des maßgeblichen streitgegenständlichen Bescheides in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach § 47 VwVfG nicht erfüllt sind (s. zum Folgenden: VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 22 ff.).
Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
Vorliegend hätte ein Bescheid nach § 71a AsylVfG nicht in der geschehenen Verfahrensweise erlassen werden dürften, da der Kläger ausweislich des vorgelegten Behördenakts nicht zu den im Rahmen des § 71a Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) angehört worden ist. Ausweislich des vorgelegten Behördenakts kam es im Einklang mit § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG ausschließlich zu einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylVfG, welche lt. Niederschrift mit dem Hinweis endete, dass aufgrund der gemachten Angaben das Bundesamt nunmehr zunächst die Frage überprüfen werde, ob Deutschland für eine inhaltliche Prüfung des Asylantrages zuständig sei. Ergebnis war die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des hier streitgegenständlichen Bescheides. Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bestand dagegen nicht. Die Beklagte konnte sich auf Basis der gegebenen Aktenlage deshalb auch nicht hilfsweise mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegt oder nicht. Zwar kann gemäß § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG von der Anhörung abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ist eine sichere Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, bei der vorliegenden Sachlage jedoch nicht möglich.
Auch eine Umdeutung der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides (Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat) in eine Anordnung der Abschiebung in das Herkunftsland scheidet angesichts der Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a AsylVfG vorliegend aus. Eine Umdeutung in eine Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland nach § 34 AsylVfG würde dazu führen, dass der umgedeutete Verwaltungsakt nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wäre. Darüber hinaus würde eine solche Umdeutung für den Betroffenen entgegen § 47 Abs. 2 VwVfG eine ungünstigere Rechtsfolge herbeiführen, da er nach erfolgter Abschiebung in den Herkunftsstaat - anders als bei der Abschiebung nach Italien - keine Möglichkeit mehr hätte, weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen (s. hierzu VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 26 ff; VG München, U. v. 4.11.2014 - M 10 K 13.30627)
Der angefochtene Bescheid ist somit aufzuheben. Die Beklagte hat ein Asylverfahren durchzuführen und mit gesondertem rechtsmittelfähigem Bescheid abzuschließen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass die Klage nicht als zurückgenommen gilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Einstellung seines Klageverfahrens wegen Nichtbetreibens und wendet sich gegen die Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags und die Anordnung der Abschiebung nach U..
Der nach seinen Angaben am ... 1989 in K... geborene Kläger gibt an, pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit zu sein. Er verließ Pakistan nach seinen Angaben in der Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 16. Januar 2014 im September oder Oktober 2009 und reiste am 24. Dezember 2013 auf dem Landweg in Deutschland ein. Er stellte am 16. Januar 2014 einen Asylantrag in Deutschland. Das Bundesamt ersuchte U. am 24. Februar 2014 um die Übernahme des Verfahrens. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückführung gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. März 2014 stellte das Bundesamt die Unzulässigkeit des Asylantrags fest (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 24. März 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben (Az. RN 3 K 14.50033), sowie Anträge auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und am 27. März 2014 auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten stellen. Diese Anträge lehnte das Gericht mit Beschluss vom 1. April 2014 ab (Az. RN 3 S 14.50032).
Das Landratsamt D. teilte der Beklagten am
Die Klage wird hinsichtlich der Fortsetzung damit begründet, dass der anwaltliche Bevollmächtigte innerhalb der mit Schreiben des Gerichts vom
Hinsichtlich des Bescheids wird die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass dieser unzutreffend davon ausgehe, dass U. zuständig sei. Tatsächlich habe sich der Kläger zunächst in Griechenland aufgehalten und sei dort als Asylsuchender erfasst worden. Die Übernahmeerklärung U.s lasse sich nicht im Sinne einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts des eigentlich unzuständigen Mitgliedsstaates auslegen. Eine solche Erklärung im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeersuchen setze voraus, dass sich der Erklärende der Umstände des Falles bewusst sei. In dem Wiederaufnahmegesuch sei kein Hinweis auf ein in Griechenland durchgeführtes Asylverfahren enthalten. Es wäre erforderlich gewesen, U. darüber aufzuklären. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, wodurch es zum zuständigen Mitgliedsstaat geworden sei. Die Zuständigkeit werde auch nicht dadurch irrelevant, dass Überstellungen nach Griechenland regelmäßig nicht zulässig seien. Die Wiederaufnahme setze die ordnungsgemäßen und zutreffenden Informationen voraus, ob und ggf. welche sonstigen Asylanträge gestellt worden seien. Die Angaben aus Griechenland seien in krasser Weise unzuverlässig und die Zahlen der Meldedaten differierten von Jahr zu Jahr.
Bei einer Abschiebung nach U. drohten dem Kläger die Kettenabschiebung über Serbien und der Verlust der Rechte im Asylverfahren, sowie eine langandauernde Haft in U. und in Serbien. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in U. vor. Zum 1. Juli 2013 sei eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen seien. Die Voraussetzungen für die Haft und Haftdauer seien erweitert, die Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung ab Juli 2013 zugleich beschränkt worden. Die Haftgründe seien insbesondere im Fall des Klägers einschlägig, da die ablehnende Entscheidung vom 21. Februar 2014 auf sein Asylbegehren mitgeteilt wurde, ohne dass eine materielle Prüfung oder die Zustellung der Entscheidung an ihn erfolgt wäre. Die Situation in U. speziell für Rückkehrer auf der Grundlage der Dublin-Verordnung entspreche nicht den Voraussetzungen, die gemäß Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten seien. Angesichts der bereits jetzt bestehenden Überfüllung der Camps und katastrophaler hygienischer Zustände würde eine Zwangsrückführung nach U. erkennbar dem Gebot einer menschenwürdigen Unterbringung widersprechen.
Aus aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht München ergäben sich konkrete Bedenken gegen die Situation in U., insbesondere unter Berücksichtigung der dortigen Handhabung von Asylhaft. Deren durchschnittliche Dauer betrage nach Auskunft der ungarischen Migrationsbehörde 32 Tage. Diese Angaben würden den Erkenntnissen des ungarischen Helsinki Komites aus der Analyse von insgesamt 107 Entscheidungen und auch den Informationen von Pro Asyl widersprechen. Rechnerisch ergäbe sich eine korrigierte durchschnittliche Haftdauer von 80 Tagen. Außerdem führe die Begrenzung der in letzter Zeit massiv ausgeweiteten Inhaftierung von Familien auf 30 Tage zu einer Reduktion des allgemeinen Durchschnittswerts. Dublin-Rückkehrer würden häufig für die gesamte zulässige Dauer der Asylhaft sechs Monate eingesperrt. Ein Rechtsmittel hiergegen sei nicht zulässig. Es finde lediglich eine Anhörung statt, die sich auf die formellen Voraussetzungen der Anordnung von Asylhaft beschränke. Diese Voraussetzungen dürften auf alle Dublin-Rückkehrer anwendbar sein. Auf den Kläger treffe dies insbesondere deshalb zu, weil sein Asylantrag am 21. Februar 2014 in seiner Abwesenheit abgelehnt worden sei. Er werde als Person geführt, „die sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat“. Haftanordnungen enthielten darüber hinaus Begründungen, die gesetzlich nicht vorgesehen seien. Die Haftgründe würden über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus konturlos erweitert. Im Anschluss an die Asylhaft sei bei einer Ablehnung des Asylantrags mit Abschiebungshaft zu rechnen. Es bestehe keine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Die Haftbedingungen würden sowohl in den Auskünften von Pro Asyl als auch des Auswärtigen Amtes kritisiert. Eine expansive Anwendung sedierender Medikamente sei festzustellen. Der UNHCR habe bereits 2012 gewarnt, dass ungarische Asylwächter Migranten mit Drogen ruhig stellen. Die Gründe für die Verhaftungen seien willkürlich und undurchsichtig. Die Haftbedingungen seien bereits deshalb problematisch, weil sog. „armed security guards“ eingesetzt würden, von denen häufig körperliche Übergriffe geschildert würden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Räume nicht durch Kameras überwacht würden. Die Betroffenen seien rechtlos gestellt, da sie im Falle einer Beschwerde bestenfalls mit wiederholten Schikanen rechnen dürften.
Die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO sei jedenfalls am
Der Kläger lässt beantragen,
das Klageverfahren fortzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Asylakten, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. RN 3 S 14.50032 und RN 3RN 3 K 14.50033, sowie die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage gilt nicht als zurückgenommen. Die auf Aufhebung des Bescheids vom
1. Der mit Schriftsatz vom
Falls über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Klagerücknahme oder über das Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Rücknahmefiktion Streit entsteht, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden, wenn dies beantragt wird (vgl. Kopp, VwGO, § 92, Rdnr. 28 m. w. N.). Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, so entscheidet es nach Verhandlung der Sache im Rahmen des Endurteils (vgl. Kopp a. a. O. Rdnr. 29 m. w. N.).
Gemäß § 81 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gilt die Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als einen Monate nicht betreibt. Der Kläger wurde in dem Aufforderungsschreiben vom 6. August 2014 auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen, vgl. § 81 Satz 3 AsylVfG.
Der gerichtliche Einstellungsbeschluss vom
2. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, aber unbegründet.
a. Statthaft ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 AltVwGOVwGO.
Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Bescheid sind § 27a und § 34a AsylVfG. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt u. a. die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an. Hierbei handelt es sich um belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG, deren isolierte Aufhebung zulässig ist, weil diese zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (vgl. VG Düsseldorf
Verpflichtungsklagen, die entweder auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und die Folgeentscheidungen oder auf das Ausüben des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte gerichtet sind, wären in der hier gegebenen Situation dagegen nicht statthaft. In den Fällen der Einstellung des Asylverfahrens steht die - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Verfahrens einer Verpflichtungsklage, bei der das Verwaltungsgericht „durchzuentscheiden“ hätte, entgegen (vgl. BayVGH
Ferner würde ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Beklagten kontrollieren, sondern sich erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 a. E. AsylVfG bedenklich, da der Gesetzgeber die Prüfung dem Bundesamt zugewiesen hat (vgl. VG Regensburg
b. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. U. ist für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig und es sind keine außergewöhnlichen Gründe ersichtlich, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gebieten. Die Abschiebungsanordnung ist zu Recht ergangen.
aa. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor.
Maßgeblich für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO). Deren Zuständigkeitskriterien finden gemäß Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO auf Asylanträge, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden, Anwendung. Das Gericht hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Übernahmezusage bzw. den darauf basierenden Bescheid an den Vorschriften der Dublin III-VO zu messen.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei U. um den für das Asylverfahren zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG handelt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückübernahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO, da dieser am 21. August 2013 in U. einen Asylantrag gestellt hatte, der am 21. Februar 2014 abgelehnt wurde. Zur Prüfung des Antrags ist damit nicht die Beklagte, sondern U. zuständig. Dessen Zuständigkeit umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe d Dublin III-VO die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Zuständigkeit U.s steht nicht entgegen, dass nach der Auffassung des Klägers eigentlich Griechenland für die Behandlung des Asylantrags zuständig gewesen wäre und das Bundesamt U. hierauf hätte hinweisen müssen. Dem Behördenakt lässt sich bereits nicht entnehmen, dass der Kläger einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. In der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats vom 16. Januar 2014 gab er zwar an, dass er sich drei Jahre in Griechenland aufgehalten habe. Auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat Asyl beantragt habe, nannte er jedoch nur U.. Es bestand für das Bundesamt daher keine Veranlassung, auf ein angebliches Asylverfahren in Griechenland hinzuweisen. Im Übrigen hätte U. selbst gemäß Art. 22 Dublin III-VO Gelegenheit gehabt, in dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats die erforderlichen Überprüfungen, z. B. durch eine EURODAC-Abfrage, vorzunehmen, um eine vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können. U. ist aber erkennbar von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen.
Außerdem kann gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Selbst wenn U. nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig wäre, würde es dadurch gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zum zuständigen Mitgliedstaat werden. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10, C-493/10
§ 34a Abs. 1 AsylVfG, nach dem die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Abweichend hiervon hat Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts berücksichtigt werden können und damit außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Genfer Flüchtlingskonvention steht (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann nur erreicht werden, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass einer der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 a. a. O.). Das Gericht muss sich die Überzeugung verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedsstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG
Für das Gericht ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in U. oder die Betreuung von Asylbewerbern systemische Mängel aufweist, die eine Durchbrechung des Konzepts der normativen Vergewisserung gebieten würden. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin III-VO hinfällig werden lässt. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. OVG Lüneburg
Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Zwar waren die Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in der Vergangenheit beanstandenswert und teilweise unzureichend. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Unregelmäßigkeiten traten auch vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der früheren Dublin II-VO Verordnung nach U. rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete daher in einem Bericht vom April 2012 den Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer als problematisch (vgl. UNHCR, U. als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in U., April 2012, Seite 9). Diese Lage hat sich aber gebessert. Das Gericht schließt sich insoweit der folgenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts Ansbach in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2013 (Az. AN 11 S 13.31074) an:
„Allerdings sind aus Sicht des erkennenden Gerichts diese Mängel der ungarischen Ausländer- und Asylverfahrenspraxis mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen im ungarischen Parlament vom November 2012 erheblich entschärft worden. Nach der Fortschreibung der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 werden nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft, selbst wenn es sich um Asylsuchende handelt, die über Serbien oder die Ukraine oder im Wege der Rückführung nach U. gelangen. Auch die vormals verbreitete Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen, ist nach diesem Bericht des UNHCR stark rückläufig und wird im Rahmen einer stärkeren Kontrolle durch die Polizeihauptquartiere und Staatsanwaltschaften sowie ergänzend durch eine Arbeitsgruppe von Richtern flankiert (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, December 2012, http://www...org/...html). Die von der Antragstellerseite angeführte Änderung der ungarischen Gesetzgebung, wonach seit 1. Juli 2013 in U. wieder die Haft für Asylantragsteller eingeführt worden sei, ist nicht geeignet, die vorstehenden Ausführungen in Frage zu stellen. Wie sich der aktuellen Lageeinschätzung des Vereins „bordermonitoring.eu“ vom 20. August 2013 entnehmen lässt, erfolgen Inhaftierungen von Asylbewerbern in U. lediglich in Einzelfällen.“
Im Ergebnis hält es das Gericht nach summarischer Prüfung im entscheidenden Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht für wahrscheinlich, dass dem Kläger in U. als sog. Dublin-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht (vgl. statt vieler: VG Augsburg
Das Gericht sieht auch im Hinblick auf neuere Erkenntnisquellen gegenwärtig keine Veranlassung von dieser Einschätzung abzugehen und schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen der überzeugenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 14. Juli 2014 (Az. 1 B 862/14) an:
„Systemische Schwachstellen im Asylverfahren in U. für Dublin-Rückkehrer lassen sich auch den von der Antragstellerin benannten aktuellen Erkenntnisquellen nicht entnehmen. Weder die Auskünfte des UNHCR vom 09. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (hierzu:
Die in den genannten Erkenntnisquellen beschriebene Umsetzung der ungarischen Gesetzgebungslage, nach der seit dem 1. Juli 2013 die Haft für Asylantragsteller wieder zulässig ist, lässt nicht auf systemische Schwachstellen des Asylsystems für Dublin-Rückkehrer schließen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - wie das VG Düsseldorf zu Recht anmerkt -
„(…) der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und U. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar[stellt]. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht U. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.
Gem. Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f. der Richtlinie 2013/33 EU („AufnahmeRL“) nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt jedoch, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die ungarische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in U. abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden. Dass die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus U. geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Behörden insoweit Gebrauch von den im ungarischen nationalen Recht geregelten „überschießenden“ Haftgründen - deren Europarechtskonformität durchaus angezweifelt werden kann - machen, wonach eine Inhaftierung schon bei einem „Verzögern“ oder „Behindern“ des Asylverfahrens angeordnet werden kann (vgl. Art. 31/A Buchst. c des ungarischen Asylgesetzes, vgl. VG Düsseldorf a. a. O., Rn. 106).
Dass für Dublin-Rückkehrer regelmäßig ein Fluchtgrund angenommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass die gem. Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgt. Im oben genannten National Country Report Hungary (aida) wird vielmehr ausgeführt, dass alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern tatsächlich nicht in Asylhaft genommen würden, obwohl dies rechtlich möglich sei (a. a. O., S. 9). Eine solche Differenzierung belegt, dass tatsächlich Umstände des Einzelfalls bei der Haftanordnung berücksichtigt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind, müssen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wiederaufnahme der Dublin-Rückkehrer rein zahlenmäßig ein Massengeschäft ist, welches für die Verwaltung handhabbar bleiben muss. So ist es zwar aus rechtsstaatlichen Gründen wünschenswert, dass sich eine vorangegangene Einzelfallprüfung auch in der schriftlichen Haftanordnung konkret niederschlägt, vom europäischen Recht ist dies jedoch nicht eindeutig gefordert. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL sieht lediglich vor, dass die sachlichen und rechtlichen Gründe in der Haftanordnung angegeben werden. Dass die Haftanordnung den Haftgrund „Fluchtgefahr“ nicht - auch nicht in standardisierter Form - benennt, kann das Gericht der Auskunft des UNHCR nicht klar entnehmen (vgl. dort Antwort auf Frage 3, erster Spiegelstrich:
„Der Begründungsteil [der Haftanordnung] führt keine konkreten Gründe aus, aus denen es im Falle des konkreten Asylbewerbers nötig und sachgerecht ist, Asylhaft anzuordnen. Auch fehlen Informationen dazu, warum genau im konkreten Falle die Haft erforderliches Mittel ist, um die Verfügbarkeit des Asylbewerbers während des Verfahrens sicherzustellen.“).
Der Umstand, dass bei Dublin-Rückkehrern regelmäßig eine standardisierte Verlängerung der Haftzeit um 60 Tage erfolgt und dies im Ergebnis häufig zu einer Haftdauer von insgesamt vier bis fünf Monaten führt (vgl. National Country Report Hungary, aida, a. a. O., S. 51 u. 49), steht nicht in klarem Widerspruch zu den europäischen Vorgaben, namentlich zu Art. 9 Abs. 1 AufnahmeRL. Hiernach wird ein Antragsteller für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie ein Haftgrund vorliegt. Es erscheint nicht grundsätzlich unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr fortlaufend gegeben ist.
Auch dafür, dass in U. der in Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL ausgeformte europäische Mindeststandard eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Haftanordnung unterschritten wird, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte. Das VG Düsseldorf führt hierzu aus:
„Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen, vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zudem steht dem Asylbewerber zumindest formal der Rechtsbehelf der objection zu Verfügung (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in U. systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen. Die im Bericht des Helsinki Komitees genannten Einzelfälle („Information Note“, Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 18) ebenso wie der von der Antragstellerin angeführte „Bericht über den Besuch in der Haftanstalt in Nyírbátor (U.)“ von Marc Speer (Bericht vom 10. März 2014, abrufbar unter http://...eu/files/2012/03/Besuch-Nyirbator.pdf), in dem das Einzelschicksal eines pakistanischen Asylbewerbers geschildert wird, lassen insoweit keine Rückschlüsse zu. Der Auskunft des UNHCR lässt sich entnehmen, dass die Behandlung der Inhaftierten durch die Aufsichtskräfte problematisch bleibt, dies jedoch in einem geringeren Ausmaß als zuvor (Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von Missständen insbesondere der Inhaftierungspraxis in U.. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Der UNHCR hat bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11).
Damit ist nach derzeitigem Kenntnisstand und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10 u. a.) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR vom 3.7.2014 Az. 71932/12) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.
bb. Der Kläger kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin III-VO begründen - wie die der Dublin II-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden. Sie dienen nämlich alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin
Selbst wenn man jedoch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung annehmen würde, bestehen hier keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich dieser zu einem Anspruch auf Selbsteintritt reduziert hat („Ermessensreduzierung auf Null“). Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssten außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben. Solche sind allenfalls dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen
cc. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO abgelaufen ist. Die Überstellungsfrist wird nämlich gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf (höchstens) 18 Monate verlängert, also hier bis 1. Oktober 2015, da der Kläger flüchtig im Sinne dieser Vorschrift ist. Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die „Überstellung“ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Magdeburg
Im vorliegenden Fall sollte der Kläger am
Im Übrigen kann von einer nur „vorübergehenden Abwesenheit“ nicht die Rede sein, so dass der Kläger auch insoweit „flüchtig“ war und noch ist. Nach den vorliegenden Unterlagen war der Kläger zumindest ab dem 14. Juli 2014 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft. Sein anwaltlicher Bevollmächtigter teilte erst mit Schriftsatz vom 5. September 2014 mit, dass er sich im „Kirchenasyl in H.“ befinde. Eine nahezu zweimonatige Abwesenheit ohne Meldung der Adresse an die Beklagte führt ebenfalls dazu, dass der Kläger als „flüchtig“ anzusehen war. Außerdem befindet sich der Kläger nach einer telefonischen Auskunft des Landratsamts ... vom 19. Februar 2015 nach wie vor in H. im „Kirchenasyl“. Auch der Versuch sich mittels eines - hier längeren - „Kirchenasyls“ der Überstellung zu entziehen führt dazu, dass der Kläger flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, da dieses „Überstellungshindernis“ auf einem von ihm zu verantwortenden Verhalten beruht.
dd. Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig ergangen.
Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, dann ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, da sich die Klage hauptsächlich gegen den Bescheid vom 14. März 2014 richtete. Insoweit hatte sie keinen Erfolg.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.10.2003 zu verpflichten, ihn einzubürgern.
die Klage abzuweisen.
unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9.11.2004 -12 K 229/03- den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.10.2003 zu verpflichten, den Kläger einzubürgern.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
entsprechend VGH Bayern, Urteile vom 3.5.2005 - 5 BV 04.3174 - und vom 14.4.2005 - 5 BV 03.3089 -, beide juris, im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, BVerwGE 92, 116 = InfAuslR 1993, 268, und vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 = InfAuslR 1991, 72; ebenso zu ausländerrechtlichen Vergünstigungen: OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, juris; BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352.
so BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 - 1 B 21/93 -, InfAuslR 1993, 298,
abgedruckt bei Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Vorbemerkungen zu § 8 StAG,
so BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., und vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938.
so Grün, GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 63 Rz. 5 ff, S. 8, 9.
Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, BVerwGE 106, 171,
vgl. zur Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359, und Urteil vom 13.5.1993 - 9 C 49/92 -, InfAuslR 1993, 357 (358),
in diesem Sinne Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, a. a. O., § 71 Rz. 88, S. 41 f; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2006, AsylVfG § 71 Rz. 102, S. 36; VG Würzburg, Beschluss vom 1.3.2005 - W 6 E 05.30082 -, juris, aber zugleich die vorläufige Verpflichtung auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung bei vorgehendem positiven Eilrechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamts im Asylfolgeverfahren versagend; anders Aufenthaltsgestattung ab nicht rechtskräftigem Urteilsausspruch: VG Lüneburg, Urteil vom 27.2.2001 - 4 A 74/99 -, juris,
entsprechend OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.3.1998 - 13 L 1192/97 -, juris: "Das sog. "Kirchenasyl" vermag einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nicht zu begründen."
so BVerwG, Beschluss vom 4.2.1982 - 1 B 9/82 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 9.12.1975 - 1 C 40/71 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 6.
so BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., in einem Fall der Einbürgerung nach dem Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit: "- wie bei der Einbürgerung nach § 8 RuStAG - eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse vorliegen muss, die in der Regel erst nach einem langfristigen Einleben in die deutsche Umwelt eintritt".
so BVerwG, Beschlüsse vom 29.9.1995 - 1 B 236/94 -, InfAuslR 1996, 19 = NVwZ 1996, 717, und vom 25.11.2004 - 1 B 24/04 -, NVwZ 2005, 231 = InfAuslR 2005, 63; entsprechend zum SchwbG: BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R -, InfAuslR 1999, 510.
Gründe
entsprechend VGH Bayern, Urteile vom 3.5.2005 - 5 BV 04.3174 - und vom 14.4.2005 - 5 BV 03.3089 -, beide juris, im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, BVerwGE 92, 116 = InfAuslR 1993, 268, und vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 = InfAuslR 1991, 72; ebenso zu ausländerrechtlichen Vergünstigungen: OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, juris; BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352.
so BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 - 1 B 21/93 -, InfAuslR 1993, 298,
abgedruckt bei Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Vorbemerkungen zu § 8 StAG,
so BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., und vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938.
so Grün, GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 63 Rz. 5 ff, S. 8, 9.
Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, BVerwGE 106, 171,
vgl. zur Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359, und Urteil vom 13.5.1993 - 9 C 49/92 -, InfAuslR 1993, 357 (358),
in diesem Sinne Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, a. a. O., § 71 Rz. 88, S. 41 f; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2006, AsylVfG § 71 Rz. 102, S. 36; VG Würzburg, Beschluss vom 1.3.2005 - W 6 E 05.30082 -, juris, aber zugleich die vorläufige Verpflichtung auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung bei vorgehendem positiven Eilrechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamts im Asylfolgeverfahren versagend; anders Aufenthaltsgestattung ab nicht rechtskräftigem Urteilsausspruch: VG Lüneburg, Urteil vom 27.2.2001 - 4 A 74/99 -, juris,
entsprechend OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.3.1998 - 13 L 1192/97 -, juris: "Das sog. "Kirchenasyl" vermag einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nicht zu begründen."
so BVerwG, Beschluss vom 4.2.1982 - 1 B 9/82 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 9.12.1975 - 1 C 40/71 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 6.
so BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., in einem Fall der Einbürgerung nach dem Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit: "- wie bei der Einbürgerung nach § 8 RuStAG - eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse vorliegen muss, die in der Regel erst nach einem langfristigen Einleben in die deutsche Umwelt eintritt".
so BVerwG, Beschlüsse vom 29.9.1995 - 1 B 236/94 -, InfAuslR 1996, 19 = NVwZ 1996, 717, und vom 25.11.2004 - 1 B 24/04 -, NVwZ 2005, 231 = InfAuslR 2005, 63; entsprechend zum SchwbG: BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R -, InfAuslR 1999, 510.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 12 K 14.50257
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 8. Juni 2015
12. Kammer
Sachgebiets-Nr. 710
Hauptpunkte:
Ablauf der Überstellungsfrist;
Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
... - Kläger -
bevollmächtigt: ... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
- Beklagte -
beteiligt: Regierung von Oberbayern Vertreter des öffentlichen Interesses
wegen Vollzugs des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer,
durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 8. Juni 2015 folgendes Urteil:
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Mai 2014 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2014 aufzuheben.
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 3. November 2014 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
- 1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht vorliegt.
- 2
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.
- 3
Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,
- 4
ob ein Asylbewerber sich gegen eine Überstellung in einen Drittstaat darauf berufen darf, dass Deutschland die Überstellungsfrist gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin-II-VO bzw. Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO versäumt hat,
- 5
keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage bedarf bereits deshalb nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres - verneinend - beantworten lässt.
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Die Kläger können kein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristvorschriften der Dublin-II-Verordnung geltend machen; auf die hier nicht anwendbaren Vorschriften der Dublin-III-Verordnung kommt es nicht entscheidungserheblich an. Die Dublin-II-Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 ist trotz § 77 Abs. 1 AsylVfG und der zwischenzeitlich erlassenen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-Verordnung - auf den vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden, weil nach Art. 49 Dublin-III-Verordnung die Neuregelung erst auf Anträge der Mitgliedstaaten auf Wiederaufnahme anzuwenden ist, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind.
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Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 - Abdullahi -, NVwZ 2014, 208, juris; vgl. auch Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, Slg 2011, I-13905-14033, juris Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11, Puid - juris) ist davon auszugehen, dass sich die Kläger nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-II-VO gewährt den Klägern keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihre Asylanträge in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft werden, den sie für zuständig halten. Die jeweiligen Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen hiernach ebenfalls allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat im Verhältnis der Dublin-Staaten untereinander, ohne aber den Klägern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - Rn. 10 ff., VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - Rn. 59 und vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - Rn. 25, Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 - jeweils juris, siehe auch Berlit, Anmerkung zu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris PR-BVerwG 12.2014). Ein Asylantragsteller kann der Überstellung in den nach der Dublin-II- Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris).
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Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. Dezember 2013 (- C-394/12 - „Abdullahi", a.a.O.) kann ein Asylantragsteller nach einem erfolgreichen Aufnahmeersuchen mit dem in Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten. Zwar sind diese Ausführungen des Gerichtshofes ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats gemäß Kapitel III der Dublin II-Verordnung erfolgt. Aus ihren tragenden Erwägungen kann aber unmittelbar gefolgert werden, dass sich ein Asylantragsteller ebenfalls nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den im Kapitel V geregelten Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen kann (ebenso Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - juris Rn. 10).
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Genauso wie die Vorschriften über die Bestimmung der Zuständigkeit im Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine subjektiven Rechte vermitteln, sondern als Organisationsvorschriften einer klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten dienen (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16), sollen auch die Vorschriften des Kapitel V der Verordnung - ebenfalls als Organisationsvorschriften - in erster Linie eine rasche Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaates ermöglichen (Erwägungsgrund 4). Auch sie vermitteln Asylantragstellern keine subjektiven Rechte, sondern bei ihnen steht das Interesse im Vordergrund, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.
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Dementsprechend führt der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) aus, dass der Unionsgesetzgeber diese Vorschriften erlassen hat, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Rn. 53). Auch er sieht einen der Hauptzwecke der Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Rn. 59). Vorrangiges Ziel der Dublin-II-Verordnung insgesamt, und nicht nur der Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, ist danach eine möglichst eindeutige Bestimmung des zuständiges Mitgliedstaates und in der Folge eine zeitnahe Prüfung des Asylantrages. Der Unionsgesetzgeber wollte einem Asylantragsteller mit der Dublin II-Verordnung (ebenso mit der Dublin III-Verordnung) aber keine weitergehende Rechtsposition einräumen, seinen Asylantrag in einem ganz bestimmten Mitgliedstaat, in dem er einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat, prüfen zu lassen.
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Auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris) entnimmt der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass ein Asylantragsteller einer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Auch nach seinem Verständnis dieser Rechtsprechung kann eine Berufung auf eine Verletzung von Verfahrens- und Fristenregelungen der Dublin-II-Verordnung der Klage eines Asylbewerbers demnach grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen (so ausdrücklich Berlit, jurisPR- BVerwG 12/2014 Anm. 3, Buchst. B am Ende).
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Die Kläger machen geltend, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe, dass Asylantragsteller zwar keine Fristversäumnisse im Rahmen des (Wieder-)Aufnahmeersuchens geltend machen könnten - dies könne nur der ersuchte Staat - (Beschluss vom 21. Mai 2014 a.a.O.), ein Ablauf der Überstellungsfrist führe aber zu einem Zuständigkeitswechsel und dies könne der Flüchtling geltend machen. Im Beschluss vom 14. Juli 2014 (a.a.O.) habe das Bundesverwaltungsgericht durch den Begriff des zuständigen (statt des ersuchten) Mitgliedsstaats deutlich gemacht, dass der Asylantrag nur dann unzulässig sei, wenn ein anderer Mitgliedsstaat zuständig sei. Auch für den Gerichtshof der Europäischen Union sei in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) ausschlaggebend, dass der ersuchte Staat der Übernahme zugestimmt habe. Damit sei aber nichts dazu gesagt, dass nach Fristablauf die Zuständigkeit wieder auf den ersuchenden Staat übergehe und der Antragsteller dies geltend machen könne.
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Der Senat vermag diesen Ausführungen der Kläger nicht zu folgen, solange Frankreich weiterhin bereit ist, ihre Asylanträge zu bearbeiten, da es keinen Anspruch der Kläger auf Prüfung ihrer Anträge durch einen (von ihnen) bestimmten Staat gibt. Dafür, dass Frankreich seine mit Schreiben vom 31. März 2014 erklärte Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Fristablauf zurücknehmen und sich auf den Fristablauf berufen werde, gibt es weder Feststellungen des Verwaltungsgerichts - zum Zeitpunkt seiner Entscheidung war die Frist des Art. 19 Abs. 3 UAbs. 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO noch nicht abgelaufen - noch wird von den Klägern behauptet oder gar dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG), dass Frankreich wegen des Fristablaufs nicht mehr zur Aufnahme bereit wäre. Ob etwas anderes dann gilt, wenn feststeht, dass der ersuchte Mitgliedstaat - hier Frankreich - nicht mehr zur Aufnahme bereit ist (vgl. zu dieser Fallkonstellation VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 19. Februar - 5 A 374/14 -), bedarf hier schon deshalb keiner weiteren Erörterung. Diese Fallkonstellation ist auch nicht vorsorglich vom Senat in die Prüfung einzubeziehen. Sofern mit einem solchen Fall eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh einherginge, hätten die Kläger einen Wiederaufgreifensanspruch (vgl. § 51 VwVfG; zur Notwendigkeit in einem solchen Fall ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einzuleiten, vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14-juris Rn. 59juris).
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Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Obergerichte, die eine bundeseinheitliche Klärung erforderte, ist nicht ersichtlich. Mit dem Hinweis auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2014 -11 B 789/14.A - zeigen die Kläger letztlich keine abweichende Entscheidung auf, da dieser Beschluss schon keine (nähere) Begründung enthält. Damit bleibt unklar, auf welchen Überlegungen der Beschluss beruht, ob ihm eine Auseinandersetzung mit der dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorausgegangen ist, und insbesondere, ob hier im Einzelfall neben dem Ablauf der Überstellungsfrist weitere Umstände hinzugekommen sind, aufgrund derer feststand, dass Italien nicht mehr zur Aufnahme bereit war. Ähnlich verhielte es sich mit der von den Klägern herangezogenen Entscheidung eines Einzelrichters beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht, unterstellt mit dem Verweis auf derartige erstinstanzliche Entscheidungen könnte überhaupt eine Klärungsbedürftigkeit dargelegt werden.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da dem Antrag auf Zulassung der Berufung nach dem Ausgeführten die hierfür gem. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten abzusprechen sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Gründe
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(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2014 - A 6 K 202/14 - wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.