Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Aug. 2015 - M 17 K 14.50731

bei uns veröffentlicht am06.08.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist somalischer Staatsangehöriger und Sunnite. Er reiste eigenen Angaben zufolge am .... Juli 2014 über Kenia (2 Wochen), Iran (2 Tage), Türkei (2 Wochen), Griechenland (8 Monate), Serbien (5 Tage), Ungarn (1 Monat) und Österreich auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 5. August 2014 Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am Tag der Asylantragstellung erklärte er gegenüber dem Bundesamt für ... (Bundesamt), dass er seit .... Januar 2012 verheiratet sei und seine Ehefrau in Kenia Asyl beantragt habe. Sein Heimatland habe er am ... August 2013 per Lkw verlassen. Er legte eine schriftliche Aufforderung der griechischen Behörden, das Land zu verlassen, vor und gab an, dass ihm in Griechenland und Ungarn Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Er wolle nicht nach Griechenland oder Ungarn überstellt werden, sondern in Deutschland bleiben. Er suche hier Schutz und wolle zur Schule gehen und arbeiten. In Griechenland und Ungarn sei er in Haft gewesen und habe nach der Entlassung das Land verlassen müssen.

Eine Eurodac-Abfrage vom .... September 2014 ergab einen Treffer für Ungarn. Hiernach hat der Kläger am 27. Juni 2014 in Ungarn Asylantrag gestellt.

Am 30. Oktober 2014 ersuchte die Beklagte die ungarischen Behörden um Rückübernahme des Klägers. Mit Schreiben vom 7. November 2014 akzeptierte Ungarn seine Verantwortlichkeit für die Rückübernahme des Klägers.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers vom 5. August 2014 als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2). Ungarn sei aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben seien nicht ersichtlich. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vor. Von der sog. Asylhaft, die seit der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2013 verhängt werden könne, würden in der Praxis - neben unbegleiteten minderjährigen Klägern - auch Kläger aus Ländern ausgenommen, bei denen die Wahrscheinlichkeit der Schutzbedürftigkeit sehr hoch eingeschätzt werde. Bei diesen hätten die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt, dass ihre Bereitschaft zur Mitwirkung im Asylverfahren wesentlich höher sei als bei Klägern mit „offenen“ Erfolgsaussichten. Dies treffe für Kläger aus Syrien, Eritrea und Somalia zu. Der Bescheid enthält zudem allgemeine Ausführungen zur Haftdauer und zur Abgrenzung der Asyl- von der Abschiebehaft.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19. Dezember 2014 mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragten

die Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für ... vom 15. Dezember 2014 (richtig: 9.12.2014), zugestellt am 17. Dezember 2014, Geschäftszeichen: 5790618 - 273.

Der Kläger habe in Ungarn keinen Asylantrag gestellt. Lediglich sein Fluchtweg habe ihn über Ungarn geführt. Er sei unmittelbar nach der Einreise in Ungarn in Haft genommen worden, wo er enormen Misshandlungen durch Angestellte der Haftanstalt ausgesetzt gewesen sei. Nach der im Bescheid gegebenen Definition habe er sich in „Abschiebehaft“ befunden, obwohl noch gar kein Asylverfahren durchgeführt worden sei. Dies sei an der Art und Weise seiner Behandlung erkennbar: Während der 25-tägigen Haft seien ihm Fingerabdrücke zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen abgenommen worden. Es sei ihm erklärt worden, dass die Fingerabdrücke dazu dienten, zu erkennen, ob er schon einmal in Ungarn gewesen sei. Sollte dies der Fall sein, müsse er bestraft werden. Jedenfalls müsse er im Falle einer späteren Rückkehr bestraft werden. Er sei nicht nur aus der Haft entlassen, sondern von Polizisten sogar an die Grenze zu Serbien gebracht worden, wo ihm nochmals die Folgen einer Rückkehr nach Ungarn erklärt worden seien. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung des Klägers vom .... Dezember 2014 vorgelegt. Aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen, sei von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen. Den ungarischen Behörden sei es nicht möglich, die Flut an Flüchtlingen mit der gleichen Intensität zu bewältigen, wie die Beklagte.

Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.

Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist mit Beschluss vom 5. Januar 2015 abgelehnt worden (M 17 S 14.50732).

Der Klägerbevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 16. Februar 2015 und 26. März 2015 die jeweils aktuelle ladungsfähige Adresse des Klägers mit. Die letzte Anschrift lautet: ...

Das Verwaltungsgericht München übertrug mit Beschluss vom 13. Juli 2015 den Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Juli 2015 wurde die Beklagte gebeten, bis spätestens 5. August 2015 mitzuteilen, ob Ungarn trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist zur Wiederaufnahme des Klägers bereit wäre und ob das Bundesamt die ungarischen Behörden über eine (ggf. erfolgte) Fristverlängerung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist informiert habe. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung äußerte sich die Beklagte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 S 14.50732 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Gründe

1. Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Klagepartei mit Schreiben vom 29. Juni 2015 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt hat (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte hat auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 24. Juni 2015 generell verzichtet.

2. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 9. Dezember 2014 ist im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2.1. Der Bescheid ist aufgrund des zwischenzeitlichen Ablaufs der sog. Überstellungsfrist und des hierdurch bedingten Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik Deutschland rechtswidrig geworden.

Maßgeblich für die Zuständigkeitsbestimmung ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), weil das streitgegenständliche Gesuch auf internationalen Schutz nach dem in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO bestimmten Zeitpunkt, dem 1. Januar 2014, gestellt worden ist.

Zwar war Ungarn der zuständige Mitgliedsstaat für die Überprüfung des Asylantrags, da der Kläger dort zuerst in das Gebiet der EU eingereist war und die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 7. November 2014 schließlich ihre Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens anerkannten, vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO.

Wird die Überstellung - wie hier - jedoch nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über (Art 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO).

Nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat.

Diese sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist inzwischen auch dann abgelaufen ist, wenn man davon ausgeht, dass diese Frist mit der am 13. Januar 2015 erfolgten Zustellung des den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ablehnenden Beschlusses vom 5. Januar 2015 an die Beklagte nochmals neu zu laufen begonnen hat (zum Streitstand hinsichtlich des Fristbeginns vgl. VG München, GB v. 27.11.2014 - M 21 K 14.30406; VG Minden U.v. 29.04.2015 - 10 K 2430/14.A - juris). Die Überstellung hätte dann jedenfalls bis zum Ablauf des 13. Juli 2015 erfolgen müssen.

Ein Tatbestand, der nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ausnahmsweise zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist führt, wurde weder von der Beklagten vorgetragen, noch ist ein solcher ersichtlich.

Zwar teilte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 26. März 2015 als neue ladungsfähige Adresse des Klägers die ... mit, so dass es nahe liegt, dass sich der Kläger zumindest von diesem Zeitpunkt an im Kirchenasyl befunden habe. Gleichwohl sprechen gute Gründe dafür, dass sich daraus gerade nicht ergibt, dass der Kläger „flüchtig“ im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist. Den Behörden war der Aufenthaltsort des Klägers durch die Adressmitteilung seines Klägerbevollmächtigten weiterhin bekannt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger für die Behörden über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht auffindbar war (VG München, U.v. 28.1.2015 - M 12 K 14.30463 - juris Rn. 26). Im Ergebnis kann es allerdings dahinstehen, ob aufgrund des Umstands, dass sich der Kläger zumindest zeitweise im „Kirchenasyl“ befand, eine Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO möglich gewesen wäre (so VG Regensburg, U.v. 20.2.2015 - RN 3 K 14.50264 - juris Rn. 56; VG Saarland, U.v. 6.3.2015 - 3 K 902/14 - juris Rn. 44 unter Verweis auf SaarOVG, U.v. 13.09.2006 - 1 R 17/06 - juris). Denn nach Art. 29 Abs. 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1560/2003 i. d. F. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 hätte das Bundesamt die ungarischen Behörden über die Fristverlängerung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist informieren müssen (VG München, B.v. 11.3.2015 - M 11 S7 15.50189 - juris). Dass dies geschehen ist, geht aus den Akten nicht hervor und wurde vom Bundesamt auch auf die gerichtliche Anfrage vom 28. Juli 2015 hin bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht behauptet, so dass nicht angenommen werden kann, dass das Bundesamt die ungarischen Stellen rechtzeitig informiert hat

Der Asylantrag des Klägers ist damit nicht mehr nach § 27a AsylVfG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig. Folglich kommt auch eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG nicht mehr in Betracht (vgl. z. B. VG München, U.v. 8.6.2015 - M 12 K 14.50257; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20; BayVGH B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50025 - juris, wonach der Bescheid des Bundesamtes wegen Ablauf der Überstellungsfrist gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG sogar gegenstandslos geworden sei). Dass Ungarn sich entgegen der europarechtlichen Bestimmungen nicht auf den Fristablauf berufen wird und ausnahmsweise dennoch zur Übernahme des Klägers bereit ist, ist weder mitgeteilt worden noch kann hiervon grundsätzlich ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4). Für das Verwaltungsgericht besteht keine Veranlassung im Wege der Amtsermittlung der Frage nachzugehen, ob Ungarn trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist zur Wiederaufnahme des Klägers bereit wäre. Vielmehr hätte es dem Bundesamt, dem insoweit die Darlegungslast zukommt, oblegen, diese Frage rechtzeitig zu klären und das Ergebnis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BayVGH, B.v. 1.6.2015 - 11 ZB 15.50090 - juris Rn. 9). Selbst auf die entsprechende gerichtliche Anfrage vom 28. Juli 2015 hat sich das Bundesamt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht geäußert.

2.2. Der Kläger ist durch den streitgegenständlichen Bescheid auch in seinen Rechten i. S. v. § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.

Zwar dienen die Fristbestimmungen der Dublin-III-VO einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen, ohne aber den Antragstellern einen Anspruch auf die Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewähren. Die Bestimmungen der Dublin-II-VO und Dublin-III-VO richten sich als zwischenstaatliche Regelungen vorrangig an den Mitgliedstaat und begründen keine subjektiven Rechte der Asylbewerber (EuGH, U.v. 14.11.2013 - C-4/11 - juris; U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - juris). Sie begründen grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (OVG SH, B.v. 24.2.2015 - 2 LA 15/15 - juris m. w. N.).

Wenn allerdings - wie hier - wegen Ablaufs der Überstellungsfrist allein die Zuständigkeit der Beklagten bleibt, kann der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem dann zuständigen Staat geltend gemacht werden. Der Kläger ist durch die Aufrechterhaltung der rechtswidrig gewordenen Regelung unter Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids in seinem subjektiven Recht auf ordnungsgemäße Prüfung seines Asylbegehrens in der zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland verletzt (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO; Art. 16 a Abs. 1 GG; vgl. auch den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III; Abwehrmöglichkeit des Problems „Refugee in orbit“). In der vorliegenden Konstellation also, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Ungarn nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i. V. m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem ein durchsetzbares Recht des Antragstellers zugrunde liegt, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass der betroffene Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten kann und - wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert - doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleibt (VGH BW, U.v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 32). Dieser Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens wird vereitelt, wenn eine Überstellung in den ursprünglich für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat nicht erfolgte und nach Ablauf der Überstellungsfrist auch nicht mehr erfolgen kann und die nunmehr zuständige Beklagte weiterhin von der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG ausgeht. Für die Rechtsverletzung kommt es daher nicht darauf an, ob der Fristablauf für den Kläger nunmehr ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland begründet. Durch den Fristablauf wird das Verfahren gleichsam in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat. Damit lebt die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrags wieder auf. Es geht im Ergebnis nicht um eine unionsrechtlich determinierte Zuständigkeitsbestimmung, der die subjektive Komponente fehlt, sondern um die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens im innerstaatlichen Bereich (vgl. VG Hannover, U.v. 22.4.2014 - 1 A 9674/14 - juris).

2.3. Eine Umdeutung des streitgegenständlichen „Dublin-Bescheides“ in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 47 VwVfG nicht vorliegen. Dies ist zwischenzeitlich obergerichtlich geklärt (BayVGH, B.v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068; B.v. 23.1.2015 - 13a ZB 14.50071; B.v. 18.5.2015 - 11 ZB 14.50053 - juris Rn. 17; B.v. 9.2.2015 - 13a ZB 14.50081; VGH BW, B.v. 19.01.2015 - A 11 S 2508/14 - alle juris).

3. Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

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(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. September 2014 – Az.: 5794624-251 – wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Februar 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger. Am 26. November 2013 reiste er nach eigenen Angaben in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 29. November 2013 einen Asylantrag.

Bei der persönlichen Befragung durch die Bundespolizei am 26. November 2013 gab der Kläger an, dass er über Pakistan, den Iran, die Türkei, Ungarn und Österreich nach Deutschland gereist sei. Er habe in Ungarn Asyl beantragt und wolle aber in Deutschland bleiben, da die Bedingungen in Ungarn schlecht seien.

Am 26. November 2013 ergab sich ein EURODAC-Treffer für Ungarn (...) und am 19. Dezember 2013 ein weiterer EURODAC-Treffer für Bulgarien (...).

Am 23. Dezember 2013 bat die Beklagte Ungarn um Übernahme des Asylverfahrens.

Am 7. Januar 2014 erklärte Ungarn die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.

Am 15. Januar 2014 wurde der Kläger vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens persönlich angehört. Er gab an, er sei auch über Bulgarien gereist und ihm seien dort möglicherweise Fingerabdrücke abgenommen worden.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziff. 2).

Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-II-VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Am ... März 2014 hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und zuletzt beantragt,

den Bescheid des Bundesamts vom 19. Februar 2014 aufzuheben.

Mit Beschluss vom ... April 2014 hat das Gericht den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (Az. M 12 S 14.30464). Der Beschluss wurde dem Kläger am 8. April 2014 und dem Bundesamt am 11. April 2014 zugestellt.

Eine am 25. September 2014 geplante Rücküberstellung des Klägers nach Ungarn ist gescheitert, da der Kläger nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft angetroffen wurde. Nach einem Schreiben der Polizeiinspektion ... vom 25. September 2014 (Bl. ... der beigezogenen Behördenakte des Landratsamts ...) sei die Unterkunft des Klägers am selben Tag um 6.00 Uhr aufgesucht und das Anwesen nach ihm abgesucht worden. Vermutlich habe er sich am Vortag abgesetzt, sein Bett sei unbenutzt gewesen. Ebenfalls mit Schreiben vom 25. September 2014 hat das Bundesamt daraufhin Ungarn mitgeteilt, dass eine Überstellung derzeit nicht möglich sei, da der Kläger flüchtig sei. Dem Landratsamt ... hat das Bundesamt mit Schreiben vom 8. Oktober 2014 mitgeteilt, dass Fristende für die Überstellung der 11. Oktober 2015 sei.

Mit Schreiben vom ... September 2014 hat sich Frau ... an das Landratsamt ... gewandt und mitgeteilt, dass der Kläger ab sofort bei ihr kostenfrei wohnen könne. Er wolle zum Christentum konvertieren und sei diesbzgl. mit dem Pfarrer und anderen Gemeindemitgliedern intensiv im Gespräch. Der Kläger befürchte Schwierigkeiten mit den muslimischen Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft. Sie habe ihm daher eine kostenfreie Wohnmöglichkeit angeboten und dies Herrn ... vom Landratsamt bereits telefonisch mitgeteilt. In dem Gespräch habe sie die Rückmeldung erhalten, dass dies seitens des Landratsamts ohne Probleme möglich sei.

Ein weiterer Überstellungsversuch am 30. Oktober 2014 verlief ebenfalls erfolglos. Seit 31. Oktober 2014 befindet sich der Kläger im Kirchenasyl.

Mit Beschluss vom ... Januar 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2015 übermittelte die Klägerbevollmächtigte eine Stellungnahme des Klägers, die er mit Hilfe des Kirchenasyl gewährenden Pfarrers erstellt habe. Darin wird u. a. ausgeführt, dass der Kläger am 24. September 2014 bei Frau ... zu Besuch gewesen sei. Wie schon öfter habe er darüber geklagt, dass er nachts nicht richtig schlafen könne, da seine Mitbewohner bis in die Nacht hinein sehr laut gewesen wären. Er nehme Schlaftabletten, um überhaupt schlafen zu können, weil er morgens aufstehen und zur Arbeit gehen müsse. Der Kläger sei seit März 2014 im Bauhof des Marktes ..., später an der Grund- und Mittelschule ... zur Verrichtung gemeinnütziger Arbeit beschäftigt gewesen. An jenem Abend habe der Kläger Frau ... gebeten, doch bei ihr übernachten zu dürfen. Er habe ihr gesagt, dass seine Mitbewohner wohl erfahren hätten, dass er zur Kirche gehe und sich auf seine Konversion vorbereite. Er fühle sich misstrauisch beobachtet und unwohl in deren Gesellschaft. Frau ... habe ihn vom 24. auf den 25. September 2014 aus Gutherzigkeit im Gästezimmer übernachten lassen. Rückschiebungen würden nicht angemeldet, so dass weder Frau ... noch der Kläger hätten ahnen können, dass am folgenden Morgen die Polizei zur Gemeinschaftsunterkunft kommen würde, um den Kläger abzuholen. Frau ... könne nicht mehr genau sagen, wann sie mit Herrn ..., dann mit Herrn ... vom Landratsamt telefonisch gesprochen habe. Frau ... habe in diesem Gespräch mitgeteilt, dass sie den Kläger bei sich aufnehmen möchte und ob dies denn möglich sei. Herr ... habe sich dahingehend geäußert, dass dies keine Probleme bereite, sie jedoch keine finanzielle Unterstützung zu erwarten hätte. Er habe eine schriftliche Bestätigung angefordert, die Frau ... angefertigt hätte. Am Morgen des 25. September 2014 sei der Kläger gegen 7.30 Uhr aufgestanden und habe sich in seine Unterkunft begeben. Er habe sich zur Arbeit fertig machen wollen. Dort hätten ihm seine Mitbewohner erklärt, dass die Polizei da gewesen sei und ihn gesucht hätte. Der Kläger sei seither nicht mehr zur Arbeit gegangen und wohne bei Frau ... Nach weiteren Ausführungen zum Rückführungsversuch vom 30. Oktober 2014 wird weiter ausgeführt, dass sich der Kläger subjektiv weder bewusst noch absichtlich einer Rückschiebung entzogen habe.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2015 führte die Klägerbevollmächtigte weiter aus, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylsystems vorlägen.

In der mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2015 legte die Klägerbevollmächtigte eine E-Mail von Herrn Pfarrer ... vor, nach der der Kläger hinzufügen wolle, dass er in der Unterkunft immer noch Kleidung und andere Gegenstände aus seinem Besitz gelassen habe. Zum anderen habe er vom Bürgermeister eine andere Arbeitsstelle vermittelt bekommen. Eine Anstellung sei aber an seinem ungeklärten Asylstatus gescheitert. Die Klägerbevollmächtigte führte aus, dass der Kläger am 25. September 2014 nicht flüchtig gewesen sei. Der Kläger habe sich vor diesem Abschiebungsversuch regelmäßig in der Unterkunft aufgehalten. Gelegentlich habe er bei Frau ... - so auch am 24. September 2014 - übernachtet, da er Probleme bekommen habe wegen seiner Zuwendung zum Christentum. Der Kläger habe keine Kenntnis von der geplanten Rückschiebung nach Ungarn gehabt. Seine Kleidung und seine sonstigen persönlichen Habseligkeiten habe er weiterhin in der Unterkunft gehabt. Erst nachdem sich Frau ... offiziell an das Landratsamt gewandt habe, um ihn bei sich aufzunehmen, habe er mehr persönliche Dinge mitgenommen. Er habe nicht versucht, sich der Abschiebung zu entziehen, sondern sich auch nach dem Abschiebungsversuch um eine weitere Arbeitsstelle bemüht, die ihm der Bürgermeister vermittelt habe. Zudem habe sich Frau ... bereits vor dem Abschiebungsversuch telefonisch an die Ausländerbehörde gewandt, da sie den Kläger bei sich aufnehmen wollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2015 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten sind form- und fristgerecht geladen worden.

1. Die zulässige Klage ist begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er kann auch nicht im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG aufrechterhalten werden.

Maßgebend ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. Nr. L 50 S. 1 - nachfolgend: Dublin II-VO), da der Asylantrag und das Übernahmeersuchen vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden waren. Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), die im Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist nicht anwendbar (vgl. Art. 49 Dublin III-VO).

Die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Buchst d) Dublin II-VO ist abgelaufen. Danach erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Ungarn oder auf den Zeitpunkt der ablehnenden Eilentscheidung, die dem Bundesamt am 11. April 2014 zugestellt wurde, abzustellen ist, da die sechsmonatige Überstellungsfrist auch im letztgenannten Fall spätestens am 11. Oktober 2014 abgelaufen ist.

Eine Verlängerung der Frist gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Dublin II-VO konnte vorliegend nicht erfolgen. Danach kann die Frist höchstens auf 18 Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Zwar hat das Bundesamt den ungarischen Behörden mit Schreiben vom 25. September 2014 mitgeteilt, dass der Kläger flüchtig sei. Gegenüber der Ausländerbehörde wurde die Überstellungsfrist im Zuge dessen auf den 11. Oktober 2015 datiert. Allerdings war der Kläger während des sechsmonatigen Überstellungszeitraums tatsächlich nicht flüchtig. Unter den Begriff „flüchtig“ sind Sachverhalte zu subsumieren, in denen der Asylbewerber aus von ihm zu vertretenden Gründen für die Behörden über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht auffindbar ist. Zwar wurde der Kläger von der Polizei am Morgen des 25. September 2014 nicht in der Gemeinschaftsunterkunft angetroffen. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger einmalig nicht in der Gemeinschaftsunterkunft angetroffen wurde, kann jedoch nicht der Rückschluss gezogen werden, dass der Kläger flüchtig ist. Zwar wurde der Kläger mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom ... Dezember 2013 zur Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft ... verpflichtet. Hieraus ergibt sich jedoch keine Verpflichtung dahingehend, sich ständig in der Gemeinschaftsunterkunft aufzuhalten. Eine derartige ständige Anwesenheit wird selbst in einer Aufnahmeeinrichtung nicht verlangt. Nach der glaubhaften Darstellung des Klägers hat dieser bis zum 25. September 2014 lediglich vereinzelt bei Frau ... übernachtet, da er aufgrund des Lärms seiner Zimmergenossen in der Gemeinschaftsunterkunft nachts kaum schlafen konnte und er Probleme wegen seiner Zuwendung zum Christentum bekommen hat. Seine Wohnung wie auch seine persönlichen Dinge hat der Kläger jedoch weiterhin in der Gemeinschaftsunterkunft gehabt. Zudem ist der Kläger bis zum 25. September 2014 einer regelmäßigen Beschäftigung im Rahmen gemeinnütziger Arbeit nachgegangen, zu der er auch am Morgen des 25. September 2014 wieder gehen wollte. Auch der Kontakt des Klägers zu Frau ... und die beabsichtigte dauerhafte Aufnahme des Klägers durch Frau ... war dem Landratsamt zu diesem Zeitpunkt aus einem Telefonat der zuständigen Sachbearbeiter mit Frau ... bekannt. Auf ein entsprechendes Telefonat wird im Schreiben von Frau ... vom 25. September 2014 - von Seiten des Landratsamtes in den dort aufgebrachten Vermerken unwidersprochen - Bezug genommen (Bl. ... der Akte des Landratsamts ...). Aus den Akten ergibt sich nicht, dass ein weiterer Versuch unternommen worden wäre, den Kläger zu einem späteren Zeitpunkt in der Gemeinschaftsunterkunft, an seinem Arbeitsplatz oder bei Frau ... anzutreffen. Dem Kläger war der Termin der Abschiebung auch nicht bekannt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass er sich vorsätzlich der Rücküberstellung entziehen wollte. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger am 25. September 2014 aufgrund der kurzzeitigen Abwesenheit von der Gemeinschaftsunterkunft flüchtig war. Auch in der Zeit bis zum Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist war der Kläger nicht flüchtig. Zwar hat er seit dem 25. September 2014 dauerhaft die Gemeinschaftsunterkunft verlassen und Wohnung bei Frau ... genommen. Damit hat er zwar gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom ... Dezember 2013 verstoßen. Er war jedoch nicht flüchtig, da das Landratsamt ... hierüber umgehend schriftlich informiert wurde (vgl. Schreiben vom ... September 2014, Bl. ... der Akte des Landratsamts ...). Den Behörden war der Aufenthaltsort des Klägers daher weiterhin bekannt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger für die Behörden über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht auffindbar war.

Die nicht innerhalb der 6-Monats-Frist erfolge Überstellung des Klägers nach Ungarn hat gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO zur Folge, dass die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Damit ist der Ausspruch in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig geworden.

Der im maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) somit rechtswidrige Bescheid vom 18. Februar 2014 verletzt den Kläger auch in seinen Rechten. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Dublin II-VO dem Asylbewerber kein subjektives Recht darauf einräumt, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird. Ist jedoch dieser vom Asylbewerber „bevorzugte“ Mitgliedstaat in Folge des Ablaufs der Überstellungsfrist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zuständig geworden, so soll die Regelung in dieser Norm auch dem schutzwürdigen Interesse des Asylbewerbers dienen, dass sein Schutzgesuch - nach Ablauf eines gewissen Zeitraums, welcher der Klärung von Zuständigkeitsfragen vorbehalten ist - in angemessener Zeit in der Sache geprüft wird. Es muss sichergestellt sein, dass das Ziel der Gewährleistung eines umfassenden Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) nicht reduziert wird. Insoweit steht ihm ein Anspruch auf sachliche Prüfung seines Asylantrags zu mit der Folge, dass ihn eine Maßnahme nach § 27a AsylVfG i. V. m. § 34a AsylVfG, die nach Fristablauf und damit einhergehendem Zuständigkeitsübergang rechtswidrig geworden ist, in seinen subjektiv öffentlichen Rechten verletzt (VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris, Rn. 13 m. w. N.; VG Magdeburg, U. v. 28.2.2014 - 1 A 413/13 - juris; VG Augsburg, GB. v. 8.10.2014 - Au 7 K 14.30121 - juris).

Eine Umdeutung des maßgeblichen streitgegenständlichen Bescheides in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach § 47 VwVfG nicht erfüllt sind (s. zum Folgenden: VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 22 ff.).

Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

Vorliegend hätte ein Bescheid nach § 71a AsylVfG nicht in der geschehenen Verfahrensweise erlassen werden dürften, da der Kläger ausweislich des vorgelegten Behördenakts nicht zu den im Rahmen des § 71a Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) angehört worden ist. Ausweislich des vorgelegten Behördenakts kam es im Einklang mit § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG ausschließlich zu einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylVfG, welche lt. Niederschrift mit dem Hinweis endete, dass aufgrund der gemachten Angaben das Bundesamt nunmehr zunächst die Frage überprüfen werde, ob Deutschland für eine inhaltliche Prüfung des Asylantrages zuständig sei. Ergebnis war die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des hier streitgegenständlichen Bescheides. Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bestand dagegen nicht. Die Beklagte konnte sich auf Basis der gegebenen Aktenlage deshalb auch nicht hilfsweise mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegt oder nicht. Zwar kann gemäß § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG von der Anhörung abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ist eine sichere Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, bei der vorliegenden Sachlage jedoch nicht möglich.

Auch eine Umdeutung der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides (Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat) in eine Anordnung der Abschiebung in das Herkunftsland scheidet angesichts der Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a AsylVfG vorliegend aus. Eine Umdeutung in eine Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland nach § 34 AsylVfG würde dazu führen, dass der umgedeutete Verwaltungsakt nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wäre. Darüber hinaus würde eine solche Umdeutung für den Betroffenen entgegen § 47 Abs. 2 VwVfG eine ungünstigere Rechtsfolge herbeiführen, da er nach erfolgter Abschiebung in den Herkunftsstaat - anders als bei der Abschiebung nach Italien - keine Möglichkeit mehr hätte, weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen (s. hierzu VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 26 ff; VG München, U. v. 4.11.2014 - M 10 K 13.30627)

Der angefochtene Bescheid ist somit aufzuheben. Die Beklagte hat ein Asylverfahren durchzuführen und mit gesondertem rechtsmittelfähigem Bescheid abzuschließen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass die Klage nicht als zurückgenommen gilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Einstellung seines Klageverfahrens wegen Nichtbetreibens und wendet sich gegen die Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags und die Anordnung der Abschiebung nach U..

Der nach seinen Angaben am ... 1989 in K... geborene Kläger gibt an, pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit zu sein. Er verließ Pakistan nach seinen Angaben in der Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 16. Januar 2014 im September oder Oktober 2009 und reiste am 24. Dezember 2013 auf dem Landweg in Deutschland ein. Er stellte am 16. Januar 2014 einen Asylantrag in Deutschland. Das Bundesamt ersuchte U. am 24. Februar 2014 um die Übernahme des Verfahrens. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückführung gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. März 2014 stellte das Bundesamt die Unzulässigkeit des Asylantrags fest (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 24. März 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben (Az. RN 3 K 14.50033), sowie Anträge auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und am 27. März 2014 auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten stellen. Diese Anträge lehnte das Gericht mit Beschluss vom 1. April 2014 ab (Az. RN 3 S 14.50032).

Das Landratsamt D. teilte der Beklagten am 28. Juli 2014 mit, dass der Kläger untergetaucht und die Ausschreibung zur Fahndung veranlasst worden sei. Das Gericht forderte den Bevollmächtigten des Klägers unter Hinweis auf § 81 AsylVfG mit Schreiben vom 6. August 2014, zugestellt am 8. August 2014, auf, eine ladungsfähige Anschrift des Klägers mitzuteilen. Der Berichterstatter stellte das Verfahren mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 wegen Nichtbetreibens ein. Der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers beantragte mit Schriftsatz vom 4. November 2014, insbesondere unter Hinweis auf seine Schreiben vom 5. und 14. September 2014, das Verfahren fortzusetzen.

Die Klage wird hinsichtlich der Fortsetzung damit begründet, dass der anwaltliche Bevollmächtigte innerhalb der mit Schreiben des Gerichts vom 6. August 2014 gesetzten Frist mitgeteilt habe, dass der Kläger nach einer Auskunft des Ausländeramts den Schutz der Kirche in Anspruch genommen habe und das Pfarramt H. als aktuelle Adresse anzusehen sei. Vorsorglich habe der Bevollmächtigte am 5. September 2014 beantragt, innerhalb einer Woche ergänzend die konkrete Adresse nachreichen zu dürfen. Die Aufforderung vom 6. August 2014 sei am 8. August 2014 eingegangen, so dass die Frist am 8. September 2014 abgelaufen sei. Mangels anderweitiger Mitteilung des Gerichts sei davon auszugehen gewesen, dass die Nachreichung der Adresse innerhalb einer weiteren Woche akzeptiert werde. Die Vermutung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses sei entkräftet worden. Innerhalb der Nachfrist sei die Angabe der konkreten Anschrift des Klägers erfolgt. Auf den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Mitteilung der genauen Anschrift sei keine Entscheidung ergangen. Im Falle einer Ablehnung der Fristverlängerung hätte die Möglichkeit bestanden, die Adresse über Telefonate zu konkretisieren. Sodann hätte bereits am 8. September 2014 die Adresse benannt werden können.

Hinsichtlich des Bescheids wird die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass dieser unzutreffend davon ausgehe, dass U. zuständig sei. Tatsächlich habe sich der Kläger zunächst in Griechenland aufgehalten und sei dort als Asylsuchender erfasst worden. Die Übernahmeerklärung U.s lasse sich nicht im Sinne einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts des eigentlich unzuständigen Mitgliedsstaates auslegen. Eine solche Erklärung im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeersuchen setze voraus, dass sich der Erklärende der Umstände des Falles bewusst sei. In dem Wiederaufnahmegesuch sei kein Hinweis auf ein in Griechenland durchgeführtes Asylverfahren enthalten. Es wäre erforderlich gewesen, U. darüber aufzuklären. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, wodurch es zum zuständigen Mitgliedsstaat geworden sei. Die Zuständigkeit werde auch nicht dadurch irrelevant, dass Überstellungen nach Griechenland regelmäßig nicht zulässig seien. Die Wiederaufnahme setze die ordnungsgemäßen und zutreffenden Informationen voraus, ob und ggf. welche sonstigen Asylanträge gestellt worden seien. Die Angaben aus Griechenland seien in krasser Weise unzuverlässig und die Zahlen der Meldedaten differierten von Jahr zu Jahr.

Bei einer Abschiebung nach U. drohten dem Kläger die Kettenabschiebung über Serbien und der Verlust der Rechte im Asylverfahren, sowie eine langandauernde Haft in U. und in Serbien. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in U. vor. Zum 1. Juli 2013 sei eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen seien. Die Voraussetzungen für die Haft und Haftdauer seien erweitert, die Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung ab Juli 2013 zugleich beschränkt worden. Die Haftgründe seien insbesondere im Fall des Klägers einschlägig, da die ablehnende Entscheidung vom 21. Februar 2014 auf sein Asylbegehren mitgeteilt wurde, ohne dass eine materielle Prüfung oder die Zustellung der Entscheidung an ihn erfolgt wäre. Die Situation in U. speziell für Rückkehrer auf der Grundlage der Dublin-Verordnung entspreche nicht den Voraussetzungen, die gemäß Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten seien. Angesichts der bereits jetzt bestehenden Überfüllung der Camps und katastrophaler hygienischer Zustände würde eine Zwangsrückführung nach U. erkennbar dem Gebot einer menschenwürdigen Unterbringung widersprechen.

Aus aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht München ergäben sich konkrete Bedenken gegen die Situation in U., insbesondere unter Berücksichtigung der dortigen Handhabung von Asylhaft. Deren durchschnittliche Dauer betrage nach Auskunft der ungarischen Migrationsbehörde 32 Tage. Diese Angaben würden den Erkenntnissen des ungarischen Helsinki Komites aus der Analyse von insgesamt 107 Entscheidungen und auch den Informationen von Pro Asyl widersprechen. Rechnerisch ergäbe sich eine korrigierte durchschnittliche Haftdauer von 80 Tagen. Außerdem führe die Begrenzung der in letzter Zeit massiv ausgeweiteten Inhaftierung von Familien auf 30 Tage zu einer Reduktion des allgemeinen Durchschnittswerts. Dublin-Rückkehrer würden häufig für die gesamte zulässige Dauer der Asylhaft sechs Monate eingesperrt. Ein Rechtsmittel hiergegen sei nicht zulässig. Es finde lediglich eine Anhörung statt, die sich auf die formellen Voraussetzungen der Anordnung von Asylhaft beschränke. Diese Voraussetzungen dürften auf alle Dublin-Rückkehrer anwendbar sein. Auf den Kläger treffe dies insbesondere deshalb zu, weil sein Asylantrag am 21. Februar 2014 in seiner Abwesenheit abgelehnt worden sei. Er werde als Person geführt, „die sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat“. Haftanordnungen enthielten darüber hinaus Begründungen, die gesetzlich nicht vorgesehen seien. Die Haftgründe würden über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus konturlos erweitert. Im Anschluss an die Asylhaft sei bei einer Ablehnung des Asylantrags mit Abschiebungshaft zu rechnen. Es bestehe keine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Die Haftbedingungen würden sowohl in den Auskünften von Pro Asyl als auch des Auswärtigen Amtes kritisiert. Eine expansive Anwendung sedierender Medikamente sei festzustellen. Der UNHCR habe bereits 2012 gewarnt, dass ungarische Asylwächter Migranten mit Drogen ruhig stellen. Die Gründe für die Verhaftungen seien willkürlich und undurchsichtig. Die Haftbedingungen seien bereits deshalb problematisch, weil sog. „armed security guards“ eingesetzt würden, von denen häufig körperliche Übergriffe geschildert würden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Räume nicht durch Kameras überwacht würden. Die Betroffenen seien rechtlos gestellt, da sie im Falle einer Beschwerde bestenfalls mit wiederholten Schikanen rechnen dürften.

Die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO sei jedenfalls am1. Oktober 2014 abgelaufen. Hinreichende Gründe für eine Verlängerung seien nicht ersichtlich. Eine vorübergehende Abwesenheit des Klägers in der Unterkunft könne nicht als Flucht im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO gewertet werden. Die Verlängerung stelle einen Ausnahmefall zum Regelfall der Selbsteintrittspflicht dar, weshalb es der Beklagten obliege, die Voraussetzungen hierfür nachvollziehbar darzulegen.

Der Kläger lässt beantragen,

das Klageverfahren fortzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Asylakten, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. RN 3 S 14.50032 und RN 3RN 3 K 14.50033, sowie die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage gilt nicht als zurückgenommen. Die auf Aufhebung des Bescheids vom 14. März 2014 gerichtete Klage ist zulässig aber unbegründet, da dieser Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Der mit Schriftsatz vom 4. November 2014 gestellte Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens hat Erfolg. Die am 24. März 2014 bei Gericht eingegangene Klage (damaliges Az. RN 3 K 14.50033) gilt nicht als zurückgenommen, weil das Verfahren fristgerecht betrieben wurde. Das Klageverfahren wird daher antragsgemäß fortgesetzt.

Falls über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Klagerücknahme oder über das Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Rücknahmefiktion Streit entsteht, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden, wenn dies beantragt wird (vgl. Kopp, VwGO, § 92, Rdnr. 28 m. w. N.). Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, so entscheidet es nach Verhandlung der Sache im Rahmen des Endurteils (vgl. Kopp a. a. O. Rdnr. 29 m. w. N.).

Gemäß § 81 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gilt die Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als einen Monate nicht betreibt. Der Kläger wurde in dem Aufforderungsschreiben vom 6. August 2014 auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen, vgl. § 81 Satz 3 AsylVfG.

Der gerichtliche Einstellungsbeschluss vom 15. Oktober 2014 erging zu Unrecht, da das Klageverfahren mit am 5. September 2014 bei Gericht eingegangenen Schreiben, also innerhalb der Monatsfrist, betrieben wurde. In diesem teilte der Klägervertreter mit, dass sich der Kläger im „Kirchenasyl in H. „ befinde. Mit einem weiteren am 14. September 2014 bei Gericht eingegangenen Schreiben gab er die (damals) aktuelle Adresse des Klägers bekannt. Wäre das erste Schreiben dem Gericht bereits damals bekannt gewesen, hätte Veranlassung bestanden, den Klägervertreter zur Mitteilung der genauen Adresse aufzufordern. Von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers wäre nicht mehr auszugehen gewesen. Das Klageverfahren wäre nicht wegen Nichtbetreibens eingestellt worden, zumal mit dem zweiten Schreiben die genaue Adresse mitgeteilt wurde. Die Schreiben des Klägervertreters wurden dem damaligen Berichterstatter und jetzigen Einzelrichter jedoch erst am 5. November 2014 nach Eingang des Antrags auf Fortführung des Verfahrens vorgelegt.

2. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, aber unbegründet.

a. Statthaft ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 AltVwGOVwGO.

Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Bescheid sind § 27a und § 34a AsylVfG. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt u. a. die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an. Hierbei handelt es sich um belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG, deren isolierte Aufhebung zulässig ist, weil diese zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (vgl. VG Düsseldorf vom 23.09.2014 Az. 8 K 4481/14.A). Die Beklagte ist nach Aufhebung des Bescheids nämlich von Gesetzes wegen verpflichtet, ein Asylverfahren durchzuführen (vgl. BayVGH vom 23.1.2015 Az. 13a ZB 14.50071, vom 28.2.2014 Az. 13a B 13.30295).

Verpflichtungsklagen, die entweder auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und die Folgeentscheidungen oder auf das Ausüben des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte gerichtet sind, wären in der hier gegebenen Situation dagegen nicht statthaft. In den Fällen der Einstellung des Asylverfahrens steht die - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Verfahrens einer Verpflichtungsklage, bei der das Verwaltungsgericht „durchzuentscheiden“ hätte, entgegen (vgl. BayVGH vom 23.1.2015 a. a. O.; BVerwG vom 7.3.1995 Az. 9 C 264/94). Eine hiermit vergleichbare Situation besteht auch hier. Da das Asylbegehren in der Sache - in dem durch § 71a AsylVfG gezogenen Rahmen - noch nicht geprüft wurde, würde dem Kläger bei einem „Spruchreifmachen“ eine Tatsacheninstanz verloren gehen, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (vgl. BayVGH vom 28.2.2014 a. a. O. m. w. N.). Das gilt etwa für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, zur Aufklärung des Sachverhalts sowie zur Erhebung der erforderlichen Beweise gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i. V. m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist.

Ferner würde ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Beklagten kontrollieren, sondern sich erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 a. E. AsylVfG bedenklich, da der Gesetzgeber die Prüfung dem Bundesamt zugewiesen hat (vgl. VG Regensburg vom 21.10.2014 Az. RO 9 K 14.30217 m. w. N.). Ein (zusätzlicher) Verpflichtungsantrag auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts wäre überflüssig, da die Durchführung des Verfahrens Folge der Aufhebung des auf § 27a, § 34a AsylVfG gestützten Bescheids ist (s. o.).

b. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. U. ist für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig und es sind keine außergewöhnlichen Gründe ersichtlich, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gebieten. Die Abschiebungsanordnung ist zu Recht ergangen.

aa. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor.

Maßgeblich für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO). Deren Zuständigkeitskriterien finden gemäß Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO auf Asylanträge, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden, Anwendung. Das Gericht hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Übernahmezusage bzw. den darauf basierenden Bescheid an den Vorschriften der Dublin III-VO zu messen.

Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei U. um den für das Asylverfahren zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG handelt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückübernahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO, da dieser am 21. August 2013 in U. einen Asylantrag gestellt hatte, der am 21. Februar 2014 abgelehnt wurde. Zur Prüfung des Antrags ist damit nicht die Beklagte, sondern U. zuständig. Dessen Zuständigkeit umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe d Dublin III-VO die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Zuständigkeit U.s steht nicht entgegen, dass nach der Auffassung des Klägers eigentlich Griechenland für die Behandlung des Asylantrags zuständig gewesen wäre und das Bundesamt U. hierauf hätte hinweisen müssen. Dem Behördenakt lässt sich bereits nicht entnehmen, dass der Kläger einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. In der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats vom 16. Januar 2014 gab er zwar an, dass er sich drei Jahre in Griechenland aufgehalten habe. Auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat Asyl beantragt habe, nannte er jedoch nur U.. Es bestand für das Bundesamt daher keine Veranlassung, auf ein angebliches Asylverfahren in Griechenland hinzuweisen. Im Übrigen hätte U. selbst gemäß Art. 22 Dublin III-VO Gelegenheit gehabt, in dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats die erforderlichen Überprüfungen, z. B. durch eine EURODAC-Abfrage, vorzunehmen, um eine vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können. U. ist aber erkennbar von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen.

Außerdem kann gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Selbst wenn U. nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig wäre, würde es dadurch gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zum zuständigen Mitgliedstaat werden. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10, C-493/10). Da U. von dem ihm zustehenden Ermessen mit dem Übernahmeschreiben vom 6. März 2014 Gebrauch machte, ist es zumindest deshalb zuständiger Mitgliedsstaat im Sinne der Dublin III-VO. Schließlich kann ein Asylbewerber der Situation, dass ein Mitgliedsstaat seiner Aufnahme zustimmt, nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (vgl. EuGH vom 10.12.2013 Az. C-394/12). Ein subjektives gerichtlich durchsetzbares Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in einem konkreten Mitgliedsstaat gibt es nicht.

§ 34a Abs. 1 AsylVfG, nach dem die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Abweichend hiervon hat Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts berücksichtigt werden können und damit außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93). Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bestimmt, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fortsetzt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.

Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Genfer Flüchtlingskonvention steht (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann nur erreicht werden, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass einer der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 a. a. O.). Das Gericht muss sich die Überzeugung verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedsstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG vom 19.3.2014 Az. 10 B 6.14).

Für das Gericht ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in U. oder die Betreuung von Asylbewerbern systemische Mängel aufweist, die eine Durchbrechung des Konzepts der normativen Vergewisserung gebieten würden. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin III-VO hinfällig werden lässt. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. OVG Lüneburg vom 2.8.2012 Az. 4 MC 133/12). Solche Defizite müssen im Rechtssystem des jeweiligen Staats angelegt sein oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen müssen aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sein, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG vom 19.3.2014 a. a. O.). Das Gericht geht nicht davon aus, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung nach U. eine solche Gefahr droht.

Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Zwar waren die Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in der Vergangenheit beanstandenswert und teilweise unzureichend. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Unregelmäßigkeiten traten auch vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der früheren Dublin II-VO Verordnung nach U. rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete daher in einem Bericht vom April 2012 den Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer als problematisch (vgl. UNHCR, U. als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in U., April 2012, Seite 9). Diese Lage hat sich aber gebessert. Das Gericht schließt sich insoweit der folgenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts Ansbach in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2013 (Az. AN 11 S 13.31074) an:

„Allerdings sind aus Sicht des erkennenden Gerichts diese Mängel der ungarischen Ausländer- und Asylverfahrenspraxis mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen im ungarischen Parlament vom November 2012 erheblich entschärft worden. Nach der Fortschreibung der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 werden nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft, selbst wenn es sich um Asylsuchende handelt, die über Serbien oder die Ukraine oder im Wege der Rückführung nach U. gelangen. Auch die vormals verbreitete Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen, ist nach diesem Bericht des UNHCR stark rückläufig und wird im Rahmen einer stärkeren Kontrolle durch die Polizeihauptquartiere und Staatsanwaltschaften sowie ergänzend durch eine Arbeitsgruppe von Richtern flankiert (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, December 2012, http://www...org/...html). Die von der Antragstellerseite angeführte Änderung der ungarischen Gesetzgebung, wonach seit 1. Juli 2013 in U. wieder die Haft für Asylantragsteller eingeführt worden sei, ist nicht geeignet, die vorstehenden Ausführungen in Frage zu stellen. Wie sich der aktuellen Lageeinschätzung des Vereins „bordermonitoring.eu“ vom 20. August 2013 entnehmen lässt, erfolgen Inhaftierungen von Asylbewerbern in U. lediglich in Einzelfällen.“

Im Ergebnis hält es das Gericht nach summarischer Prüfung im entscheidenden Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht für wahrscheinlich, dass dem Kläger in U. als sog. Dublin-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht (vgl. statt vieler: VG Augsburg vom 21.1.2015 Az. Au 2 S 14.50360; VG Würzburg vom 2.1.2015 Az. W 1 S 14.50120; VG Regensburg vom 12.12.2014 Az. RN 5 S 14.50306; VG Stade vom 18.2.2014 Az. 1 B 862/14; VG Ansbach vom 18.2.2014 Az. AN 1 S 14.30183; VG München vom 6.2.2014 Az. M 4 S 14.30161; VG Regensburg vom 17.12.2013 Az. RN 5 S 13.30749; VG Augsburg vom 5.12.2013 Az. Au 7 S 13.30454 m. w. N., vom 28.10.2013 Az. Au 6 E 13.30399; VG Ansbach vom 3.12.2013 Az. AN 11 S 13.31074; VGH Baden-Württemberg vom 6.8.2013 Az. 12 S 675/13; a. A. z. B.: VG Berlin vom 15.1.2015 Az. 23 L 899.14 A; VG München vom 26.6.2014 Az. M 24 S 14.50325, vom 11.11.2013 Az. M 18 S 13.31119; VG Düsseldorf vom 28.5.2014 Az. 13 L 172/14.A).

Das Gericht sieht auch im Hinblick auf neuere Erkenntnisquellen gegenwärtig keine Veranlassung von dieser Einschätzung abzugehen und schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen der überzeugenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 14. Juli 2014 (Az. 1 B 862/14) an:

„Systemische Schwachstellen im Asylverfahren in U. für Dublin-Rückkehrer lassen sich auch den von der Antragstellerin benannten aktuellen Erkenntnisquellen nicht entnehmen. Weder die Auskünfte des UNHCR vom 09. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (hierzu: Beschl. v. 16. Juni 2014 - 13 L 141/14.A -, juris) noch die „Information Note“ des Hungarian Helsinki Committee aus dem Mai 2014 (abrufbar unter: http://helsinki.hu/en/information-note-on-asylum-seekers-in-detention-and-in-dublin-pro cedures-in-hungary) oder der National Country Report Hungary der Asylum Information Database („aida“), Stand 30. April 2014 (abrufbar unter: http://www...org/files/...pdf), bieten nach Auffassung der Einzelrichterin belastbare Anhaltspunkte für solche Schwachstellen. Das Gericht folgt der auf Grundlage dieser Auskünfte ergangenen Entscheidung des VG Düsseldorf (Beschl. v. 16. Juni 2014, a. a. O.) und der sich anschließenden Entscheidung des VG München (Beschl. v. 26. Juni 2014 - M 24 S 14.50325 -, juris) nicht.

Die in den genannten Erkenntnisquellen beschriebene Umsetzung der ungarischen Gesetzgebungslage, nach der seit dem 1. Juli 2013 die Haft für Asylantragsteller wieder zulässig ist, lässt nicht auf systemische Schwachstellen des Asylsystems für Dublin-Rückkehrer schließen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - wie das VG Düsseldorf zu Recht anmerkt -

„(…) der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und U. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar[stellt]. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht U. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.

Gem. Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f. der Richtlinie 2013/33 EU („AufnahmeRL“) nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt jedoch, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die ungarische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in U. abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden. Dass die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus U. geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Behörden insoweit Gebrauch von den im ungarischen nationalen Recht geregelten „überschießenden“ Haftgründen - deren Europarechtskonformität durchaus angezweifelt werden kann - machen, wonach eine Inhaftierung schon bei einem „Verzögern“ oder „Behindern“ des Asylverfahrens angeordnet werden kann (vgl. Art. 31/A Buchst. c des ungarischen Asylgesetzes, vgl. VG Düsseldorf a. a. O., Rn. 106).

Dass für Dublin-Rückkehrer regelmäßig ein Fluchtgrund angenommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass die gem. Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgt. Im oben genannten National Country Report Hungary (aida) wird vielmehr ausgeführt, dass alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern tatsächlich nicht in Asylhaft genommen würden, obwohl dies rechtlich möglich sei (a. a. O., S. 9). Eine solche Differenzierung belegt, dass tatsächlich Umstände des Einzelfalls bei der Haftanordnung berücksichtigt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind, müssen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wiederaufnahme der Dublin-Rückkehrer rein zahlenmäßig ein Massengeschäft ist, welches für die Verwaltung handhabbar bleiben muss. So ist es zwar aus rechtsstaatlichen Gründen wünschenswert, dass sich eine vorangegangene Einzelfallprüfung auch in der schriftlichen Haftanordnung konkret niederschlägt, vom europäischen Recht ist dies jedoch nicht eindeutig gefordert. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL sieht lediglich vor, dass die sachlichen und rechtlichen Gründe in der Haftanordnung angegeben werden. Dass die Haftanordnung den Haftgrund „Fluchtgefahr“ nicht - auch nicht in standardisierter Form - benennt, kann das Gericht der Auskunft des UNHCR nicht klar entnehmen (vgl. dort Antwort auf Frage 3, erster Spiegelstrich:

„Der Begründungsteil [der Haftanordnung] führt keine konkreten Gründe aus, aus denen es im Falle des konkreten Asylbewerbers nötig und sachgerecht ist, Asylhaft anzuordnen. Auch fehlen Informationen dazu, warum genau im konkreten Falle die Haft erforderliches Mittel ist, um die Verfügbarkeit des Asylbewerbers während des Verfahrens sicherzustellen.“).

Der Umstand, dass bei Dublin-Rückkehrern regelmäßig eine standardisierte Verlängerung der Haftzeit um 60 Tage erfolgt und dies im Ergebnis häufig zu einer Haftdauer von insgesamt vier bis fünf Monaten führt (vgl. National Country Report Hungary, aida, a. a. O., S. 51 u. 49), steht nicht in klarem Widerspruch zu den europäischen Vorgaben, namentlich zu Art. 9 Abs. 1 AufnahmeRL. Hiernach wird ein Antragsteller für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie ein Haftgrund vorliegt. Es erscheint nicht grundsätzlich unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr fortlaufend gegeben ist.

Auch dafür, dass in U. der in Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL ausgeformte europäische Mindeststandard eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Haftanordnung unterschritten wird, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte. Das VG Düsseldorf führt hierzu aus:

„Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen, vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 zu Frage 7, S. 7.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.

Zudem steht dem Asylbewerber zumindest formal der Rechtsbehelf der objection zu Verfügung (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf vom 09. Mai 2014 zu Frage 7). Das Gericht verkennt nicht, dass die Erfolgsquote dieser Rechtsbehelfe nach den vorliegenden Auskünften minimal ist und dass das Verfahren - auch hinsichtlich der verwendeten Sprache - dringend rechtsstaatlicher Verbesserungen bedarf. Hieraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass das ungarische Verfahren den europäischen Asylstandards generell nicht genügt.

Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in U. systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen. Die im Bericht des Helsinki Komitees genannten Einzelfälle („Information Note“, Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 18) ebenso wie der von der Antragstellerin angeführte „Bericht über den Besuch in der Haftanstalt in Nyírbátor (U.)“ von Marc Speer (Bericht vom 10. März 2014, abrufbar unter http://...eu/files/2012/03/Besuch-Nyirbator.pdf), in dem das Einzelschicksal eines pakistanischen Asylbewerbers geschildert wird, lassen insoweit keine Rückschlüsse zu. Der Auskunft des UNHCR lässt sich entnehmen, dass die Behandlung der Inhaftierten durch die Aufsichtskräfte problematisch bleibt, dies jedoch in einem geringeren Ausmaß als zuvor (Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf vom 09. Mai 2014 zu Frage 4, S. 5). Gegenüber der Situation, die der Entscheidung des EuGH vom 10. Dezember 2013 (a. a. O.) zugrunde lag, dürfte sich die Situation demnach eher verbessert haben, auch wenn insbesondere die fehlende klare Abgrenzung der Asyl- zur Strafhaft weiter kritikwürdig bleibt.“

Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von Missständen insbesondere der Inhaftierungspraxis in U.. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Der UNHCR hat bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11).

Damit ist nach derzeitigem Kenntnisstand und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10 u. a.) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR vom 3.7.2014 Az. 71932/12) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.

bb. Der Kläger kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin III-VO begründen - wie die der Dublin II-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden. Sie dienen nämlich alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin vom 7.10.2013 Az. 33 L 403.13 A; VG München vom 17.8.2011 Az. M 16 E 11.30637 m. w. N.).

Selbst wenn man jedoch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung annehmen würde, bestehen hier keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich dieser zu einem Anspruch auf Selbsteintritt reduziert hat („Ermessensreduzierung auf Null“). Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssten außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben. Solche sind allenfalls dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen vom 4.9.2013 Az. 4 V 1037/13.A). Der Kläger hat jedoch nicht substantiiert belegt, dass er in U. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen war und er im Falle einer Überstellung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in eine vergleichbare Situation geraten würde. Hierzu genügen seine - nicht belegten - Angaben zu den Mängeln der Unterbringung in U. nicht. Dass er möglicherweise in U. in Haft genommen werden wird, stellt keinen systemischen Mangel dar (s. o.). Es ist auch nicht erkennbar, dass der Gebrauch von Beruhigungsmitteln in einem solchen Umfang erfolgt, dass von einem solchen systembedingten Mangel gesprochen werden könnte.

cc. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO abgelaufen ist. Die Überstellungsfrist wird nämlich gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf (höchstens) 18 Monate verlängert, also hier bis 1. Oktober 2015, da der Kläger flüchtig im Sinne dieser Vorschrift ist. Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die „Überstellung“ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Magdeburg vom 11.12.2014 Az. 1 B 1196/14 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall sollte der Kläger am 14. Juli 2014 vom Flughafen M. nach Budapest abgeschoben werden. Dieser Überstellung entzog er sich durch sein zeitweises Untertauchen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger die bevorstehende Abschiebung bekannt war oder nicht. Spätestens mit Erhalt des Beschlusses vom 1. April 2014 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Az. RN 3 S 14.50032 musste er nämlich mit einer Rückführung nach U. rechnen. Eine Abschiebung ist nach der gerichtlichen Entscheidung in diesem Verfahren zulässig, vgl. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG.

Im Übrigen kann von einer nur „vorübergehenden Abwesenheit“ nicht die Rede sein, so dass der Kläger auch insoweit „flüchtig“ war und noch ist. Nach den vorliegenden Unterlagen war der Kläger zumindest ab dem 14. Juli 2014 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft. Sein anwaltlicher Bevollmächtigter teilte erst mit Schriftsatz vom 5. September 2014 mit, dass er sich im „Kirchenasyl in H.“ befinde. Eine nahezu zweimonatige Abwesenheit ohne Meldung der Adresse an die Beklagte führt ebenfalls dazu, dass der Kläger als „flüchtig“ anzusehen war. Außerdem befindet sich der Kläger nach einer telefonischen Auskunft des Landratsamts ... vom 19. Februar 2015 nach wie vor in H. im „Kirchenasyl“. Auch der Versuch sich mittels eines - hier längeren - „Kirchenasyls“ der Überstellung zu entziehen führt dazu, dass der Kläger flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, da dieses „Überstellungshindernis“ auf einem von ihm zu verantwortenden Verhalten beruht.

dd. Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig ergangen.

Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, dann ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH vom 12.3.2014 Az. 10 CE 14.427; VG Regensburg vom 7.10.2013 Az. RN 8 S 13.30403). Es sind hier jedoch weder relevante Vollstreckungshindernisse substantiiert geltend gemacht noch für das Gericht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, da sich die Klage hauptsächlich gegen den Bescheid vom 14. März 2014 richtete. Insoweit hatte sie keinen Erfolg.

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und begehrt seine Einbürgerung. Er reiste im Dezember 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, der durch Bescheid des Bundesamtes vom 4.10.1994 unter Bestimmung einer Ausreisefrist und Androhung der Abschiebung abgelehnt wurde. Die dagegen erhobene Klage wurde durch das Verwaltungsgericht des Saarlandes abgewiesen. Das Urteil erlangte am 30.6.1998 Rechtskraft. Die dem Kläger mit Rücksicht auf sein Asylverfahren erteilte Aufenthaltsgestattung war zuletzt im Mai 1998 bis zum 3.11.1998 verlängert worden. Danach wurden dem Kläger Duldungen erteilt, zuletzt bis zum 8.4.1999.

Mit Schriftsatz vom 19.11.1998, eingegangen beim Bundesamt am 20.11.1998, stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Durch Bescheid vom 25.11.1998 wurde die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Dagegen erhob der Kläger Klage. Am 4.3.1999 erklärte der Beklagte sein Einverständnis mit der Abschiebung des Klägers. Der Versuch, den Kläger am 17.3.1999 abzuschieben, war erfolglos, da dieser nicht angetroffen wurde. Nach dem 1.7.1999 befand sich der Kläger im Kirchenasyl. Sein Eilrechtsschutzbegehren auf Aussetzen aufenthaltsbeendender Maßnahmen wurde durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13.12.1999 -5 F 103/99.A- zurückgewiesen. Am 16.1.2001 beantragte er die Erteilung einer Duldung im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand. Diesbezüglich waren im Falle seiner Vorsprache beim zuständigen Landesamt die amtsärztliche Untersuchung und die Erteilung einer Duldung bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses vorgesehen. Ein späterer Antrag auf Abänderung der gerichtlichen Entscheidung im Eilrechtsschutzverfahren blieb erfolglos, Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.5.2001 -5 F 39/01-. Mit Schreiben vom 11.6.2001 teilte der Beklagte dem Petitionsausschuss des Landtags, an den sich der Kläger wegen der Gewährung eines Bleiberechts gewandt hatte, mit, seine Ausreisepflicht sei weiterhin vollziehbar.

Durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 -3 K 116/00.A- wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen. Am 30.11.2001 wurde ihm bis zum 28.2.2002 eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens erteilt. Als Datum der Antragstellung ist vermerkt: 23.11.1998 (Folgeantrag). Am 20.12.2001 erlangte das Urteil Rechtskraft. Mit Bescheid vom 11.1.2002 wurde er als Asylberechtigter anerkannt. Zum 15.12.2001 hatte er sich mit Wohnung in A-Stadt angemeldet. Auf seinen Antrag vom 21.1.2002 wurde ihm am 14.3.2002 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die im April 2006 in eine Niederlassungserlaubnis umgeschrieben wurde. Er ist im Besitz eines Reiseausweises für Flüchtlinge.

Unter dem 28.3.2002 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Dies wurde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 9.10.2003 abgelehnt, da er die Voraussetzung eines achtjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalts nicht erfülle, weil die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens unberücksichtigt bleiben müsse.

Auf den am 14.10.2003 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger am Montag, 17.11.2003, Klage erhoben. Er hat vorgetragen, sein Aufenthalt im Kirchenasyl über einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren sei sowohl der Ausländerbehörde als auch dem Beklagten bekannt gewesen. Eine Abschiebung sei seinerzeit nicht vorgenommen worden, weil der Aufenthalt im Kirchenasyl respektiert worden sei. Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG sei die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens einzubeziehen. Beim Asylfolgeantrag handele es sich rechtlich um einen Wiederaufgreifensantrag im Sinne des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG und wegen seiner Asylanerkennung um eine Korrektur der früheren Entscheidung. Aufenthaltszeiten während des Asylverfahrens, das letztlich positiv beschieden worden sei, würden als Voraussetzung für die Ausübung von Rechten bzw. Vergünstigungen anerkannt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.10.2003 zu verpflichten, ihn einzubürgern.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, nach Sinn und Zweck der Regelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG könnten Gestattungszeiträume im Verlauf von unanfechtbar erfolglos ausgegangenen Asyl- oder Asylfolgeverfahren nicht angerechnet werden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9.11.2004 -12 K 229/03- abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf seine Einbürgerung, weil er nicht seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Die Aufenthaltsgestattung des ersten Asylverfahrens könne nicht berücksichtigt werden, denn sie sei mit der Rechtskraft des abweisenden Urteils erloschen. Zeiten einer Aufenthaltsgestattung könnten nur angerechnet werden, wenn der Ausländer in dem jeweiligen Asylverfahren, für das ihm eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden sei, unanfechtbar anerkannt worden sei. Eine Einbürgerung im Ermessenswege wegen eines sechsjährigen rechtmäßigen Aufenthalts scheitere daran, dass es auch an einem rechtmäßigen Aufenthalt von sechs Jahren mangele. Der Asylfolgeantrag habe eine Aufenthaltsgestattung noch nicht entstehen lassen. Da die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt worden sei, habe dem Kläger keine Aufenthaltsgestattung zugestanden. Aus der nachfolgenden gerichtlichen Anerkennung als Asylberechtigter könne nicht geschlossen werden, dass ihm rückwirkend für die Dauer des gesamten Asylfolgeverfahrens eine Aufenthaltsgestattung zukomme, da die Aufenthaltsgestattung bei Folgeanträgen erst dann gegeben sei, wenn festgestellt sei, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen. Aus den Gründen des die Asylberechtigung anerkennenden Urteils ergebe sich, dass der Erfolg der Klage und damit auch die stillschweigende Bejahung der Voraussetzungen des Wiederaufgreifens maßgeblich auf nach der letzten gerichtlichen Eilrechtsschutzentscheidung vom 8.5.2001 eingetretene Umstände gestützt würden. Die Begünstigung des erfolgreichen Asylerstantragstellers gegenüber dem Folgeantragsteller beruhe auf der unterschiedlichen gesetzlichen Regelung des Aufenthaltsrechts.

Das Urteil ist dem Kläger am 29.11.2004 zugestellt worden. Seinem am 29.12.2004 gestellten und am 27.1.2005 begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 3.2.2006 -1 Q 1/06- entsprochen. Am 3.3.2006 hat der Kläger die Berufung begründet.

Der Kläger trägt vor, die Zeit des ersten Asylverfahrens sei einzubeziehen, da das Folgeverfahren als Wiederaufgreifensverfahren die frühere Entscheidung abändere. Die Zeit des Asylfolgeverfahrens sei zu berücksichtigen, weil das Verwaltungsgericht im die Asylberechtigung anerkennenden Urteil den Bescheid, dass ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt werde, aufgehoben und die Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens bejaht habe. Mit der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts stehe fest, dass sein Aufenthalt seit Stellung des Asylfolgeantrags gestattet gewesen sei. Maßgeblich sei allein, dass der Bescheid des Bundesamts aufgehoben worden sei. Der Aufenthalt im Kirchenasyl sei nicht dem Fall des Untertauchens vergleichbar. Es gebe eine Absprache zwischen dem Beklagten und der betroffenen Kirche, wie in Fällen von Kirchenasyl verfahren werden solle.

Der Kläger beantragt,

unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9.11.2004 -12 K 229/03- den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.10.2003 zu verpflichten, den Kläger einzubürgern.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt unter Ergänzung seines bisherigen Vorbringens vor, dass allenfalls dann die Aufenthaltsgestattung auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgeantrags zurückwirken könne, wenn der Asylgrund vor oder bei Stellung des Folgeantrags vorgelegen habe. Zudem entstehe die funktionell auf die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens begrenzte Aufenthaltsgestattung erst mit der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben seien. Dadurch dass das Verwaltungsgericht erst mit Urteil vom 20.11.2001 die diesbezüglichen Voraussetzungen bejaht habe, sei der Aufenthalt des Klägers erst danach gestattet gewesen.

Durch Beschluss vom 9.6.2006 hat der Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe versagt, da nach den mit dem Prozesskostenhilfegesuch vom 21.2.2006 dargelegten Einkommensverhältnissen der einbürgerungsrechtlich zu fordernde Nachweis, dass der Kläger imstande sei, sich und seine Angehörigen zu ernähren, nicht erbracht sei. Darauf hat der Kläger aktuelle Einkommensnachweise vorgelegt, die der Beklagte als ausreichend zum Nachweis der Unterhaltssicherung ansieht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den in der mündlichen Verhandlung erörterten Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Dem Kläger kommt weder ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG noch nach § 8 StAG zu.

Der vom Kläger geltend gemachte unmittelbare Anspruch auf Einbürgerung, der seit dem 1.1.2005 in § 10 Abs. 1 S. 1 StAG geregelt ist und - soweit hier relevant - keine Änderung zu dem bis dahin geltenden § 85 AuslG erfahren hat, scheitert daran, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an dem notwendigen achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet fehlt.

Die Dauer eines achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts würde nur erreicht, wenn die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens in die Berechnung mit einzubeziehen wäre. Das sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG, der inhaltlich, soweit hier relevant, durch die Neufassung ab 1.1.2005 keine Änderung erfahren hat, wird - soweit der Erwerb eines Rechtes oder die Ausübung eines Rechtes oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist - die Zeit einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nur angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Da das erste Asylverfahren des Klägers mit der unanfechtbaren Ablehnung der Asylberechtigung endete, ist die Zeit seines Aufenthalts, während der das erste Asylverfahren durchgeführt wurde, im Rahmen des § 10 Abs. 1 StAG nicht berücksichtigungsfähig

entsprechend VGH Bayern, Urteile vom 3.5.2005 - 5 BV 04.3174 - und vom 14.4.2005 - 5 BV 03.3089 -, beide juris, im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, BVerwGE 92, 116 = InfAuslR 1993, 268, und vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 = InfAuslR 1991, 72; ebenso zu ausländerrechtlichen Vergünstigungen: OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, juris; BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352.

Daran ändert nichts, dass der Kläger auf seinen am 20.11.1998 eingegangenen Asylfolgeantrag durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 -3 K 116/00.A- als Asylberechtigter anerkannt wurde. Dies führt nicht dazu, dass die Zeit des ersten erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens rechtlich anders zu bewerten wäre. Mit der unanfechtbaren Ablehnung des ersten Asylgesuchs ist die Aufenthaltsgestattung erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Ein Wiederaufleben im Sinne einer Anrechnungsfähigkeit bei der Bestimmung der Dauer des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Falle einer späteren Asylanerkennung ist in § 55 Abs. 3 AsylVfG nicht vorgesehen und entspricht nicht der aufenthaltsrechtlich unterschiedlichen Ausgestaltung des asylrechtlichen Erst- und Folgeverfahrens.

Allein der Zeitraum ab Stellung des Asylfolgeantrags am 20.11.1998 umfasst bis zur mündlichen Verhandlung keine acht Jahre, so dass, selbst wenn diese Zeit einbezogen würde, die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG nicht erfüllt ist.

Der Kläger hat des Weiteren keinen Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege nach § 8 Abs. 1 StAG (bis 31.12.2004 § 8 RuStAG) in Verbindung mit den vorläufigen Anwendungshinweisen des Beklagten vom 20.1.2005.

Nach § 8 Abs. 1 StAG, kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und die unter Satz 1 Nr. 1 bis 4 aufgeführten weiteren Voraussetzungen erfüllt, eingebürgert werden.

Grundsätzlich wird in den im Rahmen seiner Ermessensbetätigung vom Beklagten zu berücksichtigenden vorläufigen Anwendungshinweisen vom 20.1.1005, die weitgehend den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern vom 13.12.2004 und, soweit im konkreten Fall relevant, den landeseigenen

so BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 - 1 B 21/93 -, InfAuslR 1993, 298,

Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 13.12.2000 (VwV-StAR)

abgedruckt bei Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Vorbemerkungen zu § 8 StAG,

entsprechen, auch für die Einbürgerung im Ermessenswege ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt von acht Jahren gefordert.

Bei staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen, zu denen der Kläger als politisch Verfolgter zählt, wird abweichend hiervon in den vorläufigen Anwendungshinweisen eine Aufenthaltsdauer von sechs Jahren als ausreichend angesehen (Nr. 8.1.3.1 VwV-StAR). Diese Begünstigung kommt dem Kläger allerdings derzeit noch nicht zugute, da die Dauer seines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch unterhalb der Sechsjahresgrenze liegt.

Rechtlich unbedenklich ist, dass der Beklagte das durch § 8 StAG vorgegebene Tatbestandsmerkmal des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts inhaltlich genauso auslegt, wie im Rahmen der Anwendung der insoweit wortgleichen Formulierung des § 10 StAG und daher - wie er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont hat - die diesbezüglich von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als maßgeblich erachtet. Ein Grund, der insoweit eine differenzierte, den Einbürgerungsbewerber begünstigende Handhabung gebieten würde, ist auch im Falle eines staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen nicht ersichtlich. Die Praxis des Beklagten, insoweit inhaltsgleiche Anforderungen zu stellen, entspricht zudem den Vorgaben der vorläufigen Anwendungshinweise (zu Nr. 4 3.1), die eine zusätzliche Begünstigung schutzbedürftiger Einbürgerungsbewerber ebenfalls nicht vorsehen.

Davon ausgehend ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sein durch § 8 Abs. 1 StAG eröffnetes Ermessen in ständiger Praxis dahingehend betätigt, dass er einen mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland fordert. Zu Recht nimmt der Beklagte an, das der Kläger einen diesen Kriterien genügenden Aufenthalt nicht nachweisen kann.

Rechtmäßig ist der Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland - sofern nicht besondere Befreiungstatbestände eingreifen - nur, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Die Rechtmäßigkeit muss sich auf den dauernden Aufenthalt beziehen, ihn "abdecken". Wegen der an den rechtmäßigen Aufenthalt anknüpfenden Integrationsvermutung muss nicht die bloße Anwesenheit, sondern ein etwaiger Daueraufenthalt des Ausländers in Deutschland rechtmäßig sein

so BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., und vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938.

Tatsächlich wurden dem Kläger nach dem erfolglosen Abschluss seines ersten Asylverfahrens nur anfangs Duldungen erteilt, zuletzt bis zum 8.4.1999, und bereitete die zuständige Ausländerbehörde seine Abschiebung vor. Wegen der negativen Bescheidung des Asylfolgeantrags durch das Bundesamt war sein Aufenthalt auch nicht asylverfahrensrechtlich gestattet; ein besonderer Befreiungstatbestand war nicht gegeben und dieser entstand auch nicht rückwirkend mit dem stattgebenden Urteil im Asylfolgeverfahren.

Die Vorschrift des § 55 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG, die die Berücksichtigungsfähigkeit der Zeit des während eines Asylverfahrens erfolgten Aufenthalts bei der Berechnung der Dauer des im Einbürgerungsverfahren nachzuweisenden rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts gesetzlich regelt, findet auf den Aufenthalt während eines Asylfolgeverfahrens, dessen Durchführung das Bundesamt, wie vorliegend, abgelehnt hat, unmittelbar keine Anwendung.

Wenn der Ausländer, wie hier, nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, entsteht die gesetzliche Aufenthaltsgestattung, nach der einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist (§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG), nicht schon bei Stellung des Asylfolgeantrags, sondern erst dann, wenn eine Entscheidung vorliegt, aus der sich ergibt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG gegeben sind. Denn im Falle eines Asylfolgeantrags findet gemäß § 71 AsylVfG ein weiteres Asylverfahren nur statt, wenn das Bundesamt die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG bejaht

so Grün, GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 63 Rz. 5 ff, S. 8, 9.

Im konkreten Fall hat das Bundesamt das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit Bescheid vom 25.11.1998 verneint. Eine entsprechende positive Entscheidung liegt frühestens mit dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 vor. Mit dessen Unanfechtbarkeit galt dann der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet nach der damals maßgeblichen Bestimmung des § 68 Abs. 1 S. 2 AsylVfG bis zur Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis als erlaubt (vgl. nun: § 25 Abs. 1 S. 3 AufenthG).

Lehnt das Bundesamt die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens ab und wird der Ausländer im gerichtlichen Verfahren - wie der Kläger - als asylberechtigt anerkannt, begründet die Asylanerkennung nicht unmittelbar rückwirkend, etwa auf den Zeitpunkt der Folgeantragstellung, die Aufenthaltsgestattung. Allgemein entspricht es dem Verwaltungsrecht und insbesondere dem Ausländer- und Asylrecht, dass ohne besondere gesetzliche Anordnung eine auf behördlicher oder gerichtlicher Entscheidung beruhende Vergünstigung Wirksamkeit erst mit der diesbezüglichen Entscheidung erlangt. Da eine rückwirkende Wirksamkeit der Aufenthaltsgestattung wesentlich in abgeschlossene Lebenssachverhalte eingreift, erfordert die Annahme einer Rückwirkung einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers, der den asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen nicht entnommen werden kann. Der Gesetzgeber hat für das Asylfolgeverfahren nur unter besonderen Voraussetzungen das Entstehen einer Aufenthaltsgestattung vorgesehen und deren Wirksamkeit an eine Entscheidung mit Außenwirkung geknüpft. Diese formale Betrachtungsweise dient der Klarheit der Verhältnisse und lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, dem Ausländer im Asylfolgeverfahren die Privilegierung des wegen des Asylverfahrens erlaubten Aufenthalts und die darauf beruhende Aufenthaltsgestattung vorzuenthalten, bis eine für ihn günstige Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergangen ist.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es in der vorliegenden verfahrensrechtlichen Situation zu einer ausdrücklichen Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in isolierter Form üblicherweise nicht mehr kommt. Denn auf Behördenebene hat das Bundesamt ausdrücklich die Voraussetzungen für ein Folgeverfahren verneint. Selbst in den Fällen, in denen nachträglich aufgrund neuer Tatsachen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG entstehen, entspricht es der Praxis, dass das Bundesamt keine neue Entscheidung dazu trifft, wenn es das Asylbegehren aus sonstigen Gründen für erfolglos erachtet. Auf Gerichtsebene wiederum hat das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, BVerwGE 106, 171,

durchzuentscheiden und sogleich über den Anspruch auf Asylgewährung oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen zu befinden. Ob und konkret hinsichtlich welcher Umstände die Voraussetzungen eines Folgeverfahrens

vgl. zur Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359, und Urteil vom 13.5.1993 - 9 C 49/92 -, InfAuslR 1993, 357 (358),

vorliegen, ist hierbei nur inzident von Bedeutung und findet in der Tenorierung keinen Ausdruck. Vor diesem Hintergrund beruht das verschiedentlich festzustellende Bestreben, der Aufenthaltsgestattung bei gerichtlicher Anerkennung der Asylberechtigung rückwirkende Wirksamkeit für die Dauer des Folgeverfahrens beizumessen

in diesem Sinne Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, a. a. O., § 71 Rz. 88, S. 41 f; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2006, AsylVfG § 71 Rz. 102, S. 36; VG Würzburg, Beschluss vom 1.3.2005 - W 6 E 05.30082 -, juris, aber zugleich die vorläufige Verpflichtung auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung bei vorgehendem positiven Eilrechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamts im Asylfolgeverfahren versagend; anders Aufenthaltsgestattung ab nicht rechtskräftigem Urteilsausspruch: VG Lüneburg, Urteil vom 27.2.2001 - 4 A 74/99 -, juris,

auf der Vorstellung, es gebe keinen sachlichen Grund, dem erfolgreichen Asylfolgeantragsteller, dem eine positive Entscheidung des Bundesamtes zu den Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG versagt geblieben ist, die Vergünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG vorzuenthalten.

Ob diese Erwägung es rechtfertigt, den § 55 Abs. 3 AsylVfG im Falle des mit einer Asylanerkennung endenden Folgeverfahrens auf behördlich geduldete Asylfolgebewerber entsprechend anzuwenden, kann unter den konkreten Gegebenheiten der vorliegenden Fallkonstellation offen bleiben.

Der Fall des Klägers zeichnet sich dadurch aus, dass er während seines Folgeverfahrens - abgesehen von den ersten viereinhalb Monaten - über keine behördliche Duldung verfügte und sich der beabsichtigten zwangsweisen Vollziehung seiner Ausreisepflicht zunächst durch Untertauchen und später durch Zuflucht ins Kirchenasyl entzog. Jedenfalls hinsichtlich derartiger Aufenthaltszeiten ist eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 3 AuslG ausgeschlossen. Diese Zeiten können auch mit Blick auf die spätere Asylanerkennung nicht nachträglich als Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthalts gewürdigt werden. Auch die oben zitierten Stimmen in der Literatur erörtern eine solche Fallgestaltung nicht.

Mit dem Ablauf der Duldung und seinem Untertauchen, um sich der Abschiebung zu entziehen, hielt der Kläger sich illegal im Inland auf. Dass der Beklagte den klägerischen Aufenthalt im Kirchenasyl respektierte und davon absah, seiner in der Obhut der Kirche habhaft zu werden, begründet nicht die Rechtmäßigkeit des tatsächlichen Aufenthalts in dieser Zeit im Inland, so dass

entsprechend OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.3.1998 - 13 L 1192/97 -, juris: "Das sog. "Kirchenasyl" vermag einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nicht zu begründen."

der Kläger sich von April 1999 bis Ende 2001 nur rein tatsächlich - ohne gesetzliche oder behördliche Erlaubnis - im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Dem letztlich erfolgreichen, sich aber während des Folgeverfahrens illegal im Inland aufhaltenden Asylfolgeantragsteller, wie dem Kläger, die Begünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG losgelöst von jedwedem behördlich gestattetem Aufenthalt im Inland zu gewähren, widerspricht der staatlichen Ordnung. Abweichend von den gesetzlichen Vorgaben des Ausländer- und Asylrechts würde der sich illegal hier aufhaltende Ausländer hinsichtlich der Bewertung abgeschlossener Lebenssachverhalte dem gesetzestreuen Ausländer gleichgestellt. Das ist mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG, dem sich gesetzeskonform verhaltenden Asylbewerber die Dauer seines Asylverfahrens im Falle der Anerkennung zu seinen Gunsten anzurechnen, nicht vereinbar.

Der Kläger hat wegen seines illegalen Aufenthalts somit keine rechtmäßige Aufenthaltszeit von sechs Jahren aufzuweisen und damit keinen aus § 8 Abs. 1 StAG in Verbindung mit den Anwendungshinweisen zum Staatsangehörigkeitsgesetz herleitbaren Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege.

Der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung nach Ermessen und als Schutzbedürftiger nach den Anwendungshinweisen scheitert des Weiteren daran, dass der Kläger keinen gewöhnlichen Aufenthalt von sechs Jahren im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes aufweisen kann. In der Zeit, in der er sich der Abschiebung durch Untertauchen und seinen Aufenthalt im Kirchenasyl entzogen hat, hatte er keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland im Sinne des Staatsangehörigkeitsrechts, was von der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu trennen ist

so BVerwG, Beschluss vom 4.2.1982 - 1 B 9/82 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 9.12.1975 - 1 C 40/71 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 6.

Nicht an jeden tatsächlichen Aufenthalt im Inland knüpft das Staatsangehörigkeitsrecht den Ausländer begünstigende Rechtsfolgen, sonst wäre das Merkmal "gewöhnlich" neben der Fristangabe überflüssig

so BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., in einem Fall der Einbürgerung nach dem Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit: "- wie bei der Einbürgerung nach § 8 RuStAG - eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse vorliegen muss, die in der Regel erst nach einem langfristigen Einleben in die deutsche Umwelt eintritt".

Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes hat ein Ausländer nur dann, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat. Ausreichend ist, wenn nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Behörden davon auszugehen ist, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit im Bundesgebiet verbleibt. Den Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsrechts, die einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen begründen, liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass aus der Erfüllung eines langjährigen gewöhnlichen Aufenthalts generell auf das Vorhandensein einer Integration in die deutschen Lebensverhältnisse geschlossen werden kann

so BVerwG, Beschlüsse vom 29.9.1995 - 1 B 236/94 -, InfAuslR 1996, 19 = NVwZ 1996, 717, und vom 25.11.2004 - 1 B 24/04 -, NVwZ 2005, 231 = InfAuslR 2005, 63; entsprechend zum SchwbG: BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R -, InfAuslR 1999, 510.

Entzieht sich demgegenüber der Ausländer durch Untertauchen und Kirchenasyl der Ordnung des Staates hält er sich zwar im Inland auf. Allein dies begründet jedoch nicht einen gewöhnlichen, auf Integration in die deutschen Lebensverhältnisse angelegten Aufenthalt, der einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen rechtfertigt. Indem der Kläger sich seiner beabsichtigten Abschiebung entzog und Zuflucht im Kirchenasyl fand, stellte er sich bewusst außerhalb der allgemeinen, einen gewöhnlichen Aufenthalt begründenden Lebensverhältnisse. Diese Zeit seines tatsächlichen Aufenthalts stellt daher keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes dar.

Soweit § 8 Abs. 1 StAG als Tatbestandsvoraussetzung, um das weite Ermessen auf Behördenseite zu eröffnen, lediglich einen rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt im Zeitpunkt der Entscheidung voraussetzt und ein zeitlicher Mindestumfang insoweit nicht gefordert ist und daher von Gesetzes wegen eine Einbürgerung in besonderen Konstellationen auch ohne Erfüllung der Sechsjahresfrist nicht ausgeschlossen ist, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Seine Ermessenserwägungen belegen, dass er die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt hat. Er erkennt an, dass der Kläger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen nachhaltig und auf Dauer aus eigenen Mitteln zu sichern. Des Weiteren hat er im Rahmen seiner Ermessensentscheidung - wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - berücksichtigt, dass der Kläger im Grunde gut in die hiesigen Verhältnisse integriert ist. Dies genüge indes nicht, die noch nicht erfüllte Zeit eines mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland zu kompensieren. Dies ist angesichts der gemäß § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung von Ermessensentscheidungen nicht zu beanstanden. Danach hat der Beklagte die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt und erkannt, dass er den Kläger einbürgern könnte, dies aber wegen des illegalen Aufenthalts im Kirchenasyl abgelehnt. Eine dem entgegenstehende Verpflichtung des Beklagten, nach der allein die Entscheidung, wegen der nachfolgenden Asylanerkennung den illegalen Aufenthalt im Kirchenasyl zugunsten des Klägers zu werten, ermessensgerecht wäre, besteht nicht. Die Ermessensbetätigung des Beklagten ist somit nicht fehlerhaft.

Danach hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen und ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend Nr. 42.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2005, 1525 = NVwZ 2004, 1327) auf den doppelten Auffangwert und damit auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52, 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des am 1.7.2004 in Kraft getretenen Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 -BGBl. I, S. 718).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Dem Kläger kommt weder ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG noch nach § 8 StAG zu.

Der vom Kläger geltend gemachte unmittelbare Anspruch auf Einbürgerung, der seit dem 1.1.2005 in § 10 Abs. 1 S. 1 StAG geregelt ist und - soweit hier relevant - keine Änderung zu dem bis dahin geltenden § 85 AuslG erfahren hat, scheitert daran, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an dem notwendigen achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet fehlt.

Die Dauer eines achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts würde nur erreicht, wenn die Zeit des ersten erfolglosen Asylverfahrens in die Berechnung mit einzubeziehen wäre. Das sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG, der inhaltlich, soweit hier relevant, durch die Neufassung ab 1.1.2005 keine Änderung erfahren hat, wird - soweit der Erwerb eines Rechtes oder die Ausübung eines Rechtes oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist - die Zeit einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nur angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Da das erste Asylverfahren des Klägers mit der unanfechtbaren Ablehnung der Asylberechtigung endete, ist die Zeit seines Aufenthalts, während der das erste Asylverfahren durchgeführt wurde, im Rahmen des § 10 Abs. 1 StAG nicht berücksichtigungsfähig

entsprechend VGH Bayern, Urteile vom 3.5.2005 - 5 BV 04.3174 - und vom 14.4.2005 - 5 BV 03.3089 -, beide juris, im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, BVerwGE 92, 116 = InfAuslR 1993, 268, und vom 16.10.1990 - 1 C 15/88 -, BVerwGE 87, 11 = InfAuslR 1991, 72; ebenso zu ausländerrechtlichen Vergünstigungen: OVG Sachsen, Beschluss vom 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, juris; BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352.

Daran ändert nichts, dass der Kläger auf seinen am 20.11.1998 eingegangenen Asylfolgeantrag durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 -3 K 116/00.A- als Asylberechtigter anerkannt wurde. Dies führt nicht dazu, dass die Zeit des ersten erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens rechtlich anders zu bewerten wäre. Mit der unanfechtbaren Ablehnung des ersten Asylgesuchs ist die Aufenthaltsgestattung erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Ein Wiederaufleben im Sinne einer Anrechnungsfähigkeit bei der Bestimmung der Dauer des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Falle einer späteren Asylanerkennung ist in § 55 Abs. 3 AsylVfG nicht vorgesehen und entspricht nicht der aufenthaltsrechtlich unterschiedlichen Ausgestaltung des asylrechtlichen Erst- und Folgeverfahrens.

Allein der Zeitraum ab Stellung des Asylfolgeantrags am 20.11.1998 umfasst bis zur mündlichen Verhandlung keine acht Jahre, so dass, selbst wenn diese Zeit einbezogen würde, die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG nicht erfüllt ist.

Der Kläger hat des Weiteren keinen Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege nach § 8 Abs. 1 StAG (bis 31.12.2004 § 8 RuStAG) in Verbindung mit den vorläufigen Anwendungshinweisen des Beklagten vom 20.1.2005.

Nach § 8 Abs. 1 StAG, kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und die unter Satz 1 Nr. 1 bis 4 aufgeführten weiteren Voraussetzungen erfüllt, eingebürgert werden.

Grundsätzlich wird in den im Rahmen seiner Ermessensbetätigung vom Beklagten zu berücksichtigenden vorläufigen Anwendungshinweisen vom 20.1.1005, die weitgehend den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern vom 13.12.2004 und, soweit im konkreten Fall relevant, den landeseigenen

so BVerwG, Beschluss vom 25.5.1993 - 1 B 21/93 -, InfAuslR 1993, 298,

Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 13.12.2000 (VwV-StAR)

abgedruckt bei Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Vorbemerkungen zu § 8 StAG,

entsprechen, auch für die Einbürgerung im Ermessenswege ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt von acht Jahren gefordert.

Bei staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen, zu denen der Kläger als politisch Verfolgter zählt, wird abweichend hiervon in den vorläufigen Anwendungshinweisen eine Aufenthaltsdauer von sechs Jahren als ausreichend angesehen (Nr. 8.1.3.1 VwV-StAR). Diese Begünstigung kommt dem Kläger allerdings derzeit noch nicht zugute, da die Dauer seines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch unterhalb der Sechsjahresgrenze liegt.

Rechtlich unbedenklich ist, dass der Beklagte das durch § 8 StAG vorgegebene Tatbestandsmerkmal des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts inhaltlich genauso auslegt, wie im Rahmen der Anwendung der insoweit wortgleichen Formulierung des § 10 StAG und daher - wie er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont hat - die diesbezüglich von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als maßgeblich erachtet. Ein Grund, der insoweit eine differenzierte, den Einbürgerungsbewerber begünstigende Handhabung gebieten würde, ist auch im Falle eines staatsangehörigkeitsrechtlich Schutzbedürftigen nicht ersichtlich. Die Praxis des Beklagten, insoweit inhaltsgleiche Anforderungen zu stellen, entspricht zudem den Vorgaben der vorläufigen Anwendungshinweise (zu Nr. 4 3.1), die eine zusätzliche Begünstigung schutzbedürftiger Einbürgerungsbewerber ebenfalls nicht vorsehen.

Davon ausgehend ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sein durch § 8 Abs. 1 StAG eröffnetes Ermessen in ständiger Praxis dahingehend betätigt, dass er einen mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland fordert. Zu Recht nimmt der Beklagte an, das der Kläger einen diesen Kriterien genügenden Aufenthalt nicht nachweisen kann.

Rechtmäßig ist der Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland - sofern nicht besondere Befreiungstatbestände eingreifen - nur, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Die Rechtmäßigkeit muss sich auf den dauernden Aufenthalt beziehen, ihn "abdecken". Wegen der an den rechtmäßigen Aufenthalt anknüpfenden Integrationsvermutung muss nicht die bloße Anwesenheit, sondern ein etwaiger Daueraufenthalt des Ausländers in Deutschland rechtmäßig sein

so BVerwG, Urteile vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., und vom 29.3.2006 - 5 C 4/05 -, NVwZ 2006, 938.

Tatsächlich wurden dem Kläger nach dem erfolglosen Abschluss seines ersten Asylverfahrens nur anfangs Duldungen erteilt, zuletzt bis zum 8.4.1999, und bereitete die zuständige Ausländerbehörde seine Abschiebung vor. Wegen der negativen Bescheidung des Asylfolgeantrags durch das Bundesamt war sein Aufenthalt auch nicht asylverfahrensrechtlich gestattet; ein besonderer Befreiungstatbestand war nicht gegeben und dieser entstand auch nicht rückwirkend mit dem stattgebenden Urteil im Asylfolgeverfahren.

Die Vorschrift des § 55 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG, die die Berücksichtigungsfähigkeit der Zeit des während eines Asylverfahrens erfolgten Aufenthalts bei der Berechnung der Dauer des im Einbürgerungsverfahren nachzuweisenden rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts gesetzlich regelt, findet auf den Aufenthalt während eines Asylfolgeverfahrens, dessen Durchführung das Bundesamt, wie vorliegend, abgelehnt hat, unmittelbar keine Anwendung.

Wenn der Ausländer, wie hier, nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, entsteht die gesetzliche Aufenthaltsgestattung, nach der einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist (§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG), nicht schon bei Stellung des Asylfolgeantrags, sondern erst dann, wenn eine Entscheidung vorliegt, aus der sich ergibt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG gegeben sind. Denn im Falle eines Asylfolgeantrags findet gemäß § 71 AsylVfG ein weiteres Asylverfahren nur statt, wenn das Bundesamt die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG bejaht

so Grün, GK-AsylVfG, Stand Juni 2006, § 63 Rz. 5 ff, S. 8, 9.

Im konkreten Fall hat das Bundesamt das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit Bescheid vom 25.11.1998 verneint. Eine entsprechende positive Entscheidung liegt frühestens mit dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts vom 20.11.2001 vor. Mit dessen Unanfechtbarkeit galt dann der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet nach der damals maßgeblichen Bestimmung des § 68 Abs. 1 S. 2 AsylVfG bis zur Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis als erlaubt (vgl. nun: § 25 Abs. 1 S. 3 AufenthG).

Lehnt das Bundesamt die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens ab und wird der Ausländer im gerichtlichen Verfahren - wie der Kläger - als asylberechtigt anerkannt, begründet die Asylanerkennung nicht unmittelbar rückwirkend, etwa auf den Zeitpunkt der Folgeantragstellung, die Aufenthaltsgestattung. Allgemein entspricht es dem Verwaltungsrecht und insbesondere dem Ausländer- und Asylrecht, dass ohne besondere gesetzliche Anordnung eine auf behördlicher oder gerichtlicher Entscheidung beruhende Vergünstigung Wirksamkeit erst mit der diesbezüglichen Entscheidung erlangt. Da eine rückwirkende Wirksamkeit der Aufenthaltsgestattung wesentlich in abgeschlossene Lebenssachverhalte eingreift, erfordert die Annahme einer Rückwirkung einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers, der den asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen nicht entnommen werden kann. Der Gesetzgeber hat für das Asylfolgeverfahren nur unter besonderen Voraussetzungen das Entstehen einer Aufenthaltsgestattung vorgesehen und deren Wirksamkeit an eine Entscheidung mit Außenwirkung geknüpft. Diese formale Betrachtungsweise dient der Klarheit der Verhältnisse und lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, dem Ausländer im Asylfolgeverfahren die Privilegierung des wegen des Asylverfahrens erlaubten Aufenthalts und die darauf beruhende Aufenthaltsgestattung vorzuenthalten, bis eine für ihn günstige Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergangen ist.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es in der vorliegenden verfahrensrechtlichen Situation zu einer ausdrücklichen Entscheidung zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in isolierter Form üblicherweise nicht mehr kommt. Denn auf Behördenebene hat das Bundesamt ausdrücklich die Voraussetzungen für ein Folgeverfahren verneint. Selbst in den Fällen, in denen nachträglich aufgrund neuer Tatsachen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG entstehen, entspricht es der Praxis, dass das Bundesamt keine neue Entscheidung dazu trifft, wenn es das Asylbegehren aus sonstigen Gründen für erfolglos erachtet. Auf Gerichtsebene wiederum hat das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28/97 -, BVerwGE 106, 171,

durchzuentscheiden und sogleich über den Anspruch auf Asylgewährung oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen zu befinden. Ob und konkret hinsichtlich welcher Umstände die Voraussetzungen eines Folgeverfahrens

vgl. zur Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG: BVerwG, Beschluss vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359, und Urteil vom 13.5.1993 - 9 C 49/92 -, InfAuslR 1993, 357 (358),

vorliegen, ist hierbei nur inzident von Bedeutung und findet in der Tenorierung keinen Ausdruck. Vor diesem Hintergrund beruht das verschiedentlich festzustellende Bestreben, der Aufenthaltsgestattung bei gerichtlicher Anerkennung der Asylberechtigung rückwirkende Wirksamkeit für die Dauer des Folgeverfahrens beizumessen

in diesem Sinne Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, a. a. O., § 71 Rz. 88, S. 41 f; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2006, AsylVfG § 71 Rz. 102, S. 36; VG Würzburg, Beschluss vom 1.3.2005 - W 6 E 05.30082 -, juris, aber zugleich die vorläufige Verpflichtung auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung bei vorgehendem positiven Eilrechtsschutz gegen die Entscheidung des Bundesamts im Asylfolgeverfahren versagend; anders Aufenthaltsgestattung ab nicht rechtskräftigem Urteilsausspruch: VG Lüneburg, Urteil vom 27.2.2001 - 4 A 74/99 -, juris,

auf der Vorstellung, es gebe keinen sachlichen Grund, dem erfolgreichen Asylfolgeantragsteller, dem eine positive Entscheidung des Bundesamtes zu den Voraussetzungen des § 51 Abs.1 bis 3 VwVfG versagt geblieben ist, die Vergünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG vorzuenthalten.

Ob diese Erwägung es rechtfertigt, den § 55 Abs. 3 AsylVfG im Falle des mit einer Asylanerkennung endenden Folgeverfahrens auf behördlich geduldete Asylfolgebewerber entsprechend anzuwenden, kann unter den konkreten Gegebenheiten der vorliegenden Fallkonstellation offen bleiben.

Der Fall des Klägers zeichnet sich dadurch aus, dass er während seines Folgeverfahrens - abgesehen von den ersten viereinhalb Monaten - über keine behördliche Duldung verfügte und sich der beabsichtigten zwangsweisen Vollziehung seiner Ausreisepflicht zunächst durch Untertauchen und später durch Zuflucht ins Kirchenasyl entzog. Jedenfalls hinsichtlich derartiger Aufenthaltszeiten ist eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 3 AuslG ausgeschlossen. Diese Zeiten können auch mit Blick auf die spätere Asylanerkennung nicht nachträglich als Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthalts gewürdigt werden. Auch die oben zitierten Stimmen in der Literatur erörtern eine solche Fallgestaltung nicht.

Mit dem Ablauf der Duldung und seinem Untertauchen, um sich der Abschiebung zu entziehen, hielt der Kläger sich illegal im Inland auf. Dass der Beklagte den klägerischen Aufenthalt im Kirchenasyl respektierte und davon absah, seiner in der Obhut der Kirche habhaft zu werden, begründet nicht die Rechtmäßigkeit des tatsächlichen Aufenthalts in dieser Zeit im Inland, so dass

entsprechend OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.3.1998 - 13 L 1192/97 -, juris: "Das sog. "Kirchenasyl" vermag einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nicht zu begründen."

der Kläger sich von April 1999 bis Ende 2001 nur rein tatsächlich - ohne gesetzliche oder behördliche Erlaubnis - im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Dem letztlich erfolgreichen, sich aber während des Folgeverfahrens illegal im Inland aufhaltenden Asylfolgeantragsteller, wie dem Kläger, die Begünstigung des § 55 Abs. 3 AsylVfG losgelöst von jedwedem behördlich gestattetem Aufenthalt im Inland zu gewähren, widerspricht der staatlichen Ordnung. Abweichend von den gesetzlichen Vorgaben des Ausländer- und Asylrechts würde der sich illegal hier aufhaltende Ausländer hinsichtlich der Bewertung abgeschlossener Lebenssachverhalte dem gesetzestreuen Ausländer gleichgestellt. Das ist mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 3 AsylVfG, dem sich gesetzeskonform verhaltenden Asylbewerber die Dauer seines Asylverfahrens im Falle der Anerkennung zu seinen Gunsten anzurechnen, nicht vereinbar.

Der Kläger hat wegen seines illegalen Aufenthalts somit keine rechtmäßige Aufenthaltszeit von sechs Jahren aufzuweisen und damit keinen aus § 8 Abs. 1 StAG in Verbindung mit den Anwendungshinweisen zum Staatsangehörigkeitsgesetz herleitbaren Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege.

Der geltend gemachte Anspruch auf Einbürgerung nach Ermessen und als Schutzbedürftiger nach den Anwendungshinweisen scheitert des Weiteren daran, dass der Kläger keinen gewöhnlichen Aufenthalt von sechs Jahren im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes aufweisen kann. In der Zeit, in der er sich der Abschiebung durch Untertauchen und seinen Aufenthalt im Kirchenasyl entzogen hat, hatte er keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland im Sinne des Staatsangehörigkeitsrechts, was von der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu trennen ist

so BVerwG, Beschluss vom 4.2.1982 - 1 B 9/82 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 15, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 9.12.1975 - 1 C 40/71 -, Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 6.

Nicht an jeden tatsächlichen Aufenthalt im Inland knüpft das Staatsangehörigkeitsrecht den Ausländer begünstigende Rechtsfolgen, sonst wäre das Merkmal "gewöhnlich" neben der Fristangabe überflüssig

so BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, a. a. O., in einem Fall der Einbürgerung nach dem Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit: "- wie bei der Einbürgerung nach § 8 RuStAG - eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse vorliegen muss, die in der Regel erst nach einem langfristigen Einleben in die deutsche Umwelt eintritt".

Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes hat ein Ausländer nur dann, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat. Ausreichend ist, wenn nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Behörden davon auszugehen ist, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit im Bundesgebiet verbleibt. Den Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsrechts, die einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen begründen, liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass aus der Erfüllung eines langjährigen gewöhnlichen Aufenthalts generell auf das Vorhandensein einer Integration in die deutschen Lebensverhältnisse geschlossen werden kann

so BVerwG, Beschlüsse vom 29.9.1995 - 1 B 236/94 -, InfAuslR 1996, 19 = NVwZ 1996, 717, und vom 25.11.2004 - 1 B 24/04 -, NVwZ 2005, 231 = InfAuslR 2005, 63; entsprechend zum SchwbG: BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R -, InfAuslR 1999, 510.

Entzieht sich demgegenüber der Ausländer durch Untertauchen und Kirchenasyl der Ordnung des Staates hält er sich zwar im Inland auf. Allein dies begründet jedoch nicht einen gewöhnlichen, auf Integration in die deutschen Lebensverhältnisse angelegten Aufenthalt, der einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beziehungsweise eine Herabsetzung der Einbürgerungsvoraussetzungen rechtfertigt. Indem der Kläger sich seiner beabsichtigten Abschiebung entzog und Zuflucht im Kirchenasyl fand, stellte er sich bewusst außerhalb der allgemeinen, einen gewöhnlichen Aufenthalt begründenden Lebensverhältnisse. Diese Zeit seines tatsächlichen Aufenthalts stellt daher keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes dar.

Soweit § 8 Abs. 1 StAG als Tatbestandsvoraussetzung, um das weite Ermessen auf Behördenseite zu eröffnen, lediglich einen rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt im Zeitpunkt der Entscheidung voraussetzt und ein zeitlicher Mindestumfang insoweit nicht gefordert ist und daher von Gesetzes wegen eine Einbürgerung in besonderen Konstellationen auch ohne Erfüllung der Sechsjahresfrist nicht ausgeschlossen ist, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Seine Ermessenserwägungen belegen, dass er die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt hat. Er erkennt an, dass der Kläger nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen nachhaltig und auf Dauer aus eigenen Mitteln zu sichern. Des Weiteren hat er im Rahmen seiner Ermessensentscheidung - wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - berücksichtigt, dass der Kläger im Grunde gut in die hiesigen Verhältnisse integriert ist. Dies genüge indes nicht, die noch nicht erfüllte Zeit eines mindestens sechsjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland zu kompensieren. Dies ist angesichts der gemäß § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung von Ermessensentscheidungen nicht zu beanstanden. Danach hat der Beklagte die Situation des Klägers umfassend und einzelfallbezogen gewürdigt und erkannt, dass er den Kläger einbürgern könnte, dies aber wegen des illegalen Aufenthalts im Kirchenasyl abgelehnt. Eine dem entgegenstehende Verpflichtung des Beklagten, nach der allein die Entscheidung, wegen der nachfolgenden Asylanerkennung den illegalen Aufenthalt im Kirchenasyl zugunsten des Klägers zu werten, ermessensgerecht wäre, besteht nicht. Die Ermessensbetätigung des Beklagten ist somit nicht fehlerhaft.

Danach hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen und ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend Nr. 42.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2005, 1525 = NVwZ 2004, 1327) auf den doppelten Auffangwert und damit auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52, 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des am 1.7.2004 in Kraft getretenen Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 -BGBl. I, S. 718).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 12 K 14.50257

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 8. Juni 2015

12. Kammer

Sachgebiets-Nr. 710

Hauptpunkte:

Ablauf der Überstellungsfrist;

Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

... - Kläger -

bevollmächtigt: ... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

gegen

Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

- Beklagte -

beteiligt: Regierung von Oberbayern Vertreter des öffentlichen Interesses

wegen Vollzugs des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer,

durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 8. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 13. Mai 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge senegalesischer Staatsangehöriger und reiste am 27. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte hier am 21. Januar 2014 einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung am 21. Januar 2014 gab der Kläger an, er sei verheiratet und habe drei Kinder. Frau und Kinder lebten im Senegal. Am 28. April 2011 sei er über Mauretanien nach Marokko gereist, wo er sich 2 ½ Jahre aufgehalten habe. Dann sei er mit einem Schlauchboot nach Tarifa/Spanien übergesetzt, wo er 43 Tage in einem Camp gelebt habe. Danach sei er weiter mit einem Bus nach Zaragossa gereist. Insgesamt habe er sich in Spanien 2 ½ Monate aufgehalten. Mit einem Fernbus sei er dann über Frankreich nach Deutschland gereist. Er habe die Wahl zwischen Frankreich und Deutschland gehabt und sich für letzteres entschieden, da er in Ruhe und Frieden leben wolle. Auf Frage, ob es Gründe gebe, die gegen eine Überstellung nach Spanien sprechen, gab er an, dass dies der Fall sei, da er Sicherheit in seinem weiteren Leben wolle. Er habe in keinem anderen Staat Asyl beantragt.

Am 3. März 2014 erhielt die Beklagte einen EURODAC-Treffer für Spanien (ES...).

Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten an Spanien vom 10. März 2014 erklärte Spanien am 7. Mai 2014 die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2014, zugestellt am 16. Mai 2014, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziff. 2).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Spanien aufgrund des illegalen Grenzübertritts des Klägers gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell geprüft.

Mit Schriftsatz vom ... Mai 2014, bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen, hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben und zuletzt beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2014 aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Rückkehr nach Spanien unzumutbar sei, weil er dort menschenunwürdig behandelt worden sei. Er habe keine Unterkunft erhalten und habe auf der Straße schlafen müssen, was ihn sehr geängstigt habe. Er habe weder Geld noch Lebensmittel bekommen. Er habe Hunger gelitten und betteln müssen. Es habe auch jede elementare sanitäre Versorgung gefehlt. Er habe sich nicht waschen und ohne Schamgefühl seine Notdurft verrichten können. Da er keine Möglichkeit zur Körperreinigung gehabt habe, seien seine religiösen Gefühle als Moslem stark verletzt worden. Er habe unter großen Magenschmerzen und Herzproblemen gelitten, aber keinen Arzt aufsuchen können.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... Juni 2014 wurde im Wesentlichen weiter ausgeführt, dass der Kläger bis auf Weiteres reiseunfähig sei. Die psychische Situation des Klägers sei zum einen auf die Erlebnisse in Spanien und zum anderen auf die Geschehnisse im Senegal zurückzuführen. Es bestehe der Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung. Insbesondere leide der Kläger unter einer schweren depressiven Episode, die mit suizidaler Neigung einhergehe, sowie unter Ein- und Durchschlafstörungen, innerer Unruhe und Appetitminderung. Daher sei eine ambulante Psychotherapie erforderlich. Die Abschiebung und Durchführung einer Therapie in Spanien sei jedoch nicht möglich. Während des ersten Aufenthalts sei keine Versorgung durch die Behörden erfolgt. Der Kläger habe keine finanziellen Mittel, um eine Therapie zu finanzieren. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der Kläger bei einer Abschiebung nach Spanien Suizid begehe. Insofern bestehe erhebliche Gefahr für Leib und Leben des Klägers. Dem Schreiben waren zwei ärztliche Atteste vom ... Mai 2014 und ... Mai 2014 beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 19. August 2014 erklärte die Beklagte, dass noch keine konkrete Überstellung des Klägers nach Spanien geplant sei. Die Entscheidung über die tatsächliche Durchführung der Überstellung liege in der Zuständigkeit der jeweiligen Ausländerbehörde. Eine evtl. Reiseunfähigkeit des Klägers werde am Tag der Überstellung durch diese berücksichtigt werden. Das Attest vom ... Mai 2014 sei der Ausländerbehörde übersandt worden.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... August 2014 erklärte der Kläger, dass eine Psychotherapie aufgrund der gravierenden gesundheitlichen Situation nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein werde.

Mit Beschluss vom 5. September 2014 hat das Gericht den gleichzeitig mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (Az. M 12 S 14.50258). Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. September 2014 und dem Bundesamt am 15. September 2014 zugestellt.

Mit Beschluss vom 5. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Eine Abschiebung des Klägers nach Spanien ist bislang mangels Reisefähigkeit nicht erfolgt.

Zum Sachverhalt im Übrigen wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

1. Die zulässige Klage ist begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er kann auch nicht im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG aufrechterhalten werden.

Maßgebend ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO), da der Asylantrag nicht vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden war (vgl. Art. 49 Dublin-III-VO).

Die sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist vorliegend abgelaufen. Danach erfolgt die Überstellung eines Asylbewerbers gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Spanien am 7. Mai 2014 oder auf den Zeitpunkt der Zustellung der ablehnenden Eilentscheidung abzustellen ist, da die sechsmonatige Überstellungsfrist auch im letztgenannten Fall abgelaufen ist.

Der Bescheid ist damit objektiv rechtswidrig geworden. Der Fristablauf begründet gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte für die Prüfung des Asylbegehrens. Der Asylantrag ist damit nicht mehr nach § 27a AsylVfG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig. Folglich kommt nach den einschlägigen europarechtlichen Regularien eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG ebenfalls nicht mehr in Betracht (vgl. VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - juris Rn. 20).

Der Kläger ist hierdurch auch in seinen Rechten verletzt. Zwar handelt es sich bei den Dublin-Regularien an sich um rein objektive Zuständigkeitsvorschriften, welche grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers begründen (vgl. BeckOK AuslR/Günther AsylVfG § 27a Rn. 30). Wenn allerdings - wie hier - wegen Ablaufs der Überstellungsfrist allein die Zuständigkeit der Beklagten bleibt, kann der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem dann zuständigen Staat geltend gemacht werden (vgl. VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 a. a. O.; VG München, U. v. 7.11.2014 - M 21 K 14.30241).

Eine Umdeutung des maßgeblichen streitgegenständlichen Bescheides in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine Umdeutung nach § 47 VwVfG nicht erfüllt sind (s. zum Folgenden: VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 22 ff.).

Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

Vorliegend hätte ein Bescheid nach § 71a AsylVfG nicht in der geschehenen Verfahrensweise erlassen werden dürften, da der Kläger ausweislich des vorgelegten Behördenakts nicht zu den im Rahmen des § 71a Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) angehört worden ist. Ausweislich des vorgelegten Behördenakts kam es im Einklang mit § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG ausschließlich zu einer Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens, welche lt. Niederschrift mit dem Hinweis endete, dass aufgrund der gemachten Angaben das Bundesamt nunmehr zunächst die Durchführung eines Dublin-Verfahrens prüfen werde. Ergebnis war die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des hier streitgegenständlichen Bescheides. Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bestand dagegen nicht. Die Beklagte konnte sich auf Basis der gegebenen Aktenlage deshalb auch nicht hilfsweise mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegt oder nicht. Zwar kann gemäß § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG von der Anhörung abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ist eine sichere Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, bei der vorliegenden Sachlage jedoch nicht möglich.

Auch eine Umdeutung der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides (Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat) in eine Anordnung der Abschiebung in das Herkunftsland scheidet angesichts der Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a AsylVfG vorliegend aus. Eine Umdeutung in eine Androhung des Abschiebung in das Herkunftsland nach § 34 AsylVfG würde dazu führen, dass der umgedeutete Verwaltungsakt nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wäre. Darüber hinaus würde eine solche Umdeutung für den Betroffenen entgegen § 47 Abs. 2 VwVfG eine ungünstigere Rechtsfolge herbeiführen, da er nach erfolgter Abschiebung in den Herkunftsstaat - anders als bei der Abschiebung nach Spanien - keine Möglichkeit mehr hätte, weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen (s. hierzu VG Regensburg, U. v. 21.10.2014 - a. a. O. Rn. 26 ff; VG München, U. v. 4.11.2014 - M 10 K 13.30627).

Der angefochtene Bescheid ist somit aufzuheben. Die Beklagte hat ein Asylverfahren durchzuführen und mit gesondertem rechtsmittelfähigem Bescheid abzuschließen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, ohne dass es auf die nach § 78 Abs. 3 AsylVfG geltend gemachten Zulassungsgründe ankommt.

1.1 Der Antrag ist unzulässig. Die Beklagte ist durch die mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts erfolgte Aufhebung des Bundesamtsbescheids vom 5. März 2014 bereits im Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 124 Rn. 18) nicht beschwert. Sie könnte ihre Rechtsstellung selbst durch eine Änderung dieses Urteils in einem Berufungsverfahren nicht mehr verbessern; denn der Bundesamtsbescheid, mit dem der Asylantrag der Klägerin wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates für unzulässig erklärt und die Abschiebung nach Italien angeordnet worden war, ist wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO) gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden.

Die Wirksamkeit dieser Regelung hing nach ihrem Inhalt davon ab, dass die Überstellung der Klägerin nach Italien innerhalb der Frist des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II VO durchgeführt wird. Das folgt daraus, dass einerseits bei fruchtlosem Ablauf der Überstellungsfrist die Zuständigkeit ohne weitere Entscheidung gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO auf den Mitgliedstaat - hier die Beklagte - übergeht, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Andererseits wird der Bezug auf diese zeitliche Beschränkung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig dadurch hergestellt, dass gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. e) Satz 3 Dublin II-VO die Frist für die Durchführung der Überstellung in der Entscheidung anzugeben ist. Der angefochtene Bescheid verweist deshalb in den Gründen auf die Regelung des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO. Mit der Unwirksamkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wird auch die in Abhängigkeit dazu erlassene Abschiebungsanordnung gegenstandslos.

Damit endete im vorliegenden Fall das dem materiellen Asylverfahren vorgeschaltete Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates mit Ablauf der Überstellungsfrist und die beklagte Bundesrepublik Deutschland ist zur Prüfung des Asylbegehrens in der Sache zuständig geworden. Seit diesem Zeitpunkt konnte der Bescheid des Bundesamts vom 5. März 2014 keine Wirkung mehr entfalten. Dessen Aufhebung durch das Verwaltungsgericht beschwert die Beklagte daher nicht, so dass es auf die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ankommt. Anhaltspunkte für eine Verlängerung der Überstellungsfrist vor deren Ablauf nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Im Übrigen ergibt sich wegen § 158 Abs. 1 VwGO, wonach eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig ist, allein aus der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils keine Beschwer, die den Antrag auf Zulassung der Berufung rechtfertigen würde (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, § 158 Rn. 5).

1.2 Die von der Beklagten in Äußerung auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 10. März 2015 vorgebrachten Gründe veranlassen keine andere Entscheidung.

1.2.1 Die Beklagte meint, eine Ablehnungsentscheidung unter Verweis auf § 27a AsylVfG sei nicht lediglich eine Regelung, die ein vorgelagertes, vom Asylverfahren abschichtbares Prüfverfahren abschließe, das dabei ausschließlich die Feststellung des nach der Dublin-Verordnung verfahrenszuständigen Mitgliedstaates beträfe. Das erhelle insbesondere die Konstellation einer vor Asylantragstellung im Bundesgebiet bereits erfolgten Zuerkennung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat. In einem solchen Fall sei es der Beklagten verwehrt, ein Asylverfahren durchzuführen. Mithin müsse bereits die erste Ablehnungsentscheidung diese Versagung eines Prüfverfahrens hinsichtlich einer Zuerkennung internationalen Schutzes umfassen.

Es kann dahinstehen, ob § 27a AsylVfG auch dann anwendbar ist, wenn in Deutschland ein weiterer Asylantrag gestellt wird, nachdem ein Mitgliedstaat zugunsten des Asylbewerbers internationalen Schutz zuerkannt hat (verneinend etwa Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 27a Rn. 11). Der verfahrensgegenständliche Bescheid regelt einen solchen Fall nicht. Nach seinem eindeutigen Inhalt wurde der Asylantrag ausschließlich deshalb als unzulässig abgelehnt, weil „Italien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags i. V. m. Art. 20 Abs. 1c und 1b Dublin II VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig ist“. Für den von der Beklagten nunmehr angeführten hypothetischen Fall der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz durch den ersuchten Mitgliedstaat sieht die Dublin II-Verordnung aber eine Wiederaufnahme auf der Grundlage des Art. 20 Dublin II-VO nicht vor. Diese Verpflichtung hat der ersuchte Mitgliedstaat gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) bis e) Dublin II-VO nur dann, wenn der Asylbewerber sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, er seinen Antrag während der Prüfung zurückgezogen hat und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder er sich unerlaubt in einem Mitgliedstaat aufhält, nachdem der zuständige Mitgliedstaat seinen Antrag abgelehnt hat.

1.2.2 Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Beklagten, sie sei deshalb durch das angegriffene Urteil beschwert, weil ihr bei Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Pflicht zur nochmaligen Durchführung eines Prüfungsverfahrens obläge, wobei ihr der Einwand abgeschnitten wäre, dass darüber bereits entschieden sei.

Die Beklagte berücksichtigt insoweit nicht hinreichend, dass in Rechtskraft nur die Entscheidung des Gerichts über den Streitgegenstand erwächst, der wiederum durch den Klageanspruch und den diesem zugrunde liegenden Sachverhalt bestimmt wird (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 121 Rn. 19 und 23). Der von der Beklagten nunmehr in Betracht gezogene - in keiner Weise belegte - Sachverhalt, dass die Klägerin bereits in Italien Flüchtlingsschutz erhalten hat, war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten allein mit der Begründung aufgehoben, dass die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG nicht (mehr) vorliegen, weil Deutschland wegen des unstreitigen Ablaufs der Überstellungsfrist (Art. 20 Abs. Satz 1 Dublin II-VO) zuständig geworden ist, über den Asylantrag der Klägerin zu entscheiden.

1.2.3 Die Beklagte wendet des Weiteren ein, im Rahmen der statthaften Klageart gegen so genannte Dublin-Bescheide werde von den Gerichten vielfach auf eine vergleichbare Konstellation bei der Überprüfung von Einstellungsentscheidungen nach §§ 32, 33 AsylVfG verwiesen; in diesen Fällen sei noch niemals die materielle Beschwer des Bundesamtes in Frage gestellt worden, die dort letztlich in der Fortführung bzw. Durchführung des Prüfungsverfahrens liege.

Das greift schon deshalb nicht durch, weil das weitere Vorgehen der Beklagten nicht durch das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts bestimmt wird, sondern allein dadurch, dass sich der angefochtene Bescheid, wie ausgeführt, erledigt hat.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert bemisst sich nach § 30 RVG.

3. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Januar 2015 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 28. November 2014 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 AsylVfG nicht vorliegen. Das Urteil betrifft die Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 8. April 2014 mit dem Ausspruch, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist.

Das Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138 VwGO. Die Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht stelle darauf ab, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Übernahme bereit sei, und nehme dadurch Tatsachen an, von denen ein sachkundiger Prozessbeteiligter nicht ausgehen müsse. Sie sieht darin eine Überraschungsentscheidung und beruft sich somit auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B. v. 30.4.2003 -1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, könnte nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich keine generelle Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel oder den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers einschätzt. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde und der zunächst als fernliegend anzusehen war und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt (BVerwG, B. v. 19.7.2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 = NVwZ 2011, 372; B. v. 19.6.1998 - 6 B 70.97 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 56 = NVwZ-RR 1998, 759).

Gemessen an diesen höchstrichterlichen Grundsätzen ist vorliegend eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hat das Bundesamt mit Schreiben vom 12. November 2014 um Stellungnahme zum Ablauf der Überstellungsfrist gebeten. Dabei wurde Bezug genommen auf die Regelung in Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), wonach der zuständige Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Aufnahme verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht. Im Hinblick auf dieses gerichtliche Schreiben und einen fehlenden Hinweis der Beklagten, dass Ungarn vorliegend entgegen des gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik ausnahmsweise dennoch zur Aufnahme bereit wäre, gibt die Einschätzung des Gerichts zur Übernahmebereitschaft Ungarns dem Rechtsstreit keine unerwartete Wende. Von einer Übernahmebereitschaft nach Ablauf der Überstellungsfrist kann angesichts des gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik grundsätzlich nicht ausgegangen werden, so dass die Annahmen des Verwaltungsgerichts nicht als fernliegend anzusehen sind. Mit Recht weist der Kläger darauf hin, dass es Sache der Beklagten wäre, eine ausnahmsweise trotz Fristablaufs vorhandene Bereitschaft zur (Wieder-)Aufnahme entsprechend mitzuteilen. Die gegenteilige Annahme im Urteil kommt bei dem hier vorliegenden Verfahrensablauf nicht überraschend.

Das Urteil weicht auch nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) ab. Eine Divergenz i. S. v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beklagte rügt insoweit, das Verwaltungsgericht lege den Rechtssatz zugrunde, gegen die gemäß § 27a AsylVfG erfolgte Antragsablehnung sei (nur) die Anfechtungsklage statthaft. Dies stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil im Gegensatz zu dessen Anforderungen keine das asylrechtliche Folgeverfahren abschließende Entscheidung getroffen werde.

Die Beklagte weist selbst zunächst selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist. Vorliegend ist Klagegegenstand aber eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist. In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Zum einen steht hier als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Dublin III-VO im Streit. Zum anderen klagt der Kläger weder „isoliert“ auf Wiederaufgreifen noch macht er (materiell) einen Anspruch auf Asylanerkennung geltend. Er geht vielmehr allein gegen die Feststellung vor, dass sein Asylantrag unzulässig sei und beantragt nur die Aufhebung dieses feststellenden Verwaltungsakts. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und davon ausgegangen, dass ein (isolierter) Anfechtungsantrag statthaft ist. Mit dieser Annahme wird kein Obersatz aufgestellt, welcher der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung widersprechen würde, weil ein Anspruch auf Asylanerkennung und damit ein materielles Verpflichtungsbegehren, wie es der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation zugrunde lag, hier nicht im Raum stand.

Der Streitsache kommt schließlich auch nicht die ihr von der Beklagten hilfsweise zugemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen bzw. Maßgaben unterliegt und deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, dem folgend das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist“. Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Denn sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B. v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend dennoch nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe NdsOVG, B. v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B. v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, unterscheidet sich dadurch, dass sich der Kläger hier in zulässiger Weise auf einen Anfechtungsantrag beschränkt, wohingegen der dortige Kläger einen Verpflichtungsantrag gestellt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt der Verwaltungsgerichtshof die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen. Zudem dürfte die Entscheidung durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein, worauf auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 16. April 2014 (a. a. O.) hinweist.

Auch die weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere auch dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in diesen Konstellationen, zumal wenn ein ohne Statuszuerkennung gebliebenes Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung hinzukommt, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides insoweit hinsichtlich des im Bundesgebiet gestellten Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt sind, oder ob es bei zugleich gegebenen Zweitanträgen noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrelevanter Asylantrag vorliegt, nicht nur weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht, sondern zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, begründen nicht die Zulassung der Berufung.

Da sich der Kläger zulässigerweise auf eine Anfechtungsklage beschränkt hat, mangelt es bereits an einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren. Zudem bedarf die Frage einer Umdeutung keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie durch eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 47 VwVfG beantwortet werden kann. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Da hiernach die Beklagte die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen hat, bedurfte es keiner Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Klägerin ist weißrussische Staatsangehörige. Nach Aufenthalten in Litauen und Schweden reiste sie gemeinsam mit ihrem Ehemann aus Litauen kommend auf dem Landweg über Polen am 5. September 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Nachdem die litauischen Behörden dem Übernahmeersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge am 25. November 2013 zugestimmt hatten, erklärte das Bundesamt den Asylantrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2013 für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung der Klägerin nach Litauen an (Nr. 2). Litauen sei aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags für dessen Behandlung zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.

Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 3. Februar 2014 abgelehnt.

Mit Urteil vom 2. März 2015 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 3. Dezember 2013 insgesamt aufgehoben. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylbegehrens sei rechtswidrig geworden, weil die Überstellungsfrist abgelaufen und die Beklagte hierdurch für die Prüfung des Asylbegehrens zuständig geworden sei. Den Akten lasse sich nichts Näheres dazu entnehmen, ob Litauen bereit wäre, die Klägerin trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist ausnahmsweise wieder aufzunehmen. Wenn allein die Zuständigkeit der Beklagten bleibe, könne der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens gegen diese geltend gemacht werden. Der Bescheid könne auch nicht im Wege der Umdeutung in eine ablehnende Sachentscheidung über einen Zweitantrag aufrechterhalten werden.

Gegen die Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit des Asylbegehrens wendet sich die Beklagte mit ihrem auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, der sich ausschließlich gegen die Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit des Asylbegehrens richtet, hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

1. Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob sich eine (nur) auf § 27a AsylVfG beziehende asylrechtliche Entscheidung ihrem Regelungsgehalt nach in der bloßen Feststellung der internationalen Verfahrenszuständigkeit und einer darauf gründenden Antragsablehnung erschöpft oder darüber hinausgehend eine solche Antragsablehnung vielmehr, weil auf die Verneinung eines inhaltlichen Prüfanspruchs gerichtet, einen insgesamt diesen ablehnenden Verwaltungsakt darstellt.“

Es ist jedoch nicht klärungsbedürftig, dass die Feststellung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids, der Asylantrag sei unzulässig, ausschließlich auf § 27a AsylVfG beruht und keinen darüber hinausgehenden Inhalt hat. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Prüfung ist der Entscheidung über das eigentliche Asylbegehren vorgeschaltet. Allein auf ihre Unzuständigkeit hat die Beklagte die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags in Nr. 1 des Bescheids vom 3. Dezember 2013 gestützt und zur Begründung (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG) ausgeführt, für die Durchführung des Asylverfahrens sei gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II VO) Litauen zuständig. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Für eine allein auf § 27a AsylVfG beruhende Feststellung spricht auch der Verfahrensablauf. Die Klägerin wurde zu keinem Zeitpunkt zu ihren Asylgründen befragt, sondern ausschließlich zu ihren früheren Aufenthalten in Schweden und Litauen. Daraufhin hat das Bundesamt sie ausdrücklich darauf hingewiesen, es werde nunmehr zunächst prüfen, ob Deutschland für eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig sei. Zu keinem Zeitpunkt während des Verfahrens hat das Bundesamt sich dahingehend geäußert, die Feststellung in Nr. 1 des Bescheids treffe eine Regelung, die über die Feststellung der internationalen Verfahrenszuständigkeit nach § 27a AsylVfG hinausreiche und die einen inhaltlichen Prüfanspruch hinsichtlich der Asylgründe, zu denen das Bundesamt die Klägerin noch gar nicht angehört hat, auch aus anderen Gründen, etwa wegen des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 71a AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, verneine. Dies scheidet schon deshalb aus, weil eine solche Ablehnung die Zuständigkeit der Beklagten voraussetzen würde, die das Bundesamt mit seiner getroffenen und auf § 27a AsylVfG gestützten Feststellung jedoch gerade verneint hat. Angesichts des Hinweises des Bundesamts bei der Befragung der Klägerin am 24. Oktober 2013, aufgrund ihrer Angaben werde nunmehr zunächst die Zuständigkeit Deutschlands für eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags geklärt, wäre eine nachträgliche Interpretation des Bescheids, die über eine dahingehende Entscheidung hinausginge, mit rechtstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Recht auf ein faires Verfahren nicht vereinbar.

2. Der Rechtssache kommt auch hinsichtlich der Frage, „ob der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist, und ob dies insbesondere selbst dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedsstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt“, keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Beklagte geht nach ihrem Schreiben vom 20. August 2014 im Ausgangsverfahren selbst vom Ablauf der Frist zur Überstellung der Klägerin nach Litauen aus. Für das Verwaltungsgericht, das die Beklagte insoweit um Mitteilung des Verfahrensstandes gebeten hatte, bestand keine Veranlassung, im Wege der Amtsermittlung der Frage nachzugehen, ob Litauen trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor zur Wiederaufnahme der Klägerin bereit wäre. Vielmehr hätte es dem Bundesamt, dem insoweit die Darlegungslast zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4), oblegen, diese Frage rechtzeitig zu klären und das Ergebnis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzuführen. Bei einer nicht durch konkrete Fakten belegten Überstellungsmöglichkeit in einen anderen Mitgliedstaat bedarf es keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, dass die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) nicht isoliert aufrecht erhalten bleiben kann.

3. Die Klägerin hat damit Anspruch darauf, dass das Bundesamt ggf. erneut in das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und - sollte Litauen nicht mehr zur Übernahme der Klägerin bereit und auch kein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein - selbst in die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 71 a AsylVfG eintritt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

5. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylVfG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 3. November 2014 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht vorliegt.

2

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

3

Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,

4

ob ein Asylbewerber sich gegen eine Überstellung in einen Drittstaat darauf berufen darf, dass Deutschland die Überstellungsfrist gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin-II-VO bzw. Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO versäumt hat,

5

keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage bedarf bereits deshalb nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres - verneinend - beantworten lässt.

6

Die Kläger können kein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristvorschriften der Dublin-II-Verordnung geltend machen; auf die hier nicht anwendbaren Vorschriften der Dublin-III-Verordnung kommt es nicht entscheidungserheblich an. Die Dublin-II-Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 ist trotz § 77 Abs. 1 AsylVfG und der zwischenzeitlich erlassenen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-Verordnung - auf den vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden, weil nach Art. 49 Dublin-III-Verordnung die Neuregelung erst auf Anträge der Mitgliedstaaten auf Wiederaufnahme anzuwenden ist, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind.

7

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 - Abdullahi -, NVwZ 2014, 208, juris; vgl. auch Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, Slg 2011, I-13905-14033, juris Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11, Puid - juris) ist davon auszugehen, dass sich die Kläger nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-II-VO gewährt den Klägern keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihre Asylanträge in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft werden, den sie für zuständig halten. Die jeweiligen Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen hiernach ebenfalls allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat im Verhältnis der Dublin-Staaten untereinander, ohne aber den Klägern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - Rn. 10 ff., VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - Rn. 59 und vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - Rn. 25, Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 - jeweils juris, siehe auch Berlit, Anmerkung zu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris PR-BVerwG 12.2014). Ein Asylantragsteller kann der Überstellung in den nach der Dublin-II- Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris).

8

Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. Dezember 2013 (- C-394/12 - „Abdullahi", a.a.O.) kann ein Asylantragsteller nach einem erfolgreichen Aufnahmeersuchen mit dem in Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten. Zwar sind diese Ausführungen des Gerichtshofes ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats gemäß Kapitel III der Dublin II-Verordnung erfolgt. Aus ihren tragenden Erwägungen kann aber unmittelbar gefolgert werden, dass sich ein Asylantragsteller ebenfalls nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den im Kapitel V geregelten Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen kann (ebenso Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - juris Rn. 10).

9

Genauso wie die Vorschriften über die Bestimmung der Zuständigkeit im Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine subjektiven Rechte vermitteln, sondern als Organisationsvorschriften einer klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten dienen (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16), sollen auch die Vorschriften des Kapitel V der Verordnung - ebenfalls als Organisationsvorschriften - in erster Linie eine rasche Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaates ermöglichen (Erwägungsgrund 4). Auch sie vermitteln Asylantragstellern keine subjektiven Rechte, sondern bei ihnen steht das Interesse im Vordergrund, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

10

Dementsprechend führt der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) aus, dass der Unionsgesetzgeber diese Vorschriften erlassen hat, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Rn. 53). Auch er sieht einen der Hauptzwecke der Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Rn. 59). Vorrangiges Ziel der Dublin-II-Verordnung insgesamt, und nicht nur der Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, ist danach eine möglichst eindeutige Bestimmung des zuständiges Mitgliedstaates und in der Folge eine zeitnahe Prüfung des Asylantrages. Der Unionsgesetzgeber wollte einem Asylantragsteller mit der Dublin II-Verordnung (ebenso mit der Dublin III-Verordnung) aber keine weitergehende Rechtsposition einräumen, seinen Asylantrag in einem ganz bestimmten Mitgliedstaat, in dem er einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat, prüfen zu lassen.

11

Auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris) entnimmt der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass ein Asylantragsteller einer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Auch nach seinem Verständnis dieser Rechtsprechung kann eine Berufung auf eine Verletzung von Verfahrens- und Fristenregelungen der Dublin-II-Verordnung der Klage eines Asylbewerbers demnach grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen (so ausdrücklich Berlit, jurisPR- BVerwG 12/2014 Anm. 3, Buchst. B am Ende).

12

Die Kläger machen geltend, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe, dass Asylantragsteller zwar keine Fristversäumnisse im Rahmen des (Wieder-)Aufnahmeersuchens geltend machen könnten - dies könne nur der ersuchte Staat - (Beschluss vom 21. Mai 2014 a.a.O.), ein Ablauf der Überstellungsfrist führe aber zu einem Zuständigkeitswechsel und dies könne der Flüchtling geltend machen. Im Beschluss vom 14. Juli 2014 (a.a.O.) habe das Bundesverwaltungsgericht durch den Begriff des zuständigen (statt des ersuchten) Mitgliedsstaats deutlich gemacht, dass der Asylantrag nur dann unzulässig sei, wenn ein anderer Mitgliedsstaat zuständig sei. Auch für den Gerichtshof der Europäischen Union sei in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) ausschlaggebend, dass der ersuchte Staat der Übernahme zugestimmt habe. Damit sei aber nichts dazu gesagt, dass nach Fristablauf die Zuständigkeit wieder auf den ersuchenden Staat übergehe und der Antragsteller dies geltend machen könne.

13

Der Senat vermag diesen Ausführungen der Kläger nicht zu folgen, solange Frankreich weiterhin bereit ist, ihre Asylanträge zu bearbeiten, da es keinen Anspruch der Kläger auf Prüfung ihrer Anträge durch einen (von ihnen) bestimmten Staat gibt. Dafür, dass Frankreich seine mit Schreiben vom 31. März 2014 erklärte Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Fristablauf zurücknehmen und sich auf den Fristablauf berufen werde, gibt es weder Feststellungen des Verwaltungsgerichts - zum Zeitpunkt seiner Entscheidung war die Frist des Art. 19 Abs. 3 UAbs. 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO noch nicht abgelaufen - noch wird von den Klägern behauptet oder gar dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG), dass Frankreich wegen des Fristablaufs nicht mehr zur Aufnahme bereit wäre. Ob etwas anderes dann gilt, wenn feststeht, dass der ersuchte Mitgliedstaat - hier Frankreich - nicht mehr zur Aufnahme bereit ist (vgl. zu dieser Fallkonstellation VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 19. Februar - 5 A 374/14 -), bedarf hier schon deshalb keiner weiteren Erörterung. Diese Fallkonstellation ist auch nicht vorsorglich vom Senat in die Prüfung einzubeziehen. Sofern mit einem solchen Fall eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh einherginge, hätten die Kläger einen Wiederaufgreifensanspruch (vgl. § 51 VwVfG; zur Notwendigkeit in einem solchen Fall ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einzuleiten, vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14-juris Rn. 59juris).

14

Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Obergerichte, die eine bundeseinheitliche Klärung erforderte, ist nicht ersichtlich. Mit dem Hinweis auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2014 -11 B 789/14.A - zeigen die Kläger letztlich keine abweichende Entscheidung auf, da dieser Beschluss schon keine (nähere) Begründung enthält. Damit bleibt unklar, auf welchen Überlegungen der Beschluss beruht, ob ihm eine Auseinandersetzung mit der dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorausgegangen ist, und insbesondere, ob hier im Einzelfall neben dem Ablauf der Überstellungsfrist weitere Umstände hinzugekommen sind, aufgrund derer feststand, dass Italien nicht mehr zur Aufnahme bereit war. Ähnlich verhielte es sich mit der von den Klägern herangezogenen Entscheidung eines Einzelrichters beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht, unterstellt mit dem Verweis auf derartige erstinstanzliche Entscheidungen könnte überhaupt eine Klärungsbedürftigkeit dargelegt werden.

15

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da dem Antrag auf Zulassung der Berufung nach dem Ausgeführten die hierfür gem. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten abzusprechen sind.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.

17

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die in den Jahren 1980, 1982, 2002, 2004, 2006, 2008, 2010 und 2012 geborenen Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 16.06.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 17.06.2013 Asylanträge.
Bei ihrer auf den Flucht- und Reiseweg beschränkten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gaben die Kläger Ziffer 1 und 2 unter anderem an, sie hätten bereits zuvor am 12.06.2013 in Polen Asylanträge gestellt.
Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.10.2013 erklärten die zuständigen polnischen Behörden mit Schreiben vom 24.10.2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II.
Hierauf stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 22.11.2013 fest, dass die Asylanträge unzulässig sind, und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an.
Die Kläger erhoben am 05.12.2013 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und trugen zu deren Begründung zunächst vor, dass Tschetschenen auch vor Übergriffen im europäischen Ausland nicht zurückschreckten, zeige die Verurteilung von drei Attentätern durch die österreichische Justiz wegen der Tötung von Umar Isrilov am 13.01.2009. Deshalb habe die Beklagte vorliegend ausnahmsweise von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Bei der Klage handle es sich um eine Anfechtungsklage kombiniert mit einer Untätigkeitsklage. Die Untätigkeit ergebe sich daraus, dass das Bundesamt gegenüber dem zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe mittlerweile eingeräumt habe, dass die Frist für ihre Rücküberstellung am 10.07.2014 abgelaufen sei. Im Übrigen sei sie, die Klägerin Ziffer 2, nicht reisefähig. Ergänzend wurden drei ärztliche Befundberichte des C. Bad Göppingen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 08.04., 04.08. und 02.10.2014 sowie eine ausführliche psychologische Stellungnahme der Diplom-Psychologin R... M... vorgelegt, bei der sich die Klägerin Ziffer 2 seit dem 11.06.2014 in tiefenpsychologisch fundierter traumaadaptierter Psychotherapie befindet.
Die Beklagte trat den Klagen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids entgegen.
Ein von den Klägern betriebenes Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos (Beschluss vom 02.01.2014 - A 3 K 4848/13).
In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin Ziffer 2 nach ihrem Gesundheitszustand befragt an, neben ihren massiven psychischen Problemen, wegen derer sie nach wie vor in psychologischer Behandlung sei, habe sie nun auch noch Probleme mit dem Herzen.
Durch Urteil vom 11.11.2014 hob das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Die Klage sei lediglich teilweise als (isolierte) Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2013 zulässig. Dies gelte auch insoweit, als die Beklagte den Asylantrag der Kläger als unzulässig verbeschieden habe. In den Fällen, in denen die Beklagte einen von einem Ausländer gestellten ersten Asylantrag noch nicht in der Sache beschieden habe, sei nämlich kein Raum für eine Verpflichtungsklage.
10 
Die danach allein zulässige Anfechtungsklage sei auch begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtwidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Dies folge allerdings nicht schon aus § 27a AsylVfG. Danach sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger sei Polen zuständig. Auch seien den vorliegenden Erkenntnisquellen keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Polen zu entnehmen. Indessen erweise sich die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsanordnung jedenfalls in dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtswidrig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordne das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Zwar sei eine Abschiebung der Kläger nach Polen nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist unzulässig geworden. Jedoch liege bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor. Es sei anerkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anders als bei Erlass einer Abschiebungsandrohung bei Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylVfG auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen habe. Aus den von den Klägern mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2014 vorgelegten Unterlagen ergäben sich nach Überzeugung des Gerichts bereits hinreichende Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit der Klägerin Ziffer 2 im entscheidungserheblichen Zeitpunkt. Liege jedoch bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor, erstrecke sich dieses im Hinblick auf das Erfordernis der Wahrung der Familieneinheit gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 bis 11 VO Dublin III auch auf die anderen Kläger des vorliegenden Verfahrens.
11 
Das Urteil wurde der Beklagten am 21.11.2014 zugestellt.
12 
Am 17.12.2014 beantragte die Beklagte die Zulassung der Berufung.
13 
Durch am 23.01.2015 der Beklagten zugestellten Beschluss vom 14.01.2015 ließ der Senat die Berufung zu, soweit die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids aufgehoben worden war, und lehnte den Antrag im Übrigen ab.
14 
Am 23.02.2015 begründete die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag. Die Überstellungsfrist nach der VO Dublin II sei zwar mittlerweile abgelaufen, es sei auch nicht mehr beabsichtigt, die Kläger nach Polen zu überstellen. Polen würde zwar im Falle einer Rückkehr bis zu zwei Jahre nach einer erfolgten vorläufigen Einstellung des Verfahrens dieses wiedereröffnen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass Polen im Falle einer Einreise der Kläger ein Wiederaufnahmeersuchen an die Bundesrepublik stellen würde. Damit könne die im Streit befindliche Entscheidung, wonach die Asylanträge unzulässig seien, nicht mehr auf § 27a AsylVfG gestützt werden. Allerdings lägen mittlerweile Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vor. Da aber die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen, könne die angegriffene Entscheidung insoweit aufrechterhalten bleiben, jedenfalls könnten die Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Ungeachtet dessen sei der isolierte Anfechtungsantrag schon nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, die Sache spruchreif zu machen. Deshalb seien die Klagen mit dem Anfechtungsantrag auch aus diesem Grund abzuweisen.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 11.11.2014 - A 3 K 4877/13 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
17 
Die Kläger beantragen,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie machen sich im Wesentlichen das angegriffene Urteil zu eigen.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
21 
Dem Senat lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
37 
Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
39 
All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
37 
Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
39 
All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2014, soweit es Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. Januar 2014 betrifft, ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen. In Nr. 1 des Bescheids vom 6. Januar 2014 war die Unzulässigkeit der Asylanträge der Kläger ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.

Der Gerichtsbescheid weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) ab. Eine Divergenz i. S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beklagte rügt insoweit, das Verwaltungsgericht lege den Rechtssatz zugrunde, gegen die gemäß § 27a AsylVfG erfolgte Antragsablehnung sei (nur) die Anfechtungsklage statthaft. Dies stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil im Gegensatz zu dessen Anforderungen keine das asylrechtliche Folgeverfahren abschließende Entscheidung getroffen werde.

Die Beklagte weist selbst zunächst selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist. Vorliegend ist Klagegegenstand aber eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist. In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Zum einen steht hier als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch der Kläger die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO), im Streit. Zum anderen klagen die Kläger weder „isoliert“ auf Wiederaufgreifen noch machen sie (materiell) einen Anspruch auf Asylanerkennung geltend. Sie gehen vielmehr allein gegen die Feststellung vor, dass ihre Asylanträge unzulässig seien und beantragen nur die Aufhebung dieses feststellenden Verwaltungsakts. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und davon ausgegangen, dass ein (isolierter) Anfechtungsantrag statthaft ist. Mit dieser Annahme wird kein Obersatz aufgestellt, welcher der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung widersprechen würde, weil ein Anspruch auf Asylanerkennung und damit ein materielles Verpflichtungsbegehren, wie es der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation zugrunde lag, hier nicht im Raum stand.

Der Streitsache kommt auch nicht die ihr von der Beklagten hilfsweise zugemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag eine isolierte Anfechtungsklage die zulässige Klageart darstellt oder vielmehr dann eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, insbesondere bzw. jedenfalls, wenn der Asylantrag zugleich Zweitantrag i. S. d. § 71a AsylVfG ist, und ob die Tatsachengerichte verpflichtet sind, dann das Asylbegehren auch in der Sache spruchreif zu machen“. Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Denn sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B.v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend dennoch nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, unterscheidet sich dadurch, dass sich die Kläger hier in zulässiger Weise auf einen Anfechtungsantrag beschränken, wohingegen der dortige Kläger einen Verpflichtungsantrag gestellt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt der Verwaltungsgerichtshof die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen. Zudem dürfte die Entscheidung durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein, worauf auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 16. April 2014 (a. a. O.) hinweist. Aus der zudem von der Beklagten genannten Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 2.9.2014 - A 11 S 1611/14 - n.v.) lässt sich nicht entnehmen, ob die grundsätzliche Bedeutung wegen der hier einschlägigen Frage angenommen wurde oder zur Klärung, ob in Bulgarien systemische Mängel vorhanden sind.

Auch die weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in der Konstellation des ohne Statuszuerkennung, d. h. erfolglos betriebenen Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides insoweit hinsichtlich des im Bundesgebiet weiteren Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt sind, oder ob es noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrelevanter Asylantrag vorliegt, weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht und zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, begründen nicht die Zulassung der Berufung.

Da sich die Kläger zulässigerweise auf eine Anfechtungsklage beschränkt haben, mangelt es bereits an einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren. Zudem bedarf die Frage einer Umdeutung keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie durch eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 47 VwVfG beantwortet werden kann. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Da hiernach die Beklagte die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen hat, bedurfte es keiner Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2014, soweit es Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2014 betrifft, ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen. In Nr. 1 des Bescheids vom 12. März 2014 war die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers ausgesprochen und in Nr. 2 die Abschiebung nach Ungarn angeordnet worden.

Das Urteil weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) ab. Eine Divergenz i. S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beklagte rügt insoweit, das Verwaltungsgericht lege den Rechtssatz zugrunde, gegen die gemäß § 27a AsylVfG erfolgte Antragsablehnung sei (nur) die Anfechtungsklage statthaft. Dies stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil im Gegensatz zu dessen Anforderungen keine das asylrechtliche Folgeverfahren abschließende Entscheidung getroffen werde.

Die Beklagte weist selbst zunächst selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist. Vorliegend ist Klagegegenstand aber eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist. In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Zum einen steht hier als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO), im Streit. Zum anderen klagt der Kläger weder „isoliert“ auf Wiederaufgreifen noch macht er (materiell) einen Anspruch auf Asylanerkennung geltend. Er geht vielmehr allein gegen die Feststellung vor, dass sein Asylantrag unzulässig sei und beantragt nur die Aufhebung dieses feststellenden Verwaltungsakts. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und davon ausgegangen, dass ein (isolierter) Anfechtungsantrag statthaft ist. Mit dieser Annahme wird kein Obersatz aufgestellt, welcher der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung widersprechen würde, weil ein Anspruch auf Asylanerkennung und damit ein materielles Verpflichtungsbegehren, wie es der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation zugrunde lag, hier nicht im Raum stand.

Der Streitsache kommt auch nicht die ihr von der Beklagten hilfsweise zugemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen unterliegt und ob deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist.“ Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Denn sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B.v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend dennoch nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, unterscheidet sich dadurch, dass sich der Kläger hier in zulässiger Weise auf einen Anfechtungsantrag beschränkt, wohingegen der dortige Kläger einen Verpflichtungsantrag gestellt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt der Verwaltungsgerichtshof die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen. Zudem dürfte sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein, worauf auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 16. April 2014 (a. a. O.) hinweist. Aus der zudem von der Beklagten genannten Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (B.v. 2.9.2014 - A 11 S 1611/14 - n.v.) lässt sich nicht entnehmen, ob die grundsätzliche Bedeutung wegen der hier einschlägigen Frage angenommen wurde oder zur Klärung, ob in Bulgarien systemische Mängel vorhanden sind.

Auch die weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere auch dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in diesen Konstellationen, zumal wenn ein ohne Statuszuerkennung, d. h. erfolglos abgeschlossenes Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung hinzukommt, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides hinsichtlich des im Bundesgebiet gestellten Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt ist, oder ob es bei zugleich gegebenen Zweitanträgen noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrechtlicher Asylantrag vorliegt, nicht nur weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht, sondern zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, begründen nicht die Zulassung der Berufung.

Da sich der Kläger zulässigerweise auf eine Anfechtungsklage beschränkt hat, mangelt es bereits an einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren. Zudem bedarf die Frage einer Umdeutung keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie durch eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 47 VwVfG beantwortet werden kann. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2014 - A 6 K 202/14 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der Antrag, mit dem die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rechtlicher Art (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) geltend macht, entspricht nicht den Darlegungsanforderungen nach § 78 Abs. 4 Satz 4. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dargelegt, wenn in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellung eine konkrete Frage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlich geklärt werden müssen. Es muss deshalb in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich das Berufungsgericht noch einmal klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.03.2000 - A 6 S 48/00 - juris und vom 28.05.1997 - A 16 S 1388/97 - AuAS 1997, 261; OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2007 - 15 A 750/07.A - juris; HessVGH, Beschlüsse vom 28.01.1993 - 13 UZ 2018/92 - juris und vom 13.09.2001 - 8 UZ 944/00.A - InfAuslR 2002, 156; SächsOVG, Beschluss vom 02.01.2013 - A 4 A 25/11 - juris; Berlit, in: GK-AsylVfG § 78 Rn. 609 ff.).
Die Beklagte hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
„Darf ein Bescheid des Bundesamtes, durch den ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits dann aufgehoben werden, wenn das Verwaltungsgericht in § 27a AsylVfG keine ausreichende gesetzliche Grundlage für diesen Bescheid sieht, oder bedarf es darüber hinaus der Feststellung, dass das frühere Asylverfahren erfolglos beendet wurde und Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen?“
Sie wendet sich mit dem Zulassungsantrag der Sache nach allein dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Ziffer 1 ihres Bescheids aufgehoben hat, mit der diese den Asylantrag als unzulässig abgelehnt hatte. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass - unbestritten - die Überstellungsfrist in erheblichem Maße überschritten worden sei und nicht mehr damit gerechnet werden könne, dass noch eine zeitnahe Überstellung möglich sein werde. Gegen die die Ziffer 2 (Abschiebungsanordnung) aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts werden ausdrücklich keine Einwände erhoben.
Die Beklagte legt ihren Angriffen gegen die Ziffer 1 ihres Bescheids aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein Verständnis des Mechanismus des Dublin-Systems zugrunde, das sich den Bestimmungen des maßgeblichen Unionsrechts so nicht entnehmen lässt, jedenfalls wird dieses Verständnis nicht dem Darlegungserfordernis genügend begründet. Die Beklagte geht explizit davon aus, dass in den Fällen, in denen ein Antragsteller zunächst in einem ersten Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt habe und vor dessen abschließender Bescheidung in einen zweiten Mitgliedstaat weiterreise und dort einen weiteren Asylantrag stelle, mit diesem zweiten Antrag einen Antrag stelle, für den das Asylverfahrensgesetz kein Verfahren vorsehe. Der Fall sei mit den Fällen vergleichbar, in denen ein Antragsteller in Deutschland erneut einen Antrag stelle, obwohl zu seinem ersten Antrag noch ein Klageverfahren anhängig sei. Ebenso wenig wie ein weiterer Asylantrag in Deutschland während eines noch rechtshängigen Klageverfahrens zulässig sei, sei nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO Dublin III die Durchführung paralleler Prüfungsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten zulässig. Diese Sicht der Dinge trifft jedoch so nicht zu, jedenfalls finden sich in der Begründung keine ausreichend tragfähigen Erwägungen, die dieses Verständnis auch nur ansatzweise stützen würden.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es nur drei Entscheidungs- bzw. Fallvarianten geben könne, die sich in tatsächlicher Hinsicht ausschlössen, nämlich entweder den Fall einer Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland mit der Folge einer Überstellung in den anderen Mitgliedstaat oder den Fall einer Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, die zu einem Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG führe, oder aber den Fall einer bereits erfolgten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus durch den anderen Mitgliedstaat.
Primär geht es in der hier zunächst ins Auge zu fassenden ersten Fallkonstellation nicht darum, dass zwei Asylanträge parallel nebeneinander geprüft werden müssten; wenn im ersten Mitgliedstaat gar kein Antrag gestellt wurde, die Bundesrepublik Deutschland aber nicht zuständig ist, stellt sich die Frage mehrerer Asylanträge ohnehin nicht, diese Fallkonstellation führt auf den Aufnahmefall des Art. 21 VO Dublin III. Das Dublin-System geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass zunächst ein erster Asylantrag in einem ersten Mitgliedstaat gestellt wird (sei dieser nun zuständig oder auch nicht). Wird nun in einem zweiten Mitgliedstaat ein weiterer Asylantrag gestellt, bevor im ersten Mitgliedstaat der erste Antrag abschließend behandelt wurde (vgl. Art.18 Abs. 1 lit. b) VO Dublin III), so kann der zweite Mitgliedstaat die Behandlung ablehnen, sofern er sich für nicht zuständig hält und das Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 23 Abs. 1 VO Dublin III einleiten. Stimmt hierauf der erste Mitgliedstaat der Aufnahme zu oder verstreicht die gesetzliche Antwortfrist, ohne dass eine Antwort gegeben wurde (vgl. Art. 25 Abs. 2 VO Dublin III), so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, ungeachtet der Frage, ob er nach den primären Zuständigkeitskriterien der Art. 7 ff. VO Dublin III überhaupt zuständig war. Der Senat bemerkt in diesem Zusammenhang mit Rücksicht auf das Vorbringen der Beklagten im Zulassungsverfahren, dass in dieser Konstellation nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der oder die Betreffende durch die Ausreise aus dem ersten Mitgliedstaat konkludent seinen oder ihren ersten Antrag zurückgenommen hat; eine andere Frage ist, ob das nationale Verfahrensrecht hier Rechtsfolgen an ein regelmäßiges Nichtbetreiben des Verfahrens knüpft (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 33 Abs. 1 RL 2005/85/EG v. 01.12.2005 - VRL a.F. und Art. 28 Abs. 2 RL 2013/32/EU v. 26.06.2013 - VRL n.F). Ergänzend ist zum Vortrag der Beklagten zu bemerken, dass der erste Mitgliedstaat im Falle einer Überstellung auf Verlangen des Antragstellers oder der Antragstellerin nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III verpflichtet ist, das Verfahren wieder zu eröffnen und dabei das Verfahren nicht als Folgeverfahren behandeln darf, sofern noch keine Sachentscheidung getroffen worden war (vgl. künftig auch Art. 28 Abs.2 VRL n.F.). Der im zweiten Mitgliedstaat gestellte Asylantrag ist aber im Falle einer ausdrücklichen oder fingierten Zustimmung des ersten Mitgliedstaats nicht vollständig obsolet geworden, er „ruht“ gewissermaßen vorläufig. Wird der Asylbewerber nämlich, wie hier, durch den zweiten Mitgliedstaat nicht innerhalb der Überstellungsfrist an den ersten Mitgliedstaat überstellt (vgl. Art. 29 Abs. 2 VO Dublin III), so wird der zweite Mitgliedstaat wieder zuständig mit der Folge, dass der zweite Asylantrag wieder „auflebt“ und vom zuständigen Mitgliedstaat sachlich zu bescheiden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach der von der Beklagten mit durchgreifenden Rügen nicht infrage gestellten Auffassung des Verwaltungsgerichts der zweite Mitgliedstaat wegen einer unter dem Aspekt des unionsrechtlichen Beschleunigungsgebots, wie es mittlerweile auch der Europäische Gerichtshof in ständiger Spruchpraxis betont (vgl. Urteile vom 10.12.2013 - C-394/12 - juris, Rn. 59, und vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a. - juris, Rn. 79; vgl. auch die 4. und 5. Erwägungsgründe der VO Dublin III), erheblichen und daher relevanten Verzögerung der Überstellung nicht mehr an den ersten Mitgliedstaat überstellen darf, da andernfalls eine sachgerechte inhaltliche Überprüfung des Asylgesuchs in angemessener Zeit nicht mehr gewährleistet wäre, ein Umstand, der im Verständnis des Europäischen Gerichtshofs sicherlich auch einen Daseinsgrund des Dublin-Systems ausmachen dürfte. Dann jedoch stellt sich gar nicht die Frage zweier parallel durchgeführter sachlicher Prüfungsverfahren. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis haben sollte, um die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids anzufechten. Diese Frage könnte sich überhaupt erst stellen, wenn das Asylverfahren im ersten Mitgliedstaat unanfechtbar abgeschlossen wurde. Dass dieses der Fall sein könnte, ergibt sich aber weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus dem der Beklagten (einschließlich der von ihr vorgelegten Akten). Abgesehen davon vermag der Senat auch nicht hinreichend deutlich dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen, weshalb im Falle einer endgültigen Ablehnung durch den ersten Mitgliedstaat kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehen soll. Zwar könnte dann auf den ersten Blick in Betracht zu ziehen sein, dass nunmehr der zweite Antrag seinen Charakter geändert hat und zum Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG „mutiert“ ist, allerdings wäre zu diskutieren, ob ein solcher Zweitantrag überhaupt bereits wirksam gestellt wurde. Denn es drängt sich nicht ohne weiteres auf, dass der früher im Mai 2013 gestellte Antrag, der zu einem Zeitpunkt eingereicht wurde, als nach dem Vortrag der Klägerin eine Entscheidung in Italien noch nicht ergangen war, und damit noch kein zulässiger Zweitantrag sein konnte, automatisch allein infolge einer Veränderung der Verfahrenslage zu einem Zweitantrag werden kann (vgl. zu einer vergleichbaren Problematik GK-AsylVfG, § 71 Rn. 62). Hierzu verhält sich die Begründung des Zulassungsantrags mit keinem Wort. Abgesehen davon würde erst mit einer Aufhebung der Ziffer 1 die Weiche für die erstmalige Durchführung eines Zweitverfahrens mit den dort maßgeblichen Verfahrensgarantien und Verfahrensanforderungen gestellt (wie etwa der Pflicht zur umfassenden Anhörung nach § 71a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylVfG, von der nur unter den besonderen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 abgesehen werden kann, während die Anhörung im Dublin-Verfahren bereits grundsätzlich nach Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 VO Dublin III beschränkt ist; oder etwa die Verpflichtung zur Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 71a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylVfG), das die Beklagte bislang noch nicht einmal eingeleitet hat, weshalb nicht einleuchtet, warum kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen soll. Der nicht näher begründete Hinweis auf § 47 VwVfG allein genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Insbesondere fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, dass eine solche Umdeutung überhaupt möglich sein könnte, insbesondere dass der Verwaltungsakt auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzu kommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig. Vor diesem Hintergrund liegt es eher ferne, davon auszugehen, dass die genannte zwingende Voraussetzung einer jeden Umdeutung vorliegen könnte.
Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren vertieften Ausführungen zu der von der Beklagten angedachten dritten Fallvariante einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus durch den ersten Mitgliedstaat. Angesichts der Tatsache, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen könnten, ist nicht ersichtlich, dass im Berufungsverfahren der Frage nachzugehen sein könnte, wie zu verfahren wäre, wenn sich nach Erlass einer auf § 27a i.V.m. § 30 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Verfügung herausstellen sollte, dass der Klägerin bereits in Italien der Flüchtlingsstatus oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sein sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber verweist der Senat darauf, dass - entgegen der Auffassung der Beklagten - die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2014 (10 C 7.13) in Bezug auf eine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht unmittelbar übertragen werden kann, weil § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur auf § 60 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG verweist und gerade nicht auf Satz 2, weshalb sich jedenfalls insoweit keine Bindung der Bundesrepublik Deutschland an eine anderweitige Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ergeben könnte.
10 
Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob der Antrag nicht auch deshalb unzulässig ist, weil er allein Erwägungen zur Anwendung der VO Dublin III enthält, die angegriffene Entscheidung aber von der Anwendbarkeit der VO Dublin II ausgeht, was jedoch von der Beklagten mit durchgreifenden Rügen nicht infrage gestellt wurde.
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylVfG.
12 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.