Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 20. Feb. 2015 - RN 3 K 14.50264
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass die Klage nicht als zurückgenommen gilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Einstellung seines Klageverfahrens wegen Nichtbetreibens und wendet sich gegen die Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags und die Anordnung der Abschiebung nach U..
Der nach seinen Angaben am ... 1989 in K... geborene Kläger gibt an, pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit zu sein. Er verließ Pakistan nach seinen Angaben in der Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 16. Januar 2014 im September oder Oktober 2009 und reiste am 24. Dezember 2013 auf dem Landweg in Deutschland ein. Er stellte am 16. Januar 2014 einen Asylantrag in Deutschland. Das Bundesamt ersuchte U. am 24. Februar 2014 um die Übernahme des Verfahrens. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückführung gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. März 2014 stellte das Bundesamt die Unzulässigkeit des Asylantrags fest (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 24. März 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben (Az. RN 3 K 14.50033), sowie Anträge auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und am 27. März 2014 auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten stellen. Diese Anträge lehnte das Gericht mit Beschluss vom 1. April 2014 ab (Az. RN 3 S 14.50032).
Das Landratsamt D. teilte der Beklagten am
Die Klage wird hinsichtlich der Fortsetzung damit begründet, dass der anwaltliche Bevollmächtigte innerhalb der mit Schreiben des Gerichts vom
Hinsichtlich des Bescheids wird die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass dieser unzutreffend davon ausgehe, dass U. zuständig sei. Tatsächlich habe sich der Kläger zunächst in Griechenland aufgehalten und sei dort als Asylsuchender erfasst worden. Die Übernahmeerklärung U.s lasse sich nicht im Sinne einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts des eigentlich unzuständigen Mitgliedsstaates auslegen. Eine solche Erklärung im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeersuchen setze voraus, dass sich der Erklärende der Umstände des Falles bewusst sei. In dem Wiederaufnahmegesuch sei kein Hinweis auf ein in Griechenland durchgeführtes Asylverfahren enthalten. Es wäre erforderlich gewesen, U. darüber aufzuklären. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, wodurch es zum zuständigen Mitgliedsstaat geworden sei. Die Zuständigkeit werde auch nicht dadurch irrelevant, dass Überstellungen nach Griechenland regelmäßig nicht zulässig seien. Die Wiederaufnahme setze die ordnungsgemäßen und zutreffenden Informationen voraus, ob und ggf. welche sonstigen Asylanträge gestellt worden seien. Die Angaben aus Griechenland seien in krasser Weise unzuverlässig und die Zahlen der Meldedaten differierten von Jahr zu Jahr.
Bei einer Abschiebung nach U. drohten dem Kläger die Kettenabschiebung über Serbien und der Verlust der Rechte im Asylverfahren, sowie eine langandauernde Haft in U. und in Serbien. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in U. vor. Zum 1. Juli 2013 sei eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen seien. Die Voraussetzungen für die Haft und Haftdauer seien erweitert, die Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung ab Juli 2013 zugleich beschränkt worden. Die Haftgründe seien insbesondere im Fall des Klägers einschlägig, da die ablehnende Entscheidung vom 21. Februar 2014 auf sein Asylbegehren mitgeteilt wurde, ohne dass eine materielle Prüfung oder die Zustellung der Entscheidung an ihn erfolgt wäre. Die Situation in U. speziell für Rückkehrer auf der Grundlage der Dublin-Verordnung entspreche nicht den Voraussetzungen, die gemäß Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten seien. Angesichts der bereits jetzt bestehenden Überfüllung der Camps und katastrophaler hygienischer Zustände würde eine Zwangsrückführung nach U. erkennbar dem Gebot einer menschenwürdigen Unterbringung widersprechen.
Aus aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht München ergäben sich konkrete Bedenken gegen die Situation in U., insbesondere unter Berücksichtigung der dortigen Handhabung von Asylhaft. Deren durchschnittliche Dauer betrage nach Auskunft der ungarischen Migrationsbehörde 32 Tage. Diese Angaben würden den Erkenntnissen des ungarischen Helsinki Komites aus der Analyse von insgesamt 107 Entscheidungen und auch den Informationen von Pro Asyl widersprechen. Rechnerisch ergäbe sich eine korrigierte durchschnittliche Haftdauer von 80 Tagen. Außerdem führe die Begrenzung der in letzter Zeit massiv ausgeweiteten Inhaftierung von Familien auf 30 Tage zu einer Reduktion des allgemeinen Durchschnittswerts. Dublin-Rückkehrer würden häufig für die gesamte zulässige Dauer der Asylhaft sechs Monate eingesperrt. Ein Rechtsmittel hiergegen sei nicht zulässig. Es finde lediglich eine Anhörung statt, die sich auf die formellen Voraussetzungen der Anordnung von Asylhaft beschränke. Diese Voraussetzungen dürften auf alle Dublin-Rückkehrer anwendbar sein. Auf den Kläger treffe dies insbesondere deshalb zu, weil sein Asylantrag am 21. Februar 2014 in seiner Abwesenheit abgelehnt worden sei. Er werde als Person geführt, „die sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat“. Haftanordnungen enthielten darüber hinaus Begründungen, die gesetzlich nicht vorgesehen seien. Die Haftgründe würden über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus konturlos erweitert. Im Anschluss an die Asylhaft sei bei einer Ablehnung des Asylantrags mit Abschiebungshaft zu rechnen. Es bestehe keine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Die Haftbedingungen würden sowohl in den Auskünften von Pro Asyl als auch des Auswärtigen Amtes kritisiert. Eine expansive Anwendung sedierender Medikamente sei festzustellen. Der UNHCR habe bereits 2012 gewarnt, dass ungarische Asylwächter Migranten mit Drogen ruhig stellen. Die Gründe für die Verhaftungen seien willkürlich und undurchsichtig. Die Haftbedingungen seien bereits deshalb problematisch, weil sog. „armed security guards“ eingesetzt würden, von denen häufig körperliche Übergriffe geschildert würden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Räume nicht durch Kameras überwacht würden. Die Betroffenen seien rechtlos gestellt, da sie im Falle einer Beschwerde bestenfalls mit wiederholten Schikanen rechnen dürften.
Die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO sei jedenfalls am
Der Kläger lässt beantragen,
das Klageverfahren fortzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Asylakten, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. RN 3 S 14.50032 und RN 3RN 3 K 14.50033, sowie die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage gilt nicht als zurückgenommen. Die auf Aufhebung des Bescheids vom
1. Der mit Schriftsatz vom
Falls über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Klagerücknahme oder über das Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Rücknahmefiktion Streit entsteht, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden, wenn dies beantragt wird (vgl. Kopp, VwGO, § 92, Rdnr. 28 m. w. N.). Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, so entscheidet es nach Verhandlung der Sache im Rahmen des Endurteils (vgl. Kopp a. a. O. Rdnr. 29 m. w. N.).
Gemäß § 81 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gilt die Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als einen Monate nicht betreibt. Der Kläger wurde in dem Aufforderungsschreiben vom 6. August 2014 auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen, vgl. § 81 Satz 3 AsylVfG.
Der gerichtliche Einstellungsbeschluss vom
2. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, aber unbegründet.
a. Statthaft ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 AltVwGOVwGO.
Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Bescheid sind § 27a und § 34a AsylVfG. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt u. a. die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an. Hierbei handelt es sich um belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG, deren isolierte Aufhebung zulässig ist, weil diese zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (vgl. VG Düsseldorf
Verpflichtungsklagen, die entweder auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und die Folgeentscheidungen oder auf das Ausüben des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte gerichtet sind, wären in der hier gegebenen Situation dagegen nicht statthaft. In den Fällen der Einstellung des Asylverfahrens steht die - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Verfahrens einer Verpflichtungsklage, bei der das Verwaltungsgericht „durchzuentscheiden“ hätte, entgegen (vgl. BayVGH
Ferner würde ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Beklagten kontrollieren, sondern sich erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 a. E. AsylVfG bedenklich, da der Gesetzgeber die Prüfung dem Bundesamt zugewiesen hat (vgl. VG Regensburg
b. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. U. ist für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig und es sind keine außergewöhnlichen Gründe ersichtlich, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gebieten. Die Abschiebungsanordnung ist zu Recht ergangen.
aa. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor.
Maßgeblich für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO). Deren Zuständigkeitskriterien finden gemäß Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO auf Asylanträge, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden, Anwendung. Das Gericht hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Übernahmezusage bzw. den darauf basierenden Bescheid an den Vorschriften der Dublin III-VO zu messen.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei U. um den für das Asylverfahren zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG handelt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückübernahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO, da dieser am 21. August 2013 in U. einen Asylantrag gestellt hatte, der am 21. Februar 2014 abgelehnt wurde. Zur Prüfung des Antrags ist damit nicht die Beklagte, sondern U. zuständig. Dessen Zuständigkeit umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe d Dublin III-VO die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Zuständigkeit U.s steht nicht entgegen, dass nach der Auffassung des Klägers eigentlich Griechenland für die Behandlung des Asylantrags zuständig gewesen wäre und das Bundesamt U. hierauf hätte hinweisen müssen. Dem Behördenakt lässt sich bereits nicht entnehmen, dass der Kläger einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. In der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats vom 16. Januar 2014 gab er zwar an, dass er sich drei Jahre in Griechenland aufgehalten habe. Auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat Asyl beantragt habe, nannte er jedoch nur U.. Es bestand für das Bundesamt daher keine Veranlassung, auf ein angebliches Asylverfahren in Griechenland hinzuweisen. Im Übrigen hätte U. selbst gemäß Art. 22 Dublin III-VO Gelegenheit gehabt, in dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats die erforderlichen Überprüfungen, z. B. durch eine EURODAC-Abfrage, vorzunehmen, um eine vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können. U. ist aber erkennbar von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen.
Außerdem kann gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Selbst wenn U. nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig wäre, würde es dadurch gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zum zuständigen Mitgliedstaat werden. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10, C-493/10
§ 34a Abs. 1 AsylVfG, nach dem die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Abweichend hiervon hat Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts berücksichtigt werden können und damit außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Genfer Flüchtlingskonvention steht (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann nur erreicht werden, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass einer der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 a. a. O.). Das Gericht muss sich die Überzeugung verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedsstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG
Für das Gericht ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in U. oder die Betreuung von Asylbewerbern systemische Mängel aufweist, die eine Durchbrechung des Konzepts der normativen Vergewisserung gebieten würden. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin III-VO hinfällig werden lässt. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. OVG Lüneburg
Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Zwar waren die Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in der Vergangenheit beanstandenswert und teilweise unzureichend. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Unregelmäßigkeiten traten auch vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der früheren Dublin II-VO Verordnung nach U. rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete daher in einem Bericht vom April 2012 den Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer als problematisch (vgl. UNHCR, U. als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in U., April 2012, Seite 9). Diese Lage hat sich aber gebessert. Das Gericht schließt sich insoweit der folgenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts Ansbach in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2013 (Az. AN 11 S 13.31074) an:
„Allerdings sind aus Sicht des erkennenden Gerichts diese Mängel der ungarischen Ausländer- und Asylverfahrenspraxis mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen im ungarischen Parlament vom November 2012 erheblich entschärft worden. Nach der Fortschreibung der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 werden nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft, selbst wenn es sich um Asylsuchende handelt, die über Serbien oder die Ukraine oder im Wege der Rückführung nach U. gelangen. Auch die vormals verbreitete Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen, ist nach diesem Bericht des UNHCR stark rückläufig und wird im Rahmen einer stärkeren Kontrolle durch die Polizeihauptquartiere und Staatsanwaltschaften sowie ergänzend durch eine Arbeitsgruppe von Richtern flankiert (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, December 2012, http://www...org/...html). Die von der Antragstellerseite angeführte Änderung der ungarischen Gesetzgebung, wonach seit 1. Juli 2013 in U. wieder die Haft für Asylantragsteller eingeführt worden sei, ist nicht geeignet, die vorstehenden Ausführungen in Frage zu stellen. Wie sich der aktuellen Lageeinschätzung des Vereins „bordermonitoring.eu“ vom 20. August 2013 entnehmen lässt, erfolgen Inhaftierungen von Asylbewerbern in U. lediglich in Einzelfällen.“
Im Ergebnis hält es das Gericht nach summarischer Prüfung im entscheidenden Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht für wahrscheinlich, dass dem Kläger in U. als sog. Dublin-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht (vgl. statt vieler: VG Augsburg
Das Gericht sieht auch im Hinblick auf neuere Erkenntnisquellen gegenwärtig keine Veranlassung von dieser Einschätzung abzugehen und schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen der überzeugenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 14. Juli 2014 (Az. 1 B 862/14) an:
„Systemische Schwachstellen im Asylverfahren in U. für Dublin-Rückkehrer lassen sich auch den von der Antragstellerin benannten aktuellen Erkenntnisquellen nicht entnehmen. Weder die Auskünfte des UNHCR vom 09. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (hierzu:
Die in den genannten Erkenntnisquellen beschriebene Umsetzung der ungarischen Gesetzgebungslage, nach der seit dem 1. Juli 2013 die Haft für Asylantragsteller wieder zulässig ist, lässt nicht auf systemische Schwachstellen des Asylsystems für Dublin-Rückkehrer schließen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - wie das VG Düsseldorf zu Recht anmerkt -
„(…) der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und U. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar[stellt]. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht U. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.
Gem. Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f. der Richtlinie 2013/33 EU („AufnahmeRL“) nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt jedoch, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die ungarische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in U. abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden. Dass die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus U. geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Behörden insoweit Gebrauch von den im ungarischen nationalen Recht geregelten „überschießenden“ Haftgründen - deren Europarechtskonformität durchaus angezweifelt werden kann - machen, wonach eine Inhaftierung schon bei einem „Verzögern“ oder „Behindern“ des Asylverfahrens angeordnet werden kann (vgl. Art. 31/A Buchst. c des ungarischen Asylgesetzes, vgl. VG Düsseldorf a. a. O., Rn. 106).
Dass für Dublin-Rückkehrer regelmäßig ein Fluchtgrund angenommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass die gem. Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgt. Im oben genannten National Country Report Hungary (aida) wird vielmehr ausgeführt, dass alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern tatsächlich nicht in Asylhaft genommen würden, obwohl dies rechtlich möglich sei (a. a. O., S. 9). Eine solche Differenzierung belegt, dass tatsächlich Umstände des Einzelfalls bei der Haftanordnung berücksichtigt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind, müssen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wiederaufnahme der Dublin-Rückkehrer rein zahlenmäßig ein Massengeschäft ist, welches für die Verwaltung handhabbar bleiben muss. So ist es zwar aus rechtsstaatlichen Gründen wünschenswert, dass sich eine vorangegangene Einzelfallprüfung auch in der schriftlichen Haftanordnung konkret niederschlägt, vom europäischen Recht ist dies jedoch nicht eindeutig gefordert. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL sieht lediglich vor, dass die sachlichen und rechtlichen Gründe in der Haftanordnung angegeben werden. Dass die Haftanordnung den Haftgrund „Fluchtgefahr“ nicht - auch nicht in standardisierter Form - benennt, kann das Gericht der Auskunft des UNHCR nicht klar entnehmen (vgl. dort Antwort auf Frage 3, erster Spiegelstrich:
„Der Begründungsteil [der Haftanordnung] führt keine konkreten Gründe aus, aus denen es im Falle des konkreten Asylbewerbers nötig und sachgerecht ist, Asylhaft anzuordnen. Auch fehlen Informationen dazu, warum genau im konkreten Falle die Haft erforderliches Mittel ist, um die Verfügbarkeit des Asylbewerbers während des Verfahrens sicherzustellen.“).
Der Umstand, dass bei Dublin-Rückkehrern regelmäßig eine standardisierte Verlängerung der Haftzeit um 60 Tage erfolgt und dies im Ergebnis häufig zu einer Haftdauer von insgesamt vier bis fünf Monaten führt (vgl. National Country Report Hungary, aida, a. a. O., S. 51 u. 49), steht nicht in klarem Widerspruch zu den europäischen Vorgaben, namentlich zu Art. 9 Abs. 1 AufnahmeRL. Hiernach wird ein Antragsteller für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie ein Haftgrund vorliegt. Es erscheint nicht grundsätzlich unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr fortlaufend gegeben ist.
Auch dafür, dass in U. der in Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL ausgeformte europäische Mindeststandard eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Haftanordnung unterschritten wird, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte. Das VG Düsseldorf führt hierzu aus:
„Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen, vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zudem steht dem Asylbewerber zumindest formal der Rechtsbehelf der objection zu Verfügung (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in U. systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen. Die im Bericht des Helsinki Komitees genannten Einzelfälle („Information Note“, Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 18) ebenso wie der von der Antragstellerin angeführte „Bericht über den Besuch in der Haftanstalt in Nyírbátor (U.)“ von Marc Speer (Bericht vom 10. März 2014, abrufbar unter http://...eu/files/2012/03/Besuch-Nyirbator.pdf), in dem das Einzelschicksal eines pakistanischen Asylbewerbers geschildert wird, lassen insoweit keine Rückschlüsse zu. Der Auskunft des UNHCR lässt sich entnehmen, dass die Behandlung der Inhaftierten durch die Aufsichtskräfte problematisch bleibt, dies jedoch in einem geringeren Ausmaß als zuvor (Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von Missständen insbesondere der Inhaftierungspraxis in U.. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Der UNHCR hat bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11).
Damit ist nach derzeitigem Kenntnisstand und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10 u. a.) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR vom 3.7.2014 Az. 71932/12) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.
bb. Der Kläger kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin III-VO begründen - wie die der Dublin II-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden. Sie dienen nämlich alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin
Selbst wenn man jedoch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung annehmen würde, bestehen hier keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich dieser zu einem Anspruch auf Selbsteintritt reduziert hat („Ermessensreduzierung auf Null“). Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssten außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben. Solche sind allenfalls dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen
cc. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO abgelaufen ist. Die Überstellungsfrist wird nämlich gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf (höchstens) 18 Monate verlängert, also hier bis 1. Oktober 2015, da der Kläger flüchtig im Sinne dieser Vorschrift ist. Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die „Überstellung“ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Magdeburg
Im vorliegenden Fall sollte der Kläger am
Im Übrigen kann von einer nur „vorübergehenden Abwesenheit“ nicht die Rede sein, so dass der Kläger auch insoweit „flüchtig“ war und noch ist. Nach den vorliegenden Unterlagen war der Kläger zumindest ab dem 14. Juli 2014 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft. Sein anwaltlicher Bevollmächtigter teilte erst mit Schriftsatz vom 5. September 2014 mit, dass er sich im „Kirchenasyl in H.“ befinde. Eine nahezu zweimonatige Abwesenheit ohne Meldung der Adresse an die Beklagte führt ebenfalls dazu, dass der Kläger als „flüchtig“ anzusehen war. Außerdem befindet sich der Kläger nach einer telefonischen Auskunft des Landratsamts ... vom 19. Februar 2015 nach wie vor in H. im „Kirchenasyl“. Auch der Versuch sich mittels eines - hier längeren - „Kirchenasyls“ der Überstellung zu entziehen führt dazu, dass der Kläger flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, da dieses „Überstellungshindernis“ auf einem von ihm zu verantwortenden Verhalten beruht.
dd. Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig ergangen.
Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, dann ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, da sich die Klage hauptsächlich gegen den Bescheid vom 14. März 2014 richtete. Insoweit hatte sie keinen Erfolg.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 20. Feb. 2015 - RN 3 K 14.50264
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Referenzen - Gesetze
Gesetz über den Lastenausgleich
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167
Asylgesetz
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155
Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz
Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 35 Begriff des Verwaltungsaktes
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87b
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Regensburg Urteil, 20. Feb. 2015 - RN 3 K 14.50264 zitiert oder wird zitiert von 46 Urteil(en).
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 23. Sept. 2014 - 8 K 4481/14.A
Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 16. Juni 2014 - 13 L 141/14.A
Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 29. Apr. 2015 - W 1 K 14.30139
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Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 26. Sept. 2017 - AN 14 E 17.51100, AN 14 E 17.51101
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Die am 00. September 1983 geborene Klägerin zu 1. und ihre am 30. November 2009 geborene Tochter (Klägerin zu 2.) sind mongolische Staatsangehörige. Sie reisten am 25. Februar 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 27. Februar 2013 einen Asylantrag. Nach einem Abgleich der Fingerabdrücke der Klägerin zu 1. richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 11. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-Verordnung an die Niederlande. Die niederländischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 24. April 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe c Dublin II-Verordnung.
3Das Bundesamt entschied mit Bescheid vom 2. Juli 2014, dass die Asylanträge der Klägerinnen unzulässig sind und ordnete deren Abschiebung in die Niederlande an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da die Niederlande aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin II-Verordnung für die Entscheidung der Asylanträge zuständig seien. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Es lägen auch keine Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im Asylverfahren der Niederlande vor. Die Asylanträge würden deshalb in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Abschiebungsanordnung in die Niederlande beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
4Die Klägerinnen haben am 10. Juli 2014 die vorliegende Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (8 L 1581/14.A).
5Das Gericht ordnete mit Beschluss vom 24. Juli 2014 die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 an.
6Die Klägerinnen beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
7den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 aufzuheben und
8die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren fortzuführen.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die Frist zur Überstellung der Klägerinnen in die Niederlande gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Dublin II-Verordnung sei am 28. Juni 2014 abgelaufen. Allerdings stelle sich der Asylantrag vor diesem Hintergrund als Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG dar. Dessen Voraussetzungen lägen indes nicht vor.
12Unabhängig davon fehle für eine Aufhebung von Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides das Rechtsschutzbedürfnis. Die Voraussetzung für eine Umdeutung in einen auf das gleiche Ziel gerichteten Verwaltungsakt lägen vor.
13Die Weiterreise der Klägerinnen nach Deutschland sei zudem als Beendigung des ersten Asylverfahrens in dem anderen Mitgliedstaat zu verstehen. Der Antrag auf internationalen Schutz könne zulässigerweise immer nur in einem Mitgliedstaat geprüft werden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakte 8 L 1581/14.A sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Gericht kann durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem ihm das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 22. September 2014 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylVfG). Die Entscheidung kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 2 VwGO).
17Die auf Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 gerichtete Klage ist zulässig (I.) und begründet (III.). Die Klage hinsichtlich der darüber hinaus begehrten Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens ist hingegen unzulässig (II.).
18I. Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 ist als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft. Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags ist § 27a AsylVfG, wonach ein in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abzulehnen ist, wenn die Zuständigkeit eines anderen Staates aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens vorliegt. Die mit diesem Ausspruch regelmäßig verbundene Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidungen nach §§ 27a und 34a Abs. 1 AsylVfG stellen belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG dar, deren isolierte Aufhebung - anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens - ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen (§§ 31, 24 AsylVfG). Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der - einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorrangigen - Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens der Klägerinnen zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
19Vgl. aus der aktuellen Rechtsprechung OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –; Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 – 13a B 13.30295 –; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 503/14.A –; jeweils juris.
20II. Die Klage ist hingegen unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird. Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass den Klägerinnen ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde. Dies ist jedoch nicht erkennbar.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –; jeweils juris.
22III. Die zulässige Klage auf Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 ist auch begründet.
23Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 ist zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Unrecht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, weshalb sich auch die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung in die Niederlande als rechtswidrig erweist.
25Vorliegend sind nicht (mehr) die Niederlande, sondern ist (inzwischen) die Bundesrepublik Deutschland zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
26Eine Zuständigkeit der Niederlande besteht indes nicht (mehr). Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag der Klägerinnen Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO).
27Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –, juris.
28Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Übernahmeersuchen wurde am 13. Dezember 2013 an die Niederlande gestellt.
29Einer Überstellung in die Niederlande steht – auch nach Ansicht der Beklagten – schon entgegen, dass die Frist zur Überstellung gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO bereits abgelaufen ist.
30Unabhängig davon steht der Überstellung an die Niederlande und damit deren Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens entgegen, dass seit der Stellung des Asylantrags am 27. Februar 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens an die Niederlande am 13. Dezember 2013 nahezu zehn Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit zwar allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat - vorliegend ausweislich der Eurodac-Treffer und der eigenen Angaben der Klägerin zu 1. in der Anhörung beim Bundesamt am 20. März 2013 in den Niederlanden - ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt.
31Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 - 33 L 403.13 A -; jeweils juris.
32Es liegt aber ein Fall vor, in dem es der Beklagten zum Schutz der Grundrechte der Klägerinnen aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
33EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris.
34Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
35Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –, juris; VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 - 2 B 806/13 -, juris; A.A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A -, juris.
36Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
37Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2014 – 17 L 174/14.A –; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Mai 2014 – 5a K 5709/13.A –; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. März 2014 - 6a L 297/14.A -; VG Köln, Urteil vom 6. März 2014 - 20 K 4905/13.A -; jeweils juris.
38Hier sind zwischen der Stellung des Asylantrags und der Stellung des Übernahmeersuchens durch die Beklagte fast zehn Monate vergangen. Es sind auch keine Umstände erkennbar, die diese ungewöhnlich lange, nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Grundrechte der Klägerinnen verletzende Verfahrensdauer im Einzelfall rechtfertigen könnte. Die Beklagte ist daher verpflichtet, nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO den Asylantrag der Klägerinnen selbst zu prüfen.
39Die Erwägungen der Beklagten führen zu keinem anderen Ergebnis:
40Soweit die Beklagte vorträgt, es handele sich vorliegend um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG, ist der angefochtene Bescheid gleichwohl aufzuheben. Nach § 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG gilt: Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dürften erfüllt sein. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach den obigen Darlegungen auch für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Hiernach muss die Beklagte noch prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist bislang nicht geschehen. Nach Abschluss dieser Prüfung wird die Beklagte hierüber einen rechtsmittelfähigen Bescheid erlassen müssen. Ein solcher Bescheid wäre grundverschieden vom hier angefochtenen Bescheid, so dass eine Umdeutung oder ähnliches nicht in Betracht kommen.
41Soweit das Bundesamt auf eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
42- Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris -
43Bezug nimmt, wonach es bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt sei, weil ein gleichwohl gestellter Antrag unzulässig sei, ist der Bezug zum vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Klägerinnen sind weder als Flüchtlinge anerkannt noch wurde ihnen subsidiärer Schutz gewährt. Vielmehr wurde ihr Asylantrag in den Niederlanden (bestandskräftig) abgelehnt. Es kommt mithin auch nicht zu parallelen Asylverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten.
44Liegen die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG demnach nicht vor, ist die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ebenfalls rechtswidrig.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 83 b AsylVfG.
46Dem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zugrunde.
(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.
(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen
- 1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen, - 2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.
(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Antragsgegnerin vor der Überstellung der Antragsteller nach ... eine Garantieerklärung der ungarischen Behörden dafür einzuholen hat, dass die Familieneinheit der Antragsteller gewahrt wird und die Antragsteller zu 3) und 4) ihrem Alter entsprechend kindgerecht untergebracht werden.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt S., wird für das Antrags- und das Klageverfahren abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Staatsangehörige des Kosovo und Volkszugehörige der Ashkali. Sie meldeten sich am
Am
In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am
Aus einem Bildschirmausdruck in der Akte des Asylverfahrens (Bl. 68) geht hervor, dass das Bundeskriminalamt am
Am
Mit Schreiben vom
Mit Bescheid vom 13. August 2014 lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach ... an (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ... aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gemäß Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Antragsteller machten keine Gründe geltend, die gegen eine Überstellung nach ... sprächen. Auch anderweitig lägen dem Bundesamt keine entsprechenden Informationen vor. In ... lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Der Bescheid wurde den Antragstellern am 18. August 2014 im Wege der Ersatzzustellung an den Leiter der Gemeinschaftsunterkunft zugestellt (Bl. 225 bis 228 der Bundesamtsakte).
Mit am
Gleichzeitig beantragen sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Des Weiteren wurde beantragt, den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes zu bewilligen.
Zur Begründung der Anträge wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Wiederaufnahmeersuchen nach Ablauf der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO erfolgt sei, da die Frist bereits am
Zudem bestünden in ... systemische Mängel im Asylsystem und in den Aufnahmebedingungen. Auf das Positionspapier des UNHCR vom April 2012 „... als Asylland“, den Bericht von Pro Asyl vom 15. März 2012 „...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, den Bericht des Hungarian Helsinki Committe vom 8. Oktober 2013 sowie den Bericht von bordermonitoring.eu vom Oktober 2013 mit dem Titel „...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“ werde verwiesen. Zudem werde auch auf die Stellungnahme des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie auf die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 8. August 2013 verwiesen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag, die gemäß § 75 AsylVfG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist in der Sache nicht begründet. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, weil die im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 13. August 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) rechtmäßig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt.
1. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheides vom
Da sowohl der Asylantrag als auch das Wiederaufnahmeersuchen an ... nach dem
Eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch die allein den (unmittelbaren) Gegenstand des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat bildende Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt grundsätzlich nur im Falle der Verletzung materiell-rechtlicher Rechtspositionen der Antragsteller in Betracht. Denn nach der Konzeption des Individualrechtsschutzes, die nach Art. 19 Abs. 4 GG und §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO dem Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung zugrunde liegt, hat ein Rechtsbehelf gegen einen belastenden Verwaltungsakt nur dann Erfolg, wenn und soweit der Rechtsbehelfsführer durch einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Grundsätzlich vermögen solche subjektiv-öffentlichen Rechte nur Normen des materiellen (öffentlichen) Rechts zu verleihen, die (neben dem Allgemeininteresse zumindest auch) dem Schutz der Interessen von Personen in der rechtlichen Situation, in der sich die Antragsteller befinden, zu dienen bestimmt sind (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2014, § 42 Rn. 71, 83 ff.). Wenngleich bei der unmittelbaren oder mittelbaren, d. h. durch deutsche Umsetzungsnormen vermittelten, Anwendung von Rechtsnormen des europäischen Unionsrechts eine weitere Auslegung des Begriffs des subjektiv-öffentlichen Rechts i. S. einer großzügigeren Bestimmung des Individualschutzgehaltes einer solchen Norm und des Kreises der dadurch geschützten Personen geboten ist, weil dem europäischen Unionsrecht ein anderes Konzept des Individualrechtsschutzes zugrunde liegt, ist doch auch hier erforderlich, dass die (möglicherweise) verletzte Rechtsnorm überhaupt einen individualschützenden Gehalt aufweist und die Antragsteller von ihrem Schutzbereich erfasst sind.
Die Fristbestimmungen des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO weisen jedoch nach der vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichtes keinen solchen individualschützenden Gehalt auf (vgl. VG Würzburg, B. v. 11.6.2014 - W 6 S 14.50065 - juris Rn. 18 ff.). Hinsichtlich eines (möglichen) Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften setzt die Feststellung einer subjektiven Rechtsverletzung grundsätzlich voraus, dass der Verfahrensfehler zu einer Verletzung materiell-rechtlicher Rechtspositionen der Antragsteller geführt hat. Denn Verfahrensvorschriften sind grundsätzlich kein Selbstzweck, sondern dienen der Durchsetzung materieller Rechte. Sie können daher grundsätzlich nur mit Blick auf eine verfahrensrechtlich abgesicherte materiell-rechtliche Rechtsposition subjektiv-öffentliche Rechte begründen (sog. relatives Verfahrensrecht). Nach § 46 VwVfG setzt die Feststellung einer subjektiven Rechtsverletzung in diesem Falle außerdem voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung in der Sache ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 31.7.2012 - 4 A 7001/11 u. a. - juris Rn. 34;
Im europäischen Unionsrecht ist ein Individualschutzgehalt u. a. bejaht worden hinsichtlich bestimmter als „Verfahrensgarantien“ bzw. „verfahrensrechtliche Mindestgarantien“ bezeichneter besonderer Verfahrensvorschriften, so hinsichtlich der Nachprüfung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers durch eine unabhängige Stelle (Vieraugenprinzip) nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG (EuGH, U. v. 2.6.2005 - Dörr, C-136/03 - juris Rn. 42; U. v. 29.4.2004
Übertragen auf die Fristbestimmungen des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO bedeutet dies, dass diese allenfalls als „Verfahrensgarantien“ angesehen werden könnten, die der Verwirklichung bestimmter materieller Rechte der Antragsteller zu dienen bestimmt sind. Als geschützte Rechte kommen insoweit nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta (nur) die auf der Ebene des europäischen Unionsrechts garantierten Grundrechte in Betracht. Denn beim Vollzug der Dublin III-VO - der auch die Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beinhaltet (EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S., C-411/110 - juris Rn. 64 ff.) - bewegen sich die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte in einem unionsrechtlich determinierten Bereich (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S., C-411/110 - juris Rn. 64 ff.; BVerfG, B. v. 4.10.2011 - 1 BvL 3/08 - juris Rn. 45 ff.; U. v. 2.3.2010 - 1 BvR 256/08
Durch eine - unterstellte - Fristüberschreitung nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO werden Grundrechte der Antragsteller jedoch nicht verletzt (vgl. VG Würzburg, B. v. 11.6.2014 - W 6 S 14.50065 - juris Rn. 18 ff.), weil die Fristbestimmungen und die mit einer Fristüberschreitung verbundene Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO der Sicherstellung des Rechtes auf Prüfung des Asylantrags in einem Mitgliedstaat dienen, nicht jedoch aus sich heraus subjektiv-öffentliche Rechte begründen.
Art. 23 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO dienen dem Schutz des Rechts der Antragsteller auf Prüfung ihres Asylantrags in einem Mitgliedstaat des Dublin-Systems. Dieses Recht wird unter den Umständen des vorliegenden Falles durch eine Fristüberschreitung nicht verletzt. Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Verträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert. Vielmehr dürfen die am Dublin-System beteiligten Staaten sich gegenseitig Vertrauen dahingehend entgegenbringen, dass das Asylverfahren in allen beteiligten Staaten den unionsrechtlichen und durch das Unionsrecht übernommenen völkerrechtlichen Mindestgarantien entspricht, insbesondere die Grund- und Menschenrechte der Asylbewerber generell gewährleistet (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Adullahi, C-394/12
Durch eine Überschreitung der Frist für das Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO wird unter den vorliegenden Umständen voraussichtlich auch nicht das Recht auf angemessene Verfahrensdauer verletzt. Das Grundrecht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 Abs. 1 GR-Charta beinhaltet zwar ein Recht auf Sachbehandlung eines Antrags durch die Verwaltung in angemessener Zeit (Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 41 GR-Charta Rn. 12; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 41 GR-Charta Rn. 7, Jarass, GR-Charta Art. 41 Rn. 16). Dieses Recht gilt als Jedermannsrecht auch für die Antragsteller als Drittstaatsangehörige (Ruffert a. a. O. Rn. 5; Streinz a. a. O. Rn. 13; Jarass, GR-Charta, Art. 41 Rn. 11). Dieses Recht der Antragsteller ist jedoch durch eine (allenfalls geringfügige) Überschreitung der Frist gem. Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO nicht verletzt. Die Antragsteller haben am 5. Mai 2014 im Bundesgebiet Asyl beantragt. Am 7. Mai 2014 oder 30. Juni 2014 ist dem Bundesamt das Vorliegen des Eurodac-Treffers bekannt geworden. Am 31. Juli 2014 hat das Bundesamt die ungarischen Behörden um Wiederaufnahme der Antragsteller ersucht, am 12. August 2014 erfolgte die Zustimmung ...s und am 13. August 2014 ist die Abschiebungsanordnung ergangen (zugestellt am 18. August 2014). Damit ist zwischen der Kenntnis des Bundesamtes vom Vorliegen eines Eurodac-Treffers - unabhängig davon, auf welches der beiden in Betracht kommenden Daten man abstellt - und der Stellung des Wiederaufnahmegesuchs ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten vergangen. In einem solchen Fall wurde unter der Geltung der Dublin II-VO, die eine Frist für das Wiederaufnahmeersuchen nicht vorsah, nicht von einer überlangen Verfahrensdauer ausgegangen (für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensverzögerung erst ab einem Untätigbleiben von deutlich über einem Jahr VG Würzburg, U. v. 27.8.2014 - W 7 K 14.30286 - UA Seite 12; VG Stuttgart, U. v. 28.2.2014 - A 12 K 383/14 - juris Rn. 23). Für die Dublin III-VO kann im Hinblick auf die Frage einer Verletzung des Art. 41 GR-Charta nichts anderes gelten. Denn die vorgesehene Zweiwochenfrist für das Wiederaufnahmeersuchen bei Vorliegen eines Eurodac-Treffers dient ersichtlich nicht der Konkretisierung der „angemessenen Verfahrensdauer“ i. S. d. Art. 41 Abs. 1 GR-Charta. Vielmehr hat diese Frist den Zweck, das Verfahren der Zuständigkeitsermittlung nach der Dublin III-VO im Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu beschleunigen (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12
2. Die Antragsteller werden unter Beachtung der in Ziffer I. des Tenors enthaltenen Maßgabe voraussichtlich auch nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass in Ziffer 2 des Bescheides vom
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO bzw. für Ermessensfehler bei der Entscheidung der Antragsgegnerin über den Verzicht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts und deshalb für ein Recht der Antragsteller (zumindest) auf ermessensfehlerfreie Entscheidung sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Überstellung eines Asylbewerbers an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden i. S. v. Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419 f.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaates gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-Verordnungen gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in ... (derzeit) vorliegen. Das Gericht teilt vielmehr insoweit aufgrund im Folgenden noch darzulegender eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) sowie einiger anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in ... verneinen (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 17 ff.;
Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland ... vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar). Dass die Antragsteller nach einer Rücküberstellung nach ... unmittelbar nach Griechenland weitergeschoben würden, ist damit aufgrund dieser Erkenntnisquellen nicht anzunehmen. Gegenteiliges lässt sich auch dem Bericht von bordermonitoring.eu vom Oktober 2013, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, nicht entnehmen.
Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems werden in jüngerer Zeit primär auf die im Juli 2013 in ... in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monaten möglich ist (vgl. hierzu etwa VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.7.2013 - VG 1 L 213/13.A; VG München, B. v. 4.10.2013 - M 23 S 13.30926). Auch dieser Umstand vermag nach Auffassung des Gerichts - jedenfalls derzeit - systematische Mängel nicht zu begründen. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes findet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts for the purpose of legal harmonisation; abrufbar im Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie (RL) 2013/33/EU, die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Entsprechend den Vorgaben dieser Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. insoweit Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Kritisiert wurde diesbezüglich nur, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2 f.; European Council on Refugees and Exiles in seinem Bericht: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers; zugänglich im Internet in englischer Sprache; UNHCR comments and recommendations, S. 9).
Dass es tatsächlich zu einer systematischen, missbräuchlichen Anwendung der Inhaftierungsvorschriften komme oder bereits gekommen sei, kann diesen Berichten dagegen gerade nicht entnommen werden (vgl. hierzu nur HHC, Brief Information Note, S. 4, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass die zukünftige Umsetzung und Anwendung dieser Gesetzesnovelle beobachtet werden muss). Gegenteiliges ist auch dem angeführten Bericht von bordermonitoring.eu, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013 nicht zu entnehmen. Auch dort wird insoweit nur kritisiert, dass die entsprechenden Normen weit gefasst seien (vgl. S. 35 des genannten Berichts). Entsprechende Erkenntnismittel, die insoweit bereits bestehende systemische Mängel festgestellt hätten, sind aber bislang weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit und solange sich aber keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) davon auszugehen, dass auch für ... die Vermutung besteht, dass Asylsuchende jedenfalls seit November 2012 (wieder) in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt werden.
Schließlich geht das Gericht davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in ... zwar schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonitoring.eu, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16 ff. und S. 35 f.). Diese stellen sich, unabhängig von der Frage, ob den Antragstellern ein solcher Status überhaupt zuerkannt werden wird, nach Auffassung des Gerichts aber als nicht so gravierend dar, dass diese entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten. Denn von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vorgelegten Bericht, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte durchaus Anspruch auf öffentliche Leistungen haben (vgl. den genannten Bericht von bordermonitoring.eu, S. 16). Dass trotz dieser Unterstützungsleistungen anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten in ganz ... in systemischer Weise Obdachlosigkeit drohen würde, ist durch diesen Bericht dagegen nicht glaubhaft gemacht. So wird dort insbesondere auf Mietkosten in der Hauptstadt Budapest abgestellt, wo die Mietkosten deutlich höher sein dürften als im restlichen ... (vgl. bordermonitoring.eu, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16). Auch dieser Gesichtspunkt steht einer Rücküberstellung der Antragsteller daher nicht entgegen (so auch VG Würzburg B. v. 21.3.2014 - W 1 S 14.30147;
Weder das Vorbringen der Antragsteller noch die neueren Erkenntnismittel, insbesondere der Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom Mai 2014, die Auskunft von UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände insbesondere der Inhaftierungspraxis in ... Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in ... explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach ... zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - Halaf, C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).
Auch unter Einbeziehung der neuesten Berichte zur tatsächlichen Situation in ..., insbesondere im Hinblick auf die regelmäßige Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern, ist festzustellen, dass die dort genannten Missstände nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Das Gericht folgt nicht der Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Hinblick auf die Inhaftierungspraxis nunmehr für gegeben bzw. für überprüfungsbedürftig hält (so VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris;
Im Übrigen droht den Antragstellern als Familie mit (minderjährigen) Kindern in ... nach derzeitiger Erkenntnislage ohnehin keine Inhaftierung. Denn dem aktuellen aida-Bericht (European Council on Refugees and Exiles - ECRE, Asylum Information Database - aida, National Report, Hungary vom 30.4.2014, S. 48) ist zu entnehmen, dass in ... Frauen und Familien mit Kindern in der Praxis nicht mehr inhaftiert werden (ebenso VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 13; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 87 ff.; anderer Ansicht, jedoch ohne Auseinandersetzung mit dem o. g. Bericht: VG München, B. v. 30.5.2014 - M 10 S 14.50134, M 10M 10 S 14.50136, M 10 S M 10 S 14.50138 - juris Rn. 20 ff.;
Eine Rückführung der Antragsteller nach ... unter der in Ziffer I. des Tenors bezeichneten Maßgabe steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichts. Der EGMR führte in der Entscheidung Tarakhel/Schweiz - dort zu einer Überstellung nach Italien - aus, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK dann gegeben ist, wenn Asylbewerber nach Italien überstellt werden, ohne dass zuvor seitens der Behörden des rückführenden Staates individuelle Garantien von den italienischen Behörden eingeholt wurden (EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12
4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn in einem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Mali. Eigenen Angaben zufolge reiste er am
Da Umstände vorlagen (Abgleich von Fingerabdrücken), die für die Zuständigkeit Ungarns zur Durchführung des Asylverfahrens nach der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (Dublin-III-VO - ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 ff) sprachen, stellte das Bundesamt am 20.10.2014 ein Übernahmeersuchen an U.
Mit Schreiben vom
Mit Bescheid vom
Am
Am 1.12.2014 ging ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bei Gericht ein. Mit diesem Schriftsatz wurde erneut eine Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhoben sowie ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Diese Verfahren werden unter den Az. RN 5 K 14.50318 und RN 5RN 5 S 14.50317 geführt. Zur Begründung wird auf neuere Erkenntnisquellen hingewiesen, insbesondere auf einen Länderbericht der Asylum Information Data Base vom 30.4.2014, auf eine Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 26.11.2014 gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 18.11.2014 anzuordnen.
Das Bundesamt hat bislang noch keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf das den Antragsteller betreffende Aktengeheft des Bundesamts, das dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes durch Gesetz angeordnet ist, wie dies hier der Fall ist (vgl. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Satz 1 AsylVfG). Betrifft das Verfahren eine nach § 34a Abs. 1 AsylVfG angeordnete Abschiebung, so ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen, was vorliegend geschehen ist.
Bei seiner Entscheidung hat das Gericht eine Interessenabwägung durchzuführen, im Rahmen derer das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung gegeneinander abzuwägen sind. Im Rahmen dieser Abwägung spielen die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine wesentliche Rolle. Lassen sich diese nach der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht hinreichend sicher abschätzen, so führt dies zu einer von den Erfolgsaussichten der Klage unabhängigen Interessenabwägung (vgl. Kopp/Schenke, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 146 ff., insb. Rn. 152).
Ein Abweichen von diesen allgemeinen Grundsätzen der Entscheidungsfindung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist vorliegend nicht geboten. Insbesondere ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes geboten, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrages als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG der Fall ist. Diese Modifizierung des Prüfungsmaßstabes im Eilrechtsschutzverfahren hat der Gesetzgeber nicht auf Rechtsschutzverfahren gegen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnungen ausgedehnt, so dass es hier bei den allgemeinen Grundsätzen verbleibt (VG Regensburg
2. Die Klage wird im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weshalb auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg hat.
Das Bundesamt hat die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Hier hat das Bundesamt die Abschiebung nach Ungarn angeordnet, weil die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 29.10.2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 - Dublin-III-VO (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 ff.) erklärt haben. Somit steht grundsätzlich fest, dass die Abschiebung nach Ungarn - als EU-Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26a AsylVfG - durchgeführt werden kann.
a) Keine Rolle spielt es insoweit, ob Ungarn tatsächlich der nach dem Dublin-Regime zuständige Staat für die Durchführung des Asylverfahrens ist. Bei den europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften handelt es sich um reine zwischenstaatliche Regelungen, die grundsätzlich keine subjektiven Rechten von Asylbewerbern begründen, wonach das Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden muss. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das europäische Zuständigkeitssystem lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in der Dublin-III-VO niedergelegten Zuständigkeitsregeln an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten vor. Damit wird in erster Linie die Beschleunigung der Bearbeitung von Asylanträgen im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der am gemeinsamen europäischen Asylsystem teilnehmenden Staaten bezweckt. Hat ein Mitgliedstaat daher gegenüber einem anderen Staat seine Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO erklärt, kann der hiervon betroffene Asylbewerber insoweit nicht geltend machen, dass dieser Staat für die Durchführung des Asylverfahrens an sich unzuständig sei. Ein subjektives vor den Gerichten durchsetzbares Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedstaat besteht somit grundsätzlich nicht (EuGH vom 10.12.2013, Rs. C-394/12
b) Der Regelung des § 34a AsylVfG, wonach die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Grundlage und Rechtfertigung des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist die Vermutung, dass das Asylverfahren und die Aufnahme der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat in Einklang steht mit den Anforderungen der Charta der Grundrechte der EU, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Deshalb ist davon auszugehen, dass dem Asylsuchenden im Zielstaat der Abschiebung keine politische Verfolgung droht (vgl. EuGH vom 10.12.2013, Rs. C-394/12
c) Die Rechtsprechung lässt jedoch in eng begrenzten Ausnahmefällen Abweichungen von diesem Konzept zu. Das Konzept der normativen Vergewisserung wird danach insbesondere dann durchbrochen, wenn - wie dies der Europäische Gerichtshof formuliert - ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Asylbewerbers im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) implizieren (vgl. EuGH vom 21.12.2011, verb. Rs. C-411/10
Für das durch den Untersuchungsgrundsatz geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
„Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl.
Zu prüfen ist demnach, ob in Ungarn die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern im Allgemeinen eingehalten werden. Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Erst wenn der Asylbewerber nach der Überzeugung des Gerichts wegen größerer Funktionsstörungen des ungarischen Asylverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat, muss eine Abschiebung dorthin unterbleiben, mit der Folge, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 erfolgreich ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedeutet dies dann allerdings noch nicht, dass der Asylbewerber gegen die Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO hat (vgl. dazu unten 2. d)). Die Bundesrepublik ist in einem derartigen Fall lediglich verpflichtet, die Prüfung der Kriterien des Kapitels III der Dublin-III-VO fortzuführen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedsstaat nach einem dieser Kriterien oder andernfalls nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO als zuständig bestimmt werden kann (vgl. EuGH vom 14.11.2013, Rs. C-4/11
In Bezug auf Ungarn ist der zur Entscheidung berufene Einzelrichter nach aktuellem Kenntnisstand davon überzeugt, dass Asylbewerbern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land keine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Nach der im Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist derzeit nicht (mehr) davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Ungarn schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden.
aa) Mit dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 6.8.2013, Az. 12 S 675/13
bb) Diese Erkenntnisse müssen zwischenzeitlich jedoch als überholt gelten. In einem aktuelleren Bericht vom Dezember 2012 führt der UNHCR nämlich aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet hat. Dublin-Rückkehrer werden danach nicht inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen (UNHCR, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update - UNHCR observations on Hungary as a country of Asylum, Dezember 2012). Diese Erkenntnisse decken sich mit den Angaben von Liaison-Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beim ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung, die sowohl vom OVG Magdeburg (Beschluss vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12
cc) Auch die am 1.7.2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen im ungarischen Asylgesetz, die die Möglichkeiten einer Inhaftierung von Asylsuchenden erweitert haben, führen zu keiner anderen Einschätzung. Zu den Gesetzesänderungen liegen dem Gericht drei Äußerungen von Nichtregierungsorganisationen vor, die in englischer Sprache verfasst sind und die keine generelle Empfehlung aussprechen, Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht nach Ungarn zu überstellen (UNHCR, Comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts fort he purpose of legal harmonisation vom 12.4.2013; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013; European Council of Refugees and Exiles, Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers). Mit dem OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 31.5.2013, Az. 4 L 169/12) vermag der zur Entscheidung berufene Einzelrichter nicht zu erkennen, dass die Neuregelungen zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens in Ungarn führen. Aus den zitierten Berichten ergibt sich nicht, dass eine mögliche Inhaftierung von Asylbewerbern nach den neuen Regelungen in Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass Ungarn damit gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass es sich bei den neuen Regelungen um eine Verletzung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (sog. AufnahmeRL a. F. - ABl. L 326 vom 13.12.2005, S. 13 ff.) handelt, wonach die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Asylbewerber ist. Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 26 Abs. 1 AufnahmeRL n. F. (Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96). Vielmehr wird in einem Bericht des UNHCR (Comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts fort the purpose of legal harmonisation vom 12.4.2013) gerade darauf verwiesen, dass Ungarn mit den Gesetzesänderungen teilweise Vorgaben einer (geplanten) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Asylbewerbern umsetzen wolle.
dd) Systemische Schwachstellen im Asylverfahren in Ungarn für Dublin-Rückkehrer lassen sich auch den vom Antragsteller benannten aktuellen Erkenntnisquellen nicht entnehmen. Weder die Auskünfte des UNHCR vom 09. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (vgl. dazu den Beschluss dieses Gerichts
Seit der (Wieder-)Einführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013, die erneut eine Inhaftierung von Erstantragstellern ermögliche, seien im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 rund 25% aller Asylantragsteller auf dieser Grundlage inhaftiert worden (Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Auch wenn die soeben referierten Umstände über die Behandlung von im Dublin-Verfahren nach Ungarn rücküberstellten Asylantragstellern weit hinter den deutschen Standards zurückbleiben, so rechtfertigen sie noch nicht die Annahme systemischer Mängel des ungarischen Asylverfahrens und/oder der dort vorherrschenden Aufnahmebedingungen für Asylbewerber. Der zur Entscheidung berufene Einzelrichter folgt hier vollumfänglichen den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 14.7.2014 (Az. 1 B 862/14
„Gem. Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f. der Richtlinie 2013/33 EU („AufnahmeRL“) nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt jedoch, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die ungarische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in Ungarn abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden. Dass die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus Ungarn geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Behörden insoweit Gebrauch von den im ungarischen nationalen Recht geregelten „überschießenden“ Haftgründen - deren Europarechtskonformität durchaus angezweifelt werden kann - machen, wonach eine Inhaftierung schon bei einem „Verzögern“ oder „Behindern“ des Asylverfahrens angeordnet werden kann (vgl. Art. 31/A Buchst. c des ungarischen Asylgesetzes, vgl. VG Düsseldorf a.a.O, Rn. 106).
Dass für Dublin-Rückkehrer regelmäßig ein Fluchtgrund angenommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass die gem. Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgt. Im oben genannten National Country Report Hungary (aida) wird vielmehr ausgeführt, dass alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern tatsächlich nicht in Asylhaft genommen würden, obwohl dies rechtlich möglich sei (a. a. O., S. 9). Eine solche Differenzierung belegt, dass tatsächlich Umstände des Einzelfalls bei der Haftanordnung berücksichtigt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind, müssen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wiederaufnahme der Dublin-Rückkehrer rein zahlenmäßig ein Massengeschäft ist, welches für die Verwaltung handhabbar bleiben muss. So ist es zwar aus rechtsstaatlichen Gründen wünschenswert, dass sich eine vorangegangene Einzelfallprüfung auch in der schriftlichen Haftanordnung konkret niederschlägt, vom europäischen Recht ist dies jedoch nicht eindeutig gefordert. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL sieht lediglich vor, dass die sachlichen und rechtlichen Gründe in der Haftanordnung angegeben werden. Dass die Haftanordnung den Haftgrund „Fluchtgefahr“ nicht - auch nicht in standardisierter Form - benennt, kann das Gericht der Auskunft des UNHCR nicht klar entnehmen (vgl. dort Antwort auf Frage 3, erster Spiegelstrich:
„Der Begründungsteil [der Haftanordnung] führt keine konkreten Gründe aus, aus denen es im Falle des konkreten Asylbewerbers nötig und sachgerecht ist, Asylhaft anzuordnen. Auch fehlen Informationen dazu, warum genau im konkreten Falle die Haft erforderliches Mittel ist, um die Verfügbarkeit des Asylbewerbers während des Verfahrens sicherzustellen.“).
Der Umstand, dass bei Dublin-Rückkehrern regelmäßig eine standardisierte Verlängerung der Haftzeit um 60 Tage erfolgt und dies im Ergebnis häufig zu einer Haftdauer von insgesamt vier bis fünf Monaten führt (vgl. National Country Report Hungary, aida, a. a. O., S. 51 u. 49), steht nicht in klarem Widerspruch zu den europäischen Vorgaben, namentlich zu Art. 9 Abs. 1 AufnahmeRL. Hiernach wird ein Antragsteller für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie ein Haftgrund vorliegt. Es erscheint nicht grundsätzlich unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr fortlaufend gegeben ist.“ (Soweit das VG Stade die AufnahmeRL zitiert, ist dabei die Neufassung dieser Richtlinie gemeint.)
Auch dafür, dass in Ungarn der in Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL n. F. ausgeformte europäische Mindeststandard eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Haftanordnung unterschritten wird, bestehen nach Auffassung des Einzelrichters keine belastbaren Anhaltspunkte; denn dem Asylbewerber steht zumindest formal der Rechtsbehelf der objection zu Verfügung (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Ferner vermag das Gericht auch keine systemischen Mängel bei den ungarischen Haftbedingungen erkennen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung der Dublin-Rückkehrer führen. Zwar werden im Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom Mai 2014 (Seite 18) Einzelfälle von afghanischen Staatsangehörigen geschildert, bei denen es zu menschenrechtswidrigen Behandlungen gekommen sein soll. Diese Schilderungen von Betroffenen stellen jedoch Einzelfälle dar, aufgrund derer nicht auf systemische Mängel bei den Haftbedingungen geschlossen werden kann.
Nach alledem besteht nach der Einschätzung des zur Entscheidung berufenen Einzelrichters im Regelfall kein Hinderungsgrund für eine Rücküberstellung von Asylbewerbern nach Ungarn im Dublin-Verfahren (so auch VG Düsseldorf
ee) Bestätigt wird das Gericht in seiner Einschätzung durch eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
d) Der Antragsteller kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin-III-VO begründen - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz - grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Sie dienen - wie bereits oben ausgeführt - alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin
Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssen außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben. Solche sind dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen
Dass derartige Gründe vorliegen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
3. Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Deshalb muss die Abschiebung nicht nur rechtlich möglich sein, sondern sie muss auch tatsächlich durchführbar sein. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, so ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH
Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Vollstreckungshindernisse sind hier weder vorgetragen noch sonst für das Gericht nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylVfG.
5. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage (13 K 445/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 24. Januar 2014 sinngemäß bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (13 K 445/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) berufen ist, hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG in seiner durch Artikel 1 Nummer 27 Buchstabe b des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Absatz 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsanordnung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 20. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde am 22. Januar 2014 gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 24. Januar 2014 innerhalb der Wochenfrist den Eilantrag gestellt und Klage erhoben.
7Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR –, juris Rn. 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 – juris Rn. 3 f; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A – und vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A -, beide in juris.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) kann das Gericht bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend feststellen, ob die angegriffene Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag des Antragstellers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abzulehnen und gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Ungarn anzuordnen, rechtmäßig ist oder nicht. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage sind aus den nachfolgenden Gründen vielmehr als offen zu bezeichnen. Eine Klärung muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Eine Abwägung der widerstreitenden Belange, nämlich einer Gefährdung der Rechtsgüter des Antragstellers einerseits und des nur zeitlich gefährdeten Abschiebungsinteresses der Antragsgegnerin andererseits, führt aber bei offenem Ausgang der streitigen Frage zu einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers. Denn jenes Interesse hat gegenüber dem Anspruch des Antragstellers auf einen Schutz entsprechend den im Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbarten Mindeststandards zurückzutreten.
11Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt, wenn der Antragsteller in einen nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
12Zwar ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass Ungarn grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständige Mitgliedstaat ist (I.). Dagegen ist derzeit als offen anzusehen, ob der Antragsteller deshalb nicht in den an sich zuständigen Mitgliedstaat Ungarn abgeschoben werden darf, die Abschiebung also rechtlich unmöglich i.S.v. § 34a Absatz 1 Satz 1 a.E. AsylVfG ist, weil systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der GrCh bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden (II.).
13I. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Antragstellers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. in Eilverfahren auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II‑VO, die Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO weiter anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt nur im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die – anders als vorliegend – ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO),
14vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/14.A -, vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A – und vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A -, juris.
15Nach den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO ist Ungarn der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Der Antragsteller hat ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits am 3. Mai 2013 in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Ungarn hat auf das am 23. Dezember 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Antragstellers nach Artikel 16 Absatz 1 Bst c Dublin II-VO am 6. Januar 2014, und damit innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst c Dublin II-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für den Asylantrag des Antragstellers erklärt. Ungarn ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Bst d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
16Der Überstellung des Antragstellers nach Ungarn steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 8. Juli 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens an Ungarn am 23. Dezember 2013 etwas mehr als 5 Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin-II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Ungarn) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Antragsgegnerin daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
17vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 17 L 150/13.A -, juris Rn 40; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 -, juris Rn 24; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A -, juris Rn 8.
18Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
19vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. -, juris Rn 108.
20Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
21vgl. Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 -, juris, Rn 10; a.A. Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A – juris, Rn 8.
22Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Absatz 2 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin-III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch Artikel 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
23vgl. i.E. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 – 17 K 4737/12.A -, S. 8 des Urteilsabdrucks, n.v; Beschlüsse vom 26. Februar 2013 – 13 L 396/14.A. – und vom 31. März 2014 ‑ 13 L 119/14.A - beide juris.
24Hier sind seit der Asylantragstellung am 8. Juli 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 23. Dezember 2013 erst etwas mehr als 5 Monate verstrichen, so dass unter keinen Umständen von einer unangemessen langen Frist auszugehen ist.
25II. Allerdings bedarf es vorliegend weiterer – dem Hauptsacheverfahren vorbehaltener – Aufklärung, ob die Antragsgegnerin deshalb an der Überstellung des Antragstellers nach Ungarn gehindert ist, weil das ungarische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C/411/10 et al. -, juris Rn 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
27Zwar besteht kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Denn die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin II-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
28vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11-, juris Rn 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11-, juris Rn 57 f.
29Eine Rückführung von Asylbewerbern in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens ist aber - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO – dann unzulässig, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden,
30EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. -, juris Rn 94.
31Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 GrCh implizieren,
32EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011– C-411/10 et al. -, juris Rn 86.
33Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
34EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al.-, juris Rn 94.
35Der hier noch nicht anzuwendende Art. 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU‑Grundrechtscharta mit sich bringen.
36Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
37vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 -, juris, Rn 130.
38Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie der Antragsteller vor der Ausreise aus Ungarn dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben, über den materiell noch nicht entschieden worden ist.
39Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
40vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. -, juris, Rn 90 ff.
41Letzteren Informationen kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu. Dies entspricht der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, wobei letztere bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften zu beachten ist,
42vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C 528/11-, juris, Rn 44.
43Für die Frage, ob in Ungarn „systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ im Sinne der zitierten Rechtsprechung vorliegen, kommen dabei allerdings vorliegend von vorne herein nur solche Auskünfte und Berichte der genannten Organisationen in Betracht, die sich mit der Sach- und Rechtslage in Ungarn seit dem 1. Juli 2013 befassen. Für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2013, insbesondere ab dem 1. Januar 2013, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon auszugehen, dass die in den Jahren bis 2012 festgestellten Mängel des ungarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen durch zwischenzeitliche weitreichende tatsächliche und rechtliche Verbesserungen, insbesondere die vorübergehende Abschaffung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit Wirkung zum 1. Januar 2013, entfallen sind,
44vgl. EGMR, Urteil vom 6. Juni 2013 – 2283/12-, Rn 105, Mohammed gegen Österreich, in Auszügen veröffentlicht unter asyl.net.
45Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns allerdings erneut verändert. Insbesondere wurden erneut umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylbewerbern, sog. asylum detention - eine durch die für das Asylverfahren zuständige Behörde angeordnete Verwaltungshaft – in das Asylrecht aufgenommen. Pro Asyl und das Hungarian Helsinki Committee kritisierten in ihren ersten Stellungnahmen zu den am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Rechtsänderungen frühzeitig die Unbestimmtheit der Haftgründe und die hierdurch bestehende Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheiten und äußerten die Befürchtung, dass in Ungarn die Inhaftierung von Asylantragstellern auf dieser Grundlage erneut zum Regelfall werde, zumal die rechtlich zur Verfügung stehenden Alternativen zur Haft, wie etwa Kautionsleistungen oder regelmäßige Meldepflichten, nach ihren Voraussetzungen so ungenau formuliert seien, dass diese voraussichtlich keine Anwendung finden würden. Ferner wurde kritisiert, dass gegen die Anordnung der Haft keine selbständigen Rechtsbehelfe zur Verfügung stünden, sondern eine Überprüfung lediglich in einem automatischen gerichtlichen Verfahren alle 60 Tage erfolge,
46vgl. Pro Asyl, bordermonitoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012 von Oktober 2013, abrufbar unter www.proasyl.de; Hungarian Helsinki Committee, Brief Information Note on the main asylum-related legal changes in hungary as of 1 July 2013, S. 2 und 3, abrufbar unter http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-udate-hungary-asylum-1-July-2013.pdf; Hungarian Helsinki Committee, Briefing Paper fort he Working Group on Arbitrary Detention, UN Commission of Human Rights vom 8. Oktober 2013, Kapitel 7 „Detention of migrants“, S. 17 f., abrufbar unter http://www.helsinki.hu.
47Die genannten Berichte beruhen allerdings im Wesentlichen auf einer Auswertung der geänderten Rechtslage selbst, während Erkenntnisse zur konkreten Handhabung dieser Regelungen durch Ungarn angesichts des Zeitpunkts der Erstellung der Berichte kurz nach der Rechtsänderung naturgemäß noch nicht vorlagen. In der Folgezeit wurden seitens dieser Organisationen zunächst keine weiteren Erkenntnisse zur Rechtspraxis in Ungarn veröffentlicht.
48Dementsprechend gelangte die überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bislang zu der Einschätzung, dass die in diesen Erkenntnismitteln geäußerten Befürchtungen und vorläufigen Schlussfolgerungen auch unter Berücksichtigung der früheren Praxis in Ungarn noch kein hinreichender Beleg für eine systemische unionsrechtswidrige Asylpraxis in Ungarn seien und selbst dann, wenn es infolge der in Kraft getretenen Neuregelungen des Asylverfahrens nach dem 1. Juli 2013 zu einzelnen Missständen gekommen sein sollte, sich daraus jedenfalls für das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn – noch - keine „systemischen Mängel“ ergeben,
49vgl. beispielhaft für die ablehnende Rechtsprechung, alle mit weiteren Nachweisen: Verwaltungsgericht Augsburg, Beschluss vom 14. Mai 2014 – Au 7 S 14.50092 -, juris, Rn 26, 31 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 25. April 2014 - 4 K 2131/13.A -, juris; Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 2. Mai 2014 – RN 8 S 14.50083-, juris, Rn 20; Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 28. März 2014 – W 1 S 14.30145 - , juris, Rn 17, m.w.N.; Verwaltungsgericht Frankfurt, Beschluss vom 25. Februar 2014 – 8 L 428/14.F.A -, juris, Rn 10 f.; die Frage als offen und aufklärungsbedürftig bezeichnend: Verwaltungsgericht Freiburg, Beschluss vom 28. August 2013 – A 5 K 1406/14 -, juris, Rn 16 ff.; Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 23. Dezember 2013 – M 23 S 13.31303 -, juris, Rn 16 f.; Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 11. Februar 2014 – M 24 S 13.31330 -, juris, Rn 51 ff.; Verwaltungsgericht Kassel, Beschluss vom 17. Februar 2014 – 6 L 122/14.KS.A -, n.V.
50Auf der Grundlage einer im vorliegenden Verfahren eingeholten aktuellen Auskunft des UNHCR vom 9. Mai 2014 zur Rechtsanwendungspraxis in Ungarn bezüglich der neuen Haftgründe sowie aufgrund der Angaben im aktuell veröffentlichten aida Länderbericht und der Information Note des Hungarian Helsinki Committee von Mai 2014,
51aida, Asylum Information Database, National Country Report Hungary, Stand: 30. April 2014, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aida_-_hungary_second_update_final_uploaded_0.pdf, Hungarian Helsinki Committee, Information note on asylum-seekers in detention and in Dublin procedures in hungary, Mai 2014, abrufbar unter http://helsinki.hu/en/information-note-on-asylum-seekers-in-detention-and-in-dublin-procedures-in-hungary,
52ergeben sich bei der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung allerdings ernst zu nehmende – hinsichtlich der Schwere und Offensichtlichkeit aber noch weiter aufklärungsbedürftige - Anhaltspunkte für eine mit Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrCh nicht in Einklang stehende Inhaftierungspraxis Ungarns.
53Dabei geht das Gericht bei der Bewertung der aktuellen Erkenntnismittel von den sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Maßstäben für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrCh aus.
54In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher, die – wie der Antragsteller - nicht das Bild eines illegalen Einwanderers bieten, weil ihre Identität den griechischen Behörden aufgrund der gegenüber dem anderen Mitgliedstaat abgegebenen Übernahmezusage ersichtlich bekannt war, in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte,
55vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 juris, Rn 225, 234.
56Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung,
57vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – a.a.O. – Rn 233.
58Artikel 3 EMRK verpflichte die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige,
59EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – a.a.O. – Rn 222.
60Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu,
61vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – a.a.O. -, Rn 250, 263; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 172/13 -, juris, Rn 40.
62Nach diesen Maßgaben lassen sich zur Inhaftierungspraxis Ungarns derzeit folgende ‑ vorläufige ‑ Feststellungen treffen:
63Seit der (Wieder-)Einführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013, die erneut eine Inhaftierung von Erstantragstellern - wie dem Antragsteller des vorliegenden Verfahrens - ermöglicht, wurden im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 rund 25 % aller Asylantragsteller auf dieser Grundlage inhaftiert,
64vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, Frage 1, Seite 1.
65Die Gesamtzahl der in diesem Zeitraum gestellten neuen Asylanträge belief sich auf 7.156, während die Anzahl der Inhaftierungen im gleichem Zeitraum 1.762 betrug; die Hafteinrichtungen waren in diesem Zeitraum regelmäßig voll besetzt;
66vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 1 und Fußnote 1; aida, National Country Report Hungary, S. 48.
67Nach der Dublin-Verordnung nach Ungarn zurücküberstellte Asylbewerber wurden in diesem Zeitraum flächendeckend inhaftiert,
68vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 zu Frage 3, S. 2.
69Zwar stellt der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern – wenn auch unter engen Voraussetzungen – im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) – im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht Ungarn ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.
70Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergeben sich aber ungeachtet dessen sowohl hinsichtlich des Verfahrens der Haftanordnung durch die zuständige Verwaltungsbehörde (sog. Office of Immigration and Nationality – OIN) als auch mit Blick auf die gegen die Haftanordnung bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Anhaltspunkte für eine grundrechtsverletzende, insbesondere willkürliche und nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Inhaftierungspraxis, der die Asylbewerber rechtsschutzlos ausgeliefert zu sein scheinen.
71Den Verwaltungsentscheidungen, mit denen die Asylhaft gegenüber Erstantragstellern angeordnet wird, fehlt es regelmäßig an einer einzelfallbezogenen Begründung. Denn die haftanordnenden Entscheidungen des OIN nennen weder den konkreten Haftgrund, noch enthalten sie Angaben dazu, warum die Inhaftierung aus Sicht der zuständigen Behörde im konkreten Einzelfall erforderlich und angemessen ist und insbesondere keine anderen milderen Mittel in Betracht kommen, um eine Verfügbarkeit des Antragstellers im Asylverfahren sicherzustellen, wie etwa die Stellung einer Kaution, die Anordnung einer Residenzpflicht oder regelmäßige Meldepflichten - Alternativen zur Haft, die im neuen ungarischen Asylrecht rechtlich durchaus vorgesehen sind,
72vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 3, Seite 2; aida, National Country Report Hungary, a.a.O., S. 51; Information Note des Hungarian Helsinki Committee von Mai 2014, S. 6 und 11 f., a.a.O.
73Vielmehr werden Asylbewerber nur mündlich über die Gründe ihrer Inhaftierung informiert und erhalten die – nicht mit einer Begründung versehene - Haftanordnung noch dazu ausschließlich in ungarischer Sprache,
74vgl. aida, National Country Report Hungary, a.a.O., S. 56.
75was jedenfalls die Überprüfbarkeit der Anordnung und die Inanspruchnahme von Rechtsschutz für den Asylbewerber deutlich erschweren dürfte.
76Dass vor der Anordnung der Haft eine – lediglich nicht schriftlich dokumentierte - Einzelfallprüfung erfolgt, ergibt sich ebenfalls nicht. Nach den Angaben im aida Länderbericht soll die Asylhaft nach der ungarischen Rechtslage zwar auf der Grundlage einer Prüfung der individuellen Umstände des Einzelfalls und nur dann erfolgen, wenn ‑ s.o. - keine weniger einschneidenden Alternativen in Betracht kommen. Die Erfahrung zeige aber, dass Haftanordnungen gerade ohne eine solche Einzelfallprüfung ergingen und Haftalternativen nicht geprüft würden. Auch würden zur Verfügung stehende Instrumente zur Überprüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung in der Praxis nicht angewendet,
77vgl. aida, National Country Report Hungary, a.a.O., S. 51.
78Vielmehr sei vollkommen intransparent und daher nicht vorhersehbar, welche Asylbewerber in Ungarn verhaftet würden und welche nicht und warum,
79vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 3, S. 2.
80Damit sehen sich aber grundsätzlich alle Asylbewerber bei der Erstantragstellung dem nicht einschätzbaren Risiko einer willkürlichen Inhaftierung ausgesetzt.
81Soweit Dublin-Rückkehrer anders als die übrigen Asylbewerber nach ihrer Rückkehr nach Ungarn grundsätzlich inhaftiert werden,
82vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 3, Seite 2,
83führt dies nicht zu einer anderen Bewertung, da es nach der Auskunftslage auch hinsichtlich dieser Personengruppe jedenfalls an jeder individuellen Prüfung der Haftvoraussetzungen und Haftgründe zu fehlen scheint.
84Soweit ausweislich des aida Länderberichts nach neuem Recht unbegleitete Minderjährige nicht inhaftiert werden dürfen und alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern ‑ obwohl rechtlich möglich ‑ tatsächlich nicht in Asylhaft genommen werden,
85vgl. aida, National Country Report Hungary, a.a.O., S. 48; andererseits sind andere besonders verletzliche Personen, z.B. ältere Menschen, oder Menschen mit körperliche oder geistigen Erkrankungen/Behinderungen, nicht von der Asylhaft ausgenommen sind und es bestehen auch keine ausreichenden Mechanismen, um diese Personen im Asylverfahren rechtzeitig zu identifizieren, S. 56,
86bleibt schon offen, ob dies auch auf die Personengruppe der Dublin-Rückkehrer zutrifft, der der Antragsteller zugehört. Jedenfalls gehört der Antragsteller aber ersichtlich nicht zu diesen besonders geschützten Personengruppen, die nach der aktuellen Erkenntnislage von einer Asylhaft tatsächlich verschont bleiben.
87Es ist andererseits nicht ersichtlich, dass die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten wenigstens nachträglich eine ausreichende und wirksame rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierungsentscheidung bzw. ihrer Fortdauer gewährleisten könnten. Im Gegenteil bewerten die aktuellen Erkenntnismittel die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten als vollkommen ineffektiv und im Ergebnis wirkungslos. Selbständige Rechtsbehelfe stehen gegen die behördliche Anordnung der Asylhaft nicht zur Verfügung,
88vgl. aida National Country Report Hungary, a.a.O., S. 56 unten; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, a.a.O., zu Frage 7, Seite 6; Information Note des Hungarian Helsinki Committee von Mai 2014, S. 13 ff., a.a.O..
89Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann – weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen – in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen.
90vgl. auch aida-report, a.a.O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 zu Frage 7, S. 7.
91Eine einzelfallbezogene Überprüfung, ob die Haftanordnung rechtmäßig war und der Haftgrund fortbesteht, dürfte – zumal die Haftgründe und sonstigen behördlichen Erwägungen wie ausgeführt in der behördlichen Anordnung nicht schriftlich fixiert sind – den Gerichten unter diesen Umständen kaum möglich sein,
92so auch Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 7, Seite 7.
93Erschwerend kommt hinzu, dass inhaftierte Asylbewerber zwar Anspruch auf einen kostenlosen Rechtsbeistand haben, diese Rechtsbeistände aber in den Haftprüfungsterminen normalerweise keine Einwände gegen die Verlängerung der Haftdauer erheben und regelmäßig auch nur in der ersten Überprüfung (nach 72 Stunden Haft) von Amts wegen zur Verfügung gestellt werden. Bei den späteren, wegen der regelmäßig erfolgenden Haftverlängerungen um 60 Tage grundrechtlich noch bedeutsameren Folgeüberprüfungen steht Asylantragstellern diese rechtliche Unterstützung in der Praxis dagegen regelmäßig nicht mehr zur Verfügung,
94vgl. aida, National Country Report Hungary, a.a.O., S. 57.
95Hierzu fügt sich, dass nach einer Untersuchung, die das höchste Gericht Ungarns (Kuria) in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführt hat, lediglich in drei von 5.000 bzw. 8.000 Fällen, die automatische Haftüberprüfung (durch dieselben Gerichte, die auch nach neuem Recht für die Überprüfung zuständig sind), tatsächlich zu einer Aufhebung der Haftanordnung geführt hat,
96vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 7, Seite 7; aida National Country Report Hungary, a.a.O., Seite 57.
97Damit spricht nach den aktuellen Erkenntnissen viel dafür, dass das vorhandene Rechtsschutzsystem ungeeignet ist, um Asylbewerbern wirksamen Schutz vor einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung von regelmäßig erheblicher Dauer zu bieten.
98Soweit das ungarische Asylrecht neben der automatischen Haftprüfung vorsieht, dass der Asylbewerber gegen die Anordnung der Asylhaft eine sog. „objection“, also wohl einen Einspruch, erheben kann, führt auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Dem UNHCR ist seit der Wiedereinführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013 kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein solcher Einspruch tatsächlich erhoben worden ist. Nach Einschätzung des UNHCR werden Asylbewerber in der Praxis überhaupt nicht über diesen Rechtsbehelf informiert bzw. seitens der zuständigen Behörden mit dem Hinweis darauf, dass dieser Rechtsbehelf ungeeignet sei, die Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung anzugreifen, von einer Einlegung abgehalten,
99vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 7, Seite 6.
100Zu alledem fügt sich schließlich, dass Asylbewerber, die inhaftiert werden, nach den vorliegenden Erkenntnismitteln mit großer Wahrscheinlichkeit die gesamte Dauer ihres Asylverfahrens inhaftiert bleiben. Die maximale Haftdauer der seit dem 1. Juli 2013 neu geregelten Asylhaft beträgt sechs Monate und auch die durchschnittliche Haftdauer wird derzeit mit 4 bis 5 Monaten angegeben, reicht also deutlich an die rechtlich zulässige Höchsthaftdauer heran,
101vgl. aida National Country Report Hungary, a.a.O., S. 51 und 49.
102Vorbehaltlich der Bestätigung und Konkretisierung dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren ist daher jedenfalls im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in Ungarn grundsätzlich, ohne Angabe von Gründen und ohne eine Prüfung ihrer individuellen Umstände inhaftiert werden, und sonstige Asylbewerber grundsätzlich jedenfalls dem Risiko einer willkürlichen Inhaftierung ausgesetzt sind, und beide Gruppen mangels wirksamer Rechtsschutzmöglichkeiten die Anordnung der Haft bzw. die Haftfortdauer nicht mit Aussicht auf Erfolg überprüfen lassen können. Eine solche Behandlung von Asylbewerbern, mit der sie der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt werden, dürfte nicht zuletzt angesichts von Inhaftierungszeiten, die im Durchschnitt mehrere Monate betragen, bereits für sich genommen die für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrChr erforderliche Schwere aufweisen, so dass es - jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren – nicht mehr darauf ankommt, ob auch die konkreten Haftbedingungen selbst, inhaftierte Asylbewerber weiteren Leiden und Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbare Maß übersteigen,
103vgl. bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 13 L 172/14.A - , demnächst bei juris und NRWE.
104Für das Erreichen der erforderlichen Schwere der Grundrechtsverletzung dürfte ‑ jedenfalls bei summarischer Prüfung ‑ ferner sprechen, dass eine solche Inhaftierungspraxis, ungeachtet gegebenenfalls abweichender rechtlicher Vorgaben des ungarischen Asylrechts, auch nicht mit den unionsrechtlichen Mindeststandards der maßgeblichen AufnahmeRL in Einklang zu bringen ist. Schon nach den Erwägungsgründen Nr. 15 und 20 der AufnahmeRL soll die Inhaftierung von Asylbewerbern eine Ausnahme bleiben. Nach Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 der AufnahmeRL soll der Asylbewerber nur für den kürzest möglichen Zeitraum in Haft genommen werden, was bei einer Regelverlängerung im 60-Tage-Rhythmus nicht gewährleistet scheint. In der Haftanordnung sind nach Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 zudem die sachlichen und rechtlichen Gründe für die Haft anzugeben. Artikel 9 Absatz 3 und 5 verlangen ferner umfassende und wirksame Überprüfungen der Rechtmäßigkeit der Haft sowie eine ausreichende Information des Asylbewerbers in einer für ihn verständlichen Sprache. Auch diese Anforderungen werden nach der derzeitigen Erkenntnislage nicht erfüllt.
105Hinzu kommt, dass der Haftgrund, der nach Einschätzung des UNHCR jedenfalls hinsichtlich der Dublin-Rückkehrer regelmäßig von den zuständigen Behörden stillschweigend angenommen wird, mit den Vorgaben der AufnahmeRL nicht in Einklang stehen dürfte. Laut UNHCR liegt der regelhaften Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern die Auffassung der zuständigen Behörden zugrunde, dass diese Asylbewerber, weil sie Ungarn bereits zuvor einmal regelwidrig verlassen haben, auch nach der Rücküberstellung erneut flüchten werden, ohne eine Entscheidung über ihren Asylantrag abzuwarten,
106vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 3, S. 2.
107Dem dürfte der in Artikel 31/A Buchstabe c des ungarischen Asylgesetzes geregelte Haftgrund zugrunde liegen, wonach eine Inhaftierung erfolgen darf, um Informationen zu erhalten, die zur Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind, wenn gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller das Asylverfahren ansonsten verzögern oder behindern oder untertauchen würde,
108vgl. zum Wortlaut der englischen Fassung „c. there are well-founded grounds for presuming that the person seeking recognition is delaying or frustrating the asylum procedure or presents a risk for absconding, in order to establish the data required for conducting the asylum procedure;” aida National Country Report Hungary, a.a.O., S. 50, und zur hier verwendeten deutschen Übersetzung: pro asyl, bordermonitoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012 von Oktober 2013, a.a.O., S. 9.
109Der insoweit im Rahmen von Artikel 8 der AufnahmeRL für eine solche Umsetzung in das nationale Recht allein in Betracht kommende Haftgrund des Absatzes 3 Satz 1 Buchstabe b, wonach ein Antragsteller in Haft genommen werden darf, „um Beweise zu sichern, auf die sich ein Antrag auf internationalen Schutz stützt und die ohne Haft unter Umständen nicht zu erhalten wären, insbesondere wenn Fluchtgefahr des Antragstellers besteht“, dürfte Inhaftierungen, die – wie es der ungarische Haftgrund vorsieht – dazu dienen, jede Art der Verfahrensverzögerung seitens des Antragstellers zu sanktionieren und zu unterbinden, nicht rechtfertigen.
110Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 RVG.
111Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
112Schumann
Gründe
- 1
Die auf § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützte Anhörungsrüge des Antragstellers hat keinen Erfolg.
- 2
Der Antragsteller hat nicht im Sinne von § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO vorliegen und das Gericht mit seinem Beschluss vom 06.11.2014 (Az.: 1 A 1140/14 MD) den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
- 3
Der in Art. 103 Abs. 1 GG oder einfachem Verfahrensrecht verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet grundsätzlich das Recht, sich in dem Verfahren sowohl zur Rechtslage als auch zum zugrunde liegenden Sachverhalt äußern zu können (vgl. im Folgenden: OVG LSA, B. v. 14.05.2010 - 3 L 184/10 und 3 L 260/08 -, nicht veröffentlicht). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht dabei, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (std. Rspr. d. BVerfG, u. a. B. v. 14.06.1960 - 2 BvR 96/60 -, BVerfGE 11, 218 [220]; B. v. 30.10.1990 - 2 BvR 562/88 -, BVerfGE 83, 24 [35]). Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ist allerdings erst dann verletzt, wenn das Gericht gegen den vorbezeichneten Grundsatz, das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, erkennbar verstoßen hat. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass dem genannten Verfassungsgebot entsprochen worden ist (vgl. BVerfG, B. v. 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90 -, BVerfGE 84, 133 [146]; B. v. 17.11.1992 - 1 BvR 168/89 u. a. -, BVerfGE 87, 363 [392 f.]), ist die Annahme einer Verletzung der Pflicht des Gerichts zur Kenntnisnahme des Beteiligtenvorbringens und des In-Erwägung-Ziehens desselben erst dann gerechtfertigt, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt (vgl. BVerfG, B. v. 19.07.1967 - 2 BvR 639/66 -, BVerfGE 22, 267 [274]; B. v. 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 -, BVerfGE 88, 366 [375]). Hierfür reicht es nicht schon aus, dass in der angefochtenen Entscheidung auf einen bestimmten Sachvortrag der Beteiligten nicht eingegangen worden ist. Denn jedenfalls ist das Gericht weder nach Art. 103 Abs. 1 GG noch nach einfachem Verfahrensrecht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jeder Einzelheit des Vorbringens zu befassen; es genügt vielmehr die Angabe der Gründe, „die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind“ (vgl. BVerfG, B. v. 17.11.1992, a. a. O.).
- 4
Im vorliegenden Fall ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass das beschließende Gericht der ihm obliegenden Verpflichtung nach Art. 103 Abs. 1 GG oder einfachem Verfahrensrecht, das Vorbringen des Antragstellers in seinem Antrag vom 21.10.2014 (1 B 1140/14 MD) zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht oder nur unzureichend nachgekommen ist.
- 5
Vielmehr hat sich das Gericht in dem gerügten Beschluss mit dem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren 1 B 1140/14 MD auseinandergesetzt und dessen Relevanz in der gebotenen Weise erörtert. Dabei konnte das Gericht sich darauf beschränken, sich mit den Gründen zu befassen, die von dem Antragsteller bislang dargelegt wurden und die Gründe anzuführen, die insoweit für die richterliche Überzeugungsbildung – hier die Ablehnung des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – leitend gewesen sind.
- 6
Entgegen der Ansicht des Antragstellers war das Gericht nicht nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, eine Stellungnahme des Antragstellers zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27.10.2014 nebst Anlagen abzuwarten, in dem sie vortrug, die Überstellungsfrist habe sich verlängert weil sich der Antragsteller der für den 02.09.2014 vorgesehenen Überstellung durch Untertauchen entzogen habe und die Antragsgegnerin den italienischen Behörden dies unter dem 02.09.2014 mitgeteilt habe. Denn der anwaltlich vertretene Antragsteller war bereits im Zeitpunkt der Stellung des Abänderungsantrages 1 B 1140/14 MD vom 21.10.2014 in der Lage gewesen, zu einer etwaigen Verlängerung der Überstellungsfrist durch die Antragsgegnerin Stellung zu nehmen. Denn ihm war der geplante Überstellungstermin vom 02.09.2014 offensichtlich bekannt und es bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller auf der Grundlage des ärztlichen Attestes vom 01.09.2014 nicht als reisefähig angesehen hat. Als gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste der Antragsteller bei dieser Sachlage damit rechnen, dass die Antragsgegnerin durch eine entsprechende Mitteilung an die italienischen Behörden versucht, die Überstellungsfrist zu verlängern. Die war vorliegend umso mehr geboten, weil der Antragsteller seinen Abänderungsantrag vom 21.10.2014 ausschließlich mit dem Ablauf der Überstellungsfrist begründet hat.
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Darüber hinaus war sein Vorbringen, er habe den Überstellungstermin am 02.09.2014 nicht wahrnehmen können, weil er seit dem 01.09.2014 krankheitsbedingt nicht von B-Stadt nach Ascherleben habe reisen können und nicht, weil er nicht untergetaucht sei, nicht entscheidungserheblich. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO kann die Überstellungsfrist auf achtzehn Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist ein Asylbewerber nicht erst dann flüchtig im Sinne dieser Vorschrift, wenn er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht, Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft an die Überstellung des Asylbewerbers an. Dies erlaubt es, auch den Sachverhalt vom Wortlaut und –sinn erfasst anzusehen, in dem sich der Asylbewerber seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten. Zumindest ist dem Asylbewerber dann der Ablauf der Sechs-Monats-Frist zuzurechnen, wenn er vorsätzlich und unentschuldigt zu seiner Überstellung nicht erschienen ist (vgl. VG B-Stadt, B. v. 13.01.2011 – 33 L 530.10 A -, juris, Rdnr. 22; VG Potsdam, U. v. 04.06.2014 -, juris, Rdnr. 16). Für diese Auslegung des Merkmals „flüchtig ist“ spricht, dass die Regelungen zur Überstellungsfrist Sanktionscharakter haben, und ein Staat der die sechs Monate betragende Überstellungsfrist missachtet, nunmehr zuständig sein soll. Es kann aber keine Rede davon sein, dass die Bundesrepublik Deutschland die Frist missachtet hat, wenn der Asylbewerber zu seiner Überstellung nicht erscheint (vgl. – allerdings mit den Voraussetzungen des vorsätzlichen und unentschuldigten Nichterscheinens zur Überstellung: VG B-Stadt, B. v. 13.01.2014 – a. a. O, Rdnr. 23).
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Der ist bereits deshalb flüchtig, weil er sich im Zeitpunkt seiner Überstellung nicht in der Gemeinschaftsunterkunft in A-Stadt aufgehalten hat, in der entsprechend seiner Duldungsbescheinigung vom 30.06.2014 seinen Wohnsitz zu nehmen hatte. Dass er im Zeitpunkt der vorgesehenen Überstellung auf der Grundlage des § 51 AsylVfG bereits in ein anderes Bundesland umverteilt worden war, ist nicht zu ersehen. Dem vom Antragsteller vorgelegten „Einigungspapier Oranienplatz“ und dem Beschluss des Berliner Senats vom 27.05.2014 kann an solche Umverteilungsentscheidung des Antragstellers nach B-Stadt nicht entnommen werden. Auch hat das Land B-Stadt entgegen der Ansicht des Antragstellers weder durch das Einigungspapier noch dem Senatsbeschluss rechtsverbindlich die Übernahme der Zuständigkeit für den Antragsteller zugesichert.
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Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem daraus abgeleiteten „Vorrang des Gesetzes“ darf die Verwaltung nicht von bestehenden Gesetzen abweichen. Unabhängig von Form (z. B. Verwaltungsakt, Verwaltungsvertrag oder Rechtsnorm) und Wirkung (begünstigend oder belastend) ihres Handelns ist die Verwaltung stets an sämtliche bestehende - nationale und unmittelbar anwendbare europäische - Rechtsnormen gebunden. Die länderübergreifende Verteilung von Ausländern ist - wie ausgeführt - in § 51 AsylVfG geregelt. Eine länderübergreifende (Um)Verteilung von Ausländern unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylVfG - oder gar in Widerspruch zu diesen - verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. Bei verständiger Würdigung des „Einigungspapiers Oranienplatz“ ist allerdings davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde B-Stadt von der einzelfallbezogenen Prüfung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylVfG nicht dispendiert werden sollte (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 d. BA.).
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In Ziffer 4 des Einigungspapiers heißt es, nach Erfüllung bestimmter - dort näher genannter - Zusagen durch die registrierten Flüchtlinge erfolge „auf Antrag eine umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten (Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung, Anträge auf Umverteilung nach § 51 AsylVfG, etc.) […] In diesem Sinne wird die Ausländerbehörde die Antragstellerinnen und Antragsteller während des Verfahrens beratend unterstützen. […] Für die Zeit der Prüfung der jeweiligen Einzelfallverfahren bleibt die Abschiebung ausgesetzt“. Danach liegt es schon nach dem Wortlaut des Einigungspapiers fern, dass hierdurch ohne Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen im jeweiligen Einzelfall die Ergreifung bestimmter aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen - wie etwa die Umverteilung nach B-Stadt - in Aussicht gestellt werden sollte. Vielmehr sprechen die Hinweise auf die „(umfassende) Prüfung der Einzelfallverfahren“ und der den Betroffenen „bei ihren Einzelverfahren“ gewährten Unterstützung sowie der Verweis auf den zu beachtenden „Rahmen aller rechtlicher Möglichkeiten“ dafür, dass eine ausländerbehördliche Prüfung der aufenthaltsrechtlichen Stellung im jeweiligen Einzelfall erfolgen soll, ohne dass die Ausländerbehörde dabei von vornherein auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt ist (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 d. BA.).
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Diese Auslegung wird durch die Presseerklärung der Senatskanzlei B-Stadt vom 18. März 2014 (http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/politik-aktuell/2014/meldung.91447.php; zuletzt abgerufen am 2. Dezember 2014) anlässlich der Senatspressekonferenz vom gleichen Tag gestützt. Dort heißt es u. a.: „Der Berliner Senat hat im Konflikt um das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz und die Besetzung der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg ein Lösungsangebot vorgelegt. In Einzelfallverfahren soll geprüft werden, ob die Betroffenen in der Stadt bleiben können.“ In diesem Sinne wird dort auch der Berliner Senator für Inneres und Sport Frank Henkel zitiert. Aus Sicht seiner Partei sei es u. a. wichtig gewesen, dass es „für die Flüchtlinge ‚keine Sonderbehandlung‘ gebe, sondern in jedem Fall der Einzelfall geprüft werde.“ Dies deckt sich mit der dort ebenfalls wiedergegebenen Aussage der Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat, Maximalforderungen nach einem Bleiberecht für alle habe sie aufgrund der Rechtslage nicht entsprechen können. Vereinbart worden sei, dass die Flüchtlinge die Zelte auf dem Oranienplatz selbst abbauten. Zugleich sei ihnen Unterstützung, darunter Rechtsberatung, in ihren Verfahren zugesichert worden (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 f- d. BA.).
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Aus der unterlassenen Durchsetzung der räumlichen Beschränkung durch die Ausländerbehörde lässt sich nicht ableiten, dass das Land B-Stadt konkludent eine Umverteilung des Antragstellers vorgenommen hat. Das bloße Schweigen einer Behörde oder die behördliche Duldung eines bestimmten Verhaltens oder Zustandes kann nicht als Verwaltungsakt angesehen werden, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor, die zweifelsfrei für das Gegenteil sprechen. Dies ist nicht der Fall. Dass Unterlassen einer zwangsweise Räumung des Oranienplatzes und aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen gegenüber den Campbewohnern beruhte nicht auf der Annahme der Zuständigkeit für die Flüchtlinge oder auf einem politischen Willen zur Zuständigkeit, sondern auf offenkundigen Unstimmigkeiten über das weitere Vorgehen innerhalb des Berliner Senats und darüber hinaus sowie auf dem Bestreben nach einer gewaltlosen Lösung des Konflikts, was letztlich zum „Einigungspapier Oranienplatz“ geführt hat (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 7 f. d. BA.)..
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Eine länderübergreifende Umverteilung des Antragstellers nach B-Stadt kommt auch nicht konkludent dadurch zum Ausdruck, dass die auf dem Oranienplatz campierenden Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen wurden und ihnen im „Einigungspapier Oranienplatz“ Unterstützung und Beratung bei ihren Einzelverfahren und der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven zugesagt wurde. Diese Leistungen und Zusagen sind Teil der konsensualen Beilegung des Konflikts um das Protestcamp und damit im Kontext des „Einigungspapiers Oranienplatz“ zu bewerten. Danach handelt es sich um begleitende Leistungen zu den vereinbarten Einzelfallprüfungen, die deren Ergebnis nicht präjudizieren. So heißt es unter Nr. 4 des Einigungspapiers, die Ausländerbehörde werde „die Antragstellerinnen und Antragsteller während des Verfahrens beratend unterstützen. […] Die auf der Liste benannten Personen erhalten bei ihren Einzelverfahren Unterstützung durch den Unterstützungspool, der von den Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie sowie der Integrationsbeauftragten des Landes B-Stadt sichergestellt wird.“ (Hervorhebung nicht im Original). Zwar ist Nr. 5 des Einigungspapiers, wonach die Flüchtlinge Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven erhalten, insoweit offener formuliert; insbesondere fehlt es an einer ausdrücklichen Beschränkung auf die Zeit der Einzelfallprüfung. Doch kann diese Aussage - hierfür spricht die Zusammenschau mit Nr. 4 - auch so verstanden werden, dass die - längerfristige - Unterstützung abhängig vom Ergebnis der Einzelfallprüfung auch vorzeitig beendet werden kann. Jedenfalls lässt sich aus der offenen Formulierung von Nr. 5 des Einigungspapiers nicht der Wille zur Übernahme von Asylbewerbern unabhängig vom Ergebnis der vereinbarten Einzelfallprüfung ableiten (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 8 d. BA.).
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Die dargelegten Gründe gegen eine konkludente Umverteilung des Antragstellers sprechen entgegen der Ansicht des Antragstellers auch gegen die Annahme einer „konkludenten Zweitduldung“ durch die Ausländerbehörde. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf eine länderübergreifende Umverteilung im Wege der „Zweitduldung“. Das von einigen Obergerichten befürwortete Institut der „Zweitduldung“ wurde entwickelt, um nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens geduldeten Ausländern einen länderübergreifenden Wohnsitzwechsel - insbesondere zur Herstellung oder Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft - zu ermöglichen, deren Rechte nicht durch - vorübergehende - Verlassenserlaubnisse nach § 12 Abs. 5 AufenthG gewahrt werden können. Die nach § 56 Abs. 3 AsylVfG räumlich beschränkte „Erstduldung“ soll danach mit der von der aufnehmenden Ausländerbehörde zu erteilenden „Zweitduldung“ gegenstandslos werden. Diese auf das Schließen einer Regelungslücke abzielenden Erwägungen greifen hier offensichtlich nicht ein, weil das Asylverfahren des Antragstellers noch nicht abgeschlossen ist (vgl. VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 8 f. d. BA. m. w. N.).
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Darüber hinaus hat der Antragsteller seine Überstellung verhindert, indem vorsätzlich und unentschuldigt nicht zur Abschiebung erschienen ist. Die Antragsgegnerin hat sich um eine fristgemäße Überstellung des Antragstellers bemüht, die letztlich nur daran gescheitert ist, dass der Antragsteller vorsätzlich und unentschuldigt nicht zum Überstellungstermin erschienen ist. Dem Antragsteller war der Termin zu seiner Überstellung offensichtlich bekannt, Mit Schreiben vom 01.09.2014 teilte er dem Salzlandkreis mit, er könne sich entgegen der Aufforderung des Landkreises vom 12.08.2014 nicht in der Gemeinschaftsunterkunft Dr.-Wilhelm-Feit-Str. 26 in A-Stadt einfinden. Sein Fernbleiben ist auch nicht entschuldigt. Der Antragsteller legte dem Salzlandkreis zwar ein ärztliches Attest vom 01.09.2014 vor, dass ihm bescheinigt, mindestens bis zum 05.09.2014 nicht wege- oder reisefähig zu sein. Dem Attest kann jedoch nicht entnommen, weshalb der Antragsteller wegen einer Durchfallerkrankung nicht wege- oder reisfähig war.
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Unerheblich ist vorliegend, dass die Antragsgegnerin in dem Formular, mit dem sie die italienischen Behörden davon unterrichtet hat, dass sie die Überstellung des Antragstellers innerhalb der sechs Monate betragenden Frist nicht vornehmen kann, den Grund hierfür mit dem im Formular vorgesehenen Begriff „untergetaucht“ nicht zutreffend beschreibt. Maßgeblich ist allein, dass sie die italienischen Behörden tatsächlich über eine Fristverlängerung aus den Gründen des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO informiert hat (VG B-Stadt, B. v. 13.01.2014 – a. a. O., Rdnr. 27).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt.
Gründe
die Antragsgegnerin auch passivlegitimiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 10. Februar 2014 (Az. M 12 S7 14.30227) vertretenen Auffassung hat das Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (st. Rspr. des Senats; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; B.v. 20.11.2012 - 10 CE 12.2428 - juris Rn. 4; NdsOVG, U.v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris Rn. 41; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 - 2 S 6/12 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.