Verwaltungsgericht München Urteil, 01. Apr. 2014 - 4 K 13.1787

published on 01/04/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 01. Apr. 2014 - 4 K 13.1787
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Der Kläger, geboren am ... Oktober 1987, bewarb sich nach seinem Abitur für die Offizierlaufbahn in der Bundeswehr. Er wurde zum ... Juli 2006 als Soldat auf Zeit - 12 Jahre - eingestellt (vorgesehene Truppengattung: Pioniere; Studienfachrichtung: Wirtschaftsingenieurwesen).

Nach seinem Lebenslauf vom ...... Dezember 2012 absolvierte er bei der Bundeswehr folgende Laufbahn:

7/2006 - 12/2006

Grundausbildung und Offizieranwärterlehrgang, ...

1/2007 - 3/2007

Offizierschule des Heeres, ...

4/2007 - 6/2007

Sprachenschule, ...

7/2007 - 8/2007

Technische Schule des Heeres, ..., Technisches Grundpraktikum

8/2007 - 9/2007

Truppenkommando, ...

10/2007 - 9/2011

...-Universität der Bundeswehr, ..., Bachelor of Science und Master of Science in Wirtschaftsingenieurwesen

6/2008 - 7/2008

... GmbH, ..., Praktikum als technischer Einkäufer

10/2011 - 12/2011

Offizierschule des Heeres, ...

Ab 1/2012

Pionierschule, ...

Am ... 2011 wurde er mit Wirkung zum ... Januar 2012 zum Oberleutnant befördert.

Mit schriftlicher Erklärung vom ... Dezember 2012 und Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... Dezember 2012 verweigerte er unter Berufung auf Art. 4 Abs. 3 GG den Kriegsdienst mit der Waffe.

Zur Begründung legte er dar:

Bei seiner Bewerbung für die Bundeswehr habe er es für sehr wichtig gehalten, die Infrastruktur, die Menschenwürde, die Rechtsstaatlichkeit und die sozialen Systeme zu verteidigen. Die Werte der Gleichheit und Gleichberechtigung, Solidarität und Demokratie sollten auch von einem Soldaten verteidigt werden, habe er damals gefunden. Als 17- oder 18-Jähriger habe man noch kein ausgeprägtes Gewissen zu bestimmten Themen und bewerbe sich vielleicht auch mit anderen Vorstellungen und Interessen bei der Bundeswehr. Abenteuerlust, Kameradschaft, Großvaters Geschichten oder finanzielle Unabhängigkeit spielen eine Rolle, das Töten und Verletzen von Menschen werde ausgeblendet.

Zum Umdenken hätten sich folgende Ereignisse ausgewirkt: Auf der Offizierschule in ... sei im Dezember 2011 ein Film über die Wirkung von Munition gezeigt worden. Am meisten habe ihn die Splitterwirkung von Geschossen zum Nachdenken animiert. Er könne nicht damit leben, einen Menschen derartig zu verletzen, geschweige denn zu töten. Hier seien erste Gedanken an eine Kriegsdienstverweigerung aufgetreten, er habe sie jedoch unterdrückt, um nicht als „Weichei“ oder „Softy“ dazustehen. Seit Anfang 2012 habe er sich auch mit der Krise in Syrien beschäftigt. Besonders schockiert hätten ihn Szenen, in denen Kinder als menschliche Schutzschilde benutzt oder als Soldaten rekrutiert worden seien. Auf dem Offizierlehrgang Teil III (April/Mai 2012) sei auch im neuen Schießausbildungskonzept ausgebildet worden. Bei diesem Schießen werde einem besonders bewusst, dass man ausschließlich trainiert, um Menschen zu erschießen. Auch die Geburt seiner Kinder (Mai 2011 und August 2012) hätten seine Sichtweise und Gewissensentscheidung verändert. Er wolle von nun an nicht mehr dafür trainieren und verantwortlich sein, dass Menschen durch Waffenwirkung getötet werden.

Er sei auch von seinem Elternhaus so erzogen worden, dass alle Personen und Mitmenschen respektiert werden sollten. Wenn er Menschen, mit welcher Waffe auch immer, bedrohen oder verletzten solle, so würde dies zu einem großen inneren Konflikt mit ihm selbst führen.

Auch der Fall von Oberst K. (4. September 2009, Kunduz) zeige, dass Offiziere auch mit Befehlsgewalt (als eine andere Form von Gewalt) Menschen töten könnten. Wenn man bedenke, dass man somit über Leben und Tod entscheide, stelle man sich mit Gott gleich (auch wenn er eher nicht religiös sei, aber dennoch für die christlichen Werte einstehe). Er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, so einen Befehl geben zu können.

Weiterhin wolle er anführen, dass er der Meinung sei, dass das Töten oder Verletzen ein Verstoß gegen die Menschenwürde sei. Sein Gewissen verbiete es ihm, Menschen zu verletzen oder zu töten.

Er sehe es bereits jetzt als nicht erträglich an, daran denken zu müssen oder es sich vorstellen zu müssen, auf einen Menschen schießen oder eine Waffen richten zu müssen. Bereits bei dieser Vorstellung ließen ihn die Gedanken nicht los, dass ihn das sein ganzes Leben verfolgen könnte.

Sein Dienstvorgesetzter an der Pionierschule und Fachschule des Heeres für Bautechnik nahm am ... Dezember 2012 Stellung:

„Leutnant ... ist seit dem ... 2012 in der I. Inspektion der Pionierschule und absolviert seine Ausbildung zum Offizier. Er ist Teilnehmer des Offizierlehrgangs Teil 3 der Pioniertruppe. Er ist verheiratet, wohnt in ... und hat zwei Kinder. Seit dem ... Oktober 2012 befindet er sich in Elternzeit.

Während des Lehrgangs zeigte sich Oberleutnant ... als ruhiger und zurückhaltender Soldat, der wenig Interesse an der Ausbildung hatte. Seine Leistungen sowie seine Haltung und Pflichterfüllung waren unterdurchschnittlich. Bei einem Beurteilungsgespräch im Mai 2012 wurde er auf seine fehlende Motivation hingewiesen. Er gab an, schwerwiegende persönliche Probleme zu haben, dies sei auf seine familiäre Situation zurückzuführen. Seine Frau war zu der Zeit schwanger und beide erwarteten ihr zweites Kind. Daraufhin wurde es Oberleutnant ... ermöglicht, den Lehrgang zum Übungsleiter der Bundeswehr, vom ... 2012, in das Jahr 2013 zu verschieben und dafür Jahresurlaub zu nehmen. Dadurch konnte er im Zeitraum der Geburt sieben Wochen Urlaub nehmen und den Offizierlehrgang 3 trotzdem fortführen. Als Oberleutnant ... dann im August aus dem Urlaub zurückkehrte, beantragte er sofort Elternzeit, die ihm vom ... Oktober bis zum ... Dezember des Jahres gewährt wurde. Trotz dieser langen Abwesenheit wurde ihm die Teilnahme an allen Prüfungen, die zum erfolgreichen Abschluss des Lehrgangs notwendig sind, ermöglicht, um den Lehrgangserfolg zu gewährleisten.

Während der Elternzeit stellte er … einen Antrag auf Verlängerung der Elternzeit sowie einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

Obwohl Oberleutnant ... alle Möglichkeiten eröffnet wurden, seine Ausbildung erfolgreich und ohne Laufbahnnachteile abzuschließen, hat er sie nicht genutzt. Er schien in seinem Verhalten zunächst unberechenbar, erst jetzt ist das Rational seines Handelns erkennbar.“

Das Personalamt der Bundeswehr äußerte sich am ... Dezember 2012: Der Kläger sei Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von 12 Jahren und einem festgesetzten Dienstzeitende am 30. Juni 2018. Im Zeitraum vom ... Januar bis zum ... März 2007 habe er am Offizierlehrgang Teil 1 teilgenommen und diesen mit der Abschlussnote „ausreichend“ abgeschlossen. In seiner bisher einzigen Beurteilung vom ... März 2007 habe er den durchschnittlichen Leistungswert 4,461 und die Förderungswürdigkeit „C“ erhalten. Das Studium habe er mit der Abschlussnote „gut“ (Note 2,3) am ... September 2011 und dem akademischen Grad „Master of Science“ abgeschlossen. Den Offizierlehrgang Teil 2 habe er ebenfalls erfolgreich abgeschlossen. Seit 16. Oktober 2012 befinde er sich in Elternzeit, die voraussichtlich bis zum ... Mai 2013 andauern werde.

„Anzeichen für einen bestehenden Gewissenskonflikt in der bisherigen Dienstzeit des Offiziers wurden weder in seiner Beurteilung noch in seinen Beurteilungsbeiträgen dokumentiert. Über ein einschneidendes Schlüsselerlebnis in seiner bisherigen Dienstzeit liegen … keine Erkenntnisse vor. In seiner Antragsbegründung wird kein Sachverhalt vorgetragen, der als anerkennungswürdiges Schlüsselereignis gewertet werden könnte. Hierzu finden sich auch keine Hinweise in seinen Personalunterlagen. …“

Mit Schreiben vom ... Januar 2013 forderte das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben den Kläger zur Beantwortung weiterer Fragen auf.

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom ... Februar 2013:

Zu der Frage, ob er sich bei seiner Verpflichtung mit dem Berufsbild des Offiziers und den sich hieraus ergebenden Pflichten beschäftigt habe: Am meisten habe er sich damals von den Aussagen zu den Karrieremöglichkeiten angesprochen gefühlt. „In diesen Kampagnen wird in den Köpfen der Bewerber (wozu ich auch zählte) das eigentliche tägliche Doing (Trainieren, um Menschen zu töten) stark vernachlässigt.“

Zum Hinweis auf die Medienberichterstattung insbesondere seit dem ...-Einsatz: Sein politisches Interesse sei bei und nach seiner Einstellung sehr beschränkt gewesen. Auch während seiner Zeit bei der Bundeswehr und im Studium sei er fast nur mit anderen Offizieranwärtern zusammengewesen. „Somit gab es kaum Berührungspunkte zum ‚wahren Truppenalltag‘. Deshalb auch die ‚relativ späte‘ Entscheidung, einen Kriegsdienstverweigerungsantrag zu stellen.“

Zum erfolgreichen Abschluss des Offizierlehrgangs Teil 2 (...9.2012-...12.2012): Dies sei „ein Lehrgang ohne Abschlussnote und Prüfungen“ gewesen, „der durch bloße Anwesenheit zu bestehen war“. Er habe sich somit ohne „Identifizierung mit dem Soldatenberuf“ bestehen lassen. Er habe den Lehrgang wie alle anderen Teilnehmer beendet und bestanden. „Außerdem glaube ich, dass man sich nicht durch erste Zweifel und Gewissensbisse gleich alles in Frage stellen muss und ein ganzes System über den Haufen werden muss. Wie in der Ihnen schon zugesandten Begründung haben mehrere Dinge im Laufe der Zeit zu dem Entschluss geführt. Auch möchte man nicht als Versager oder Weichei da stehen - an einer Akademie mit über 1.000 Offizieren. Deshalb habe ich zu diesem Zeitpunkt den Entschluss schon erwogen aber noch nicht in die Tat umgesetzt.“

Mit Schreiben vom ... Februar 2013 übermittelte die Pionierschule und Fachschule des Heeres für Bautechnik weitere Informationen zu den Offizierlehrgängen (OL) 2 und 3: „OL 2 und OL 3 sind keine Laufbahnlehrgänge mit Prüfung, aber Lehrgänge mit Bewertung und Abschlussnote. Der OL 2 ist ein Lehrgang mit überwiegend Hörsaalunterricht, der OL 3 besteht zu ca. 80% aus praktischem Dienst. Leutnant ... hat den OL 2 bestanden. Den OL 3 hat er nicht abgeschlossen. … Oberleutnant ... hat letztmalig am ...06.2012 an einem Schießen mit Pistole sowie mit Gewehr teilgenommen. Seine letzte Gefechtsausbildung ohne scharfen Schuss war in der 38. KW 2012 [=17. - 23.9.2012]: Häuserkampf auf dem Übungsplatz ...“

Mit Bescheid vom ... April 2013 entschied das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, der Kläger sei nicht berechtigt, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern.

Die vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, ein Recht auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu begründen. Der Vortrag bleibe im Hinblick auf den geltend gemachten Sinneswandel zu großen Teilen unkonkret und oberflächlich und vermöge eine ernsthafte, tiefe und unabdingbare Gewissensentscheidung nicht darzulegen. Es fehle die konkrete Darlegung, wie es gerade bis Dezember 2012 zu einer völligen Abkehr seiner früheren Einstellung zur Bundeswehr habe kommen können. Nach der Allgemeinen Grundausbildung, dem Offizieranwärterlehrgang und dem Offizierlehrgang Teil 1 sei dem Kläger bekannt gewesen, dass sie Ausbildung mit Waffen dazu diene, die Waffen im Ernstfall auch einsetzen zu können.

Soweit er vortrage, dass das neue Schießausbildungskonzept „einem bewusst macht, dass man ausschließlich trainiert, um Menschen zu erschießen“, werde aber nicht deutlich, dass eine veränderte Schießumgebung einen Gewissenskonflikt bei dem Kläger ausgelöst habe. Vielmehr habe er die Schießübung ohne erkennbare Probleme erfolgreich absolviert.

Durch Schriftsatz seiner Bevollmächtigten legte der Kläger hiergegen am ... April 2013 Widerspruch ein.

Zur Begründung wurde ein Schreiben des Klägers vom ... April 2013 vorgelegt. Hierin ist im Wesentlichen ausgeführt:

Den Schießlehrgang (Ausbildung zum Schießausbilder/Schießlehrer) habe er nicht bestanden, sondern sei bei einer relativ einfachen Übung ausgeschieden. Dieses Ausscheiden habe seiner Meinung nach mit dem inneren Gewissenskonflikt zu tun. Er habe die Übung nicht erfüllen können, „weil der Kopf nicht frei war“. Den weiteren Lehrgang habe er nur als Funktionspersonal begleitet.

Auch auf die veränderte Schießumgebung wolle er nochmals eingehen. Vorher habe er Schießen „nur von Schulschießbahnen gekannt“. Nunmehr betrage die Schussdistanz nur 5 bis 25 Meter. „Nicht nur die Nähe, sondern auch die Abfolge von taktischen Abläufen, Bewegung und realistischen Übungen machten mir mehr und mehr über die Wirkung im Ziel aufmerksam.“ Er könne sich nicht vorstellen, jemandem aus 5 m Entfernung in den Kopf zu schießen.

Auch ein persönlicher Punkt habe ihn sehr bewegt. Sein „Opa mütterlicherseits“ sei im Jahr 2009 gestorben. Dieser sei sechseinhalb Jahre in Russland in Kriegsgefangenschaft gewesen. Nach seinem Tod habe er mit seiner Oma über die Erlebnisse des Großvaters gesprochen. „Sie hat mir Dinge erzählt, die eigentlich keiner wissen möchte, und von Taten gesprochen, die sie so umschrieben hatte, dass sie es nicht aussprechen musste, aber jeder wusste, was sie meinte. Diese Formen von Gewalt, Erniedrigung, Abneigung und menschenunwürdige Bedingungen haben mein Bewusstsein für diese sechseinhalb Jahre (die sich vorher so einfach ausgesprochen haben) sehr verändert. So verachte ich jede Form von Gewalt, wie man sie psychisch, physisch, mit Waffen, Worten und Taten antun kann.“

„Ich möchte hiermit noch einmal betonen, dass ich es grundsätzlich aus meiner tiefen inneren Überzeugung verwerflich finde, Gewalt anzuwenden und Menschen zu töten. Egal wie moralisch oder ethisch gerecht etwas in anderen Kulturen/Religionen oder in Köpfen von anderen Menschen ist, ich finde, darüber steht immer noch der Mensch selbst. Jeder hat das Recht auf Leben. Ich kann mir nicht vorstellen, mit so einer Last auf den Schultern zu lebe, einen Menschen getötet oder verletzt zu haben. Aus der inneren Überzeugung von Recht und Unrecht kann ich keinen Kriegsdienst an der Waffe leisten.“

Mit Widerspruchsbescheid vom ... April 2013 wies das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben den Widerspruch zurück.

Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf den Bescheid vom ... April 2013 verwiesen. In der Widerspruchsbegründung seien keine wesentlich neuen Erkenntnisse vorgetragen worden, die zu einer Änderung der getroffenen Entscheidung hätten führen können. Der Tod des Großvaters 2009 habe den Kläger sicherlich schwer getroffen, ebenso wie die Erzählungen der Großmutter. Es werde aber nicht deutlich, inwiefern dies zur Abkehr von der früheren Einstellung zur Bundeswehr Ende des Jahres 2012 geführt habe. Auch die Ausführungen zum Schießlehrgang könnten nicht überzeugen, da der Kläger sehr wohl geschossen habe, obwohl er schon starke Gewissensprobleme gehabt habe.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. April 2013, der am gleichen Tag bei Gericht einging, erhob der Kläger Klage und führte aus:

Die Bescheide seien hauptsächlich aus Textbausteinen zusammengesetzt; die Begründungen seien nicht nachvollziehbar und daher rechtswidrig. Der Kläger habe ausführlich dargelegt, dass es sich bei dem Gewissenskonflikt um einen schleichenden Prozess über eine längere Zeit gehandelt habe. Der Kläger habe hier vor allem das neue Schießausbildungskonzept genannt sowie die Geburt seiner Kinder, die ihn zum Nachdenken angeregt hätten.

Der „wahre Grund der Ablehnung“ sei aber, dass im Jahr 2012 deutlich mehr Kriegsdienstverweigerungsanträge gestellt worden seien als in den Jahren zuvor. Das Personalamt der Bundeswehr habe sich deshalb dazu hinreißen lassen, der Beklagten aufzuerlegen, Kriegsdienstverweigerungsanträge möglichst ablehnend zu bearbeiten. In den letzten Monaten habe die Beklagte darüber hinaus gegen den Grundsatz der Beschleunigung verstoßen.

Der Kläger beantragte zuletzt:

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom ... April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... April 2013 verpflichtet, den Kläger als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragte für die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde dargelegt, der Kläger habe weder ein Schlüsselerlebnis noch einen inneren Wandlungsprozess dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen, insbesondere auf die vom Kläger abgegebenen Begründungen für seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, ferner auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 1. April 2014, in der der Kläger als Partei vernommen wurde.

Gründe

Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Klagegegenstand ist die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen.

Der Bescheid der Beklagten vom ... April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn der Kläger hat keinen Anspruch darauf, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO).

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung i. S. des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG -) als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach § 5 KDVG ist eine Person auf ihren Antrag hin als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn der Antrag vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen, und das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 KDVG nicht mehr bestehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger hat auch bei seiner Parteieinvernahme in der mündlichen Verhandlung die Zweifel an der Wahrheit seiner Angaben, wie von der Beklagten in den Bescheiden zu Recht ausgeführt worden ist, nicht zu entkräften vermocht. Das Gericht hält es nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände nicht für wahrscheinlich, dass der Kläger eine verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat.

Für eine verbindliche Gewissensentscheidung müssen konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden (BVerwG, B. v. 6.2.1978 - VI B 36.77 - BVerwGE 55, 217). Eine Gewissensentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U. v. 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - NJW 1961, 355) jede ernste, sittliche, an den Kategorien von „Gut“ und „Böse“ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne schwere seelische Not bzw. nicht ohne ernstliche Gewissensnot handeln kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1. Februar 1989 (BVerwG, U. v. 1.2.1989 - 6 C 61/86 - BVerwGE 81, 239) klargestellt hat, ist Voraussetzung für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe i. S. von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das „Zerbrechen der Persönlichkeit“ oder der Eintritt eines „schweren seelischen Schadens“. Es genügt vielmehr eine schwere Gewissensnot des Wehrpflichtigen, die im Einzelfall zu einem seelischen Schaden führen kann, aber nicht muss. Das Vorliegen einer solchen Gewissensentscheidung lässt sich vielfach nicht in vollem Umfang beweisen. Es kann daher genügen, dass ein aufgrund aller in Betracht kommender Umstände ermittelter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für eine solche Entscheidung spricht (vgl. BVerwG, U. v. 18.10.1972 - VIII C 46.72 - BVerwGE 41, 53).

Anders als bei Wehrpflichtigen, die vor oder bei Beginn des Wehrdienstes einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, ist bei Soldaten auf Zeit, die den Grundwehrdienst geleistet haben, ohne einen Konflikt mit dem Gewissen zu empfinden, für die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung allerdings der Nachweis einer „Umkehr“ der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe zu fordern. Die Umkehr kann nicht nur durch ein „Schlüsselerlebnis“ oder entsprechend schwerwiegende Umstände herbeigeführt werden, sondern kann auch das Ergebnis eines längeren Wandlungsprozesses sein (BVerwG, U. v. 2.3.1989 - 6 C 10/87 - BVerwGE 81, 294 ff.).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Recht abgelehnt. Nach Würdigung aller in Betracht kommender Umstände, auch aufgrund des Eindrucks, den das Gericht bei der Befragung des Klägers im Rahmen seiner Einvernahme als Partei gewonnen hat, hält es das Gericht nicht für wahrscheinlich, dass beim Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt die behauptete verbindliche Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe vorgelegen hat. Er hat eine innere Umkehr nicht glaubhaft gemacht. Die von ihm ausgeführten Beweggründe für seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer konnten die von der Beklagten angeführten Zweifel an einem inneren Wandlungsprozess im Sinne der Rechtsprechung nicht ausräumen.

a) So beschreibt der Kläger, dass er im Rahmen des Offizierlehrgangs Teil 2 im Dezember 2011 einen Film über die Wirkung von Munition gesehen habe, was ihn sehr betroffen gemacht habe. Derartige Darstellungen in einem Film mögen wohl sehr eindrucksvoll sein, das Gericht kann aber nicht nachvollziehen, dass der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa fünfeinhalb Jahren Soldat und Offizieranwärter war, bis dahin keine Vorstellung über die Wirkung von Munition gehabt haben will. Er gibt an, „immer nur Einschusslöcher in Pappscheiben“ gesehen zu haben, musste allerdings einräumen, dass es sich bei diesen Pappscheiben nicht nur um Ringscheiben, sondern auch um Tafeln mit menschlichen Silhouetten gehandelt hat. Nach Ansicht des Gerichts drängen auch Einschusslöcher auf Pappscheiben mit menschlichen Silhouetten beim Betrachter den Gedanken auf, dass solche Einschusslöcher bei realen Menschen schwere oder tödliche Verletzungen verursachen müssen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck eines Menschen gemacht, der sich über seine Handlungen und seine Berufs- und Lebensumstände durchaus viele Gedanken macht. Das Gericht hält es daher nicht für glaubhaft, dass der Kläger nach fünfeinhalb Jahren Dienstzeit aufgrund eines Films quasi erst auf den Gedanken gekommen ist, welche Wirkung die verschossene Munition haben kann.

b) Diese Erwägungen gelten in vergleichbarer Weise auch für den Vortrag des Klägers zum neuen Schießausbildungskonzept. In der Ausbildung werde nun aus kürzerer Entfernung auf bestimmte Körperzonen geschossen, und er habe das in Verbindung mit dem Film über die Wirkung von Munition gebracht. Vorher habe er immer nur „mittig auf die Silhouette geschossen, damit die Übung erfüllt war“. Auch hier hält das Gericht den Vortrag des Klägers, dass ihm erst mit diesem neuen Schießausbildungskonzept bewusst geworden sei, dass er im „Ernstfall“ mit erheblichen Folgen auf Menschen schießen könnte, für nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft.

c) Widersprüchlich sind auch die Angaben des Klägers zu seiner Einstellung zum Schießen im Jahr 2012, also dem Jahr vor seiner Antragstellung auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Er hat eindrucksvoll geschildert, dass er im Rahmen der Ausbildung als Schießausbilder/-lehrer im Mai 2012 eine Übung nicht bestanden und dann deshalb diese Ausbildung abgebrochen habe. Er habe die Übung nicht bestanden, weil er wegen seiner Vorbehalte gegen das Schießen „vom Kopf her nicht frei“ gewesen sei. Andererseits hat er am ... Oktober 2012 noch das Leistungsabzeichen „Truppendienst in Gold“ erhalten; die hierfür zu erbringenden Schießleistungen hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung im Juni oder September 2012 erbracht. Von Bedeutung ist, dass insoweit Schießleistungen in der höchsten Stufe („in Gold“) zu erbringen waren und somit davon auszugehen ist, dass der Kläger bei den Schießübungen durchaus eine gewisse Anstrengung erbringen und sozusagen „Trefferwillen“ zeigen musste, um diese Ergebnisse zu erzielen. Diesen Widerspruch hat der Kläger auf Vorhalt heruntergespielt und bagatellisiert, indem er lediglich geäußert hat, er habe „den Kopf mit anderen Sachen voll“ gehabt, „deswegen habe ich damals noch geschossen“. Hier wie auch bei anderen Punkten fällt auf, dass der Kläger sich wiederholt darauf zurückgezogen hat, „Probleme“ gehabt zu haben, wenn er eine konkrete Antwort vermeiden wollte.

d) Nicht plausibel sind weiter seine Ausführungen betreffend des Missbrauchs von Kindern als menschliche Schutzschilde im syrischen Bürgerkrieg. Dass der Kläger nicht auf Kinder schießen kann, ist nachvollziehbar und entspricht dem Kriegsvölkerrecht. Der Kläger hat gar nicht vorgetragen, dass das jemand von ihm verlangt hätte oder behauptet hätte, er könnte realistischer Weise in eine solche Situation kommen.

e) Ferner sind auch die Erklärungen des Klägers, weshalb er erst nach fast sechseinhalb Jahren Zugehörigkeit zur Bundeswehr gemerkt habe, dass er keine Gewalt ausüben könne, nicht überzeugend. Es mag zwar sein, dass in Werbefilmen für die Bundeswehr die „blutige“ Seite des militärischen Dienstes nicht erwähnt wird, jedoch ist es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger in den mehr als sechs Jahren seines militärischen Dienstes und des Studiums an einer Bundeswehr-Universität zusammen mit anderen Offizieranwärtern die militärische Realität nie wahrgenommen haben will. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass die Bundeswehr bereits seit dem Jahr 2001 in ... präsent ist. Seitdem haben sich mehrere hundert Zwischenfälle in ... ereignet, an denen die Bundeswehr beteiligt war. Seit Mitte 2006 hatte die Bundeswehr die Verantwortung für die Operation in der Nordregion ... übernommen (vgl. wikipedia: Deutsche Beteiligung am Krieg in ...). Auch wenn sich der Kläger nicht für die deutsche Außenpolitik interessiert hat und auch im Hinblick auf seine Verpflichtung zu einer Dienstzeit von 12 Jahren bei der Bundeswehr keinerlei Erkundigungen über seinen späteren Arbeitgeber angestellt haben mag, ist nicht glaubhaft, dass er sich während seiner Dienstzeit nie mit den Bedingungen seines späteren Einsatzes bei der Truppe auseinandergesetzt haben sollte. Er hat zwar geltend gemacht, er sei nur während der vier Wochen in Holzminden bei der regulären Truppe und ansonsten immer nur mit Offizieranwärtern zusammengewesen. Aber gerade das ständige Zusammensein mit anderen Offizieranwärtern drängt nach Meinung des Gerichts auf, dass dabei die künftige Offizierstätigkeit und die Berufsausübung bei der Bundeswehr thematisiert und diskutiert wird. Wenn der Kläger einräumt, man habe sich zwar etwa über Auslandseinsätze unterhalten, das habe jedoch nur eine untergeordnete Rolle gespielt und es sei während der Studienzeit eher um das Bestehen der Prüfungen gegangen, handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um eine nicht glaubhafte Darstellung.

f) Schließlich können auch die geschilderten Erlebnisse des Großvaters des Klägers eine Gewissensentscheidung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, nicht glaubhaft machen. Die Erlebnisse des Großvaters in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, die er erst nach dessen Tod von seiner Großmutter erfahren habe, mögen den Kläger wohl tief beeindruckt haben. Unklar und nicht nachvollziehbar bleibt aber der Zusammenhang, weshalb der Kläger dadurch zu dem Schluss gekommen ist, dass sein Gewissen einer weiteren Dienstleistung als Offizier der Bundeswehr entgegensteht.

g) Der in der mündlichen Verhandlung übergebene Beurteilungsvermerk vom ... September 2012 kann den Vortrag des Klägers ebenfalls nicht stützen. Es wird dargestellt, dass die Eignung des Klägers für eine Offizierposition nach Einschätzung seiner Vorgesetzten aus persönlichen und fachlichen Gründen „noch nicht erkennbar“ sei. Er habe sich mit dem Offizierberuf „noch nicht vollends identifiziert“. Die Beurteilung enthält jedoch keine Bemerkungen zu den vom Kläger dargestellten Problemen mit der Schießausbildung oder Anhaltspunkte für die vom Kläger geschilderten Gewissensprobleme.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Kläger die Zweifel an der Wahrheit seiner Angaben auch in der mündlichen Verhandlung nicht hat ausräumen können. Er konnte eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe i. S. von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG, § 1 Abs. 1 KDVG nicht glaubhaft darlegen. Das Gericht konnte keinen Wandlungsprozess feststellen, der über die Abwendung von seinem Beruf als Offizier und von der Bundeswehr als Arbeitgeber hinaus zu einer Umkehr seiner gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst geführt hat. Eine ernste, sittliche, die ganze Persönlichkeit des Klägers ergreifende unbedingte Entscheidung gegen das Töten im Krieg hat er nach Auffassung der Kammer nicht getroffen.

3. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 135 VwGO i. V. m. § 10 Abs. 2 KDVG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

12 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Annotations

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer anerkannt.

(2) Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

Die Antragstellerin ist als Kriegsdienstverweigerin und der Antragsteller ist als Kriegsdienstverweigerer anzuerkennen, wenn

1.
der Antrag vollständig ist (§ 2 Abs. 2),
2.
die dargelegten Beweggründe das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen geeignet sind und
3.
das tatsächliche Gesamtvorbringen und die dem Bundesamt bekannten sonstigen Tatsachen keine Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers begründen oder die Zweifel aufgrund einer Anhörung nach § 6 nicht mehr bestehen.

(1) Hat das Bundesamt Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers, gibt es ihr oder ihm Gelegenheit, sich innerhalb eines Monats zu den Zweifeln ergänzend schriftlich zu äußern und die Angaben zu belegen (schriftliche Anhörung). Bestehen weiterhin Zweifel, kann es die Antragstellerin oder den Antragsteller auch mündlich befragen (mündliche Anhörung).

(2) Die mündliche Anhörung ist nicht öffentlich. Das Bundesamt nimmt über die mündliche Anhörung ein Protokoll auf.

(3) Das Bundesamt kann ein Führungszeugnis nach § 31 des Bundeszentralregistergesetzes anfordern, wenn Zweifel an der Wahrheit der Angaben der Antragstellerin oder des Antragstellers bestehen und anzunehmen ist, dass diese Zweifel durch die Einholung eines Führungszeugnisses aufgeklärt werden können. Die Antragstellerin oder der Antragsteller ist über die Einholung des Führungszeugnisses zu unterrichten.

(4) Eine darüber hinausgehende Tatsachenaufklärung findet durch das Bundesamt nicht statt.

(5) Im Falle der Teilnahme an einer mündlichen Anhörung sind der Antragstellerin oder dem Antragsteller die notwendigen Auslagen zu erstatten. Nimmt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer an einer mündlichen Anhörung teil, hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber für die ausfallende Arbeitszeit das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen. Ist eine Antragstellerin oder ein Antragsteller nicht Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer, werden die notwendigen Aufwendungen, die ihr oder ihm durch die Bestellung einer Vertretung entstehen, erstattet, wenn die Fortführung des Geschäftsbetriebs oder der selbstständigen Tätigkeit nicht durch andere Vorkehrungen ermöglicht werden kann.

(6) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zum Verfahren bei der Anhörung sowie zur Erstattung von notwendigen Auslagen, Verdienstausfall und notwendigen Aufwendungen zu regeln.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Wer aus Gewissensgründen unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Artikels 4 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Kriegsdienstverweigerin oder Kriegsdienstverweigerer anerkannt.

(2) Wehrpflichtige, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden sind, haben im Spannungs- oder Verteidigungsfall statt des Wehrdienstes Zivildienst außerhalb der Bundeswehr als Ersatzdienst nach Artikel 12a Absatz 2 des Grundgesetzes zu leisten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 2) steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn durch Bundesgesetz die Berufung ausgeschlossen ist. Die Revision kann nur eingelegt werden, wenn das Verwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat. Für die Zulassung gelten die §§ 132 und 133 entsprechend.

(1) Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht gelten die §§ 8 und 9 Abs. 2 entsprechend. § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(2) Die Berufung gegen ein Urteil und die Beschwerde gegen eine andere Entscheidung des Verwaltungsgerichts sind ausgeschlossen. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 135 in Verbindung mit § 133 der Verwaltungsgerichtsordnung und die Beschwerde gegen Beschlüsse über den Rechtsweg nach § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Auf die Beschwerde gegen Beschlüsse über den Rechtsweg ist § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend anzuwenden.