Verwaltungsgericht Minden Urteil, 20. März 2014 - 9 K 3521/12
Gericht
Tenor
Die Bauordnungsverfügung der Beklagten vom 06.11.2012 sowie die Kostenentscheidung vom gleichen Tage werden aufgehoben.
Die Beklage trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist seit dem Jahr 1999 Eigentümer des Grundstücks Gemarkung M. , Flur 13, Flurstück 316 (M1. Straße 25), welches mit einem dreistöckigen Hauptgebäude sowie einem eingeschossigen Anbau bebaut ist. Das Erdgeschoss sowie der Anbau werden zu gewerblichen Zwecken (gewerbliche Zimmervermietung/Getränkeausschank) genutzt; im ersten und zweiten Obergeschoss befinden sich insgesamt fünf Wohnungen.
3Das Grundstück des Klägers liegt im Geltungsbereich des als Bebauungsplan D7 übergeleiteten Durchführungsplans Nr. 7 der Beklagten vom 07.01.1963, der den fraglichen Bereich als Mischgebiet ausweist.
4Für das Gebäude des Klägers erteilte die Beklagte auf einen von der damaligen Eigentümerin unter dem 09.09.1987 gestellten Bauantrag in Gestalt des Nachtragsantrags vom 26.11.1987 am 07.03.1988 eine Baugenehmigung für einen Umbau und eine Nutzungsänderung einer Gaststätte zu einem barähnlichen Betrieb im Erdgeschoss des Gebäudes. Die dem Bauantrag beigefügte Betriebsbeschreibung umfasst sieben Räume mit einer Fläche von insgesamt 129,70 m2 (Gasträume 1 bis 3, Küche, Flur sowie ein Damen- und ein Herren-WC). In der Betriebsbeschreibung (Bl. 36 BA II) heißt es unter anderem, dass beabsichtigt sei, den barähnlichen Betrieb so zu gestalten, dass offene Sitznischen erstellt würden und eine Betreuung der Gäste durch angestellte Damen erfolgen solle. Die Baugenehmigung enthält unter anderem die folgende Nebenbestimmung:
5„MA IV: Der barähnliche Betrieb stellt sich abweichend von einer Bar dadurch dar, dass auch Tische mit Sitzplätzen (Bestuhlung) vorhanden sind. Eine andere als besondere Betriebsart geltende Betriebsführung ist in der dieser Genehmigung zugrundegelegten Betriebsbeschreibung nicht enthalten und damit ausgeschlossen.“
6Weitere Baugenehmigungen für das streitgegenständliche Gebäude wurden dem Kläger bzw. den Voreigentümern des Klägers nicht erteilt; den jeweiligen Betreibern erteilte die Beklagte seit 1988 gaststättenrechtliche Erlaubnisse für den Betrieb einer Schankwirtschaft, Betriebsart „barähnlicher Betrieb“. Der Erlaubnisbescheid vom 05.05.1998 (Bl. 65 f. GA) an Frau L. -B. , eine frühere Betreiberin des Etablissements, enthält unter anderem die Auflage, dass die Verbindungstür von der Gaststätte zum Treppenhaus so herzurichten ist, dass man sie zu den oberen Etagen nicht mehr offenschließen kann, sie also ständig geschlossen zu halten ist. Die letzte, in der Bauakte der Beklagten dokumentierte Gewerbeanmeldung der T2. & D. Gastronomie UG vom 08.10.2012 für eine gewerbliche Zimmervermietung und den Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken ging bei dem Bauamt der Beklagten am 10.10.2012 ein (Bl. 44 f. BA I).
7Am 28.04.2012 fand eine Kontrolle der Rotlichtbetriebe im Stadtgebiet der Beklagten durch die Kreispolizeibehörde M2. sowie das Hauptzollamt C. statt. In dem „Club S. O. “ im Erdgeschoss des streitgegenständlichen Gebäudes des Klägers wurden hierbei mehrere bulgarische, ungarische bzw. rumänische Prostituierte angetroffen.
8Aufgrund einer Bürgerbeschwerde vom 10.07.2012 fertigte die Beklagte mehrere Lichtbilder von der Fassade des Gebäudes M1. Straße 25 und hörte den Kläger mit Schreiben vom 09.08.2012 zu einer beabsichtigten Nutzungsuntersagung an. Auf diese Ankündigung der Beklagten führte der Kläger mit Schreiben vom 29.10.2012 aus, die gegenwärtige Nutzung sei sowohl formell als auch materiell legal. Der derzeitige Betrieb sei von der im Jahre 1988 erteilten Baugenehmigung gedeckt, da der Begriff eines „barähnlichen Betriebes“ unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Betriebsbeschreibung mit dem eines „bordellartigen Betriebs“ identisch sei. Der gegenwärtig vorhandene bordellartige Betrieb stelle sich nicht als eine die Genehmigungsfrage erneut aufwerfende Nutzungsänderung dar. Selbst wenn aber eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliege, so sei das Bordell in dem Mischgebiet als sonstiger, das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb genehmigungsfähig. Die in einem Mischgebiet vorhandene Bebauung sei weniger schutzwürdig als eine solche in einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet. Die obergerichtliche Rechtsprechung habe jedenfalls für die Wohnungsprostitution entschieden, dass diese zu den gewerblichen, in einem Mischgebiet nicht generell unzulässigen Nutzungen gehöre. Im vorliegenden Fall sei zudem zu berücksichtigen, dass es durch die Nutzung der Räumlichkeiten zu keiner dokumentierten Belästigung der Nachbarschaft gekommen sei, bei der aufgrund des Durchgangsverkehrs auf der Langen Straße ohnehin eine erhebliche Vorbelastung bestehe. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte trotz Kenntnis der konkreten Nutzung über 22 Jahre hinweg nicht eingeschritten sei. Im Jahr 1998 habe die damalige Betreiberin bei Erteilung einer gaststättenrechtlichen Konzession die Auflage erhalten, die Zwischentür vom barähnlichen Betrieb zu den über ein Treppenhaus zu erreichenden gewerblichen Zimmern im Obergeschoss geschlossen zu halten. Eine vergleichbare Auflage in Bezug auf die seither im Erdgeschoss befindlichen gewerblichen Zimmer habe es indes gerade nicht gegeben; die Beklagte habe diesen Zustand vielmehr geduldet.
9Mit Bauordnungsverfügung vom 06.11.2012, zugestellt am 10.11.2012, forderte die Beklagte den Kläger auf, spätestens ab dem 01.07.2013 das Gebäude M1. Straße 25 nicht mehr als gewerbliche Zimmervermietung oder als bordellartigen Betrieb zu nutzen oder nutzen zu lassen. Die Nutzungsuntersagung schließe zudem das Verbot der Weitervermietung bzw. der Überlassung an Dritte ein. Weiter drohte die Beklagte für den Fall, dass der Kläger der Verfügung nicht oder nicht in ausreichendem Maße nachkommen sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € an. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, dass die gegenwärtige Nutzung sowohl formell als auch materiell illegal erfolge. Bei der Umwandlung eines barähnlichen Betriebes sowie von Wohnräumen im ersten Obergeschoss in einen bordellartigen Betrieb handele es sich um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung, die nicht von der bestehenden Baugenehmigung erfasst sei und daher einen bauordnungswidrigen Zustand schaffe. Der festgesetzte Termin zum 01.07.2013 sei verhältnismäßig, da eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch den Kläger zum 30.06.2013 möglich sei. Die gegenwärtige Nutzung sei darüber hinaus auch materiell illegal, da sich der bordellartige Betrieb in einem festgesetzten Mischgebiet befinde und nicht mit der in großem Umfang in der Nachbarschaft vorhandenen Wohnnutzung vertrage. Für die Frage, ob sich der Betrieb nach der Art der baulichen Nutzung in die Umgebungsbebauung einfüge, komme es nicht darauf an, ob es in seinem Umfeld in der Vergangenheit tatsächlich zu Störungen der Nachbarschaft gekommen sei, da von der Nutzung der Räumlichkeiten zu Zwecken der Prostitution typischerweise eine Beeinträchtigung der Wohnruhe ausgehe. Das Bauordnungsamt sei auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes an dem Erlass der Nutzungsuntersagung gehindert, da die Bauaufsichtsbehörde in der Vergangenheit keinen Vertrauenstatbestand geschaffen und daher ihre Eingriffsbefugnis nicht verwirkt habe. Sie habe seit der Aufnahme der Nutzung weder durch Baugenehmigungen noch durch Duldungsverfügungen signalisiert, dass gegen die illegale Nutzung nicht eingeschritten werde. Die von der allgemeinen Ordnungsbehörde in der Vergangenheit erteilten Gaststättenerlaubnisse beinhalteten keine baurechtliche Prüfung. Schließlich sei der Kläger als Grundstückseigentümer und damit als Zustandsstörer auch der richtige Adressat der Verfügung. Darüber hinaus sei er mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Handlungsstörer anzusehen, da durch die Vermietung des Hauses die eigentliche Ursache für den bestehenden ordnungswidrigen Zustand geschaffen werde. Auch wenn der Kläger selbst nicht Betreiber sei, so könne von ihm verlangt werden, dass er keine weiteren Tatbeiträge zur Fortsetzung der bordellmäßigen Nutzung mehr leiste und die bisher geleisteten Tatbeiträge wieder rückgängig mache. Hierzu gehöre auch, bestehende Kündigungsrechte auszuüben und neue Mietverhältnisse erst nach sorgfältiger Prüfung zu begründen. Mit Bescheid vom selben Tage setzte die Beklage für die Nutzungsuntersagung eine Gebühr in Höhe von 350,00 € fest.
10Der Kläger hat daraufhin am 10.12.2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend zu seinen Ausführungen im Verwaltungsverfahren vor, die Baugenehmigung vom 7.3.1988 umfasse auch den gegenwärtigen Betrieb eines Bordells in dem Gebäude. Aufgrund der seinerzeit bestehenden Moralvorstellungen habe die Beklagte den bordellartigen Betrieb in der Genehmigung nicht als solchen bezeichnet, sondern umständlich als barähnlichen Betrieb umschrieben. Schon damals sei den am Genehmigungsverfahren Beteiligten klar gewesen, dass nicht nur der Betrieb eines Gaststättengewerbes in Rede stehe, sondern dass auch gewerbliche Dienstleistungen angeboten werden sollten. Unabhängig von dem Umstand, dass eine Baugenehmigung für den gegenwärtigen Betrieb existiere, habe die Beklagte durch ihr Nichteinschreiten sowie durch die Erteilung von Gaststättenerlaubnissen einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Bauordnungsverfügung sei schließlich ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte mit dem Kläger den falschen Störer in Anspruch genommen habe. Es sei bereits nicht ersichtlich, dass überhaupt versucht worden sei, die Identität des jeweils aktuellen Betreibers zu ermitteln. Darüber hinaus könne er, der Kläger, die Störung auch nicht am schnellsten und effektivsten beseitigen, da er als Vermieter zum einen Kündigungsfristen einzuhalten habe und zum anderen unter Umständen zunächst einen zivilrechtlichen Räumungsprozess führen müsse, um die Nutzung des Bordells durch den Betreiber effektiv zu beenden. Letzterer sei als Inhaber der tatsächlichen Gewalt sowie als Betreiber des Bordells Zustands- und Verhaltensstörer, der im Vergleich zum Eigentümer als bloßem Zustandsstörer vorrangig in Anspruch genommen werden müsse. Die angegriffene Nutzungsuntersagung sei schließlich auch nicht hinreichend bestimmt, da sie sich auf das gesamte Gebäude M1. Straße 25 beziehe und hierbei nicht berücksichtige, dass sich im ersten und zweiten Obergeschoss mit der in Rede stehenden gewerblichen Nutzung in keinem Zusammenhang stehende Mietwohnungen befänden.
11Der Kläger beantragt,
12die Bauordnungsverfügung der Beklagten vom 06.11.2012 sowie die Kostenentscheidung vom selben Tag aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und führt ergänzend aus, entgegen der Auffassung des Klägers umfasse die im Jahr 1988 genehmigte Nutzungsänderung einer Gaststätte in einen barähnlichen Betrieb nicht die gegenwärtige Nutzung als Bordell bzw. als gewerbliche Zimmervermietung. Der Rechtsprechung lasse sich nicht entnehmen, dass in einem barähnlichen Betrieb auch Prostitution ausgeübt werde. Dieses Verständnis komme auch in der Nebenbestimmung MA IV der Baugenehmigung vom 07.03.1988 zum Ausdruck. Der Betrieb eines Bordells sei weder beantragt noch genehmigt worden. Die Nutzungsuntersagung habe daher bereits ermessensfehlerfrei allein auf die formelle Illegalität gestützt werden können. Unabhängig hiervon bestünden aber auch erhebliche Zweifel an der materiellen Legalität des Vorhabens. Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei auch nicht aus sonstigen Gründen rechtswidrig. Allein der Umstand, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde von der tatsächlichen Nutzung gewusst habe, schaffe keinen Vertrauenstatbestand bei dem Kläger. Allein die faktische Duldung eines illegalen Zustandes durch längeres Hinnehmen stehe einer späteren Nutzungsuntersagung nicht entgegen. Erforderlich sei vielmehr, dass die Bauaufsichtsbehörde (aktiv) zu erkennen gebe, dass sie sich auf Dauer mit dessen Existenz abfinde. Davon sei vorliegend nicht auszugehen, da die von einer anderen Stelle als der für die Nutzungsuntersagung zuständigen Bauaufsichtsbehörde erteilten Erlaubnisse nach dem Gaststättengesetz keine aktive Duldung der zuständigen Baubehörde darstellten. Schließlich sei der Kläger auch als der richtige Störer in Anspruch genommen worden, da nur er als Eigentümer des Gebäudes die formelle Baurechtswidrigkeit des Bordellbetriebes durch die Beschaffung einer Baugenehmigung oder die Kündigung der Mietverhältnisse beenden könne. Die formelle Illegalität werde insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass der Mieter bzw. Untermieter den Betrieb einstelle. In Konstellationen wie der vorliegenden sei damit zu rechnen, dass die tatsächlichen Betreiber in relativ kurzen Abständen, jedenfalls aber dann wechselten, wenn eine Ordnungsverfügung gegen den jeweils aktuellen Betreiber erlassen werde. Eine Beständigkeit sei daher nicht zu erkennen.
16Anlässlich eines am 13.08.2013 durchgeführten Erörterungstermins hat der Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig und begründet.
20Die Bauordnungsverfügung vom 06.11.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –). Die Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht untersagt, das streitgegenständliche Gebäude ab dem 01.07.2013 als gewerbliche Zimmervermietung oder als bordellartigen Betrieb zu nutzen oder nutzen zu lassen.
21Nach § 61 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – BauO NRW – haben die Bauaufsichtsbehörde u.a. bei der Errichtung, Änderung, Nutzung und Nutzungsänderung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, und in Wahrnehmung dieser Aufgabe nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Danach sind vorliegend zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten erfüllt, da die Nutzung von Teilen des Gebäudes zum Zwecke der gewerblichen Zimmervermietung (vgl. Gewerbeanmeldung vom 08.10.2012, Bl. 45 BA I) bzw. der Ausübung von Prostitution mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht in Einklang steht (I.). Die Beklagte hat indes bei der Inanspruchnahme des Klägers das ihr eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (II.).
22I. Eine Nutzung als Bordell bzw. bordellartiger Betrieb ist durch die am 07.03.1988 erteilte Baugenehmigung für Teile des Gebäudes M1. Straße 25 nicht gedeckt und damit formell illegal, vgl. § 75 Abs. 5 BauO NRW.
23Eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung liegt vor, wenn sich die neue Nutzung von der bisher ausgeübten (legalen) Nutzung dergestalt unterscheidet, dass die Zulässigkeit des geänderten Vorhabens nach den Bauvorschriften anders beurteilt werden kann. In planungsrechtlicher Hinsicht ist eine Nutzungsänderung dann anzunehmen, wenn die rechtliche Qualität der bisherigen Nutzung so verändert wird, dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt.
24OVG NRW, Beschluss vom 13.11.1995 – 11 B 2161/95 –, BRS 57 Nr. 184 = juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 26.02.2007 – 1 ZB 06.2296 –, juris, Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 – 4 D. 25/82 –, BVerwGE 68, 360 = juris, Rn. 13.
25Davon ist vorliegend auszugehen. Gegenstand der Baugenehmigung vom 07.03.1988 ist die Nutzungsänderung bzw. der Umbau einer Gaststätte zu einem barähnlichen Betrieb. Weder die dem Bauantrag beigefügte Betriebsbeschreibung noch die erteilte Baugenehmigung enthalten einen Hinweis darauf, dass der barähnliche Betrieb mit einer gewerblichen Zimmervermietung zum Zwecke der Ausübung von Prostitution verbunden werden solle. Die damalige Betreiberin teilte der Beklagten im Rahmen des seinerzeitigen Baugenehmigungsverfahrens vielmehr schriftlich mit, dass beabsichtigt sei, den barähnlichen Betrieb so zu gestalten, dass offene Sitznischen erstellt würden und eine Betreuung der Gäste durch angestellte Damen erfolgen solle. In Anknüpfung hieran enthält die Baugenehmigung die Nebenbestimmung MA IV, wonach sich der barähnliche Betrieb abweichend von einer Bar dadurch auszeichne, dass auch Tische mit Sitzplätzen (Bestuhlung) vorhanden sind. Weiter wird ausdrücklich festgestellt, dass eine andere als die in der Baugenehmigung zugrundegelegte Betriebsführung ausgeschlossen ist. Von dieser Betriebsbeschreibung, die sich – soweit ersichtlich – an dem von der Rechtsprechung entwickelten Begriff des barähnlichen Betriebes orientiert,
26vgl. dazu bereits OVG NRW, Urteil vom 13.02.1963 – IV A 1123/62 –, DÖV 1963, 879, 880,
27weicht das tatsächliche Nutzungskonzept, das unter anderem mit dem Hinweis „Ladies ab 35 €“ wirbt und insgesamt vier gewerbliche Zimmer zum Zwecke der Prostitution vorhält, ab. Unerheblich für die Eigenschaft als Bordell bzw. bordellartiger Betrieb ist insoweit, dass es in den zur Langen Straße hin gelegenen Gasträumen auch zum Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken kommt.
28Vgl. zum Fall einer sog. „Anbahnungsgaststätte“ BVerwG, Beschluss vom 23.03.2009 – 8 B 2/09 –, NVwZ 2009, 909 = juris, Rn. 7.
29Die Nutzung als Bordell oder bordellartiger Betrieb ist auch nicht nach den §§ 65 ff. BauO NRW genehmigungsfrei, sondern bedarf nach § 63 Abs. 1 BauO NRW der Baugenehmigung. Da eine solche nicht vorliegt, erfolgt die Nutzung formell illegal.
30Im Regelfall rechtfertigt bereits die formelle Illegalität den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung. Nach § 75 Abs. 5 BauO NRW darf vor Zugang der Baugenehmigung mit der Bauausführung nicht begonnen werden. Entsprechendes gilt für eine Nutzungsänderung vor Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung. Wer vor Erteilung der Baugenehmigung Bauarbeiten verrichtet oder bauliche Anlagen nutzt, handelt unter Missachtung der im Gemeinwohlinteresse liegenden, weil die rechtmäßige bauliche Entwicklung sichernden Ordnungsfunktion des formellen Baurechts. Schon zur Vermeidung der Erzielung unberechtigter Vorteile gegenüber dem gesetzestreuen Bauherrn muss die Bauaufsichtsbehörde in der M. sein, den nicht gesetzestreuen Bauherrn an Bau und Nutzung vor Erteilung der Baugenehmigung zu hindern.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.01.2006 – 10 B 2159/05 –, juris, Rn. 7; vom 12.07.2007 – 7 E 664/07 –, ZfBR 2007, 702 = juris, Rn. 6; vom 11.07.2008 – 10 A 36/07; Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte/ Radeisen, BauO NRW, Loseblattkommentar, Stand: Juli 2013, § 61 Rn. 37.
32Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Nutzungsaufnahme offensichtlich genehmigungsfähig ist, wenn sich ihre materielle Zulässigkeit also geradezu aufdrängt. Dafür ist aber vorauszusetzen, dass bereits der entsprechende Bauantrag gestellt und auch nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der Baugenehmigung keine sonstigen Hindernisse entgegenstehen.
33Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12.07.2007 – 7 E 664/07 –, ZfBR 2007, 702 = juris, Rn. 8, vom 31.07.2007 – 10 B 852/07 –, vom 13.01.2003 – 10 B 1617/02 –, juris, Rn. 6; vom 06.01.2003 – 7 B 2553/02 –, juris, Rn. 5; ; vgl. auch Hahn, in: Boeddinghaus/ Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Loseblattkommentar, Stand: Juli 2013, § 61 Rn. 46.
34Dies ist hier nicht der Fall. Jedenfalls die ersten beiden Voraussetzungen sind vorliegend unstreitig nicht erfüllt.
35II. Die Beklagte hat allerdings das ihr durch § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumte Ermessen bei der Auswahl des heranzuziehenden Störers nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
36Dabei kann dahinstehen, ob die nicht ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens vorliegend bereits daraus folgt, dass die Beklagte den ihrer späteren Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse nur unvollständig ermittelt hat. Sollen – wie hier – bestimmte Nutzungen baulicher Anlagen aus formellen und/oder materiellen Gründen untersagt werden, bedarf es konkreter Feststellungen dazu, welche Nutzungen möglicherweise genehmigt sind und welche Nutzungen gegenwärtig tatsächlich ausgeübt werden. Andernfalls lässt sich nicht sicher beurteilen, ob die Nutzung, die untersagt werden soll, außerhalb der Variationsbreite des möglicherweise Erlaubten liegt bzw. auf welchen Bereich eines aus mehreren Nutzungseinheiten bestehenden Gebäudekomplexes sich die konkrete Bauordnungsverfügung bezieht.
37Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 29.11.2004 – 10 B 2076/04 –, BRS 67 Nr. 206 = juris, Rn. 8.
38Den Verwaltungsvorgängen der Beklagten ist vorliegend nicht zu entnehmen, inwieweit sie überhaupt ermittelt hat, in welcher Form und in welchem Bereich des dreigeschossigen Haupthauses sowie des Anbaus ein Bordell betrieben wird. Die in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Feststellungen zu den tatsächlichen Nutzungen, auf denen die Untersagung beruht, beschränken sich auf zwei am 10.07.2012 von der Südfassade des Gebäudes gefertigte Lichtbilder (Bl. 5 f. BA I). Nähere Feststellungen zu Art und Umfang der bordellartigen Nutzung fehlen ebenso wie etwa ein Lageplan, in dem die wohngenutzten Räumlichkeiten im ersten und zweiten Obergeschoss eingetragen sind.
39Jedenfalls stellt sich die Aufforderung an den Kläger, das Gebäude M1. Straße 25 in M. spätestens ab dem 01.07.2013 nicht mehr als bordellartigen Betrieb zu nutzen oder nutzen zu lassen, als ermessensfehlerhaft dar, ohne dass es darauf ankäme, ob der Kläger neben seiner Eigenschaft als Zustandsverantwortlicher auch als Zweckveranlasser und damit als Verhaltensstörer anzusehen ist, weil er die baurechtswidrige Nutzung durch die Vermietung gezielt ausgelöst hat.
40Erweist sich eine bauliche Anlage oder Nutzung als baurechtswidrig, so hat sich die Störerauswahl in erster Linie daran zu orientieren, wie die Gefahr am schnellsten und effektivsten abzuwehren ist. In Fällen, in denen die Gefahr wie hier angesichts der fehlenden Baugenehmigung für die bordellartige Nutzung von einer Sache ausgeht, ist grundsätzlich nicht der Vermieter, sondern der Mieter als tatsächlicher Nutzer der richtige Adressat von bauaufsichtlichen Ordnungsverfügungen, wenn die Nutzungsaufgabe zur Abwehr des baurechtswidrigen Zustandes notwendig ist.
41Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.05.2002 – 7 B 588/02 –; vom 12.03.2002 – 7 B 230/02 –.
42Denn die tatsächliche Einstellung einer baurechtswidrigen Nutzung ist in keiner Weise vom Bestand oder Nichtbestand des jeweiligen zivilrechtlichen Mietvertrages abhängig. Der Mietvertrag hindert weder den Mieter daran auszuziehen noch die Beklagte daran, die Räumungsverfügung, gegebenenfalls ergänzt um eine Duldungsverfügung gegen den Vermieter,
43vgl. zu der nur ausnahmsweise bestehenden Erforderlichkeit eines an den Vermieter gerichteten Gebots, ein gegenüber dem Mieter verfügtes Nutzungsverbot zu dulden, Hess. VGH, Beschluss vom 15.09.1994 – 4 TH 655/94 –, BRS 56 Nr. 200,
44durchzusetzen. Umgekehrt bedeutet die Kündigung des Mietvertrages durch den Vermieter in keiner Weise, dass das Mietobjekt auch tatsächlich geräumt wird.
45OVG NRW, Beschluss vom 13.01.1993 – 7 B 4794/92 –, NVWBl. 1993, 232 = juris, Rn. 8.
46Zur Überwindung zivilrechtlicher Bindungen bietet sich daher regelmäßig neben einer an den Mieter gerichteten Nutzungsuntersagung an, dem Eigentümer und Vermieter (ausschließlich) zu untersagen, das Mietobjekt nach Aufgabe der Nutzung durch den Mieter zu anderen als den genehmigten Zwecken zu nutzen, zu vermieten oder zur Verfügung zu stellen.
47Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 10.08.2007 – 10 B 942/07 –; VG Minden, Urteil vom 18.07.2013 – 9 K 2831/11 –.
48Demnach war es ermessensfehlerhaft, die Nutzungsuntersagung ohne weitere Ermittlungsmaßnahmen an den Kläger als Grundstückseigentümer zu richten und ihm der Sache nach aufzugeben, auf eine zivilrechtliche Beendigung des Mietverhältnisses hinzuwirken. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Abweichung von dem vorgenannten Grundsatz rechtfertigen könnten, dass vorrangig der Mieter in Anspruch zu nehmen ist. Zwar ist es anerkannt, dass im Falle von häufig wechselnden Nutzungsverhältnissen, wie dies mitunter bei der Vermietung zu Zwecken der Ausübung von Prostitution geläufig ist, eine Nutzungsuntersagung ermessensfehlerfrei allein an den Eigentümer gerichtet werden kann, wenn die Inanspruchnahme der Mieter bzw. Untermieter keine Aussicht auf Erfolg bietet.
49Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 26.02.2007 – 1 ZB 06.2296 –, juris, Rn. 22; VG Freiburg, Urteil vom 08.11.2012 – 4 K 912/12 –, VBlBW 2013, 225 = juris, Rn. 60; VG Regensburg, Urteil vom 14.07.2011 – RO 7 K 10.2261 –, juris, Rn. 30.
50Ein solches Vorgehen setzt aber vor dem Gebot einer schnellen und effektiven Gefahrenabwehr wie auch unter Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes, vgl. § 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – VwVfG NRW –, voraus, dass nach den Umständen des Falles nicht zu erwarten ist, dass den baurechtswidrigen Zuständen mit einem Vorgehen gegen den unmittelbaren Nutzer wirksam und dauerhaft begegnet werden kann. Eine ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens erfordert daher, dass die Bauaufsichtsbehörde zuvor erfolglos versucht hat, den Inhaber der tatsächlichen Gewalt in Anspruch zu nehmen.
51Die Beklagte hat weder vorgetragen noch ist in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert, dass sie sich vor Erlass der Nutzungsuntersagung bei dem Kläger als Eigentümer der Immobilie M1. Straße 25 um Informationen über bestehende Mietverhältnisse bemüht hätte, um vorrangig gegen den Mieter vorzugehen. Warum die Beklagte diesen naheliegenden und effektiven Ermittlungsweg nicht beschritten hat, obwohl der Kläger im Anhörungsschreiben vom 29.10.2012 namentliche Angaben zu seinen Mietvertragspartnern gemacht hat, bleibt offen. Darüber hinaus ging bei dem Bauamt der Beklagten ausweislich der Behördenakte am 10.10.2012 die Anzeige über die Gewerbeanmeldung der Firma T2 & D. Gastronomie UG vom 08.10.2012 ein, die sich auf das Objekt M1. Straße 25 bezog. Bei Vorlage dieser Informationen hätte sich im Interesse einer wirksamen Gefahrenbekämpfung aufdrängen müssen, weitere Ermittlungen über Mieter bzw. Betreiber anzustellen und gegen diese vorzugehen, anstatt die Nutzungsuntersagung ausschließlich an den Kläger als Eigentümer und Vermieter zu richten und diesem aufzugeben, auf eine Beendigung des Mietverhältnisses – zumal erst zum 01.07.2013 und damit in nahezu acht Monaten seit Erlass der Nutzungsuntersagung – hinzuwirken. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass nach den Umständen des Einzelfalles – namentlich nach erfolglosen Ermittlungen der Bauaufsichtsbehörde über die Person des Mieters bzw. Betreibers – eine Nutzungsuntersagung ermessensfehlerfrei gegen den Eigentümer und Vermieter ausgesprochen werden könnte, wenn sich ein solches Handeln vor dem Hintergrund häufig wechselnder Nutzungsverhältnisse als sachgemäß darstellte. Ob diese Gefahr aber im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung noch bestand, erscheint mit Blick auf den Gewerberaummietvertrag zwischen dem Kläger und der T2. & D. Gastronomie und Unterhaltungs UG vom 03.11.2012, nach dessen § 2 Satz 2 dem Mieter eine Untervermietung nicht gestattet ist, indes fraglich.
52Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch nichts anderes aus der von ihr in Bezug genommenen Entscheidung des OVG NRW vom 21.02.2014 – 7 B 1440/13 –. Diese Entscheidung befasst sich allein mit der Inanspruchnahme eines untervermietenden Hauptmieters als Verhaltensstörer. Zu der Frage der rechtmäßigen Inanspruchnahme eines Grundstückseigentümers nimmt sie ebenso wenig Stellung wie zu der Problematik der Auswahl zwischen mehreren Verhaltens- bzw. Zustandsstörern. Die Ausführungen in dem zitierten Beschluss lassen sich auch nicht entsprechend auf den hier in Rede stehenden Fall eines über einen längeren Zeitraum vermietenden Grundstückseigentümers übertragen, da die dortige Entscheidung die Inanspruchnahme eines solchen Vermieters betraf, der die Räumlichkeiten regelmäßig kurzfristig für konkrete Fremdveranstaltungen vermietete.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.02.20114 – 7 B 1440/13 –, juris, Rn. 6.
54Der Inhalt der Bauordnungsverfügung vom 06.11.2013 lässt sich schließlich auch nicht durch Auslegung auf eine an den Kläger gerichtete Untersagung reduzieren, das Objekt nach Aufgabe der Nutzung durch den Mieter zu anderen als den genehmigten Zwecken zu nutzen, zu vermieten oder zur Verfügung zu stellen. Die Verfügung schließt ausweislich ihres Wortlauts zwar das Verbot der Weitervermietung bzw. der Überlassung an Dritte ein, macht aber nicht hinreichend deutlich, dass dies nur ab dem Zeitpunkt der Nutzungsaufgabe durch den gegenwärtigen Mieter gelten solle. Zudem erschöpft sich die Ordnungsverfügung nicht in dem Verbot der Weitervermietung. Sie ist – wie erwähnt – zusätzlich darauf gerichtet, dem Kläger ab dem 01.07.2013 die Nutzung des Gebäudes M1. Straße 25 als bordellartiger Betrieb zu untersagen bzw. ihn zu verpflichten, ab diesem Zeitpunkt eine entsprechende Nutzung durch Dritte durch Kündigung bestehender Mietverhältnisse zu unterbinden.
55Da somit die Nutzungsuntersagung vom 06.11.2012 ermessensfehlerhaft erfolgte, ist auch die in der Verfügung zugleich ausgesprochene Zwangsgeldandrohung rechtswidrig und ebenfalls aufzuheben. Ebenfalls rechtswidrig ist die mit Bescheid vom gleichen Tage für die Nutzungsuntersagung festgesetzte Gebühr in Höhe von 350,00 €, da diese bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wäre, vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – GebG NRW –.
56Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
57Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung – ZPO –.
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Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.