Verwaltungsgericht Minden Urteil, 26. Jan. 2016 - 1 K 1485/15


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin bewohnt ein auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur , Flurstück (postalisch: M.------straße) in C. aufstehendes Einfamilienhaus. Ihrem Grundstück gegenüber (postalisch: M.------straße ) befindet sich die Schützenhalle der Kleinstadt, die, nachdem sie z.T. abgerissen und neu errichtet wurde, in ihrem jetzigen Zustand mit Baugenehmigungen vom 08.01.1980, 21.10.1980 und 13.11.1980 genehmigt wurde. Zwischenzeitlich wurden die Fenster an der Südseite der Halle vermauert. Die Schützenhalle wird über Traditionsveranstaltungen, wie Karneval, Königsschießen, Schützenfest und Schützenabrechnung hinaus auch für private Feierlichkeiten, z.B. Geburtstage und Hochzeiten, vermietet. Ein Bebauungsplan existiert für das maßgebliche Gebiet nicht.
3Seit Januar 2014 setzt der Beigeladene in der Schützenhalle eine Schallbegrenzungsanlage (sog. „Limiter“) ein, die laut einem Schreiben der E. vom 04.05.2015 ordnungsgemäß funktioniert. Es handelt sich dabei um eine Anlage, die mittels eines Mikrofons im Raum den Innenpegel aufzeichnet und speichert. Die Verarbeitung und Speicherung der Daten erfolgt auf einem PC in einem Kellerraum. Im Saal selbst befindet sich eine Signalleuchte, die bei Überschreitung des eingestellten zulässigen Innenpegels zunächst gelb und dann rot leuchtet. Nach vierminütiger Überschreitung der eingestellten Lautstärke schaltet der Limiter die Musikanlage selbständig aus.
4Zur Erledigung eines vor dem Landgericht Paderborn geführten Rechtsstreits (Az.: 3 O 447/13) schlossen die Klägerin und der Beigeladene – der damalige Beklagte – am 25.06.2014 einen Vergleich. Dieser regelt u.a.:
5„3.) Der Beklagte verpflichtet sich, in der in seinem Eigentum stehenden Schützenhalle C. , M.------straße , C. keine Veranstaltungen durchzuführen oder durchführen zu lassen, sobald dadurch an den Fenstern am Wohnhaus der Klägerin (M.------straße , C. ) in der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr ein Immissionswert (Beurteilung nach Nr. 6.1 c TA Lärm) von 45 dB(A) überschritten wird. Ausgenommen sind lediglich kurzzeitige Geräuschspitzen, die die Immissionswerte in der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
64.) Von der Verpflichtung zu Ziffer 3.) gelten folgende Ausnahmen: Die in der Vorziffer festgelegten Grenzwerte gelten nicht für folgende jährlich wiederkehrende Traditionsveranstaltungen: Karneval (1 Nacht), Königsschließen (1 Nacht), Schützenfest (3 Nächte) und Schützenabrechnung (1 Nacht). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Beklagte an bis zu drei Tagen jährlich Veranstaltungen, die den Traditionsfesten in ihrem Wesen und Charakter gleich kommen, durchführen kann und von den Vorgaben der Beschränkungen der Ziffer 3.) dieses Vergleichs befreit ist. Zu solchen Veranstaltungen wäre z.B. zu zählen ein Stadtfest, Bezirksschützenfest oder Veranstaltungen, die man unter dem Begriff des „Public viewing“ zusammen fassen kann. Ausdrücklich nicht dazu zählen Veranstaltungen von Privatpersonen zu Geburtstagen, Hochzeiten etc.“
7Auf Antrag der Klägerin beschloss das Landgericht Paderborn am 10.11.2014 für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus dem o.g. Vergleich ‑ Einhaltung der vereinbarten Immissionswerte - dem Beigeladenen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € anzudrohen.
8Die Klägerin hat am 01.06.2015 Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen die Nutzung der Schützenhalle für traditionsfremde Zwecke erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass der Beigeladene seine Halle regelmäßig – jährlich etwa 25 bis 30 mal – für Veranstaltungen wie z.B. Hochzeiten oder Geburtstage vermiete, obwohl dafür keine Baugenehmigung erteilt worden sei. Fast jedes Wochenende werde die Halle für gewerbsmäßige Veranstaltungen genutzt. So habe am 23.08.2014 in der Schützenhalle eine Silberhochzeit stattgefunden, von der nachts eine Lärmbelästigung mit weit über 45 dB(A) bzw. 65 dB(A) ausgegangen sei. Am 14.03.2015 sei in der Schützenhalle ein Frühlingskonzert veranstaltet worden, das mit erheblichen Lärmbelästigungen bis ein oder zwei Uhr nachts gedauert habe. Zwar seien die Fenster an der Südseite der Halle zugemauert worden, die zwischen den Fenstern befindliche Tür aber nicht. Der Limiter gebiete Ruhestörungen keinen Einhalt, schließlich könne man diesen abschalten, die Mikrophone austauschen oder eine andere Stromquelle nutzen. Überdies habe der Beigeladene erklärt, dass sie keinen Anspruch darauf habe, die gespeicherten Lärmwerte einzusehen. Sie, die Klägerin, werde auch durch anfahrende Gäste mit Lärm belästigt, schließlich sei es heute üblich, vor der Veranstaltung „vorzuglühen“. Draußen würden Parallelpartys veranstaltet. Die Lärmbelästigungen schädigten sie an ihrer Gesundheit. Sie leide unter akuten Schlafproblemen, hohem Blutdruck und Panikattacken. Der Beschluss des Landgerichts Paderborn vom 10.11.2014 habe zur diversen, gegen sie gerichtete Aktionen, u.a. Brandstiftung, Sachbeschädigung und Beleidigungen, geführt. Diese Tätigkeiten seien vermutlich von dem Beigeladenen initiiert worden, als Druckmittel, damit sie ihre Beschwerden zurückziehe. Inzwischen – sie habe Videokameras installiert – seien die geschilderten Tätigkeiten aber abgeklungen. Es sei allerdings noch zu weiteren Zwischenfällen, u.a. am 09.01.2016, 16.01.2016 und 23.01.2016, gekommen.
9Die Klägerin beantragt,
10den Beklagten zu verpflichten, dem Beigeladenen die Nutzung des auf seinem Grundstück Gemarkung C. , Flur, Flurstück (postalisch: M.------straße ) in C. aufstehenden Gebäudes für Veranstaltungen, bei denen die Halle für private Feste, Hochzeiten, Jubiläen, Diskothekentanzveranstaltungen etc. (also Veranstaltungen nichttraditioneller Art) vermietet wird, zu untersagen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er macht im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung lägen nicht vor. Zwar sei die Nutzung der Halle für Veranstaltungen mit vereinsfremdem Charakter wie Geburtstagsfeiern, Hochzeiten oder Polterabenden von der Baugenehmigung nicht gedeckt. Die Klägerin werde aber in ihren nachbarlichen Rechten nicht verletzt. Anhaltspunkte dafür, dass es im Tagesbetrieb der Halle zu Überschreitungen der Lärmwerte komme, lägen nicht vor. Auch nachts werde aufgrund der durchgeführten Lärmschutzmaßnahmen der zulässige Immissionsrichtwert eingehalten. Das von der Klägerin geschilderte, ihr gegenüber an den Tag gelegte kriminelle Verhalten verurteile er, der Beklagte, scharf, es sei allerdings dem Beigeladenen, der sich von Provokationen mehrfach öffentlich distanziert habe, nicht zuzurechnen.
14Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
15die Klage abzuweisen.
16Den Antrag der Klägerin, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Beigeladenen die Nutzung des auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur, Flurstück (postalisch: M.------straße ) in C. aufstehenden Gebäudes für Veranstaltungen von 22:00 bis 06:00 Uhr, bei denen die Halle für private Feste, Hochzeiten, Jubiläen, Diskothekentanzveranstaltungen etc. vermietet wird, durch eine sofort für vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig zu untersagen, hat die erkennende Kammer mit Beschluss vom 30.06.2015 (Az.: 1 L 911/14) abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 24.09.2015 (Az.: 2 B 831/15) zurückgewiesen.
17Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 18.12.2015 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20Die Verpflichtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 2. und 3 Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet. Der Klägerin steht der begehrte Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten (§ 61 Abs. 1 Satz 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - Landesbauordnung (BauO NRW)) gegen die von ihr als solche bezeichneten Veranstaltungen nicht traditioneller Art in der Schützenhalle des Beigeladenen nicht zu.
21Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden u.a. bei der Nutzung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Sie haben gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW in Wahrnehmung dieser Aufgabe nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ein Anspruch des Nachbarn auf bauordnungsbehördliches Einschreiten folgt aus dieser Eingriffsermächtigung, wenn die angegriffene bauliche Anlage nicht durch eine bestandskräftige Baugenehmigung gedeckt wird und rechtswidrig ist, den klagenden Nachbarn in seinen Rechten verletzt, dieser seine Abwehrrechte nicht verwirkt hat sowie das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.08.2005 – 10 A 3611/03 –, juris Rn. 35.
23Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf das von ihr begehrte bauaufsichtliche Einschreiten des Beklagten. Eine Verletzung ihrer Nachbarrechte ist nicht ersichtlich. Insbesondere verstößt die Halle, soweit sie für Geburtstagsfeste, Hochzeiten etc. vermietet wird, nicht gegen das – im Merkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) enthaltene – Gebot der Rücksichtnahme.
24Das Gebot der Rücksichtnahme soll die bei Verwirklichung von Bauvorhaben aufeinanderstoßenden Interessen angemessen ausgleichen. Ob ein Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Umgekehrt braucht derjenige, der ein Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es danach wesentlich auf eine Abwägung an zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dementsprechend ist das Rücksichtnahmegebot verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird.
25OVG NRW, Urteil vom 15.05.2013 – 2 A 3010/11 –, juris Rn. 64.
26Was Geräuschimmissionen anbelangt, wird die Schwelle der Zumutbarkeit grundsätzlich verbindlich durch die Bestimmungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) festgelegt. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der unzumutbaren Belästigung oder Störung in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren prinzipiell zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Zumutbarkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Zumutbarkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als die TA Lärm insbesondere durch Kann-Vorschriften (zum Beispiel Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (zum Beispiel Nr. A.2.5.3 des Anhangs zur TA Lärm) Spielräume eröffnet.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.2007 – 4 C 2.07 –, juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 06.09.2011 – 2 A 2249/09 –, juris Rn. 96.
28Ist die TA Lärm nicht (unmittelbar) anwendbar und gilt für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen auch kein anderes normatives Regelwerk bindend, bleibt die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen gerade von atypischen, wegen ihrer Vielgestaltigkeit in ihren Lärmauswirkungen schwer greifbaren Anlagen weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten. Diese Einzelfallwertung richtet sich maßgeblich insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit; dabei sind wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz ebenso mitbestimmend wie eine etwaige tatsächliche oder rechtliche Vorbelastung. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die einzelnen Schallereignisse, ihr Schallpegel und ihre Eigenart (zum Beispiel Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) sowie ihr Zusammenwirken.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.02.2003 – 7 B 88.02 –, juris Rn. 6; OVG NRW, Urteil vom 06.09.2011 – 2 A 2249/09 –, a.a.O. Rn. 99.
30Im Rahmen der solchermaßen vorzunehmenden Gesamtabwägung können technische Regelwerke, die der Erfassung der Geräuschcharakteristik und des daraus folgenden Störgrads der jeweils zur Beurteilung anstehenden Anlage am nächsten kommen, als Orientierungshilfe beziehungsweise "grober Anhalt" herangezogen werden.
31OVG NRW, Urteil vom 06.09.2011 – 2 A 2249/09 –, a.a.O. Rn. 100.
32Als Orientierungshilfe für die Beurteilung der von der Schützenhalle ausgehenden Geräuschimmissionen kann – als sachnächstes technisches Regelwerk – auf den Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-5 - 8827.5 - (V Nr.) vom 23.10.2006 "Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen" (im Folgenden: Freizeitlärmrichtlinie NRW) zurückgegriffen werden. Der (unmittelbare) Anwendungsbereich der TA Lärm ist nicht eröffnet, weil das hier maßgebliche Gebäude, in dem insb. Schützenfeste und Geburtstage stattfinden, als Freizeitanlage im Sinne von Nr. 1 der Freizeitlärmrichtlinie NRW durch Nr. 1 b) der TA Lärm von deren Geltung ausgenommen ist.
33Gemäß Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 der Freizeitlärmrichtlinie NRW sind Freizeitanlagen Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 BImSchG, die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden. Während die TA Lärm auf Anlagen zugeschnitten ist, die überwiegend dem Arbeitsleben zuzurechnen sind, will die Freizeitlärmrichtlinie NRW dem Umstand Rechnung tragen, dass Konflikte aufgrund von Geräuschen durch Freizeitanlagen in der Regel dann auftreten, wenn ein Teil der Bevölkerung in der Freizeit (in den Abendstunden, an Wochenenden und Sonn- und Feiertagen) Entspannung durch Ruhe sucht, ein anderer sich dagegen durch Aktivitäten in Freizeitanlagen erholen will (vgl. Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinie NRW). Daher werden die von Freizeitanlagen verursachten Geräuschimmissionen zwar grundsätzlich nach der TA Lärm bewertet, von deren Bewertungsmaßstäben allerdings mit Blick auf die Besonderheiten des Freizeitlärms durch die Vorgabe bestimmter Ruhe- und Beurteilungszeiten Ausnahmen gemacht werden sollen (vgl. Nr. 3.1 und Nr. 3.3 der Freizeitlärmrichtlinie NRW).
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 06.09.2011 – 2 A 2249/09 –, a.a.O. Rn. 104.
35Vor diesem Hintergrund entspricht die den Gegenstand des Verfahrens bildende Halle einer Freizeitanlage i.S.d. Nr. 1 der Freizeitlärmrichtlinie NRW. Die Schützenhalle wird maßgeblich für Veranstaltungen des Beigeladenen (Schützenfeste, Karneval etc.) genutzt und für private Festivitäten (Geburtstage, Hochzeiten etc.) vermietet. Damit stellt der Beigeladene ein Raumangebot für Aktivitäten zur Verfügung, die sich als Freizeitgestaltung und nicht als Bestandteil des Arbeitslebens begreifen lassen.
36Ist die Freizeitlärmrichtlinie NRW als Orientierungshilfe zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen einschlägig, kann zur Bemessung des Schutzniveaus des Grundstücks M.------straße in C. zunächst Nr. 3.1 c) der Freizeitlärmrichtlinie NRW herangezogen werden. Danach betragen die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Mischgebieten – von dieser planungsrechtlichen Beurteilung geht die Kammer übereinstimmend mit den Beteiligten aus – tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten 60 dB(A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie an Sonn- und Feiertagen 55 dB(A) und nachts 45 dB(A).
37Ausgehend davon erweist sich die streitbefangene Nutzung nicht als im Verhältnis zur Klägerin rücksichtslos. Es ist nicht ersichtlich, dass die Richtwerte bei der Durchführung nicht traditioneller Veranstaltungen nicht eingehalten werden. Tatsächliche Richtwertüberschreitungen werden jedenfalls nicht in substantiierter Form geltend gemacht. Die Klägerin selbst hat in der mündlicher Verhandlung erklärt, dass es – mit Ausnahme zur Zeit des Schützenfestes, das hier jedoch als sog. Traditionsveranstaltung nicht Verfahrensgegenstand ist – tagsüber nicht zu Lärmwertüberschreitungen komme. Es ist auch nicht festzustellen, dass dies nachts – also von 22 – 06 Uhr (vgl. Nr. 3.3 der Freizeitlärmrichtlinie NRW) – der Fall ist. Zwar führt die Klägerin in einem Lärmprotokoll diverse Veranstaltungen in den Jahren 2008 und 2009 auf, bei denen es zu Störungen gekommen sein soll. Das Vorbringen der Klägerin ist aber stark subjektiv gefärbt und bleibt vage. Anhaltspunkte für eine die Rücksichtslosigkeit begründende Grenzwertüberschreitung bestehen aufgrund solcher Wertungen wie „laut“ nicht.
38Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 28.08.2014 – 9 L 1082/14 –, juris Rn. 44 m.w.N.
39Ferner datieren diese Angaben aus der Zeit vor dem Einbau des Limiters in der Schützenhalle. Soweit die Klägerin zeitlich spätere Lärmbelästigungen rügt, ist ihr Vorbringen derart unsubstantiiert, dass der Vortrag für die Annahme, der genannte Grenzwert von 45 dB(A) werde überschritten, nicht genügen kann. Es bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin tatsächlich jedes Wochenende unzulässigen Lärmimmissionen ausgesetzt ist. Vielmehr ist davon auszuzugehen, dass die maßgeblichen Richtwerte eingehalten werden. Der Beigeladene hat zwei Schreiben der E. vom 07.10.2014 und 04.05.2015 vorgelegt, wonach die zu erwartenden Geräuschimmissionen messtech-nisch ermittelt worden seien. Die Untersuchung habe ergeben, dass bei einem Innenpegel von LAFeq = 84 dB(A) am maßgeblichen Immissionspunkt – Dachge-schoss des klägerischen Wohnhauses – ein Immissionswert von 45 dB(A) eingehalten werde. Aufgrund zwischenzeitlicher weiterer Lärmschutzmaßnahmen durch den Beigeladenen – des Vermauerns der Fensteröffnungen und der Schließung nicht mehr genutzter Bierleitungen jeweils an der Südseite des Gebäudes – werde nunmehr noch bei einem Innenpegel von LAFeq = 86,5 dB(A) der maßgebliche Immissionswert eingehalten. Der Limiter funktioniere ordnungsgemäß. Soweit die Klägerin potentielle Schwächen des eingebauten Limiters und dessen Manipulierbarkeit rügt, brauchte das Gericht diesem Vorbringen mangels objektiver Anhaltspunkte dafür, dass es tatsächlich zu einer Umgehung der Funktion des Limiters kommt, nicht weiter nachzugehen. Dass die weiteren nächtlichen Ruhestörungen, die die Klägerin behauptet, in einem Zusammenhang mit der Hallennutzung stehen, ist nicht erkennbar. Die insofern aufgestellten Vermutungen und Behauptungen der Klägerin bilden für eine rechtmäßige Untersagungsverfügung des Beklagten keine tragfähige Grundlage. Da es nicht um die konkreten Auswirkungen der Nutzung der Schützenhalle für Veranstaltungen wie Geburtstage und Hochzeiten geht, sondern vielmehr um u.U. strafrechtlich relevante Ausschreitungen gegen die Klägerin, stellen sich die behaupteten Vorkommnisse nicht als baurechtliches, sondern als polizeiliches Problem dar.
40Im Übrigen ist vorliegend das durch § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumte Ermessen des Beklagten nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht auf Null reduziert. Der Beklagte durfte ermessensfehlerfrei berücksichtigen, dass die Klägerin sich in dem mit dem Beigeladenen vor dem Landgericht Paderborn am 25.06.2014 geschlossenen Vergleich zur Duldung privater Feste bei Einhaltung der maßgeblichen Richtwerte verpflichtet und somit ihre Nachbarrechte gegenüber dem Beigeladenen zumindest teilweise bindend zurückgestellt hat. Ein Einschreiten zu ihrem Schutz ist deshalb insoweit selbst bei unterstellter objektiver Baurechtswidrigkeit der Nutzung nicht erforderlich. Insofern geht es nicht um einen Vertrauenstatbestand gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber dem von einem Einschreiten betroffenen Beigeladenen. Mit der ihm gegenüber bindend erklärten Duldung ist die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Nachbarrechts nicht zu vereinbaren.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.09.2015 – 2 B 831/15 –, n.V.
42Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser einen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

moreResultsText

Annotations
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.