Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 19. Dez. 2017 - 8 B 503/17

bei uns veröffentlicht am19.12.2017

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 106.12.2017, mit welchem der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 71 a AsylG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG 1 AsylG als unzulässiger Zweitantrag abgelehnt wurde und die Abschiebung nach Somalia angedroht wurde. Der Eilantrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen, hat Erfolg.

2

1.) Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht zulasten des Bundesamtes aus. Es bestehen im Sinne des vorläufigen Rechtsschutzes zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfung des Bundesamtes rechtsfehlerhaft erfolgt ist. Denn es ist dem Vortrag des Antragstellers zu dem in Finnland abgeschlossenen Asylverfahren nicht hinreichend nachgegangen.

3

Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

4

Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann. Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 29 ff.).

5

Der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat muss durch eine bestandskräftige Sachentscheidung positiv festgestellt werden. Das Bundesamt muss zu der gesicherten Erkenntnis gelangen, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen. Bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht. Bestehende Zweifel gehen zu Lasten des Bundesamts (vgl. nur VG Augsburg, Beschl. v. 13.04.2017 - Au 7 S 17.30833 - juris Rn. 22; VG München, Beschl. v. 23.03.2017 - M 21 S 16.35816 - Rn. 17; VG Freiburg, Urt. v. 17.02.2017 - A 1 K 3787/16 - juris Rn. 17, 21; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 07.09.2016 - 1 B 54/16 - juris Rn. 7; VG Ansbach, Urt. v. 29.09.2015 - AN 3 K 15.30829 - juris Rn. 23; Schönenbroicher in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 71a AsylG Rn. 2 <01.05.2017>).

6

Die Sachaufklärung zu der Frage, ob und in welcher Weise ein Asylverfahren in einem Mitgliedstaat abgeschlossen worden ist, obliegt dem Bundesamt (vgl. § 71a Abs. 1 AsylG a.E.; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris Rn. 40; VG Freiburg, Urt. v. 17.02.2017 - A 1 K 3787/16 - juris Rn. 19).

7

Im Rahmen einer sog. Info-Request-Anfrage nach Art. 34 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO kann das Bundesamt bei Drittstaaten nach § 71a Abs. 1 AsylG unter anderem den „Stand des Verfahrens“ abfragen (vgl. Art. 34 Abs. 2 Buchstabe g Dublin III-VO). Zum „Stand des Verfahrens“ gehört die Information, ob ein Asylverfahren endgültig eingestellt worden ist. Hierbei handelt es sich um personenbezogene Daten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (vgl. Art. 34 Abs. 1 Buchstabe b Dublin-III-VO). Die Auskunft hingegen, das Verfahren sei geschlossen bzw. das Asylgesuch abgelehnt worden, lässt keinen sicheren Schluss darauf zu, dass das (Erst-)Verfahren nicht noch wiedereröffnet werden kann. Das gleiche gilt für die Auskunft, die Ausweisung („expulsion“) sei verfügt worden zum Ganzen: BVerwG, Urteil v. 14.12.2016, 1 C 4.16; VG Karlsruhe, Urteil v. 20.10.2017, A 4 K 10337/17; juris).

8

Ausgehend von diesem Maßstab hat das Bundesamt keine ausreichenden Ermittlungen zum Asylverfahren in Finnland angestellt. Das Bundesamt ist nicht zu der gesicherten Erkenntnis gelangt, dass das Asylerstverfahren in Finnland endgültig mit einer für den Antragsteller negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen. Das Bundesamt hat - soweit nach der Aktenlage ersichtlich – nicht einmal eine Auskunft der finnischen Behörden eingeholt, sondern das Dublin-Verfahren abgebrochen und im quasi nationalen Verfahren allein nach den Angaben des Antragstellers entschieden. Ohne Frage muss der Asylbewerber an der Bearbeitung seines Verfahrens mitwirken und die notwendigen Angaben machen. Diese dem Flüchtling möglichen Angaben zum Inhalt und der juristischen Bewertung seines Antrages in dem anderen Mitgliedsstaat sind aber erfahrungsgemäß derart dürftig, dass – zumal ohne Vorlage und Kenntnis vom Bescheidinhalt – keine verlässliche Aussage über die Voraussetzungen von Wiederaufgreifensgründen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG getroffen werden können.

9

Schlussendlich unterscheidet sich dieses Vorgehen des Bundesamtes auch von solchem, welches dem vom Gericht im Gerichtsbescheid vom 05.10.2017 (8 A 334/17 MD; juris gemeldet) zugrunde liegenden Sachverhalt entspricht. Dort stand fest, dass der Antragsteller in Belgien vergeblich um Rechtsschutz nachgesucht hat und das Bundesamt den besonderen örtlichen Gegebenheiten in Somalia mit der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG Rechnung getragen.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens


(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26a Sichere Drittstaaten


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 71a Zweitantrag


(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem

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(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tatbestand

1

Die Kläger, nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren.

2

Sie reisten im Juli 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Antwortschreiben vom 30. Juli 2012 bestätigten die ungarischen Behörden, dass der Kläger zu 1 zusammen mit seiner Familie im April 2012 dort Asyl beantragt habe. Wegen des Verschwindens der Familie sei das Asylverfahren beendet worden. Es werde zugestimmt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über ihre Asylanträge zu entscheiden.

3

Nachdem eine Überstellung der Kläger nach Ungarn nicht erfolgt war, stellte das Bundesamt Ende Januar 2013 fest, dass wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist im nationalen Verfahren zu entscheiden sei.

4

Mit Bescheiden vom 13. und 17. Juni 2014 lehnte das Bundesamt hinsichtlich aller Kläger die Durchführung von weiteren Asylverfahren ab (Nr. 1), stellte aber jeweils fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Nr. 2). Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem Asylantrag nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens in Ungarn jeweils um einen Zweitantrag. Ein weiteres Asylverfahren sei nicht durchzuführen, da Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die humanitären Bedingungen in Afghanistan führten jedoch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.

5

Mit ihrer zunächst erhobenen Verpflichtungsklage begehrten die Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes. Sie hätten glaubhaft geschildert, dass der Klägerin zu 3 in Afghanistan die Zwangsverheiratung drohe. Von einem Zweitantrag sei nicht auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nahmen die Kläger ihre Verpflichtungsanträge auf richterlichen Hinweis zurück und beantragten nur noch, jeweils die Nr. 1 der Bescheide vom 13. und 17. Juni 2014 aufzuheben.

6

Das Verwaltungsgericht gab dieser Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Anfechtungsklage sei die statthafte Klageart, wenn - wie vorliegend - Streit darüber bestehe, ob ein Anwendungsfall des § 71a AsylG gegeben sei. Im Unterschied zum Folgeverfahren nach § 71 AsylG seien hier zwei Mitgliedstaaten beteiligt und müsse deshalb zunächst die Verfahrenssituation ermittelt, also festgestellt werden, ob überhaupt eine "Zweitantragssituation" vorliege. Insoweit sei den Klägern das Recht einzuräumen, zunächst isoliert die sie beschwerende Wertung als Zweitantrag zu beseitigen und damit den Weg freizumachen für ein vom Bundesamt durchzuführendes Asylverfahren.

7

Die Klage sei auch begründet. Die Ablehnung der Anträge auf Durchführung von weiteren Asylverfahren sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Ein "erfolgloser Abschluss" (§ 71a AsylG) des in Ungarn eingeleiteten Asylverfahrens liege nicht vor, weil das Erstverfahren in Ungarn noch nicht endgültig beendet sei. Ungarn habe sich damit einverstanden erklärt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über deren Asylbegehren zu entscheiden. Dies entspreche den Auskünften des Auswärtigen Amtes zum ungarischen Asylverfahrensrecht. Danach sei ein endgültiger Verfahrensabschluss mit der Folge, dass ein neuerliches Asylbegehren als Folgeantrag gewertet werde, nur anzunehmen, wenn ein vorheriges Asylverfahren in der Sache unanfechtbar negativ abgeschlossen oder das Asylverfahren nach ausdrücklicher schriftlicher Rücknahme des Asylbegehrens unanfechtbar eingestellt worden sei. Sei ein Asylverfahren hingegen ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden, könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Ausgehend davon liege auch in Deutschland keine "Zweitantragssituation" vor, sondern müsse über das Asylbegehren erstmals entschieden werden. Denn die Dublin II-VO enthalte keine Regelung, nach der der Zuständigkeitsübergang auch zu einem formellen oder materiellen Rechtsverlust führen könnte.

8

Die Beklagte macht mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anwendungsbereich von § 71a AsylG fehlerhaft zu eng bestimmt. Im Unterschied zu der das Folgeantragsverfahren betreffenden Regelung des § 71 AsylG beziehe sich § 71a AsylG nicht nur auf die in jener Vorschrift angeführten Konstellationen der Rücknahme oder unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrags, sondern richte sich mit der Formulierung vom "erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens" auf einen potentiell weitergehenden Kreis von Fallgestaltungen. Ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens liege immer auch dann vor, wenn ein in dem Mitgliedstaat vorausgegangenes behördliches Asylverfahren ohne inhaltliche Prüfung einen formellen Abschluss gefunden habe. Dabei sei unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im sicheren Drittstaat die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder einer anderweitigen Fortführung bzw. Prüfung der bis zum Verfahrensabschluss bestehenden Schutzgründe bestehe. Nicht zuletzt die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 17. März 2016 (Rs. C-695/15) belege, dass Unionsrecht gerade nicht fordere, auf die zur Wiederaufnahme bzw. Verfahrensfortführung im sicheren Drittstaat bestehende Rechtslage abzustellen. Die Asylverfahrensrichtlinie a.F. stelle es den Mitgliedstaaten frei, ob sie die Wiedereröffnung eines eingestellten Verfahrens ermöglichten. Dieser dem innerstaatlichen Normgeber unionsrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum würde erheblich beeinträchtigt, wenn dem Berufungsgericht zu folgen wäre. Sei die Prüfung des Asylantrags in Deutschland durchzuführen, müssten auch die hier geltenden Gesetze Anwendung finden.

9

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren in Ziffer 1 der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. und 17. Juni 2014 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (1.). Sie ist auch begründet, denn die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, liegen nicht vor (2.). Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.) und verletzt die Kläger in ihren Rechten (4.).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

14

1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die nach Rücknahme der Verpflichtungsanträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur noch anhängige Anfechtungsklage in der vorliegenden prozessualen Konstellation als statthaft angesehen.

15

Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG bzw. - hier - § 71a AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Hierzu zählt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nunmehr auch der - materiellrechtlich unverändert geregelte - Fall, dass im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

16

Jedenfalls seit Inkrafttreten dieser Neuregelung ist die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt, ebenso wie die hier noch ergangene - gleichbedeutende - Ablehnung der Durchführung eines weiteres Asylverfahrens, einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2016, § 71a Rn. 39). Sie verschlechtert die Rechtsstellung der Kläger, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass ihr Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag, um den es sich gemäß § 71a Abs. 5 i.V.m. § 71 AsylG handeln würde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Ferner erlischt mit der nach § 71a Abs. 4 i.V.m. §§ 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylG regelmäßig zu erlassenden, sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung auch die Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 12).

17

Die Anfechtungsklage ist nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das von den Klägern endgültig verfolgte Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag eine Verpflichtung der Gerichte zum "Durchentscheiden" angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <172 ff.>), hält der Senat daran mit Blick auf die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts nicht mehr fest.

18

Anknüpfend an die stärkere Betonung des behördlichen Asylverfahrens, der hierfür in der für die EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Verfahrensrichtlinie enthaltenen, speziellen Verfahrensgarantien sowie der dort vorgesehenen eigenen Kategorie unzulässiger Asylanträge (vgl. Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - Asylverfahrensrichtlinie a.F. - bzw. Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie n.F. -) hat der Gesetzgeber mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG das Verfahren strukturiert und dem Bundesamt nicht nur eine Entscheidungsform eröffnet, sondern eine mehrstufige Prüfung vorgegeben. Erweist sich ein Asylantrag schon als unzulässig, ist eine eigenständig geregelte Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen. Zugleich hat das Bundesamt über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Diese Prüfungsstufe ist bei Anträgen, die das Bundesamt als Zweitantrag einstuft, auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG). Die weitere in § 71a Abs. 1 AsylG genannte Voraussetzung, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, muss an dieser Stelle bereits feststehen. Andernfalls wäre eine - vorrangige - Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen. Denn die Dublin-Verordnungen regeln abschließend die Zuständigkeit zur Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags. Erst wenn ein Mitgliedstaat danach zuständig ist, kann er einen Asylantrag - wie hier - aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 20).

19

Diese klare Gliederung der Prüfung von Anträgen, für die die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, in eine Entscheidung, ob ein Zweitantrag nach § 71a AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist (Zulässigkeitsprüfung) und die weitere Entscheidung, ob die materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind (Sachprüfung), hat auch in eigenständigen Verfahrensvorgaben für die erste Prüfungsstufe Ausdruck gefunden. In § 71a Abs. 2 AsylG wird das "Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist", besonders geregelt (vgl. zum Verfahren der Zulässigkeitsprüfung allgemein auch § 29 Abs. 2 bis 4 AsylG). Es liegt nahe, damit auch spezialgesetzliche, prozessuale Konsequenzen zu verbinden und den Streitgegenstand einer Klage nach einer derartigen Unzulässigkeitsentscheidung auf die vom Bundesamt bis dahin nur geprüfte Zulässigkeit des Asylantrags beschränkt zu sehen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1987 - 9 C 251.86 - BVerwGE 77, 323 ff., jeweils zur partiell vergleichbaren Rechtslage nach dem AsylVfG 1982). Dafür spricht schließlich auch § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach das Bundesamt bei einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung das Asylverfahren fortzuführen hat. Diese Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, dessen in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelte, besondere Rechtsfolgen nicht verallgemeinerungsfähig sind. Letzteres gilt jedoch nicht für den in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Dieser ist auf den Fall der Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG übertragbar und lässt darauf schließen, dass die verweigerte sachliche Prüfung vorrangig von der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Fachbehörde nachzuholen ist (ähnlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 13 und 17). Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.

20

Die von der jüngeren Asylgesetzgebung verfolgten Beschleunigungsziele, auf die der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Sie rechtfertigen es bei der derzeitigen Ausgestaltung des nationalen Asylverfahrensrechts und der unionsrechtlichen Vorgaben nicht, bei Folge- und (vermeintlichen) Zweitanträgen, welche entgegen der Einschätzung des Bundesamts zur Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens führen müssen, den nach dem Asylgesetz auf die Unzulässigkeitsentscheidung begrenzten Streitgegenstand auf die sachliche Verpflichtung zur Schutzgewähr zu erweitern und dann unter Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungsprozessrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) die erstmalige Sachentscheidung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern. Für bestimmte Fallgestaltungen stehen dem Bundesamt im Übrigen selbst Beschleunigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die eine eventuelle Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Berechtigung zu internationalem Schutz zumindest abmildern können. Hierzu zählt die Option, offensichtlich unbegründete Anträge nach § 30 AsylG abzulehnen und eine Abschiebungsandrohung mit verkürzter Ausreisefrist zu erlassen, sowie bei Folgeanträgen nunmehr auch die Möglichkeit, das Asylverfahren beschleunigt durchzuführen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Nicht zu entscheiden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt in Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG neben einer Unzulässigkeitsentscheidung vorsorglich und in dem gehörigen Verfahren im Interesse einer Beschleunigung auch ausdrücklich (hilfsweise) eine Sachentscheidung treffen kann. Dass nach § 31 Abs. 3 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, "ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen", und sich das Bundesamt zumindest insoweit sachlich mit einem Schutzbegehren zu befassen hat, ersetzt diese Prüfung nicht, weil sie nicht bezogen ist auf die - dem nationalen Abschiebungsschutz vorrangige Frage der - Anerkennung als Asylberechtigter bzw. Gewährung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 AsylG) und einen anderen Streitgegenstand betrifft. Dieser Streitgegenstand kann - in Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen - durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden.

21

Vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob die Entscheidung auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben, ist auch eine gegebenenfalls ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn beide Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen (vgl. entsprechend BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 19).

22

2. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen.

23

Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

24

Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

25

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.

26

Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n.F.) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71a Rn. 3 ff.). Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob die Aufnahme der Folge- und Zweitanträge, bei denen keine Gründe für ein Wiederaufgreifen vorliegen, in den Katalog der Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG bereits mit der Asylverfahrensrichtlinie a.F. - ihre Anwendbarkeit unterstellt - vereinbar war und ob und in welcher Weise Art. 25 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" zusätzlich begrenzt.

27

Die Voraussetzungen für die Nichtdurchführung eines (weiteren) Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 AsylG liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Asylanträge der Kläger keine Zweitanträge im Sinne dieser Vorschrift sind. Ihren Anträgen ist kein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) vorausgegangen.

28

Zwar ist Ungarn als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten: Im vorliegenden Fall richtet sich die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind (vgl. die Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags auf internationalen Schutz - Dublin III-VO).

29

Es fehlt indes an einem "erfolglosen Abschluss" der von den Klägern in Ungarn eingeleiteten Asylverfahren. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann (a). Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (b). Nach diesen Maßstäben ist das von den Klägern in Ungarn betriebene und dort eingestellte Asylverfahren vorliegend nicht erfolglos abgeschlossen (c).

30

a) Dem Wortlaut nach umfasst die Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" jede Art des formellen Abschlusses eines Asylverfahrens ohne Zuerkennung eines Schutzstatus. Für die nähere Konkretisierung der möglichen Varianten und der Anforderungen an den Verfahrensabschluss kann auf die Parallelregelung zum Folgeantrag in § 71 Abs. 1 AsylG zurückgegriffen werden, wonach es sich um eine Rücknahme oder eine unanfechtbare Ablehnung des Antrags handeln kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit der abweichenden Formulierung in § 71a Abs. 1 AsylG inhaltlich weitere Tatbestände hätte erfassen wollen. Denn der Sinn und Zweck des § 71a AsylG ist darauf beschränkt, den Zweitantrag dem Folgeantrag und damit die asylrechtliche Entscheidung des Drittstaats einer asylrechtlichen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen (BT-Drs. 12/4450 S. 27; siehe auch Hailbronner, in: Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 14 f.).

31

Der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 AsylG erfasst nach der bis zum 16. März 2016 geltenden Rechtslage uneingeschränkt auch die Fälle, in denen der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt. Dies macht nicht zuletzt § 32 Abs. 2 AsylG deutlich. Anders stellt sich dies nach der am 17. März 2016 in Kraft getretenen grundlegenden Neufassung des § 33 AsylG durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) dar: Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 bis 6 AsylG kann nunmehr ein Ausländer, dessen Verfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt worden ist, einmalig die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Ein neuer Asylantrag gilt als derartiger Wiederaufnahmeantrag und ist als Erstantrag zu behandeln, sofern seit der Einstellung des Asylverfahrens noch keine neun Monate vergangen sind und das Asylverfahren noch nicht nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Infolge dieser - erkennbar vorrangigen - Spezialregelung ist der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nunmehr bereits nach nationalem Recht dahin einschränkend auszulegen, dass er die Fälle der fiktiven Rücknahme nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG nur noch unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG umfasst, wenn also die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder das Asylverfahren bereits einmal wieder aufgenommen worden war.

32

Steht die bestehende Wiederaufnahmemöglichkeit somit nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben (Umkehrschluss aus § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG) der Behandlung als Folgeantrag entgegen, muss dies - wegen der bezweckten Gleichstellung - auch für den Zweitantrag gelten. Hinzu kommt ein systematisches Argument innerhalb des § 71a AsylG: Liegt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylG im Falle der Antragsablehnung erst vor, wenn diese Ablehnung unanfechtbar ist (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2007 - 16 Wx 150/07 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 15), ist ein erfolgloser Abschluss auch im Falle der Verfahrenseinstellung nach (ausdrücklicher oder stillschweigender/fingierter) Rücknahme nur anzunehmen, wenn das konkrete Asyl(erst)verfahren endgültig - d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers - beendet ist (zum unionsrechtlichen Begriff der "rechtskräftigen" bzw. "bestandskräftigen" Entscheidung s. Art. 2 Buchst. d Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 2 Buchst. e Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die beiden Varianten des erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens, die jeweils dieselbe Rechtsfolge bewirken, insoweit unterschiedlichen Anforderungen unterliegen sollten.

33

b) Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat zuvor betriebenes Asylverfahren dort durch bestandskräftige Ablehnung oder endgültige Einstellung beendet worden ist, insgesamt nach dem betreffenden ausländischen Asylverfahrensrecht richtet. § 71a Abs. 1 AsylG knüpft an einen abgeschlossenen, im Ausland geschehenen Vorgang an, der insgesamt dem ausländischen Recht unterfällt. Der enge Zusammenhang des Verwaltungsakts und seiner Bestandskraft gebietet, die Frage, ob eine ausländische Verwaltungsentscheidung noch anfechtbar bzw. revidierbar ist, nach ausländischem und nicht deutschem Recht zu beantworten. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten lässt zwar Raum dafür, die Rechts- und Bestandskraft einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung als Tatbestandsvoraussetzung für die innerstaatliche Rechtsanwendung heranzuziehen; sie erlaubt aber keine Erstreckung des nationalen Verfahrensrechts auf die Beurteilung dieser Vorfrage.

34

Die hier noch anwendbare Dublin II-VO beschränkt sich auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit; ihr lässt sich indes keine Grundlage für eine Handhabung entnehmen, nach der der Zuständigkeitsübergang auf einen anderen Mitgliedstaat mit einer Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Rechtsstellung verbunden wäre. Sie berechtigt insbesondere nicht dazu, an einen Zuständigkeitsübergang nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO einen Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte, nicht nach Folgeantragsgrundsätzen erfolgende Antragsprüfung zu knüpfen, wenn dieses Recht im zuvor zuständigen Staat nach dem dort geltenden Asylverfahrensrecht noch bestand (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155 = juris Rn. 36).

35

Dem steht der Hinweis der Beklagten, bei Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags müsse diese Prüfung auch nach deutschen Gesetzen erfolgen, nicht entgegen. Er trifft zwar insoweit zu, als nicht jede rechtliche Schlechterstellung durch einen Zuständigkeitsübergang ausgeschlossen ist. So darf ein durch Ablauf der Überstellungsfrist zuständig gewordener Staat einen Asylantrag nach Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO (vergleichbar: Art. 3 Abs. 3 Dublin II-VO) auch dann ablehnen, wenn der ursprünglich zuständige Staat vom Drittstaatskonzept keinen Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 [ECLI:EU:C:2016:188], PPU - NVwZ 2016, 753). Von dieser Fallkonstellation unterscheidet sich die hier relevante Regelung zum Zweitantrag aber dadurch, dass der deutsche Gesetzgeber darin den Prüfungsumfang vom Abschluss eines in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Verwaltungsverfahrens abhängig macht. Damit knüpft die gesetzliche Regelung selbst an einen nach der ausländischen Rechtsordnung zu beurteilenden Tatbestand an.

36

Zu keinem anderen Ergebnis führt die weitere Aussage des EuGH in der vorgenannten Entscheidung, Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO verpflichte die zuständigen Behörden des zuständigen Mitgliedstaats bei Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nicht, das Verfahren zur Prüfung seines Antrags in dem Stadium wiederaufzunehmen, in dem es von diesen Behörden eingestellt worden war. In diesem Zusammenhang weist der EuGH auch auf Art. 28 Abs. 2 letzter Unterabsatz Asylverfahrensrichtlinie n.F. hin, wonach die Mitgliedstaaten der Asylbehörde die Wiederaufnahme der Prüfung in dem Verfahrensabschnitt, in dem sie eingestellt wurde, gestatten können, aber nicht müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/12 - Rn. 67; ebenso Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 4 Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Daraus kann etwa folgen, dass eine bereits erfolgte Anhörung nicht zwingend wiederholt werden muss. Ungeachtet der unterschiedlichen Verfahrenskonstellation rechtfertigen diese Bemerkungen aber nicht den Schluss, dass ein Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte Antragsprüfung durch bloßen Zuständigkeitsübergang mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Die Begriffe "Verfahrensabschnitt" bzw. "Stadium" beziehen sich nach dem Verständnis des EuGH zweifelsfrei nicht auf die Frage, ob es sich um ein Erst- oder ein Folgeverfahren handelt. Denn der EuGH betont ausdrücklich, dass die Prüfung des Antrags den für Erstanträge vorgesehenen Anforderungen entsprechen muss.

37

Nach den vorstehenden Ausführungen kann auch der Einwand der Beklagten nicht durchgreifen, bei Anwendung ungarischen Rechts werde der dem innerstaatlichen Normgeber zustehende Gestaltungsspielraum beeinträchtigt, den die Asylverfahrensrichtlinie a.F. den Mitgliedstaaten im vorliegenden Kontext einräume. Es trifft zwar zu, dass Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. - anders als Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F. - den Mitgliedstaaten noch nicht bindend vorgibt, eine Wiedereröffnung von Asylverfahren vorzusehen, die wegen stillschweigender Antragsrücknahme oder Nichtbetreiben des Verfahrens eingestellt worden sind, sondern wahlweise auch die Behandlung eines hiernach gestellten Antrags als Folgeantrag akzeptiert. Dieses Wahlrecht steht allerdings bei der hier in Rede stehenden mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht unterstellt - dem Staat zu, in dem das Verfahren durchgeführt worden ist, hier mithin Ungarn. Aus der Verwendung des Plurals in Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. ("Die Mitgliedstaaten stellen sicher ...") kann nichts anderes geschlossen werden. Wenn in dieser Regelung von einem Asylbewerber die Rede ist, "der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels wieder bei der zuständigen Behörde meldet, so beschreibt dies einen Vorgang innerhalb ein und desselben Mitgliedstaates und keine länderübergreifende Situation.

38

c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, das von den Klägern in Ungarn eingeleitete Asylverfahren als nicht erfolglos abgeschlossen im Sinne von § 71a AsylG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Ungarn das dort eingeleitete Asylverfahren ohne inhaltliche Beschränkung ihres Vortrags wie ein Erstverfahren weiterbetreiben können. Nach Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 12. März 2015 (an das VG Freiburg) und vom 19. November 2014 (an das VG Düsseldorf) zur Ausgestaltung des ungarischen Asylverfahrens werde in Fällen, in denen ein vorheriges Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden sei ("discontinuation"), ein erneutes Asylbegehren behandelt wie ein Erstverfahren, insbesondere könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Dies werde bestätigt durch die Zustimmungserklärung der ungarischen Behörden, die sich damit einverstanden erklärt hätten, die Kläger wieder aufzunehmen und über das Asylbegehren zu entscheiden. Im Ergebnis würde somit das Verfahren fortgeführt bzw. wiederaufgenommen, wenn die Kläger nach Ungarn zurückkehren würden.

39

An diese nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des ungarischen Rechts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie nach § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO zur Tatsachenfeststellung zählen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 <302 f.>).

40

Keiner Entscheidung bedarf, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der Frage abzustellen ist, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführtes Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist. Insoweit kommen in erster Linie der Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland oder der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs in Betracht. Diese Frage kann hier dahinstehen, da die Kläger auch zu dem späteren Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs noch die Möglichkeit hatten, die Asylverfahren in Ungarn weiter zu betreiben. Denn aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum ungarischen Asylverfahrensrecht ergibt sich nicht, dass das Recht, ein wegen Fortzugs eingestelltes Asylverfahren wieder aufzunehmen, nur befristet bestanden hätte (zur Möglichkeit einer Befristung auf mindestens neun Monate vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Hierfür liegen bezogen auf den hier relevanten Zeitraum bis Ende Januar 2013 auch keine Anhaltspunkte vor.

41

3. Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben. Der insoweit allein in Betracht kommende Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG greift schon deshalb nicht ein, weil Deutschland für die Durchführung der hier in Rede stehenden Asylverfahren aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG schließt die Einreise aus einem sicheren Drittstaat die Berufung auf Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes jedoch nicht aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland - wie hier - aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies gilt nicht nur bei einer originären Zuständigkeit Deutschlands, sondern auch bei einem nachträglichen Zuständigkeitswechsel.

42

Diese Regelung nimmt § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit in Bezug: Mit der Aufnahme des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in den Katalog der Unzulässigkeitsgründe sollte die zuvor bestehende Möglichkeit, einen Asylantrag nach § 26a AsylG abzulehnen, inhaltlich nicht verändert werden. In § 31 Abs. 4 AsylG ist weiterhin von einer Ablehnung "nach § 26a" - jetzt - als unzulässig die Rede. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung zudem betont, durch den expliziten Verweis im künftigen § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auf § 26a AsylG komme zum Ausdruck, dass die dort geregelten Anforderungen auch weiterhin - im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags - zu beachten sind. Wie im geltenden Recht setze der künftige § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG daher voraus, dass der Drittstaat die - unverändert gebliebenen - Voraussetzungen des § 26a AsylG erfülle und durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sei (BT-Drs. 18/8883 S. 10). Ob § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit Unionsrecht vereinbar ist, bedarf hier mithin keiner Entscheidung.

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4. Die Ablehnung der Durchführung von (weiteren) Asylverfahren verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihr aus dem Unionsrecht folgender Anspruch auf Prüfung ihres Schutzbegehrens durch einen Mitgliedstaat der EU ist verletzt, wenn das Bundesamt - wie hier - als auch nach eigener Auffassung international zuständige Behörde es rechtswidrig ablehnt, ein Asylverfahren durchzuführen.

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG sind nicht gegeben.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (Az.: Au 7 K 17.30832) gegen die in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Februar 2017 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angedrohte Abschiebung nach Nigeria.

Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge nigerianischer Staatsangehöriger, vom Volk der Ibo und christlichen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 30. April 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12. Mai 2014 beim Bundesamt einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 12. Mai 2014 zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gab der Antragsteller u.a. an, er habe im Mai 2011 in Italien einen Asylantrag gestellt. Er habe eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung bekommen, die jeweils im Mai 2012 und Mai 2013 um ein Jahr verlängert wurden.

Eine EURODAC-​Abfrage ergab am 13. Juni 2014 einen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 (*) für Italien. Das am 2. Juli 2014 an Italien gerichtete Wiederaufnahmegesuch, gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin III-VO), haben die italienischen Behörden nicht beantwortet. Nachdem es dem Bundesamt nicht möglich war, die sechsmonatige Überstellungsfrist einzuhalten, wurde die Entscheidung über den Asylantrag des Antragstellers ins nationale Verfahren übernommen.

Am 18. Januar 2017 erfolgte die persönliche Anhörung des Antragstellers beim Bundesamt. Er gab u.a. an, dass er am 3. Mai 2009 sein Heimatland verlassen habe. Von 2009 bis 2011 sei er in Libyen gewesen und von 2011 bis 2014 in Italien. Sein in Italien gestellter Asylantrag sei im Jahr 2012 abgelehnt worden. Er habe sich dann einen Rechtsanwalt genommen und in Italien ein einjähriges Aufenthaltsrecht erhalten, das dann nicht mehr verlängert worden sei. Da er in Italien keine Arbeit gehabt habe, sei er nach Deutschland gekommen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 7. Februar 2017, zur Post gegeben am 9. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziff. 1 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2 des Bescheids). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Nigeria aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 3 des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4 des Bescheids).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Antrag des Antragstellers um einen Zweitantrag nach § 71a AsylG handle. Der Antragsteller habe nicht konkret dargelegt, wie das Asylverfahren im Mitgliedstaat ausgegangen sei. Sei das Asylverfahren noch offen oder lägen keine Erkenntnisse über den Verfahrensstand vor, sei von einer sonstigen Entscheidung ohne Schutzgewährung auszugehen. Wiederaufgreifensgründe lägen nicht vor. Es habe sich weder die Sach-, noch die Rechtslage geändert. Auch konkrete individuelle Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG seien in Bezug auf das Heimatland nicht vorgetragen oder ersichtlich. Ergänzend wird auf die Begründung im Bescheid verwiesen.

Ebenfalls am 7. Februar 2017 stellte das Bundesamt hinsichtlich des Antragstellers ein Informationsersuchen nach Art. 34 der Dublin III-VO an Italien, betreffend den Aufenthaltstitel, den Antrag auf internationalen Schutz sowie die Entscheidung. Als Zweck der Anfrage wurde „Prüfung eines Zweitantrags“ angegeben.

Die Bevollmächtigte des Antragstellers erhob am 17. Februar 2017 Klage und beantragte die Aufhebung des Bescheids vom 7. Februar 2107 (Verfahren Au 7 K 17. 30832).

Zudem wurde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, es sei Aufgabe des Bundesamts zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Zweitantrag vorlägen. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, dass das Bundesamt die Voraussetzungen für einen Zweitantrag geprüft hätte oder dass das Asylverfahren in Italien erfolgreich gewesen wäre.

Am 23. Februar 2017 legte das Bundesamt die Behördenakten elektronisch vor; eine Antragstellung unterblieb.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig, soweit damit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 i.V.m. §§ 71a Abs. 4, 36 AsylG) sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids erreicht werden soll.

Die Antragstellung erfolgte auch fristgerechnet innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Wochenfrist des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Gemäß §§ 71a Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrages, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 99). Dies ist hier im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) der Fall.

Es bestehen ernstliche Zweifel, ob die von der Antragsgegnerin gewählte Vorgehensweise, den von dem Antragsteller im Bundesgebiet gestellten Antrag als unzulässigen Zweitantrag zu bewerten, rechtmäßig ist.

Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen; andernfalls ist der Antrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig zurückzuweisen.

§ 71a AsylG setzt damit den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris Rn. 22 ff.; BayVGH, U.v. 3.12.2015 - 13a B 15.50069 - juris Rn. 24 ff.). Hierbei muss - entgegen der im streitgegenständlichen Bescheid ersichtlichen Auffassung der Antragsgegnerin - der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen; bloße Mutmaßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N.). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen. Eine solche Prüfung beinhaltet unter anderem, dass das Bundesamt Kenntnis von der Entscheidung und den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags im anderen Mitgliedsstaat hat (vgl. VG München B.v. 27.12.2016 - M 23 S. 16.33585 - juris; VG Regensburg, B.v.12.10.2016 - RN 7 S. 16.32477 - unveröffentlicht; VG Schleswig-Holstein, B.v. 7.9.2016 - 1 B 54/16 - juris Rn. 7 ff.; VG Schwerin, U.v. 8.7.2016 - 15 A 190/15 - juris Rn. 18; VG Wiesbaden, B.v. 20.6.2016 - 5 L 511/16.WI.A - juris Rn. 20, BeckOK AuslR/Schönenbroicher, AsylG, § 71a Rn. 1f.).

In der vorgelegten Behördenakte ist ein Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für Italien dokumentiert. Der Antragsteller hat bei seiner Anhörung angegeben, dass sein Asylantrag in Italien abgelehnt worden und ihm ein einjähriger Aufenthaltstitel erteilt worden sei, der anschließend zwei Mal, jeweils um ein Jahr, verlängert worden sei. Lediglich der Verweis auf diese Angaben des Antragstellers bezüglich eines erfolglosen Ausgangs eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat genügt aber für die Anwendung des § 71a AsylG nicht. Der Antragsteller ist auch in der Regel nicht in der Lage, über den Verfahrensablauf ausreichend Auskunft geben zu können (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2015 - 13a B 15.50069 - juris Rn. 22). Selbst bei unterstelltem Asylantrag bleibt offen, ob in Italien ein Asylverfahren mit inhaltlicher Prüfung und abschließender Sachentscheidung (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2015 - 13a B 15.50069 - juris) durchgeführt wurde und ob gegebenenfalls die Möglichkeit der Wiederaufnahme insbesondere hinsichtlich möglicher neuer Beweismittel besteht. Die fehlende Aufklärung geht zu Lasten der Antragsgegnerin (vgl. BayVGH, U.v. 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris Rn. 41). Dass aber auch die Antragsgegnerin augenscheinlich davon ausgeht, dass sie weitere Erkenntnisse über das Asylverfahren und dessen Abschluss in Italien einholen muss, zeigt ihre sog. Info-Request-Anfrage vom 7. Februar 2017 an Italien gemäß Art. 34 Abs. 1 und 2 der Dublin III-VO. Nach Aktenlage haben die italienischen Behörden diese Anfrage bisher nicht beantwortet, jedenfalls hat das Bundesamt bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung dem erkennenden Gericht keine weiteren Informationen der italienischen Behörden zum dort betriebenen Asylverfahren des Antragstellers übermittelt. Damit ist davon auszugehen, dass weitere Erkenntnisse derzeit nicht vorliegen.

Ein erfolgloser Abschluss des Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat ist somit nicht nachgewiesen, so dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids bestehen.

Dem Antrag war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage M 21 K 16.35814 wird hinsichtlich Nummer 1 und der in Nummer 3 enthaltenen Abschiebungsandrohung des angefochtenen Bescheids angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die nicht ausgewiesene Antragstellerin, nach eigenen Angaben nigerianische Staatsangehörige, reiste am 20. April 2013 von Italien kommend nach Deutschland ein, wo sie durch die Bundespolizei aufgegriffen wurde.

Eine Eurodac Anfrage ergab eine Treffermeldung der Kategorie 1 für Italien. Einem Ersuchen des Bundesamts vom 24. April 2013 um Wiederaufnahme an Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e VO 343/2003 (Dublin-II-VO) entsprach Italien mit Schreiben des Innenministeriums vom 6. Mai 2013 unter Bezug auf Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO, erklärte sich bereit, die Antragstellerin zur Bestimmung der Zuständigkeit für Anträge auf internationalen Schutz aufzunehmen und wies zugleich auf die Überstellungsfrist bis 6. November 2013 hin.

Bei der Erstbefragung am 10. Dezember 2013 vor dem Bundesamt gab die Antragstellerin u.a. an, ein Asylantrag in Italien sei abgelehnt, aber der Aufenthalt für ein Jahr gestattet worden. Ein mit Schreiben des Bundesamts vom 18. Juni 2015 an den Bevollmächtigten der Antragstellerin übermittelter Fragebogen zur Mitteilung des Sachstands eines Verfahrens auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat blieb unbeantwortet. Eine Info-Request des Bundesamts vom 24. Juni 2015 wurde von Italien mit Schreiben des Innenministeriums vom 28. September 2015 beantwortet und mitgeteilt, dass der Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen mit Gültigkeit bis 23. November 2013 erteilt worden sei.

Am 7. Oktober 2016 erfolgte die Anhörung der Antragstellerin vor dem Bundesamt. Zur Begründung ihres Asylantrags machte die Antragstellerin familiäre Probleme geltend, weshalb sie im März 2011 ausgereist, dann über Libyen nach Italien gereist sei und dort fast zwei Jahre gelebt habe. Mangels Arbeit, Wohnung und Platz zum Leben sei sie dann nach Deutschland gekommen.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2016 (Bescheid mit Einschreiben am 8.12. 2016 zur Post gegeben) lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte die Abschiebung nach Nigeria an (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).

Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Asylantrag handle es sich um einen Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylG. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG lägen im Hinblick auf die Bedingungen in Nigeria und die individuellen Umstände des Klägers nicht vor.

Die Antragstellerin hat durch ihren Bevollmächtigten am 16. Dezember 2016 Klage erheben (M 21 K 16.35814) und beantragen lassen, den Bescheid vom 6. Dezember 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Bestehen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG festzustellen.

Gleichzeitig wurde beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Das Bundesamt hat die Akten mit Schreiben vom 16. Januar 2017 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Klageverfahren und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtete Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der nach § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung (vgl. § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 1 AsylG) sowie der - in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage anfechtbaren (BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 16) - Unzulässigkeitsentscheidung in Nummer 1 des angefochtenen Bescheids ist zulässig und begründet.

Das Gericht trifft bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der vom Gesetzgeber vorgesehenen sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Erweist sich der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

Im Hinblick auf die Abschiebungsandrohung darf nach dem gemäß § 71 Abs. 4 AsylG anwendbaren Prüfungsmaßstab des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.).

Entsprechend diesem Maßstab ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

Nach § 71a AsylG ist im Falle eines Zweitantrags ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Ein Zweitantrag liegt vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a AsylG oder einem der in § 71a AsylG sonst genannten Staaten im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt.

Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat der EU betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig - d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers - eingestellt worden ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 a.a.O. - juris Rn. 30 ff.). Maßgeblich für die entsprechende Beurteilung ist die Rechtslage in dem betreffenden Mitgliedsstaat (BVerwG, U.v. 14.12.2016 a.a.O. - juris Rn. 33 ff.). Diese Voraussetzungen müssen feststehen - bloße Mutmaßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG Rn. 9). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen. Ist ihm der aktuelle Stand des Verfahrens in dem anderen Mitgliedstaat nicht bekannt, muss es diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen, insbesondere im Rahmen der für den Informationsaustausch vorgesehenen Info-Request nach Maßgabe von Art. 21 Abs. 1 und 2 der (gemäß Art. 49 VO 604/2013 anwendbaren) Dublin-II-VO (vgl. BayVGH, U.v. 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris Rn. 39 ff.; U.v. 13.10.2016 - 20 B 15.30008 - juris Rn. 42 ff.). Erforderlich sind danach stets die Informationen zum Verfahrensstand und zum Tenor einer ggfs. getroffenen Entscheidung in dem Mitgliedsstaat (vgl. Art. 21 Abs. 2 Buchst. g Dublin-II-VO) und zudem - im Hinblick auf eine Beurteilung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG - zumindest in der Regel die Entscheidungsgründe der Ablehnung in dem anderen Mitgliedstaat (vgl. Art. 21 Abs. 3 Dublin-II-VO; weitergehend - Kenntnis der Entscheidungsgründe stets erforderlich - z.B. VG München, B.v. 27.12.2016 - M 23 16.33585 - juris Rn. 19 m.w.N.).

Entsprechend diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für einen Zweitantrag nicht vor. Aus der Aussage der Antragstellerin bei ihrer Erstbefragung lassen sich keine Schlüsse zum Verfahrensstand ziehen. Entsprechende Aussagen von Asylbewerbern haben regelmäßig einen geringen Aussagewert, zumal ihnen die Unterschiede verschiedener Entscheidungen im Zusammenhang mit einem Verfahren auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat häufig nicht geläufig sind. Zwar hat die Antragstellerin den an ihren Bevollmächtigten übermittelten Fragebogen zum Stand eines Verfahrens bzgl. internationalem Schutz in einem anderen Mitgliedstaat unbeantwortet gelassen und damit möglicherweise gegen Mitwirkungspflichten gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 2 AsylG verstoßen. Eine entsprechende Mitwirkungspflicht tritt aber im Hinblick auf den im Rahmen der Dublin-II-VO geregelten Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten in den Hintergrund und spielt jedenfalls dann keine Bedeutung, wenn eine Beschaffung der Informationen für das Bundesamt in diesem Rahmen unproblematisch möglich ist. Die Information Italiens vom 28. September 2015 zu der Info-Request des Bundesamtes, wonach der Antragstellerin ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt worden sei, beinhaltet keine Aussage dazu, ob in Italien ein Verfahren auf internationalen Schutz gestellt wurde und ob und mit welchem Inhalt ein solches Verfahren abgeschlossen wurde. Im Hinblick auf die vorangegangene positive Entscheidung Italiens zu einem Wiederaufnahmegesuch (takeback) des Bundesamtes bestehen im Gegenteil Anhaltspunkte dafür, dass in Italien kein abgeschlossenes Verfahren auf internationalen Schutz vorliegt. Italien nahm bei der Beantwortung der Anfrage gerade nicht auf den vom Bundesamt in Bezug genommenen Art. 16 Abs. 1 Buchst. e - Wiederaufnahme eines Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält - Bezug, sondern auf Art. 16. Abs. 2 Dublin-II-VO - Aufnahme wegen Erteilung eines Aufenthaltstitels -. Die Beantwortung der Info-Request durch Italien und das Fehlen von Aussagen dazu, ob und in welchem Umfang ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, ist dabei auf die - im Hinblick auf die Prüfung eines Zweitantrags unzureichende - Fragestellung des Bundesamtes zurückzuführen („Please inform us soon as possible what did the alien get in Italy“). Die entsprechenden Informationen zur Beurteilung eines Zweitantrags könnten durch eine Ergänzung der Info-Request voraussichtlich ohne weiteres beschafft werden.

Eine Aufrechterhaltung bzw. Umdeutung des angefochtenen Bescheids im Hinblick auf eine frühere Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) bzw. Aufnahmebereitschaft eines sicheren Drittstaates (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) kommt wegen des Übergangs der Zuständigkeit auf Deutschland durch den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO nicht in Betracht (vgl. zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG BVerwG, U.v. 14.12.2016 a.a.O. - juris Rn. 41, 42).

Nachdem sich die angefochtene Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist, ist die aufschiebende Wirkung der Klage sowohl hinsichtlich der Abschiebungsandrohung als auch hinsichtlich der Verfahrenseinstellung ohne weitere Interessenabwägung anzuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

Tenor

Die unter Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19.10.2016 ausgesprochene Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger auf der einen Seite und die Beklagte auf der anderen Seite tragen die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Die aus Syrien stammenden Kläger reisten - nach Voraufenthalten u.a. in Bulgarien und Ungarn - nach eigenen Angaben am 30.02.2016 ins Bundesgebiet ein. Am 04.04.2016 beantragten sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vom 22.09.2016 gab der Kläger zu 1 an, ihnen seien in Ungarn und Bulgarien Fingerabdrücke abgenommen worden. Sie hätten dort aber keine Asylanträge gestellt.
Mit Bescheid vom 19.10.2016 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1) und ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe (Nr. 2). In der Begründung des Bescheids wird ausgeführt, der Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens sei unzulässig. Die Kläger hätten nicht dargelegt, wie die Asylverfahren im Mitgliedstaat ausgegangen seien. Seien diese noch offen oder lägen keine Erkenntnisse über den Verfahrensstand vor, sei von einer sonstigen Erledigung ohne Schutzgewährung auszugehen. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Ein Wiederaufgreifensgrund sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es sei davon auszugehen, dass die Kläger ihre Asylgründe bereits in Ungarn vorgetragen hätten oder jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Asylgründe dort vorzutragen. Ein Abschiebungsverbot liege jedoch vor. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG seien in Bezug auf Syrien zu bejahen.
Die Kläger haben am 27.10.2016 Klage erhoben.
Sie beantragen,
die unter Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19.10.2016 ausgesprochene Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, aufzuheben, sowie
die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen;
weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über ihren Asylantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Dem Gericht liegen ein Heft Akten des Bundesamts vor. Der Inhalt dieser Akten und die im laufenden Verfahren gewechselten Schriftsatze samt Anlagen sind Gegenstand der Entscheidung. Hierauf wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Der Vorsitzende entscheidet im Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
13 
1. Die Klage ist ausschließlich mit ihrem Anfechtungsantrag zulässig. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bei Folge- und Zweitanträgen, die nach aktueller Rechtslage als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ergeht, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris) mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Die gestellten Verpflichtungsanträge sind demzufolge unzulässig.
14 
2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch A 1 K 484/14begründet. Die Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, ist rechtswidrig und verletzt diese in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Das Bundesamt durfte das Schutzgesuch der Kläger nicht als unzulässig ablehnen. Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.
16 
Hier ist schon nicht nachgewiesen, dass die Kläger überhaupt in Ungarn oder Bulgarien Asylanträge gestellt haben; die Kläger haben dies bestritten. Jedenfalls hat das Bundesamt aber keinerlei Beleg für seine Auffassung geliefert, die dortigen Asylverfahren seien endgültig - mit negativem Ausgang - abgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - (juris) entschieden, dass die Behandlung eines Asylantrags als Zweitantrag ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat voraussetzt. Ein solches liegt nicht vor, wenn das in diesem Staat betriebene und ohne Sachentscheidung eingestellte Asylverfahren in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet.
17 
Daraus ist zu folgern, dass - entgegen der im streitgegenständlichen Bescheid vertretenen Auffassung - der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch eine bestandskräftige Sachentscheidung positiv festgestellt werden muss; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (so zu Recht: VG München, Beschluss vom 27.12.2016 - M 23 S 16.33858 -; Schleswig-Holst. VG, Beschluss vom 07.09.2016 - 1 B 54/16 -; VG Augsburg, Urteil vom 10. Januar 2017 - Au 5 K 16.33029 - jeweils juris). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
18 
Im vorliegenden Fall liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und mit welchem Ergebnis die von den Klägern möglicherweise in Bulgarien und Ungarn betriebenen Asylverfahren abgeschlossen worden sind. Das Bundesamt kann eine derartige Ermittlung nicht ohne weiteres dem Asylantragsteller auferlegen, da dieser in aller Regel über den Verfahrensablauf keine verlässlichen Angaben machen kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 - NVwZ 2016, 625).
19 
Die Sachaufklärung zu der Frage, ob und in welcher Weise ein Asylverfahren in einem Mitgliedstaat abgeschlossen worden ist, obliegt vielmehr grundsätzlich allein dem Bundesamt, denn es hat die Möglichkeit, eine sog. Info-Request-Anfrage durchzuführen. Auf eine solche in Art. 34 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung vorgesehene Anfrage übermittelt jeder Mitgliedsstaat jedem Mitgliedsstaat, der das beantragt, personenbezogene Daten über den Asylbewerber, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, für die Prüfung des Asylantrags (vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris- Rn. 40). Bei dieser Anfrage darf auch der Stand des Verfahrens und der Tenor der eventuell getroffenen Entscheidung abgefragt werden (Art. 34 Abs. 2g Dublin III-Verordnung). Bereits die Tatsache, dass der Tenor der getroffenen Entscheidung abgefragt werden darf, zeigt, dass Info-Request-Anfragen über das DubliNet auch noch zulässig sind, wenn es nicht mehr um die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats geht (ebd.).
20 
Diese Aufklärungsmaßnahme ist dem Gericht selbst nicht möglich. Nach Art. 34 Abs. 6 Dublin-III- Verordnung erfolgt der Informationsaustausch auf Antrag eines Mitgliedstaats und kann nur zwischen den Behörden stattfinden, deren Benennung von jedem Mitgliedstaat der Kommission mitgeteilt wurde, die ihrerseits die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis gesetzt hat. Dies ist im Fall der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Bundespolizeipräsidium. Nur diese Behörden sind danach berechtigt und auch verpflichtet, entsprechende Anfragen einzuholen und den Verwaltungsgerichten zu übermitteln (Art. 34 Abs. 7 Satz 2 b Dublin III-VO; vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris).
21 
Trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts hat das Bundesamt hier keine Info-Request-Anfrage durchgeführt. Bestehende Zweifel gehen daher zu Lasten der Beklagten (VG Augsburg, Urteil vom 10.01.2017 - Au 5 K 16.33029 - juris).
22 
Unabhängig davon ist ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat betriebenes und wegen Fortzugs ohne Sachprüfung eingestelltes Asylverfahren nicht in diesem Sinne erfolglos abgeschlossen, wenn das Verfahren nach der Rechtsordnung dieses Staates in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet. Dies ist jedenfalls in Bezug auf Ungarn der Fall (vgl. ausführl.: BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris; BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 u.a. - NVwZ 2016, 625). Gerade auf das (angeblich) in Ungarn durchgeführte Asylverfahren stellt aber die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ab.
23 
Die Ablehnung der Asylanträge der Antragsteller als unzulässig kann auch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht erhalten werden. Insbesondere liegt kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vor, weil kein Übernahmeersuchen an Ungarn oder Bulgarien gerichtet wurde, so dass deren Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung nicht ersichtlich ist. Angesichts der Ungewissheit des Ausgangs der Asylverfahren in Ungarn oder Bulgarien steht auch keine Unzulässigkeit der Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Raum, da bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass den Antragstellern in Ungarn oder Bulgarien internationaler Schutz, d.h. der Flüchtlingsstatus gemäß § 3 AsylG oder subsidiärer Schutz i.S.d. § 4 AsylG, gewährt worden sein könnte. Davon geht auch die Beklagte ersichtlich nicht aus. Des Weiteren liegt hier kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vor, da dies nicht nur voraussetzen würde, dass Ungarn oder Bulgarien als sichere Drittstaaten gemäß § 26a AsylG zu betrachten sind, sondern auch, dass diese Länder bereit sind, die Kläger wieder aufzunehmen. Anhaltspunkte für eine solche Übernahmebereitschaft sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Dies wäre auch sehr fernliegend, nachdem keine Zuständigkeit Ungarns oder Bulgariens nach der Dublin III-Verordnung besteht.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben.

Gründe

 
12 
Der Vorsitzende entscheidet im Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
13 
1. Die Klage ist ausschließlich mit ihrem Anfechtungsantrag zulässig. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bei Folge- und Zweitanträgen, die nach aktueller Rechtslage als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ergeht, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris) mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Die gestellten Verpflichtungsanträge sind demzufolge unzulässig.
14 
2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch A 1 K 484/14begründet. Die Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, ist rechtswidrig und verletzt diese in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Das Bundesamt durfte das Schutzgesuch der Kläger nicht als unzulässig ablehnen. Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.
16 
Hier ist schon nicht nachgewiesen, dass die Kläger überhaupt in Ungarn oder Bulgarien Asylanträge gestellt haben; die Kläger haben dies bestritten. Jedenfalls hat das Bundesamt aber keinerlei Beleg für seine Auffassung geliefert, die dortigen Asylverfahren seien endgültig - mit negativem Ausgang - abgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - (juris) entschieden, dass die Behandlung eines Asylantrags als Zweitantrag ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat voraussetzt. Ein solches liegt nicht vor, wenn das in diesem Staat betriebene und ohne Sachentscheidung eingestellte Asylverfahren in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet.
17 
Daraus ist zu folgern, dass - entgegen der im streitgegenständlichen Bescheid vertretenen Auffassung - der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch eine bestandskräftige Sachentscheidung positiv festgestellt werden muss; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (so zu Recht: VG München, Beschluss vom 27.12.2016 - M 23 S 16.33858 -; Schleswig-Holst. VG, Beschluss vom 07.09.2016 - 1 B 54/16 -; VG Augsburg, Urteil vom 10. Januar 2017 - Au 5 K 16.33029 - jeweils juris). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
18 
Im vorliegenden Fall liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und mit welchem Ergebnis die von den Klägern möglicherweise in Bulgarien und Ungarn betriebenen Asylverfahren abgeschlossen worden sind. Das Bundesamt kann eine derartige Ermittlung nicht ohne weiteres dem Asylantragsteller auferlegen, da dieser in aller Regel über den Verfahrensablauf keine verlässlichen Angaben machen kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 - NVwZ 2016, 625).
19 
Die Sachaufklärung zu der Frage, ob und in welcher Weise ein Asylverfahren in einem Mitgliedstaat abgeschlossen worden ist, obliegt vielmehr grundsätzlich allein dem Bundesamt, denn es hat die Möglichkeit, eine sog. Info-Request-Anfrage durchzuführen. Auf eine solche in Art. 34 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung vorgesehene Anfrage übermittelt jeder Mitgliedsstaat jedem Mitgliedsstaat, der das beantragt, personenbezogene Daten über den Asylbewerber, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, für die Prüfung des Asylantrags (vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris- Rn. 40). Bei dieser Anfrage darf auch der Stand des Verfahrens und der Tenor der eventuell getroffenen Entscheidung abgefragt werden (Art. 34 Abs. 2g Dublin III-Verordnung). Bereits die Tatsache, dass der Tenor der getroffenen Entscheidung abgefragt werden darf, zeigt, dass Info-Request-Anfragen über das DubliNet auch noch zulässig sind, wenn es nicht mehr um die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats geht (ebd.).
20 
Diese Aufklärungsmaßnahme ist dem Gericht selbst nicht möglich. Nach Art. 34 Abs. 6 Dublin-III- Verordnung erfolgt der Informationsaustausch auf Antrag eines Mitgliedstaats und kann nur zwischen den Behörden stattfinden, deren Benennung von jedem Mitgliedstaat der Kommission mitgeteilt wurde, die ihrerseits die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis gesetzt hat. Dies ist im Fall der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Bundespolizeipräsidium. Nur diese Behörden sind danach berechtigt und auch verpflichtet, entsprechende Anfragen einzuholen und den Verwaltungsgerichten zu übermitteln (Art. 34 Abs. 7 Satz 2 b Dublin III-VO; vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris).
21 
Trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts hat das Bundesamt hier keine Info-Request-Anfrage durchgeführt. Bestehende Zweifel gehen daher zu Lasten der Beklagten (VG Augsburg, Urteil vom 10.01.2017 - Au 5 K 16.33029 - juris).
22 
Unabhängig davon ist ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat betriebenes und wegen Fortzugs ohne Sachprüfung eingestelltes Asylverfahren nicht in diesem Sinne erfolglos abgeschlossen, wenn das Verfahren nach der Rechtsordnung dieses Staates in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet. Dies ist jedenfalls in Bezug auf Ungarn der Fall (vgl. ausführl.: BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris; BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 u.a. - NVwZ 2016, 625). Gerade auf das (angeblich) in Ungarn durchgeführte Asylverfahren stellt aber die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ab.
23 
Die Ablehnung der Asylanträge der Antragsteller als unzulässig kann auch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht erhalten werden. Insbesondere liegt kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vor, weil kein Übernahmeersuchen an Ungarn oder Bulgarien gerichtet wurde, so dass deren Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung nicht ersichtlich ist. Angesichts der Ungewissheit des Ausgangs der Asylverfahren in Ungarn oder Bulgarien steht auch keine Unzulässigkeit der Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Raum, da bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass den Antragstellern in Ungarn oder Bulgarien internationaler Schutz, d.h. der Flüchtlingsstatus gemäß § 3 AsylG oder subsidiärer Schutz i.S.d. § 4 AsylG, gewährt worden sein könnte. Davon geht auch die Beklagte ersichtlich nicht aus. Des Weiteren liegt hier kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vor, da dies nicht nur voraussetzen würde, dass Ungarn oder Bulgarien als sichere Drittstaaten gemäß § 26a AsylG zu betrachten sind, sondern auch, dass diese Länder bereit sind, die Kläger wieder aufzunehmen. Anhaltspunkte für eine solche Übernahmebereitschaft sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Dies wäre auch sehr fernliegend, nachdem keine Zuständigkeit Ungarns oder Bulgariens nach der Dublin III-Verordnung besteht.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage zum Az. 1 A 114/16 gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12.08.2016, Geschäftszeichen , enthaltene Abschiebungsandrohung (Nr. 3) wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Der am 25.08.2016 gestellte Antrag des Antragstellers - russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volkszugehörigkeit -, die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Absatz 5 VwGO anzuordnen, ist als Antrag nach § 71a Absatz 4 i.V.m. §§ 34, 36 Absatz 3 AsylG zulässig, soweit die Klage sich gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 richtet. Er ist auch fristgerecht gemäß § 71a i.V.m. § 36 Absatz 3 Satz 1 AsylG erhoben. Der Bescheid ist dem Antragsteller am 18.08.2016 zugestellt worden.

2

Der dem Wortlaut nach gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist nach dem verfolgten Rechtsschutzziel gemäß den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO sachdienlich dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage begehrt, soweit diese sich gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.08.2016 enthaltene Abschiebungsandrohung richtet.

3

Der Antrag ist auch begründet. Nach den §§ 71a Abs. 4, 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrages, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1615/93, juris, Rn. 99). Dies ist hier der Fall.

4

Diese ergeben sich vorliegend bereits hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids, in der gemäß § 71a Absatz 1 AsylG die weitere Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt worden ist. Anwendbar ist diesbezüglich das AsylG in der Fassung der Änderungen durch Artikel 6 des Gesetzes vom 31.7.2016, BGBl. I 2016, 1939 („Integrationsgesetz“), § 77 Absatz 1 AsylG. Nach diesem kommt zwar eine Ablehnung des Asylantrags der Antragsteller als unzulässig nach § 29 Absatz 1 Nr. 5 AsylG in Betracht.

5

Indes bestehen im derzeitigen Verfahrensstadium ernsthafte Zweifel, dass die Voraussetzungen des § 71a AsylG vorliegen.

6

Nach § 71 a AsylG ist dann, wenn der Ausländer nach erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren (nur) durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des §§ 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Ausgangspunkt für die Prüfung des § 71a AsylG ist dabei die Frage, ob überhaupt ein Zweitantrag vorliegt. Die Regelung für einen Zweitantrag folgt dabei nicht allein nationalem Recht, sondern sie steht im unionsrechtlichen Kontext. Nach der im Zeitpunkt der Asylantragstellung im Juni 2013 geltenden Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin ll-VO), prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag (Art. 3 Abs. 1 Dublin ll-VO). Dabei ist nach deren Erwägungsgrund Nr. 4 ein effektiver Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten. Damit diesen europarechtlichen Vorgaben, die zumindest eine einmalige sachliche Prüfung vorsehen, entsprochen wird, muss deshalb zunächst im Vorfeld abgeklärt werden, ob eine „Zweitantragssituation" vorliegt und ein Rückgriff auf § 71a AsylG überhaupt in Betracht kommt, oder ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) eine sachliche Prüfung vornehmen muss (vgl. Bay. VGH, Urteile v. 03.12.2015 - 13a B 15.50069, 13a B 15.50070, 13a B 15.50071 -, zit. n. Juris).

7

Eine Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags als Zweitantrag kommt nur dann in Betracht, wenn das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangt, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde; nur dann kann sich das Bundesamt auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken (vgl. VG Ansbach, Urt. v. 29.09.2015 - AN 3 K 15.30829 -, zit. n. Juris). Eine solche Prüfung beinhaltet u.a., dass das Bundesamt Kenntnis von der Entscheidung und den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags im anderen Mitgliedstaat hat (vgl. Marx, AsylVfG, Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 71a Rn. 17).

8

Vorliegend lässt sich jedoch gerade nicht feststellen, dass und ggf. mit welchen Gründen das Asylverfahren des Antragstellers in Polen erfolglos abgeschlossen wurde.

9

Der Antragsteller hat in diesbezüglich gegenüber der Antragsgegnerin in der durchgeführten Anhörung am 21.01.2015 keine Angaben gemacht.

10

Aus den Gerichtsakten des Verfahrens 1 A 252/13, in welchen sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.10.2013 im sogenannten „Dublin-Verfahren“ des aus Polen am 06.06.2013 in die Bundesrepublik eingereisten Antragstellers befindet, ergibt sich, dass das von der Antragsgegnerin an Polen gestellte Übernahmeersuchen an Polen von dort positiv beantwortet wurde; Polen erklärte seine Zuständigkeit gemäß Art. 16 Abs.1a) der damals geltenden Dublin-II Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003). Hieraus folgt, dass Polen seine Zuständigkeit für den Antragsteller auf Grundlage der Zuständigkeitsregelungen der Dublin-II VO anerkannt hat, eine Prüfung bzw. ein Abschluss des Asylverfahrens in Polen jedoch auf Grund der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland gerade nicht erfolgt ist.

11

Hiergegen steht auch entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht nicht allein die Ausreise des Antragstellers aus Polen; für diesen Fall sehen die Vorschriften der Dublin-Verordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung die Verpflichtung zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung des Asylantrags vor (Art.16 Abs.1 b), Art.17 bis 19 Dublin-II VO; Art. 18 Abs.1 a), Abs.2 VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2013 - Dublin-III VO). Dagegen spricht nicht, dass eine Rücküberstellung des Antragstellers nach Polen trotz der Übernahmeerklärung allein wegen Fristablauf nicht erfolgt ist; dieser Umstand begründet nicht eine „Fiktion“ eines erfolglos abgeschlossenen Erstverfahrens im zuständigen Staat.

12

Konkrete Feststellungen der Antragsgegnerin durch entsprechende Auskunftserteilung der polnischen Behörden über einen dortigen Abschluss des Verfahrens nach nationalem Recht, welches die Vorschriften der RL 2013/32EU - Verfahrensrichtlinie - umgesetzt hat, liegen nicht vor.

13

Da die Antragsgegnerin aufgrund ihres ausgeübten Selbsteintrittsrechts (siehe Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 17.06.2014 im Verfahren 1 A 252/13) selbst davon ausgeht, dass sie für die Prüfung zuständig geworden ist, hat sie das Verfahren in dem Stadium zu übernehmen, in dem es sich zum Zeitpunkt der Übernahme befindet (VGH BW, Urt. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 -, zitiert nach Juris). Das hat zur Folge, dass auch in Deutschland keine „Zweitantragssituation" vorliegt, sondern über das Asylbegehren erstmals entschieden werden muss (so auch VGH BW, Urt. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 -, a.a.O). Dies ergibt sich zudem aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO. Denn eine Regelung, dass über den Zuständigkeitsübergang hinaus auch ein formeller oder materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte, lässt sich der Dublin II-VO nicht entnehmen (Bay. VGH, Urt. v. 03.12.2015 - 13a B 15.50069, 13a B 15.50070, 13a B 15.50071 -, zit. n. Juris). Durch diese Vorgehensweise wird gewährleistet, dass in jedem Fall die umfassende Prüfung des (Erst)Antrags durchgeführt und beendet wird.

14

Zugleich wird dabei der Vorgabe des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO Rechnung getragen, dass ein (Erst)Antrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird (vgl. dazu auch EuGH, Urt. v. 06.06.2013 - C-648/11 -; BVerwG, Urt. v. 17.6.2014 -10 C 7/13 -, jeweils zit. n. Juris).

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83 b AsylG.

16

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

Aktenzeichen: AN 3 K 15.30829

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 29.9.2015

Sachgebiets-Nr.: 81099

3. Kammer

Hauptpunkte:

Erstverfahren und nicht Folgeverfahren ist durchzuführen, wenn nicht sicher ist, ob in EU-Mitgliedstaat schon Asylantrag gestellt wurde

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ..., geb. ...

2. ..., geb. ...

gesetzlich vertreten durch die Mutter ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

- Klägerinnen -

zu 1 und 2 bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

... vertreten durch: Bundesamt ... Referat Außenstelle ...

- Beklagte -

wegen Verfahrens nach dem AsylVfG

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer,

durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Kokoska-Ruppert aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. September 2015 am 24. September 2015 folgendes Urteil:

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

vom 6. Mai 2015, Az.: ..., wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Die Klägerinnen sind äthiopische Staatsangehörige. Sie gelangten nach eigenen Angaben am 27. Dezember 2013 von Libyen aus nach .../Italien. Nach Angaben der Klägerin zu 1) wurden sie in Italien nicht erkennungsdienstlich behandelt und nicht nach einem Asylantrag gefragt. Am 25. März 2014 sind die Klägerinnen nach eigenen Angaben in einem Bus von ... über ... nach ... gefahren. Am 29. März 2014 seien sie in ... angekommen.

Am 11. April 2014 stellten die Klägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag. In der Verfahrensakte der Beklagten befindet sich weder eine Anfrage an die italienischen Behörden zur Rückführung der Klägerinnen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung, noch eine Übernahmeerklärung der italienischen Behörden. Auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten teilte die Beklagte mit Schreiben vom 14. April 2015 mit, dass eine Anbietung gemäß der Dublin-III-Verordnung an den Dublin-Mitgliedsstaat Italien nicht mehr möglich sei. Mit Schreiben vom 14. April 2015 sandte die Beklagte an die Klägerin zu 1) einen Fragebogen (Blatt 59 der Akte des Bundesamts), auf den Bezug genommen wird. Dort sollte die Klägerin zu 1) unter anderem angeben, warum in Deutschland ein weiteres Verfahren auf Zuerkennung des internationalen Schutzes durchgeführt werden solle. Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Verfahrens sei, dass sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich geändert habe oder dass die Klägerin zu 1) neue Beweise vorlegen könnte, die eine günstigere Entscheidung ermöglichten. Außerdem sollte sie Gründe nennen, die einer Rückkehr in ihr Herkunftsland entgegenstehen.

Mit Schreiben vom 14. April 2015 schrieb die Beklagte an die zuständige Ausländerbehörde, dass der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland als Zweitantrag nach § 71 a AsylVfG behandelt werde.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2015, der am 19. Mai 2015 als Einschreiben an die Bevollmächtigten zur Post gegeben wurde, wurden die Anträge auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt (Ziffer 1), es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und die Klägerinnen wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall, dass die Klägerinnen die Ausreisefrist nicht einhielten, wurde ihnen die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen rückübernahmebereiten Staat angedroht (Ziffer 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerinnen hätten bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylVfG ein Asylverfahren betrieben. Demnach handle es sich bei dem Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag i. S. d. § 71 a AsylVfG. Die Klägerinnen hätten nicht konkret dargelegt, wie das Asylverfahren im Mitgliedstaat ausgegangen sei. Sei das Verfahren im Mitgliedstaat noch offen oder lägen keine Erkenntnisse über den Verfahrensstand vor, sei von einer sonstigen Erledigung ohne Schutzgewährung auszugehen. Nach Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) stellten die Mitgliedstaaten sicher, dass die Antragsprüfung eingestellt werde oder sofern die Asylbehörde den Antrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung als unbegründet ansehe, der Antrag abgelehnt werde, wenn Grund zu der Annahme bestehe, dass ein Antragsteller seinen Antrag stillschweigend zurückgenommen habe oder das Verfahren nicht weiter betreibe. Diese Voraussetzung habe mit der Ausreise der Klägerinnen aus Italien vorgelegen. Damit stehe fest, dass nach dem Zuständigkeitswechsel keine positive Entscheidung im Mitgliedstaat mehr ergehen könne. Art. 3 Abs. 1 der Dublin-III-VO gebe vor, dass ein Antrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werde. So habe auch der EuGH in seinem Urteil vom 6. Juni 2014 klargestellt, der Asylantrag dürfe nur von einem Staat geprüft werden. Sollte hingegen im Mitgliedstaat eine positive Entscheidung ergangen sein, wäre der Asylantrag in Deutschland unzulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2014, 10 C 7.13). Die Klägerinnen hätten mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 16. April 2015 abgelehnt, eine Begründung für den Zweitantrag abzugeben, da sie der Rechtsauffassung seien, dass es sich bei diesem Antrag um einen Erstantrag handle. Wie gezeigt worden sei, folge die Beklagte dieser Meinung nicht. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere seien die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien nicht so schlecht, dass für die Klägerinnen eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe.

Auch von einer extrem zugespitzten Gefahrenlage bezogen auf die allgemeinen Lebensverhältnisse in Äthiopien könne für die Klägerinnen nicht ausgegangen werden. Hierbei sei zu beachten, dass nach den allgemein bekannten familiären und gesellschaftlichen Strukturen in Äthiopien vom Vorhandensein gegenseitiger Hilfe durch Familie, Großfamilie, Clan oder andere sich unterstützende Netzwerke auszugehen sei. Die Klägerinnen hätten ausreichend Gelegenheit gehabt, sich in dem Asylverfahren entsprechend zu äußern, was sie unterlassen hätten, so dass davon auszugehen sei, dass sie weiterhin über funktionierende familiäre Strukturen im Falle einer Rückkehr verfügen könnten.

In einer ärztlichen Bescheinigung vom 2. Dezember 2014 (Blatt 51 der Bundesamtsakte) bestätigte Frau ..., Fachärztin für Innere Medizin, ..., dass die Klägerin zu 1) unter einer chronischen HIV-Infektion im Stadium B1 nach CDC leide. Eine antiretrovirale Therapie sei derzeit noch nicht erforderlich. Der Zustand müsse jedoch überwacht werden und regelmäßige Kontrollen seien erforderlich, um ggf. rechtzeitig eine HIV-Medikation einzuleiten. Bei Unterbleiben der Therapie sei mit einer lebensbedrohlichen Entwicklung des Gesundheitszustandes zu rechnen.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten, das am 28. Mai 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, erhoben die Klägerinnen Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 6. Mai 2015 (AN 3 K 15.30829). Gleichzeitig beantragten sie, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Ansbach ordnete mit Beschluss vom 18. Juni 2015 die aufschiebende Wirkung der Klage an (AN 3 S 15.30828). Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Zur Begründung der Klage machen die Klägerinnen geltend, die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass ihre Asylanträge als Zweitanträge zu werten seien. Die Klägerinnen seien zwar über Italien nach Deutschland eingereist, dort seien sie aber nicht einmal erkennungsdienstlich behandelt worden und hätten auch keinen Asylantrag gestellt. Da also in Italien kein Asylverfahren stattgefunden habe, dürfe der Asylantrag der Klägerinnen in Deutschland nicht als Folgeantrag gewertet werden, da ihnen sonst die Rechte eines Erstantragstellers verloren gingen.

Die Klägerin zu 1) sei HIV-positiv. Dies sei der Beklagten bekannt, trotzdem werde dieser Sachverhalt im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt. Die Klägerin zu 1) sei außerdem erneut schwanger.

Die Klägerinnen beantragen,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

vom 6. Mai 2015 aufzuheben.

Die Klägerinnen beantragen ferner, ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., ..., zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Er war deshalb aufzuheben.

Die Beklagte ging zu Unrecht davon aus, bei dem Asylverfahren der Klägerinnen handle es sich um ein Folgeverfahren nach § 71 a AsylVfG. Dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Das Asylverfahren der Klägerinnen ist als Erstverfahren durchzuführen.

Nach § 71 a AsylVfG ist dann, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Ausgangspunkt für die Prüfung des § 71a AsylVfG ist dabei die Frage, ob überhaupt ein Zweitantrag vorliegt. Eine solche Prüfung beinhaltet auch, dass das Bundesamt Kenntnis von den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags im anderen Mitgliedstat hat (vgl. Marx, AsylVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 71a Rn. 17).

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und dem Inhalt der Behördenakten durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass die Klägerinnen ein Asylverfahren in Italien erfolglos abgeschlossen haben. Die Klägerin zu 1) erklärte hierzu, sie habe in Italien gar keinen Asylantrag gestellt und sei auch nicht erkennungsdienstlich behandelt worden. Das Bundesamt hat nach Aktenlage für die Klägerinnen weder einen EURODAC-Treffer Kategorie 1 festgestellt, noch ein Übernahmeersuchen nach der VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) an Italien gerichtet. Die Beklagte hat hierzu im Klageverfahren trotz des Beschlusses im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom 18. Juni 2015 (AN 3 S 15.30828) nichts Abweichendes vorgetragen. Nach Aktenlage ist damit zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG) davon auszugehen, dass die Klägerinnen kein Asylverfahren in Italien betrieben haben. Die Beklagte erklärte gegenüber dem Bevollmächtigten der Klägerinnen mit Schreiben vom 14. April 2015 lediglich, dass eine „Anbietung“ (gemeint ist wohl ein Übernahmeersuchen an Italien) nicht mehr möglich sei und übersandte gleichzeitig an die Klägerinnen einen Fragebogen im Rahmen der Behandlung des Asylantrags als Zweitantrag.

Damit fehlt der Argumentation der Beklagten, es sei davon auszugehen, dass die Klägerinnen ihren Asylantrag mit der Ausreise aus Italien stillschweigend zurückgenommen hätten, wozu sie sich auf Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Verfahrensrichtlinie) beruft, die Grundlage.

Wenn die Beklagte selbst davon ausgeht, dass sie für die Prüfung zuständig geworden ist, übernimmt sie das Verfahren in dem Stadium, in dem es sich zum Zeitpunkt der Übernahme befindet. Ist ihr der aktuelle Stand des Verfahrens in dem anderen Mitgliedstaat nicht bekannt bzw. fehlen ihr Erkenntnisse darüber, ob überhaupt ein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat betrieben wurde oder wird, muss sie diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen (BVerwG, B. v. 18.2.2015 - 1 B 2/15-, juris; VG Osnabrück, B. v. 24.4.2015, a,a.O.; VG Lüneburg, B. v. 11.5.2015, a. a. O.). Eine Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags als Zweitantrag kommt nur in Betracht, wenn das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangt, dass das Asyl(erst)verfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde. Nur dann kann sich das Bundesamt auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken. Durch die Behandlung des Asylantrags der Klägerinnen als Zweitantrag verhindert das Bundesamt, dass - entgegen den europarechtlichen Vorgaben (Art. 28 Abs. 2 Verfahrensrichtlinie und Art. 18 Unterabsatz 2 Dublin III-VO) - der (Erst)Antrag umfassend geprüft und das Verfahren beendet wird. Damit verhindert das Bundesamt auch gleichzeitig entgegen seiner eigenen Argumentation, dass ein (Erst)Antrag nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO (vgl. dazu auch EuGH, U. v. 6.6.2013 - Rs. C-648/11-, juris Rn. 65; BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7/13-, juris).

Die Beklagte hat bislang nicht geprüft, ob die durch ärztliche Stellungnahmen belegte HIV-Infektion der Klägerin zu 1) zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führt und wie die geltend gemachte Schwangerschaft in diesem Zusammenhang zu behandeln ist. Vielmehr hat sie, ohne auf den individuellen klägerischen Vortrag einzugehen, die Abschiebung nach Äthiopien angedroht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 6.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 RVG).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde angreifbar, § 80 AsylVfG.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

Tenor

I.

Ziffer I. Satz 1 und Ziffer II. des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 21. Januar 2013 werden aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2012 wird insoweit aufgehoben, als er von einer Prüfung europarechtlicher und hilfsweise nationaler Abschiebungsverbote abgesehen hat. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4.

III.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eigenen Angaben zufolge 1994 geboren und somalische Staatsangehörige. Sie sei am 23. Juni 2010 in das Bundesgebiet eingereist und beantragte am 2. August 2010 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Bei einer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 2. November 2010 erklärte die Klägerin u. a., sie habe zuvor in Italien und Schweden Asylanträge gestellt. Sie denke, sie sei am 12. Dezember 2008 nach Italien und am 7. September 2009 nach Schweden gekommen. In Italien habe sie einen „Brief mit Aufenthalt für drei Jahre“ bekommen. Zu ihrem Verfolgungsschicksal und den Gründen für ihren Asylantrag trug die Klägerin im Wesentlichen vor, sie sei mit dem Tode bedroht worden, nachdem sie nicht wie von al-Shabaab-Leuten gefordert, ein Kopftuch oder ein großes Oberkleid getragen habe.

Unter dem 3. Juni 2011 teilte das italienische Innenministerium dem Bundesamt mit, dass die Überstellung der Klägerin gemäß Art. 16 Abs. 2 Dublin-ll-VO akzeptiert werde (Bl. 65 der Behördenakte).

Der Mitteilung einer Liaisonbeamtin des Bundesamtes bei dem italienischen Innenministerium vom 16./23. April 2012 zufolge hätte die Klägerin gemäß einer Entscheidung vom 14. Mai 2009 in Italien subsidiären Schutz nach Art. 15 der sog. Qualifikationsrichtlinie erhalten; ihr sei ein bis 22. Mai 2011 gültiger Aufenthaltstitel erteilt worden (Bl. 126 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 24. Juli 2012 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der hinsichtlich der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfolglosen Durchführung des Asylverfahrens in Italien handle es sich bei dem Asylantrag der Klägerin um einen Zweitantrag nach § 71 a AsylVfG. Die Klägerin habe keine Wiederaufgreifensgründe geltend gemacht. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Dublin-Verfahren habe auf die asylverfahrensrechtlichen und die materiell-rechtlichen Prüfungsanforderungen für das Schutzbegehren keine Auswirkungen. Von der Prüfung europarechtlicher Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG könne abgesehen werden, da die Klägerin den entsprechenden europarechtlichen Schutzstatus aufgrund des Asylverfahrens in Italien bereits besitze. Die Liaisonbeamtin des Bundesamtes beim italienischen Innenministerium habe die Zuerkennung dieses Schutzstatus auf Anfrage ausdrücklich bestätigt. Die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftslandes sei aufgrund der Nachrangigkeit des nationalen Abschiebungsschutzes gegenüber einem bestehenden europarechtlichen Abschiebungsschutz entbehrlich.

Auf die Klage der Klägerin verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte,

festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Somalias vorliegen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Die Klägerin wäre im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu den bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen ausgesetzt.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei ihr sei die Lage anders als im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall zu beurteilen, weil die Beklagte den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig abgelehnt, sondern in der Sache entschieden habe. Nach Ablauf des in Italien erteilten Aufenthaltstitels und der Mitteilung der Beklagten, dass weder eine Überstellung nach Italien beabsichtigt, noch für das Heimatland Somalia eine Abschiebung angedroht sei, habe die Klägerin ein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines Aufenthaltstitels. Deshalb sei zumindest ein nationales Abschiebungsverbot festzustellen. Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2008 (Az.: 10 C 43.07) enthalte im Übrigen keine Aussage dazu, ob die frühere Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus in einem anderen Mitgliedstaat gegenüber den deutschen Abschiebungsverboten nachrangig sei.

Mit Senatsverfügung vom 20. Juli 2015 wurde dem Bundesamt aufgegeben, wie auch in vergleichbaren Fällen geschehen, eine Bestätigung der italienischen Innenbehörden über den der Klägerin zuerkannten Schutz vorzulegen.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2016 teilte das Bundesamt mit, es habe die in Italien tätige Liaisonbeamtin kontaktiert, deren Bemühungen um Erhalt einer förmlichen Bestätigung der italienischen Behörden allerdings bislang erfolglos geblieben seien. Auch eine personenbezogene Anfrage nach Art. 34 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO (bzw. früher Art. 21 Abs. 1 und 2 Dublin-II-VO) in Verbindung mit Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 in der Fassung gemäß Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (sogenannte info-request), sei ohne Erfolg geblieben. Trotz wiederholter Nachfragen seien hierzu bisher keine Mitteilungen zugegangen. Nach den zwischenstaatlichen Regelungen und der Verfahrenspraxis dürfte in der vorliegenden Verfahrenskonstellation allerdings auch keine Verpflichtung der italienischen Seite bestehen, auf die sich das Bundesamt berufen könnte, um von dort eine schriftliche Bestätigung zum Verfahrensstand einzufordern. Um die Klärung der Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens gehe es vorliegend nicht. Nach der Mitteilung der in Italien tätigen Liaisonbeamtin erfolgten durch die italienischen Dublineinheiten mangels entsprechender Kapazitäten außerhalb für das Dublinverfahren vereinbarten Verfahrensabläufe gegenüber anderen Mitgliedstaaten auch keine separaten einzelfallbezogenen schriftlichen Mitteilungen zum Verfahrensausgang mehr, wie sie früher in einigen Fällen zu erhalten gewesen seien. Mit weiterem Schreiben vom 6. April 2016 konkretisierte das Bundesamt seine Bemühungen zur Erlangung eines Nachweises hinsichtlich des von der Klägerin in Italien betriebenen Verfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Januar 2013 ist insoweit unzutreffend, als die Beklagte verpflichtet wurde festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Somalias vorliegen. Insoweit wird die Klage der Klägerin abgewiesen, weil sie unzulässig ist (1.). Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2012 ist dagegen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so dass das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts als Kassationsurteil aufrechterhalten werden kann (2.).

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur noch) die von der Klägerin begehrte Feststellung von unionsrechtlichem subsidiären Schutz nach § 4 AsylG i.d.F des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I 1939 (Nr. 39)). Das Bundesamt hat diesen Antrag in seinem Bescheid vom 24. Juli 2012 verbeschieden, indem es davon ausgegangen ist, dass von der Prüfung europarechtlicher Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könne, da die Klägerin den entsprechenden europarechtlichen Schutzstatus aufgrund des Asylverfahrens in Italien bereits besitze. Damit hat das Bundesamt entschieden, keine sachliche Prüfung des Schutzbegehrens der Klägerin vorzunehmen. Dass es dies nicht ausdrücklich im Tenor des Bescheides ausgesprochen hat, schadet der Annahme einer Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG nicht, denn aus der Begründung des Bescheides geht nach Auffassung des erkennenden Senates unzweifelhaft hervor, dass es das Bundesamt ablehnt, insoweit ein Verfahren durchzuführen und folglich eine unmittelbare Rechtsfolge gesetzt hat, welche die materielle Rechtsposition der Klägerin verschlechtert. Damit hat das Bundesamt nichts anderes entschieden, als dass das Schutzbegehren der Klägerin auf Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes unzulässig ist. Dies entspricht der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 13.02.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 = InfAuslR 2014, 233 und U. v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. nur BayVGH, U. v. 15.6.2015 - 20 B 15.50057 - juris) und der nunmehr hier anzuwendenden Rechtsgrundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Denn maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Begehrens der Klägerin ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), beide zuletzt geändert durch Art. 5 und 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), das am 6. August 2016 in Kraft getreten ist. Danach ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG anzuwenden, weil diesbezüglich keine Übergangsregelung (vgl. § 87 c AsylG) vom Gesetzgeber getroffen wurde.

1. Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage auf Feststellung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes, hilfsweise Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes ist unzulässig, weil die Verpflichtungsklage unstatthaft ist. Lehnt es das Bundesamt wie hier ab, eine sachliche Prüfung des Schutzbegehrens eines Antragstellers vorzunehmen, ist die Anfechtungsklage die richtige Klageart, um das Rechtsschutzbegehren eines Asylantragstellers zu verwirklichen. Das gilt auch dann, wenn wie hier mit dem subsidiären unionsrechtlichen Schutz, hilfsweise nationalen Abschiebungsschutz nur noch ein Teil des ursprünglichen Schutzbegehrens verfolgt wird.

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 35 AsylG droht in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Weiter bestimmt § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG u. a., dass die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit des Antrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam werden, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Das Bundesamt hat dann das Asylverfahren fortzuführen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Der Umstand, dass das Bundesamt im hier zu entscheidenden Fall entgegen der gesetzlichen Anordnung von dem Erlass einer Abschiebungsandrohung abgesehen hat, ändert an der Anfechtungsklage als statthafter Klageart nichts. Denn auch wenn nur eine behördliche Teilentscheidung ergangen ist, zeichnet § 37 AsylG den Weg des weiteren Asylverfahrens vor, indem bestimmt wird, dass das Asylverfahren im Falle einer stattgebenden Eilentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO fortzuführen ist. Dies muss im Falle eines Kassationsurteiles in der Hauptsache erst recht gelten (im Ergebnis ebenso OVG Münster, U. v. 24.8.2016 - 13 A 63/16.A - juris = BeckRS 2016, 52155).

Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aber auch bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 AsylG, weil der Asylbewerber das Verfahren nicht betrieben hat. In seinem Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80 hat das Bundesverwaltungsgericht Folgendes ausgeführt:

„Die Anfechtungsklage ist auch nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das vom Kläger in erster Linie verfolgte Klageziel der Asylanerkennung die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Allerdings wird im Bereich gebundener begünstigender Verwaltungsakte aus § 113 Abs. 5 VwGO in Verbindung mit dem Amtsermittlungsprinzip des § 86 Abs. 1 VwGO allgemein abgeleitet, dass bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist mit der Konsequenz, dass das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme. Dieser Grundsatz, der auch im Asylverfahren Geltung beansprucht (Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 1982 - BVerwG 9 B 179.82 - Buchholz 402.24 § 31 AuslG Nr. 1 und vom 28. Mai 1982 - BVerwG 9 B 1152.82 - NVwZ 1982, 630), gilt jedoch nicht ausnahmslos.

Ob eine Ausnahme in den Fällen, in denen das Bundesamt eine sachliche Prüfung des Asylbegehrens verweigert, bereits aus den Erwägungen anzunehmen ist, mit denen das Bundesverfassungsgericht die Prüfungskompetenz des gegen eine Maßnahme der Ausländerbehörde angerufenen Verwaltungsgerichts bei Asylfolgeanträgen gemäß § 14 AsylVfG a. F. beschränkt hat (Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229), kann dahingestellt bleiben. In diesem Beschluss führt das Bundesverfassungsgericht aus (a. a. O. S. 232), es könne in diesem Stadium des Verfahrens nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamtes, das mit der Sache noch gar nicht befaßt war und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht treffen konnte, über diesen Asylanspruch zu befinden. In der Tat ist für die Entscheidung über Asylanträge allgemein das Bundesamt vorrangig zuständig (§ 5 AsylVfG). Deshalb meint auch das Berufungsgericht, es ließe sich mit der zentralen Stellung dieser Behörde im Asylverfahren nur schwer in Einklang bringen, wenn dem Kläger durch eine rechtswidrige Feststellung des Bundesamts, das Verfahren sei eingestellt, die Möglichkeit entzogen würde, zunächst eine Entscheidung des Bundesamts über sein Asylbegehren zu erhalten; das Gericht würde, statt die Entscheidung des Bundesamts zu kontrollieren, entgegen dem Grundsatz der Gewaltenteilung in Art. 20 Abs. 2 GG an Stelle des Bundesamts entscheiden. Der hier anzuwendenden Prozessordnung selbst läßt sich in § 113 Abs. 3 VwGO - unabhängig davon, ob die Vorschrift auf Anfechtungsklagen beschränkt ist - jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssen, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben können, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Wenn nicht allein diese allgemeinen Erwägungen, so steht doch die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Eine solche Verpflichtung des Gerichts, auch in Fällen der Verfahrenseinstellung durch das Bundesamt wegen fälschlich angenommener Antragsrücknahme über das Asylbegehren zu entscheiden, würde nämlich vor allem die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29 a und 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle der Bundesamtsentscheidung und gegebenenfalls eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu, denn es kann eine Abschiebungsandrohung gemäß § 34 AsylVfG unter Fristsetzung (§ 36 Abs. 1 AsylVfG) nicht aussprechen. Stellt sich das Asylbegehren nach Ansicht des Verwaltungsgerichts als schlicht unbegründet dar, bemißt § 38 Abs. 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf einen Monat; sie müßte, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden.

Darüber hinaus ginge dem Antragsteller, wenn die Beklagte mit ihrer Auffassung durchdringen würde, die Sachentscheidung über den Asylantrag nicht nachholen zu müssen, dem Antragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87 b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist.

Diese Regelungen des Asylverfahrensgesetzes lassen darauf schließen, dass die verweigerte sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen ist.“

Entsprechend verhält es sich bei der Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Hier trifft das Bundesamt, ohne in die materielle Prüfung des Asylbegehrens eines Antragstellers einzusteigen, eine rein formale, verfahrensrechtliche Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags. Dementsprechend hat der Gesetzgeber die Anhörung nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG auf den Unzulässigkeitsgrund, hier also den des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, beschränkt. Eine Anhörung zu den Gründen des Asylantrags (vgl. § 25 AsylG) soll gerade nicht erfolgen.

Daneben liegt auch hier eine Situation vor, in der - wie in der vom Bundesverwaltungsgericht in seinem oben dargestellten Urteil vom 7. März 1995 entschiedenen Konstellation - dem Bundesamt vom Gesetzgeber Gestaltungsmöglichkeiten im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung zugewiesen wurden, die den Verwaltungsgerichten gerade nicht offen stehen. Denn mit dem so genannten Info-Request nach Art. 21 der Dublin-II-Verordnung (bzw. Art. 34 Dublin-III-Verordnung) wurde zwischen den Mitgliedstaaten ein beschleunigtes Informationsaustauschsystem eingeführt. Dies ergibt sich aus Art. 21 Abs. 5 der Dublin-II-Verordnung, wonach eine Antwort auf eine derartige Anfrage innerhalb von sechs Wochen zu erwarten ist, aus Art. 21 Abs. 6, wonach das Verfahren allein zwischen den nach Art. 22 der Dublin-II-Verordnung benannten, spezialisierten Behörden abgewickelt werden soll und nicht zuletzt aus Art. 21 Abs. 12, wonach die Mitgliedstaaten, soweit die Daten nicht automatisiert oder in einer Datei gespeichert sind bzw. gespeichert werden sollen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen haben, um die Einhaltung des Artikels durch wirksame Kontrollen zu gewährleisten, also dafür zu sorgen, dass Anfragen beantwortet werden, und zwar in der Regel innerhalb der Frist nach Art. 21 Abs. 6. Diese Möglichkeit der Informationsgewinnung steht den Verwaltungsgerichten aber nicht offen, da sie keine benannten Stellen nach Art. 22 der Dublin-II-Verordnung sind. Würde eine Verpflichtungsklage für statthaft erachtet, so würden daher diese Vorgaben unterlaufen. Nur durch die Annahme einer Anfechtungsklage wird dem Bundesamt ermöglicht, von seinen ihn nach dem Unionsrecht eröffneten Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.

Schließlich ist die vorliegende Fallgestaltung auch nicht mit der Entscheidung über einen Folgeantrag nach § 71 AsylG vergleichbar, gegen die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (seit dem Urteil v. 10.2.1999 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171) die Verpflichtungsklage statthaft ist. Denn im Fall eines Folgeantrags ist bereits einmal eine vollständige Prüfung des (ersten) Asylantrags erfolgt, die in den Akten des Bundesamts auch dokumentiert ist. Dementsprechend steht dem Verwaltungsgericht für das „Durchentscheiden“ bzgl. des Folgeantrags auch ausreichendes Material zur Verfügung. Demgegenüber ist in der vorliegenden Konstellation zunächst belastbar und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechend zu ermitteln, ob überhaupt in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt wurde. Wie der vorliegende Fall zeigt (s.u.), liegen insoweit belastbare Angaben, die eine mit einem Folgeverfahren vergleichbare Situation begründen würden, oft nicht vor (vgl. auch BayVGH, U. v. 3.12.2015 - 13a B 15.50069 u. a. - NVwZ 2016, 625, Rn. 22 a.E.).

2. Zwar ist das Begehren der Klägerin nach wie vor auf den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes gerichtet. Einem solchen Verpflichtungsantrag kann jedoch regelmäßig ein Aufhebungsbegehren hinsichtlich der ablehnenden Entscheidung der Verwaltungsbehörde entnommen werden. Eine Verpflichtungsklage enthält insoweit einen „unselbstständigen Anfechtungsannex“ (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rn. 33 und § 121 Rn. 30).

Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2012 ist sowohl formell als auch materiell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2.1 Der Bescheid ist formell rechtswidrig, weil er unter Verstoß gegen die besondere persönliche Anhörungspflicht gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG zustande gekommen ist, dieser Verfahrensmangel nicht geheilt wurde (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) und nicht unbeachtlich (§ 46 VwVfG) ist.

Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG hört das Bundesamt den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Dies ist hier nicht geschehen. Die Beklagte verweist zwar auf Art. 14 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung/ABl EG 2013 Nr. L 326/13, Verfahrensrichtlinie), wonach die Tatsache, dass keine Anhörung erfolgt ist, die Asylbehörde nicht hindert, über den internationalen Schutz zu entscheiden. Deswegen ist das Bundesamt aber dennoch verpflichtet, eine persönliche Anhörung durchzuführen. Zum einen hat es das Bundesamt gerade abgelehnt, über den Schutzantrag der Klägerin zu entscheiden. Zum anderen ist es dem nationalen Gesetzgeber unbenommen, höhere Anforderungen an die persönliche Anhörung eines Antragstellers zu stellen. Insoweit ist der Gesetzeswortlaut eindeutig und keiner ungeschriebenen Reduktion zugänglich. Die Fehlerfolgen bestimmen sich vielmehr nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes. Damit bleibt festzuhalten, eine persönliche Anhörung der Klägerin vor dem Bundesamt zur Frage der Unzulässigkeit des Asylantrages hat nicht stattgefunden. Der Bescheid ist damit formell rechtswidrig.

Der Anhörungsmangel ist nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Eine Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren erfüllen diese Voraussetzungen nicht (BVerwG, U. v. 24.6.2010 - BVerwG 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 38 m. w. N.). Darüber hinaus scheidet eine Heilung des Anhörungsmangels aufgrund der von den italienischen Behörden nicht beantworteten Info-Request-Anfrage aus, denn die Funktion der Anhörung kann nur erfüllt werden, wenn der ermittelte Sachverhalt keine wesentlichen Lücken enthält (Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 28 Rn. 16).

Schließlich liegt kein Anwendungsfall des § 46 VwVfG vor. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es ist hier nicht jeglicher Zweifel ausgeschlossen, dass die Beklagte ohne den Anhörungsmangel genauso entschieden hätte.

Denn ob der Klägerin tatsächlich in Italien der subsidiäre Schutzstatus gewährt wurde, ist mehr als zweifelhaft. Entsprechend den auch der Beklagten zur Verfügung stehenden Auskünften wurden in Italien 2008 subsidiär Schutzberechtigten jeweils eine Aufenthaltserlaubnis mit dreijähriger Dauer erteilt (vgl. aida Asylum Information Database, National Country Report Italy, Stand 04/2014, S. 17, Fn. 23 und Stand 12/2015, S. 29 Fn. 79). Demgegenüber geht aus der Mitteilung der Liaisonbeamtin, auf die sich die Beklagte maßgeblich stützt, hervor, dass der Klägerin am 14. Mai 2009 ein bis 22. Mai 2011 gültiger Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Die Dauer des Aufenthaltstitels betrug danach also nur etwas mehr als zwei Jahre.

2.2 Der Bescheid ist auch materiell rechtswidrig, weil nach der Überzeugung des Senats nicht feststeht, dass der Klägerin in Italien subsidiärer europarechtlicher Schutz erteilt worden ist.

Das Bundesamt hat seine Entscheidung maßgeblich auf die E-Mail-Auskunft der damaligen Liaisonbeamtin in Italien vom 16. April 2012 gestützt, in der der Sachbearbeiterin des Falles aufgrund eines vorherigen Telefongespräches mitgeteilt wurde, dass die Klägerin am 14. Mai 2009 aufgrund einer Anhörung am 15. Januar 2009 subsidiären Schutz erhalten hat. Die Gültigkeit des Aufenthaltstitels wurde bis 22. Mai 2011 angegeben.

Dieser Umstand ist nicht ausreichend, um zur Überzeugungsgewissheit des Senats von einer Zuerkennung subsidiären Schutzes in Italien auszugehen, wenn wie hier die Richtigkeit der Angabe der Liaisonbeamtin bestritten wird. Bei der Auskunft der Liaisonbeamtin des Bundesamtes handelt es sich um ein Ermittlungsergebnis, das ausschließlich innerhalb des Bundesamtes und damit in der Sphäre der Beklagten stattfindet. Soweit die Auskunft einer Liaisonbeamtin nicht bestritten wird, mag ein Gericht in der Regel keinen Anlass haben, die Richtigkeit der Auskunft zu hinterfragen. Im Fall des Bestreitens müssen die Verwaltungsgerichte jedoch in der Lage sein, Auskünfte und deren Zustandekommen nachzuprüfen und zu verifizieren. Dies ist bei der aus Italien stammenden Mitteilung der Kontaktmitarbeiterin des Bundesamtes jedoch nicht der Fall, weil sie offenbar auf Hörensagen beruht, welchem bereits dem Grunde nach Ungenauigkeiten und Fehlerquellen innewohnen.

Zudem eröffnet ein sogenanntes Info-Request nach Art. 21 Abs. 1 und 2 der nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung anwendbaren Dublin-II-Verordnung (jetzt Art. 34 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung) einen gesetzlich vorgesehenen Weg, entsprechende Informationen zu erlangen. Nach Art. 21 Abs. 1 lit. b Dublin-II-VO übermittelt jeder Mitgliedstaat jedem Mitgliedstaat, der dies beantragt, personenbezogene Daten über den Asylbewerber, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, für die Prüfung des Asylantrages. Gemäß Art. 21 Abs. 2 lit. g Dublin-II-VO darf das Datum der Einreichung eines früheren Asylantrags, das Datum der Einreichung des jetzigen Antrags, der Stand des Verfahrens und der Tenor der gegebenenfalls getroffenen Entscheidung abgefragt werden. Bereits die Tatsache, dass der Tenor der getroffenen Entscheidung abgefragt werden darf, zeigt, dass Info-Request-Anfragen über das DubliNet auch noch zulässig sind, wenn es nicht mehr um die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats geht, so dass es auf die Frage der allgemeinen Anwendbarkeit des Dublin-Regimes auf Asylanträge von Ausländern, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einen europarechtlichen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, im hier zu entscheidenden Fall nicht ankommt (bejahend UK Supreme Court, U. v. 19.2.2014 - R versus Secretary of State for the Home Department - UKSC 2014, 12 Rn. 75 ff., offenlassend mit Tendenz zur Verneinung BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 26). Nach Art. 21 Abs. 6 Dublin-II- VO erfolgt der Informationsaustausch auf Antrag eines Mitgliedstaats und kann nur zwischen den Behörden stattfinden, deren Benennung von jedem Mitgliedstaat der Kommission mitgeteilt wurde, die ihrerseits die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis gesetzt hat. Dies ist im Fall der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Bundespolizeipräsidium. Nur diese Behörden sind danach berechtigt und auch verpflichtet, entsprechende Anfragen einzuholen und den Verwaltungsgerichten zu übermitteln (Art. 21 Abs. 7 Satz 2 lit b Dublin-II-VO).

Eine entsprechende Info-Request-Anfrage ist im streitgegenständlichen Verfahren auf Veranlassung des Senats erfolgt, wurde jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch die italienischen Behörden nicht beantwortet. Nachdem gemäß Art. 21 Abs. 5 Dublin-II-VO der ersuchte Mitgliedstaat gehalten ist, innerhalb einer Frist von sechs Wochen zu antworten, ist nach Überzeugung des Senats und wohl auch der Beklagten mit einer Beantwortung der Anfrage durch die italienischen Behörden nicht mehr zu rechnen. Nachdem die Klägerin nach Art. 21 Abs. 9 Dublin-II-VO auch das Recht hat, die über ihre Person erfassten Daten mitteilen zu lassen und sie gegebenenfalls berichtigen, löschen oder sperren zu lassen, geht die Weigerung der italienischen Behörden, entsprechende Info-Request-Anfragen zu beantworten, zulasten der Beklagten. Damit ist zur Überzeugung des Senates im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) davon auszugehen, dass die Klägerin keinen subsidiären europarechtlichen Schutz in Italien erhalten hat. Folglich hat das Bundesamt das Verfahren fortzuführen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Tenor

Die unter Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19.10.2016 ausgesprochene Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger auf der einen Seite und die Beklagte auf der anderen Seite tragen die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Die aus Syrien stammenden Kläger reisten - nach Voraufenthalten u.a. in Bulgarien und Ungarn - nach eigenen Angaben am 30.02.2016 ins Bundesgebiet ein. Am 04.04.2016 beantragten sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vom 22.09.2016 gab der Kläger zu 1 an, ihnen seien in Ungarn und Bulgarien Fingerabdrücke abgenommen worden. Sie hätten dort aber keine Asylanträge gestellt.
Mit Bescheid vom 19.10.2016 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Nr. 1) und ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe (Nr. 2). In der Begründung des Bescheids wird ausgeführt, der Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens sei unzulässig. Die Kläger hätten nicht dargelegt, wie die Asylverfahren im Mitgliedstaat ausgegangen seien. Seien diese noch offen oder lägen keine Erkenntnisse über den Verfahrensstand vor, sei von einer sonstigen Erledigung ohne Schutzgewährung auszugehen. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Ein Wiederaufgreifensgrund sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es sei davon auszugehen, dass die Kläger ihre Asylgründe bereits in Ungarn vorgetragen hätten oder jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Asylgründe dort vorzutragen. Ein Abschiebungsverbot liege jedoch vor. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG seien in Bezug auf Syrien zu bejahen.
Die Kläger haben am 27.10.2016 Klage erhoben.
Sie beantragen,
die unter Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19.10.2016 ausgesprochene Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, aufzuheben, sowie
die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen;
weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über ihren Asylantrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Dem Gericht liegen ein Heft Akten des Bundesamts vor. Der Inhalt dieser Akten und die im laufenden Verfahren gewechselten Schriftsatze samt Anlagen sind Gegenstand der Entscheidung. Hierauf wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Der Vorsitzende entscheidet im Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
13 
1. Die Klage ist ausschließlich mit ihrem Anfechtungsantrag zulässig. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bei Folge- und Zweitanträgen, die nach aktueller Rechtslage als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ergeht, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris) mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Die gestellten Verpflichtungsanträge sind demzufolge unzulässig.
14 
2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch A 1 K 484/14begründet. Die Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, ist rechtswidrig und verletzt diese in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Das Bundesamt durfte das Schutzgesuch der Kläger nicht als unzulässig ablehnen. Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.
16 
Hier ist schon nicht nachgewiesen, dass die Kläger überhaupt in Ungarn oder Bulgarien Asylanträge gestellt haben; die Kläger haben dies bestritten. Jedenfalls hat das Bundesamt aber keinerlei Beleg für seine Auffassung geliefert, die dortigen Asylverfahren seien endgültig - mit negativem Ausgang - abgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - (juris) entschieden, dass die Behandlung eines Asylantrags als Zweitantrag ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat voraussetzt. Ein solches liegt nicht vor, wenn das in diesem Staat betriebene und ohne Sachentscheidung eingestellte Asylverfahren in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet.
17 
Daraus ist zu folgern, dass - entgegen der im streitgegenständlichen Bescheid vertretenen Auffassung - der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch eine bestandskräftige Sachentscheidung positiv festgestellt werden muss; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (so zu Recht: VG München, Beschluss vom 27.12.2016 - M 23 S 16.33858 -; Schleswig-Holst. VG, Beschluss vom 07.09.2016 - 1 B 54/16 -; VG Augsburg, Urteil vom 10. Januar 2017 - Au 5 K 16.33029 - jeweils juris). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
18 
Im vorliegenden Fall liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und mit welchem Ergebnis die von den Klägern möglicherweise in Bulgarien und Ungarn betriebenen Asylverfahren abgeschlossen worden sind. Das Bundesamt kann eine derartige Ermittlung nicht ohne weiteres dem Asylantragsteller auferlegen, da dieser in aller Regel über den Verfahrensablauf keine verlässlichen Angaben machen kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 - NVwZ 2016, 625).
19 
Die Sachaufklärung zu der Frage, ob und in welcher Weise ein Asylverfahren in einem Mitgliedstaat abgeschlossen worden ist, obliegt vielmehr grundsätzlich allein dem Bundesamt, denn es hat die Möglichkeit, eine sog. Info-Request-Anfrage durchzuführen. Auf eine solche in Art. 34 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung vorgesehene Anfrage übermittelt jeder Mitgliedsstaat jedem Mitgliedsstaat, der das beantragt, personenbezogene Daten über den Asylbewerber, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, für die Prüfung des Asylantrags (vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris- Rn. 40). Bei dieser Anfrage darf auch der Stand des Verfahrens und der Tenor der eventuell getroffenen Entscheidung abgefragt werden (Art. 34 Abs. 2g Dublin III-Verordnung). Bereits die Tatsache, dass der Tenor der getroffenen Entscheidung abgefragt werden darf, zeigt, dass Info-Request-Anfragen über das DubliNet auch noch zulässig sind, wenn es nicht mehr um die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats geht (ebd.).
20 
Diese Aufklärungsmaßnahme ist dem Gericht selbst nicht möglich. Nach Art. 34 Abs. 6 Dublin-III- Verordnung erfolgt der Informationsaustausch auf Antrag eines Mitgliedstaats und kann nur zwischen den Behörden stattfinden, deren Benennung von jedem Mitgliedstaat der Kommission mitgeteilt wurde, die ihrerseits die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis gesetzt hat. Dies ist im Fall der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Bundespolizeipräsidium. Nur diese Behörden sind danach berechtigt und auch verpflichtet, entsprechende Anfragen einzuholen und den Verwaltungsgerichten zu übermitteln (Art. 34 Abs. 7 Satz 2 b Dublin III-VO; vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris).
21 
Trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts hat das Bundesamt hier keine Info-Request-Anfrage durchgeführt. Bestehende Zweifel gehen daher zu Lasten der Beklagten (VG Augsburg, Urteil vom 10.01.2017 - Au 5 K 16.33029 - juris).
22 
Unabhängig davon ist ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat betriebenes und wegen Fortzugs ohne Sachprüfung eingestelltes Asylverfahren nicht in diesem Sinne erfolglos abgeschlossen, wenn das Verfahren nach der Rechtsordnung dieses Staates in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet. Dies ist jedenfalls in Bezug auf Ungarn der Fall (vgl. ausführl.: BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris; BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 u.a. - NVwZ 2016, 625). Gerade auf das (angeblich) in Ungarn durchgeführte Asylverfahren stellt aber die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ab.
23 
Die Ablehnung der Asylanträge der Antragsteller als unzulässig kann auch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht erhalten werden. Insbesondere liegt kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vor, weil kein Übernahmeersuchen an Ungarn oder Bulgarien gerichtet wurde, so dass deren Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung nicht ersichtlich ist. Angesichts der Ungewissheit des Ausgangs der Asylverfahren in Ungarn oder Bulgarien steht auch keine Unzulässigkeit der Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Raum, da bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass den Antragstellern in Ungarn oder Bulgarien internationaler Schutz, d.h. der Flüchtlingsstatus gemäß § 3 AsylG oder subsidiärer Schutz i.S.d. § 4 AsylG, gewährt worden sein könnte. Davon geht auch die Beklagte ersichtlich nicht aus. Des Weiteren liegt hier kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vor, da dies nicht nur voraussetzen würde, dass Ungarn oder Bulgarien als sichere Drittstaaten gemäß § 26a AsylG zu betrachten sind, sondern auch, dass diese Länder bereit sind, die Kläger wieder aufzunehmen. Anhaltspunkte für eine solche Übernahmebereitschaft sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Dies wäre auch sehr fernliegend, nachdem keine Zuständigkeit Ungarns oder Bulgariens nach der Dublin III-Verordnung besteht.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben.

Gründe

 
12 
Der Vorsitzende entscheidet im Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).
13 
1. Die Klage ist ausschließlich mit ihrem Anfechtungsantrag zulässig. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bei Folge- und Zweitanträgen, die nach aktueller Rechtslage als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ergeht, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris) mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Die gestellten Verpflichtungsanträge sind demzufolge unzulässig.
14 
2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch A 1 K 484/14begründet. Die Feststellung, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien, ist rechtswidrig und verletzt diese in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Das Bundesamt durfte das Schutzgesuch der Kläger nicht als unzulässig ablehnen. Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.
16 
Hier ist schon nicht nachgewiesen, dass die Kläger überhaupt in Ungarn oder Bulgarien Asylanträge gestellt haben; die Kläger haben dies bestritten. Jedenfalls hat das Bundesamt aber keinerlei Beleg für seine Auffassung geliefert, die dortigen Asylverfahren seien endgültig - mit negativem Ausgang - abgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - (juris) entschieden, dass die Behandlung eines Asylantrags als Zweitantrag ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat voraussetzt. Ein solches liegt nicht vor, wenn das in diesem Staat betriebene und ohne Sachentscheidung eingestellte Asylverfahren in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet.
17 
Daraus ist zu folgern, dass - entgegen der im streitgegenständlichen Bescheid vertretenen Auffassung - der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch eine bestandskräftige Sachentscheidung positiv festgestellt werden muss; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (so zu Recht: VG München, Beschluss vom 27.12.2016 - M 23 S 16.33858 -; Schleswig-Holst. VG, Beschluss vom 07.09.2016 - 1 B 54/16 -; VG Augsburg, Urteil vom 10. Januar 2017 - Au 5 K 16.33029 - jeweils juris). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
18 
Im vorliegenden Fall liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob und mit welchem Ergebnis die von den Klägern möglicherweise in Bulgarien und Ungarn betriebenen Asylverfahren abgeschlossen worden sind. Das Bundesamt kann eine derartige Ermittlung nicht ohne weiteres dem Asylantragsteller auferlegen, da dieser in aller Regel über den Verfahrensablauf keine verlässlichen Angaben machen kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 - NVwZ 2016, 625).
19 
Die Sachaufklärung zu der Frage, ob und in welcher Weise ein Asylverfahren in einem Mitgliedstaat abgeschlossen worden ist, obliegt vielmehr grundsätzlich allein dem Bundesamt, denn es hat die Möglichkeit, eine sog. Info-Request-Anfrage durchzuführen. Auf eine solche in Art. 34 Abs. 1 und 2 Dublin-III-Verordnung vorgesehene Anfrage übermittelt jeder Mitgliedsstaat jedem Mitgliedsstaat, der das beantragt, personenbezogene Daten über den Asylbewerber, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, für die Prüfung des Asylantrags (vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris- Rn. 40). Bei dieser Anfrage darf auch der Stand des Verfahrens und der Tenor der eventuell getroffenen Entscheidung abgefragt werden (Art. 34 Abs. 2g Dublin III-Verordnung). Bereits die Tatsache, dass der Tenor der getroffenen Entscheidung abgefragt werden darf, zeigt, dass Info-Request-Anfragen über das DubliNet auch noch zulässig sind, wenn es nicht mehr um die Bestimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats geht (ebd.).
20 
Diese Aufklärungsmaßnahme ist dem Gericht selbst nicht möglich. Nach Art. 34 Abs. 6 Dublin-III- Verordnung erfolgt der Informationsaustausch auf Antrag eines Mitgliedstaats und kann nur zwischen den Behörden stattfinden, deren Benennung von jedem Mitgliedstaat der Kommission mitgeteilt wurde, die ihrerseits die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis gesetzt hat. Dies ist im Fall der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie das Bundespolizeipräsidium. Nur diese Behörden sind danach berechtigt und auch verpflichtet, entsprechende Anfragen einzuholen und den Verwaltungsgerichten zu übermitteln (Art. 34 Abs. 7 Satz 2 b Dublin III-VO; vgl. BayVGH, Urteil vom 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris).
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Trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts hat das Bundesamt hier keine Info-Request-Anfrage durchgeführt. Bestehende Zweifel gehen daher zu Lasten der Beklagten (VG Augsburg, Urteil vom 10.01.2017 - Au 5 K 16.33029 - juris).
22 
Unabhängig davon ist ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat betriebenes und wegen Fortzugs ohne Sachprüfung eingestelltes Asylverfahren nicht in diesem Sinne erfolglos abgeschlossen, wenn das Verfahren nach der Rechtsordnung dieses Staates in der Weise wiederaufgenommen werden kann, dass eine volle sachliche Prüfung des Antrags stattfindet. Dies ist jedenfalls in Bezug auf Ungarn der Fall (vgl. ausführl.: BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris; BayVGH, Urteil vom 03.12.2015 - 13a B 15.50069 u.a. - NVwZ 2016, 625). Gerade auf das (angeblich) in Ungarn durchgeführte Asylverfahren stellt aber die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ab.
23 
Die Ablehnung der Asylanträge der Antragsteller als unzulässig kann auch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht erhalten werden. Insbesondere liegt kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vor, weil kein Übernahmeersuchen an Ungarn oder Bulgarien gerichtet wurde, so dass deren Zuständigkeit nach der Dublin III-Verordnung nicht ersichtlich ist. Angesichts der Ungewissheit des Ausgangs der Asylverfahren in Ungarn oder Bulgarien steht auch keine Unzulässigkeit der Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Raum, da bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass den Antragstellern in Ungarn oder Bulgarien internationaler Schutz, d.h. der Flüchtlingsstatus gemäß § 3 AsylG oder subsidiärer Schutz i.S.d. § 4 AsylG, gewährt worden sein könnte. Davon geht auch die Beklagte ersichtlich nicht aus. Des Weiteren liegt hier kein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vor, da dies nicht nur voraussetzen würde, dass Ungarn oder Bulgarien als sichere Drittstaaten gemäß § 26a AsylG zu betrachten sind, sondern auch, dass diese Länder bereit sind, die Kläger wieder aufzunehmen. Anhaltspunkte für eine solche Übernahmebereitschaft sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Dies wäre auch sehr fernliegend, nachdem keine Zuständigkeit Ungarns oder Bulgariens nach der Dublin III-Verordnung besteht.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)