Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 03. Dez. 2012 - 8 A 19/12

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2012:1203.8A19.12.0A
bei uns veröffentlicht am03.12.2012

Tenor

Der Beamte ist eines Dienstvergehens schuldig.

Gegen ihn wird auf die Disziplinarmaßnahme in Form einer Gehaltskürzung in Höhe von einem Zwanzigstel seiner Dienstbezüge auf den Zeitraum von 12 Monaten erkannt.

Der Beamte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen.

Gründe

I.

1

Der 1953 geborene Beamte ist bei dem C. im Rang eines Regierungsamtsrates (BesGr. A 12 BBesO) beschäftigt. Nach seinem Realschulabschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war bis Ende 1974 als Bankkaufmann tätig. Es folgten vier Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Im Anschluss daran war der Beamte als Vertreter und als kaufmännischer Angestellter tätig. 1981 wurde er beim Bundesverwaltungsamt in Köln im mittleren Dienst unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt. 1983 folgte die Versetzung zum Bundesministerium für Wirtschaft und die Lebenszeiternennung. Es folgten Beförderungen 1985 zum Regierungssekretär, 1986 zum Regierungsobersekretär und 1988 zum Regierungshauptsekretär. Nach seiner Abordnung ab dem 01.09.1991 an die Bezirksregierung Magdeburg wurde er dorthin zum 01.09.1992 versetzt und zum Regierungsamtmann befördert. Schließlich erfolgte im Jahre 2000 die Beförderung zum Regierungsamtsrat. Seit dem 01.08.1997 war der Beamte im Staatlichen Schulamt G. beschäftigt, welches zum 01.01.2004 in das neugeschaffene Landesverwaltungsamt eingegliedert wurde. Dort ist der Beamte seit April 2006 als Sachbearbeiter für die Bearbeitung der UNESCO Welterbestätten in Sachsen-Anhalt sowie die Koordinierung Kommunaler- und Landesinteressen tätig.

2

Der Beamte ist seit 1978 verheiratet und Vater von vier Kindern, wovon zwei noch im Haushalt der Eltern leben.

3

Am 13.03.2001 gab der Beamte die Eidesstattliche Versicherung zum Vermögensverzeichnis vor dem Amtsgericht Haldensleben ab. Am 02.02.2004 gab auch seine Ehefrau die Eidesstattliche Versicherung zum Vermögensverzeichnis ab.

4

Der Beamte ist zwischen 1991 und 1999 bei verschiedenen Instituten Kreditverpflichtungen zur Gesamthöhe von über 300.000 Euro (entspr. 586.749,00 DM) eingegangen. Der Beamte war gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer eines im Jahre 1994 errichteten Einfamilienhauses. Dieses ist überschlägig gerundet mit 178.000,00 Euro Grundschulden, 79.000,00 Euro Sicherungshypotheken und weiteren 13.300,00 Euro Pfändungen belastet gewesen. Am 19.01.2005 wurde der Zwangsversteigerungsvermerk ins Grundbuch eingetragen. Die Immobilie wurde im Juni 2009 für 101.000,00 Euro zwangsversteigert und ein Großteil der Verbindlichkeiten abgelöst. Der Beamte ist nicht mehr Eigentümer der Immobilie.

5

Zur Stabilisierung seiner angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Beamte seit 2000 Schuldenberater in Form von zumeist Rechtsanwälten in Anspruch benommen. Das Privatinsolvenzverfahren des Beamten wurde am 01.04.2008 eröffnet. Das Gehalt wird über die Freibetragsgrenze hinaus gepfändet. In den Jahren 2007, 2009, 2010 und 2011 sind weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ausgestellt bzw. Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erlassen worden.

6

Der Beamte erhält Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 12 in Höhe von 3.819,62 Euro brutto. An Pfändungen wird monatlich ein Betrag von 625,33 Euro zuzüglich 92,00 Euro Kindergeld abgeführt (Stand 7/2012). Seit Juli 2000 erhält der Beamte nur noch den Pfändungsfreibetrag seiner Bezüge.

7

Die dem Beamten erstellten dienstlichen Beurteilungen aus dem Jahre 2001, 2006 und 2008 schlossen jeweils mit der Note D/C.

8

Der Beamte ist bislang weder disziplinarrechtlich noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.

II.

9

Mit der Anschuldigungsschrift vom 22.08.2012 wird der Beamte angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BG LSA) [jetzt § 47 Beamtenstatusgesetz; BeamtStG] begangen zu haben, in dem er sich

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1. leichtfertig verschuldet hat (1.7) und sich bei der Abwicklung (1.1 bis 1.6, 1.8 bis 1.11) von Verbindlichkeiten im Rechtsverkehr in einer für Beamte unwürdigen Weise verhalten hat, als er

11

1.1 der Gemeinde I. den Kaufpreis für sein Hausgrundstück (Erwerb im Jahr 1992) nicht vollständig bezahlt hat,

12

1.2 dem Landesförderinstitut Sachsen-Anhalt das 1993 gewährte Baudarlehen und das Aufwendungsdarlehen für ein Einfamilienhaus nicht vollständig zurückgezahlt hat,

13

1.3 den Jahresbeitrag 1998 der DEVK für die Gebäudeversicherung nicht bezahlt hat,

14

1.4 der DBV Winterthur Versicherungsprämien für die Pflegeversicherung der Jahre 1999 bis 2001 und für die Krankenversicherung mehrere Monatsprämien im Jahr 1999 nicht bezahlt hat,

15

1.5 das D.A.S. Rechtsschutzversicherung mehrere Monatsprämien zwischen 1999 und 2000 nicht bezahlt hat,

16

1.6 der CC - Bank (heute Santander Consumer) ein Darlehen zur Ablösung bestehender Vorverbindlichkeiten zwischen 1999 und 2000 nicht bezahlt hat,

17

1.7 die Fa. H. im Juni 1999 mit dem Einbau von neun Rollläden in seinem Haus im Jahre 2000 beauftragt hat,

18

1.8 der D. Inkasso GmbH die von dem Kiefernorthopäden D. abgetretenen Geldforderungen für die Behandlung eines seiner Kinder zwischen 1999 und 2001 nicht bezahlt hat,

19

1.9 der Landeszentralkasse Sachsen-Anhalt Kosten für Mahnungen und Vollstreckungen zwischen 2000 und 2002 nicht bezahlt hat,

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1.10 der Ärztepraxis Dr. med. B. das Arzthonorar für in Anspruch genommene ärztliche Leistungen im August 2001 nicht bezahlt hat,

21

1.11 falsche Angaben gegenüber der Nürnberger Lebensversicherung machte.

22

2. durch betrügerisches (2.1, 2.2) und achtungsunwürdiges (2.3) Verhalten gegen die Wahrheitspflicht verstieß, als er

23

2.1 im Juli 2001 den Einbau von 9 Rollläden zugelassen hat, ohne auf seine Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen,

24

2.2 im September 2000 gegenüber der Bezügestelle des damaligen Regierungspräsidiums Magdeburg die Kündigung seines Krankenversicherungsvertrages bei der DBV Winterthur für das Jahr 2000 verschwiegen und die Bezügestelle antragsgemäß dadurch veranlasst hat, eine erhöhte Pfändungsfreigrenze zu ermitteln und ihm so unberechtigt ein überhöhtes monatliches Gehalt auszahlte,

25

2.3 am 07. Dezember 2000 den Leiter des damaligen Staatlichen Schulamtes G. mittels vorgelegter Überweisungsgutschrift und der Behauptung getäuscht hat, eine Rechnung gegenüber der DEVK schon bezahlt zu haben, obwohl dies nicht der Fall war.

26

Zu den einzelnen Vorwürfen führt die Disziplinarklage aus:

27

Zu 1.1 heißt es:

28

Der Beamte habe am 01.12.1992 von der Gemeinde I. das unerschlossene Grundstück A. 7 zum Kaufpreis von 48.900 DM (25.002,17 Euro) erworben. Der Beamte habe die vereinbarten Zahlungstermine verstreichen lassen und die Zahlungen der Kaufpreisraten nicht geleistet. Gleichwohl sei der Beamte in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden. In der Folgezeit habe der Beamte die Gemeinde um Ratenzahlungen gebeten. Der Gemeinderat habe dies abgelehnt und 1998 binnen vier Wochen die Gesamtzahlung gefordert. Die dann folgenden Ratenvereinbarungen habe der Beamte nicht eingehalten. Im Jahre 2001 habe die Gemeinde Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angekündigt. Es seien sodann Lohnpfändung und im März 2001 die Zwangsversteigerung gefolgt. Im Mai 2001 sei die Zwangsversteigerung zunächst zum Zwecke der Schuldenregulierung nicht weiter betrieben worden. Der Beamte habe sodann erneut Ratenzahlungen angeboten. Im Jahr 2002 sei zugunsten der Gemeinde eine Sicherungshypothek über 34.565,03 Euro in das Grundbuch eingetragen worden. Bis Ende Januar 2004 seien 13.953,74 Euro, was etwa 56 % der Kaufsumme entspreche, gezahlt gewesen, allerdings ohne Zinsen. Bis Ende 2002 seien noch offene Forderungen in Höhe von 12.867,61 Euro und 4.309,20 Euro zu verzeichnen gewesen. Beim Zeitpunkt des Grundstückskaufs habe der Beamte Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 11 in Höhe von 2.627,18 Euro brutto erhalten. An Kreditverpflichtungen habe der Beamte seit August 1991 einen Ratenkredit über 19.181,63 Euro mit monatlicher Belastung von 511,29 Euro gehabt. Für einen Bausparvertrag seien monatlich 322,11 Euro angefallen. Die Kreditbelastung sei insgesamt mit 833,40 Euro zu verzeichnen gewesen.

29

Zu 1.2:

30

Am 12.03.1993 habe der Beamte für seine Eigenheimfinanzierung bei der Investitionsbank die Bewilligung öffentlicher Mittel nach den Wohnungsbauförderungsbestimmungen des Landes Sachsen-Anhalt beantragt. Mit Bescheid vom 09.09.1993 habe die Investitionsbank den Eheleuten A. ein Baudarlehen über 39.880,77 Euro und ein Aufwendungsdarlehen über 31.585,57 Euro bewilligt. Die Raten seien jährlich zum 30.06. bzw. 31.12. zu leisten gewesen. Im August 2003 habe die Investitionsbank angezeigt, dass der Beamte Kosten aus einem Kostenfestsetzungsbescheid vom November 2002 von insgesamt 130,60 Euro nicht beglichen habe. Nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherungen der Eheleute habe die Investitionsbank dem Beamten beide Darlehen im November 2003 gekündigt. Zahlungen seien danach nicht mehr geleistet worden.

31

Zu 1.3:

32

Der Beamte habe am 21.07.1994 für sein Haus im A. 7 bei der DEVK Allgemeine Versicherungs-AG eine Gebäudeversicherung zum Monatsbeitrag in Höhe von 12,07 Euro abgeschlossen. Im Mai 1998 habe der monatliche Beitrag von 12,07 Euro nicht abgebucht werden können. Auf die Mahnungen habe der Beamte nicht reagiert. Die DEVK habe zum 01.01.1999 die Versicherung gekündigt.

33

Zu 1.4:

34

Am 01.04.1986 habe der Beamte für sich und seine Familie eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Aufgrund der gescheiterten Abbuchungen habe die Versicherung wegen Nichtzahlung den Krankenversicherungsvertrag unter dem 12.01.2000 gekündigt.

35

1.5:

36

Am 22.03.1996 habe der Beamte eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Die Beiträge seien seit 1999 nicht mehr beglichen worden. Im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens habe am 27.11.2006 ein erfolgloser Vollstreckungsversuch stattgefunden. Es sei ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Haldensleben in Höhe von 821,83 Euro gefolgt.

37

1.6:

38

Der Beamte habe bei der CC-Bank in den Jahren 1997 bis 1999 drei immer größer werdende Kredite in Anspruch genommen, um jeweils den Vorkredit abzulösen und den überschießenden Betrag auf sein Konto auszuzahlen. Ab Juli 1999 habe der Beamte das Darlehen nur unregelmäßig und in unterschiedlicher Höhe zurückgezahlt. Unter dem 10.04.2001 sei ein Vollstreckungsbescheid und die Eintragung einer Sicherungshypothek über 15.863,40 Euro erfolgt.

39

1.7:

40

Am 02.06.1999, einen Monat nach Erhalt des Vollstreckungsbescheides in Sachen Gebäudeversicherung, habe der Beamte bei der Firma H. GmbH in L. für die Fenster seines Hauses neun Rollläden inklusive Lieferung, Montage und Anstrich zum Gesamtpreis von 6.033,24 Euro bestellt. Die Zahlung sollte am Tag des Einbaus in bar erfolgen. Trotz vereinbarungsgemäßer Arbeitsausführung habe der Beamte nicht gezahlt. Die Firma habe einen Zwangsvollstreckungsbescheid und erwirkt und im April 2001 sei eine Sicherungshypothek über 6.657,02 Euro eingetragen worden.

41

1.8:

42

1999 sei bei der Tochter des Beamten eine kiefernorthopädische Behandlung vorgenommen worden. Die Gesamtkosten in Höhe von 3.717,51 Euro, welche in Teilrechnungen in Rechnung gestellt worden seien, seien vom Beamten nicht beglichen worden.

43

1.9:

44

Bei den Forderungen der Landeszentralkasse handele es sich zum einen um vier Ordnungswidrigkeiten wegen nicht bezahlter Beiträge zur Pflegeversicherung. Die Bußgeldbescheide lauteten auf 171,79 Euro, 187,13 Euro, 187,13 Euro, 183,12 Euro. Zum anderen habe es sich um Forderungen der Landeszentralkasse um Gerichtskosten aus zwei Zwangsversteigerungsverfahren, einem Zwangsverwaltungsverfahren sowie einem Verfahren zur Eintragung einer Sicherungshypothek gehandelt. Hieraus seien Kosten in Höhe von 910,00 Euro, 330,19 Euro, 259,99 Euro und 104,30 Euro entstanden. Auf Mahnungen sei keine Reaktion des Beamten erfolgt. Als Gesamtforderung habe die Landeszentralkasse gegenüber dem Beamten 2.388,63 Euro geltend gemacht.

45

1.10:

46

Im Zeitraum vom 20. bis 22.08.2001 habe der Beamte in der Gemeinschaftspraxis D. ärztliche Versorgung in Höhe von 88,79 Euro in Anspruch genommen. Trotz Mahnung sei die Rechnung nicht bezahlt worden. Es folgten Pfändungen in Höhe von 205,11 Euro.

47

1.11:

48

Am 22.03.1995 habe der Beamte an die Nürnberger Lebensversicherung für ein Beamtendarlehen Ansprüche auf Dienstbezüge von monatlich in Höhe von 491,18 Euro abgetreten. Der Betrag sei ab Mai 1995 vom Gehalt abgezogen und überwiesen worden. Nachdem bereits vorrangig eingeräumte Gehaltsabtretungen über 65.370,00 Euro bestanden hätten, habe die Nürnberger Lebensversicherung das Darlehen und die Lebensversicherung mit Schreiben vom 27.04.2004 gekündigt und habe den Restwert in Höhe 26.762,06 Euro verlangt. Es seien sodann Eintragungen einer Sicherungshypothek über 20.000,00 Euro in das Grundbuch vorgenommen worden.

49

2.1:

50

Der Beamte habe bei der unter 1.7 behandelten Auftragserteilung für den Rollladeneinbau entgegen seiner Wahrheitspflicht der Firma gegenüber erklärt, dass er die Bezahlung noch am Einbautag leisten werde. Über andere Verbindlichkeiten habe der Beamte die Firma nicht unterrichtet.

2.2

51

Mit Unterschrift vom 27.09.2000 habe der Beamte bei der Bezügestelle eine Bescheinigung über 1999 an die DBV Winterthur gezahlte Kranken- und Pflegeversicherungsbeträge vorgelegt und habe um Berücksichtigung bei der Festsetzung der Pfändungsfreibeträge nach § 850 e ZPO gebeten. Der Beamte habe die Bezügestelle nicht darauf hingewiesen, dass die DBV Winterthur den Krankenversicherungsvertrag bereits im Januar 2000 fristlos gekündigt habe.

2.3

52

Wie unter 1.3 ausgeführt, habe der Beamte der DEVK den Versicherungsbetrag für Mai bis Dezember 1998 trotz Vollstreckungsbescheides nicht bezahlt. Die von dem sodann eingeschalteten Inkassounternehmen dem Staatlichen Schulamt in G. übermittelte Lohnabtretungserklärung sei als erledigt angesehen worden, weil der Beamte dem Verwaltungsleiter wahrheitswidrig mitgeteilt habe, dass die Angelegenheit erledigt sei.

III.

53

Hinsichtlich der unter Teil 1, Ziffern. 1.1 bis 1.11 dargestellten Verfehlungen habe der Beamte gegen die Wohlverhaltensklausel des § 54 Satz 3 BG LSA verstoßen. Der Beamte habe in allen Fällen bestehende Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt. Dabei wirke nicht bereits der Zustand einer hohen Verschuldung oder gar einer Überschuldung oder bereits die Eröffnung eines Schuldnerinsolvenzverfahrens, achtungs- oder vertrauenschädigend mit berufsbezogenen Auswirkungen. Ein Pflichtenverstoß sei erst dann anzunehmen, wenn der Beamte im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Verbindlichkeit oder deren Abwicklung ein Verhalten zeige, das geeignet sei Achtung und Vertrauen auch hinsichtlich der dienstlichen Stellung und der Erfüllung dienstlicher Aufgaben zu erschüttern. Dies sei der Fall, wenn Verbindlichkeiten eingegangen würden, deren Erfüllung die finanzielle Leistungsfähigkeit übersteige und dadurch das Vermögen Dritter gefährdet werde. Dem Beamten sei vorzuwerfen, dass er die Tilgung von Schulden nicht mit der gebotenen Sorgfalt betrieben und die Gefahr gerichtlicher Maßnahmen heraufbeschwört habe, wenn er auf Mahnungen nicht reagiert oder es zur Zwangsvollstreckung kommen ließ.

54

Hinsichtlich der in Teil 2 dargestellten Handlungen (Ziff. 2.1 bis 2.3) habe der Beamte durch achtungsunwürdiges Verhalten gegen die aus dem Treueverhältnis resultierende Wahrheitspflicht gem. § 54 Satz 3 BG LSA verstoßen. Mit den Dienstpflichten sei es unvereinbar, in dienstlichen Angelegenheiten vorsätzlich die Unwahrheit zu sagen. Dies widerspreche auch der allgemeinen Treuepflicht. Die unter Ziff. 2.2 und 2.3 dargestellten Verstöße seien dienstliche Pflichtenverstöße.

55

In allen Fällen habe der Beamte rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

56

Das aus mehreren Pflichtenverstößen bestehende Dienstvergehen sei als ein schweres im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BG anzusehen. Die Gesamtpersönlichkeit des Beamten sei davon geprägt, dass er über einen langen Zeitraum nicht in der Lage gewesen sei, seine desolaten finanziellen Verhältnisse zu ordnen und Zahlungsaufforderungen, Mahnungen und Vollstreckungen ignoriert habe.

57

Der Beamte führt aus, dass er Opfer unglücklicher Umstände geworden sei und es zur Überschuldung nur deswegen gekommen sei, weil sein Finanzberater die Finanzierungsplanung falsch berechnet habe und so eine Finanzierungslücke entstanden sei. Der Beamte habe sich vollständig auf seinen Finanzberater verlassen, dass dieser auch die fälligen Zahlungen vornehme. Der Finanzberater habe umfassende Vollmachten gehabt. Der Beamte habe keine weiteren Kontrollen vorgenommen. Insgesamt lässt sich der Beamte dahingehend ein, dass sich die wirtschaftliche Situation der Familie stetig verschärft und verschlechtert habe. Hinzu seien Erkrankungen und Schicksalsschläge wie Unfälle gekommen. Der Beamte habe stets versucht, die eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen. So seien z. B. die ärztlichen Leistungen zwingend notwendig gewesen. Stetig habe er die Hoffnung gehabt, Zahlungen leisten zu können.

IV.

58

Das Disziplinarverfahren ist unter dem Regime der Disziplinarordnung Sachsen-Anhalt (DO LSA) vom 16.05.1994 zu behandeln und zu entscheiden (§ 81 Abs. 4 und 6 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt; DG LSA). Denn das förmliche Disziplinarverfahren wurde vor dem Inkrafttreten des Disziplinargesetzes Sachsen-Anhalt (DG LSA) eingeleitet.

59

Aufgrund des festgestellten und unstreitigen Sachverhaltes sowie mit Zustimmung der Einleitungsbehörde und des Beamten entscheidet die Disziplinarkammer nach § 53 DG durch Disziplinargerichtsbescheid.

60

Unter Gesamtwürdigung der disziplinarrechtlich relevanten Umstände ist die Disziplinarkammer davon überzeugt, dass der Beamte durch die ihm in der Anschuldigungsschrift zur Last gelegten Pflichtenverstöße ein mittelschweres Dienstvergehen begangen hat, welches die Ahndung durch die im Tenor benannte Disziplinarmaßnahme rechtfertigt.

61

Der Beamte hat gegen die sog. Wohlverhaltenspflicht nach § 54 Satz 3 BG LSA verstoßen. Danach muss das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Dabei ist Schwerpunkt der Vorwürfe die stetige und andauernde Verschuldung des Beamten und die sich daraus ergebenden Probleme in seiner Lebensführung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur: U. v. 18.06.1996, 2 WD 10.96; juris) stellt bereits das leichtfertige Schuldenmachen eine erstzunehmende Dienstpflichtverletzung dar. Ein Beamter kann, ohne sich eines Dienstvergehens schuldig zu machen, die Grenzen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten überschreiten und wirtschaftlich untragbar Verpflichtungen auf sich nehmen. Selbst wenn er eine Schuldverpflichtung noch so leichtsinnig begründen sollte, begeht er dadurch noch keinen disziplinarrechtlich-relevanten Pflichtenverstoß. So lange ein solches Verhalten zu keinen von vornherein absehbaren Leistungsstörungen führt, ist es disziplinarrechtlich unerheblich, weil dies in die Privatsphäre des Beamten fällt und der Dienstherr den Beamten in finanziellen Angelegenheiten nicht zu überwachen hat. Schulden machen wird jedoch dann vorwerfbar und disziplinarrechtlich bedeutsam, wenn eine schuldhafte Störung der vertraglich vereinbarten Abwicklung eines Rechtsgeschäftes nach den Umständen voraussehbar ist. Eine derart unverantwortliche und vorwerfbare Wirtschaftsführung lässt nämlich Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Beamten zu, berührt seine Verwendungsmöglichkeiten und macht ihm dienstlich in vielfältiger Weise zu einem Sicherheitsrisiko. Schulden machen ist ferner dann disziplinarrechtlich von Bedeutung, wenn eine eingegangene Schuld zwar ordnungsgemäß getilgt wird, wegen der dadurch begründeten Verpflichtungen aber andere Schuldverhältnisse notleidend geworden sind (vgl. zusammenfassend nur: VG Magdeburg, U. v. 18.03.2008, 8 A 22/07 MD; juris; ebenso BVerwG, U. v. 27.01.2000, 2 WB 28.99; juris).

62

So liegt der Fall hier. Dem disziplinargegenständlichen Sachverhalt ist zu entnehmen, dass der Beamte seit seiner Versetzung in das Bundesland Sachsen-Anhalt in den frühen 1990-er Jahren mit erheblichen privaten finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. So scheint es so, dass er sich bereits bei dem Erwerb seines Hausgrundstückes im Jahr 1992 aufgrund der Nichtbezahlung der vereinbarten Kaufpreisraten, aus welchen Gründen auch immer, finanziell und wirtschaftlich übernommen hat. Bereits allein an diesem Tatbestand ranken sich weitere in der Disziplinarklage erwähnte Verfehlungen bezüglich der Nichtrückzahlung von Darlehen. Wie ein Band ziehen sich in den Folgejahren die weiteren Pflichtenverstöße bezüglich der Nichtbezahlung von Versicherungsprämien aller Art, der Nichtbezahlung von Handwerker- und Arztrechnungen sowie der Tatsache des Vorliegens von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen und eingeleiteten Zwangsvollstreckungen. Auch hatten der Beamte sowie seine Ehegattin die eidesstattliche Versicherung zum Vermögensverzeichnis vor dem Amtsgericht abgegeben. Schließlich hat der Beamte sein Hausgrundstück verloren.

63

Der Beamte hat in allen Fällen bestehende Zahlungserfüllungen nicht erfüllt. Er hat bei der Abwicklung seiner Schulden nicht die gebotenen Anstrengungen zur Schuldentilgung gezeigt. Er hat Ratenzahlungsvereinbarungen nicht eingehalten und in fast allen Fällen auf Mahnungen überhaupt nicht reagiert. Dadurch hat er in einigen Fällen (Disziplinarvorwurf 1.2, 1.3 und 1.4) die Kündigung der Verträge durch die Kredit- bzw. Versicherungsgeber selbst herbeigeführt. Die Rückstände in der Pflegeversicherung, (Vorwurf 1.4) führten aufgrund der fehlenden Reaktionen zu Ordnungswidrigkeitsverfahren, so dass weitere Forderungen hinzutraten.

64

Durch die Beauftragung eines Handwerkers zum Einbau der Rollläden (Ziff. 1.7) hat der Beamte bewusst zusätzliche Verbindlichkeiten in Kauf genommen, obwohl er wusste, dass er zur Bezahlung nicht in der Lage war. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich erhebliche Verbindlichkeiten beim Beamten angehäuft. Bereits im Mai 1999 war ein Vollstreckungsbescheid gegen ihn ergangen. Vor diesem Hintergrund war es nicht zu verantworten, weitere Verpflichtungen einzugehen. Dem Beamten war bewusst, dass seine finanzielle Leistungsfähigkeit weitere Belastungen nicht mehr erlaubte.

65

Hinsichtlich der unter Ziffer 2. der Disziplinarklage dargestellten Handlungen folgt das Disziplinargericht zwar nicht durchgängig der rechtlichen Bewertung der Einleitungsbehörde hinsichtlich eines Pflichtenverstoßes gegen die Wahrheitspflicht nach § 54 Satz 3 BG LSA. Denn zumindest der unter Ziffer 2.1 vorgehaltene Pflichtenverstoß (Rolllädeneinbau) ist dem außerdienstlichen Verhalten zuzurechnen. Nur in Ausnahmefällen sind derartige Verstöße gegen die Wahrheitspflicht dem dienstlichen Verhältnis zuzurechnen. Denn die dienstrechtliche Wahrheitspflicht entspringt dem dienstrechtlichen Treueverhältnis. Demnach ist ein Verhalten eines Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls im besonderen Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Bei außerdienstlichen Verstößen gegen die Wahrheitspflicht liegt dies bei schwerwiegenden Strafverfahren, wie etwa einem Meineid auf der Hand. Auch bei Beamten mit herausgehobenen Funktionen und der Tatsache des in die Öffentlichkeit getragenen Bekanntseins des Amtes und der Funktion des Beamten sind höhere Maßstäbe an die Wahrheitspflicht auch außerdienstlich zu stellen (vgl. etwa VG Regensburg, U. v. 28.09.2012, RO 10 A DK 11.1979; juris, VG Magdeburg, U. v. 14.02.2012, 8 A 14/10; juris). Die wesentliche Bedeutung der Wahrheitspflicht liegt naturgemäß im Bereich der Amtsausübung. Die selbstverständliche beamtenrechtliche Wahrheitspflicht ist Ausfluss der Unterstützungspflicht gegenüber Vorgesetzten und der allgemeinen Wohlverhaltenspflicht. Voraussetzung dafür ist die Offenheit und Wahrhaftigkeit im dienstlichen Umgang der Beteiligten untereinander.

66

Dies trifft jedenfalls auf die Vorwürfe unter Ziff. 2.2 und 2.3 der Disziplinarklage insoweit zu, als diese auch einen dienstlichen Belang aufweisen. Denn der Beamte hat durch Erhöhung des Pfändungsfreibetrages bei der Bezügestelle (2.2) sowie die Aussage vor dem Staatlichen Schulamt (2.3) auch dienstlich veranlasste Tätigkeiten vorgenommen. Denn er war gegenüber einer Behörde bzw. dem direkten Vorgesetzten tätig. Das dienstliche Vertrauen wurde dadurch zumindest beeinträchtigt.

67

Der Disziplinarklage ist das Disziplinargericht der Überzeugung, dass der Beamte auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Denn dem Beamten hätte bei gehöriger Gewissensanstrengung bewusst sein müssen, dass die aus seiner desolaten finanziellen Lage resultierenden Probleme auch auf den Dienst ausschlagen werden und dies disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird.

68

Schließlich rechtfertigt dies bei einer Gesamtbewertung der Umstände die Verhängung der im Tenor bezeichneten und von den Beteiligten auch in Aussicht genommenen Disziplinarmaßnahme. Denn auch das Disziplinargericht berücksichtigt die Tatsache, dass der Beamte die Pflichtenverstöße weitgehend einräumt und auch Bemühungen hinsichtlich einer Besserstellung seiner finanziellen Situation durchaus vorgenommen hat. Wenn diese auch nicht immer als ganz ernsthaft oder hinsichtlich der Tragweite der Bevollmächtigungen von Finanzberatern als in gewisser Weise naiv anzusehen sind, so hat der Beamte doch allein durch die Vielzahl der Bevollmächtigung von Rechtsanwälten und Schuldnerberatern gewisse Anstrengungen unternommen. Andererseits schlagen der hier festzustellende lange Zeitraum seit Beginn der 1990er Jahre und die Vielzahl der finanziellen Unregelmäßigkeiten erheblich zu Buche.

69

Zur weiteren Begründung darf das Disziplinargericht auch auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen in der Disziplinarklage verweisen und sich diese zu eigen machen.

70

Die Kostenentscheidung folgt aus § 100 Abs. 1 Satz 1 DO LSA; das Verfahren ist gem. § 98 Abs. 1 DO LSA gerichtsgebührenfrei.


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Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 30. März 2017 - 15 A 17/16

bei uns veröffentlicht am 30.03.2017

Tatbestand 1 Die Klägerin führt die Disziplinarklage gegen den beklagten Polizeivollzugsbeamten im Rang eines Polizeimeisters mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst. 2 Der 1961 geborene Beklagte besuchte von 1968 bis zum Abschluss der