Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 25. März 2013 - 7 A 63/11
Gericht
Tatbestand
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Die in A-Stadt, A-Straße wohnenden Kläger begehren Fahrtkostenerstattung für den Schulbesuch ihrer am 16.3.2000 geborenen Tochter H. für das Schuljahr 2009/2010.
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Mit Antrag auf Übernahme der Schülerfahrtkosten vom 23.1.2011, eingegangen beim Beklagten am 26.1.2011, baten die Kläger um Erstattung der Kosten für die Beförderung H. mittels privatem Fahrzeug von der Familienwohnung zur 12 km entfernten Grundschule „Freie Montessori Schule Schönebeck e. V.“, Otto-Kohle-Str. 23a, Schönebeck (Elbe), für die Zeit vom 6.8.2009 bis 23.6.2010.
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Mit Bescheid vom 15.2.2011 lehnte der Beklagte die Fahrtkostenerstattung für das Schuljahr 2009/2010 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, gemäß § 6 Abs. 1 der Satzung über die Schülerbeförderung im E. seien Anträge auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen bis spätestens 31.10. eines jeden Jahres für das vorangegangene Schuljahr geltend zu machen. Da der Antrag auf Fahrtkostenerstattung für die Zeit von August 2009 bis Juni 2010 erst am 26.1.2011 beim E. eingegangen sei, würden für das Schuljahr 2009/2010 keine Fahrtkosten für die Schülerbeförderung erstattet.
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Die Kläger haben am 15.3.2011 Klage erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Ablehnung der Fahrtkostenerstattung sei rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Nichteinhaltung der in § 6 Abs. 1 der Satzung über die Schülerbeförderung im E. bestimmten Antragsfrist führe nicht zum Erlöschen des Anspruchs. Insoweit verweisen die Kläger auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.6.2010 – 3 L 475/08 -.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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den Bescheid des Beklagten vom 15.2.2011 aufzuheben und
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den Beklagten zu verpflichten, den Klägern die notwendigen Aufwendungen für die Beförderung ihrer Tochter H. zwischen der Wohnung und der Freien Montessori Schule Schönebeck e. V. für das Schuljahr 2009/2010 nach Maßgabe der Satzung über die Schülerbeförderung im E. – SchBefS – vom 09. Dezember 2009 (§ 4 A Abs. 2 (a) Nr. 2 SchBefS) zu erstatten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, die Ablehnung der Fahrkostenerstattung sei aufgrund der satzungsrechtlichen Regelung des Beklagten über die Antragsfrist für die Erstattung von Schülerbeförderungskosten rechtmäßig. Es müsse zwischen materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Ausschlussfristen unterschieden werden. Der Träger der Schülerbeförderung habe ein Interesse daran, sicherzustellen, dass die Erstattungsanträge innerhalb eines überschaubaren Zeitraums gestellt werden und er einen Überblick über die zu erstattenden Schülerfahrtkosten für das abgelaufene Schuljahr erhalte. Daher sei er nach § 71 SchulG LSA ermächtigt, durch satzungsrechtliche Regelung auch in materiellrechtlicher Hinsicht Erstattungsansprüche einzuschränken. Ansonsten wäre eine haushaltsmäßige Umsetzung der Erstattungsansprüche nur schwerlich möglich. Zumindest sei eine Ablehnung der beantragten Fahrkostenerstattung aufgrund der behördlich festgelegten Verfahrensfrist rechtmäßig, da die Kläger dieser Frist nicht beachtet hätten und es auch nicht unbillig sei, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Anders als im vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall sei im streitgegenständlichen Fall eine konkrete satzungsrechtliche Regelung vorhanden, die auch eine konkrete Ausschlussfrist, nämlich den 31.10. eines jeden Jahres für das abgelaufene Schuljahr, bestimme. Insoweit führe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22.10.1993 – 6 C 10/92 – aus, dass Fristen für die verfahrensmäßige Geltendmachung von Ansprüchen nicht nur in Gesetzen oder Verordnungen geregelt werden könnten, sondern die Behörden auch von sich aus berechtigt sein, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Rahmen ihrer Verfahrensherrschaft entsprechende Fristen festzulegen. § 6 Abs. 1 der Satzung über die Schülerbeförderung im E., die im Amtsblatt für den E. Nr. 57/2009 vom 17.12.2009 öffentlich bekannt gemacht worden sei, enthalte insoweit eine unmissverständliche Formulierung hinsichtlich der Frist zur Geltendmachung von Fahrkostenerstattungsansprüchen, so dass auch nicht aus Billigkeitsgesichtspunkten zu Gunsten der Kläger auf die Einhaltung der Frist verzichtet werden müsse. Im Übrigen handele es sich auch nicht um eine nur geringfügige Überschreitung der Frist. Aus haushaltswirtschaftlichen Gesichtspunkten müsse der Beklagte bemüht sein, die entsprechenden Anträge auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten innerhalb des Haushaltsjahres zu bescheiden und zur Auszahlung zu bringen. Aufgrund der Tatsache, dass der Antrag der Kläger fast drei Monate nach Ablauf der Frist und zudem noch nach Ablauf des Haushaltsjahres, nämlich des Kalenderjahres gemäß § 65 LKO LSA in Verbindung mit § 92 Abs. 5 GO LSA, beim Beklagten eingegangen sei, stünden der ablehnenden Bescheidung des Antrags auch keine Billigkeitsgesichtspunkte entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter (§§ 87a Abs. 2 und 101 Abs. 2 VwGO), weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (Schreiben vom 18. März 2013).
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 15.2.2011 ist rechtswidrig, verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) und unterliegt daher der Aufhebung. Die Kläger haben Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten für ihre Tochter H. für den Schulweg zur Freien Montessori Schule in Schönebeck für das Schuljahr 2009/2010.
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Grundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die Schulfahrten der Tochter H. der Kläger von der Wohnung zur Grundschule „Freie Montessori Schule Schönebeck e. V.“ in Schönebeck ist § 71 Abs. 2 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (SchulG LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 2005 (GVBl. LSA S. 520), in der hier maßgeblichen Änderung (Zeitpunkt der schuljahresbezogenen Behördenentscheidung) durch Dreizehntes Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 18.1.2011 (GVBl. LSA S. 2). Nach dieser Regelung haben die Träger der Schülerbeförderung (vgl. § 71 Abs. 1 SchulG LSA) die in ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler u. a. der allgemein bildenden Schulen bis einschließlich des 10. Schuljahrganges unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten (§ 71 Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA). Zwar besteht die Beförderungs- oder Erstattungspflicht gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA nur für die Wegstrecke zwischen der Wohnung der Schülerin oder des Schülers und der nächstgelegenen Schule der von ihr oder ihm gewählten Schulform. Besucht indes die Schülerin oder der Schüler eine Schule mit inhaltlichem Schwerpunkt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 oder § 6 Abs. 1 Satz 3 oder eine Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung, besteht die Beförderungs- oder Erstattungspflicht bis zur nächstgelegenen Schule mit diesem Bildungsangebot (§ 71 Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA). Die mit dem 13. Gesetz zur Änderung der Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 18.1.2011 unter § 1 Nr. 8 Buchstabe a vorgenommene Änderung des § 71, wonach im Absatz 2 Satz 4 die Wörter „oder eine Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung gestrichen“ werden, trat gemäß § 2 dieses Änderungsgesetzes erst am 1.8.2011 in Kraft.
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Die von H. besuchte Grundschule ist eine Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat dies mit Beschluss vom 11.2.2010 – 3 M 313/09 – für die Montessori-Grundschule in Weissenfels festgestellt und dies mit der signifikanten Unterscheidung der Grundschule von öffentlichen Schulen in methodisch-didaktischer Hinsicht begründet. So liege ein Schwerpunkt bei der Unterrichtsgestaltung im Einsatz didaktischer Materialien, die nicht als Demonstrationsmaterial der Lehrer, sondern als Arbeitsmittel für die Schüler konzipiert seien. Ferner lernten die Schüler in der sog. Freiarbeit, in der die Lerninhalte der Fächer Deutsch, Mathematik, Sachkunde und teilweise der Fächer Gestalten, Musik und Englisch vermittelt würden, nicht in Klassenverbänden, sondern gemeinsam in einer Jahrgangsmischung der Klassen 1 – 4. Jedenfalls letzteres unterscheide die Montessori-Grundschule in Weissenfels signifikant von dem Typus einer öffentlichen Grundschule oder dem einer als Ersatzschule betriebenen Bekenntnisschule, der sich in der Unterrichtsgestaltung nicht wesentlich von einer staatlichen Schule der entsprechenden Schulform unterscheide. Diese Feststellungen lassen sich ausweislich des im Internet (www.montessorischule-schoenebeck. de/main.php?cat=14) dargestellten Schulkonzepts auf die Montessori-Grundschule in Schönebeck übertragen. Dass es sich bei der hier in Rede stehenden Grundschule um eine Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung im Sinne des § 71 Abs. 2 Satz 4 SchulG LSA handelt, wird von dem Beklagten im angefochtenen Bescheid auch nicht in Abrede gestellt.
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Der Beklagte kann nicht mit dem Einwand durchdringen, dem Anspruch auf Erstattung der Kosten stehe entgegen, dass die Kläger die in § 6 Abs. 1 der Satzung über die Schülerbeförderung im E. bestimmte Antragsfrist versäumt hätten. Nach dieser Bestimmung ist der Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen für den Schulweg „bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres für das abgelaufene Schuljahr“ beim E. unter Beifügung der entsprechenden Nachweise geltend zu machen (§ 6 Abs. 1 Satz 1). Nach Satz 2 der vorstehenden Regelung handelt es sich hierbei um eine Ausschlussfrist.
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Die Nichteinhaltung dieser Frist führt indes nicht zum Erlöschen des Anspruchs. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt führt mit Urteil vom 23.6.2010 – 3 L 475/08 – hierzu Folgendes aus:
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„Denn aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip folgt, dass Rechtssätze, die materiellrechtliche, den Bürger belastende Regelungen enthalten, im gewaltengliedrigen Rechtsstaat unmittelbar von der Legislative erlassen werden oder auf einer von ihr erteilten Ermächtigung beruhen müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.1993 – 6 C 10/92 – Rdnr. 15
). Das Schulgesetz sieht eine solche materiellrechtliche Ausschlussfrist, die zum Erlöschen des Anspruchs führt, nicht vor und enthält auch keine Ermächtigung zugunsten der Träger der Schülerbeförderung, eine solche Ausschlussfrist zu erlassen. Deshalb könnte der Träger der Schülerbeförderung den durch formelles Gesetz begründeten Anspruch auch nicht durch eine satzungsrechtliche Regelung einschränken, weil eine solche satzungsrechtliche Regelung gegen das Schulgesetz verstieße und unwirksam wäre. Nur soweit § 71 SchulG LSA die Träger der Schülerbeförderung ermächtigt, die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde oder der Höhe nach näher auszugestalten (vgl. etwa § 71 Abs. 3 Satz 1 SchulG LSA zur Begrenzung der Höhe der Erstattung auf die teuerste Zeitkarte; § 71 Abs. 6 SchulG LSA zu den Mindestentfernungen), kommt eine satzungsrechtliche Regelung auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 LKO LSA überhaupt in Betracht.“
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Die Auffassung des Beklagten, das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht abschließend festlegen wollen, was sich aus der Formulierung („Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre eine solche Ausschlussfrist nur durch den Erlass einer Rechtsnorm möglich“) ergebe, teilt das Gericht nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat allein dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass im dort entschiedenen Fall die Antragsfrist in einer Richtlinie zur Schülerbeförderung geregelt war, also einer Verwaltungsvorschrift, die bloß verwaltungsinterne Handlungsanweisungen an die eigenen Bediensteten ohne Außenwirkung enthält. Dies besagt nicht, das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht festlegen wollen. Vielmehr wird in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich betont, dass auch eine satzungsrechtliche Regelung der Antragsfrist in der Form einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist, „deren Nichteinhaltung den Verlust einer materiellrechtlichen Rechtsposition zur Folge hat“ (BVerwG, Urt. V. 22.10.1993, 6 C 10/92, Rd. 16, veröffentlicht in Juris), den in Rede stehenden Anspruch wegen des Fehlens einer landesrechtlichen Grundlage nicht ausschließen könnte.
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Aber selbst wenn man § 6 Abs. 1 Satz 2 SchBefS („Es handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist“) nicht als materiellrechtliche Ausschlussfrist, sondern nur als „behördliche Verfahrensvorschrift ohne materiellrechtliche Ausschlusswirkungen“ (BVerwG, a. a. O., Rn. 19) auslegen wollte, könnte eine solche Verfahrensvorschrift dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegengehalten werden, weil die Kläger darüber nicht belehrt worden sind (BVerwG, a. a. O., Rn. 20). Auf den Antragsformularen fehlte ein Hinweis auf § 6 Abs. 1 Satz 2 SchBefS, der rückwirkend zum 01. August 2009 in Kraft getreten ist.
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Die Kläger haben einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung in der Form der Wegstreckenentschädigung nach Maßgabe des § 4 A Abs. 2 (a) Nr. 2 SchBefS, weil ihre Tochter H., die zu Beginn des Schuljahres 2009/2010 9 Jahre und 4 Monate alt war, den Weg zur Montessori Grundschule in Schönebeck nicht unter zumutbaren Bedingungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte bewältigen können. Die reine Fahrtzeit hätte sich nach www.nasa.de auf 1 Stunde und 16 Minuten belaufen.
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Aus diesen Gründen durfte der Klage der Erfolg nicht versagt bleiben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und einer Schätzung des Gerichts.
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Annotations
(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
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über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,
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Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a), - 2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist, - 4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
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vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.