Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 25. Apr. 2017 - 15 B 4/17

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2017:0425.15B4.17.0A
25.04.2017

Gründe

1

Die Antragstellerin ist Bürgermeisterin und Hauptverwaltungsbeamtin der Stadt A-Stadt und wurde unter dem 03.02.2017 durch den Antragsgegner als Stadtrat der Stadt A-Stadt nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vorläufig des Dienstes enthoben. Der dagegen bei dem erkennenden Disziplinargericht gestellte Antrag nach § 61 DG LSA ist unter dem Az. 15 B 3/17 MD anhängig und mit Beschluss vom heutigen Tage abgelehnt worden. Zum weiteren Sachverhalt wird auf diesen Beschluss verwiesen.

2

Mit dem hier zu entscheidenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die gerichtliche Entscheidung über die ihrer Meinung nach "disziplinarrechtliche Durchsuchung des Dienst-PC der Antragstellerin im Rathaus" mit dem Antrag,

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festzustellen, dass die Durchsuchung des Dienst-PC der Antragstellerin im Rathaus der Stadt A-Stadt am 02.02./03.02.2017 rechtswidrig gewesen ist und die dabei erhobenen Daten im Disziplinarverfahren gegen die Antragstellerin nicht verwertet werden dürfen,

4

und ergänzend

5

festzustellen, dass die Durchsuchung und Beschlagnahme von Dateien des Netzwerkordners "C." am 02.02.2017 und des E-Mail-Accounts der Antragstellerin am 05.02.2017 rechtswidrig gewesen ist und die dabei erhobenen Daten im Disziplinarverfahren nicht gegen die Antragstellerin verwendet werden dürfen.

II.

6

Der Antrag hat keinen Erfolg. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob ein entsprechender Antrag nach den Regelungen des Disziplinarrechts zulässig wäre.

7

1.) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann das Disziplinargericht auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen (vgl. dazu: VG Magdeburg, Beschluss v. 16.04.2015, 8 B 6/15; juris). Nach § 26 Satz 2 DG LSA kann das Disziplinargericht die Herausgabe von Schriftstücken, Zeichnungen, bildlichen Darstellungen und Aufzeichnungen einschließlich technischer Aufzeichnungen durch Beschluss anordnen und durch die Festsetzung eines Zwangsgeldes erzwingen. Diese grundrechtsrelevanten Maßnahmen unterliegen dem Richtervorbehalt und dürfen in Bezug auf die Bedeutung des Tatvorwurfs und die zu erwartende Disziplinarmaßnahme nicht unverhältnismäßig sein (Vgl. zusammenfasend: VG Magdeburg, Beschluss v. 16.04.2015, 8 B 6/15; juris).

8

Ob im Umkehrschluss auch ein – vorbeugender - gerichtlicher Antrag zur Nichtverwertung bei Verstoß gegen den Richtvorbehalt zulässig ist oder entsprechende Verwertungsverbote vielmehr erst im Rahmen des Disziplinarverfahrens zu klären sind, muss vorliegend nicht geklärt werden. Denn entscheidend ist, dass die im Antrag genannten Daten nicht in dem anhängigen behördlichen Disziplinarverfahren gegen die Antragstellerin erlangt sind, sondern im Rahmen der allgemeinen behördlichen internen IT-Systempflege angefallen sind. Das Disziplinargericht hat in dem Beschluss vom 24.04.2017 in dem Suspendierungsverfahren der Antragstellerin (15 A 3/17 MD) ausgeführt:

9

"Die Sachgebietsleiterin IT, Frau S..., hat in einer zur Akte gereichten dienstlichen Erklärung ausgeführt, dass sie den von der Antragstellerin angeordneten IT-Dienst während der Ausschusssitzungen am 03.02.2017 selbst wahrgenommen und dabei festgestellt habe, dass das dienstliche Verzeichnis der Antragstellerin leer gewesen sei. Das Verzeichnis habe nur noch eine Größe von 128 KB (eine Datei) gehabt, so dass nahezu alle Daten gelöscht worden seien. Das User-Verzeichnis sei am 02.02.2017 um 16.30 Uhr letztmalig verändert worden. Frau S... habe das Verzeichnis im Umfang von 1,36 GB, 549 Dateien und 65 Ordnern wiederhergestellt. Bei einer späteren Sicherung des PC's habe sie festgestellt, dass die Festplatte neu installiert und erstellt worden sei. Das Löschen von Daten aus dem personalisiertem User-Verzeichnis könne nur durch die IT-Administratoren oder durch die Antragstellerin selbst mittels eigenem Passwort vorgenommen worden sein. Ebenso seien über 9.000 Einträge aus dem Postfach gelöscht worden.

10

Dieser Sachverhalt zeigt zur Überzeugung des Disziplinargerichts, dass am Dienstrechner der Antragstellerin ganz erheblich manipuliert wurde und somit es auf der Hand liegt, dass weitere disziplinarrechtliche Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt werden konnten oder könnten. Diese Erkenntnisse sind in der vorliegenden Entscheidung auch berücksichtigungsfähig und rechtlich verwertbar; sie unterliegen nicht etwa einem Verwertungsverbot. Auf eine Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter kommt es demnach überhaupt nicht an. Denn entscheidend ist, dass Frau S... als Sachgebietsleiterin Informationstechnologie bei der Stadt A-Stadt berechtigt war, Datenverlusten entgegenzuwirken. Nach Punkt 4.1.7 der Dienstanweisung Datenschutz der Stadt A-Stadt vom 01.08.2002 oblag es ihr, unerwartetes Systemverhalten, ungewöhnliche Ereignisse sowie jeglichen Datenverlust dem Systembetreuer zu melden. Darüber hinaus ordnete die Antragstellerin ausweislich eines Protokollauszuges der Dienstberatung vom 15.12.2015 an, dass während der Ausschusssitzungen das Sachgebiet IT zwingend besetzt werden müsse, um die Sicherstellung der Funktionalität des Netzwerkes hinsichtlich des jederzeitigen Datenaustausches bzw. benötigter Unterlagen zu gewährleisten. Die bereits vor der entscheidenden Beschlussfassung über die Suspendierung der Antragstellerin durch Frau S... festgestellten Datenmanipulationen sind daher nicht dem laufenden Disziplinarverfahren zuzuordnen, sondern dem alltäglichen Pflichtenkreis der Frau S... als Sachgebietsleiterin der Informationstechnologie. Die Maßnahmen dienten daher ausschließlich dem Schutz der eigenen IT-Infrastruktur und sind nicht als Durchsuchung anzusehen. Sie betrafen vielmehr die bestimmungsgemäße Behandlung von Daten sowie die Ausübung von Befugnissen durch die Nutzer sowie hier durch Frau S... als Sachgebietsleiterin IT. Kann somit eine Manipulation des Dienstrechners bzw. der dortigen Daten der Antragstellerin nur durch die Administratoren bzw. denjenigen, welcher über das von der Antragstellerin vergebene Passwort verfügt, durchgeführt werden, rechtfertigt dies zum augenblicklichen Zeitpunkt jedenfalls die Annahme der wesentlichen Beeinträchtigung der weiteren Ermittlungen.

11

Schließlich belegt auch die im Rahmen der IT-Sicherheit wiederhergestellte E-Mail der Antragstellerin vom 29.01.2017 an die Kollegin D... die realistische Gefahr der Einflussnahme auf die Ermittlungen durch die Antragstellerin. Denn mit der Wendung:

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"Dann müssen wir besprechen, dass Y… oder/und die Azubis ALLE Unterlagen bei der W… rausholen und sichern in einem Raum. Frag dazu mal bitte C…",

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"regte" die Antragstellerin "nicht lediglich an, die Sicherung der Akten unter Hinzuziehung von Verwaltungspersonal zu besprechen", wie es die Antragstellerin meint. Auch die "Sicherung in einem separaten Raum" ändert daran nichts, solange dieser Raum unbekannt ist und nur ihrer "Sicherung" untersteht. Im Übrigen sind der Verbleib der im Büro von Frau W... „sichergestellten“ Akten und Gegenstände, deren Anzahl sowie genau Auflistung gerade streitig zwischen den Beteiligten. In der Verfügungsgewalt der Stadt A-Stadt befinden sich die Unterlagen jedenfalls nicht. Gerade deswegen wird nunmehr auch strafrechtlich gegen die Antragstellerin ermittelt (Az.: 586 Js 11754/17). Insoweit darf auch bezweifelt werden, ob diese "Sicherung" aus "dienstlichen Gründen notwendig" war, wie die Antragstellerin meint. Aus der nunmehr vorliegenden Aufstellung der aus dem Dienstzimmer der Frau W... abhanden gekommenen Gegenstände ergibt sich eine Vielzahl von Gegenständen, Akten und Unterlagen, die nichts mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren zwischen der Antragstellerin als Vertreterin der Stadt A-Stadt und Frau W... als abgemahnter stellvertretender Bürgermeisterin zu tun haben können. Dabei ist zum augenblicklichen für das Disziplinargericht entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch nicht ausschlaggebend, ob die Antragstellerin tatsächlich für die Wegnahme der Gegenstände rechtlich verantwortlich ist; dies bleibt dem augenblicklichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vorbehalten. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die durch Frau S... wiederhergestellte E-Mail einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Denn entscheidend ist, dass die Antragstellerin unstreitig den Auftrag zur "Sicherstellung" von Akten im Büro der Frau W... durch den Bediensteten C… gegeben hat und dies auch geschehen ist."

14

Demnach handelte es sich gerade nicht um gezielte Ermittlungen im anhängigen behördliche Disziplinarverfahren, welche nach §§ 26, 27 DG LSA zu beurteilen wären und dem Richtervorbehalt unterliegen.

15

Mangels des gezielten Grundrechtseingriffs scheidet auch eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zur Verhinderung der Beweiserhebung aus (vgl dazu: VG Magdeburg, Beschluss v. 27.05.2017, 8 B 9/15; juris).

16

2.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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Gründe 1 Der vorläufige Rechtsschutzantrag der Antragstellerin, mit welchem sie sinngemäß beantragt, 2 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die für den 28.05.2015 geplante Vernehmung der Zeugen B... und C... abz

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Gründe 1 Dem im Umfang des Tenors gestellten Antrag der Antragstellerin vom 15.04.2015 ist stattzugeben. Die diesbezüglichen rechtlichen Voraussetzungen nach § 27 DG LSA liegen vor. 2 Das Disziplinargericht muss beim Erlass des Durchsuchungsbesc

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Gründe

1

Dem im Umfang des Tenors gestellten Antrag der Antragstellerin vom 15.04.2015 ist stattzugeben. Die diesbezüglichen rechtlichen Voraussetzungen nach § 27 DG LSA liegen vor.

2

Das Disziplinargericht muss beim Erlass des Durchsuchungsbeschlusses aufgrund des Richtervorbehaltes die beabsichtige Maßnahme eigenverantwortlich prüfen. Ausgehend von dem Tatvorwurf eines schweren Dienstvergehens muss der diesbezügliche dringende Tatvorwurf bestehen und der Grundrechtseingriff darf in Bezug auf die Bedeutung des Tatvorwurfs und die zu erwartende Disziplinarmaßnahme nicht unverhältnismäßig erscheinen. Die zu durchsuchenden Objekte sowie Art und Inhalt der Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, muss nach Lage der Dinge hineichend bestimmt genug beschrieben werden. Dies versetzt den Betroffenen zugleich in die Lage, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen entgegenzutreten (vgl. BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006, 2 BvR 1780/04; SächsVerfGH, Beschluss v. 31.03.2005, VF.120-IV-04; Sächs.OVG, Beschluss v. 10.08.2011, D 6 F 6/10: juris).

3

Der Antrag ist von der Antragstellerin als Direktorin des Amtsgerichts und damit als Dienstvorgesetzte der Beamtin gestellt worden (§ 27 Abs. 1, 2. HS i. V. m. § 25 Abs. 3 DG LSA). Auf eine vorherige Anhörung der Antragsgegnerin durfte aus den Gründen der Gefahr der Vereitelung der Maßnahme verzichtet werden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 DG LSA i. V. m. § 33 Abs. 4 StPO; so auch: Sächs. OVG, Beschluss v. 10.08.2011, D 6 F 6/10; BayVGH, Beschluss v. 19.10.2009, 16b DC 09.2188; beide juris). Die Beamtin ist des ihr zur Last gelegten Dienstvergehens dringend verdächtig und die Maßnahme steht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis (§ 27 Abs. 1 Satz 2 DG LSA).

4

Der tatbestandlich notwendige „dringende Tatverdacht“ besteht. Ein dringender insoweit disziplinarrechtlicher Tatverdacht ist anzunehmen, wenn nicht nur ein auf vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen, sondern ein auf Tatsachen gestützter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beamte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen hat und die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens sowie seine Schuld nicht konkret ausgeschlossen sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 10.11.2010, 10 O 92/10; VGH München, Beschluss v. 19.10.2009, 16b DC 09.2188; OVG Koblenz, Beschluss v. 04.10.2002, 3 B 11273/02; alle juris; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 27 Rz. 4). Die damit erheblich über der die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 17 DG LSA rechtfertigende Eingriffsschwelle ist erreicht. Denn nach den dem Disziplinargericht vorliegenden Unterlagen hat die Beamtin als am 27.01.2015 in ihrem Büro bar die Zahlung von 20.317,59 Euro von dem Schuldner P… erhalten, ohne diesen Betrag bis dato an die Gläubigerin auszukehren, obwohl dies gemäß Dienstanweisung (01/14 v. 14.04.2014) binnen 3 Tagen zu geschehen hat. Die Überprüfung der von der Antragstellerin eingeholten Zweitkontoauszüge vom 31.03.2015 haben ergeben, dass in dem Zeitraum vom 01.02.2015 bis 31.03.2015 weder eine Ein- oder Auszahlung dieses Geldbetrages von dem Dienstkonto vorgenommen wurde, obwohl sie dies gegenüber dem Bevollmächtigten der Gläubigerin, Herrn Rechtsanwalt B… schriftlich versichert hat. So hat sie ausweislich der Korrespondenz mit dem Anwalt auf dessen wiederholten Mahnungen zuletzt unter dem 30.03.2015 unter Beifügung einer Überweisungsliste behauptet, das Geld am 24.02.2015 angewiesen zu haben. Das Geld befindet sich auch nicht auf dem Dienstkonto der Beamtin.

5

Dieses an objektiven Tatsachen zu messende Geschehen lässt den hohen Grad der Wahrscheinlichkeit erkennen, dass die Beamtin den unstreitig seit dem 27.01.2015 eingenommenen hohen Geldbetrag von über 20.000 Euro bereits weisungs- und vorschriftswidrig nicht innerhalb der geltenden Fristen an die Gläubigerin ausgekehrt hat und darüber hinaus den Bevollmächtigten auf dessen wiederholte Mahnungen und Androhungen rechtlicher Schritte unwahre Auskünfte erteilt und zudem nicht zutreffende Überweisungen vorgespielt hat. Neben der strafrechtlichen Relevanz dieses Verhaltens im Rahmen des Straftatbestandes der Untreu sind disziplinarrechtlich relevante beamtenrechtliche Pflichtverletzungen der Wohlverhaltenspflicht einschlägig. Gerade bei einer stellt die Vermögensbetreuungspflicht eine unabwendbare Pflicht ihrer Amtsausübung dar (vgl. dazu: VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/1; VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2013, 8 A 17/12; beide juris). Es erscheint schier unerträglich, dass einem die Hilfe der staatlichen Organe in Anspruch nehmender Gläubiger nach erfolgreicher Eintreibung durch den staatlichen Gerichtsvollzieher das ihm zustehende Geld vorenthalten wird.

6

Die beantragte Anordnung erscheint demnach auch nicht unverhältnismäßig. Sie steht zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis. Denn wie dargelegt ist Ausgangspunkt der Zumessungsbewertung vorliegend die Begehung einer schweren dienstlichen Verfehlung die grundsätzlich die Ahndung durch die sogenannten disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen, wie Zurückstufung oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen. Daran gemessen erscheint die disziplinarrechtliche Ahndung durch die dem Dienstherrn zustehenden Disziplinarmaßnahmen, des Verweises, der Geldbuße oder der Gehaltskürzung als ausgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass bereits jetzt Milderungs- oder Entlastungsgründe vorliegen, die das Tatgeschehen unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes der Beamtin (§ 13 DG LSA) in einem wesentlich milderen Licht erscheinen ließen (vgl. zu einem solchen Fall: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v 10.11.2010, 10 O 92/10; juris) oder von vornherein das Delikt disziplinarrechtlich nur mit unterschwelligen Disziplinarmaßnahmen zu beantworten wäre (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss v. 21.06.2006, 2 BvR 1780/04; juris) sind nicht erkennbar. Ob insoweit die in der Korrespondenz mit dem Anwalt anklingende Erkrankung der Beamtin und Softwareprobleme Anhaltspunkte für eine Milderung bzw. Entlastung des schwerwiegenden Tatvorwurfs rechtfertigen, muss im Laufe des Disziplinarverfahrens geprüft werden. Jedenfalls sind diese augenblicklich eher vagen Vermutungen und Andeutungen nicht dazu geeignet, den zum jetzigen und entscheidenden Zeitpunkt bestehenden dringenden Tatverdacht und die Verhältnismäßigkeit der Anordnung entfallen zu lassen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses (OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss v. 12.01.2007, 3 B 11367/06; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.03.2009, DB 16 S 57/09; beide juris). Denn naturgemäß stehen die disziplinar- wie strafrechtlichen Ermittlungen erst am Anfang, deren Fortschritt die Anordnung rechtfertigt.

7

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragstellerin den mit der Anordnung bezweckten Ermittlungserfolg auf anderem Wege einfacher oder effizienter erreichen könnte. Denn der zuvor ergangenen Aufforderung der Antragsstellerin, die genannten Unterlagen herauszugeben, kam die Antragsgegnerin nicht nach. Die sodann als mildere Maßnahme nach § 26 DG LSA durch Beschluss des Disziplinargerichts erzwingbare Herausgabe von dienstlichen Unterlagen, bedeutet nicht, dass stets zunächst danach vorzugehen ist. Vielmehr bestehen für beide Möglichkeiten der gerichtlichen Anordnung nach § 26 und § 27 DG LSA eigene Entfaltungsräume. So kann unmittelbar nach § 27 DG LSA verfahren werden, wenn eine Beweisvereitelung durch den nicht herausgabewilligen Beamten zu befürchten steht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.03.2009, DB 16 S 57/09; juris; mit Verweis auf: GKÖD Bd. II M § 26 Rz. 5; Gansen, DiszR, § 26 BDG Rz. 10). Diese Gefahr sieht das Disziplinargericht vorliegend. Denn es besteht der begründete Verdacht, dass sie die Unterlagen manipuliert oder unterdrückt, wofür der Umstand spricht, dass sie diese Unterlagen entgegen der Vorschriften nicht in ihrem Geschäftszimmer aufbewahrt (vgl. § 30 Abs. 6 GVO) und zu vermuten ist, dass diese nach Hause verschafft wurden. Schließlich kann und darf die Antragsgegnerin die Durchsuchung durch die freiwillige Herausgabe der begehrten Unterlagen stets abwenden. Dabei sind die Unterlagen auch notwendig, um die Ermittlungen voranzutreiben. Denn nur mittels der Originalunterlagen lassen sich die entsprechenden Ein- und Ausgaben, Kontobewegungen etc. überprüfen. Gleiches gilt für den Dienstcomputer.


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Gründe

1

Der vorläufige Rechtsschutzantrag der Antragstellerin, mit welchem sie sinngemäß beantragt,

2

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die für den 28.05.2015 geplante Vernehmung der Zeugen B... und C... abzusetzen,

3

hat keinen Erfolg.

4

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der zu sichernde Anspruch und der Grund der Anordnung sind glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

5

Der Antragstellerin steht bereits kein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte einstweilige Anordnung zur Seite. Denn sie wehrt sich mit dem Eilantrag gegen die bevorstehende Beweisaufnahme (§ 24 DG LSA) durch Zeugenvernehmung (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 DG LSA) in dem gegen sie eingeleiteten behördlichen Disziplinarverfahren. Bei der Beweiserhebung im Rahmen des anhängigen Disziplinarverfahrens handelt es sich um eine behördliche Verfahrenshandlung zur Aufklärung des Sachverhaltes bzw. Klärung des Disziplinarvorwurfs. Derartige, die spätere Sachentscheidung vorbereitende Maßnahmen, können nicht isoliert angefochten bzw. rechtlich überprüft werden (vgl. § 3 DG LSA; § 44 a VwVfG LSA). Sinn dessen ist es, den Abschluss des anhängigen Behördenverfahrens nicht zu verzögern oder zu erschweren (vgl. nur: Kopp/Schenke; VWGO; 17.Auflage 2011, § 44 a Rz. 1). Denn mit dem Rechtsmittel gegen die abschließende Behördenentscheidung steht dem Betroffenen ausreichender und effektiver Rechtsschutz zur Seite.

6

Nichts anderes gilt vorliegend im Disziplinarrecht. Denn münden die disziplinarrechtlichen Ermittlungen in dem Erlass einer Disziplinarverfügung (§ 33 DG LSA) gegen die Antragstellerin oder der Erhebung der Disziplinarklage (§§ 34, 49 DG LSA), können etwaige Fehler in der Beweiserhebung im Rahmen der dagegen zustehenden Rechtsbehelfe (§§ 41, 59 DG LSA) bzw. in der Verteidigung gegen die Disziplinarklage (§ 52 DG LSA) geltend gemacht werden, wobei die Möglichkeit der Heilung bzw. Ersetzung der fehlerhaften Verfahrenshandlungen durch Tätig werden des Disziplinargerichts besteht Vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2012, 8 A 7/11 m. w. Nachw.; juris). Gleiches gilt soweit das behördliche Disziplinarverfahren unter Feststellung oder offenlassen eines Dienstvergehens eingestellt werden sollte (§ 32 Abs. 4 DG LSA). Nur soweit es unmittelbar zu Grundrechtseingriffen kommt, bedarf es etwa im Fall der begehrten Herausgabe von Unterlagen (§ 26 DG LSA) oder einer Beschlagnahme und Durchsuchung (§ 27 DG LSA) wegen des Richtervorbehaltes einer vorhergehenden gerichtlichen Entscheidung. Gleiches gilt soweit ein Zeuge oder Sachverständiger seinen Pflichten nicht nachkommt (§ 25 DG LSA). Schließlich nennt das Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt, wie auch die der anderen Länder und des Bundes, für den vorläufigen Rechtsschutz nur die dort genannten Verfahren zur Beschleunigung (§ 60 DG LSA) und gegen die vorläufige Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen (§§ 38, 61 DG LSA).

7

Nichts anderes gilt, soweit die Antragstellerin den Anordnungsanspruch damit zu begründen versucht, dass bereits das Disziplinarverfahren entgegen § 17 DG LSA aufgrund einer anonymen Anzeige unter Verstoß gegen das Legalitätsprinzip fehlerhaft eingeleitet worden sei. Auch die Frage nach der ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Einleitung eines Disziplinarverfahrens stellt sich naturgemäß erst zum Abschluss der Ermittlungen und stellt somit selbst keine angreifbare Disziplinarentscheidung dar (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 52 Rz. 16). Mag man zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes Ausnahmen dahingehend zulassen, dass völlig abwegige oder willkürliche Einleitungen und Ermittlungen untersagt werden könnten, liegen diese auch nicht vor. Zutreffend zitiert die Antragstellerin insoweit die Ausführungen des Disziplinargerichts in dem Urteil vom 13.12.2012 (8 A 7/11; juris), wonach unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 29.07.2010, 2 A 4.09; juris), der Verdacht eines Dienstvergehens hinreichend konkret sein muss und bloße Vermutungen zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens nicht ausreichen. Hinreichende Tatsachen können sich ergeben aus Hinweisen von Verwaltungsangehörigen, Aktenvorgängen, aber auch aus schriftlichen oder mündlichen Mitteilungen von Verwaltungsfremden. Zweifelhaft ist der Umgang mit anonymen Anzeigen und Mitteilungen. Dabei werden jedenfalls auch anonyme Mitteilungen, die offensichtlich nicht ins Blaue hinein vorgenommen wurden sondern in sich schlüssig und substantiiert sind und unter Nennung weiterer Tatsachengrundlagen „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 DG LSA) für ein Dienstvergehen liefern, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Einzelfall rechtfertigen können. So liegt der Fall hier. Jedenfalls das an den Landrat des Landkreises C-Stadt gerichtete anonyme Schreiben (Eingang am 18.12.2014), beinhaltet derartige substantiierte Angaben und damit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 DG LSA „zureichend tatsächliche Anhaltspunkte die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen“, so dass für den Dienstvorgesetzten die Dienstpflicht bestand, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Dies im Übrigen noch viel mehr, weil die Antragstellerin selbst die Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 18 DG LSA zur „Selbstreinigung“ beantragte. Aber auch dies mag gegebenenfalls im Rahmen einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung oder einer Disziplinarklage geprüft werden; willkürlich erscheint die Einleitung jedenfalls nicht.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.