Verwaltungsgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2015 - 7 K 2187/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die am 00.00.1956 geborene Klägerin ist österreichische Staatsangehörige und lebt in Klagenfurt (Kärnten). Im Jahre 2007 wandte sie sich erstmals an die Beklagte und führte in einer e-mail aus, ihre Mutter habe im April 1956 Contergan forte als Ärztemuster von ihrem Hausarzt gegen Schwangerschaftserbrechen erhalten. Ihr – der Klägerin – fehle der rechte Oberschenkel. Sie habe nur ein rudimentäres Knie ohne Kniescheibe wenige Zentimeter neben der Hüfte. Ihre Wirbelsäule sei mittlerweile sehr geschädigt. Entschädigung oder Hilfe habe sie niemals erhalten.
3Mit Schreiben vom 20.11.2007 an die Klägerin wies die Beklagte auf die seinerzeit bestehende Ausschlussfrist bis zum 31.12.1983 zur Geltendmachung der Ansprüche nach dem ContStifG hin und sah sich zu einer inhaltlichen Prüfung des Antrags nicht befugt.
4Mit Schreiben vom 22.03.2008 wiederholte die Klägerin ihr Begehren, stellte „offiziell“ einen Antrag auf Anerkennung als Contergangeschädigte und beantragte rückwirkend eine Conterganrente ab 1972. Von der Entschädigungsmöglichkeit habe sie erst etwa fünf Jahre zuvor durch einen Fernsehbericht über die Wiener Contergangeschädigte Michaela Moik erfahren. Ihre Mutter habe Contergan während der ersten Schwangerschaftswochen eingenommen. Der Hausarzt habe der Mutter ein Ärztemuster ausgehändigt. Sie – die Klägerin – besitze noch das Tablettenröhrchen mit Inhalt. Die noch lebende Mutter könne den Sachverhalt jederzeit bezeugen. Sie leide seit Geburt an einer starken Skoliose. Ihr fehle am rechten Bein der rechte Oberschenkel. Das rechte rudimentäre Knie habe keine Kniescheibe und sei ca. 3 cm unter der Leiste positioniert. Das rechte Hüftgelenk bestehe aus einem haselnussgroßen Gelenkkopf, aus einer flachen kleinen Gelenkpfanne und sei luxiert. Muskelansätze fehlten ebenfalls, sodass ein normales Sitzen kaum möglich sei. Der verkümmerte rechte Unterschenkel setze unter dem unvollständigen Kniegelenk an und reiche bis zum Ansatz des normalen linken Knies. Er ende in einem kleinen, ca. 16 cm langen Vorfuß mit 5 Zehen. Gehfähig sei sie nur mit Beinprothese. Das linke Bein sei vollständig normal ausgebildet. Ferner verwies die Klägerin auf eine Schädigung des linken Sehnervs und Probleme mit dem Verdauungssystem. Fortschreitende Bandscheibenschäden, Hüftprobleme, ein durchgetretenes linkes Fußgewölbe und zunehmender Muskelschwund seien schmerzhafte Folgen der Fehlbildung. Ihren Beruf als Lehrerein habe sie mit 39 Jahren aufgeben müssen. Dem Schreiben legte die Klägerin u.a. einen Auszug aus der Wiener medizinischen Wochenschrift vom 18.10.1958 mit einem Aufsatz von Schober, „Wirkung und Anwendungsmöglichkeiten des Glutaminsäurederivates Contergan“, demzufolge das Präparat an 100 Patienten in Bezug auf „Angriffspunkt und Wirkungsbreite“ untersucht wurde. Außerdem war dem Schreiben eine Darstellung der Verbreitung des Arzneimittels in Österreich beigefügt. Hiernach erfolgte die Ausgabe von Mustern ab April 1956.
5Mit Bescheid vom 21.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag als verfristet ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2008 mit gleicher Begründung zurück.
6Unter dem 03.07.2009 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf das 2. Änderungsgesetz zum ContStifG erneut Leistungen. In dem handschriftlichen Hintergrundbericht führte sie aus:
7„Meine Mutter I. T. erhielt im April 1956 ein Ärztemuster „Contergan forte“ gegen Schwangerschaftserbrechen und Schlafstörungen von ihrem Hausarzt Dr. C. T1. . Sie nahm die Tabletten ab dem 30. Tag der Schwangerschaft ein. (Die genaue Anzahl der Tabletteneinnahme weiß sie nicht mehr) Den Zusammenhang zwischen der Medikamenteneinnahme und meiner Schädigung erkannte weder sie noch die Ärzte im Krankenhaus. Ich wurde zu früh geboren, am 21. Dezember 1956 statt Ende Jänner 1957. Da meine Eltern mitten im Siedeln waren, gab mein Vater das Tablettenröhrchen in eine Schmuckkassette mit Andenken der Großmutter. Erst vor 5 Jahren kam das Tablettenröhrchen wieder zum Vorschein. Durch den Fernsehfilm „Nur eine einzige Tablette“ wurden wir auf die Stiftung aufmerksam und 2007 stellte ich erstmals einen Antrag. Erst in den 90er Jahren schrieben Ärzte in meine Befunde Thalidomid-Embryopathie. Ich habe schon als Kleinkind Lungenprobleme gehabt, ebenso bis heute Stirn-Kieferhöhlenprobleme und enge Gehörgänge. Mein Verdauungssystem bereitete mir ebenfalls schon von Kindheit an Probleme. Zusammenhänge mit Conterganschädigungen zu finden war und ist in Österreich sehr schwierig. Auch meine Sehnervschädigung wurde nicht in Verbindung gebracht.“
8Dem Schreiben waren eine Kopie einer eidesstattlichen Erklärung ihrer Mutter vom 28.10.2008 und eine Abbildung der Umverpackung des Arzneimittels „Contergan forte“ beigefügt, die nach Angabe der Klägerin vom ORF in Wien angefertigt worden war. Mit am 30.12.2009 eingegangenem Formantrag präzisierte die Klägerin die Angaben zu ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Sie wies darauf hin, dass es in Kärnten keinen Arzt gebe, in der Lage sei, Zusammenhänge zwischen körperlichen Problemen und Contergan herzustellen.
9Mit Bescheid vom 27.12.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie verwies auf die Feststellung der Medizinischen Kommission, wonach die Fehlbildungen nicht auf die Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen seien. Alle involvierten Gutachter (Prof. K. , Dr. X. , Dr. T2. -I1. , Dr. H. ) hätten auf ihrem Fachgebiet eine typische Conterganschädigung verneint. Bereits die gesamte Anatomie spreche gegen eine solche Schädigung. Eine Korektopie (Verlagerung der Pupille) könne als angeborene Anomalie spontan auftreten. Außerdem hätte die festzustellende Sehschärfe ohnehin keine Punktebewertung zur Folge. Auch bei den festgestellten bronchitischen Veränderung, den beginnenden Bronchiektasien (Ausweitungen der mittelgroßen Atemwege), der zystischen Läsion im linken Leberlappen sowie bei den Leberzysten und dem Gallengries fehle ein Thalidomidbezug. Auch liege kein anzuerkennender HNO-Schaden vor. Die Beschwerden (Enge der Nase, Nasennebenhöhlenentzündungen und Polypen) seien ein häufiges Symptom einer ASS-Intoleranz, unter der die Klägerin offenbar ebenfalls leide. Enge Gehörgänge seien auch in der Allgemeinbevölkerung häufig und reichten für sich gesehen nicht als Begründung für eine Thalidomidschädigung aus.
10Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 20.01.2012 Widerspruch. Nach der eidesstattlichen Erklärung und dem Foto des noch vorhandenen Tablettenröhrchens stehe fest, dass die Mutter ein Thalidomid-haltiges Medikament eingenommen habe und daraus die als Conterganschaden geltend gemachten Behinderungen resultierten. Die Klägerin beantragte neue medizinische Sachverständigengutachten. Außerdem verwies sie auf eine Unterstützungszahlung von 50.000 Euro in Österreich gemäß Schreiben des Bundesministeriums im Wien vom 18.11.2012.
11Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Hierbei stützte sich die Beklagte auf die Stellungnahme der Humangenetikerin Prof. Dr. L. vom 18.01.2013. Hiernach spreche das Fehlen jeglicher Fehlbildungen an den oberen Extremitäten gegen eine Thalidomidembroyopathie. In diesem Fall seien an den Beinen primär beide Schienbeine betroffen. Sei die Fehlbildung ausgeprägter, seien als nächstes auch die Oberschenkel erfasst. Beide Wadenbeine seien erst spät in den Fehlbildungsprozess einbezogen. Der Fuß bleibe in seinen Grundstrukturen erhalten. Ein solches thalidomidtypisches Fehlbildungsmuster liege bei der Klägerin an den unteren Extremitäten nicht vor. Bei ihr seien nur der rechte Oberschenkel und das rechte Wadenbein betroffen, das Schienbein hingegen nicht. Auch die strenge Einseitigkeit der Fehlbildung spreche gegen eine Thalidomidembroyopathie. Die vorgelegte Erklärung eines österreichischen Mediziners, dass es sich bei der nur rechtsseitigen Fehlbildung der unteren Extremität um eine thalidomidbedingte Schädigung handele, sei unzutreffend. Die weiteren orthopädischen Probleme wie Skoliose und degenerative Veränderung der Wirbelsäule seien als Folgen der seit Geburt bestehenden Imbalenz im Skelettsystem zu sehen. Auch sei die angeführte Fehlbildung am linken Auge mit sich daraus entwickelnder Amblyopie (Schwachsichtigkeit) in der Allgemeinbevölkerung recht häufig und damit keine thalidomidspezifische Fehlbildung. Gleiches gelte für die vorgelegten HNO-Befunde.
12Diese Feststellungen würden durch die Darstellung der Klägerin zur Thalidomideinnahme gestützt. Contergan forte sei nie in Österreich vertrieben worden und sei erst im November 1957 in der Bundesrepublik in den Handel gekommen. Eine Abgabe von Ärztemustern des Produkts „Contergan forte“ nach Österreich bereits im April 1956 habe nicht stattgefunden. In Österreich sei Thalidomid ausschließlich unter dem Namen „Softenon“ vertrieben worden.
13Die Klägerin hat am 28.03.2013 Klage erhoben. Sie führt zum Vertrieb des Arzneimittels „Contergan forte“ zum fraglichen Zeitpunkt in Österreich aus und verweist erneut auf den Artikel aus der Wiener Medizinischen Wochenschrift vom 18.10.1958. Mit der Klagebegründung legt sie eine Kopie der bereits im Verwaltungsverfahren eingereichten Abbildung einer Packung „Contergan forte“ vor. Auf Einwand der Gegenseite führt die Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 25.06.2013 aus, bei dem zunächst übersandten Bild der Arzneimittelpackung habe es sich nur um ein Symbolbild aus dem Internet gehandelt. Tatsächlich sei sie aber im Besitz des Original-Röhrchens. Diesbezüglich überreicht die Klägerin ein notarielles Protokoll aus Klagefurt mit Datum vom 11.06.2013, demzufolge sie im Besitz einer Phiole „Contergan forte“ nebst verbliebener vier Tabletten sei. Ihre Mutter habe ihr mitgeteilt, dass dieses dasjenige Ärztemuster sei, das ihr der Hausarzt Dr. T1. in Klagenfurt im April 1956 ausgehändigt habe. Dem Schriftsatz sind zwei kopierte Fotos des Tablettenröhrchens mit entsprechender Beschriftung und vier Tabletten beigefügt.
14Die Behauptung, dass Contergan erst kurz nach der Registrierung in Österreich im Jahre 1958 überlassen worden seien, sei unrichtig. Der Schluss sei naheliegend, dass Thalidomid schon in den 1940er Jahren, jedenfalls schon Mitte der 1950er Jahre zumindest zu Testzwecken verfügbar gewesen sei.
15Die Klägerin legt eine Stellungnahme des Zentrums für Medizinische Genetik Innsbruck vom 19.03.2014 vor, in der zusammenfassend ausgeführt ist:
16„... Die Conterganeinnahme Ihrer Mutter in der Frühschwangerschaft scheint gesichert und die einzelnen Fehlbildungen (Unterentwicklung von Oberschenkelknochen und Wadenbein) kommen in Zusammenhang mit Thalidomid-Embryopathie vor, obwohl das bei Ihnen vorliegende Fehlbildungsmuster (nur ein Bein betroffen und Arme nicht beteiligt) dafür nicht typisch ist. Das bei Ihnen vorliegende klinische Bild hat Ähnlichkeiten mit einem Fehlbildungsmuster (FFU-Komplex), bei dem – wie bei der thalidomid-Schädigung – ursächlich eine Störung der Gefäßentwicklung/der embryonalen Blutversorgung vermutet wird. Deshalb erscheint das Vorliegen einer Thalidomid-Embroyopathie möglich und – unter Berücksichtigung der speziellen Anamnese – wahrscheinlicher als ein davon unabhängiges Fehlbildungsgeschehen. ...“
17Die Klägerin beantragt,
18die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2013 zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zu gewähren.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie teilt mit, dass eine Auskunft der Fa. Grünenthal ergeben habe, dass Herr Dr. T3. , der den vorgelegten Artikel in der Wiener Medizinischen Wochenschrift verfasst habe, in Österreich bereits 1956 Prüfmuster des Präparats erhalten habe. Dies habe eine Auskunft der Firma Grünenthal ergeben. Wenn die Klägerin ihren eigenen Angaben zufolge zu früh geboren sei und die reguläre Niederkunft für Ende Januar 1957 ausgerechnet gewesen sei, habe der Empfängniszeitpunkt um den 10.05.1956 und der Tag der letzten Regel der Mutter um den 25.04.1956 gelegen. Die thalidomid-kritischen Tage der Schwangerschaft seien dann die Tage des 29.05.1956 bis 14.06.1956 gewesen, womit bei der Klägerin theoretische die Möglichkeit einer entsprechenden Schädigung durch Prüfmuster bestehe. Unbeschadet dessen liege bei der Klägerin aber ein Schädigungsbild, das nach übereinstimmender Beurteilung der beteiligten Gutachter nicht auf die Einnahme von Thalidomid zurückzuführen sei.
22Die Stellungnahme vom 19.03.2014 sei nicht geeignet, einen Thalidomidschaden zu belegen. Die Thalidomideinnahme der Mutter sei keineswegs gesichert. Zudem lasse die Stellungnahme jede Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass das Fehlbildungsmuster der Klägerin bei der Thalidomidembryopathie gerade nicht vorkomme. Bei der Klägerin seien – völlig thalydomiduntypisch – nur der rechte Femur (Oberschenkelknochen) und die rechte Fibula (Wadenbein) betroffen. Auch folge das Schädigungsbild am rechten Bein der Klägerin nicht dem für eine Thalidomidembryopathie charakteristischen Muster. An der Stellungnahme sei allenfalls richtig, dass die bei der Klägerin beobachteten Fehlbildungen auch bei Thalidomidschädigungen aufträten. Falsch sei allerdings der Schluss auf eine Thalidomidembryopathie, da diese Fehlbildungen ohne das gleichzeitige Vorliegen einer Schädigung der Tibia (Schienbein) nicht vorkämen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Bände) Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe
25Die Klage ist nicht begründet.
26Der Bescheid der Beklagten vom 27.12.2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 25.02.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.06.2009 (BGBl. I S. 1537), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1847) – ContStifG –.
27Die Gewährung von Leistungen nach § 13 ContStifG – Kapitalentschädigung, Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und Conterganrente – setzt gemäß § 12 Abs. 1 ContStifG Fehlbildungen voraus, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werdenkönnen. Mit der durch den Gesetzgeber gewählten Formulierung ist der Kreis der Anspruchsberechtigten bewusst weit gefasst, um zugunsten etwaiger Betroffener dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine über jeden Zweifel erhabene Kausalitätsfeststellung unmöglich ist.
28Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 02.12.2011 - 16 E 723/11 -, vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 - und vom 14.01.2015 - 16 E 435/13 -.
29Mit dieser Beweiserleichterung ist darauf Rücksicht genommen, dass sowohl die Aufklärung der Thalidomideinnahme durch die Mutter als solche nach mehr als 50 Jahren, als auch die eindeutige Feststellung eines naturwissenschftlichen Zusammenhangs zwischen der Einnahme und einer Fehlbildung an Grenzen stoßen. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass nur theoretische Kausalzusammenhänge in dem Sinne ausreichen, dass Thalidomid als Ursache für die Fehlbildungen nicht auszuschließen ist. Hiermit ließe sich angesichts der Vielfalt anderer möglicher Ursachen der Kreis der anspruchsberechtigten Personen nicht verlässlich eingrenzen. Denn einer Thalidomidembryopathie vom Erscheinungsbild her ähnliche Fehlbildungen treten auch in der Allgemeinbevölkerung auf. Es muss daher mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit gerade die Einwirkung von Thalidomid während der embryonalen Entwicklung sein, die in einen ursächlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Fehlbildungen gebracht werden kann. Bloße Behauptungen oder Vermutungen reichen hierfür nicht aus.
30Es bestehen bereits nicht ausgeräumte Zweifel an der Darstellung der Klägerin, ihre Mutter habe während der Schwangerschaft ab April 1956 mehrere Tabletten „Contergan forte“ eingenommen, die ihr von ihrem Hausarzt gegen Schwangerschaftserbrechen ausgehändigt worden seien. Diese Zweifel resultieren in erster Linie aus den zumindest missverständlichen Angaben der Klägerin zu den überreichten Abbildungen des angeblich in ihrem Besitz befindlichen Tablettenröhrchens. Unter dem 03.07.2009 gab die Klägerin an, der Vater habe das Röhrchen in eine Schmuckkassette der Großmutter gelegt, wo es erst fünf Jahre zuvor, also etwa 2004, aufgefunden worden sei. Die beigefügte Abbildung der Packung und einer schemenhaft erkennbaren Tablette sei „vom ORF in Wien“ angefertigt worden. Ob es sich dabei um die im Besitz der Klägerin befindliche oder eine andere Packung gehandelt haben sollte, blieb offen. In der Widerspruchsbegründung vom 20.01.2012 ist demgegenüber von „dem Foto des noch vorhandenen Tablettenröhrchens“ die Rede. Noch mit der Klagebegründung wurde der Eindruck erweckt, es handele sich um eine Abbildung der im Besitz der Klägerin befindlichen Packung. Erst auf den Einwand der Beklagten, die Abbildung sei ein im Internet jederzeit verfügbares Foto einer Packung „Contergan forte“, sah sich die Klägerin veranlasst klarzustellen, dass es sich nur um ein Symbolbild gehandelt habe. Dies ist mit den Angaben vom 03.07.2009 nur schwer, mit denen vom 20.01.2012 gar nicht in Einklang zu bringen. Vor dem Hintergrund des hierdurch erschütterten Vertrauens in die Glaubhaftigkeit des Vorbringens ist es auch keinesfalls gesichert, dass die nunmehr übersandten Fotos eines anderen Tablettenröhrchens – das keine Kennzeichnung als Ärztemuster erkennen lässt – wirklich das besagte Röhrchen abbilden.
31Hinzu tritt der Umstand, dass der April 1956 nach der durch die Beklagten eingeholten Auskunft der Fa. Grünenthal den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Thalidomideinnahme in Österreich markiert und in Bezug auf die Klägerin und die ins Feld geführten Fehlbildungen nur durch die Annahme einer nicht belegten Frühgeburt schlüssig erklärbar ist.
32Den hiermit verbundenen Fragen muss jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Denn nach den Feststellungen aller beteiligter Sachverständiger sind die Fehlbildungen der Klägerin nicht auf die Einnahme von Thalidomid durch die Mutter während der Schwangerschaft zurückzugführen. Sie sind von ihrem Erscheinungsbild her nicht so beschaffen, dass sie mit der erforderlichen Gewissheit mit einer Thalidomideinnahme in Verbindung gebracht werden können. Sie sind in keiner Weise für thalidomidbedingte Missbildungen charakteristisch und wurden auch nicht in Einzelfällen in ihrer konkreten Form als thalidomidbedingt festgestellt.
33Vgl. zur Bedeutung des Erscheinungsbildes für die Annahme eines Kausalzusammenhangs: Begründung des Gesetzentwurfs über die Errichtung einer nationalen Stiftung „Hilfswerk für das behinderte Kind“, BT-Drs. VI/926, S. 8, ferner OVG NRW, Beschluss vom 14.01.2015 - 16 E 435/13 -.
34Die Fachärztin für Humangenetik Prof. Dr. M. L. führt in ihrem Gutachten vom 18.01.2013 unzweideutig aus, dass bei der Klägerin das Vorliegen einer Thalidomidembryopathie absolut unwahrscheinlich sei. Sie begründet dies detailliert und in nachvollziehbarer Weise damit, dass die durch Thalidomid ausgelösten Fehlbildungen der Extremitäten einem charakteristischen Muster folgen. Thalidomidgeschädigte weisen hiernach primär Fehlbildungen beider Hände/Arme auf; Fehlbildungen der unteren Extremitäten können zusätzlich vorhanden sein.
35Die Klägerin zeigt keinerlei Fehlbildungen an den oberen Extremitäten. Die alleinige Schädigung der unteren Extremitäten ist nach den Feststellungen von Prof. Dr. L. extrem ungewöhnlich. Auch entsprechen die Fehlbildungen für sich genommen nicht dem Bild einer Thalidomidembryopathie. Nach den Ausführungen von Frau Prof. Dr. L. sind hierbei primär beide Tibae betroffen. Im Fall einer ausgeprägteren Fehlbildung sind als nächstes beide Femora fehlgebildet. Die Fibulae sind erst spät in den Fehlbildungsprozess einbezogen; der Fuß bleibt in seinen Grundstrukturen erhalten.
36Dieser regelhafte Fehlbildungsverlauf wird mit der Einwirkung des Thalidomid auf den embryonalen Blutstrom in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen erklärt, was zudem regelmäßig eine beidseitige Schädigung zur Folge hat. Diese Angaben werden durch Darstellungen in der einschlägigen medizinischen Fachliteratur bestätigt.
37Vgl. Urteile der Kammer vom 20.01.2015 - 7 K 7276/12 - und - 7 K 1942/13 -.
38Ein solches Fehlbildungsmuster findet sich bei der Klägerin nicht. Bei ihr sind nur rechte Femur und Fibula betroffen. Zudem bleibt die Schädigung streng einseitig. Angesichts dessen ist es nachvollziehbar, wenn Frau Prof. Dr. L. das Schadensbild einer auch in der Allgemeinbevölkerung vorkommenden Schädigung zuordnet.
39Die Schlussfolgerungen von Frau Prof. Dr. L. werden durch die Feststellungen der bereits zuvor mit den fraglichen Fehlbildungen auf ihren jeweiligen Fachgebieten befassten Ärzten untermauert. So verneint Prof. Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 22.10.2010 einen Zusammenhang des augenärztlichen Befundes mit einer Conterganeinnahme durch die Mutter. Zu der gleichen Bewertung kommt Frau Dr. X. in ihrer Stellungsnahme vom 10.09.2011 auf dem Gebiet HNO. Herr Dr. T2. -I1. teilt diese Bewertung in seiner Stellungnahme vom 02.07.2011 aus allgemeinmedizinischer Sicht ebenso wie Dr. Dr. H. in seiner Äußerung vom 05.02.2010 aus orthopädischer. Letzterer hatte seinen Angaben zufolge der Klägerin bereits persönlich mitgeteilt, dass kein Conterganschaden vorliege. Er sieht keinerlei Hinweise auf einen solchen Schaden.
40Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass zu weiterer Aufklärung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Abweichendes ergibt sich namentlich nicht aus der Stellungnahme des Zentrums für Medizinische Genetik Innsbruck vom 19.03.2014. Diese geht von dem gleichen Fehlbildungsmuster einer Thalidomidembryopathie aus wie Frau Prof. Dr. L. und behält wie diese eine in der Allgemeinbevölkerung auftretende Schädigung, bezeichnet als Femur-Fibula-Ulna (FFU) – Komplex, durchaus im Blick. Auch kommt sie zu dem Schluss, dass das Fehlbildungsmuster der Klägerin für eine Thalidomidembryopathie nicht typisch sei. Die angesichts dessen überraschende Bewertung, dass eine solche möglich und sogar wahrscheinlicher sei als ein davon unabhängiges Fehlbildungsgeschehen, ist nur durch die Annahme zu erklären, die Thalidomideinnahme durch die Mutter scheine gesichert, was wiederum den Hinweis in der Stellungnahme auf die „spezielle Anamnese“ erklärt. An einer sicheren Feststellung der Thalidomideinnahme fehlt es aber gerade. Es verbleibt damit die bloße Feststellung eines untypischen Schadensbildes. Diese hat auch Frau Prof. Dr. L. getroffen.
41Auch lässt sich aus der Unterstützungszahlung von 50.000 Euro an die Klägerin in Österreich nichts anderes herleiten. Die Einbeziehung der Klägerin in den Kreis der in Österreich unterstützungsberechtigten „Contergan- und Thalidomidgeschädigten“ bindet die Beklagte schon rechtlich nicht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Zahlung eine intensivere Sachverhaltsermittlung vorausging. Ausweislich des vorliegenden Schreibens des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit vom 02.01.2013, dem die Klägerin sachlich nicht entgegengetreten ist, beruhten die Leistungen auf der nicht zugänglichen Expertise der österreichischen Contergan-Experten-Kommission. Es handele sich nicht um ein Verfahren in rechtlichem Sinn. Die Zahlungen werden dort als humanitäre Geste betrachtet.
42Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 VwGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2015 - 7 K 2187/13
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Den in § 12 genannten leistungsberechtigten Personen stehen als Leistungen zu:
- 1.
eine einmalige Kapitalentschädigung, - 2.
eine lebenslängliche Conterganrente vorbehaltlich des Absatzes 2 Satz 3, - 3.
jährliche Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und - 4.
eine jährliche Sonderzahlung, die erstmals für das Jahr 2009 und letztmalig für das Jahr 2022 gewährt wird.
(2) Die Höhe der in Absatz 1 genannten Leistungen richtet sich nach der Schwere des Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen und liegt
- 1.
bei der einmaligen Kapitalentschädigung zwischen 1 278 Euro und 12 782 Euro, - 2.
bei der monatlichen Conterganrente zwischen 662 Euro und 7 480 Euro, - 3.
bei den jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zwischen 876 Euro und 9 900 Euro. Zusätzlich erhält jede leistungsberechtigte Person einen jährlichen Sockelbetrag von 4 800 Euro.
(3) Auf Antrag ist die Conterganrente zu kapitalisieren, soweit der Betrag zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes zu eigenen Wohnzwecken verwendet wird. Die §§ 72, 73, 74 Abs. 3 Satz 1, §§ 75, 76 und 77 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes finden entsprechende Anwendung. § 75 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Veräußerung und Belastung des mit der Kapitalabfindung erworbenen oder wirtschaftlich gestärkten Grundstücks, Erbbaurechts, Wohnungseigentums oder Wohnungserbbaurechts innerhalb der Frist, für die die Conterganrente kapitalisiert wurde, nur mit Genehmigung der Stiftung zulässig sind. Die Kosten der Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes in das Grundbuch trägt die leistungsberechtigte Person. Darüber hinaus ist die Conterganrente auf Antrag zu kapitalisieren, wenn dies im berechtigten wirtschaftlichen Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Im Übrigen kann die Conterganrente auf Antrag teilweise kapitalisiert werden, wenn dies im Interesse der leistungsberechtigten Person liegt. Die Kapitalisierung ist auf die für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren zustehende Conterganrente beschränkt. Der Anspruch auf Conterganrente, an deren Stelle die Kapitalabfindung tritt, erlischt für die Dauer des Zeitraumes, für den die Kapitalabfindung gewährt wird, mit Ablauf des Monats, der auf den Monat der Auszahlung der Abfindung folgt.
(4) Die Zahlungen der Conterganrente beginnen frühestens mit dem Antragsmonat. Wird der Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes gestellt, so wird die Conterganrente vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an gewährt. Die jährlichen Sonderzahlungen beginnen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 1 mit dem Jahr, in dem der Antrag auf Conterganrente gestellt worden ist. Für die Auszahlung der Mittel für die jährlichen Sonderzahlungen nach Absatz 1 Satz 3 werden Anträge auf Leistungen nach diesem Gesetz oder Anträge auf Erhöhung der Leistungen nach diesem Gesetz berücksichtigt, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 gestellt worden sind. Die Zahlung der jährlichen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 beginnt ab dem 1. Januar 2017.
(5) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 genannten Leistungen können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. Vererblich sind lediglich Ansprüche auf Kapitalentschädigung, auf Conterganrente und auf die jährliche Sonderzahlung, die im Zeitpunkt des Todes der leistungsberechtigten Person bereits fällig geworden sind, und zwar nur dann, wenn die Person von ihrem Ehegatten, ihrer Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner, ihren Kindern oder ihren Eltern beerbt wird.
(6) Das Nähere regeln die Satzung und die Richtlinien. Die Satzung trifft insbesondere Bestimmungen über die Voraussetzungen und den Umfang der Kapitalisierung der Conterganrente nach Absatz 3 Satz 5 und 6 sowie über die Art der Berechnung des Kapitalbetrages. In den Richtlinien ist insbesondere zu regeln, nach welchen Maßstäben auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Mittel Leistungen nach diesem Abschnitt zu bemessen sind und wie das Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe auszugestalten ist; diese Richtlinien erlässt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
(7) An Erhöhungen der Conterganrente nehmen auch leistungsberechtigte Personen teil, deren Conterganrente nach Absatz 3 kapitalisiert worden ist.
(8) Für die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes entsprechend. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist entsprechend anwendbar.
(1) Leistungen wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, werden an die Leistungsberechtigten gewährt, die bei Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes lebten, und nach Maßgabe des § 13 Abs. 5 Satz 2 an deren Erbinnen und Erben.
(2) Wurden Leistungen nach § 13 des Errichtungsgesetzes nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist geltend gemacht, können die Conterganrente und eine Kapitalentschädigung für die Zeit ab 1. Juli 2009 beantragt werden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. März 2013 geändert. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Q. U. aus X. beigeordnet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
Gründe
2Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger, der nach den von ihm dargelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, kann für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe einschließlich der Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1, Satz 1, den §§ 115 und 117, § 119 Abs. 1 und § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO). Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg böte. Denn es kommt nach summarischer Prüfung in Betracht, dass seine Klage mit dem Antrag,
3die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Februar 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 zu verpflichten, ihn, den Kläger, als Contergangeschädigten anzuerkennen,
4entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts doch Aussicht auf Erfolg hat.
5Das Begehren des Klägers dürfte nicht an Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anerkennungsbegehrens scheitern. Die vormalige Bestimmung des § 13 des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2018; im folgenden: Errichtungsgesetz) in der zuletzt geltenden Fassung ist für das Begehren des Klägers nicht mehr maßgeblich. Nach dieser Bestimmung konnten Leistungen wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Firma D. H. GmbH in T. durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, (nur) gewährt werden, wenn die Leistungen bis zum 31. Dezember 1983 bei der Stiftung geltend gemacht worden sind, was in Bezug auf den Kläger offensichtlich nicht der Fall gewesen ist. Demgegenüber sieht § 12 Abs. 2 des Conterganstiftungsgesetzes (ContStifG) in der nunmehr geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des ContStifG vom 25. Juni 2009 vor, dass die Conterganrente und eine Kapitalentschädigung für die Zeit ab 1. Juli 2009 beantragt werden können, wenn Leistungen nach § 13 des Errichtungsgesetzes nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist geltend gemacht wurden. Das trifft, wie schon erwähnt, auf den Kläger zu, dessen Eltern zwar frühzeitig Ansprüche wegen einer möglichen Conterganschädigung erhoben haben, aber nicht (mehr) tätig geworden sind, nachdem die o. g. Stiftung gegründet worden ist. Diesen Fall regelt § 12 Abs. 2 ContStifG. Das Normverständnis des Verwaltungsgerichts, wonach § 12 Abs. 2 ContStifG nur dann die Möglichkeit der Leistungsbeantragung mit Wirkung für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 ermöglicht, wenn Leistungen nach § 13 des Errichtungsgesetzes nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist geltend gemachtwerden konnten, findet im Wortlaut dieser Bestimmung keinen Niederschlag und ergibt sich auch nicht bei der zusätzlichen Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zum Zweiten Gesetz zur Änderung des ContStifG. Soweit es etwa im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 24. März 2009 (BT‑Drucks. 16/12413) heißt, die "bisher von der Ausschlussfrist betroffenen" contergangeschädigten Menschen sollten die Möglichkeit erhalten, künftig Leistungen geltend zu machen, zwingt das nicht zu der vom Verwaltungsgericht für zutreffend gehaltenen Wertung, nur solche Personen seien von der Ausschlussfrist betroffen, die bisher keinen Antrag stellen konnten. Vielmehr sind alle diejenigen von der bisherigen Ausschlussfrist betroffen, die einen Leistungsantrag ‑ warum auch immer ‑ nicht gestellt haben. Abgesehen davon gab es auch im Fall des Klägers Gründe für die Nichtantragstellung vor dem Stichtag des 31. Dezember 1983, die zwar nicht zwingend eine rechtzeitige Antragstellung ausgeschlossen haben, dies aber doch als nachvollziehbar erscheinen lassen. Dazu gehört insbesondere, dass den Eltern des Klägers schon im zeitlichen Vorfeld der Schaffung der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" bedeutet worden war, eine Anerkennung der Behinderungen des Klägers als Conterganschädigung komme aus medizinischen Gründen nicht in Betracht, sie also, möglicherweise sachlich zu Unrecht, mit der Aussichtslosigkeit einer Antragstellung bei der Stiftung konfrontiert worden sind und deshalb resigniert haben.
6Dem Anerkennungsbegehren des Klägers steht auch nicht entgegen, dass er bzw. sein Vater im Jahr 1989 die Wiederaufnahme eines vor Jahren abgelehnten Anerkennungsverfahrens beantragt hat und die Stiftung seinerzeit ‑ durch erneute Befragung des schon zuvor in Erscheinung getretenen Gutachters Prof. Dr. Dr. X1. M. ‑ aus Sachgründen mit Bescheiden vom 20. August 1990 sowie vom 7. Mai 1992 bzw. mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 1992 die Anerkennung des Klägers abgelehnt hat. Denn in dem sich anschließenden (zivil‑)gerichtlichen Verfahren ist die sachliche Frage, worauf die multiplen Körperschäden des Klägers zurückzuführen sind, nicht abschließend gewürdigt worden. Vielmehr beruhen die Urteile des Landgerichts Bonn vom 13. Juli 1993 sowie des OLG Köln vom 25. Oktober 1994 auf der Einschätzung, dass der als "unstreitig erstmalige" bezeichnete Leistungsantrag "des Jahres 1990" mit Blick auf die Ausschlussfrist des § 13 des Errichtungsgesetzes und auf die Unmöglichkeit einer Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist keiner sachlichen Entscheidung zugänglich gewesen sei. Damit fehlt es an einer abschließenden ‑ die gerichtliche Überprüfung umfassenden ‑ sachlichen Würdigung der bis damals vorliegenden medizinischen Befunde, und dies im Ergebnis mit der Begründung, dass die Ausschlussfrist des § 13 des Errichtungsgesetzes diese Überprüfung ausschließe. Das ist gerade der Sachverhalt, der nunmehr durch § 12 Abs. 2 ContStifG in dem Sinne geregelt wird, dass für die Zukunft unabhängig von der Versäumung einer Antragstellung vor dem 1. Januar 1984 Ansprüche auf Hilfen für Contergangeschädigte geprüft und gegebenenfalls zuerkannt werden.
7Schließlich ist auch die Frage der sachlichen Berechtigung des Anerkennungsbegehrens des Klägers als Contergangeschädigter nicht mit einer Eindeutigkeit zu verneinen, die schon eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließt. Sowohl in § 2 ContStifG (Stiftungszweck) als auch in § 12 Abs. 1 ContStifG (Leistungsberechtigte Personen) ist der Kreis der anspruchsberechtigten Personen weit gefasst (behinderte Menschen, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der H. GmbH, B. , durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können), um zugunsten etwaiger Betroffener der Unmöglichkeit einer über jeden Zweifel erhabenen Kausalitätsfeststellung Rechnung zu tragen.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Dezember 2011 ‑ 16 E 723/11 ‑, juris, Rn. 2, und vom 25. März 2013 ‑ 16 E 1139/12 ‑, juris, Rn. 2.
9Eine Conterganeinnahme durch die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft hat nach ihren glaubhaften, auch eidesstattlich versicherten Einlassungen stattgefunden. So hat bereits kurz nach der Geburt des Klägers am 18. April 1962, nämlich am 28. April 1962, ein namentlich nicht bekannter Arzt des Krankenhauses, in dem die Geburt stattgefunden hatte, dem Hausarzt der Familie des Klägers mitgeteilt, wie die Geburt vonstattengegangen ist und welche Missbildungen beim Kläger vorliegen. Er hat insoweit ausgeführt: "Interessanterweise hat Pat. in den ersten Schwangerschaftsmonaten Contergan forte eingenommen; ein ursächlicher Faktor, der ja heute viel diskutiert wird." Da erst im November 1961 erstmals in der Presse über den Conterganverdacht berichtet worden war und nachfolgend die strafrechtlichen Ermittlungen aufgenommen wurden,
10vgl. im Einzelnen Kirk, Der Contergan‑Fall: eine unvermeidbare Arzneimittelkatastrophe? Zur Geschichte des Arzneistoffs Thalidomid (1999), S. 85 ff.,
11handelte es sich seinerzeit noch um eine neue und ungesicherte Verdachtslage. Daher liegt es fern, dass die frühzeitige und offensichtlich spontane Angabe der Mutter des Klägers über den Tablettenkonsum im Sinne einer Förderung oder Sicherung etwaiger Regressansprüche zielgerichtet gewesen sein könnte. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. M. an das Treuhändergremium vom 23. September 1971 geht überdies hervor, dass auf der Grundlage der ‑ nach seiner Einschätzung allerdings unbelegten ‑ Angaben der Mutter des Klägers die Einnahme von Contergan bei normaler Dauer der Schwangerschaft zum Teil in die "sensible Phase" gefallen sei.
12Nach den Gutachten, die seit 1967 über die mögliche Ursache der Missbildungen beim Kläger erstellt worden sind, kann mit hinlänglicher Sicherheit nur ausgeschlossen werden, dass die Veränderungen an den Gliedmaßen des Klägers, insbesondere des linken Unterschenkels, mit der Einnahme von Thalidomid in Verbindung gebracht werden können. Dagegen spricht vor allem das Vorhandensein von Abschnürungsfurchen, die für amniotische (von sich ablösenden Bändern der Fruchtblase, die sich um den Fötus legen können, herrührende) Schädigungen, nicht aber für thalidomidbedingte Missbildungen charakteristisch sind. Allerdings gehört zu den Missbildungen des Klägers auch eine doppelseitige Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte (sog. Wolfsrachen), die zumindest vereinzelt auch im Zusammenhang mit der Einnahme von Thalidomid während der Schwangerschaft der Mutter festgestellt worden ist; das folgt etwa aus dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. M. vom 4. Dezember 1967, wobei dieser aber zugleich betont, das könne "keinesfalls als typisch angesehen werden". Soweit Prof. Dr. Dr. M. , der gemeinhin als der "Entdecker" des Zusammenhangs zwischen den um das Jahr 1960 gehäuft aufgetretenen spezifischen Missbildungsfällen und der Einnahme von Thalidomid durch die Mütter der geschädigten Kinder während der Schwangerschaft gilt und wesentlichen Anteil an der wissenschaftlichen Erforschung der Contergan‑Problematik hatte, in dem genannten Gutachten darauf hinweist, dass Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalten häufig zusammen mit den übrigen ‑ nicht thalidomidbedingten ‑ Schädigungen, wie sie beim Kläger vorliegen, auftreten und sich daher "für die Gesamtheit der [beim Kläger festgestellten] Mißbildungen … eindeutig feststellen [lasse], daß sie in keiner Weise typisch für Mißbildungen nach Thalidomideinnahme sind", liegt dem offenkundig eine monokausale Betrachtung zugrunde, die sich an typischen Erscheinungsformen multipler Missbildungen orientiert, aber nicht erkennbar der Frage nachgeht, ob sich im Einzelfall ausnahmsweise mehrere ursächliche Faktoren ‑ amniogene und thalidomid-bedingte Schädigungen ‑ nebeneinander ausgewirkt haben könnten bzw. was dagegen sprechen könnte, dass es sich beim Kläger ausnahmsweise so verhalten hat. In seiner weiteren Stellungnahme vom 28. Mai 1990 verweist Prof. Dr. Dr. M. auf seine früheren Gutachten und benennt Literaturstellen, die sich mit amniogenen Fehlbildungen vor allem der Lippen und des Gaumens befassen; auf seine vormalige Einschätzung, dass Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalten auch als Thalidomid-Schädigungsfolge aufgetreten seien, geht der Gutachter indessen ebenso wenig ein wie auf die Möglichkeit einer "doppelten Kausalkette".
13Das Gutachten von Prof. Dr. X2. , Direktor des Instituts für Humangenetik der Universität C. , vom 20. April 1971 beschreibt die einzelnen Fehlbildungen beim Kläger, wobei er auch noch die Möglichkeit eines linksseitigen Enophthalmus (Einsinken des Augapfels in die Augenhöhle) erwähnt, und kommt abschließend zu der Einschätzung, dass es eine derartige Fehlbildungskombination im Rahmen einer Thalidomid-Embryopathie nicht gebe. Er erörtert demgegenüber nicht die Frage, ob die Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte ‑ gegebenenfalls auch der Enophthalmus ‑ isoliert betrachtet auf Thalidomid zurückzuführen sein könnte und nimmt folglich auch die Möglichkeit einer Doppelkausalität nicht in den Blick.
14Auch das im laufenden Anerkennungsverfahren erstattete Gutachten von Frau Prof. Dr. L. , Universität N. , vom 1. August 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass an der schon in der Vergangenheit gestellten Diagnose einer ‑ von ihr so bezeichneten ‑ "Amnionbänder Sequenz" auch aus heutiger Sicht nicht zu zweifeln sei. Die amniotischen Abschnürungen (Schnürfurchen) an den Fingern, Unterschenkeln und Füßen seien auf vorliegenden Fotos gut zu erkennen; auch die Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte gehöre zu diesem Fehlbildungskomplex. In der humangenetischen Literatur seien unzählige Patienten dokumentiert, die dem Phänotyp des Klägers ähnelten. Hingegen handele es sich nicht um ein teratogenes (u.a. durch Chemikalien hervorgerufene Einwirkungen auf den Embryo) Krankheitsbild, schon gar nicht um einen thalidomidbedingten Fehlbildungskomplex. Im Zusammenhang mit Thalidomidschädigungen seien die beim Kläger vorzufindenden Hand‑ und Fußfehlbildungen mit Syndaktylien (Verwachsungen bzw. Nichttrennung von Finger‑ oder Zehengliedern) und Schnürfurchen nie aufgetreten. Vielmehr seien für eine Conterganschädigung je nach dem Zeitpunkt der Einnahme spezifische und relativ symmetrisch angelegte Missbildungen an Händen, Füßen und Unterschenkeln charakteristisch, wie sie beim Kläger gerade nicht vorlägen. Aus diesen gutachterlichen Äußerungen geht mithin hervor, dass ‑ wie schon oben festgehalten ‑ die Schädigungen an den äußeren Extremitäten des Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit der Conterganeinnahme durch seine Mutter während der Schwangerschaft zusammenhängen. Indessen beschränken sich die Angaben der Gutachterin zu der seit der Geburt des Klägers vorliegenden Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte darauf, dass auch diese zu dem Fehlbildungskomplex "Amnionbänder Sequenz" gehöre. Eine klare Abgrenzung zu einer möglichen teratogenen Schädigung wird ‑ anders als in Bezug auf die Missbildungen an den Gliedmaßen ‑ mit Blick auf die Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte hingegen nicht gezogen. Nach Auffassung des Senats bleibt damit im Anschluss an die Auffassung von Prof. Dr. Dr. M. , dass eine Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte ‑ wenngleich wohl eher selten ‑ auch in Conterganfällen angetroffen worden sei, die Frage einer "doppelten Kausalität" offen. Allein der von Frau Prof. Dr. L. erneut hervorgehobene Umstand, dass Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalten häufig ‑ und ohne Anhaltspunkte für teratogene Ursachen ‑ im Zusammenhang mit amniogenen Schädigungsbildern auftrete, widerlegt nicht die aufgrund der sicheren Conterganeinnahme durch die Mutter des Klägers mehr als nur rein theoretische Möglichkeit, dass im Fall des Klägers eine Kombination aus einer teratogenen und einer amniogenen Schädigung gegeben ist. Eine solche Möglichkeit könnte nur dann ausgeschlossen werden, wenn entweder auch in Hinblick auf die Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte des Klägers Spezifika vorlägen, die eindeutig auf eine amniotische Verursachung hinweisen, oder aber wenn verdeutlicht worden wäre, dass im Zusammenhang mit der Einnahme von Thalidomid nie ausschließlich eine Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte festgestellt worden wäre. Daran fehlt es aber auch mit Blick auf das Gutachten von Frau Prof. Dr. L. nach wie vor.
15Die Stellungnahme von Privatdozent Dr. H1. aus O. ‑ Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie/Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sportmedizin/Kinder-orthopädie ‑ vom 29. Dezember 2011 verhält sich ausschließlich zu den Missbildungen des Klägers an den Händen bzw. am linken Bein und kommt wie die vorherigen Gutachter und nachfolgend Frau Prof. Dr. L. zu der Einschätzung, dass diese Befunde nicht typisch für einen Conterganschaden seien und daher insgesamt der Antrag des Klägers abzulehnen sei. Eine spezielle Auseinandersetzung mit der Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte des Klägers bzw. mit den insoweit in Frage kommenden Ursachen findet sich in dieser Stellungnahme nicht. Frau Dr. X3. aus L1. kommt schließlich in ihrer Stellungnahme vom 29. Juli 2010 ‑ wie schon Prof. Dr. Dr. M. ‑ zu der Einschätzung, dass die beim Kläger bestehende beiderseitige Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte (jedenfalls für sich betrachtet) mit einem Conterganschaden vereinbar sei und mit 25 Punkten veranschlagt werden sollte.
16Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass die diversen Diagnosen von den Kläger behandelnden Ärzten, die fast durchweg (insgesamt) von einer thalidomidbe-dingten Schädigung des Klägers berichten, neben den oben wiedergegebenen Fachgutachten nicht ins Gewicht fallen. Es spricht weit Überwiegendes dafür, dass diese Mediziner keine genaue und abschließende Beurteilung der Schädigungsursache abgeben wollten und mussten und sich daher auf die anamnestischen Angaben des Klägers bzw. auf einen "ersten Eindruck" verlassen haben. Erwähnenswert erscheint dem Senat in diesem Zusammenhang aber die Diagnose von Dr. M1. und Dr. X4. von der Westfälischen Wilhelms‑Universität N1. ‑ Klinik und Poliklinik für Technische Orthopädie und Rehabilitation ‑ im Arztbrief vom 19. März 1990, in dem neben der Angabe "Angeborene Fehlbildung an den Extremitäten durch Amnionabschnürungen" weiter von "Verdacht auf Thalidomidschaden" und (beziehungslos dahinterstehend) "Lippen‑, Kiefer‑, Gaumenspalte" die Rede ist. Nachfolgend wird ausgeführt, neben den Fehlbildungen an den äußeren Extremitäten, die klinisch eher einer Amnion-Abschnürung entsprächen, seien in der Folge auch Fehlbildungen am Schädel wie eine Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte, eine Fehlstellung der Zähne, eine einseitige Schwerhörigkeit sowie eine Zwerchfellhernie aufgefallen; alle diese Schäden sprächen "eher wieder für einen Conterganschaden". Damit schließen diese Mediziner die Möglichkeit von Schädigungen unterschiedlicher Genese offensichtlich nicht aus. In eine ähnliche Richtung könnte auch die ärztliche Bescheinigung des Prof. Dr. S. , Städtische Krankenanstalten C1. ‑ Chirurgische Abteilung der Kinderklinik ‑, vom 13. Februar 1965 weisen, in der die Diagnose einer doppelseitigen Lippen‑, Kiefer‑ und Gaumenspalte (und auch die bis in die Stirn hinein klaffende Sagittalnaht) den "multiplen Amnionabschnürungen" zur Seite gestellt ‑ und gerade nicht in das Bild einer insgesamt amniogenen Schädigung einbezogen ‑ werden; entsprechend verhält es sich auch in der Stellungnahme der Stationsärztin Dr. G. , Städtische Krankenanstalten C1. , vom 3. Oktober 1962 ("Es handelte sich um eine doppelseitige Lippen‑Kiefer‑Gaumenspalte; gleichzeitig bestehen multiple Amnionabschnürungen").
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 188 Satz 2 VwGO sowie aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die am 00.00.1959 geborene Klägerin begehrt die Anerkennung als Contergangeschädigte und die Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz (ContStifG).
3Die Klägerin beantragte unter dem 05.11.2009 bei der Beklagten die Gewährung von Kapitalentschädigung und Conterganrente. Zur Begründung gab sie an, erst nach dem Wechsel ihrer Frauenärztin darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass ihre körperlichen Schäden conterganbedingt seien. Sie habe dies auch mit ihrer älteren Schwester besprochen, die bestätigt habe, dass ihre Behinderungen auf der Einnahme von Contergan durch die Mutter beruhten. Das Präparat sei der Mutter während der Schwangerschaft 1958 in flüssiger Form verschrieben worden. Auch ihr Vater habe Contergan eingenommen, um besser schlafen zu können. Sie selbst habe auch Contergan erhalten. Ihre Mutter habe sich der Schwester der Klägerin später anvertraut. Sie, die Klägerin, habe ihren Vater auf die Einnahme von Contergan angesprochen. Dieser habe zugegeben, dass der Mutter Contergan verabreicht worden sei. Die Behinderungen der Klägerin habe er immer darauf zurückgeführt, dass die Klägerin am sog. Möbius-Syndrom leide.
4Thalidomidbedingte Fehlbildungen lägen in den angeborenen Gesichtsnervenlähmungen, der Hüftgelenksdysplasie und der Schultergelenksdysplasie.
5Der Beklagte lagen zahlreiche medizinische Unterlagen zur Entscheidung über den Antrag der Klägerin vor. Hinsichtlich der orthopädischen Schäden lag ein Befundbericht von Prof. Dr. Q. vom 11.01.2010 vor, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 26 der medizinischen Akte verwiesen wird. Auf das Vorliegen eines Conterganschadens ging Prof. Dr. Q. nicht ein. PD Dr. H. kommt in seiner Stellungnahme vom 01.08.2010 (Bl. 40 med. Akte) zu dem Ergebnis, dass ein Conterganschaden auf Grundlage der orthopädischen Schäden nicht wahrscheinlich sei. Allerdings gäbe es eine Kombination mit nichtorthopädischen Befunden bei der Klägerin. Hier scheine ihm ein Conterganschaden durch das Zusammentreffen wahrscheinlich.Zum augenärztlichen Fachgebiet lagen drei Stellungnahmen von Prof. Dr. K. vom 22.06.2010, 05.10.2010 und 20.12.2010 vor. In seiner ersten Stellungnahme (Bl. 39 med. Akte) gab Prof. Dr. K. an, die äußere horizontale Augenmuskellähmung könne auf einen Conterganschaden zurückgeführt werden. In seiner Stellungnahme von 05.10.2010 (Bl. 50 med. Akte) präzisiert er, dass „das Retraktionssyndrom (DD: Möbius-Syndrom) sowie die Facialisparese links mit Lidschlussinsuffizienz (...) mit einem Conterganschaden in Einklang zu bringen“ seien. In seiner an die Beklagte gerichtete Stellungnahme vom 20.12.2010 (Bl. 51 med. Akte) hielt er fest, dass die augenärztlichen Diagnosen mit hoher Wahrscheinlichkeit als Conterganschaden einzustufen seien. Bei Anerkennung seien die Schäden mit 12 Punkten zu bewerten.Aus HNO-ärztlicher Sicht äußerte sich Dr. X. unter dem 12.05.2011 (46 med. Akte). Sie bestätigte das Vorliegen einer beidseitigen, wenn auch seitenunterschiedlichen Facialisparese. Diese wäre mit 12 Punkten zu bewerten. Ob die Ursache der Facialisparese wirklich in der Conterganeinnahme der Mutter liege, könne sie nicht entscheiden. Möglicherweise könne eine Vorstellung des Falles bei Prof. Dr. L. Klarheit schaffen, da die Kombination der Nervenläsionen möglicherweise auch syndromatisch bedingt sein könne.
6In ihrer Stellungnahme vom 04.11.2011 (Bl. 54 med. Akte) kam Prof. Dr. L. zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang der Symptomatik der Klägerin mit einer Thalidomideinnahme der Mutter extrem unwahrscheinlich sei. Aus ihrer Sicht handele es sich bei den Gesichtsnervenlähmungen um das Möbius-Syndrom. Zwar seien Paresen des N. abducens und des N. facialis auch bei Thalidomidembryopathie zu beobachten. Allerdings bestünden in diesen Fällen auch schwere Fehlbildungen der Ohren im Sinne einer Anotie bzw. Mikrotie. Derartige Fehlbildungen weise die Klägerin nicht auf.Der Hüftschaden der Klägerin sei ebenfalls nicht conterganbedingt, da es an thalidomidbedingten Extremitätenfehlbildungen fehle.Gleiches gelte für die Dysplasie beider Schultergelenke. Bei einer thalidomidbedingten Fehlbildung der Schultergelenke müssten zwingend auch deutliche Armfehlbildungen vorliegen.
7Im Wesentlichen unter Wiedergabe der Stellungnahme von Prof. Dr. L. lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 21.11.2011 ab.
8Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 01.12.2011 Widerspruch, den sie unter dem 03.02.2012 ausführlich begründete. Mit Schreiben vom 15.03.2012 legte sie eidesstattliche Versicherungen des Vaters und der Schwester vor, in denen diese bestätigten, dass die Mutter der Klägerin während der Schwangerschaft Contergan eingenommen habe.
9Die Beklagte legte den Fall Dr. T. -I. zur Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens vor, das dieser unter dem 24.10.2012 (Bl. 87 med. Akte) erstellte. Darin kommt Dr. T. -I. zu dem Ergebnis, dass ein Thalidomidschaden nicht vorliege. Er habe in der Literatur keine Fälle gefunden, in denen das Thalidomidsyndrom bei Schädigung der 6. und 7. Hirnnerven ohne gleichzeitige Beeinträchtigung des Ohres vorkomme. Auch habe er in Schädigungsmustern von über 1000 Einzelschäden bei anerkannten Thalidomidopfern nach Fällen gesucht, die in der Kombination der Einzelschäden dem Fall der Klägerin entsprächen. Auch hierbei sei kein vergleichbarer Fall gefunden worden. Alle Fälle mit Schädigungen der 6. und 7. Hirnnerven wiesen einen zusätzlichen Ohrschaden auf, die meisten außerdem zusätzlich Schäden an den Extremitäten und innere Schäden.
10Unter Hinweis auf dieses Fachgutachten wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 06.12.2012 zurück.
11Hiergegen hat die Klägerin am 21.12.2012 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen Folgendes vorträgt:
12Sie habe nachvollziehbar dargelegt, dass ihre Behinderungen mit der Conterganeinnahme der Mutter während der Schwangerschaft zusammenhängen könnten. Soweit die Beklagte auf das Vorliegen des Möbius-Syndroms verweise, übersehe sie, dass dieses auch mit Thalidomideinnahme in Verbindung gebracht werden könne. Außerdem passten die Merkmale des Möbius-Syndroms nicht auf die Klägerin, da diese sowohl lächeln könne als auch eine Mimik habe.
13Alle Schäden der Klägerin tauchten in der Punktetabelle der Beklagten auf. Die Schäden könnten auch in unterschiedlichen Zusammenstellungen auftreten.
14Auf Conterganfälle müsse die Beweiserleichterung des § 84 AMG angewandt werden. Diese müsse für die Klägerin insbesondere deshalb gelten, weil in den verschiedenen Gutachten, die dem Gericht vorliegen, mehrere Gutachter der Auffassung seien, dass die Diagnosen und Symptome der Klägerin auf der Einnahme des Conterganmedikaments durch die Mutter beruhen. Die Beklagte stelle überhöhte Beweisanforderungen, indem sie faktische den Ausschluss jeglichen Zweifels fordere.
15Die Stellungnahmen von Prof. Dr. L. und Dr. T. -I. zum Vorliegen des Möbius-Syndroms könnten nicht nachvollzogen werden. Es sei nicht nachgewiesen, dass neben der Schädigung der Hirnnerven auch Ohrschäden hinzukommen müssten. Die Nachforschungen von Dr. T. -I. seien unzureichend. Es müsse von ca. 12.000 Contergan-geschädigten Personen ausgegangen werden. Dr. T. -I. habe lediglich auf einen Bruchteil der Fälle zugreifen können.Die Beklagte habe lediglich die Gutachten berücksichtigt, die zu Lasten der Klägerin ausfielen. Es könne überdies keinen Zufall darstellen, dass die Mutter der Klägerin Thalidomid eingenommen habe und die Klägerin Schäden aufweise, die im Punktekatalog der Beklagten auftauchten, aber dennoch kein Conterganschaden vorliegen solle.
16Die Klägerin leide überdies an X-Beinigkeit, einer kleinen Körpergröße sowie kleinen Händen und Füßen.
17Unter dem 17.04.2014 legte die Klägerin eine weitere Stellungnahme vom Prof. Dr. Q. vom 09.04.2014 vor. Darin hält dieser fest, dass er aufgrund der festgestellten orthopädischen Diagnosen nicht zweifelsfrei zu dem Schluss gekommen sei, dass bei der Klägerin ein Conterganschaden vorliege. Darum sei dies in den Diagnosen auch nicht erwähnt worden. Hier stimme er mit der Einschätzung von PD Dr. H. überein. Es wäre eine ergänzende orthopädische Untersuchung, insbesondere der Hände, erforderlich. Außerdem empfehle er eine humanmedizinische Untersuchung durch ein Institut für medizinische Genetik und Humangenetik.
18Die Klägerin beantragt,
19die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 21.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2012 zu verpflichten, der Klägerin Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zu gewähren.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und verweist im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide.
23Sie legt eine ergänzende fachliche Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 28.03.2014 vor. Darin kommt die Gutachterin zu dem Ergebnis, dass eine Thalidomidembryopathie bei der Klägerin höchst unwahrscheinlich sei. Diese folge daraus, dass die Facialisparese mit Ohrmuschelfehlbildungen einhergehen müsste, um einen Thalidomidschaden zu bejahen. Vielmehr entsprächen die bei der Klägerin vorhandenen Fehlbildungen im Gesicht dem Möbius-Syndrom. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von Miehlke und Partsch (1963), die 13 Einzelkasuistiken mit fazialen Symptomen aufgelistet haben. Zusätzlich erwähnen sie 11 Beobachtungen aus der Literatur. Alle erwähnten Kinder wiesen Ohrfehlbildungen in Kombination mit Gesichtsnervparesen auf. Wesentlich sei, dass in der Literatur zur fazialen Thalidomidembryopathie lediglich Fälle beschrieben seien, die Gesichtsparesen nur in Kombination mit Ohrmuschelfehlbildungen (Mikrotie, Anotie) aufwiesen. Zwar könne eine pränatale Thalidomidexposition eine faziale Symptomatikkombination auslösen, die an ein Möbius-Syndrom erinnere. Deshalb sei gerade das Möbius-Syndrom eine äußert wichtige und dringend zu beachtende Differentialdiagnose. Beim Möbius-Syndrom handele es sich um ein sporadisch auftretendes, phänotypisch und genetisch heterogenes Syndrom, bei der Thalidomidembryopathie um einen durch Teratogen ausgelöste Symptomkombination. Soweit eine Thalidomidschädigung mit dem Begriff Möbius-Syndrom in Verbindung gebracht werde, handele es sich um eine äußerst unglückliche Verquickung von Begrifflichkeiten, die erst in der neueren Literatur auftauche.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe
26Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
27Der Bescheid der Beklagten vom 21.11.2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 06.12.2012 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem ContStifG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
28Anspruchsgrundlage für die begehrte Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin Leistungen nach dem ContStifG zu gewähren, ist § 12 Abs. 1 ContStifG i.d.F. der Bekanntmachung vom 25.06.2009 (BGBl. I 1537), zuletzt geändert durch das dritte Gesetz zur Änderung des ContStifG (BGBl. I 1847). Nach dieser Vorschrift setzt die Gewährung von Leistungen nach § 13 ContStifG voraus, dass der Antragsteller Fehlbildungen aufweist, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist weit gefasst, um zugunsten etwaiger Betroffener der Unmöglichkeit einer über jeden Zweifel erhabenen Kausalitätsfeststellung Rechnung zu tragen.
29Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 02.12.2011 – 16 E 723/11 –, vom 25.03.2013 – 16 E 1139/12 – und vom 14.01.2015 – 16 E 435/13 –, juris.
30Aus Sicht der Kammer muss es jedoch mit Wahrscheinlichkeit gerade die Einwirkung von Thalidomid während der Embryonalentwicklung gegeben sein, die in ursächlichem Zusammenhang mit Fehlbildungen des Antragstellers steht. Würde es dagegen ausreichen, dass Thalidomid als theoretische Ursache für Fehlbildungen nicht auszuschließen ist, ließe sich der anspruchsberechtigte Personenkreis, der nach dem Willen des Gesetzgebers von Leistungen aus dem Stiftungsvermögen profitieren soll, nicht verlässlich eingrenzen.
31Mit der dargestellten Anspruchsgrundlage hat der Gesetzgeber spezielle Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Einnahme des thalidomidhaltigen Arzneimittels und den Fehlbildungen der Antragsteller festgelegt, neben denen für die von der Klägerin geforderte Anwendung des § 84 Abs. 2 AMG kein Raum ist. Dies gilt ungeachtet des weiteren Umstandes, dass § 84 AMG keinen Anspruch gegen die öffentliche Hand vermittelt, sondern die Haftung des pharmazeutischen Unternehmers regelt, und seine Anwendung nach § 118 AMG auf Arzneimittel ausgeschlossen ist, die – wie die thalidomidhaltigen Präparate der Grünenthal GmbH – vor dem 01.01.1978 abgegeben worden sind.
32Die Klägerin weist keine Fehlbildungen auf, die nach § 12 Abs. 1 ContStifG einen Anspruch auf Leistungen nach dem ContStifG begründen. Dabei lässt die Kammer dahinstehen, ob die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen des Vaters und der Schwester der Klägerin eine ausreichende Grundlage für die Annahme bieten, die Mutter der Klägerin habe tatsächlich in der maßgeblichen Zeit der Schwangerschaft Contergan eingenommen. Jedenfalls sind die von der Klägerin geltend gemachten Fehlbildungen von ihrem „Erscheinungsbild“,
33vgl. zu dessen Bedeutung für die Annahme einer ursächlichen Verbindung: Begründung des Gesetzesentwurfs über die Errichtung einer nationalen Stiftung „Hilfswerk für das behinderte Kind“, BT-Drs. VI/926, S. 8 zu § 13,
34her nicht so beschaffen, dass sie zumindest mit Wahrscheinlichkeit mit einer Conterganeinnahme der Mutter in Verbindung stehen. Die Fehlbildungen der Klägerin entsprechen nicht den charakteristischen thalidomidbedingten Fehlbildungen. Sie sind in der bei der Klägerin vorliegenden Form auch nicht vereinzelt im Zusammenhang mit der Einnahme von Thalidomid während der Schwangerschaft der Mutter festgestellt worden.
35Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 14.01.2015 – 16 E 435/13 –, juris.
36Hiervon ist die Kammer nach Auswertung sämtlicher ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere der von der Medizinischen Kommission der Beklagten eingeholten und im gerichtlichen Verfahren ergänzten gutachterlichen Stellungnahmen überzeugt.
37Die orthopädischen Schädigungen der Klägerin im Bereich der Schulter- und Hüftgelenke sind nicht mit der Einnahme von Thalidomid in Verbindung zu bringen. So sind die schriftlichen Äußerungen von PD Dr. H. vom 01.08.2010 dahingehend zu verstehen, dass aus orthopädischer Sicht ein Conterganschaden unwahrscheinlich sei. Für die Annahme eines thalidomidtypischen Fehlbildungsmusters bei den festgestellten Fehlbildungen der Schultergelenke müssten Schäden an den Händen hinzukommen. Soweit PD Dr. H. hinzufügt, „evtl. in Kombination mit Hypoplasie des 1. Strahls“ ist festzuhalten, dass weder er noch der zuvor untersuchende Prof. Dr. Q. eine solche Hypoplasie (= Unterentwicklung) des 1. Strahls bei der Klägerin festgestellt haben. Die bei der Klägerin bestehende Hüftdysplasie sieht PD Dr. H. als auch „sonst sehr häufig“ an, was nach dem Verständnis der Kammer gerade keine Befürwortung eines Thalidomidschadens darstellt. Soweit PD Dr. H. mit Blick auf die Kombination mit nichtorthopädischen Fehlbildungen ein Conterganschaden wahrscheinlich erscheint, stellt er dies zugleich unter den Vorbehalt einer positiven Festlegung der anderen Fachkollegen. Eine belastbare und mit einer – wenn auch äußerst knappen – Begründung versehene Aussage von PD Dr. H. zum Vorliegen eines Conterganschadens lässt sich vor diesem Hintergrund nur in Bezug auf sein Fachgebiet der Orthopädie entnehmen.Prof. Dr. L. , die als Humangenetikerin in der medizinischen Kommission der Beklagten zur fachübergreifenden Beurteilung des Vorliegens eines Conterganschadens herangezogen wird, hat in ihren gutachterlichen Stellungnahmen vom 04.11.2011 und 28.03.2014 eingehend und nachvollziehbar dargelegt, dass sowohl die Hüftgelenks- als auch die Schultergelenksschäden der Klägerin mangels Extremitätenfehlbildungen nicht als Conterganschäden einzuordnen seien. Das von Prof. Dr. L. und PD Dr. H. zur Beurteilung herangezogene Fehlbildungsmuster entspricht den gutachterlichen Aussagen auch in anderen bei der Kammer anhängigen Verfahren und ist durch entsprechende Fachquellen untermauert.
38Vgl. Smithells/Newman, Recognition of thalidomide defects J. Med. Genet. 1992, 29, 716, 718; Henkel/Willert, Dysmelia – A classification and pattern of malformation in a group of congenital defects of the limbs, journal of Bone & Joint Surgery 51 B, 399,401; Q. , Thalidomid-Embryopathie: eine vielfältige Katastrophe, Pädiatrie hautnah, 2014, 44, 46.
39Danach liegt bei Thalidomidembryopathie ein Fehlbildungsmuster an den oberen Extremitäten vor, das eine Knochenreduktion von distal nach proximal aufweist und radial (daumenseitig) und longitudinal ausgeprägt ist. Es finden sich primär Fehlbildungen beider Daumen, bei stärkerer Schädigung auch Fehlbildungen der Radii und in der Folge auch Schädigungen von Humeri, Glenohumeralgelenken (Schultergelenke), Ulnae und ulnaren Fingern. Die proximale Schädigung der Klägerin in Form der Schultergelenksdysplasie entspricht nicht diesem Schädigungsmuster.Mit Blick auf Schäden an den Hüftgelenken beschreiben Smithells/Newman, dass selten auch angeborene Hüftluxationen ohne Deformationen der unteren Extremitäten auftreten können. Allerdings sind auch nach dieser Fachmeinung Schäden im Bereich der unteren Gliedmaßen bei normal entwickelten oberen Gliedmaßen ungewöhnlich.
40Vgl. Smithells/Newman, Recognition of thalidomide defects J. Med. Genet. 1992, 29, 716 ff.
41Nicht-thalidomidbedingte Hüftschäden hingegen kommen, worauf PD Dr. H. und Prof. Dr. L. hinweisen, auch sonst häufig vor. Schließlich zieht auch Prof. Dr. Q. in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 11.01.2010 aus dem Vorliegen von Hüftschädigungen bei der Klägerin nicht den Schluss auf einen Conterganschaden.Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die obigen Erkenntnisse überholt oder unvollständig sind. Sie entsprechen vielmehr dem anerkannten Wissensstand insbesondere auch zu den Fehlbildungsmustern bei Thalidomidembryopathie. Mit Blick auf den zeitlichen Abstand zu den Geburten der thalidomidgeschädigten Kinder dürfen diese Muster der angeborenen Fehlbildungen als gefestigt bezeichnet werden.
42Eine weitere orthopädische Begutachtung der Klägerin war durch das Gericht nicht zu veranlassen. Der entsprechenden Empfehlung von Prof. Dr. Q. 09.04.2014 sowie der daran anknüpfenden Beweisanregung der Klägerin folgt die Kammer nicht. Es fehlt an Anhaltspunkten, die eine Beweiserhebung über weitere orthopädische Schäden, insbesondere an den Händen der Klägerin, erforderlich machen. Die Klägerin ist bereits am 06.01.2010 durch Prof. Dr. Q. in seiner Spezialsprechstunde für Contergan-Geschädigte und Dysmelie-Patienten untersucht worden. Dort stellte Prof. Dr. Q. neben den bereits bekannten Diagnosen noch eine Dysplasie beider Hüftgelenke fest. Schäden an den Händen oder Armen der Klägerin wurden weder festgestellt noch wurde ein entsprechender Verdacht geäußert. Dass Prof. Dr. Q. die Hände der Klägerin untersucht hat, ergibt sich aus der Feststellung im Gutachten, dass der Faustschluss beidseits komplett sei und keine Strahldefekte vorlägen. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Begehren der Klägerin nach einer weiteren orthopädischen Begutachtung als Ausforschung dar, ob nicht doch noch ein orthopädischer Schaden entdeckt werden könne, der auf eine Conterganschädigung schließen ließe. Dem entspricht es, dass Prof. Dr. Q. für seine Empfehlung zur weiteren Untersuchung keine Begründung abgibt.
43Auch die Facialis- und Abducensparese der Klägerin ist nicht mit der Einnahme von Thalidomid durch die Mutter der Klägerin während der Schwangerschaft in Verbindung zu bringen. Davon ist die Kammer nach Auswertung der gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. L. vom 04.11.2011 und 28.03.2014 und Dr. T. -I. vom 24.10.2012 überzeugt. Beide Mitglieder der medizinischen Kommission der Beklagten haben nachvollziehbar dargelegt, dass die bei der Klägerin vorhandenen Fehlbildungen im Gesicht nur dann auf einer Conterganeinnahme beruhen können, wenn zugleich Fehlbildungen an den Ohren hinzukämen. Dies schlussfolgern sie aus Beispielen der Literatur sowie eigenen Falldokumentationen. Insbesondere in ihrer Stellungnahme vom 28.03.2014 setzt sich Prof. Dr. L. mit der Fachliteratur zu Gesichtsparesen aufgrund von Thalidomideinnahme auseinander und weist darauf hin, dass alle dort beschriebenen Fälle Ohrmuschelfehlbildungen aufwiesen. Nach Miehlke/Partsch, die insgesamt 24 Kinder aus eigenen Fällen oder Mitteilungen von Kollegen zum Gegenstand ihrer Untersuchung machten, tritt die thalidomidbedingte Facialis- und Abducensparese in Kombination mit Ohrmissbildungen auf.
44Vgl. Miehlke/Partsch, Ohrmißbildung, Facialis- und Abducenslähmung als Syndrom der Thalidomidschädigung, Archiv für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde, Nr. 181, 1963, 154 ff.
45Auch Dr. T. -I. konnte bei Nachforschung in seiner eigenen Fallsammlung, bestehend aus über 1000 Einzelschäden, keinen Fall einer Schädigung des 6. und 7. Hirnnervens finden, in dem nicht zugleich Fehlbildungen an den Ohren vorlagen. Die Kammer verkennt nicht, dass Dr. T. -I. lediglich 4 Fälle in seiner Datenbank mit vergleichbaren Hirnnervenschäden finden konnte. Allerdings stehen die Ergebnisse – wie gezeigt – im Einklang mit den Untersuchungen von Miehlke/Partsch aus 24 Fällen. Diese Zahlen mögen mit Blick auf die Gesamtzahl der Geburten von Kindern mit thalidomidbedingten Missbildungen nicht sonderlich hoch erscheinen. Jedoch ist bei der Einordnung der Schäden in typische Fehlbildungsmuster zu berücksichtigen, dass auch kein einziger Fall bekannt ist, in dem die thalidomidbedingte Facialisparese ohne Missbildung an den Ohren aufgetreten ist. Auch für Smithells/Newman handelt es sich bei der Kombination von Facialisparese mit Anotie oder Mikrotie (= Ohrmuschelfehlbildungen) um ein typisches Fehlbildungsmuster.
46Vgl. Smithells/Newman, Recognition of thalidomide defects J. Med. Genet. 1992, 29, 716 ff.
47Bestätigt wird dies letztlich auch mit Blick auf den Fehlbildungszeitplan, aus dem sich ergibt, dass die kritische Phase für das Auftreten von Augenmuskel- und Hirnnervenlähmung aufgrund von Thalidomid-Einwirkung vollständig in den Zeitraum für die Entstehung von Ohrmuschelfehlbildungen fällt.
48Vgl. Fehlbildungszeitplan, u.a. abrufbar unter http://contergan-karlsruhe.de/fbtabelle.html.
49Soweit demgegenüber Prof. Dr. K. in seiner augenärztlichen Stellungnahme vom 20.12.2010 das Vorliegen eines Conterganschadens für wahrscheinlich hält, kann dem mangels Auseinandersetzung mit dem Fehlen von Ohrmuschelfehlbildungen, mithin dem Abweichen von einem typischen Fehlbildungsmuster, nicht gefolgt werden. Aus welchem Grund Prof. Dr. K. die noch mit Schreiben vom 05.10.2010 gegenüber der Klägerin erwähnte Differential-Diagnose Möbius-Syndrom im späteren Schreiben vom 20.12.2010 an die Beklagte nicht mehr erwähnt, kann mit Blick auf die obigen Ausführungen dahinstehen.
50Der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand der Klägerin, dass das Fehlen einer Ohrmuschelfehlbildung nicht feststehe, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin selbst hat einen fachärztlichen Untersuchungsbericht der HNO-Ärzte Dres. Arlt/Leibecke vom 21.03.2011 vorgelegt. Ohrschädigungen konnten bei der fachärztlichen Untersuchung nicht festgestellt werden. Auch wenn die Klägerin auf eine zügige Untersuchung durch den Arzt hinweist, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ein Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde bei einer Untersuchung auf seinem Spezialgebiet eine Ohrmuschelfehlbildung nicht erkennt. Jedenfalls bietet allein die Vermutung der Klägerin, sie sei nur oberflächlich untersucht worden, keine Anhaltspunkte für eine gerichtlich zu veranlassende Untersuchung der Klägerin auf Fehlbildungen an den Ohren, für die es nach fachärztlicher Untersuchung keine Anzeichen gibt.
51Auch der Behauptung der Klägerin, dass das Möbius-Syndrom durch Thalidomideinnahme ausgelöst werden könne, muss nicht weiter nachgegangen werden. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerin selbst das Vorliegen des Möbius-Syndroms verneint. Denn das Möbius-Syndrom zeigt sich, worauf Prof. Dr. L. in ihrer Stellungnahme vom 28.03.2014 unter Bezugnahme auf bisher bekannte Einzelsymptome in der Datenbank OMIM hinweist, in unterschiedlicher Form. Auch beim Möbius-Syndrom können Ohrfehlbildungen auftreten. Soweit einige Symptome des Möbius-Syndroms denen der Thalidomidembryopathie entsprechen, mag es – worauf Prof. Dr. L. hinweist – zu einer äußerst unglücklichen Vermischung der Begrifflichkeiten kommen. Aus Sicht der Kammer fehlt es weiterhin an Anhaltspunkten, die das thalidomid-typische Fehlbildungsmuster der Kombination von Ohrmuschelfehlbildungen mit Facialis- und Abducensparese in Frage stellen. Für die Annahme, dass die für das Möbius-Syndrom typischen Symptome ohne Fehlbildungen der Ohrmuscheln durch Thalidomideinnahme ausgelöst werden, ist nichts ersichtlich.
52Der Anregung der Klägerin nach Einholung eines weiteren humangenetischen Gutachtens musste nicht gefolgt werden. Der Kammer liegen bereits Stellungnahmen von Prof. Dr. L. auf humangenetischem Fachgebiet vor. Diese sind hinreichend geeignet, dem Gericht die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Sie weisen keine auch für den Nichtsachkundigen erkennbaren (groben) Mängel auf, beruhen vielmehr auf dem anerkannten Wissensstand insbesondere auch zu den Fehlbildungsmustern bei der Thalidomidembryopathie. Sie gehen von zutreffenden tatsächlichen Verhältnissen aus, enthalten keine unlösbaren Widersprüche und geben keinen Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 06.02.2012 – 1 A 1337/10 –; BVerwG, Beschluss vom 09.08.1983 – 9 B 1024/83 –.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der im April 1960 geborene Kläger beantragte im März 2012 bei der Beklagten die Gewährung einer Kapitalentschädigung und einer Rente nach dem Conterganstiftungsgesetz (ContStiftG). Seinem Antrag fügte er eine schriftliche Erklärung seiner Mutter bei, die angab, im Jahr 1959 während der Schwangerschaft zur Beruhigung Contergan bekommen zu haben. Der Kläger erklärte, er habe erst im Erwachsenenalter mit seiner Mutter über einen möglichen Grund für seine angeborenen Missbildungen gesprochen. Als Schädigungen machte er eine Skoliose der Wirbelsäule, das Fehlen des Mittelglieds am rechten Zeigefinger und eine Senkniere links geltend. Letztere sei Anfang der 90iger Jahre diagnostiziert worden, nachdem er einen Schlag in den Bauch und sehr starke Schmerzen bekommen habe. Die Funktionstüchtigkeit der Niere (40-50 %) sei eingeschränkt. Eine vorgelegte Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. E. vom 06.02.2012 attestiert dem Kläger eine angeborene Senkniere links. Die Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 29.11.1979 beschreibt bei dem Kläger neben einer Aplasie des Mittelglieds des 2. Fingers rechts eine Skoliose am cervico-thorakalen Übergangsbereich. Die Skoliose beruhe auf einem angeborenen Defekt der Wirbelkörper C7 bis Th6 mit der Ausprägung partieller und totaler Blockwirbel, Schmetterlings- und Keilwirbel.
3Der Orthopäde Prof. Dr. G. führte in seiner gutachterlichen Stellungnahme für die Beklagte vom 30.09.2012 aus, die Auswertung von Röntgenaufnahmen der Hände bzw. Handgelenke mit distalem Unterarm des Klägers aus den Jahren 1976 sowie 2012 ergebe keine Hinweise auf eine thalidomidbedingte Dysmelie mit der hierfür typischen Reduktionstendenz des Daumenstrahls bzw. des Radius. Es finde sich lediglich rechtsseitig eine Hypoplasie des 2. Strahls im Bereich des Mittelhandknochens sowie des Grund- und Mittelglieds bei Verlust des Endgliedes des Zeigefingers. Die Röntgenaufnahmen der Hals- und Brustwirbelsäule des Klägers von 1974, 1976 und 1979 zeigten eine rechtskonvexe Missbildungsskoliose des cervikothorakalen Übergangs mit Schmetterlingswirbel Th3 und Halbwirbel Th4 rechts; in dem sich anschließenden Brustwirbelbereich habe sich bei unauffällig erscheinenden Wirbelkörpern ein linkskonvexer Gegenschwung ausgebildet. Die Skoliose lasse sich nicht mit der hier geforderten Wahrscheinlichkeit auf die Einwirkung von Thalidomid zurückführen.
4Dr. X. sprach sich aus urologischer Sicht am 19.11.2012 für eine Ablehnung des Antrags aus, sofern sich nicht auf anderen Fachgebieten neue Aspekte ergäben. Die sicherlich vorliegende Senkniere liefere für sich genommen keinen alleinigen Beweis eines Thalidomidschadens. Sie wäre erst zu bepunkten, wenn weitere Hinweise auf einen Thalidomidschaden vorlägen. Die vorgelegte Nierenfunktionsszintigraphie erlaube keine Aussage zur Funktion der Senkniere; eine Funktionsanteilmenge von 40-50 %, wie im Antrag angegeben, entspräche allerdings einer normalen Funktion.
5Mit Bescheid vom 04.12.2012 lehnte die Beklagte den Antrag entsprechend der Entscheidung der Medizinischen Kommission ab und nahm zur Begründung auf die gutachterlichen Ausführungen Bezug.
6Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, auch bisher unbekannte Krankheitsbilder könnten auf der Einnahme von Contergan beruhen.
7Der Orthopäde Dr. H. sprach sich mit Schreiben vom 30.01.2013 für eine Zurückweisung des Widerspruchs aus; die Veränderungen an der rechten Hand passten sicher nicht zu einem Conterganschaden, für den eine radialseitige longitudinale Fehlbildung typisch sei. Zudem fänden sich keine pathologischen Veränderungen auf der linken Seite.
8Nach Prüfung durch die Medizinische Kommission wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2013 zurück. Sie verwies auf die Äußerung von Dr. H. ; zudem seien Conterganschäden durchweg auf beide Körperseiten bezogen.
9Der Kläger hat am 15.03.2013 Klage erhoben. Er meint, die Häufung der bei ihm vorhandenen angeborenen Missbildungen deute darauf hin, dass diese durch die nachgewiesene Conterganeinnahme während der Schwangerschaft verursacht worden seien. Soweit die Senkniere nach dem urologischen Gutachten allein noch keinen Thalidomid-Schaden belege, kämen Anomalien in der Skelettbildung hinzu, die auf Thalidomideinwirkung hindeuteten. Dabei habe sich die Beklagte mit der Missbildung der Wirbelsäule nicht hinreichend auseinandergesetzt. Allein Dr. G. spreche deren Deformationen an, stelle jedoch fest, dass der Defekt an der Halswirbelsäule nicht sicher beurteilt werden könne. Auch wenn die Reduktionstendenz des Daumenstrahls als typische thalidomidbedingte Fehlbildung auftrete, kämen Fehlbildungen am zweiten Strahl der Hand zwar nur vereinzelt vor, begründeten aber bei nachgewiesener Thalidomideinnahme zumindest den Verdacht eines ursächlichen Zusammenhangs.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2013 zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem ContStiftG zu bewilligen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie trägt ergänzend vor, einseitige Fehlbildungen im Skelettbereich, wie sie beim Kläger aufträten, habe es bei Conterganschädigungen nicht gegeben. Der schädigende Wirkstoff gelange in der Frühphase der Schwangerschaft über den Blutstrom zum Embryo und beeinträchtige in einer bestimmten Entwicklungsstufe das Wachstum. Dieser Vorgang wirke sich zwar nicht unbedingt symmetrisch, aber zwangsläufig beidseitig aus.
15Die Kammer hat dem Kläger mit Beschluss vom 14.02.2014 Prozesskostenhilfe bewilligt.
16Auf gerichtliche Anfrage hat Prof. Dr. G. mit Schreiben vom 12.05.2014 ausgeführt, die Möglichkeit einer ursächlichen Verknüpfung der Missbildungen bei dem Kläger im Bereich der Brustwirbelsäule (Th3 und Th4) mit einer Conterganeinnahme bestehe mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht bzw. könne ausgeschlossen werden. Kongenitale Skoliosen im Brustwirbelsäulenbereich seien in der internationalen medizinischen Literatur bei der Thalidomid-Embryopathie - ganz im Gegensatz zu solchen an der Lendenwirbelsäule und am Kreuzbein - bisher nicht beschrieben. Innerhalb der Medizinischen Kommission sei noch abschließend zu klären, inwieweit Contergan-Schädigungen an den Extremitäten „durchweg“ beidseitig auftreten müssten. Dr. X. hat mit Schreiben vom 31.03.2014 ausgeführt, die Funktion beider Nieren sei gleich, deshalb liege eine Schädigung nicht vor. Die Senkniere, die von der Beckenniere streng unterschieden werden müsse, sei eine häufig auftretende Normvariante, die durch eine veränderte Wanderungsbewegung der Niere und des Harnleiters in der Embryonalzeit zustande komme und seines Erachtens keine Hemmungsmissbildung darstelle; sie begründe keinen Hinweis auf einen Thalidomid-Schaden.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20Der Bescheid der Beklagten vom 04.12.2012 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 25.02.2013 ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch die Weigerung der Beklagten, ihm Leistungen nach dem ContStiftG zu bewilligen, nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Absatz 5 Satz 1 VwGO).
21Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 ContStiftG setzt die Gewährung von Leistungen nach § 13 ContStiftG voraus, dass der Antragsteller Fehlbildungen aufweist, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist weit gefasst, um zugunsten etwaiger Betroffener dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine über jeden Zweifel erhabene Kausalitätsfeststellung unmöglich ist.
22Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 02.12.2011 - 16 E 723/11 -, vom 25.03.2013 - 16 E 1139/12 - und vom 14.01.2015 - 16 E 435/13 - jeweils in juris.
23Aus Sicht der Kammer muss es jedoch mit Wahrscheinlichkeit gerade die Einwirkung von Thalidomid während der Embryonalentwicklung sein, die in ursächlichem Zusammenhang mit Fehlbildungen des Antragstellers steht. Würde es dagegen ausreichen, dass Thalidomid als theoretische Ursache für Fehlbildungen nicht auszuschließen ist, ließe sich der anspruchsberechtigte Personenkreis, der nach dem Willen des Gesetzgebers von Leistungen aus dem Stiftungsvermögen profitieren soll, nicht verlässlich eingrenzen.
24Der Kläger hat keine Fehlbildungen, die hiernach einen Anspruch auf Leistungen nach dem ContStiftG begründen. Dabei lässt die Kammer dahinstehen, ob die vorgelegte Erklärung der Mutter des Klägers eine ausreichende Grundlage für die Annahme bietet, sie habe tatsächlich in der maßgeblichen Zeit der Schwangerschaft Contergan eingenommen. Jedenfalls sind die von dem Kläger geltend gemachten Fehlbildungen von ihrem „Erscheinungsbild“
25- vgl. zu dessen Bedeutung für die Annahme einer ursächlichen Verbindung: Begründung des Gesetzentwurfs über die Errichtung einer nationalen Stiftung „Hilfswerk für das behinderte Kind“, BT-Drs. VI/926 S. 8 zu § 13 -
26her nicht so beschaffen, dass sie zumindest mit Wahrscheinlichkeit mit einer Conterganeinnahme in Zusammenhang stehen. Sowohl in ihrer Gesamtheit als auch isoliert betrachtet sind die Schädigungen weder für thalidomidbedingte Missbildungen charakteristisch, noch sind sie zumindest vereinzelt im Zusammenhang mit der Einnahme von Thalidomid während der Schwangerschaft der Mutter festgestellt worden.
27Vgl. hierzu OVG, Beschluss vom 14.01.2015 - 16 E 435/13 - a.a.O.
28Hiervon ist die Kammer aufgrund der von der Medizinischen Kommission der Beklagten eingeholten, im gerichtlichen Verfahren ergänzten und erläuterten gutachterlichen Stellungnahmen überzeugt. Sämtliche Stellungnahmen verneinen für ihr betroffenes Fachgebiet nachvollziehbar und widerspruchsfrei, dass die Einwirkung von Thalidomid wahrscheinliche Ursache der jeweiligen Fehlbildung ist.
29Die Senkniere kann nach den klarstellenden Äußerungen von Dr. X. schon nicht als „Fehlbildung“ angesehen werden. Es handelt sich - im Gegensatz zu der in der medizinischen Punktetabelle berücksichtigten, oft als fehlgebildete Einzelniere auftretenden Beckenniere - vielmehr um ein regelgerecht ausgebildetes Organ, dessen relativ häufig vorkommende Normabweichung sich lediglich in seiner ungewöhnlichen Beweglichkeit äußert.
30Vgl. auch die Erläuterungen in Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, zu Nephroptose (Senk-/Wanderniere) und Beckenniere.
31Ist danach im Nierenbereich bereits keine Fehlbildung festzustellen, lässt sich die vorhandene Anomalie auch nicht in Zusammenschau mit anderen Auffälligkeiten als Indiz für einen Thalidomidschaden werten.
32Hinsichtlich der Skoliose des Klägers sieht Prof. Dr. G. nun eindeutig keinen Zusammenhang mit einer Thalidomideinnahme, weil die internationale medizinische Literatur kongenitale Skoliosen bei der Thalidomid-Embryopathie an der Lendenwirbelsäule und am Kreuzbein, nicht aber im Bereich der Brustwirbelsäule beschreibt. Fehlbildungen finden sich bei dem Kläger nur im oberen Brustwirbelbereich, allenfalls auch bei dem noch oberhalb dieses Bereichs angrenzenden untersten Halswirbel, wenn man das vorgelegte Attest von Dr. M. zugrundelegt. Soweit sich Prof. Dr. G. bei Begutachtung der Röntgenaufnahme von 1974 auf einen eindeutigen Befund der Halswirbelsäule nicht festlegen wollte, beruhte dies auf der unzureichenden Belichtung dieser Aufnahme und der Überlagerung des Halswirbelbereichs durch andere Köperteile; spätere Aufnahmen gaben aber keinen Anlass zu weitergehenden Feststellungen. Dass Bereiche der Wirbelsäule in Mitleidenschaft gezogen wären, die bisher mit einer Thalidomid-Embryopathie in Zusammenhang gebracht worden sind, schließt Prof. Dr. G. aus und behauptet auch der Kläger nicht.
33Schließlich lässt sich auch die rechtsseitige Hypoplasie des zweiten Strahls im Bereich des Mittelhandknochens sowie des Grund- und Mittelglieds mit Fehlen des Endglieds des Zeigefingers nicht mit der Einnahme von Thalidomid in Verbindung bringen. Nach den übereinstimmenden Stellungnahmen der beiden orthopädischen Gutachter, die sich mit Erkenntnissen der Kammer aus anderen Verfahren decken, entspricht diese Deformation nicht dem typischen thalidomidbedingten Schadensbild an den oberen Extremitäten, weil der Daumenstrahl nicht betroffen ist und keine beidseitige Fehlbildung besteht. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse hat die Kammer auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine derartige Veränderung an der Hand zumindest vereinzelt im Zusammenhang mit einer Thalidomid-Embryopathie festgestellt worden ist. Dabei bedarf hier keiner Entscheidung, ob das von der Beklagten beschriebene Wirkprinzip von Thalidomid in jedem Fall das Vorkommen einseitiger Thalidomidschäden (an den Extremitäten) ausschließt. Hinsichtlich dieser Frage hat die Medizinische Kommission der Beklagten selbst offenbar noch keine einheitliche Haltung finden können. Selbst wenn jedoch in Betracht kommen sollte, dass die Einseitigkeit einer Dysmelie zumindest dann einem Zusammenhang mit Thalidomid nicht notwendig entgegensteht, wenn die Fehlbildung – wie hier – nur ganz milde ausfällt und damit lediglich ein geringfügiger Unterschied zu der normal ausgebildeten Seite besteht, spricht die Fehlbildung, die an der Hand des Klägers ausschließlich im Bereich des zweiten Strahls aufgetreten ist, gegen eine Einwirkung von Thalidomid, weil der Daumen nicht betroffen ist. Nach den einhelligen Äußerungen der Mitglieder der Medizinischen Kommission auch in anderen bei der Kammer anhängigen Verfahren, die durch entsprechende Fachquellen
34- vgl. Smithell/Newton, Recognition of thalidomide defects J. Med. Genet. 1992, 29, 716, 718; Henkel/Willert, Dysmelia – A classification and pattern of malformation in a group of congenital defects of the limbs, journal of Bone & Joint Surgery 51 B, 399,401.; Peters, Thalidomid-Embryopathie: eine vielfältige Katastrophe, Pädiatrie hautnah, 2014, 44, 46 -
35untermauert sind, folgen thalidomidbedingte Dysmelien der oberen Extremitäten insofern einem festen Muster, als es sich um longitudinale, radial betonte Fehlbildungen handelt, d.h. die Schwere der Schädigung nimmt vom ersten zum fünften Strahl hin ab. Dies bedeutet, dass jedenfalls der Daumen fehlgebildet sein muss, wenn Thalidomid die Ursache für Dysmelien ist; die nächstschwerere Ausprägung erstreckt sich dann auf die Fortsetzung dieses Strahls bis zur Speiche. Erst wenn der Daumenstrahl durchgängig Fehlbildungen aufweist, kommen die Fehlbildung weiterer Strahlen als Thalidomidschaden in Betracht.
36Der Kläger hat die gutachterlichen Befunde, wonach keine der Anomalien für eine Thalidomidschädigung spricht, nicht entkräften können. Die von ihm vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen attestieren ihm bestimmte angeborene Anomalien, treffen aber keine Aussage zu einem möglichen Zusammenhang mit einer Thalidomid-Embryopathie.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.