Verwaltungsgericht Köln Urteil, 13. Aug. 2014 - 23 K 3691/12


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Erweiterung eines Discounter-Marktes auf dem Grundstück „B. 0“ (Gemarkung E. , Flur 00, Flurstück 0000/0) in L. .
3Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des seit dem 23.11.1970 rechtskräftigen Bebauungsplans Nr. 00000/00. Dieser setzt für die Grundstücke in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks und zum Teil für dieses selbst die Baugebietsart „Allgemeines Wohngebiet“ (WA), für den überwiegenden Bereich des Vorhabengrundstücks innerhalb der dort verlaufenden Baugrenzen jedoch die Baugebietsart „Mischgebiet“ (MI) fest. Zwischen der südlichen Baugrenze und der südlichen Grenze des Grundstücks mit der D. Straße ist eine Straßenbegrenzungslinie festgesetzt, zwischen dieser Straßenbegrenzungslinie und der südlichen Grundstücksgrenze ist wiederum ein Bereich für öffentliche Parkflächen festgesetzt. Südlich der D. Straße und westlich des Vorhabens befindet sich Wohnbebauung.
4Unter dem 23.05.1977 veröffentlichte die Beklagte in ihrem Amtsblatt folgenden „Hinweis gemäß Artikel 3 § 12 des Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 155a BBauG: Für alle im Gebiet der Stadt L. geltenden Satzungen nach dem Bundesbaugesetz, die vor dem 1.1.1977 in Kraft getreten sind, ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nur dann beachtlich, wenn sie innerhalb eines Jahres, beginnend mit dieser Bekanntmachung gegenüber der Gemeinde geltend gemacht wird. Dies gilt nur für Form- und Verfahrensvorschriften des BBauG und des Städtebauförderungsgesetzes mit Ausnahme der Bestimmungen über die Genehmigung oder die Veröffentlichung von Satzungen.“
5Unter dem 21.12.1987 machte die Beklagte in ihrem Amtsblatt Folgendes bekannt: „Gemäß § 244 Abs. 2 des Baugesetzbuches vom 8.12.1986 (BGBl. 1986 I S. 2253 ff.) sind Mängel der Abwägung des Flächennutzungsplanes und der Satzungen, die vor dem 1.7.1987 bekanntgemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von 7 Jahren nach dem 1.7.1987 schriftlich gegenüber der Stadt L. , Stadtplanungsamt, geltend gemacht worden sind; der Sachverhalt, der den Mangel begründen soll, ist darzulegen.“
6Mit Baugenehmigung vom 05.12.2001 genehmigte die Beklagte die Errichtung eines Lidl-Lebensmittelmarktes mit einer Verkaufsfläche von 686,02 m² auf dem Vorhabengrundstück.
7Unter dem 21.09.2004 erteilte sie dort eine Baugenehmigung zur Vergrößerung der Verkaufsfläche des bestehenden Marktes auf insgesamt 805,08 m².
8Eine unter Befreiung von der festgesetzten Straßenbegrenzungslinie erteilte Baugenehmigung vom 19.12.2005 zur Erweiterung des Marktes nutzte die Klägerin nicht aus.
9Mit Baugenehmigung vom 27.04.2007 genehmigte die Beklagte den Anbau eines Backshops mit einer Verkaufsfläche von 30,71 m².
10Am 15.11.2011 stellte die Klägerin einen Bauantrag für die Erweiterung der Verkaufsfläche auf insgesamt 1.093,84 m² sowie die Einrichtung eines Raumes zur Backvorbereitung und für eine Tiefkühlzelle. In Zusammenhang mit dem Vorhaben sind jenseits der südlichen Baugrenze u.a. eine Rampe für die Frühanlieferung sowie ein Schneckenverdichter geplant.
11Mit Bescheid vom 03.05.2012 – zugestellt am 15.05.2012 – lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die südliche Baugrenze werde durch das Vorhaben überschritten. Aufgrund der Massivität der Überschreitung sei eine Befreiung nicht möglich.
12Am 13.06.2012 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, die Überschreitung der südlichen Baugrenze stehe der Zulässigkeit des Vorhabens nicht entgegen, da der Bebauungsplan Nr. 00000/00 unwirksam sei. Denn eine erneute Offenlage sei unterblieben, nachdem wesentliche Änderungen vorgenommen worden seien, die die Grundzüge der Planung berührt hätten. So seien die überbaubaren Grundstücksflächen in dem Baugebiet anders verortet worden. In der Verlängerung der Alemannenstraße sei eine Fußgängerbrücke über die Fußgängerstraße festgesetzt worden. Weiter seien die festgesetzten Parkflächen im Bereich der öffentlichen Grünfläche (Sportanlage am Reitweg) aufgehoben worden. Außerdem seien anstelle der im Allgemeinen Wohngebiet zunächst festgesetzten zwei Baufelder mit jeweils einer viergeschossigen Bebauung nach der Offenlage eine viergeschossige und eine zwölfgeschossige Bebauung ausgewiesen worden. Dies stelle zudem einen Abwägungsmangel dar, weil die mit einer zwölfgeschossigen Wohnbebauung verbundenen Auswirkungen nicht in die Abwägung eingestellt worden seien. Darüber hinaus sei der Bebauungsplan nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden, denn dieser weise für den Bereich westlich der E1. Straße und südlich der E. -L1. Straße Wohnbauflächen sowie – weiter südlich – eine Fläche für einen Hubschrauberlandeplatz aus. Insoweit habe der dargestellte Flächennutzungsplan im Bebauungsplan keine Berücksichtigung gefunden. Und für den Bereich der dargestellten Wohnbauflächen habe der Bebauungsplan stattdessen Flächen für den Gemeinbedarf festgesetzt. Das Vorhaben füge sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da der vorhandene Markt bereits in seinen bestehenden Ausmaßen sein eigenes Vorbild für großflächigen Einzelhandel darstelle. Selbst wenn der Bebauungsplan wirksam wäre, bestünde ein Anspruch auf Befreiung von der festgesetzten südlichen Baugrenze, denn die Grundzüge der Planung seien hierdurch nicht berührt. Die Planbegründung verhalte sich nicht zu dieser Baugrenze. Da es sich um eine maßvolle Erweiterung handele, sei diese auch städtebaulich vertretbar. Die Festsetzung habe keine nachbarschützende Wirkung, daher sei die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar.
13Die Klägerin beantragt,
14die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 03.05.2012 zu verpflichten, die Baugenehmigung entsprechend dem Bauantrag vom 15.11.2011 zu erteilen,
15hilfsweise,
16die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 03.05.2012 zu verpflichten, einen planungsrechtlichen Vorbescheid zu erteilen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung führt sie aus, die Klägerin könne die angeführten Mängel des Bebauungsplans nicht mehr geltend machen, da die hierfür relevanten Fristen durch die entsprechenden Bekanntmachungen im Amtsblatt abgelaufen seien. Ein Befreiungs-anspruch bestehe nicht wegen der Großflächigkeit des Einzelhandelsvorhabens. Ob der Bebauungsplan mangelhaft sei, ob diese Mängel gegebenenfalls beachtlich seien und wenn ja, ob eine Teil- oder Gesamtnichtigkeit vorliege, könne aber letztlich offen bleiben, da das Vorhaben auch nach § 34 BauGB unzulässig wäre. Falls es sich bei der näheren Umgebung um ein Allgemeines Wohngebiet handeln sollte, würde dem Vorhaben entgegenstehen, dass es sich um großflächigen Einzelhandel handelt. Sollte die nähere Umgebung als Gemengelage i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen sein, würde das Vorhaben sich mangels eines Vorbilds B. großflächigem Einzelhandel dort nicht einfügen.
20Das Gericht hat am 29.07.2014 einen Ortstermin durchgeführt; wegen des Ergebnisses der Ortsbesichtigung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge (20 Ordner) ergänzend Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die zulässige Verpflichtungsklage ist mit dem Haupt- und dem Hilfsantrag unbegründet, weil ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung nicht besteht (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).
24Denn dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, vgl. § 75 Abs. 1 S. 1 BauO NRW. Es ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Gemäß § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans zulässig, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Das Vorhaben widerspricht jedenfalls der Festsetzung des für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit maßgeblichen Bebauungsplans Nr. 69449/03 hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche. Dieser Bebauungsplan ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch wirksam; ein Anspruch auf Befreiung besteht vorliegend nicht.
25Das Vorhaben überschreitet entgegen § 23 Abs. 3 S. 1 BauNVO 1968/1990 die südliche auf dem Vorhabengrundstück verlaufende Baugrenze.
26Diese Festsetzung muss die Klägerin auch gegen sich gelten lassen. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Verwaltungsgericht zur Inzidentkontrolle eines Bebauungsplans berechtigt und – jedenfalls auf konkrete Rügen eines Beteiligten hin – auch verpflichtet ist. Daran ändert auch nichts, dass Bebauungspläne gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in einem Normenkontrollverfahren auf ihre Gültigkeit überprüft werden können. Beide Verfahren schließen sich nicht grundsätzlich aus.
27Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.10.2006 – 4 BN 29.06 –, juris, Rz. 3 und vom 01.02.2010 – 4 BN 50.09 –, juris, Rz. 6.
28Jedoch dringt die Klägerin mit der Rüge von Mängeln gegen die Gültigkeit des Bebauungsplans Nr. 69449/03 nicht durch. Sie ist präkludiert mit der Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften wie Verstößen gegen das Entwicklungsgebot (§ 8 Abs. 2 S. 1 des Bundesbaugesetzes vom 23.06.1960 (BGBl. I S. 341 - 388 – BBauG 1960) sowie gegen § 13 Abs. 1 BBauG 1960, wonach Änderungen und Ergänzungen des Bebauungsplanes ohne Auslegung und Genehmigung rechtsverbindlich werden, wenn sie die Grundzüge der Planung nicht berühren und für die Nutzung der betroffenen und der benachbarten Grundstücke nur von unerheblicher Bedeutung sind. Aufgrund des am 23.05.1977 veröffentlichten „Hinweises gemäß Artikel 3 § 12 des Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugesetzes in Verbindung mit § 155a BBauG“ ist für alle im Gebiet der Stadt L. geltenden Satzungen nach dem Bundesbaugesetz, die vor dem 010.1.1977 in Kraft getreten sind, eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nur dann beachtlich, wenn sie innerhalb eines Jahres, beginnend mit dieser Bekanntmachung gegenüber der Gemeinde geltend gemacht wird. Diese – hier längst verstrichene – Jahresfrist ist auch vorliegend maßgeblich, vgl. § 233 Abs. 2 S. 3 BauGB n. F. Ebenso ausgeschlossen ist die Klägerin mit der Rüge eines Verstoßes gegen das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 4 und 5 BBauG 1960,
29vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 – IV C 105.66 –, juris, Rz. 23 ff.).
30Denn gemäß § 244 Abs. 2 S. 1 BauGB in der Fassung vom 08.12.1986 (BGBl. 1986 I S. 2253 ff.) sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor dem 01.07.1987 bekanntgemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 01.07.1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind; der Sachverhalt, der den Mangel begründen soll, ist darzulegen. Innerhalb von sechs Monaten nach dem 01.07.1987 ist durch ortsübliche Bekanntmachung in der Gemeinde auf die sich aus Satz 1 ergebene Änderung der Rechtslage hinzuweisen; dabei ist über die in Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängeln der Abwägung und die Rechtsfolgen zu unterrichten, § 244 Abs. 2 S. 2 BauGB a.F. In dieser Weise hat die Beklagte mit der oben zitierten Bekanntmachung vom 21.12.1987 auf die genannte -hier ebenfalls längst abgelaufene- Frist hingewiesen.
31Die hier einschlägigen Rügefristen sind auch im Rahmen einer Inzidentkontrolle eines Bauleitplans zu beachten mit der Rechtsfolge, dass das rügelose Verstreichen dieser Fristen etwaige Verletzungen von Verfahrens- und Formfehlern sowie von Abwägungsmängeln unbeachtlich werden lässt. Das bedeutet, dass Gesetzesverstöße nicht mehr geltend gemacht werden können und die Satzung ungeachtet einer etwaigen Rechtswidrigkeit als rechtswirksam und gültig anzusehen ist.
32Vgl. VGH B-W, Urteil vom 15.07.2008 – 3 S 2772/06 –, juris, Rz. 67.
33Nachdem aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen weder Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind noch Entsprechendes vorgetragen wurde, dass eine Rüge eines anderen als der Klägerin vorläge, die auch zugunsten von jedermann – inter omnes – wirken würde,
34vgl. dazu Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand März 2007, § 215, Rz. 27,
35bleiben die gerügten Mängel unbeachtlich.
36Auf eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der südlichen Baugrenze gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hat die Klägerin keinen Anspruch, weil das der Beklagten nach dieser Vorschrift zustehende Ermessen nicht auf Null reduziert ist. Gemäß dieser Regelung kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die Erteilung einer Befreiung steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Baugenehmigungsbehörde. Dies bringt der Gesetzgeber durch die Formulierung zum Ausdruck, dass von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden „kann.“
37Ob, wie die Klägerin meint, hinsichtlich einer Befreiung von der südlichen Baugrenze auf dem Vorhabengrundstück auf Tatbestandsseite eine Berührung der Grundzüge der Planung verneint und die städtebauliche Vertretbarkeit bejaht werden kann, mag dahinstehen. Zumindest zweifelhaft ist, ob die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Denn die gewerbliche Nutzung der Klägerin würde möglicherweise zu Konflikten mit der benachbarten Wohnnutzung führen. Die geplante Rampe zur Frühanlieferung wie auch der vorgesehene Schneckenverdichter, die nach der Planung im Allgemeinen Wohngebiet gelegen sind, führen zu Geräuschimmissionen, deren Zumutbarkeit für die Wohnbevölkerung nicht durch ein entsprechendes Gutachten nachgewiesen ist. Aber auch die Frage der Betroffenheit von Nachbarinteressen braucht nicht abschließend beantwortet werden, weil jedenfalls das Ermessen der Beklagten nicht auf Null reduziert ist.
38Zwar besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Ausübung des Ermessens wenig Raum, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung – dies sei hier einmal unterstellt – gegeben sind. Auch die mit der Befreiungsvorschrift vom Gesetzgeber beabsichtigten Ziele der Einzelfallgerechtigkeit und städtebaulichen Flexibilität sowie der Grundsatz der Wahrung der Verhältnismäßigkeit stehen einer leichtfertigen Ermessensausübung entgegen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder dass das Ermessen stets auf Null reduziert und eine Befreiung zu erteilen ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen. Erforderlich für eine negative Ermessensentscheidung ist nur, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen. Im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB zulässige Ermessenserwägungen können auch öffentliche Belange und private Interessen betreffen, die im Befreiungstatbestand zu prüfen sind, etwa im Rahmen der Befreiungsgründe oder bei der Frage, ob die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Voraussetzung für eine negative Ermessensentscheidung in beiden Fällen ist allerdings, dass diese Belange und Interessen hinreichend gewichtig, dem Interesse des Bauherrn im Gewicht also nicht kategorisch untergeordnet sind.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2002 – 4 C 13.01 –, juris, Rz. 31 ff.; BayVGH, Urteil vom 09.08.2007 – 25 B 05.3055 –, juris, Rz. 43 ff.
40Auch im Falle einer bauplanungsrechtlichen Befreiung wäre beim derart umschriebenen Ermessensspielraum eine Ermessensreduktion auf Null erst dann gegeben, wenn als einzige rechtmäßige Entscheidung lediglich die Erteilung der benötigten Befreiung in Betracht kommt und keine andere rechtmäßige Entscheidung der Behörde möglich ist. Die Ermessensreduktion auf Null hat Ausnahmecharakter, denn sonst würde sie zu einer die Funktionentrennung überspielenden Verschiebung der Verantwortung von den Verwaltungsbehörden auf die Gerichte führen.
41Vgl. insofern zur Ermessensreduktion auf Null allgemein: BVerwG, Beschluss vom 15.01.1988 – 7 B 182.87 –, juris, Rz. 6.
42Vorliegend müsste eine Ermessensentscheidung der Baugenehmigungsbehörde nicht zwangsläufig die Erteilung einer Befreiung von der südlichen Baugrenze zur Folge haben. Daher ist ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer entsprechenden Befreiung zu verneinen. Wenngleich die Rechtmäßigkeit einer solchen Befreiung nicht offensichtlich ausgeschlossen scheint, dürfte die Beklagte jedenfalls bei Würdigung der nachbarlichen Interessen in vertretbarer Weise zu einer anderen Ermessensentscheidung kommen und die Befreiung ablehnen. Insoweit wäre zu berücksichtigen, dass die auf dem Vorhabengrundstück verlaufenden Baugrenzen zugleich das innerhalb der Baugrenzen festgesetzte Mischgebiet (MI) von der Baugebietsfestsetzung „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) trennen. Mit der Festsetzung der südlichen Baugrenze hat der Satzungsgeber vor allem den Zweck verfolgt, die Entfernung der im Mischgebiet zulässigen Nutzung von der südlich benachbarten Wohnnutzung in einem beiderseits verträglichen Maß zu sichern. Zudem würde der Discounter-Markt durch die begehrte Erweiterung teilweise im benachbarten Allgemeinem Wohngebiet liegen. Zwar wäre die geplante Nutzung im hier betroffenen Allgemeinen Wohngebiet nicht bereits deshalb unzulässig, weil es sich um sogenannten großflächigen Einzelhandel
43– s. dazu BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 – 4 C 10.04 –, juris, Rz. 12 ff. –
44handelt. Denn die Baunutzungsverordnung 1968, die hier maßgeblich ist, da der einschlägige Bebauungsplan aus dem Jahre 1970 stammt,
45vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 05.12.1986 – 4 C 31.85 –, juris, Rz. 21,
46sah eine der einschränkenden Vorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 vergleichbare Regelung, wonach großflächige Einzelhandelsbetriebe im Wesentlichen außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind, nicht vor. Dennoch würde im hier betroffenen Allgemeinen Wohngebiet ein Konflikt zwischen Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung entstehen, der gerade mit Blick auf die geplante Frühanlieferung, den Schneckenverdichter und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen zugunsten der Wohnbevölkerung und damit zulasten der Klägerin entschieden werden könnte. Das Interesse, die Wohnruhe vor störenden Immissionen zu schützen, ist gegenüber dem Erweiterungsinteresse der Klägerin hinreichend gewichtig und keinesfalls kategorisch unterzuordnen.
47Da die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung von der südlichen Baugrenze hat, kann offen bleiben, ob ein solcher Anspruch hinsichtlich der südlich der Baugrenze festgesetzten Straßenbegrenzungslinie sowie der daran anschließend festgesetzten öffentlichen Parkflächen besteht.
48Der auf die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheides i.S.v. § 71 BauO NRW gerichtete Hilfsantrag ist aus den dargelegten Gründen ebenso unbegründet.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.
(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.
(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.
(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
- 1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
(1) Werden durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt oder wird durch die Aufstellung eines Bebauungsplans in einem Gebiet nach § 34 der sich aus der vorhandenen Eigenart der näheren Umgebung ergebende Zulässigkeitsmaßstab nicht wesentlich verändert oder enthält er lediglich Festsetzungen nach § 9 Absatz 2a oder Absatz 2b, kann die Gemeinde das vereinfachte Verfahren anwenden, wenn
- 1.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht vorbereitet oder begründet wird, - 2.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter bestehen und - 3.
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(2) Im vereinfachten Verfahren kann
- 1.
von der frühzeitigen Unterrichtung und Erörterung nach § 3 Absatz 1 und § 4 Absatz 1 abgesehen werden, - 2.
der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Veröffentlichung im Internet nach § 3 Absatz 2 durchgeführt werden, - 3.
den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Beteiligung nach § 4 Absatz 2 durchgeführt werden.
(3) Im vereinfachten Verfahren wird von der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4, von dem Umweltbericht nach § 2a, von der Angabe nach § 3 Absatz 2 Satz 4, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, sowie von der zusammenfassenden Erklärung nach § 6a Absatz 1 und § 10a Absatz 1 abgesehen; § 4c ist nicht anzuwenden. Bei der Beteiligung nach Absatz 2 Nummer 2 ist darauf hinzuweisen, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird.
(1) Verfahren nach diesem Gesetz, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, werden nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Ist mit gesetzlich vorgeschriebenen einzelnen Schritten des Verfahrens noch nicht begonnen worden, können diese auch nach den Vorschriften dieses Gesetzes durchgeführt werden.
(2) Die Vorschriften des Dritten Kapitels Zweiter Teil Vierter Abschnitt zur Planerhaltung sind auch auf Flächennutzungspläne und Satzungen entsprechend anzuwenden, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen dieses Gesetzes in Kraft getreten sind. Unbeschadet des Satzes 1 sind auf der Grundlage bisheriger Fassungen dieses Gesetzes unbeachtliche oder durch Fristablauf unbeachtliche Fehler bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen und Satzungen auch weiterhin für die Rechtswirksamkeit dieser Flächennutzungspläne und Satzungen unbeachtlich. Abweichend von Satz 1 sind für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden.
(3) Auf der Grundlage bisheriger Fassungen dieses Gesetzes wirksame oder übergeleitete Pläne, Satzungen und Entscheidungen gelten fort.
(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.
(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.
(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.
(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.
(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, - 2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung, - 3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung, - 4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, - 5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes, - 6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge, - 7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere - a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt, - b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes, - c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt, - d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter, - e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern, - f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie, - g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts, - h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden, - i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d, - j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
- 8.
die Belange - a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, - b)
der Land- und Forstwirtschaft, - c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, - d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus, - e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit, - f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
- 9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung, - 10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften, - 11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung, - 12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden, - 13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung, - 14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.
(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.
(1) Abweichend von § 233 Absatz 1 werden Verfahren für Bauleitpläne und Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1 und § 35 Absatz 6, die nach dem 20. Juli 2004 förmlich eingeleitet worden sind oder die nach dem 20. Juli 2006 abgeschlossen werden, nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende geführt.
(2) Abweichend von Absatz 1 finden auf Bebauungsplanverfahren, die in der Zeit vom 14. März 1999 bis zum 20. Juli 2004 förmlich eingeleitet worden sind und die vor dem 20. Juli 2006 abgeschlossen werden, die Vorschriften des Baugesetzbuchs in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung weiterhin Anwendung. Ist mit gesetzlich vorgeschriebenen einzelnen Verfahrensschritten noch nicht begonnen worden, können diese auch nach den Vorschriften dieses Gesetzes durchgeführt werden.
(3) § 4 Absatz 3 und § 4c gelten nur für Bauleitpläne, die nach Absatz 1 oder 2 nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende geführt werden.
(4) (weggefallen)
(5) Die Gemeinden können Satzungen, die auf der Grundlage des § 19 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung erlassen worden sind, durch Satzung aufheben. Die Gemeinde hat diese Satzung ortsüblich bekannt zu machen; sie kann die Bekanntmachung auch in entsprechender Anwendung des § 10 Absatz 3 Satz 2 bis 5 vornehmen. Unbeschadet der Sätze 1 und 2 sind Satzungen auf der Grundlage des § 19 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung nicht mehr anzuwenden. Die Gemeinde hat auf die Nichtanwendbarkeit dieser Satzungen bis zum 31. Dezember 2004 durch ortsübliche Bekanntmachung hinzuweisen. Die Gemeinde hat das Grundbuchamt um Löschung eines von ihr nach § 20 Absatz 3 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung veranlassten Widerspruchs zu ersuchen.
(6) Für eine auf der Grundlage des § 22 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung wirksam erlassene Satzung bleibt § 22 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung bis zum 30. Juni 2005 weiterhin anwendbar. Auf die Satzung ist § 22 in der geltenden Fassung anzuwenden, wenn beim Grundbuchamt vor Ablauf des 30. Juni 2005 eine den Anforderungen des § 22 Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechende Mitteilung der Gemeinde eingegangen ist. Ist die Mitteilung hinsichtlich der Satzung nicht fristgerecht erfolgt, ist die Satzung auf die von ihr erfassten Vorgänge nicht mehr anzuwenden. Eine Aussetzung der Zeugniserteilung nach § 22 Absatz 6 Satz 3 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung ist längstens bis zum 30. Juni 2005 wirksam. Die Baugenehmigungsbehörde hat das Grundbuchamt um Löschung eines von ihr nach § 20 Absatz 3 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung oder auf Grundlage von Satz 1 oder 4 in Verbindung mit § 20 Absatz 3 in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung veranlassten Widerspruchs im Grundbuch zu ersuchen, wenn die Satzung nicht mehr anwendbar ist oder die Aussetzung der Zeugniserteilung unwirksam wird.
(7) § 35 Absatz 5 Satz 2 gilt nicht für die Zulässigkeit eines Vorhabens, das die Nutzungsänderung einer baulichen Anlage zum Inhalt hat, deren bisherige Nutzung vor dem 20. Juli 2004 zulässigerweise aufgenommen worden ist.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
(1) Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden.
(2) Für sonstige Sondergebiete sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht
Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, auch mit einer Mischung von Fremdenbeherbergung oder Ferienwohnen einerseits sowie Dauerwohnen andererseits,
Ladengebiete,
Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe,
Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse,
Hochschulgebiete,
Klinikgebiete,
Hafengebiete,
Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Windenergie und solare Strahlungsenergie, dienen.
(3)
- 1.
Einkaufszentren, - 2.
großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, - 3.
sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.