Verwaltungsgericht Köln Anerkenntnisurteil, 21. Aug. 2014 - 20 K 1468/08
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, die über den Kläger beim Bundesamt für Verfassungsschutz gespeicherten Daten zu löschen und die Personenakte des Klägers zu vernichten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
1Der Kläger beantragte in seiner Eigenschaft als Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender der Fraktion E. M. unter dem 22.06.2006, gestützt auf § 15 Abs. 1 BVerfSchG, Akteneinsicht beim Bundesamt für Verfassungsschutz der Beklagten, da er im Hinblick auf mehrere Presseinformationen vermute, dass auch über ihn personenbezogene Daten gesammelt und gespeichert würden.
2Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 06.09.2006 mit, dass sie den Akteneinsichtsantrag in einen Auskunftsantrag umdeute und erteilte mit Bescheid vom 05.03.2007 dem Kläger zahlreiche Auskünfte, lehnte jedoch eine weitergehende Auskunftserteilung, gestützt auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG sowie zusätzlich auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BVerfSchG, ab.
3Hiergegen legte der Kläger unter dem 30.03.2007 Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Löschung bzw. Vernichtung der ihm mitgeteilten Daten. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Auskunftsverweigerung zurück; mit Bescheid vom 24.09.2007 wurde der Antrag auf Löschung bzw. Vernichtung der mitgeteilten Daten zurückgewiesen.
4Gegen den letztgenannten Bescheid erhob der Kläger unter dem 25.10.2007 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2008 zurückwies.
5Am 25.02.2008 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Löschung bzw. Vernichtung der Daten weiterverfolgt.
6Die Beklagte hat im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.09.2013 – 2 BvR 2436/10 und 2 BvE 6/08 - mit Schriftsatz vom 13.03.2014 erklärt, die zum Kläger gespeicherten Daten gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG zu löschen und die Personenakte des Klägers zu vernichten. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11.06.2014 gebeten, über die Klage angesichts der Erklärung der Beklagten vom 13.03.2014 durch Anerkenntnisurteil zu entscheiden.
7Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme nicht abgegeben.
8Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
9Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
10Entscheidungsgründe
11Die Kammer kann aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
12Der Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils ist zulässig und begründet.
13Ein Anerkenntnisurteil ist im Verwaltungsprozess zulässig. Es ist dem Beklagten grundsätzlich unbenommen, den gegen ihn mit der Klage geltend gemachten Anspruch anzuerkennen. § 307 ZPO ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die die Befugnis der Beteiligten sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Dieser Grundsatz gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Das (vorliegend mit Schriftsatz vom 13.03.2014 sinngemäß abgegebene) Anerkenntnis stellt in diesem Zusammenhang ein geeignetes Mittel dar, den Kläger ganz oder teilweise klaglos zu stellen.
14Die Beklagte ist auch berechtigt, über den geltend gemachten Anspruch auf Löschung bzw. Vernichtung der vorgenommenen personengebundenen Datensammlung zu verfügen.
15Dem Antrag des Klägers auf Erlass eines Anerkenntnisurteils nach den §§ 173 S. 1 S. 1 VwGO, 307 S. 1 ZPO war demnach zu entsprechen. Einer materiellen Prüfung des geltend gemachten Begehrens bedarf es nicht mehr.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1VwGO.
17Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz erteilt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt. Zu personenbezogenen Daten in Akten erstreckt sich die Auskunft auf alle Daten, die über eine Speicherung gemäß § 10 Absatz 1 auffindbar sind.
(2) Die Auskunftserteilung unterbleibt, soweit
- 1.
eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, - 2.
durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist, - 3.
die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder - 4.
die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheimgehalten werden müssen.
(3) Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich nicht auf die Herkunft der Daten und die Empfänger von Übermittlungen.
(4) Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen. Wird die Auskunftserteilung abgelehnt, ist der Betroffene auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung und darauf hinzuweisen, daß er sich an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ist auf sein Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit nicht das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Einzelfall feststellt, daß dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. Mitteilungen des Bundesbeauftragten an den Betroffenen dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des Bundesamtes für Verfassungsschutz zulassen, sofern es nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt.
(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind.
(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Die Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß durch sie schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Falle ist die Verarbeitung einzuschränken. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden.
(3) Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach § 3 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 sind spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, die zuständige Abteilungsleitung oder deren Vertretung trifft im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung.
(4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verwendet werden.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.