Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Feb. 2015 - 14 K 5863/14.A

ECLI:ECLI:DE:VGK:2015:0210.14K5863.14A.00
10.02.2015

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Oktober 2014 wird aufgehoben.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.


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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Feb. 2015 - 14 K 5863/14.A zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut

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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 07. März 2014 - 1 A 21/12.A

bei uns veröffentlicht am 07.03.2014

Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläg

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 16. Juli 2013 - 1 B 185/13

bei uns veröffentlicht am 16.07.2013

Tenor Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.04.2013 gegen die Zuweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.04.2013 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilf

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.04.2013 gegen die Zuweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.04.2013 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, bewilligt.

Gründe

1

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO, über den gemäß § 76 Abs. 4 S. 1 AsylVfG der Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden hat, hat Erfolg.

2

Zwar ist entgegen des Verweisungsbeschlusses der 29. Kammer des Verwaltungsgerichts A-Stadt vom 18.04.2013 (VG 29 L 85.13 u. VG 29 K 86.13) das Verwaltungsgericht Magdeburg nicht örtlich zuständig. Vielmehr folgt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts A-Stadt aus § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO. Eine vorrangige Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Magdeburg gemäß § 52 Nr. 2 S. 3, 1. Hs. VwGO ist nicht begründet. Danach ist bei Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat, örtlich zuständig. Allerdings steht vorliegend gerade die zuständigkeitsbegründende Verfügung der Antragsgegnerin im Streit. Es bleibt deshalb gemäß § 52 Nr. 2 S. 3, 2. Hs. VwGO bei der Zuständigkeit nach § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO und ist mithin im vorliegenden Rechtsstreit das Verwaltungsgericht A-Stadt zuständig (vgl. VG A-Stadt, B. v. 20.01.2012 - 30 L 1816.11 -, juris). Der Verweisungsbeschluss eröffnet jedoch die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts.

3

Der Antrag richtet sich gegen den richtigen Antragsgegner. Mit seiner Klage und seinem Antrag wendet sich der Antragsteller gegen die von dem Antragsgegner erstellte "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender" vom 08.04.2013. Auch wenn dieses Schriftstück als "Bescheinigung" überschrieben ist, stellt es sich nach dem Regelungsinhalt als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG dar, da darin u. a. bestimmt wird, dass sich der Asylsuchende unverzüglich zu der für ihn zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu begeben hat. Auch wenn insofern eine bundesweit einheitlich gestaltete Vorlage benutzt wird, ist nach dem äußeren Erscheinungsbild des Bescheides des Antragsgegners, eine Behörde des Landes A-Stadt, erlassende Behörde. Es handelt sich nach dem vorher Gesagten auch nicht lediglich um die Übermittlung der Verteilungsentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 46 Abs. 2 S. 1 AsylVfG, sondern um einen originären Bescheid des ZAA-A-Stadt nach § 22 Abs. 1 S. 2, 1. Hs., 2. Alt. AsylVfG. Die Mitteilung der als zuständig bestimmten Aufnahmeeinrichtung nach § 46 Abs. 2 S. 1 AsylVfG durch das Bundesamt stellt lediglich einen verwaltungsinternen Vorgang dar. Erst bei der aufgrund dieser Mitteilung von der veranlassenden Aufnahmeeinrichtung - hier der ZAA - erlassenen Weiterleitungsverfügung nach § 22 Abs. 1 S. 2, 1. Hs., 2. Alt. AsylVfG handelt es sich um einen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt (VG A-Stadt, B. v. 20.01.2012, a. a. O., m. w. N.). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, wie der Antragsgegner zu seiner Entscheidung gelangt, nämlich ob er diese aus einer vom Computer gespeisten Software des Bundesamtes ableitet oder - was von dem Antragsgegner widersprochen wird - er vor der Entscheidung eine eigene inhaltliche Prüfung vorgenommen hat.

4

Die von dem Antragsteller erhobene Klage 1 A 128/13 MD hat deswegen Aussichten auf Erfolg, weil die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zuweisungsentscheidung insbesondere von der Beantwortung der derzeit noch offenen Frage abhängig ist, ob der Antragsteller tatsächlich volljährig ist, wovon der Antragsgegner ausgeht. Das Alter hat er jedoch nur durch "Inaugenscheinnahme" nach einem "Verfahren der Altersschätzung" festgesetzt und hält das Gericht diese Vorgehensweise nicht für rechtmäßig. Der Antragsteller selbst hat angegeben, am 24.12.1996 geboren zu sein. Nach der Inaugenscheinnahme des Antragstellers durch den Antragsgegner wurde der Geburtstag fiktiv auf den 31.12.1994 festgesetzt auf der Grundlage des Aussehens des Antragstellers, sodass das 18. Lebensjahr infolge der Schätzung vollendet gewesen und zuvor Volljährigkeit eingetreten wäre.

5

Dieses Verfahren reicht jedoch für eine zureichende Alterseinschätzung nicht aus.

6

Zwar treffen einen Asylbewerber gemäß § 15 AsylVfG Mitwirkungspflichten, zu denen auch die Vorlage von in seinem Besitz befindlichen Urkunden gehört, die die Identitätsfeststellung ermöglichen. Die erhobenen Daten dürfen auch nach Maßgabe des § 16 AsylVfG zur Überprüfung verwendet werden. Ein unbegründeter Asylantrag kann zudem gemäß § 30 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn der Ausländer u. a. offenkundig falsche und widersprüchliche Angaben macht (Abs. 3 Nr. 1) oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht (Abs. 3 Nr. 2). Eine Rechtsvorschrift, die es erlaubt, dem Asylbewerber wegen Zweifeln an seiner Altersangabe ohne weitere Ermittlungen oder Untersuchungen ein anderes Geburtsdatum zuzuordnen und dies dann als Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen zu verwenden, existiert jedoch nicht. Gerade weil Art. 6 Dublin-II-VO Minderjährige besonders schützen will und wegen der unter Umständen erheblichen negativen Folgen, die einen Minderjährigen, der als Volljähriger behandelt wird, treffen können, geht es keinesfalls an, Zweifel aufgrund des äußeren Anscheins zu einer gesetzlich nicht gedeckten "Altersfeststellung" zu nutzen, um auf dieser Grundlage einen möglicherweise tatsächlich Minderjährigen als Volljährigen rechtlich zu behandeln.

7

Ein Asylbewerber hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (Hess. VGH, B. v. 08.06.1990, InfAuslR 1991, 54). Dem Gebot einer ermessensgerechten Einbeziehung der Interessen des Antragstellers wird der angefochtene Bescheid vom 08.04.2013 zumindest so lange nicht gerecht, wie sich der Antragsgegner mit dem bloßen Verweis auf eine fiktive Altersfeststellung begnügt. Vielmehr besteht eine Verpflichtung des Antragsgegners, vor der Verweisung des Antragstellers als Volljährigen an eine Aufnahmeeinrichtung zunächst eine rasche Klärung der strittigen Altersfrage zu bewirken und eine entsprechende Entscheidung abzuwarten. Tut dies die Behörde nicht, verletzt sie ihre Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts, auf dessen Basis erst eine sachgerechte Ausübung des Ermessens möglich ist. Die anderenfalls (möglicherweise) verletzten Schutzrechte eines minderjährigen Asylbewerbers verlangen ein derartiges Vorgehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes spricht Einiges dafür, einem nach eigener Behauptung minderjährigen Asylbewerber aus Gründen des Minderjährigenschutzes bis zum "medizinischen Beweis des Gegenteils" diesen als Minderjährigen zu behandeln. Denn auch wenn der nach dem "Verfahren der Alterseinschätzung" gewonnene persönliche Eindruck der von dem Antragsgegner betrauten Fachkräfte letztlich die Volljährigkeit des Antragstellers zu bestätigen vermag, entbindet dies den Antragsgegner nicht, eine Altersfeststellung des Antragstellers durch ein medizinisches Sachverständigengutachten, wie etwa ein zahnärztliches Gutachten oder eine körperliche Untersuchung zu bewirken.

8

Danach war dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO bereits deshalb Erfolg beschieden, weil dem Gericht erstmalig mit dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 20.06.2013 bekannt wurde, dass der Antragsteller gegen den Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 05.04.2013, durch den die Beendigung seiner Inobhutnahme in einer Berliner Jugendhilfeeinrichtung verfügt hat, vor dem Verwaltungsgericht A-Stadt angegriffen hat und der Bescheid vom 05.04.2013 mithin noch nicht bestandskräftig/rechtskräftig geworden ist. Seinem Eilrechtsschutzbegehren steht mithin weiter die Inobhutnahme in einer Berliner Jugendhilfeeinrichtung zur Seite.

9

Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang vorträgt, der Antragsteller könne sich nicht auf die Regelung des § 42 SGB VIII berufen, weil die dort enthaltenen jugendhilferechtlichen Vorschriften nicht die Frage entschieden, an welchem Ort der Betreffende untergebracht werden müsse, sondern nur, ob dieser in eine Jugendeinrichtung oder eine Einrichtung für Erwachsende aufgenommen werden müsse, die Frage des Aufenthaltsortes sei vielmehr allein Inhalt der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, dringt er damit nicht durch. Denn die Inobhutnahme eines Minderjährigen nach § 42 SGB VIII geht gerade im Hinblick auf den Schutz von Minderjährigen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Dublin-II-VO, den Verteilungsregelungen des Asylverfahrensgesetzes vor, die gerade keinen entsprechenden Berücksichtigung bei der Verteilung von Minderjährigen enthalten. Die Inobhutnahme von Minderjährigen soll gerade erreichen, dass diese losgelöst von ihrer Asylverfahrensantragstellung einer besonderen Fürsorge des Staates unterworfen sind, bei dem sie den Asylantrag gestellt haben. Deshalb bedurfte es auch keiner ausdrücklichen (klarstellenden) Regelung der Bestimmungen des § 42 SGB VIII im Asylverfahrensgesetz. Nur die Minderjährigkeit des Asylantragstellers regelt mithin die Frage, in welche Einrichtung dieser unterzubringen ist, die Frage seines Aufenthaltsortes ergibt sich daraus als Rechtsfolge. Denn wenn im Rahmen des § 42 SGB VIII nur das Jugendamt berechtigt und verpflichtet ist, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut mit den entsprechenden Rechtsfolgen zu nehmen, kann dieses zuständige Jugendamt auch nur den Aufenthaltsort des Jugendlichen/Minderjährigen bestimmen, für den dieses Jugendamt zuständig ist. Dies kann mithin nur eine das jeweilige Bundesland betreffende Entscheidung sein und schließt dies von daher auch die Zuweisung in eine Jugendhilfeeinrichtung eines anderen Bundeslandes aus.

10

Danach war dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO stattzugeben.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

12

Aus den vorgenannten Gründen war dem Antragsteller zudem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B., A-Stadt, für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu gewähren war.

13

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.