Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 11. Juli 2017 - 9 AE 3225/17

bei uns veröffentlicht am11.07.2017

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 13. März 2017 (9 A 3224/17) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. März 2017 wird angeordnet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.

1

Der Antrag vom 13. März 2017, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 A 3224/17 anzuordnen, ist zulässig (1.) und begründet (2.).

2

1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO hinsichtlich der gemäß § 75 Satz 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG statthafte, am 13. März 2017 eingegangene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig. Die gemäß §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG geltende Antrags- und Klagefrist von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheids – hier am 8. März 2017 – wurde eingehalten.

3

2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, juris Rn. 97 ff.). Im Fall offener Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ist auch im Rahmen des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG eine Interessenabwägung vorzunehmen (VG München, Beschl. v. 20.6.2017, M 17 S 17.41548, juris Rn. 12; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 8.3.2016, 5a L 423/16.A, juris Rn. 19).

4

Gemessen an diesem Maßstab ist der Antrag vom 13. März 2017 begründet. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist offen [a)] und die deshalb anzustellende Interessenabwägung geht zu Gunsten des Antragstellers aus [b)].

5

a) Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Juni 2017 (1 C 26/16) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV u.a. die folgenden Fragen vorgelegt: Darf ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden, wenn ein anderer EU-Mitgliedstaat bereits Flüchtlingsschutz gewährt hat, in diesem Mitgliedstaat anerkannten Flüchtlingen aber

6

a) keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen gewährt werden, sie insoweit aber nicht anders behandelt werden als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates?

7

b) die Rechte nach Art. 20 ff. RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zwar gewährt wer-den, sie aber faktisch erschwerten Zugang zu den damit verbundenen Leistungen haben oder solchen Leistungen familiärer oder zivilgesellschaftlicher Netzwerke haben, die staatliche Leistungen ersetzen oder ergänzen?

8

Bis zur Entscheidung des EuGH hat das Bundesverwaltungsgericht das Revisionsverfahren ausgesetzt. Diese zu den Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Italien ergangene Rechtsprechung lässt sich auf die Verhältnisse in Griechenland übertragen, denn nach der bestehenden Auskunftslage ist ebenfalls nicht geklärt, ob in Griechenland die Anforderungen der Art. 20 ff. der EU-Qualifikationsrichtlinie eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund ist derzeit offen und Bedarf einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nach Klärung der Vorlagefragen durch den EuGH, ob der Antragsteller angesichts der Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland auf europarechtskonforme Weise nach Griechenland abgeschoben werden darf.

9

b) Bei der deshalb vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes das öffentliche Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung. Für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Antragsteller angesichts der Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland auf europarechtskonforme Weise nicht nach Griechenland abgeschoben werden darf, würde er bei einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung auf europarechtswidrige Weise diesen Lebensbedingungen und den damit einhergehenden Gefahren jedenfalls für sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ausgesetzt werden. Demgegenüber sind die öffentlichen Interessen an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung, insbesondere die Verhinderung des Bezuges weiterer Sozialleistungen für die Dauer des Verfahrens, geringer einzustufen.

II.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 11. Juli 2017 - 9 AE 3225/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 11. Juli 2017 - 9 AE 3225/17

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 11. Juli 2017 - 9 AE 3225/17 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 36 Verfahren bei Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und bei offensichtlicher Unbegründetheit


(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche. (2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Ent

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 75 Aufschiebende Wirkung der Klage


(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 11. Juli 2017 - 9 AE 3225/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 11. Juli 2017 - 9 AE 3225/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Juni 2017 - M 17 S 17.41548

bei uns veröffentlicht am 20.06.2017

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 13. Mai 2017 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der Antragsteller ist Staat

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 08. März 2016 - 5a L 423/16.A

bei uns veröffentlicht am 08.03.2016

Tenor 1. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T.         aus H.             bewilligt. 2. Die aufschiebende Wirkung der in dem Verfahren 5a K 812/16.A erhobenen Klage gegen die in dem Bescheid des C.

Referenzen

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 13. Mai 2017 wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von … und reiste im August 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 6. Juli 2015 Asylantrag.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … Februar 2017 gab er im Wesentlichen an, dass er, als er 13 oder 14 Jahre alt gewesen sei, gemerkt habe, dass er sexuell sehr zu Männern hingezogen sei. Er habe ein Verhältnis zu beiden Zimmerkollegen im Internat der Koranschule gehabt. Im Februar 2014 sei er von der Leitung der Koranschule beim Geschlechtsverkehr entdeckt worden. Der Leiter der Koranschule habe ihn in einen Raum gebracht und er sei stundenlang zusammengeschlagen worden. Aufgrund der Misshandlungen sei er bewusstlos geworden und im Krankenhaus wieder zu sich gekommen. Die Polizei habe eine Untersuchung durchgeführt und die Familien der anderen Jungen sowie bestimmte Leute von der politischen Partei befragt. Die beiden Zimmerkollegen hätten ausgesagt, dass der Antragsteller sie zu unsittlichen Handlungen verführt habe. Auf Grundlage der Scharia habe er getötet werden sollen. Die Polizei habe auch beim zuständigen Gemeinderat Nachfragen angestellt, der gesagt habe, dass der Vater des Antragstellers nach der Teilung Pakistans mit Pakistan zusammengearbeitet habe und ein Landesverräter sei. Danach sei sein Bruder verhaftet worden, weil er auch ein Landesverräter sei. Die Polizei sei ins Krankenhaus gekommen, um den Antragsteller zu verhaften, wie ihm eine Krankenschwester erzählt habe, die geraten habe, das Krankenhaus so schnell wie möglich zu verlassen. Er habe zwei Monate in einem Nachbarort verbracht und sei dann ausgereist.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2017, zugestellt am 19. Mai 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Bangladesch bzw. in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Der Antragsteller habe seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die laut Antragsteller streng religiöse Leitung der Koranschule nur den Antragsteller zur Verantwortung gezogen habe und das Verhalten den beiden anderen Zimmerkollegen nachgesehen haben solle. Unglaubhaft sei, dass das Vorgehen auf Zustimmung innerhalb des Staatswesens und seiner Organe getroffen sein solle. Die amtierende Regierungspartei vertrete eine säkulare Politik und trete für die Religionsfreiheit ein. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei der Zeitpunkt der Anzeige des Dorfvorsitzenden gegen den Vater des Antragstellers. Es sei unglaubhaft, dass dieser mit der Anzeige gewartet haben solle bis es eine Ermittlung der Polizei wegen der Vorkommnisse in der Koranschule gegeben habe. Es sei realitätsfern, dass ein Mitglied der Regierungspartei über Erkenntnisse von Landesverrat verfüge, diese aber erst beim zufälligen Erscheinen der Polizei anzeige. Darüber hinaus sei fragwürdig, dass ein Mensch, der so rigoros verfolgt sein wolle, wie der Antragsteller, bei jeder Gelegenheit fremden Menschen seine Verfolgungsgeschichte erzählen und sich damit der Gefahr weitere Verfolgung aussetzen würde. Der Vortrag sei inkonsistent, inkohärent und unplausibel. Der Antragsteller müsse sich auch darauf verweisen lassen, dass ihm eine inländische Fluchtalternative offen stünde. Es seien keine Umstände ersichtlich, warum er sich nicht einem anderen Ort niederlassen könnte. Eine Gefahr des Fortlaufens der Verfolgung oder die erneute Aufnahme einer Verfolgung sei schon wegen des nicht existenten Meldewesens nicht ausreichend wahrscheinlich. Auch subsidiärer Schutz sei abzulehnen, da dem Antragsteller offensichtlich kein ernsthafter Schaden drohe. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Dem Antragsteller drohe in Bangladesch keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Bangladesch führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe keine Schwierigkeiten, sein Existenzminimum zu sichern, vorgetragen. Es sei nicht ersichtlich, warum ihm dies bei einer Rückkehr nicht gelingen sollte. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben.

Hiergegen erhoben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 24. Mai 2017, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, Klage (M 17 K 17.41547) und beantragten,

hinsichtlich Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO.

Zur Begründung wurde auf die Anhörung des Antragstellers beim Bundesamt Bezug genommen sowie ausgeführt, dass dem homosexuellen Kläger in … die Ermordung bzw. eine unmenschliche Bestrafung drohe, weil er amtsbekannt in einer Koranschule homosexuelle Kontakte unterhalten habe.

Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.41547 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig und begründet.

Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 13. Mai 2017 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.

1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - Inf-AuslR 1993, 196).

2. Im vorliegenden Fall kann allein anhand der Aktenlage nicht festgestellt werden, dass an der Richtigkeit der vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen. Vielmehr sind die Erfolgsaussichten der Klage als offen zu bewerten, da insbesondere erst in der mündlichen Verhandlung abschließend geklärt werden kann, ob dem Kläger aufgrund seiner geltend gemachten Homosexualität Verfolgungsmaßnahmen drohen. Da die Interessen des Antragstellers insoweit überwiegen, war die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Dem (gerichtskostenfreien, § 83b AsylG) Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Tenor

  • 1. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T.         aus H.             bewilligt.

  • 2. Die aufschiebende Wirkung der in dem Verfahren 5a K 812/16.A erhobenen Klage gegen die in dem Bescheid des C.           G.   N.         V.   G1.           vom 18. Januar 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

          Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Gerichtskosten werden nicht erhoben


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.