Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 24. Jan. 2014 - 7 L 23/14
Tenor
- Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
- Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt
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G r ü n d e :
2Der gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 7 K 84/14 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2013 wiederherzustellen,
4hat in der Sache keinen Erfolg, weil die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt. Denn die Ordnungsverfügung ist bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
5Mit Rücksicht auf das Antrags- und Klagevorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen: Maßgebend ist im vorliegenden Fall zunächst, dass der Antragsteller am 8. Oktober 2013 gegen 00:43 Uhr ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr geführt hat. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des Gutachtens des Labors L. vom 16. Oktober 2013 festgestellte THC-Wert von 5,2 µg/l übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes ‑ StVG ‑ durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/g bzw. ml erheblich und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.
6Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 ‑ 1 BvR 2652/03 ‑ mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.
7Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann.
8Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 15. Dezember 2003 ‑ 19 B 2493/03 -, 7. Februar 2006 ‑ 16 B 1392/05 ‑, 9. Juli 2007 ‑ 16 B 907/07 ‑ und 1. August 2007 ‑ 16 B 908/07.
9Die Kammer geht auch davon aus, dass der Antragsteller nicht nur einmalig am Vorfallstag, sondern bereits zuvor schon und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Hierfür spricht bereits der von den Polizeibeamten gefertigte Vermerk, der Kläger habe einen gelegentlichen Konsum von THC eingeräumt. Zudem erfolgte der Konsum nach den Angaben des Klägers am Vorabend gegen ca. 23:20 Uhr, also kurze Zeit vor Fahrtantritt. Zusammen mit einem Arbeitskollegen hat der Antragsteller um diese Zeit einen Joint geraucht. Es spricht eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit dagegen, dass ein Erstkonsument, der im Umgang mit Marihuana unerfahren ist, sich nur etwa eine Stunde nach dem Konsum der Droge dem hohem Risiko einer Fahrt unter Drogeneinfluss aussetzt. In diesen Fällen ist es vielmehr grundsätzlich gerechtfertigt, auf eine mehr als einmalige, gleichsam experimentelle Drogenaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen solchen Vortrag zwar geltend macht, die Umstände des behaupteten Erstkonsums aber nicht konkret und glaubhaft darlegt.
10OVG NRW, Beschlüsse vom 27. August 2013 – 16 B 878/13 –, juris, vom 25. Juli 2011 – 16 B 784/11 –, vom 30. März 2011 – 16 B 238/11 –, und vom 29. Juli 2009 ‑ 16 B 895/09 –, juris.
11Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Antragstellers nicht. Er hat bislang keine näheren Angaben zu den konkreten Umständen wie zum Beispiel zum Anlass seines erstmaligen Cannabiskonsums gemacht.
12Demnach ist vorliegend von (mindestens) gelegentlichem Cannabis-Konsum auszugehen. Damit ist der Antragsteller nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
13Ob der Antragsteller regelmäßiger Cannabiskonsument ist, kann daher dahinstehen. Der festgestellte THC-COOH-Wert spricht hierfür entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht. In diesem Zusammenhang verweist der Antragsteller zutreffend auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. März 2004 – 19 B 148/04 -, wonach erst ein THC-COOH-Wert von 150 ng/ml den Rückschluss auf einen regelmäßigen Konsum erlaubt. Allerdings steht dieses Urteil der Annahme eines gelegentlichen Konsums nicht entgegen.
14Ein Ermessen steht dem Antragsgegner bei feststehender Ungeeignetheit nicht zu. Angesichts dessen bestehen auch keinerlei Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint zu groß, als dass sie bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Vielmehr besteht zum Schutz von Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, ihn durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Auf die damit verbundenen persönlichen Probleme muss der Antragsteller sich einstellen. Es bleibt ihm unbenommen, den Nachweis einer wiedergewonnenen Kraftfahreignung in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu führen, das dann zwingend vorgeschrieben ist (§ 14 Abs. 2 FeV).
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, Beschluss vom 4. Mai 2009 ‑ 16 E 550/09 -, nrwe.de/juris.
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Referenzen - Gesetze
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80
Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit

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