Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 05. Okt. 2016 - 14 L 2356/16
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 6579/16 -des Antragstellers gegen die in Ziffer 1. der Versammlungsbestätigung des Antragsgegners vom 30. September 2016 enthaltene Auflage zur Durchführung der Versammlung als Standkundgebung wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der aus dem Tenor ersichtliche sinngemäß gestellte Antrag hat Erfolg.
3Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.
4Nach dem derzeitigen, der Interessenabwägung zu Grunde zu legenden Sach- und Streitstand überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug der beschränkenden Auflage das Suspensivinteresse des Antragstellers nicht, da sich die Auflage, die Kundgebung an Stelle des angemeldeten Aufzugs über eine rund 3,8 km lange Strecke in der südlichen Dortmunder Innenstadt, nur als Standkundgebung auf der Bahnhofstraße, in einem vor Ort mit den Einsatzkräften abzustimmenden Bereich durchzuführen, voraussichtlich als rechtswidrig erweist. Auch im Rahmen einer allgemeinen Vollzugsfolgenabwägung lässt sich ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug der beschränkenden Auflage nicht feststellen.
5Unstreitig unterfällt die von dem Antragsteller angemeldete Kundgebung dem Schutzbereich des Art. 8 Grundgesetz (GG).
6Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Versammlungsgesetz (VersG) sind vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsgegner hat bislang nicht hinreichend dargelegt, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung zu erkennenden Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
7Erforderlich ist insoweit eine auf die konkrete Versammlung bezogene Gefahrenprognose, die auf erkennbaren Umständen beruhen muss, also auf nachweisbaren Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Erkenntnissen. Bloße Spekulationen, Vermutungen und Mutmaßungen im Hinblick auf einen Schadenseintritt reichen nicht aus.
8Die umfangreiche, durch zahlreiche Wiederholungen geprägte Begründung der hier streitgegenständlichen beschränkenden Auflage trägt die Prognose, von der Versammlung gingen Gefahren aus, welche auf der Grundlage des § 15 VersG eine Einschränkung der durch Art. 8 GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit zum Schutz der öffentlichen Sicherheit erforderten, nicht.
9Im Kern beschränkt sich die Begründung tatsachengestützt darauf, dass es aufgrund polizeilicher Erkenntnisse zu erwarten sei, dass an der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung auch Personen teilnehmen werden, die der sogenannten „Hooligan-Szene“ zuzurechnen sind und dass die dieser Szene zuzurechnenden Personen - in der Regel im Zusammenhang mit Fußballspielen - von den Polizeibehörden als „gewaltbereit“ oder „gewaltsuchend“ eingestuft sind. Außerdem stützt sich die Prognose darauf, dass es in der Vergangenheit, vor allen Dingen 2014 in Köln, zu teilweise erheblichen Übergriffen auf Polizisten gekommen ist und auf die dem Gericht aus anderen Verfahren bekannte Tatsache, dass es zwischen der „linken“ und „rechten“ Szene in Dortmund zu Auseinandersetzungen gekommen ist, in deren Zusammenhang auch immer wieder gewalttätige Übergriffen stattfanden.
10Der Begründung der Verfügung lässt sich jedoch nicht entnehmen, warum aus diesen allgemeinen Erkenntnissen der Schluss zu ziehen ist, von der konkret angemeldeten Versammlung des Antragstellers gehe eine Gefahr aus, der nur durch die Beschränkung der Versammlung auf eine Standkundgebung auf der Bahnhofstraße zu begegnen sei.
11Soweit darauf abgestellt wird, die angemeldete Teilnehmerzahl von 300 sei unzutreffend und es sei mit mindestens 1.000 Teilnehmern zu rechnen, ist schon diese Grundannahme - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Versammlung des Antragstellers im Internet bundesweit beworben wird - bislang nicht durch Tatsachen belegt. Dazu heißt es im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners in einem Vermerk zur Erkenntnislage (Bl. 96) sogar ausdrücklich wie folgt: “Eine Zahl im niedrigen vierstelligen Bereich wird aufgrund polizeilicher Erkenntnisse und Erfahrungen anzunehmen sein. Dies kann jedoch nicht durch Tatsachen belegt werden“. In der Begründung der Auflagenverfügung wird gleichwohl - gestützt auf Erkenntnisse der örtlichen Polizeibehörden - ausgeführt, dass führende Personen der als Teilnehmer der Versammlung in Betracht kommenden „Szene“ in ihren eigenen Internetauftritten für eine Teilnahme an der Versammlung werben. Konkret werde daher mit der Anreise von Teilnehmern aus Bremen, München, Aachen, Duisburg, Oberhausen, Solingen und Braunschweig gerechnet, sowie mit der Teilnahme von Mitgliedern der Dortmunder „rechten“ Szene. Die in der Begründung der Auflagenverfügung angegebenen Zahlen beziehen sich auf die polizeibekannten „Mitglieder“ der in den genannten Städten ansässigen Gruppen. Unterstellt, diese „Gruppen“ würden vollständig zu der Versammlung des Antragstellers anreisen, ergibt sich daraus eine Teilnehmerzahl von rund 250 Personen, die als aufgrund polizeilicher Erkenntnisse tatsachengestützt angesehen werden kann. Dies entspricht in etwa der Teilnehmerzahl, welche der Antragsteller angemeldet hat.
12Unabhängig davon ist, auch wenn von der durch den Antragsgegner zugrundegelegten Teilnehmerzahl von 1.000 Personen auszugehen wäre, auch hier weder tatsachengestützt belegt, dass die Versammlung einen unfriedlichen Verlauf nehmen wird, noch dass allein die Beschränkung auf eine Standkundgebung als Mittel in Betracht kommt, um dieser Gefahr zu begegnen.
13Allein der Umstand, dass an der Versammlung auch Personen teilnehmen, die aufgrund ihrer andernorts deutlich gewordenen Neigung zu Gewalttätigkeiten als abstrakt gefährlich angesehen werden können, rechtfertigt keine beschränkenden Auflagen nach dem Versammlungsrecht. Etwaige Straftaten einzelner Versammlungsteilnehmer rechtfertigen ein Einschreiten gegen die gesamte Versammlung nur unter strengen Voraussetzungen. Die Unfriedlichkeit einer Versammlung kann erst dann angenommen werden, wenn eine Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der Veranstalter und sein Anhang Gewalttätigkeiten beabsichtigen oder ein solches Verhalten anderer zumindest billigen werden. Unfriedlich ist eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden. Das unfriedliche Verhalten Einzelner kann nicht für die gesamte Versammlung zum Verlust oder auch der Einschränkung des Grundrechtsschutzes führen, wobei bei Anwendung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben keine rein zahlenmäßige Betrachtung in dem Sinne anzustellen ist, dass bei Gewalttätigkeit von mehr als der Hälfte der Versammlungsteilnehmer der Grundrechtsschutz entfallen würde. Vielmehr bleibt entscheidend, ob die Versammlung im Ganzen zumindest mit Billigung des Veranstalters oder seines Anhangs einen gewalttätigen Verlauf nehmen wird.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2015 - 15 B 1201/15 -, Juris
15Die in der Begründung der Verfügung sowie der in dem vorgelegten Verwaltungsvorgang enthaltenen Gefahrenprognose erfolgte Darstellung von Vorkommnissen bei in der Vergangenheit von Angehörigen der „Hooligan-Szene“ durchgeführten Versammlungen oder in deren Umfeld trägt die streitgegenständliche Auflage nicht.
16Nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts, die auf die Konzeption der Grundrechte als Abwehrrechte abgestimmt sind, liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Verbotsgründen bei der Behörde. Dies gilt auch für das aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nach § 15 VersG ebenfalls statthafte mildere Mittel der beschränkenden Auflage.
17Als für eine Gefahrenprognose maßgebliche Vorgängerversammlungen sind in erster Linie diejenigen Veranstaltungen heranzuziehen, die bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen. Haben sich bei Veranstaltungen an anderen Orten mit anderen Beteiligten Gefahren verwirklicht, so müssen besondere, von der Behörde bezeichnete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ihre Verwirklichung ebenfalls bei der nunmehr geplanten Versammlung zu befürchten sei. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde oder den Gerichten zu Grunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, so haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen.
18Vgl. BVerfG, einstweilige Anordnung vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, m.w.N., Juris
19Vorliegend ist bei der anzustellenden Gefahrenprognose zunächst zu berücksichtigen, dass sich die sogenannte „Hooligan-Szene“ - soweit sie hier im „politischen Bereich“ in Erscheinung tritt - sich zu Beginn des Jahres 2015 aufgeteilt hat. Davon geht auch der Antragsgegner aus.
20Vor diesem Hintergrund ist hinsichtlich der von HoGeSa im Oktober 2014 in Köln durchgeführten Versammlung, die zu den hinlänglich bekannten Ausschreitungen und Krawallen geführt hat,- unabhängig davon, ob diese Ausschreitungen durch unzureichendes polizeiliches Einschreiten begünstigt wurden -
21vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 11. September 2015 - 4 Bs 192/15 - Juris, Rdnr. 15,
22schon allein mit Blick auf den Teilnehmer und Organisatorenkreis fraglich, ob die Ausschreitungen in Köln überhaupt für die hier zu treffende Gefahrenprognose herangezogen werden können.
23Soweit auf die HoGeSa Demonstrationen in Köln im November 2014, in Hannover im November 2014 sowie im Oktober 2015 in Köln und die GsD Demonstration im April 2016 in Magdeburg abgestellt wird, sind die Angaben des Antragsgegners zu Umfang, Intensität und Folgen der angeführten Tätlichkeiten nicht dazu geeignet, den Schluss zuzulassen, dass die Versammlung selbst die Schwelle zur Gewaltanwendung überschritten hat.
24Im Gegenteil kam es bei der Versammlung in Magdeburg, die ebenfalls als Aufzug durchgeführt wurde, trotz einer nach den polizeilichen Erkenntnissen überwiegenden Anzahl von in die als „gewaltsuchend“ eingestuften Hooligans der „Kategorie C“ auch nach den Erkenntnissen des Antragsgegners offenbar zu keinen erheblichen Ausschreitungen aus der Versammlung, sondern „lediglich“ zu einem Übergriff auf einen Medienvertreter.
25Vgl. auch Bericht der Magdeburger Zeitung „Volksstimme“ vom 9. April 2016 „Demonstranten bleiben friedlich“,http://www.volksstimme.de/lokal/magdeburg/20160409/8192/kundgebung--demonstranten-bleiben-friedlich,Stand 05.10.2016, 13.30 Uhr.
26Eine solche Einzeltat rechtfertigt es nach den oben dargestellten Maßstäben nicht, die Versammlung insgesamt als gewalttätig einzustufen.
27Auch eine am 2. Mai 2015 durchgeführte Demonstration der „Hooligan-Szene“ in Erfurt verlief nach Presseberichten
28vgl. Bericht der „Thüringische Landeszeitung“ vom 4. Mai 2015, „Hooligan-Demo in Erfurt“,http://www.tlz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Hooligan-Demo-in-Erfurt-40035073,Stand 05.10.2016, 13.30 Uhr,
29und den sich aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang ergebenden Erkenntnissen, störungsfrei.
30Ähnliches folgt aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang für die in Köln am 25. Oktober 2015 durchgeführte Versammlung. Diese Versammlung wurde, worauf der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung abstellt, als Standkundgebung durchgeführt. Wie sich aus den Entscheidungen des VG Köln, sowie der nachfolgenden Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen ergibt,
31VG Köln, Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 20 L 2600/15-, OVG NRW, Beschluss vom 24. Oktober 2015 - 15 B 1226/15, beide Juris und www.nrwe.de,
32wurde die beschränkende Auflage, nur eine Standkundgebung durchzuführen, aber mit einer konkret auf die örtlichen Verhältnisse sowie auf die konkreten Umstände der Versammlung (Teilnehmerkreis und -zahl, Ort und Datum) gestützten Gefahrenprognose begründet.Allein der Umstand, dass zu dieser Versammlung eine beschränkende Ortsauflage rechtmäßig war, lässt daher keinen Rückschluss auf die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Auflage zu, wie er in der Antragserwiderung von dem Antragsgegner gezogen wird.
33Diese Umstände werden durch den Antragsgegner aber weder in der in dem Verwaltungsvorgang befindlichen Gefahrenprognose noch in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides hinreichend gewürdigt.
34Hinsichtlich der Gefahr von Auseinandersetzungen unter den Versammlungsteilnehmern selbst, bleibt die Gefahrenprognose des Antragsgegners ebenfalls widersprüchlich. Einerseits wird aufgrund der Erfahrungen bei Fußballspielen - nachvollziehbar - davon ausgegangen, dass die einzelnen Gruppen untereinander verfeindet sind. Dem steht jedoch die im Verwaltungsvorgang niedergelegte Erkenntnis gegenüber, dass es in der Vergangenheit mehrfach gelungen ist, unter dem Motto „In den Farben getrennt - in der Sache vereint“ trotz der Heterogenität der Hooligan-Szene gemeinsame Demonstrationen ohne interne Auseinandersetzungen durchzuführen. Soweit aus der Rivalität der einzelnen Gruppen darauf geschlossen wird, die Versammlung sei durch einen Versammlungsleiter nicht zu steuern, steht dies im Widerspruch zu der zuletzt genannten Erkenntnis der gemeinsamen Durchführung von Veranstaltungen. Dieser Widerspruch wird weder in der Gefahrenprognose, noch in der Begründung der Ordnungsverfügung aufgelöst. Des weiteren ist nicht hinreichend deutlich, inwieweit diese angenommene fehlende Steuerungsmöglichkeit zwingend die Beschränkung auf eine Standkundgebung erfordert und ihr nicht durch andere Auflagen, wie etwa den Austausch des vom Antragsgegner offenbar für ungeeignet gehaltenen benannten Versammlungsleiters, oder durch eine höhere Anzahl von Ordnern begegnet werden kann.
35Letztlich bleibt die zur Begründung der beschränkenden Auflage herangezogene Gefahr aus der Versammlung selbst, allein auf Annahmen und der allgemeinen Besorgnis begründet, der Teilnehmerkreis sei gewaltgeneigt. Eine solche - nachzuvollziehende - allgemeine Besorgnis erreicht jedoch nicht das nach dem oben dargestellten Maßstab erforderliche Maß tatsachengestützter Annahmen, welche einen Eingriff in das Versammlungsrecht des Antragstellers rechtfertigen.
36Soweit für die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit auf Übergriffe durch Angehörige des „linken Spektrums“ auf die Versammlung des Antragstellers abgestellt wird, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller insoweit als sogenannter „Nichtstörer“ anzusehen ist, denn die von dem Antragsgegner bei seiner Entscheidung herangezogene Gefahrenlage geht nicht unmittelbar von der Versammlung des Antragstellers aus.
37Konkrete und tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür, dass es bei der streitgegenständlichen Versammlung zu solchen Übergriffen in einem so erheblichem Umfang kommen wird, dass der angemeldete Aufzug des Antragstellers, unabhängig davon, ob von den angemeldeten 300 oder bis zu den vom Antragsgegner angesetzten 1.000 Teilnehmern auszugehen ist, nicht mehr geschützt werden könnte, hat der Antragsgegner nicht benannt.
38Soweit darauf abgestellt wird, dass die vom Antragsteller angemeldete Aufzugsstrecke durch enge Straßen in Wohngebieten führe, so dass ein wirksamer Schutz durch die Polizei aufgrund der sich ständig ändernden örtlichen Gegebenheiten und der Länge des Demonstrationszuges nicht möglich sei, trägt dies die Beschränkung auf eine Standkundgebung vorliegend ebenfalls nicht. Grundsätzlich geht die Kammer zwar davon aus, dass einem Aufzug ein höheres Gefahrenpotential innewohnt als einer Standkundgebung. Diese abstrakte Steigerung des Gefahrenpotentials ist jedoch mit Blick auf die in Art. 8 GG gewährte Versammlungsfreiheit grundsätzlich hinzunehmen. Allein der Umstand, dass die Begleitung eines mit Blick auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit als „kritisch“ angesehenen Demonstrationszuges einen erheblichen Aufwand erfordern kann, rechtfertigt mit Blick auf die Bedeutung des in Art. 8 GG gewährten Grundrechts die hier streitgegenständliche Beschränkung nicht.
39Auch mit Blick auf die konkrete Begründung des Antragsgegners wäre als milderes Mittel zunächst eine Änderung der Aufzugsstrecke in Betracht zu ziehen. Auch wenn die Kammer im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung zu Grunde legt, dass dem Antragsgegner bei der Bewertung der versammlungsspezifischen Risiken und der polizeilichen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr ein besonderer Fach- und Sachverstand zuzubilligen ist, dem im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens durchaus ein deutliches Gewicht zukommt, ist vorliegend nicht zu erkennen, das auch ein Demonstrationszug mit 1.000 Teilnehmern auf einer gegebenenfalls abgeänderten Demonstrationsroute nicht angemessen polizeilich begleitet und soweit erforderlich geschützt werden, sowie durch die Polizei Ausschreitungen aus der Versammlung heraus kontrolliert werden könnten. Dies war der Dortmunder Polizei in der Vergangenheit jedenfalls mehrfach sowohl bei Versammlungen des „rechten“ als auch des „linken“ Spektrums möglich, auch wenn die einzelnen Versammlungen - insbesondere des linken Spektrums - als in hohem Maße gewaltbereit und konfliktsuchend einzustufen waren.
40Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller hinsichtlich der Übergriffe Dritter auf die Versammlung als Nichtstörer anzusehen ist und bislang lediglich eine - als Standkundgebung angemeldete - Gegendemonstration des Bündnisses „Blockado“ angemeldet wurde. Die polizeiliche Erkenntnis, dass Teilnehmer der Gegendemonstration versuchen werden, in kleinen Gruppen den Aufzug des Antragstellers zu erreichen, erfordert keine andere Bewertung.Bereits in der Vergangenheit hat die Dortmunder Polizei in derartigen Situationen ein Konzept zur räumlichen Trennung der beiden „Lager“ z.B. durch eine entsprechenden Gestaltung und Absicherung der Aufzugswege umgesetzt, ohne dass es notwendig gewesen wäre, Versammlungen von vornherein auf Standkundgebungen zu beschränken.
41Dass dem Antragsgegner die für die Umsetzung eines solchen Konzepts erforderlichen Kräfte nicht zur Verfügung stünden, so dass die beschränkende Auflage auf eine Standkundgebung aus dem Gesichtspunkt des polizeilichen Notstandes gerechtfertigt sein könnte, wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
42Sofern sich aus den konkreten Gegebenheiten der vom Antragsteller angemeldeten Aufzugsstrecke aus polizeilicher Sicht tatsachengestützte Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit, die auch die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer erfasst, ergeben, ist es dem Antragsgegner unbenommen in Absprache mit dem Antragsteller, der insoweit seine Bereitschaft zur Kooperation in der Antragsbegründung erklärt hat, oder durch entsprechende Auflagen eine Aufzugsstrecke festzulegen, die diesen Bedenken Rechnung trägt.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 05. Okt. 2016 - 14 L 2356/16
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage - 20 K 5847/15 - des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 28. September 2015 bezüglich des Verbots der angemeldeten Kundgebung wiederhergestellt. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner nachgelassen, Auflagen bezüglich der Kundgebung (z. B. hinsichtlich des Ablaufs, des Ortes und der Dauer der Kundgebung sowie des Unterlassens von verunglimpfenden Äußerungen) anzuordnen. Im Übrigen (betreffend das Verbot des angemeldeten Aufzuges) hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es teile die Gefahrenprognose des Antragsgegners auf der Grundlage der sich bietenden Erkenntnislage, was das Verbot des angemeldeten Aufzugs angehe. Insoweit habe der Antragsgegner erkennbare Umstände dargelegt, aus denen sich eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergebe. Mit Blick auf das für die angemeldete (stationäre) Kundgebung auf dem C. Platz ausgesprochene Versammlungsverbot spreche bei summarischer Prüfung hingegen Vieles dafür, dass es unverhältnismäßig sei. Es sei nicht zu ersehen, dass durch entsprechende Auflagen ein friedfertiger Verlauf der stationären Veranstaltung nicht sichergestellt werden könne.
5Die dagegen von dem Antragsgegner erhobenen Einwände haben keinen Erfolg.
6Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die von dem Antragsteller für den 25. Oktober 2015 angemeldete Versammlung generell unfriedlich sein wird und deswegen von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG herausfällt.
7Die Unfriedlichkeit einer Versammlung kann erst dann angenommen werden, wenn eine Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der Veranstalter und sein Anhang Gewalttätigkeiten beabsichtigen oder ein solches Verhalten anderer zumindest billigen werden. Unfriedlich ist eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden. Das unfriedliche Verhalten Einzelner kann nicht für die gesamte Versammlung zum Verlust des Grundrechtsschutzes führen, wobei bei Anwendung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben keine rein zahlenmäßige Betrachtung in dem Sinne anzustellen ist, dass bei Gewalttätigkeit von mehr als der Hälfte der Versammlungsteilnehmer der Grundrechtsschutz entfallen würde. Vielmehr bleibt entscheidend, ob die Versammlung im Ganzen zumindest mit Billigung des Veranstalters oder seines Anhangs einen gewalttätigen Verlauf nehmen wird.
8Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. März 2011 - 1 BvR 388/05 -, NJW 2011, 3020 = juris Rn. 33, vom 4. September 2010 - 1 BvR 2298/10 -, juris Rn. 8, vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, 141 = juris Rn. 13, und vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 = DVBl. 1985, 1006 = juris Rn. 91 - Brokdorf.
9Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Anhaltspunkte für eine absehbar in ihrer Gesamtprägung gewaltsuchende Versammlung liefert die Beschwerde nicht. Der vorliegende, von der Beschwerde aufgegriffene Sachverhalt rechtfertigt eine derartige Einschätzung nicht. Dagegen spricht maßgeblich die Tatsache, dass stationäre HoGeSa-Kundgebungen am 20. September 2015 in F. und am 15. November 2014 in I. , deren Teilnehmerkreis sich mit dem für den 25. Oktober 2015 zu erwartenden wohl in weiten Teilen überschneiden wird, - soweit bekannt - jedenfalls im Wesentlichen gewaltlos verlaufen sind. Auch das von dem Antragsteller formulierte Versammlungsmotto „Köln 2.0 - friedlich und gewaltfrei gegen islamischen Extremismus“ lässt - trotz des erkennbaren Bezugs zu den Vorjahresereignissen - nicht ohne Weiteres auf einen von dem Antragsteller angestrebten oder gebilligten unfriedlichen Verlauf schließen.
10Die mithin in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG fallende Versammlung kann die zuständige Behörde gleichwohl gemäß § 15 Abs. 1 VersG verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
11Ist die versammlungsbehördliche Verfügung auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Prüfung der Voraussetzungen eines Versammlungsverbots hat dabei von den Angaben der Anmeldung auszugehen, es sei denn, es drängt sich auch bei grundrechtskonformer Deutung des Vorhabens der Eindruck auf, in Wahrheit sei ein anderer Inhalt geplant und der Veranstalter werde trotz der gesetzlichen Strafdrohung (vgl. § 25 Nr. 1 VersG) eine Versammlung anderen Inhalts und damit anderen Gefahrenpotentials durchführen als angemeldet. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde.
12Vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, DVBl. 2013, 367 = juris Rn. 17, vom 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 -, NVwZ-RR 2010, 625 = juris Rn. 17, vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, 141 = juris Rn. 9 und Rn. 13, vom 26. April 2001 - 1 BvQ 8/01 -, NJW 2001, 1407 = juris Rn. 11 f., vom 18. August 2000 - 1 BvQ 23/00 -, NJW 2000, 3053 = juris Rn. 32 ff., vom 1. Dezember 1992 - 1 BvR 88/91, 1 BvR 576/91 -, BVerfGE 87, 399 = DVBl. 1993, 150 = juris Rn. 52, und vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 = DVBl. 1985, 1006 = juris Rn. 80 - Brokdorf.
13Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen.
14Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, DVBl. 2013, 367 = juris Rn. 17, vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, NVwZ 2004, 90 = juris Rn. 30, und vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 = DVBl. 1985, 1006 = juris Rn. 79 - Brokdorf.
15Nach diesen Grundsätzen kann anhand der Darlegungen der Beschwerde auf der Basis der erkennbaren Tatsachen bei verständiger Würdigung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die von dem Antragsteller angemeldete Versammlung auch als ortsgebundene Kundgebung verboten werden darf, weil auch von einer solchen prognostisch eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung i.S.v. § 15 Abs. 1 VersG ausgehen wird.
16Allein der Umstand, dass sich der Aufruf zur Teilnahme an der streitigen Versammlung offenbar an eine Zielgruppe richtet, die zu weiten Teilen der gewaltbereiten und gewaltsuchenden Hooliganszene zugehörig ist, reicht insbesondere angesichts des im Wesentlichen gewaltfreien Ablaufs der bereits angesprochenen vergleichbaren stationären Versammlungen am 20. September 2015 in F. und am 15. November 2014 in I. für ein umfassendes Versammlungsverbot mangels hinreichender Konkretheit dieses Indizes für eine entsprechende Gefahrenprognose nicht aus. Dasselbe gilt im Hinblick auf den von der Beschwerde angeführten Gesichtspunkt, dass die Versammlung als „Hommage“ am „Jahrestag“ der Vorjahresversammlung vom 26. Oktober 2014 dienen solle, die zu einer erheblichen Gewalteskalation geführt hat. Es fehlt nach dem Beschwerdevorbringen an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass sich dieses Gewaltszenario mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch im Rahmen einer stationären Kundgebung wiederholen wird, selbst wenn der Teilnehmerkreis zumindest weitgehend identisch sein sollte. Den Ausführungen in der streitgegenständlichen Verbotsverfügung zufolge (siehe dort S. 8 ff.) kam es zu den Gewaltausbrüchen am 26. Oktober 2014 erst, nachdem die seinerzeitigen Versammlungsteilnehmer sich im Anschluss an die Auftaktkundgebung auf dem C. Platz um 15.33 Uhr zu dem Aufzug in Bewegung gesetzt und im Verlauf des Aufzugs Anlässe für Gewalthandlungen gesucht und gefunden haben.
17Die Beschwerde macht nicht hinreichend deutlich, inwieweit bei einer nur stationären Veranstaltung am 25. Oktober 2015 dem vergleichbare Gefahrensituationen zu befürchten sind. Dass einzelne Personen die Geschehnisse vom 26. Oktober 2014 im Internet als „geil“ und zu „toppen“ bezeichnet haben und dass für die nunmehr geplante Versammlung am 25. Oktober 2015 eine noch höhere Teilnehmerfrequenz als 2014 zu erwarten sein könnte, lässt nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, eine als ortsgebunden wesentlich anders als diejenige des vergangenen Jahres charakterisierte Veranstaltung werde erneut diesen Verlauf nehmen.
18Auch wenn es für die Gefahrenprognose prinzipiell nicht darauf ankommt, ob es der Polizei möglich wäre, die Begehung von Gewalttätigkeiten aus der Versammlung heraus zu verhindern, weil in erster Linie der Veranstalter selbst verpflichtet ist, die Friedlichkeit der Versammlung zu gewährleisten,
19vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2000 - 1 BvR 1245/00 -, NJW 2000, 3051 = juris Rn. 28,
20hat das Verwaltungsgericht zugeschnitten auf den Prüfungsrahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Sache zutreffend hervorgehoben, dass eine mit geeigneten Auflagen gekoppelte stationäre Kundgebung - anders als ein Aufzug - voraussichtlich die Gewähr für einen im Wesentlichen gefahrlosen Ablauf bietet. Ein Aufzug erstreckt sich dynamisch über einen größeren Raum und ist von daher sowohl von dem Veranstalter und den von ihm eingesetzten Ordnern als auch seitens der Polizei schwerer unter Kontrolle zu halten, auch was das Vermeiden von gewaltauslösenden Provokationen bzw. von von den Versammlungsteilnehmern als solchen angesehenen Ereignissen anbelangt. Aus denselben Gründen kann die Polizei auf eventuelle Angriffe gegen sie selbst aus dem Kreis der Versammlung oder auf andere Störungen bei einer nur stationären Veranstaltung, die sie von deren Beginn an beobachten und begleiten kann, effektiver reagieren als dies bei einem sich über eine größere Wegstrecke verteilenden Aufzug der Fall wäre. Etwaige Störer bzw. Störergruppen vermag sie leichter zu identifizieren.
21Schließlich beeinflusst der vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2015 nachgereichte Hinweis auf die gleichfalls für den 25. Oktober 2015 angemeldete KöGiDa-Versammlung die vorzunehmende Interessenabwägung und Gefahrenprognose nicht. Einen Zusammenhang dieser Versammlung mit der Durchführung der streitbefangenen Versammlung stellt der Antragsgegner weder her noch ist er sonst ersichtlich.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen ein Versammlungsverbot.
- 2
Der Antragsteller meldete am 9. Mai 2015 für Sonnabend, den 12. September 2015 einen Aufzug an mit dem Thema „Tag der Patrioten“. Der Aufzug sollte ab 12 Uhr bis zum Abend vom Hamburger Hauptbahnhof durch die Innenstadt und die Hafencity zurück zum Hauptbahnhof führen. Vorgesehen waren drei etwa einstündige Kundgebungen sowie der Einsatz von einem Ordner auf je 50 Teilnehmer. Der Antragsteller rechnete mit etwa 500 Teilnehmern. Im Verlauf der Kooperationsgespräche änderte der Antragsteller wegen einer in der Hafencity gleichzeitig stattfindenden anderen Veranstaltung die Planung und schlug eine außerhalb des Innenstadtbereichs gelegene Route vor. Er rechnete zuletzt mit einer deutlich größeren Teilnehmerzahl. Die Antragsgegnerin ging zuletzt von ca. 2.000 bis 3.000 Teilnehmern aus, darunter 300 bis 500 Rechtsextremisten, sowie ca. 1.500 „rechtsaffinen, patriotischen Fußballanhängern“, darunter eine große Anzahl problematischer Fans der „Kategorie C“ (Hooligans). Für den Tag dieses Aufzugs erwartet die Antragsgegnerin bis zu 15.000 Teilnehmer an Gegenveranstaltungen, darunter bis zu 2.000 gewaltorientierte, nämlich gewaltbereite und gewaltsuchende Personen.
- 3
Mit Bescheid vom 3. September 2015 verbot die Antragsgegnerin den angemeldeten Aufzug. Zur Begründung führte sie aus: Es sei zu erwarten, dass gewaltsuchende und gewaltbereite Teilnehmer aus dem Aufzug heraus Straftaten zum Nachteil von Gegendemonstranten sowie gewaltsuchenden und gewaltbereiten Linksextremisten, Polizeibeamten und unbeteiligten Dritten begehen und damit deren Leib und Leben gefährden würden. Unabhängig hiervon werde der Aufzug im Wege des polizeilichen Notstandes verboten, da die Gefahren für Leib und Leben von Versammlungsteilnehmern, Polizeibeamten und unbeteiligten Dritten, die aufgrund der sicher zu erwartenden gewalttätigen Auseinandersetzungen entstünden, mit den zur Verfügung stehenden Polizeikräften nicht verhindert werden könnten. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch.
- 4
Beim Verwaltungsgericht hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt: Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Versammlungsverbots überwiege das Interesse des Antragstellers, da sein Widerspruch keine Aussichten auf Erfolg habe. Der Aufzug habe verboten werden können, da ein Großteil der Versammlungsteilnehmer nicht beabsichtige, sich friedlich zu versammeln, sondern die Gelegenheit suche, Gewalt gegen politische Gegner, Polizisten und andere selbst definierte Feinde auszuüben. Es sei deshalb zu erwarten, dass aus dem Aufzug heraus insbesondere (schwere) Körperverletzungen begangen würden, die sich zu schweren Gewaltexzessen ausweiten würden.
- 5
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 10. September 2015 mittags erhobenen und begründeten Beschwerde.
II.
- 6
A Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 7
Es kann offen bleiben, ob sich der Antragsteller hinreichend mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und dessen tragende Erwägungen erschüttert hat. Das Beschwerdegericht geht zugunsten des Antragstellers hiervon aus, da die Effektivität des Rechtsschutzes gefährdet wäre, wollte man in extrem eilbedürftigen und zugleich komplexen Verfahren der vorliegenden Art die formalen gesetzlichen Anforderungen konsequent anwenden. Die hiernach grundsätzlich zulässige vollständige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch das Beschwerdegericht führt allerdings im Ergebnis zu keiner Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
- 8
Die im Rahmen eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzuführende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 3. September 2015 gegenüber dem Interesse des Antragstellers, deren Vollzug auszusetzen und den angemeldeten Aufzug durchführen zu können, überwiegt. Bei der im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Prüfung lässt sich allerdings nicht feststellen, ob - was als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung im Hinblick auf den Schutz des betroffenen Grundrechts in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen wäre (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 18, m.w.N.) - der Widerspruch des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung erfolgreich oder erfolglos sein wird; die Erfolgsaussichten sind vielmehr offen (hierzu unter 1.). Die deshalb unabhängig von den Erfolgsaussichten des Widerspruchs ausnahmsweise (BVerfG, a.a.O.) vorzunehmende reine Folgenabwägung führt zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an einem Versammlungsverbot gegenüber dem Interesse des Antragstellers, den Aufzug oder zumindest eine stationäre Versammlung durchzuführen (hierzu unter 2.).
- 9
1. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs sind offen, weil es dem Senat in der nur äußerst knappen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist, die maßgeblichen Tatsachengrundlagen, mit denen die Antragsgegnerin das Versammlungsverbot gerechtfertigt hat, zu überprüfen und ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit festzustellen.
- 10
a) Allerdings lässt sich feststellen, dass der Sachverhalt, wie er sich aus dem Inhalt der Sachakte der Antragsgegnerin und - diesen zusammenfassend wiedergebend - aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, es nicht rechtfertigt, die Versammlung selbst als unfriedlich anzusehen und sie deshalb zu verbieten.
- 11
Rechtsgrundlage für ein Verbot oder eine beschränkende Auflage ist mangels einer landesrechtlichen Regelung § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz. Nach dieser Vorschrift kann eine Versammlung oder ein Aufzug verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung müssen erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ergibt (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, 1 BvR 2793/04, NVwZ 2008, 671, juris Rn. 19 f.). Derartige konkrete Tatsachen sind nicht erkennbar.
- 12
Aus den im Internet verbreiteten Aufrufen zur Teilnahme an dem Aufzug ergibt sich nicht, dass der Aufzug auf Gewalt ausgerichtet ist oder es zumindest naheliegt, dass er aus sich heraus einen unfriedlichen Verlauf nehmen wird. Die Videoaufrufe, von denen sich Aufzeichnungen in der Sachakte der Antragsgegnerin befinden und deren Inhalte in dem Bescheid zutreffend wiedergegeben werden, stehen überwiegend unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“. Weder diese Parole noch die Inhalte der Videos lassen erkennen, dass der Aufzug selbst oder sein Thema auf Gewalt ausgerichtet sind. Die Aufrufe zielen auf die politische Gesinnung der verschiedenen rechtsgerichteten Gruppierungen, die durch die Versammlung angesprochen werden sollen. Im Internet verbreitete Erklärungen der Art, es werde eine „heftige Demo“ werden, ein Tsunami werde über Hamburg hereinbrechen (S. 17 des Bescheides) bzw. man müsse die eine oder andere Blessur von vornherein in Kauf nehmen (S. 18 des Bescheides), drückt die Erwartung Einzelner aus und trägt möglicherweise dem Umstand Rechnung, dass man damit rechnet, dass es zu Auseinandersetzungen mit linksgerichteten Gegendemonstranten kommen wird.
- 13
Die Zahl der gewaltorientierten Teilnehmer lässt ebenfalls keinen hinreichenden, auf konkreten Tatsachen beruhenden Rückschluss darauf zu, dass der Aufzug „auf einen gewalttätigen Verlauf angelegt“ sei (so aber die Antragsgegnerin, S. 19 des Bescheides) bzw. dass - wie das Verwaltungsgericht meint - diese Teilnehmer den Aufzug derart dominieren werden, dass er nicht mehr als friedlich angesehen werden könnte. Aus der Akte ergibt sich bereits nicht konkret, mit wie vielen gewaltorientierten Teilnehmern die Antragsgegnerin überhaupt rechnet. Sie hat insofern nur angeführt, es würden sich unter den Rechtsextremisten und den rechtsgerichteten Fußballanhängern „gewaltbereite und gewaltsuchende Teilnehmer befinden“; von diesen gewaltorientierten Rechtsextremisten kämen ca. 150 aus Hamburg (S. 10 und 25 Bescheides). Gewaltorientiert soll den Angaben der Antragsgegnerin zufolge auch ein Rechtsradikaler sein, der voraussichtlich aus Berlin zusammen mit ca. 400 Personen anreisen wird (S. 13 des Bescheides). Dass diese Begleiter sämtlich oder überwiegend ebenfalls gewaltorientiert seien, sagt die Antragsgegnerin aber nicht. Offensichtlich gewaltorientiert sind die Teilnehmer der genannten WhatsApp-Gruppe (S. 13 f. des Bescheides). Sie besteht unmittelbar allerdings nur aus 17 Teilnehmern. Dass es speziell diese Gruppe ist, die - wie die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht meinen - mit 500 bis 600 Mann anreisen will, erscheint fraglich. Denn anreisen wollen die Teilnehmer dieser Gruppe nicht mit einem großen Bus, sondern mit zwei 9-Sitzern (Bl. 153 der Sachakte). Jedenfalls ist nichts dafür dargelegt oder aus der Sachakte ersichtlich, dass diese 500 bis 600 Mann sämtlich oder überwiegend ebenfalls gewaltorientiert sind. Mit welcher Gesamtzahl gewaltorientierter Teilnehmer des Aufzugs die Antragsgegnerin rechnet, hat sie nur sehr unbestimmt genannt. Auf Seite 11 ihres Bescheides erwartet sie „eine Anreise von hunderten gewaltsuchenden, mindestens aber gewaltbereiten Hooligans und Rechtsextremisten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern“.
- 14
Die Prognose, der Aufzug werde einen unfriedlichen Verlauf nehmen, kann auch nicht aufgrund der Erfahrungen mit vergleichbaren Aufzügen und Versammlungen getroffen werden. Vergleichbar sind die Aufzüge am 2. Juni 2012 in Hamburg („Tag der deutschen Zukunft - Unser Signal gegen Überfremdung“) und am 26. Oktober 2014 in Köln („HoGeSa“) sowie die Versammlung am 15. November 2014 in Hannover („Europa gegen den Terror des Islamismus“). Zwar hatte der Antragsteller diese Versammlungen nicht zu verantworten, doch richteten sich diese - noch zeitnah zu dem angemeldeten Aufzug durchgeführten - Versammlungen mit vergleichbarer Thematik an dieselbe Zielgruppe. Deshalb dürfte auch der überwiegend rechtsextreme oder rechtsradikale Teilnehmerkreis mit dem Teilnehmerkreis des angemeldeten Aufzugs weitgehend identisch sein.
- 15
Aus dem Aufzug vom 2. Juni 2012 heraus sind den Angaben der Antragsgegnerin zufolge keine Straftaten begangen worden. Dargestellt hat sie in ihrem Bescheid (S. 22 f.) ausschließlich gewalttätige Aktionen der Gegendemonstranten. Bei dem Aufzug am 26. Oktober 2014 in Köln wurden zwar aus dem Aufzug heraus Gewalttaten begangen, aber est nachdem die Teilnehmer des Aufzugs von Außenstehenden mit Feuerwerkskörpern beworfen worden waren; daraufhin seien die Teilnehmer des Aufzugs äußerst aggressiv mit Flaschenwürfen sowohl gegen diese Personen als auch gegen Polizisten und Medienvertreter vorgegangen und nach dem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray durch die Polizei sei diese massiv mit Flaschen beworfen worden. Dieser Vorfall belegt zwar die massive Gewaltbereitschaft eines Teils der etwa 4.800 Teilnehmer des damaligen Aufzugs. Mit derartigen Verhaltensweisen muss auch bei dem angemeldeten Aufzug gerechnet werden. Doch rechtfertigt dies nicht ein Verbot der Versammlung, durch das auch denjenigen das Recht zur Versammlung genommen würde, die sich an derartigen Aktionen nicht beteiligen. Denn die Gefahr, dass es zu derartigen Reaktionen auf Angriffe von außen kommt, könnte auf einfachere Weise verhindert werden. Zum einen könnte diese Gefahr durch den verstärkten Einsatz von Polizeikräften verringert werden; in Köln waren es nur 1.299 Beamte, was sich als viel zu wenig erwiesen hat. Zum anderen könnte der Aufzug so durchgeführt werden, dass Gegendemonstranten nicht unmittelbar in seine Nähe gelangen können. Sollte gleichwohl ein Aufzug nicht ausreichend geschützt werden können, bliebe noch die Möglichkeit, zumindest eine stationäre Versammlung durchzuführen. Bei einer derartigen stationären Versammlung am 15. November 2014 mit gut 3.000 Teilnehmern kam es während der Versammlung zu keinen Ausschreitungen (S. 24 des Bescheides). Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken gab es den Angaben der Antragsgegnerin zufolge nur außerhalb der Versammlung. Das rechtfertigt jedoch kein Versammlungsverbot.
- 16
Allerdings ist auch das Beschwerdegericht davon überzeugt, dass an dem Aufzug eine beträchtliche Zahl von Personen teilnehmen wird, die nicht nur bereit sind, ggf. Gewalt auszuüben, sondern die gewaltsame Auseinandersetzungen geradezu suchen. Das belegen die oben gewürdigten Aufrufe, das Chat-Protokoll sowie das Verhalten eines Teils der Teilnehmer des Aufzugs in Köln sowie der Versammlung in Hannover, bei dem ein großes Polizeiaufgebot erforderlich war, um die Teilnehmer der Versammlung von heranrückenden Gegendemonstranten zu trennen (S. 24 des Bescheides). Doch rechtfertigt dies gleichwohl kein Verbot des Aufzugs. Steht nicht zu befürchten, dass eine Demonstration im Ganzen einen unfriedlichen Verlauf nimmt oder dass der Veranstalter und sein Anhang einen solchen Verlauf anstreben oder zumindest billigen, bleibt für die friedlichen Teilnehmer der von der Verfassung jedem Staatsbürger garantierte Schutz der Versammlungsfreiheit auch dann erhalten, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder einer Minderheit zu rechnen ist. In einem solchen Fall setzt ein vorbeugendes Verbot der gesamten Veranstaltung strenge Anforderungen an die Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller sinnvoll anwendbaren Mittel voraus, welche den friedlichen Demonstranten eine Grundrechtsverwirklichung ermöglichen (BVerfG, Urt. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81 u.a., BVerfGE 69, 315, 4. Leitsatz).
- 17
Nach diesen Maßstäben ist ein Verbot des Aufzugs nicht gerechtfertigt. Es ist nicht dargelegt und auch sonst nicht erkennbar, dass der Antragsteller gewalttätige Übergriffe aus der Versammlung heraus dulden oder gar befürworten würde. In seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat er erklärt, er werde alles dafür tun, dass von seinem Aufzug keine Gewalt ausgehen werde und Gewalt von Gegendemonstranten auch nicht mit Gegengewalt beantwortet werde. Das ist nicht von vornherein unglaubhaft. Denn er hat von sich aus angezeigt, eine nicht unerhebliche Zahl von Ordnern einzusetzen, und in den im Internet verbreiteten Aufrufen werden ausdrücklich auch Ordner gesucht. Zudem liegen - wie ausgeführt - keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Versammlung vom Thema her auf Gewalt angelegt ist und die Angaben des Antragstellers deshalb unglaubhaft sein könnten. Schließlich könnten - wie ebenfalls bereits ausgeführt - gewalttätige Aktionen, die aus dem Aufzug heraus von Einzelnen oder Gruppen begangen werden, zielgerichtet unterbunden werden. Dass dies grundsätzlich - sieht man einmal von der Zahl einsatzbereiter Polizisten ab - nicht möglich wäre, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt.
- 18
b) Die Antragsgegnerin beruft sich unabhängig von den vorstehend gewürdigten Gründen zur Rechtfertigung des Verbots auf den sog. polizeilichen Notstand. Sie hält ein Verbot des Aufzugs mithin auch dann für gerechtfertigt, wenn von dem Aufzug keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Sie macht geltend, sie könne die Gefahren für Leib und Leben von Versammlungsteilnehmern, Polizeibeamten und unbeteiligten Dritten, die aufgrund der sicher zu erwartenden gewalttätigen Auseinandersetzungen mit linksgerichteten Gegendemonstranten entstünden, mit den zur Verfügung stehenden Polizeikräften nicht verhindern. Ob sich die Antragsgegnerin zu Recht auf den polizeilichen Notstand beruft, ist offen. Dies bedarf einer eingehenden Überprüfung, die im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht möglich ist.
- 19
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 17, m.w.N.), der das Beschwerdegericht folgt, gilt: Soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, ist die Durchführung der Versammlung zu schützen und sind behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten. Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden. Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde.
- 20
Es erscheint zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin diese Darlegungsanforderungen erfüllt hat. Zwar hat sie die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes nicht nur pauschal behauptet. Sie hat ausgeführt, dass sie zur Abwehr der Gefahren während des Aufzugs sowie in den Zeiten davor und danach insgesamt mindestens 9 Abteilungsführungen (ca. 135 Beamte), 46 Hundertschaften (ca. 5.000 Beamte) sowie 10 Wasserwerferstaffeln (ca. 150 Beamte) benötige. Für eine stationäre Versammlung verringere sich der Mindestbedarf um 7 Hundertschaften. Sie selbst verfüge über 3 Abteilungsführungen, 9 Hundertschaften sowie 2 Wasserwerferstaffeln. Sie benötige deshalb weitere 6 Abteilungsleitungen, 37 Hundertschaften (ca. 4.000 Beamte) und 8 Wasserwerferstaffeln (S. 30 des Bescheides). Diese Kräfte habe sie bundesweit angefordert. Angeboten worden seien ihr bis zuletzt (10.9.2015) aber nur 5 Abteilungsführungen, 14 Hundertschaften sowie 11 Wasserwerferstaffeln. Damit bestehe gegenüber dem Minimalbedarf zur Durchführung eines Aufzugs eine Unterdeckung von 23 Hundertschaften (ca. 2.500 Beamte) und zur Durchführung einer stationären Versammlung eine Unterdeckung von 16 Hundertschaften (ca. 1.750 Beamte). Ausreichend dargelegt hat die Antragsgegnerin auch, dass die Polizeibehörden des Bundes und der Länder ihr tatsächlich nur die genannte Unterstützung angeboten haben. Das ergibt sich aus den Ausdrucken des mit diesen Behörden geführten E-Mail-Verkehrs (Bl. 209 ff. und 478 ff. der Sachakte). Diese Angaben genügen jedoch nicht, um davon ausgehen zu können, dass sich die Antragsgegnerin zu Recht auf den polizeilichen Notstand beruft.
- 21
Dabei hat das Beschwerdegericht angesichts des Umfangs der mit Sicherheit zu erwartenden Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern (dazu später) keinen Zweifel an der Angemessenheit des genannten Bedarfs. Ähnlich viele Polizisten waren auch bei den vergleichbaren Veranstaltungen am 2. Juni 2012 in Hamburg (4.500 Beamte) und am 15. November 2014 in Hannover (5.300 Beamte bei einer stationären Versammlung) im Einsatz (vgl. S. 22 ff. des Bescheides). Die Zahl der eingesetzten Beamten war lediglich am 26. Oktober 2014 in Köln (deutlich) geringer (1.299 Beamte). Diese Zahl war jedoch offenkundig (viel) zu gering.
- 22
Zweifelhaft ist allerdings, ob die Antragsgegnerin ein ernsthaftes Amtshilfeersuchen gestellt hat und ob die Behörden des Bundes und der Länder - wenn sie es als solches verstanden haben - zu Recht abgelehnt haben, die erforderliche Hilfe zu leisten. Nach Art. 35 Abs. 1 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Hierzu sind sie auf ein entsprechendes Ersuchen hin verpflichtet (vgl. Bauer in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 35 Rn. 19). Daran, dass ein derartiges Ersuchen gestellt wurde, kann man zweifeln, da die Antragsgegnerin in ihrer E-Mail vom 7. August 2015 (Bl. 209/210 der Sachakte) nur um Prüfung gebeten hat, ob die genannte Unterstützung erfolgen könne, und sodann Bund und Länder um „Angebote“ gebeten hat. Auch in ihrer E-Mail vom 27. August 2015 (Bl. 212/213 der Sachakte) hat sie im Hinblick auf den mitgeteilten erhöhten Bedarf lediglich um Angebote gebeten. Offenbar unterscheidet die Antragsgegnerin selbst zwischen Angeboten und Zusagen, wie sich aus einer anderen E-Mail vom 27. August 2015 ergibt (Bl. 217 R der Sachakte), in der sie sich für die „Prüfung der Unterstützungsmöglichkeiten ... und die eingegangenen Angebote/Zusagen bzw. Absagen“ bedankt hat. Insofern wäre aufzuklären, ob diese Bitte um Angebote von den betroffenen Behörden bereits als Ersuchen um eine dringend erforderliche Amtshilfe, zu der sie verpflichtet sind, verstanden wurde. Sollten die Behörden in der Bitte um Angebote noch kein konkretes Amtshilfeersuchen gesehen und mithin ein derartiges Ersuchen auch noch nicht abgelehnt haben, so lägen die Voraussetzungen für einen polizeilichen Notstand nicht vor. Andererseits erscheint es aber auch möglich, dass jedenfalls einige Behörden die Bitte der Antragsgegnerin bereits als verpflichtendes Amtshilfeersuchen verstanden haben. Denn sie haben sämtlich geantwortet und teilweise auch mitgeteilt, dass Polizeikräfte bereitgestellt würden. Um aufzuklären, ob die Behörden von Bund und Ländern die Bitte der Antragsgegnerin um Angebote als konkretes Amtshilfeersuchen verstanden haben, müssen Auskünfte dieser Behörden eingeholt werden. Das kann im vorliegenden Verfahren nicht erfolgen.
- 23
Vor allem aber ist aufklärungsbedürftig, aus welchen Gründen die Behörden des Bundes und der Länder nicht bzw. nur in derart geringem Umfang bereit oder in der Lage sind, Amtshilfe zu leisten. So haben einige Länder keinerlei Hilfe oder eine im Wesentlichen nur technische Unterstützung durch Wasserwerfereinheiten angeboten. Soweit sich die Behörden im Übrigen überhaupt bereit erklärt haben, Hundertschaften zur Verfügung zu stellen, beschränkt sich dies zumeist auf jeweils nur eine Hundertschaft. Damit mussten jedenfalls die großen und gleichwohl sehr zurückhaltend Hilfe leistenden Länder davon ausgehen, dass die insgesamt erbetenen 37 Hundertschaften nicht zusammenkommen würden. Insoweit bedarf es konkreter Feststellungen dazu, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit in den jeweiligen Ländern und aufgrund welcher konkreter, gegenüber einer durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlung vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestellt wurden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 21). Hierüber geben die Antworten der Behörden der Länder keine ausreichende Auskunft. Soweit diese Behörden ihre (nur geringen) Zusagen sowie ihre Absagen überhaupt begründet haben, ergibt sich hieraus nichts Konkretes darüber, welche vorrangigen Rechtsgüter in den jeweiligen Ländern zu schützen sind und warum keine (weiteren) Polizeikräfte nach Hamburg entsandt werden können. Dies ist genauestens aufzuklären, um feststellen zu können, dass die Behörden des Bundes und der Länder nicht nur vorgeschoben haben, nicht in der Lage zu sein, Amtshilfe zu leisten. Die Wahrnehmung des Rechts aus Art. 8 Abs. 1 GG darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass die zur Amtshilfe verpflichteten Behörden willens sind, eine Versammlung zu schützen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen können aber in der knappen Zeit des Beschwerdeverfahrens nicht getroffen werden.
- 24
2. Die hiernach nur mögliche, aber auch gebotene Folgenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus.
- 25
Im Rahmen dieser Abwägung sind einerseits die Folgen zu berücksichtigen, die es für den Antragsteller und die Teilnehmer der angemeldeten Versammlung in Bezug auf die Ausübung ihres durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Rechts hätte, wenn der Aufzug nicht durchgeführt werden kann, sich bei einer späteren Überprüfung aber herausstellen sollte, dass die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands in Wahrheit nicht vorlagen. Andererseits ist zu würdigen, welche Folgen es für den Antragsteller und die Teilnehmer des Aufzugs sowie für Dritte hätte, wenn die Versammlung stattfinden könnte, sich aber später herausstellt, dass ein polizeilicher Notstand tatsächlich bestand. Dabei ist in die Betrachtung auch einzubeziehen, dass möglicherweise zwar die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes objektiv nicht vorliegen, die Behörden von Bund und Ländern aber gleichwohl - rechtswidrig - die Amtshilfe verweigern.
- 26
Diese Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass in der gegenwärtigen Situation weder der Aufzug noch eine stationäre Versammlung stattfinden können, da dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass die Gesundheit der Teilnehmer der Versammlung, der sie schützenden Polizeibeamten, von Gegendemonstranten sowie unbeteiligten Dritten verletzt wird. Diesem Schutz gebührt nach Auffassung des Beschwerdegerichts der Vorrang gegenüber dem Recht auf Durchführung der Versammlung an diesem Tag. Im Einzelnen:
- 27
Ein Versammlungsverbot beeinträchtigt den Antragsteller und die potentiellen Teilnehmer des Aufzugs in erheblichem Maße in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Denn es gehört zu der grundgesetzlich geschützten Freiheit des Antragstellers zu bestimmen, wann und wo er eine Versammlung abhalten will. Die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung wird dadurch etwas verringert, dass der Antragsteller nicht darauf angewiesen ist, sein Anliegen gerade am 12. September 2015 auszudrücken. Den Tag hat er nach eigenem Bekunden - wie die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid (S. 3) unwidersprochen angeführt hat - willkürlich ausgewählt. Demzufolge wäre es grundsätzlich möglich, die Versammlung zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, ohne auf Kernaussagen seines Anliegens verzichten zu müssen.
- 28
Sollte die Versammlung hingegen am 12. September 2015 in Form des angemeldeten Aufzugs, ggf. auf einer anderen als der angemeldeten Route oder in eingeschränkter Weise als lediglich stationäre Versammlung stattfinden, so käme es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu schweren Ausschreitungen, wenn gewaltbereite und gewaltsuchende Teilnehmer der Versammlung auf ebenso gewaltorientierte Gegner aus dem linken Spektrum stoßen. Diese werden versuchen, jede sich ihnen bietende Möglichkeit zu nutzen, die Teilnehmer des angemeldeten Aufzugs anzugreifen, und zwar unabhängig davon, ob diese einen Aufzug durchführen oder nur eine stationäre Versammlung. Das belegen die zahlreichen, bereits in der Wortwahl unmissverständlichen Aufrufe aus dem linksautonomen Spektrum, die im Internet verbreitet werden. Dort wird u.a. in der im Bescheid der Antragsgegnerin (S. 25 ff.) zutreffend wiedergegebenen Weise dazu aufgerufen, den rechten Aufmarsch anzugreifen, „sich dem deutschen Mob mit allen Mitteln und auf allen Ebenen entgegenzustellen“ und ihn anzugreifen, den „Nazis auf’s Maul!“ zu geben, den Naziaufmarsch anzugreifen, die „braune Pest“ entschlossen aus der Stadt zu jagen und ihnen zu zeigen, „dass dies nur unsere Straßen sind“, und Aufzüge wie diesen um jeden Preis zu verhindern. In dem Aufruf der Gruppe „Roter Aufbau Hamburg“, der auf deren Website (roter-aufbau.de) sowie über die Plattform http://de.indymedia.org verbreitet wird, wird neben der Überschrift „Hamburg wird rechtsfrei - Hetzjagd auf Nazis am 12.9.“ ein rot-maskierter Mann mit einem Baseballschläger gezeigt. In dem Text des Aufrufs heißt es weiter: „Deshalb müssen wir uns und unsere Nachbarschaft selbst vor diesen Gruppen schützen... Wir werden ihnen mit allen Mitteln zeigen, dass ihre Zeichensetzung falsch ist, denn Hamburg sieht nicht nur am 1. Mai rot, sondern immer auch dann, wenn rechtes Gesindel in unserer Stadt auftritt. Wir kennen die Straßen dieser Stadt und werden ihnen entschlossen zeigen, dass es unsere Straßen sind. - Hetzjagd auf Nazis bis zum Kommunismus!“. Entsprechend gewaltorientiert ist auch das Video, welches zum Angriff auf den früheren Aufzug vom 2. Juni 2012 aufrief und offenbar neu ins Internet eingestellt worden ist (S. 26 des Bescheides). Auch in einem Aufruf des Bündnisses gegen Rechts heißt es unter Bezugnahme auf den Aufzug vom 2. Juni 2012: Wir werden flexibel sein und dort protestieren, wo die RassistInnen ihre menschenverachtende Propaganda verbreiten wollen. ... ist uns Ansporn, ein weiteres Mal auf die Straße zu gehen und uns ihnen in den Weg zu stellen. Komm mit!“.
- 29
Dies belegt, dass mehrere Gruppierungen dazu aufrufen, die rechtsgerichteten Versammlungsteilnehmer jederzeit und an jedem Ort in Hamburg anzugreifen und sich Ihnen zumindest in den Weg zu stellen, um den Aufzug zu verhindern. Sie rufen nicht zur Teilnahme an einer Gegendemonstration auf, sondern zu gezielten Aktionen außerhalb einer Versammlung. Die diesbezüglichen Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass das tatsächlich geschieht, und zwar bereits vor der Versammlung, während der Versammlung und nach ihrem Ende. So wurden bereits am 1. Mai 2008 vor Beginn einer Versammlung rechtsgerichteter Kreise die anreisenden Versammlungsteilnehmer (insgesamt ca. 1.500) in verschiedenen Stadtteilen attackiert und es kam während der gesamten Zeit der Versammlung zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den rechten und linken Gruppierungen sowie zu schweren Angriffen auf die eingesetzten Polizisten (S. 21 des Bescheides). In der Nacht vor dem Aufzug am 2. Juni 2012 („Tag der deutschen Zukunft“) wurden Polizeifahrzeuge angezündet. Während der Versammlung versuchte ein Block von mehr als 1.000 Personen, auf die Marschstrecke der Rechten zu gelangen. Dabei wurden die Polizisten, die die Marschstrecke zu sichern hatten, massiv angegriffen. Mit einem großem Polizeiaufgebot - insgesamt waren 4.550 Polizisten im Einsatz - konnte verhindert werden, dass die beiden Gruppierungen aufeinandertrafen (S. 22 des Bescheides). Vergleichbar war die Situation am 15. November 2014 in Hannover. Als dort der Demonstrationszug der Gegendemonstranten unmittelbar an die stationäre Versammlung der Rechten herankam, konnten körperliche Auseinandersetzungen nur mit einem massiven Einsatz von Polizeibeamten verhindert werden; im Einsatz waren 5.330 Beamte. Gleichwohl bewarfen sich die beiden Gruppierungen mit Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen (S. 24 des Bescheides).
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Aufgrund der Feststellungen der Antragsgegnerin, an deren Richtigkeit kein Zweifel besteht, ist weiter davon auszugehen, dass ein gewichtiger Teil der rechtsgerichteten Teilnehmer des angemeldeten Aufzugs ebenfalls die körperliche Auseinandersetzung mit den Gegendemonstranten annehmen, wenn nicht gar suchen werden. Dass sich unter den Teilnehmern des angemeldeten Aufzugs eine nicht unerhebliche Zahl von gewaltorientierten Personen befinden würde, ist oben bereits ausgeführt worden. Das vorhandene Gewaltpotential belegt zudem der soeben gewürdigte Verlauf der Versammlung in Hannover. Vor allem aber belegt das der Verlauf des - in jeder Hinsicht vergleichbaren - Aufzugs in Köln am 26. Oktober 2014. Wie oben ausgeführt, haben Teilnehmer des Aufzugs auf Provokationen von Außenstehenden äußerst aggressiv mit Flaschenwürfen sowohl gegen die Provokateure als auch gegen die Polizei und Medienvertreter reagiert. Auch hiernach steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass es - sollten die beiden Gruppierungen zu irgendeiner Zeit während des Aufzugs oder in der Zeit davor oder danach unmittelbar aufeinandertreffen - massive Schlägereien zwischen ihnen geben wird, bei denen es zu erheblichen Körperverletzungen und Sachbeschädigungen kommen wird. Die Zahl der gewaltorientierten Personen im Kreis der Linken wird nach den Einschätzungen der Antragsgegnerin, an deren Richtigkeit der Senat ebenfalls nicht zweifelt, in einer Größenordnung von bis zu 2.000 Personen liegen, darunter 500 bis 1.000 gewaltsuchende Personen (S. 20 des Bescheides). Die vorhandene hohe Gewaltbereitschaft wird schließlich dadurch bestätigt, dass in der Nacht vom 30. auf den 31. August 2015 die Fahrzeuge eines Mitorganisators des Aufzugs sowie zweier anderer Personen aus der rechten Szene in Brand gesetzt wurden.
- 31
Die zu erwartenden Auseinandersetzungen während des Aufzugs oder in der Zeit davor oder danach könnte die Antragsgegnerin nach ihrer plausiblen und nicht zu beanstandenden Einschätzung nur mit dem genannten Großaufgebot an Kräften ausreichend verhindern. Ohne dieses Großaufgebot wird es mit Sicherheit zu massiven Schlägereinen zwischen den verfeindeten Gruppen kommen. Dieses Aufgebot steht der Antragsgegnerin tatsächlich nicht zur Verfügung. Für die Durchführung eines Aufzugs fehlen ihr nach dem letzten Stand 23 Hundertschaften (ca. 2.500 Beamte). Aber selbst für die Durchführung einer nur stationären Versammlung, für deren Sicherung sie mit insgesamt 7 Hundertschaften weniger auskommen könnte, fehlen ihr noch 16 Hundertschaften (va. 1.750 Beamte). Damit steht fest, dass die Antragsgegnerin nicht ausreichend in der Lage ist, die Gesundheit der betroffenen Personen sowie das Eigentum betroffener Bürger zu schützen. Hinzu kommt, dass die Polizisten, die in einer viel zu geringen Stärke gleichwohl versuchen müssten, die Auseinandersetzungen zu verhindern, in ihrer eigenen Gesundheit über das bei einer regulären Einsatzstärke ohnehin schon bestehende Maß hinaus gefährdet würden.
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Nach den Hilfeverweigerungen der Behörden des Bundes und der Länder spricht nichts dafür, dass diese „im letzten Moment“ doch noch Einsatzkräfte in der erforderlichen Zahl zur Verfügung stellen könnten, sollte im vorliegenden Verfahren die Durchführung eines Aufzugs oder zumindest einer stationären Versammlung ermöglicht werden. Mit einer derartigen Sinnesänderung in dem erforderlichen Umfang ist nicht zu rechnen, da damit faktisch eingeräumt würde, dass die bisherigen Absagen nicht ernst gemeint waren und möglicherweise nur dazu gedient haben, der Antragsgegnerin die Argumente zu liefern, den Aufzug zu verbieten.
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B Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (20 K 6161/15) gegen die Auflagenverfügung des Antragsgegners vom 21.10.2015, soweit sie sich auf Nr. 1 bezieht, wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht nach Anordnung der sofortigen Vollziehung belastender Verwaltungsakte die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist geboten, wenn das Interesse des Antragstellers am Aufschub der Durchsetzung der angegriffenen Verfügung das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung überwiegt. Vorliegend fällt bei Überprüfung der angegriffenen, auf § 15 Abs. 1 VersG gestützten Maßnahme die anzustellende Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen, die an einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu stellen sind, zu Lasten des Antragstellers aus.
6Bei ihrer Entscheidung orientiert sich die Kammer an den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht zur Inanspruchnahme des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und zur Auslegung des § 15 VersG im Einzelnen ausgeführt hat, und zwar
7insbesondere zu Versammlungsauflagen,
8vgl. Beschluss vom 21.04.1998 – 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, 834; Beschluss vom 02.12.2005 – 1 BvQ 35/05 -, Juris.
9Die in Art. 8 GG gewährleistete Versammlungsfreiheit schließt das Recht ein, - u.a. - über den Ort der Veranstaltung selbst zu bestimmen.
10Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde Versammlungen und Aufzüge von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Dabei sind versammlungsrechtliche Auflagen ein Mittel, gefährdeten Rechtsgütern Dritter Rechnung zu tragen und praktische Konkordanz zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten Gut der Versammlungsfreiheit sowie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten und schutzbedürftigen Rechtsgütern herzustellen.
11Die hier streitige Auflage betr. den von dem Antragsteller angemeldeten Kundgebungsort auf dem Breslauer Platz trägt diesen Grundsätzen in (noch) hinreichender Weise Rechnung.
12Es sind allerdings von dem Antragsgegner keine hinreichenden Belege dafür erbracht worden, dass es wegen zu erwartender Gewalttätigkeiten zu einer von ihrem Charakter her insgesamt unfriedlichen Versammlung kommen könnte und damit die Versammlung nicht mehr dem Schutz des Art. 8 unterfiele. Soweit – wiederum - auf den Verlauf der Versammlung von HoGeSa am 26.10.2014 in Köln hingewiesen wird, hat das OVG NRW hierzu in dem im vorangegangenen Verfahren zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 21.10.2015 – 15 B 1201/15 – im Einzelnen ausgeführt, dass das Versammlungsmotto trotz des erkennbaren Bezuges zu den Vorjahrsereignissen nicht ohne Weiteres auf einen vom Antragsteller angestrebten oder gebilligten unfriedlichen Verlauf schließen lasse und dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass von der angemeldeten Kundgebung prognostisch eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen werde (und damit das ausgesprochene Versammlungsverbot nicht gerechtfertigt sei).
13Den Erwägungen des OVG NRW tritt die beschließende Kammer bei. Es bestehen allerdings dennoch Bedenken, ob es nicht gerade durch die Kundgebung des Antragstellers am Breslauer Platz, der weder einen konkreten Bezug zum Versammlungsthema aufweist noch irgendwelche Bezugsobjekte hierzu, sondern dem allein eine Symbolwirkung als Ausgangsort der letztjährigen HoGeSa-Kundgebung sowie im Hinblick auf die im Anschluss an die seinerzeit bereits beendete Versammlung gerade dort stattgefundenen Gewaltausbrüche zukommt, eine andere Betrachtungsweise gerechtfertigt ist. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die Anlegung der Veranstaltung als Jahrestag bzw. Hommage im Hinblick auf die Versammlung vom 26.10.2014 dazu führen kann, dass es wiederum zu Gewaltausbrüchen in nicht unerheblichem Umfang kommen wird. Dies bedarf indes im Hinblick auf die nachstehenden Ausführungen keiner abschließenden Beurteilung.
14Jedenfalls kann nämlich die Einschätzung des Antragsgegners nicht beanstandet werden, dass der vom Antragsteller als Kundgebungsort benannte Breslauer Platz sich angesichts der sich derzeit bietenden örtlichen Gegebenheiten von der Kapazität her nicht zur Aufnahme der zu erwartenden Teilnehmerzahl der Kundgebung geeignet ist. Er hat insoweit dargelegt, dass die zur Verfügung stehende Fläche lediglich eine Aufnahme von bis zu 2.000 Personen ermöglicht, während es allein auf der Facebook-Seite zu der Versammlung mittlerweile bereits 2.282 Zusagen gebe. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die tatsächliche Teilnehmerzahl noch erheblich höher sein wird. Insoweit ist in den Blick zu nehmen, dass der Antragsteller entgegen seiner Ankündigung in der Versammlungsanmeldung die veranstaltende Organisation bislang nicht benannt hat, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die zu erwartende Teilnehmerzahl letztlich unklar bleibt. Die Kammer hält es für unwahrscheinlich, dass der Antragsteller als Einzelperson die angemeldete Versammlung veranstaltet. Im Übrigen hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 14.10.2015 im Verfahren 20 L 2453/15 auf die Absage der für den 24.10.2015 angemeldeten GSD-Veranstaltung hingewiesen, hierauf wird Bezug genommen.
15Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner stattdessen dem Antragsteller den – ebenfalls verkehrsgünstig gelegenen – Barmer Platz zugewiesen hat, nachdem der Antragsteller in dem Kooperationsgespräch den Breslauer Platz als Versammlungsort für nicht verhandelbar bezeichnet und keinen alternativen Kundgebungsort ins Gespräch gebracht hat. Im Übrigen bestehen keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die Öffentlichkeitswirksamkeit der Versammlung am zugewiesenen Ort. Zwar ist es zutreffend, dass am Breslauer Platz mit weit größeren Passantenströmen zu rechnen ist, andererseits wird bereits vor allem durch die Medien, die sich mit der Veranstaltung beschäftigen werden und dadurch – unabhängig vom konkreten Versammlungsort – gewährleistet, dass das Demonstrationsanliegen Aufmerksamkeit erlangt.
16Vgl. hierzu Beschluss der Kammer vom 09.04.2009 – 20 L 308/09 - und OVG NRW, Beschluss vom 07.05.2009 – 5 B 510/09 – sowie im Anschluss hieran: BVerfG, Beschluss vom 08.05.2009 – 1 BvR 1116/09 -.
17Soweit der Antragsteller rügt, dass der Antragsgegner – aus taktischen Gründen - erst sehr spät mit der unzureichenden Aufnahmekapazität des Breslauer Platzes argumentiert habe und seine Angaben hierzu auch unzutreffend seien, ist ihm zuzugestehen, dass die diesbezügliche Argumentation erstmals im Schriftsatz vom 22.10.2015, bei Gericht eingegangen kurz vor 17.00 Uhr, erfolgt ist. Andererseits hatte der Antragsgegner zunächst ein generelles Versammlungsverbot erlassen und deshalb bis zur Entscheidung des OVG NRW im Beschwerdeverfahren 15 B 1201/15 keinen Anlass, sich mit den konkreten örtlichen Gegebenheiten am Breslauer Platz auseinanderzusetzen. Des Weiteren ist auch die zu erwartende Teilnehmerzahl für die Veranstaltung kontinuierlich angestiegen.
18Soweit der Antragsteller in seinem Erwiderungsschriftsatz vom 22.10.2015 eine Ortsbesichtigung des Breslauer Platzes beantragt hat, sieht die Kammer bereits aus Zeitgründen keine Möglichkeit, diesem Begehren zu entsprechen. Darüber hinaus ist die – nicht weitab vom Verwaltungsgericht Köln gelegene – Örtlichkeit gerichtsbekannt, und zwar auch in ihrem derzeitigen Zustand (was insbesondere die vom Antragsgegner angeführte Großbaustelle anbetrifft). Ausgehend von dieser Ortskenntnis vermag die Kammer nicht festzustellen, dass die Beurteilung des Fassungsvermögens des Breslauer Platzes offensichtlich falsch ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass für die Veranstaltung ausreichend Platz für die Aufstellung der vorgesehenen Hilfsmittel, z.B. Bühnen für Redner und musikalische Darbietungen, vorhanden sein muss. Insofern ist anzumerken, dass der vom Antragsteller im Schriftsatz vom 22.10.2015 erwähnte Ablaufplan für die Kundgebung der Kammer nicht bekannt ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass auf dem Breslauer Platz hinreichend Platz für den Fußgängerverkehr (wegen der Großbaustelle ist ein Gehweg nur auf der dem Bahnhof zugewandten Straßenseite vorhanden) sowie für den Publikumsverkehr am Kölner Hauptbahnhof vorhanden bleiben muss. Soweit der Antragsgegner aus diesen Gründen den in Rede stehenden Kundgebungsort für mehr als 2.000 Versammlungsteilnehmer für zu klein hält, vermag das Gericht in Anbetracht der Erfahrung des Antragsgegners als Fachbehörde für die Abwicklung von versammlungsrechtlichen Veranstaltungen diese Einschätzung im Rahmen der hier allein möglichen summarischen Prüfung (und auch angesichts der für die Entscheidung zur Verfügung stehenden knappen Zeit) nicht in Frage zu stellen.
19Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass - im Hinblick auf das Vorbringen des Antragsgegners, dass es im ehemaligen Barmer Viertel, nicht aber am Breslauer Platz gewährleistet sei, die Versammlungsteilnehmer und etwaige Gegendemonstranten bzw. Störer auseinander halten zu können - rein polizeitaktische Erwägungen das Recht des Veranstalters auf eigenständige Bestimmung des Versammlungsortes nicht in Frage zu stellen vermögen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 GKG und trägt der Tatsache Rechnung, dass die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,
5die aufschiebende Wirkung der Klage- 20 K 6161/15 - gegen die Nr. 1 der Auflagenverfügung des Antragsgegners vom 21. Oktober 2015 wiederherzustellen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die vorzunehmende Interessenabwägung falle zulasten des Antragstellers aus, weil die Gefahreneinschätzung des Antragsgegners nicht zu beanstanden sei. Der vom Antragsteller als Kundgebungsort benannte Breslauer Platz eigne sich wegen der aktuellen örtlichen Gegebenheiten von der Kapazität her nicht zur Aufnahme der zu erwartenden Zahl der Teilnehmer der Kundgebung. Deshalb habe der Antragsgegner dem Antragsteller stattdessen den ebenfalls verkehrsgünstig gelegenen Barmer Platz zuweisen dürfen.
7Die dagegen von dem Antragsteller erhobenen Einwände haben keinen Erfolg.
8Gemäß § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
9Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG dürfen auch beim Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose erfordert tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich bei der Behörde.
10Vgl. dazu im Einzelnen die Nachweise im Senatsbeschluss gleichen Rubrums vom 21. Oktober 2015 - 15 B 1201/15 -.
11Geht es - wie in der allein streitgegenständlichen Nr. 1 der Auflagenverfügung des Antragsgegners vom 21. Oktober 2015 - um die versammlungsbehördliche Verlegung der Versammlung von dem angemeldeten an einen anderen Ort, ist zu berücksichtigen, dass von dem Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters prinzipiell auch die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst ist. Die Behörde hat im Normalfall lediglich zu prüfen, ob durch die Wahl des konkreten Versammlungsorts Rechte anderer oder sonstige verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigt werden. Ist dies der Fall, kann der Veranstalter die Bedenken durch eine Modifikation des geplanten Ablaufs ausräumen oder aber es kommen versammlungsrechtliche Auflagen in Betracht, um eine praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz herzustellen. Art. 8 GG und dem aus ihm abgeleiteten Grundsatz versammlungsfreundlichen Verhaltens der Versammlungsbehörde,
12vgl. zu diesem BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 = DVBl. 1985, 1006 = juris Rn. 83 - Brokdorf.
13entspricht es, dass auch bei Auflagen das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters im Rahmen des Möglichen respektiert wird. Ferner ist von Bedeutung, ob durch die Auflage die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit beseitigt werden kann, ohne den durch das Zusammenspiel von Motto und geplantem Veranstaltungsort geprägten Charakter der Versammlung - ein Anliegen ggf. auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen am Wirksamsten zur Geltung zu bringen - erheblich zu verändern.
14Vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2015 - 1 BvQ 25/15 -, NJW 2015, 2485 = juris Rn. 9, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226 = DVBl. 2011, 416 = juris Rn. 64, Beschlüsse vom 2. Dezember 2005 - 1 BvQ 35/05 -, BVerfK 7, 12 = juris Rn. 23 ff. (namentlich zum Aspekt großen Personenandrangs in einer Innenstadtlage als kollidierendem Schutzgut), vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, NVwZ 2004, 90 = juris Rn. 38, vom 4. Januar 2002 - 1 BvQ 1/02 -, NVwZ 2002, 174 = juris Rn. 3, und vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315 = DVBl. 1985, 1006 = juris Rn. 61 - Brokdorf.
15Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt das Beschwerdevorbringen des Antragstellers die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage. Auf der Basis der erkennbaren Tatsachen spricht bei verständiger Würdigung Überwiegendes dafür, dass die Nr. 1 der Auflagenverfügung des Antragsgegners vom 21. Oktober 2015 rechtmäßig ist, weil die Durchführung der von dem Antragsteller für den 25. Oktober 2015 angemeldeten Kundgebung auf dem Breslauer Platz prognostisch eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit i.S.v. § 15 Abs. 1 VersG darstellt. Dieser Gefahrenlage darf der Antragsgegner mit der angeordneten Verlegung der Versammlung in das Barmer Viertel (Platzfläche zwischen dem Barmer Platz, der Lenneper Straße, der Deutz-Mülheimer-Straße und der Barmer Straße in Köln-Deutz) begegnen.
16Nach Lage der Dinge bietet der Breslauer Platz wegen seiner besonderen örtlichen Gegebenheiten sowie angesichts seiner zentralen Lage direkt am Kölner Hauptbahnhof in Relation zu der zu erwartenden Zahl von Versammlungsteilnehmern keine ausreichende Raumkapazität, die einen gefahrlosen Ablauf der Versammlung an dieser Stelle gewährleistet. Sollte es im Rahmen einer ortsgebundenen Veranstaltung auf dem Breslauer Platz auch nur vereinzelt zu Gewaltausbrüchen kommen, was in Anbetracht der Ereignisse des Vorjahres am 26. Oktober 2014 und des mit dem damaligen zumindest teilidentischen Teilnehmerkreises aus der Hooliganszene nicht auszuschließen ist, entstünde durch die beengten räumlichen Verhältnisse und die dadurch eingeschränkte Bewegungsfreiheit an diesem Veranstaltungsort unmittelbar eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben einer unbestimmten Vielzahl von Personen und damit für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese somit hinreichend wahrscheinliche Rechtsgüterkollision hat der Antragsgegner über die streitbefangene Auflage im Sinne einer praktischen Konkordanz aufgelöst.
17Die Annahme der geschilderten Gefahrensituation ist auf der Grundlage der insoweit hinreichend konkreten und nachvollziehbaren Darlegungen des Antragsgegners gerechtfertigt. Der Antragsgegner hat plausibel dargetan, dass die auf dem Breslauer Platz derzeit für die Kundgebung zur Verfügung stehende Fläche von ca. 1.250 m² lediglich eine Aufnahme von bis zu 2.000 Personen ermöglicht. Diesen bereits im erstinstanzlichen Eilverfahren schwerpunktmäßig erörterten Kapazitätsaspekt hat der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung vom 24. Oktober 2015 einschließlich der mit dieser überreichten zeichnerischen Darstellungen ihrer Anlagen 1 und 2 überzeugend bekräftigt. Darin wird das beschränkte Platzangebot des Breslauer Platzes und die dadurch eingeschränkte Bewegungsfreiheit im Einzelnen wie folgt begründet:
18„Es sei darauf hingewiesen, dass der Breslauer Platz … keine kompakte Platzfläche ist, sondern die Summe einzelner, in unterschiedlicher Nutzung stehender kleinerer Platzflächen. Zur Veranschaulichung … habe ich zwei kartographische Anlagen beigefügt. Die Luftbilder und Maßangaben wurden dem Geoportal TIM-online entnommen. Unmittelbar angrenzend an das Bahnhofsgebäude verläuft ein Streifen (siehe Anlage 1 …), der von der Nutzung her als erforderlicher Raum für eine etwaige Evakuierung des Hauptbahnhofs definiert ist. Die in der Vorbereitung eingebundene Bundespolizei weist darauf hin, dass diese Fläche, in die zwei Bahnhofszugänge münden, zwingend freizubleiben hat. Der nordwestliche Teil des Platzes, in den Zu- und Abgänge der U-Bahn-Station münden, steht als Versammlungsfläche nicht zur Verfügung, da zum einen die Evakuierung der U-Bahn-Station nicht mehr gewährleistet wäre und zum anderen der Treppenabgang … eine nicht hinnehmbare Gefährdung auch für Teilnehmer darstellt. lch habe in meiner Gefahrenprognose hinreichend dargelegt, dass ich mit Gewalttätigkeiten seitens der Teilnehmer rechne. Dies und eine etwaige polizeiliche Intervention bergen die Gefahr, dass Personen auf dem Treppenabgang zu Fall kommen. Weiter hat die Berufsfeuerwehr Köln erklärt, dass die Fläche um den Treppenabgang herum im Falle eines Feuers in der U-Bahn-Station als Bereithaltungsfläche benötigt wird. Der oben genannte Treppenabgang ist auch Hauptzugangsweg für die Feuerwehr. Somit verbleibt letztlich nur die südöstliche Fläche des Breslauer Platzes, ausgenommen der oben beschriebene Evakuierungsstreifen. Der Bereich der Maximinenstraße und Johannisstraße inklusive des Kreisverkehrs (Anlage 1 …) ist als Bewegungsfläche für Polizeikräfte und -fahrzeuge, insbesondere Wasserwerfer, erforderlich. Ein Teil der verbleibenden Fläche des Breslauer Platzes wird als Aktionsraum für Polizeikräfte benötigt, die entlang der Gitterlinien der Versammlungsfläche den Schutz der Versammlung garantieren. Aufgrund der Gewalterfahrung der vergangenen HoGeSa-Veranstaltung sind zu diesem Zweck mehrere Hundertschaften vorgesehen. Weiterhin ist der Aufbau zweier Kontrollzelte (siehe Anlage 2) auf der Ostseite des Breslauer Platzes vorgesehen, die für selektive Vorkontrollen der Versammlungsteilnehmer unverzichtbar sind. Zur Vermeidung einer Rückstausituation in Richtung des Bahnhofseingangs sind diese Kontrollzelte in ausreichendem Abstand zum Bahnhof zu postieren. Von der nun verbleibenden Platzfläche muss der Flächenbedarf abgezogen werden, der sich für den Veranstalter selbst ergibt (Bühne, Logistik etc.). Für die zulässige Personendichte verweise ich erneut auf meine Gefahrenprognose. Nach meinem Kenntnisstand haben (heute 9:30 Uhr) 2.371 Personen ihre Teilnahme auf Facebook zugesagt. Dies weicht deutlich von den Angaben des Veranstalters (1.000) ab. Ich habe meinen Einsatzplanungen eine mögliche Teilnehmerzahl von bis zu 5.000 Personen zugrunde gelegt. In Anbetracht der zu erwartenden Gewalttätigkeiten seitens der Teilnehmer und der erforderlichen polizeilichen Intervention auf der Platzfläche komme ich deshalb zu dem Ergebnis, dass mehr als 2.000 Personen aus Sicherheitsgründen auf dem Breslauer Platz nicht vertretbar sind. Dabei habe ich auch berücksichtigt, dass im Falle einer polizeilichen Intervention friedlichen Teilnehmern die Möglichkeit verbleiben muss, sich auf der Platzfläche von den Gewalttätern räumlich zu trennen. Bei den obigen Ausführungen wurden die Erfahrungen des vergangenen Jahres berücksichtigt. So war z. B. im vergangenen Jahr die erforderliche Evakuierungsfläche entlang des Bahnhofsgebäudes ohne Gitterung bereits gegen 14:50 Uhr von Gewalttätern besetzt und durch die eingesetzten Kräfte nicht mehr zu halten. Kurz vor 15:00 Uhr war der Breslauer Platz zu 90 % und die Maximinen Str. zu 70 - 80 % durch Versammlungsteilnehmer belegt. In dieser Situation war eine wirksame polizeiliche Intervention wesentlich erschwert bis unmöglich. Da meine Gefahrenprognose für die diesjährige Veranstaltung von einem vergleichbaren Szenario ausgeht, muss ich Vorsorge treffen, dass ich Gewalttätigkeiten eindämmen kann. Die Existenz der Baustelle war für meine Bewertung nur insoweit relevant, als sie den erforderlichen Bewegungsraum sowohl für Polizeikräfte als auch für Unbeteiligte deutlich verringert.“
19Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser eingehend anhand der konkreten örtlichen Zustände auf dem Breslauer Platz erläuterten Gefahreneinschätzung des Antragsgegners zu zweifeln. Die von dem Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung angeführten Gegenindizien werden dadurch ausgeräumt. Insbesondere ist deutlich geworden, dass die mit Blick auf ihren Einfluss auf die verfügbare Veranstaltungsfläche im Fokus des Beschwerdevorbringens stehende Baustelle kein selbständig tragendes Hauptelement der Gefahrenprognose des Antragsgegners, sondern lediglich in seine Gesamtbetrachtung eingeflossen ist. Dass der Antragsgegner die limitierte Kapazität des Breslauer Platzes nicht von vornherein in den Vordergrund seiner Erwägungen gestellt hat, ist dem Verfahrensverlauf geschuldet. Eine Notwendigkeit dazu bestand erst im Nachgang zu dem Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015 - 15 B 1201/15 -. Ob am morgigen 25. Oktober 2015 letzten Endes in etwa so viele Versammlungsteilnehmer erscheinen werden wie im vergangenen Jahr, als es knapp 5.000 waren, ist unerheblich. Der von dem Antragsgegner plausibel berechnete belegbare Kundgebungsraum auf dem Breslauer Platz von etwa 1.250 m² würde für mehr als 2.000 Teilnehmer ersichtlich nicht ausreichen.
20Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensfehler ist nicht gegeben. Nicht zuletzt in Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Sache waren weder das Verwaltungsgericht noch der Senat gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO oder von Verfassung wegen nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 103 Abs. 1 GG verpflichtet, etwa durch eine Inaugenscheinnahme des Breslauer Platzes im Rahmen eines Ortstermins in weitergehende Sachverhaltsermittlungen einzutreten. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es auch ohnedem mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut ist. Davon abgesehen lässt sich die Gefahrenprognose des Antragsgegners mit Hilfe des Akteninhalts und vor allem seiner Beschwerdeerwiderung vom 24. Oktober 2015 ohne Weiteres hinreichend zuverlässig nachvollziehen.
21Die Verlegung der Kundgebung in das Barmer Viertel trägt dem Grundrecht ausArt. 8 Abs. 1 GG auch im Übrigen angemessen Rechnung. Der in Nr. 1 der Auflagenverfügung vom 21. Oktober 2015 benannte alternative Versammlungsort ist ebenfalls noch zentral gelegen und - etwa über den Deutzer Bahnhof - verkehrsmäßig gut angebunden. Er ist für die Versammlungsteilnehmer leicht erreichbar. Der Antragsteller kann das mit der unter dem Motto „Köln 2.0 - friedlich und gewaltfrei gegen islamischen Extremismus“ angemeldeten Versammlung verbundene kommunikative Anliegen zudem auch an dem neuen Versammlungsort ohne Weiteres erreichen. Er ist dafür nicht darauf angewiesen, dass die Kundgebung gerade auf dem Breslauer Platz stattfindet. Seine Wahl dieses Versammlungsortes für eine Kundgebung am 25. Oktober 2015 steht mit den Krawallen des vergangenen Jahres im Zusammenhang, die sich im Anschluss an die Kundgebung am 26. Oktober 2014 auf dem Breslauer Platz ereignet haben. Anlässlich des Kooperationsgesprächs am14. Juli 2015 äußerte der Antragsteller, die diesjährige Veranstaltung solle am „Jahrestag“ auch als „Hommage“ dienen. Der hierin zu erblickende Bezug zwischen der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung und der letztlich gewaltsam verlaufenen Vorjahresveranstaltung vermag dessen Interesse an der Durchführung gerade auf dem Breslauer Platz keine Durchsetzungskraft zu verleihen. Denn eine Bezugnahme dieses Inhalts verdient mit Blick auf die für diesen Fall gegenläufigen Schutzgüter aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG keinen Schutz.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.