Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 19. Juni 2015 - 40 L 2120/15.PVL

Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
1
Gründe:
2I.
3Im Dezember 2014 beabsichtigte der Beteiligte für bestimmte Mitarbeiter aus dem IT-Bereich (Team 000.00) ca. neun Überstunden am Sonntag, dem 00.0.2015, anzuordnen, um Wartungsarbeiten an den städtischen Computer-Servern vorzunehmen. Der Beteiligte trug vor, dass die Arbeiten nur am Sonntag durchgeführt werden könnten, wenn der Verwaltungsbetrieb ruhe. Er bat den Antragsteller, der beabsichtigten Maßnahme zuzustimmen. Der Antragsteller hielt die Sonntagsarbeit für technisch unnötig; er meinte sie könne auch gestaffelt und an Samstagen durchgeführt werden. Die IT-Mitarbeiter waren aufgrund der Entgeltzuschläge für Sonntagsarbeit jedoch mit der Anordnung einverstanden. Der Antragsteller trägt vor, dass er zwar angekündigt hat, die Zustimmung zu verweigern, er trägt aber nicht vor, dass er die Zustimmung auch tatsächlich verweigert hat. Eine Erörterung oder ein Einigungsstellenverfahren fanden nicht statt.
4In der Folgezeit wurde zwischen den Beteiligten insbesondere besprochen, ob die Sonntagsarbeit mit dem Arbeitszeitgesetz vereinbar sei.
5Im Mai 2015 überlegte der Beteiligte, für weitere IT-Wartungsarbeiten erneut Sonntagsarbeit anzuordnen. In Gestalt seines Justiziars fragte er beim Antragsteller an, ob mit dessen Zustimmung zu rechnen sei, wenn das Arbeitszeitgesetz nicht entgegenstehe. Der Antragsteller erklärte erneut, dass nach seiner Auffassung die Arbeiten nicht zwingend an einem Sonntag stattfinden müssten.
6Am 16. Juni 2015 erfuhr der Antragsteller nach seinem Vortrag, dass der Beteiligte für die genannten IT-Mitarbeiter Überstunden an den Sonntagen 00. und 00.0.2015 angeordnet hatte. Während dieser Zeit sollten an den städtischen Computer-Servern dringend erforderliche Wartungsarbeiten stattfinden.
7Nach der Darstellung des Beteiligten geht es vor allem darum, die von der Firma N etwa monatlich herausgegebenen Sicherheitsupdates zu installieren. Dazu müssen die Serversysteme jedenfalls teilweise ausser Betrieb gesetzt („heruntergefahren“) werden. Der Beteiligte trägt vor, dass v.a. die besonders sicherheitskritischen Updates von November und Februar 2015 installiert werden müssen. Diese Arbeiten könnten nicht an einem Freitagnachmittag erfolgen, weil das Service-Center als zentrale Anlaufstelle der Städte X, S und T auch an Freitagen bis 19 Uhr besetzt sei. Samstags sei der kommunale Ordnungsdienst bis 18 Uhr besetzt und die zugehörige Leitstelle sei auf IT-Unterstützung angewiesen. Überdies fänden in der sonstigen dienstfreien Zeit, also abends, nachts und am Wochenende automatisierte Verfahren und Sicherheitsspeicherungen (Backups) statt, die ebenfalls auf die zu wartenden Server zugriffen.
8Der Antragsteller hält dem entgegen, die Server der Stadt seien fast vollständig virtualisiert, d. h. von der physischen Hardware unabhängig. Deswegen sei der Ausfall einiger physischer Serverkomponenten („Blades“) unkritisch, weil die Systemarchitektur auf den Ausfall einzelner Hardwarekomponenten ausgerichtet sei. Funktionell sei es dabei gleichgültig, ob eine einzelne Komponente ausfalle, weil sie technisch defekt sei oder weil sie gezielt funktionell aus dem Rechnerverbund genommen werde, um ihr grundlegendes Steuerungsprogramm (Betriebssystem) zu aktualisieren.
9Der Antragsteller beantragt,
10- 1.11
dem Beteiligten im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die an den Sonntagen 00. und 00.0.2015 angeordneten Überstunden für Wartungen und Updates an zentralen Serversystemen im Rechenzentrum durchführen zu lassen,
- 2.12
dem Beteiligten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 Euro anzudrohen.
Der Beteiligte beantragt,
14die Anträge abzulehnen.
15II.
16Die Fachkammer entscheidet gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW, § 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 937 Abs. 2, 944 ZPO wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter.
17Der Antrag hat keinen Erfolg
18Nach den gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG entsprechend anwendbaren Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozessordnung kann eine einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), oder wenn die Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 940 ZPO). Die Gefährdung des Rechts bzw. die Notwendigkeit einer Regelung, d. h. der Verfügungsgrund, und der Verfügungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO). Darüber hinaus darf die einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als im Hauptsacheverfahren möglich ist, und die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Lediglich ausnahmsweise kann es die Effektivität des Rechtsschutzes erfordern, durch eine einstweilige Verfügung der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, sofern wirksamer Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht erreichbar ist und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde, insbesondere wenn die Versagung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu einem endgültigen Rechtsverlust oder sonstigen irreparablen Zustand führt. Dabei sind die Belange des Antragstellers und des Beteiligten abzuwägen und strenge Anforderungen an die materiellen Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung zu stellen.
19Std. Rspr., vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2012 – 20 B 511/12.PVL -, Juris.
20Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Antragsteller keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Zwar ist effektiver Hauptsachenrechtsschutz wegen Zeitablaufs wohl nicht mehr zu erreichen, so dass der auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtete Antrag gerechtfertigt ist. Der Antragsteller erfüllt die damit einhergehenden strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes jedoch nicht. Nach vorläufiger rechtlicher Bewertung der Fachkammer ist die Anordnung der Sonntagsarbeiten für die IT-Mitarbeiter nicht mitbestimmungspflichtig, so dass den Beteiligten insofern kein personalvertretungsrechtliches Verbot trifft, seine Anweisung bzgl. der beiden kommenden Sonntage umzusetzen.
21Nach der Grundregel des § 66 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW ist es dem Dienststellenleiter verwehrt, eine Maßnahme zu treffen, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, wenn dieser ihr nicht zugestimmt hat. Das Umsetzungsverbot setzt also die Mitbestimmungsbedürftigkeit der Maßnahme voraus. Welche Maßnahmen mitbestimmungspflichtig sind, ergibt sich aus §§ 72 ff. LPVG NRW.
22Dem Antragsteller steht nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen überschlägigen Prüfung kein Mitbestimmungsrecht aus dem von ihm allein geltend gemachten § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 – Erster Mitbestimmungstatbestand – LPVG NRW zu. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit, soweit sie vorauszusehen oder nicht durch Erfordernisse des Betriebsablaufs oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bedingt sind.
23Diese Vorschrift bezieht sich allerdings nach ihrem insofern eindeutigen Wortlaut nur auf die Anordnung der Überstunden/Mehrarbeit an sich, nicht auf die Festlegung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeit zu leisten ist.
24Vgl. Cecior u.a., Das Personalvertretungsrecht in NRW, Loseblatt Stand: September 2014, § 72 Rn. 826 m.w.N.
25Das insofern maßgebliche antragstellerische Begehren richtet sich jedoch nicht gegen die Anordnung der zusätzlichen IT-Arbeiten an sich, sondern ausschließlich dagegen, dass diese an zwei Sonntagen und nicht werktags stattfinden sollen. Die zeitliche Lage der zu leistenden Arbeit unterfällt dem geltend gemachten Mitbestimmungstatbestand nicht.
26Die Fachkammer geht mit Blick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes davon aus, dass der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren nicht auf diesen Mitbestimmungstatbestand verengen wollte. Denn die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, also der Lage der Arbeitszeit, unterliegt nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 – Erster Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW der Mitbestimmung des Personalrats. Doch auch hiernach unterliegt die streitgegenständliche Anordnung der Sonntagsarbeit nicht der Mitbestimmung. Denn der Mitbestimmungstatbestand ist bereits nach dem Einleitungssatz von § 72 Abs. 4 LPVG NRW ausgeschlossen, weil Sonntagsarbeit von § 3 Abs. 2 AZVO NRW für Beamte und von §§ 6 Abs. 5, 8 Abs. 1 Satz 2 lit. c) TVöD für Beschäftigte bereits abschließend geregelt ist.
27Vgl. Cecior u.a., Das Personalvertretungsrecht in NRW, Loseblatt Stand: September 2014, § 72 Rn. 771 ff., und Rn. 777 zu den verbleibenden geringfügigen Mitwirkungsmöglichkeiten des Personalrats bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit.
28Die Fachkammer neigt überdies dazu, den Mitbestimmungstatbestand für ausgeschlossen zu halten, weil der Zeitpunkt der Überstunden/Mehrarbeit so eng mit deren Anordnung verbunden ist – aus der Sicht des Beteiligten muss die Arbeit an einem Sonntag stattfinden, weil nur dann die Wartung der Rechnersysteme die Verwaltungstätigkeit nicht gravierend beeinträchtigt –, dass beides nicht voneinander getrennt werden kann. Solche Fälle sind gegeben, wenn Überstunden aus Anlass von konkreten, zeitlich festliegenden Einzelfällen zu einem bestimmten Zeitpunkt angeordnet werden müssen, so dass für zeitliche Dispositionen kein Raum ist. Anderenfalls würde in diesen Fällen – unzulässigerweise – der Personalvertretung auch die Mitbestimmung über die staatliche Aufgabenerledigung eingeräumt. Ein Mitbestimmungsrecht besteht daher nur dann, wenn sich die Anordnung der Überstunden und deren Ableistung ohne weiteres trennen lassen.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1991 – 6 P 12/90 –, PersR 1992, 16; OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 1998 – 1 A 4363/95.PVL –, OVGE 47, 14; Cecior u.a. Das Personalvertretungsrecht in NRW, Loseblatt Stand: September 2014, § 72 Rn. 797 m.w.N.
30Insofern kommt es maßgeblich auf die IT-technische Frage an, ob und unter welchen Bedingungen die Updates im laufenden Betrieb bzw. an späten Nachmittagen, Abenden, Nächten und Samstagen installiert werden können. Insofern hat der Antragsteller dem verhältnismäßig detaillierten Vortrag des Beteiligten, dass dieses technisch nicht möglich sei, in seiner Antragsschrift nichts Durchgreifendes entgegengesetzt. Der Verweis auf die Virtualisierung der Serverumgebung allein genügt dem noch nicht, weil der Beteiligte dem mit nachvollziehbaren Argumente widersprochen hat. Sollte es entscheidend auf die technischen Fragen ankommen, müssten sie in einem Hauptsacheverfahren, notfalls unter Sachverständigenbeteiligung, beantwortet werden. Hierfür bietet das Eilverfahren keinen Raum, so dass der Antragsteller die Folgen den ihn insofern treffenden Darlegungs- und Substanziierungslast tragen muss.
31Aus der Unbegründetheit des Antrags zu 1) folgt gleiches für den Antrag zu 2).
32Eine Kostenentscheidung unterbleibt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.

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(1) Soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt, findet aus rechtskräftigen Beschlüssen der Arbeitsgerichte oder gerichtlichen Vergleichen, durch die einem Beteiligten eine Verpflichtung auferlegt wird, die Zwangsvollstreckung statt. Beschlüsse der Arbeitsgerichte in vermögensrechtlichen Streitigkeiten sind vorläufig vollstreckbar; § 62 Abs. 1 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Für die Zwangsvollstreckung gelten die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozeßordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß der nach dem Beschluß Verpflichtete als Schuldner, derjenige, der die Erfüllung der Verpflichtung auf Grund des Beschlusses verlangen kann, als Gläubiger gilt und in den Fällen des § 23 Abs. 3, des § 98 Abs. 5 sowie der §§ 101 und 104 des Betriebsverfassungsgesetzes eine Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangshaft nicht erfolgt.
(2) Der Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozeßordnung über die einstweilige Verfügung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Entscheidungen durch Beschluß der Kammer ergehen, erforderliche Zustellungen von Amts wegen erfolgen und ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 945 der Zivilprozeßordnung in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes nicht besteht. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.
(1) Soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt, findet aus rechtskräftigen Beschlüssen der Arbeitsgerichte oder gerichtlichen Vergleichen, durch die einem Beteiligten eine Verpflichtung auferlegt wird, die Zwangsvollstreckung statt. Beschlüsse der Arbeitsgerichte in vermögensrechtlichen Streitigkeiten sind vorläufig vollstreckbar; § 62 Abs. 1 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Für die Zwangsvollstreckung gelten die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozeßordnung entsprechend mit der Maßgabe, daß der nach dem Beschluß Verpflichtete als Schuldner, derjenige, der die Erfüllung der Verpflichtung auf Grund des Beschlusses verlangen kann, als Gläubiger gilt und in den Fällen des § 23 Abs. 3, des § 98 Abs. 5 sowie der §§ 101 und 104 des Betriebsverfassungsgesetzes eine Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangshaft nicht erfolgt.
(2) Der Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozeßordnung über die einstweilige Verfügung entsprechend mit der Maßgabe, daß die Entscheidungen durch Beschluß der Kammer ergehen, erforderliche Zustellungen von Amts wegen erfolgen und ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 945 der Zivilprozeßordnung in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes nicht besteht. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.