Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Apr. 2014 - 23 K 4847/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der 1965 geborene Kläger war seit 1999 in Obdachlosenunterkünften der Beklagten untergebracht. Hierfür hatte er Benutzungsgebühren zu entrichten.
3Seit November 2010 war ihm in der Obdachlosenunterkunft I. . 95 a in L. die Wohnung im 1. Obergeschoss rechts zugewiesen, die er auch nutzte. Dafür hatte er gemäß Gebührenbescheid vom 29. Oktober 2010 Benutzungsgebühren von insgesamt 189,62 Euro zu entrichten, die sich aus einer Grundgebühr von 143,13 Euro (2,10 Euro x 71,21 qm), einem Stromanteil von 6,82 Euro, Müllabfuhrgebühr von 4,80 Euro und sonstigen Betriebskosten von 34,87 Euro zusammensetzten.
4Am 3. August 2011 wurde die Obdachlosenunterkunft I. . 95 a – und so auch die vom Kläger genutzte Wohnung – durch einen Brand unbewohnbar. Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht über eine andere Unterbringungsmöglichkeit verfügte, wies ihm die Beklagte mit Bescheid vom 4. August 2011 das Zimmer 1 in der ebenfalls von ihr betriebenen Obdachlosenunterkunft Q. . 152 – 154 zu. Der Kläger nutzte diese Unterkunft auch.
5Mit Bescheid vom 4. August 2011 setzte die Beklagte für die neue Unterkunft des Klägers in der Q. . 152 – 154 die monatliche Benutzungsgebühr auf 264,65 Euro fest, die sich aus der Grundgebühr von 130,14 Euro (6,1358 Euro x 21,21 qm), einer pauschalen Verbrauchsgebühr von 104,60 Euro und einem pauschalen Betriebskostenanteil von 29,91 Euro zusammensetzte. Für die Zeit vom 4. – 31. August 2011 setzte die Beklagte 247,00 Euro fest.
6Zum 1. September 2011 zog der Kläger aus der Obdachlosenunterkunft Q. . 152 – 154 aus und bezog eine von ihm angemietete Wohnung in L. .
7In der Folgezeit entstand zwischen den Beteiligten Streit über die für den Monat August 2011 vom Kläger zu entrichtenden Gebühren. Den für die frühere Unterkunft I. . 95 a monatlich geschuldeten Betrag von 189,62 Euro hatte der Kläger für August 2011 bezahlt. Ob er darüber hinaus noch etwas zu zahlen habe oder ob die Beklagte ihm etwas erstatten müsse, steht im Streit. Der Kläger meinte, von der Beklagten noch etwas erstattet erhalten zu müssen; die Beklagte geht davon aus, sie bekomme noch 70,02 Euro von ihm für den Monat August 2011.
8Der Kläger erhob am 7. Oktober 2011 beim erkennenden Gericht die Klage 23 K 6026/11, mit der er ursprünglich geltend machte, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem Brand in der I. . 95 a am 3. August 2011 und der Nutzung der Unterkunft Q. . 152 – 154 (Zimmer 1) einen Betrag von 59,48 Euro zu erstatten habe. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass er für den Monat August 2011 für seine „Mietwohnung“ in der I. . 95 a einen Betrag von 189,62 Euro bezahlt hätte und die Beklagte für die Nutzung des Zimmer 1 in der Q. . 152 – 154 allein die „Grundgebühr“ von 130,14 Euro damit verrechnen dürfe (189,62 Euro – 130,14 Euro = 59,48 Euro). Der Einzelrichter wies diese Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 15. April 2013 ab, weil dem Kläger ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte nicht zustehe.
9Da der Kläger den von der Beklagten für den Monat August 2011 verlangten Betrag von weiteren 70,02 Euro nicht zahlte, gab die Beklagte diesen Betrag Anfang November 2011 an ihre Stadtkasse zur Vollstreckung. Diese benachrichtigte den Kläger unter dem 4. Januar 2012, dass der Auftrag zur Zwangsvollstreckung für Rückstände von 78,92 Euro erteilt sei. Er könne dies durch Zahlung des Betrages bis 18. Januar 2012 abwenden. Danach würden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Eine Zahlung erfolgte nicht.
10Die Beklagte (Finanzbuchhaltung als Vollstreckungsbehörde) pfändete unter dem 27. Juni 2012 (zugestellt am 29. Juni 2012) mit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung (PfEV) gegenüber der Volksbank L. eG das dort geführte Konto des Klägers Nr. 0000000000 im Hinblick auf einen offenen Betrag von 102,10 Euro. Die beigefügte Forderungsaufstellung wies zu „Benutzungsgebühren der Obdachlosenfürsorge“ an Forderungen aus:
11 Hauptforderung fällig 05.04.2011 2,34 Euro
12 Hauptforderung fällig 05.08.2011 70,03 Euro
13 Mahngebühr fällig 08.09.2011 6,00 Euro
14 Kosten Vollstreckung sofort fällig 23,73 Euro
15 Gesamtbetrag 102,10 Euro
16Der Kläger erhielt die für ihn bestimmte Ausfertigung der PfEV unter dem 4. Juli 2012 übermittelt. Die Volksbank L. überwies den Betrag Anfang Juli 2012 aus dem Konto des Klägers an die Beklagte.
17Gegen diese Kontenpfändung hat der Kläger am 3. Juli 2012 diese Klage erhoben und das einstweilige Rechtsschutzverfahren 23 L 1109/12 geführt. Er trägt im Wesentlichen vor, seit seinem Umzug in die T. . B. -Straße 63 in L. seien ihm Forderungen von der Beklagten nicht zugegangen, der Forderungsbetrag von ursprünglich 70,03 Euro stimme auch nicht, sondern er habe von der Beklagten etwas zu fordern. Zudem sei eine Kontenpfändung wegen eines vergleichsweise geringen Betrages unverhältnismäßig.
18Das Gericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (23 L 1109/12) mit rechtskräftigem Beschluss vom 18. September 2012 abgelehnt.
19Im Erörterungstermin am 15. April 2013 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert worden.
20Der Kläger beantragt,
21die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Beklagten vom 27. Juni 2012 aufzuheben.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffene Verfügung. Sie hält die Kontenpfändung im vorliegenden Fall für ermessensfehlerfrei und sieht weder einen Vorrang der Sachpfändung noch ein Verbot der Kontenpfändung bei kleinen Beträgen.
25Dem Gericht liegt ein Vollstreckungsvorgang der Finanzbuchhaltung der Beklagten (Beiakte 1), die Sachakte der für die Obdachlosenunterbringung zuständigen Stelle der Beklagten (Fachbereich Soziales, Senioren und Wohnen; Beiakte 4) und ein Vorgang der Finanzbuchhaltung der Beklagten über frühere Vollstreckungsvorgänge beim Kläger (Beiakte 3) vor. Auf die Beiakten und die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie den Verfahren 23 K 6026/11 und 23 L 1109/12 wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 17. September 2012 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist.
28Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine statthafte Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, die fristgerecht erhoben worden ist. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung (PfEV) vom 27. Juni 2012 ist auch nicht erledigt und das Klageverfahren deshalb überflüssig, weil die Kontenpfändung mit ihren negativen Auswirkungen („Kontensperre“) zwischenzeitlich schon wieder faktisch entfallen ist, nachdem die Volksbank L. als Drittschuldnerin den Betrag von 102,10 Euro an die Beklagte als Gläubigerin schon am 3. Juli 2012 überwiesen hat. Denn die Pfändungs- und Einziehungsverfügung stellt den Rechtsgrund dieser Zahlungshandlung der Volksbank dar. Sollte die Rechtmäßigkeit dieser Handlung der Volksbank L. in irgendeinem Zusammenhang in Frage stehen, bedarf es der Pfändungs- und Einziehungsverfügung als Rechtfertigung der Zahlung.
29Die Anfechtungsklage ist nicht begründet.
30Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung findet ihre Grundlage in § 6 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW (VwVG) in Verbindung mit §§ 40, 48 VwVG. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen in § 6 VwVG sowie die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der ein Konto gepfändet wird (§ 40 VwVG), liegen vor:
32Die geltend gemachten Beträge aus der Obdachlosenfürsorge von 2,34 Euro und 70,03 Euro beruhen auf bestandskräftigen Bescheiden über Obdachlosengebühren. Für die frühere Wohnung I. . 95 a ist die monatliche Benutzungsgebühr mit dem Gebührenbescheid vom 29. Oktober 2010 auf 189,62 Euro festgesetzt. Für die nach dem Brand dem Kläger zugewiesene Unterkunft Q. . 152-154 hat die Beklagte die Benutzungsgebühren mit dem Bescheid vom 4. August 2011 auf monatlich 264,65 Euro festgesetzt. Weil der Kläger die Bescheide nicht angefochten hat, ist das Gericht nicht befugt, der Frage nachzugehen, ob die Benutzungsgebühr für die Obdachlosenunterkunft Q. . 152-154, Zimmer 1, welche der Antragsteller als „Besenkammer“ oder „Bruchbude“ bezeichnet, der Höhe nach rechtmäßig ist, oder die Höhe der Gebühren (auch der Unterkunft I. . 95 a) anderweitig Rechtsfehler aufweist.
33Dabei kann der Einzelrichter keinen Fehler insofern feststellen, dass – wie der Kläger rügt – ihm seit seinem Umzug in die Wohnung T. . B. -Str. 63 in L. „eine Forderung der Beklagten/Antragsgegnerin nicht zugegangen“ sei. Dies könnte als Einwendung gegen das Vorliegen von Leistungsbescheiden über den mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vollstreckten Forderungsbetrag von 70,02 Euro zu verstehen sein, § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW. Leistungsbescheide liegen jedoch vor und er hat diese (u.a. gegen Empfangsbekenntnis am 5. August 2011, offensichtlich fälschlich datiert auf den 5. Juli 2011) erhalten.
34Der Betrag von 70,02 Euro steht der Beklagten gegen den Kläger zu. Dies ist nicht durch die zugrunde liegenden Gebührenbescheide bestandskräftig geregelt, da die „Abrechnung“ der Gebühren für den Monat August 2011, in dem der Kläger aufgrund des Brandes in der Unterkunft I. . 95 a am 3. August 2011 ab 4. August 2011 der Unterkunft Q. . 152-154 zugewiesen worden war, ist nicht durch einen Leistungsbescheid über den Betrag von 70,03 Euro bestandskräftig geregelt. Bestandskräftig geregelt ist durch den Gebührenbescheid vom 4. August 2011, dass der Antragsteller für die Unterkunft Q. . 152-154, Zimmer 1, für die Zeit vom 4. – 31. August 2011 einen zeitanteiligen Betrag von 247,00 Euro zu zahlen hat. Dass für die bisherige Unterkunft I. . 95 a (wohl für die Zeit 1./2. August 2012) ein Betrag von 12,64 Euro zu zahlen war (2/30 von 189,62 Euro) ergibt sich aus dem Vermerk der Beklagten (Fachbereich Soziales, Senioren und Wohnen) vom 13. Oktober 2011 (Beiakte 4, Bl. 57). Dort ist auch dargelegt, dass aus dem Betrag von 12,64 Euro für die Unterkunft I. . 95 a und von 247,00 Euro für die Unterkunft Q. . 152-154 nach Abzug des bereits vom Antragsteller für die Unterkunft I. . 95 a für August 2011 gezahlten Betrages von 189,62 Euro ein Restbetrag von 70,02 Euro offen ist (12,64 Euro + 247,00 Euro = 259,64 Euro, abzüglich gezahlter 189,62 Euro = 70,02 Euro). Diese Berechnung ist zutreffend und entspricht der Satzung der Stadt L. über die Benutzung von Obdachlosenunterkünften vom 10. Oktober 2010 (L1. Amtsblatt Nr. 51 vom 23. Dezember 2010, S. 315 ff.).
35Der in die Vollstreckung gegangene Betrag von 2,34 Euro ist nach Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 30. April 2013 aus einer in der Vergangenheit liegenden Gebührenerhöhung (wohl für die Unterkunft I. . 95 a oder eine frühere Unterkunft) von 162,49 Euro auf 163,66 Euro entstanden, bei der der Kläger jedenfalls für zwei Monate die Differenz von 1,17 Euro nicht zahlte, weshalb der Betrag in der elektronischen Buchhaltung als Negativsaldo verblieb und auch bei korrekter Zahlung in späteren Zeiträumen immer weiter fortgeschrieben wurde. Der Kläger hat gegen diesen Betrag – sowie gegen die Mahngebühr von 6,00 Euro, Porto für die Mahnung von 0,55 Euro, die Pfändungsgebühr von 20,00 Euro und die Zustellungskosten der Kontopfändung von 3,18 Euro – keine Einwände erhoben, auch nicht im Erörterungstermin vom 15. April 2013. (Zu allem vgl. auch die Forderungsaufstellung bzw. Saldenausdruck der Beklagten, Beiakte 4, Bl. 56).
36Ist der Betrag, der vollstreckt wird, mithin korrekt und auf der Grundlage von wirksamen (sowie bestandskräftigen) Leistungsbescheiden ergangen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG), so liegen auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Die Beträge sind sämtlich fällig (Nr. 2) und es ist eine Woche seit der Fälligkeit verstrichen (Nr. 3). An einer Mahnung gemäß § 6 Abs. 3 VwVG, die am 9. November 2011 automatisiert und ohne möglichen Nachweis erfolgt sein soll, hat das Gericht keinen Zweifel (im Einzelnen hierzu Schriftsatz der Beklagten vom 18. März 2013, Ziff. A.). Eine Mahnung ist ausweislich des Vollstreckungsauftrags vom 9. November 2011 (Beiakte 1, Bl. 1) erfolgt. Zudem ist der Kläger mit Schreiben der Finanzbuchhaltung der Beklagten als Vollstreckungsbehörde vom 4. Januar 2012 an die aktuelle Adresse T. . B. -Str. 63 zur Zahlung der offenen Beträge bis 18. Januar 2012 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aufgefordert worden. Ein Postrücklauf ist insofern – wie auch hinsichtlich der Mahnung – nicht ersichtlich. Angesichts dessen, dass der Kläger gegenüber dem Beschäftigten der Beklagten im FB Soziales, Senioren und Wohnen, Herrn X. , am 13. Oktober 2011 im Gespräch zur Klärung der offenen, hier streitigen Rückstände erklärte, die Schreiben (also Bescheide oder Mahnungen) schmeiße er sowieso weg, wie er es immer mache, spricht Überwiegendes dafür, dass der Kläger sowohl die Mahnung als auch die Zahlungsaufforderung vom 4. Januar 2012 erhalten, aber ignoriert und/oder entsorgt hat.
37Sonstige auf die gesetzlichen Voraussetzungen, besonders §§ 6, 40, 48 VwVG, bezogenen Mängel hinsichtlich der Kontopfändung (also der angegriffenen PfEV) hat der Kläger nicht dargetan; solche sind auch nicht ersichtlich.
38Die Beklagte hat dabei ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Insbesondere ist die PfEV verhältnismäßig.
39Die im Beschluss des Einzelrichters vom 18. September 2012 – 23 L 1109/12 – zu einem Vorrang der Sachpfändung vor der Kontopfändung und einem Verbot der Kontopfändung bei kleinen Beträgen sind zulasten des Klägers zu beantworten. Zu den Einzelheiten vgl. den genannten Beschluss (S. 5/6).
40Der Einzelrichter geht davon aus, dass solche ohne Ausnahme zu beachtenden Grundsätze nicht bestehen. Richtig ist, dass die Vollstreckungsbehörde bei der Entscheidung über die im Einzelnen durchzuführenden Vollstreckungsmaßnahmen zu entscheiden hat, welche Maßnahmen geeignet sind und welche geeigneten Maßnahmen den Vollstreckungsschuldner am wenigsten belasten. Dabei kann eine Sachpfändung ein milderes Mittel sein; auch kann eine Kontenpfändung im Einzelfall unverhältnismäßig sein. Dies ist jedoch eine Frage des Einzelfalls und nicht generell zu beantworten.
41Ein Verbot der Kontopfändung bei kleinen Beträgen, ohne dass dies dem VwVG zu entnehmen wäre, ist schon deshalb nicht sachgerecht, weil dies Schuldner mit unpfändbarem Hausrat (wie im Regelfall bei Beziehern von Sozialleistungen) in die Lage versetzen würde, dass sie bis zur Überschreitung der (derzeit offenen) Bagatellgrenze Schulden machen könnten, ohne eine spürbare Vollstreckung z. B. durch Kontenpfändung (soweit Guthaben auf Konten überhaupt vorhanden sind) befürchten zu müssen. Eine faktische und längerfristige „Kontensperre“ bei kleinen Beträgen ohne Aussicht auf Befriedigung, besonders bei Konten auf denen nur Sozialleistungen eingehen und die sich dauerhaft im Soll befinden, begegnet hingegen den bekannten Bedenken,
42vgl. Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 2005 – 24 L 3553/04 –, NWVBl. 2005, 392 ff.
43Eine solche Konstellation ist offensichtlich nicht gegeben, da der Forderungsbetrag von der Drittschuldnerin binnen weniger Tage an die Beklagte überwiesen wurde. Das Konto war für den Kläger – mit den daraus folgenden erheblichen Belastungen – nur sehr kurze Zeit „gesperrt“.
44Ein grundsätzlicher Vorrang der Sachpfändung bzw. ein Verbot der Kontopfändung wegen kleiner Beträge,
45so VG Münster – 6 L 516/00 –, KKZ 2001, 255 f.,
46überzeugt zunächst aus den genannten Gründen nicht. Hinzu kommt, dass gar nicht klar ist, dass eine Sachpfändung – wie vom VG Münster unterstellt – das mildere Mittel ist.
47Vgl. hierzu Finanzgericht (FG) Hamburg, Urteil vom 18. Februar 2000 – II 376/99 –, KKZ 2001, 111 f.
48Manchem mag die Pfändung beweglicher Habe sehr weh tun, andere mögen die negative Wirkung von Vollstreckungsmaßnahmen in der Öffentlichkeit (am Wohnort, am Sitz einer Firma) deutlich negativer bewerten, als eine im Stillen stattfindende „Giral-Pfändung“. Diese Erwägungen zeigen, dass es keine generelle und vor allem zwingende Regel für die Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Wahl des Vollstreckungsmittels gibt.
49Die Ermessensausübung der Beklagten bei der Wahl der Kontopfändung in diesem Einzelfall lässt keine Fehler erkennen. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 18. März 2013 im Einzelnen dargestellt, was ihre Erfahrungen mit dem Kläger in früheren Vollstreckungsverfahren waren. Dem und Beiakte 3 ist zu entnehmen, dass in der Vergangenheit beim Kläger ein Vollstreckungsversuch einer Sachpfändung gemacht und auch die gewaltsame Öffnung der Wohnung ins Auge gefasst wurde. Da dies anscheinend nicht weiter führte, leitete die Vollstreckungsbehörde der Beklagten das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein. Gegen den insofern nicht mitwirkenden Kläger wurde dann sogar ein Haftbefehl zur Durchsetzung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erwirkt. Im Zusammenhang mit diesen um die Jahrtausendwende stattgefundenen Vorgängen findet sich auch ein „Unpfändbarkeitsprotokoll“ zum Kläger vom 8. Mai 2000 (Beiakte 3), bei dem der Kläger in der Unterkunft I1.-------straße 75 a erfolglos vom Vollziehungsbeamten aufgesucht wurde. Dieser stellte die Unpfändbarkeit fest und vermerkte „amtsbekannt pfandlos“. Da der Kläger seit diesem Zeitpunkt in den Obdachlosenunterkünften der Beklagten wohnte, ist es ermessensfehlerfrei, auch zu einem deutlich späteren Zeitpunkt im Jahr 2010 bzw. 2011 davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin über keine pfändbare Habe verfügt und auch Kontaktaufnahmeversuche keinen Erfolg versprechen. Diese Einschätzung hatte die Beklagte auch im Jahr 2008 bestätigt erhalten, als sie vom Kläger ein Bußgeld nicht durch Zahlungsaufforderung der Vollstreckungsbehörde vom 14. November 2008 unter Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen realisieren konnte; hier gelang die Beitreibung im Wege der Kontopfändung bei der Volksbank L. eG von dem auch in diesem Verfahren gepfändeten Konto.Insofern darf die Vollstreckungsbehörde auch berücksichtigen, dass die Kontopfändung gegenüber der Sachpfändung regelmäßig ein ökonomisch effektiveres und mittelsparendes Verfahren darstellt. Jeder Vollstreckungsversuch kostet Zeit des Personals der Vollstreckungsbehörden. Wenn es nicht ausgeschlossen ist, dass eine Kontopfändung zum Erfolg führt, ist es kostenmäßig nicht sinnvoll, statt dessen wegen eines Betrages von unter 100,00 Euro einen Bediensteten im Außeneinsatz zu einem Vollstreckungsversuch zu senden, dessen Erfolg äußerst fragwürdig ist. Typischerweise sind die Schuldner nicht anzutreffen oder sie öffnen nicht, weil sie Konfrontationen mit Gläubigern oder Vollziehungsbeamten zu vermeiden suchen, bzw. selbst wenn der Schuldner angetroffen wird und öffnet, ist im Regelfall keine pfändbare Habe vorhanden. Dann ist eine Kontopfändung zweckmäßig und deren Auswahl ermessensgerecht.
50Mit ähnlichem Ergebnis stellt auf die Effektivität der Zwangsvollstreckung ab: HessFG, Beschluss vom 8. Mai 2001 – 4 V 1625/01 –, Juris.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
52Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 02. Apr. 2014 - 23 K 4847/12
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Referenzen - Gesetze
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Verwaltungsakt, der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit den Zwangsmitteln nach § 9 durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist.
(2) Der Verwaltungszwang kann ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.