Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 24. Okt. 2014 - B 3 K 14.50070
Tenor
1. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger, geb. ... 1995, im Kosovo, kosovarischer Staatsangehöriger, Volkszugehöriger der Roma, islamischer Glaubenszugehörigkeit, reiste eigenen Angaben zufolge aus Italien kommend etwa im September 2013 in einem PKW in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2014 einen Asylantrag. Personaldokumente konnte er nicht vorlegen.
Er gab im Rahmen seiner Anhörung am ... 2014 an, sich in Italien seit etwa 10 bis 11 Jahren ohne einen festen Wohnsitz aufgehalten und dort auch einen Asylantrag gestellt zu haben. Er habe dort ein oder zwei Jahre die Schule besucht. Nach Deutschland seien sie gekommen, weil seine Familie in Italien nichts gehabt habe; keine Unterkunft, keine Arbeit und kein Essen. Er leide an Depressionen, und habe Kopfschmerzen. Deshalb nehme er das Medikament „Pastelca per depressione“. Er sei in Deutschland zweimal beim Arzt gewesen. Bei einer Rückkehr in den Kosovo oder nach Italien wäre es besten, wenn er sich umbrächte.
Er legte eine Bescheinigung eines Arztes für Nervenheilkunde und Psychotherapeutische Medizin aus Bochum vom ... 2013 vor. Darin ist Folgendes vermerkt:
„Herr ... hat sich zweimal in meiner Sprechstunde vorgestellt. Aufgrund seiner Angaben konnte ich die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung stellen. Seine seelischen Beschwerden äußern sich in einem komplexen Krankheitsbild mit bedrückter Stimmung, Antriebsmangel und Schuldgefühlen. Er leidet an Schlafstörungen mit Alpträumen, die sich mit erlittenen Ereignissen beschäftigen. Eine Traumatisierung ist auf die Kindheit im Kosovo zurückzuführen, wo er Zeuge von Kriegsereignissen wurde, außerdem seine seelischen Schäden auf ein jahrelanges Leben auf der Straße oder in Heimen Italiens zurückzuführen, wo er von der Mutter zeitweise getrennt wurde. Für seine seelische Gesundheit wäre es wünschenswert, dass er mit seiner Mutter im Raum Hannover leben kann und dort eine adäquate Behandlung seiner Krankheit erfährt.“
Ausweislich eines Aktenvermerkes vom
Einem undatierten handschriftlich, in italienischer Sprache verfassten Schreiben des Klägers ist zu entnehmen, dass er mit seiner Familie auf der Straße, ohne Geld, ohne Arbeit gelebt habe. Sie hätten in Parks geschlafen und seien dadurch krank geworden. Sie hätten Abfalltonnen nach Essbarem durchsucht. Manchmal hätten sie auch gebettelt. Einmal sei sein Vater geschlagen worden, als sie in einer Abfalltonne nach etwas Essbaren gesucht hätten. Daraufhin habe sich seine Mutter aufgeregt und sei bewusstlos geworden und dabei auf den Kopf gefallen.
Das Rücküberstellungsersuchen der Bundesrepublik Deutschland an Italien vom
Mit Bescheid vom
Zur Begründung ist ausgeführt, dass innerhalb der festgesetzten Frist (zwei Monate) keine Antwort beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingegangen sei. Aufgrund des Aufenthalts von mehr als fünf Monaten in Italien sei Italien gemäß Art. 13 Abs. 2 i. V. m. Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Italien erfülle gegenüber Drittstaatsangehörigen, die dort einen Asylantrag stellen, die Mindestanforderungen. Auf die ausführliche Darstellung der Situation von Asylantragstellern, auch von besonders schutzbedürftigen Personen, in Italien wird Bezug genommen.
Dieser Bescheid wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde dem Kläger durch Einlegung in den Briefkasten am
Die Regierung von Oberfranken wies dem Kläger mit Bescheid vom ... 2014 eine Unterkunft in der Stadt ... zu.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 01.09.2014, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage und beantragt:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen.
3. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Eine Begründung erfolgte nicht.
Die Beklagte stellte keinen Antrag.
Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Akten sowie die Gerichtsakten (Az. B 3 S 14.50069, B 3 K 14.50070, B 5 K 00.30437) Bezug genommen.
Gründe
Über die Klage konnte auch in Abwesenheit der Beteiligten entschieden werden. In der Ladung vom
Die Klage ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg und ist offensichtlich unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom
Die Erfolglosigkeit der Klage ist offensichtlich im Sinne von § 78 Abs. 1 AsylVfG. Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Recht gem. § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt (1.). Die auf § 34a AsylVfG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig (2.). Der Kläger hat nach den vorliegenden Umständen auch unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an eine solche Feststellung stellt (siehe Beschluss vom 03.09.1996 BayVBl. 97, 15), keinen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten, unter Aufhebung des Bescheides vom
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht zunächst auf die Begründung des Eilbeschlusses
Nur ergänzend ist noch Folgendes hinzuzufügen:
1. Die Zuständigkeit Italiens, über die Asylfolgeanträge zu entscheiden, ergibt sich aus Art. 25 Abs. 2 i. V. m. Art. 13 Abs. 2 Dublin-III-VO, da Italien auf das Wiederaufnahmegesuch der Klägerin vom 29.04.2014 innerhalb der Frist von einem Monat keine Antwort erteilt hat.
Eine Überstellung des Klägers nach Italien scheitert auch nicht etwaigen Mängeln des Asylsystems in Italien. Systemische Mängel hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber liegen dort nicht vor, wie mittlerweile durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt ist (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse
Auch der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 21.12.2011 (C-411/10
Demzufolge ist die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, nicht bereits bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen des zuständigen Mitgliedstaats widerlegt, sondern nur dann, wenn die vom Europäischen Gerichtshof herausgearbeiteten, oben wiedergegebenen Voraussetzungen vorliegen. Zudem ist zu betonen, dass tatsächlich bestehende Defizite im italienischen Asylsystem auch mit der Folge, dass die wirtschaftliche, die medizinische und die soziale Versorgung in Italien schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland ist, nicht die Annahme systemischer Mängel oder einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention rechtfertigen. Denn an einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Thym, ZAR 2013, 331). Folglich ist vorliegend allein entscheidungserheblich, ob systematische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien bekannt sind und ob solche Mängel ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass Asylbewerber in Italien tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen der erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden. Soweit etwa der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 oder der UNHCR in einer Stellungnahme an das VG Freiburg vom Dezember 2013 (der daneben auch positive Aspekte honoriert) erhebliche Missstände in Italien beschreiben, rechtfertigt dies nicht die Annahme des Vorliegens systemischer Mängel, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. allgemein EuGH, U. v.10.12.2013, Az. C 394/12, ABl EU 2014 Nr. C 45 S. 12, in NVwZ 2014, 208). Das Gericht verkennt dabei nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände. Aber weder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe noch der Stellungnahme des UNHCR noch sonstigen Unterlagen ist es zurzeit im ausreichenden Maß zu entnehmen, dass ein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt bzw. dass das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Liaisonbeamtin in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013 (zum Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 21.11.2013) einige Angaben darin richtig gestellt hat. Darüber hinaus hat der UNHCR weiterhin gerade keine generelle Empfehlung ausgesprochen, Asylsuchende nicht nach Italien zu überstellen. Dies ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien der Dublin-II-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U. v. 30.05.2013, Az. C-528/11, ABl EU 2013 Nr. C 225 S. 12, in NVwZ-RR 2013, 660). Soweit in Italien Missstände und Notstände aufgrund der stark gestiegenen Asylbewerberzahl festgestellt worden sind, sind sie dieser geschuldet und stellen als solche für sich keine systemischen Mängel dar. Allein aus dem Umstand, dass andere Verwaltungsgerichte jedenfalls im Sofortverfahren zu anderen Ergebnissen kommen, mag auf den zugrundeliegenden Prüfungsmaßstab zurückzuführen sein, belegt aber nicht das tatsächliche Vorhandensein von Mängeln im italienischen System. Insbesondere ist es in Italien möglich, psychische Erkrankungen zu behandeln.
So kann insbesondere eine mögliche psychische Erkrankung des Klägers in Italien kostenfrei behandelt werden (vgl. Ausführungen „Zugang zum Gesundheitssystem“ im Bescheid der Beklagten vom 18.08.2014 sowie VG Würzburg B. v. 03.02.2014 Az.: W 6 14.30079
2. Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylerfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen, wie ausgeführt, vor. Gründe, die eine Abschiebung nach Italien rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich erscheinen lassen könnten, sind nicht gegeben. Aktuelle inlandsbezogene Vollzugshindernisse sind nicht ersichtlich. Wegen des Nichterscheinens in der mündlichen Verhandlung vermochte der Kläger solche auch nicht vorzutragen.
Die Klage war sonach insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
Hinweis:
Aufgrund der Klageabweisung als offensichtlich unbegründet ist ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil nicht gegeben (§ 78 Abs. 1 AsylVfG).
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Gründe
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I.
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Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
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II.
- 2
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Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.
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1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."
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Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.
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Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
- 6
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Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
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Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
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Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.
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2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.
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Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).
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An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 7 K 421/14.A gegen den Bescheid vom 30. Januar 2014 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der aus Mali stammende Antragsteller, gibt an am 00.00.1996 in C. geboren zu sein. Er begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien.
4Er wurde am 31.05.2013 von der Bundespolizei in den Räumlichkeiten der Bahnhofsmission im E. Hauptbahnhof angetroffen und gab an, per Zug aus Italien eingereist zu sein und in Deutschland Asyl zu begehren. Handschriftlich gab er an, er sei am 00.00.1996 geboren und gehöre der Volksgruppe der Twi an. Aufgrund Zweifeln der Beamten der Zentralen Ausländerbehörde E. (Erstaufnahmeeinrichtung) an der Altersangabe wurde das Jugendamt der Stadt E. eingeschaltet. Im Rahmen eines dortigen weiteren Gesprächs mit dem Antragsteller ergaben sich keine neuen Erkenntnisse, die Hinweise auf eine Minderjährigkeit ergeben. Im weiteren Verfahrensablauf wurde daher ein Alter von mindestens 18 Jahren angenommen und das Geburtsdatum des Antragstellers fiktiv auf den 01.01.1995 festgelegt. Aus den Behördenakten ergibt sich ein EURODAC-Treffer in Bezug auf Italien (IT1CL00GGF); danach wurde der Antragsteller am 09.09.2011 in D. aufgegriffen und am gleichen Tag seine Fingerabdrücke erfasst.
5Bei seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 02.09.2013 gab er an, er gehöre dem Stamm der Ashanti an, könne keine Personalpapiere vorlegen und habe sich vor der Ausreise zuletzt in U. /Ghana aufgehalten, wo auch Geschwister von ihm lebten. Die Eltern seien verstorben. Er habe Mali im September 2010 Richtung Niger per Bus verlassen. Nach einem weiteren Zwischenaufenthalt in Lybien von ca. 8 Monaten sei er mit einem Boot nach Italien gereist, wo er ca. ein Jahr gelebt habe. In Italien sei sein Asylantrag abgelehnt worden. Er wolle nicht nach Italien zurück, weil er dort bedroht werde.
6Unter dem 21.11.2013 stellte das Bundesamt ein Übernahmegesuch an die italienischen Behörden, das unbeantwortet blieb. Mit weiterem Schreiben vom 09.12.2013 an das italienische Innenministerium wies das Bundesamt darauf hin, dass mangels Beantwortung der Anfrage vom 21.11.2013 von einer Annahme des Transfergesuchs gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II VO bzw. Art. 20 Abs. 1 c Dublin II VO auszugehen sei.
7Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.01.2014 lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Da die italienischen Behörden auf das Übernahmegesuch vom 21.11.2013 nicht geantwortet hätten, sei von ihrer Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 7 bzw. Art. 20 Abs. 1 c EG-VO Nr. 343/2003 (Dublin II VO) nunmehr auszugehen. Aufgrund des in Italien bereits gestellten Asylantrags sei Italien gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin II VO für die Behandlung des (erneuten) Asylantrags zuständig. Der Bescheid wurde am 11.02.2014 an die Ausländerbehörde des Kreises I. mit der Bitte um Amtshilfe durch Aushändigung des Bescheides an den Antragsteller abgesandt. Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers erfolgte die Aushändigung erst am 25.02.2014.
8Gegen den Bescheid vom 30.01.2014 hat der Antragsteller am 04.03.2014 Klage erhoben - 7 K 421/14.A - und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung trägt er vor, er habe Anspruch auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, der sich nach § 34 Abs. 2 AsylVfG richte. Die Prüfung sei nicht darauf beschränkt, ob die Mindeststandards des Flüchtlingsrechts aufgrund systemischer Mängel in einem Mitgliedsstaat nicht mehr gewährleistet seien. Ergänzend werde auf die Klagebegründung Bezug genommen. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-648/11 (Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV) vom 06.06.2013 sei in Fällen, in denen ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, der keinen sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates rechtmäßig aufhaltenden Familienangehörigen habe, in mehreren Mitgliedsstaaten einen Asylantrag stelle, derjenige Mitgliedsstaat zuständig, in dem sich der Minderjährige aufhalte, nachdem er dort einen Asylantrag gestellt habe. Zudem seien unbegleitete Minderjährige grundsätzlich nicht in einen anderen Mitgliedsstaat zu überstellen. Der Antragsteller sei entsprechend dem von ihm angegebenen Geburtsdatum "00.00.1996" noch minderjährig im Sinne der Legaldefinition des Art. 2 Buchst. h) Dublin II VO. Ergänzend sei davon auszugehen, dass Ungarn nach Art. 3 Dublin II VO zuständig sei. In Italien könne ein den europarechtlichen Standards genügendes Asylverfahren nicht gewährleistet werden.
9Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
10die aufschiebende Wirkung der Klage - 7 K 421/14.A - gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.01.2014 anzuordnen.
11Die Antragsgegnerin beantragt,
12den Antrag abzulehnen.
13Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
14II.
151. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg; denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es, wie sich aus den Ausführungen zu 2. ergibt.
162. Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.
17Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 VwGO zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Antragsteller hat den Eilantrag - entsprechend den Angaben in der Antragsschrift über das Zustellungsdatum - auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. Januar 2014 und damit fristgerecht im Sinne von §§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG/ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG gestellt.
18Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
19Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
20vgl. mit Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens: VG Trier, Beschluss vom 18. September 2013 - 5 L 1234/13.TR, juris, Rn. 5 m.w.N.; VG Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 2 B 844/13 -, juris, Rn. 3 f. und VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2014 - 13 L 2168/13.A -, juris, Rn. 19.
21Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich - nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, sowie die Abschiebungsandrohung nach Italien erweisen sich als rechtmäßig.
22Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt.Danach ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
23Für die Prüfung des vom Antragsteller am 06.06.2013 in Deutschland gestellten Asylantrags ist gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e) sowie Art. 18 Abs. 7 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung), Italien zuständig, da die italienischen Behörden nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen auf das Wiederaufnahmegesuch Deutschlands reagiert haben (vgl. Art. 20 Abs. 1 b) Dublin II VO) und von einer vorherigen Ablehnung des Asylerstantrags des Antragstellers in Italien entsprechend dessen Angaben auszugehen ist (vgl. Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II VO).
24Dem steht zunächst nicht entgegen, dass die Dublin-II-Verordnung durch Artikel 48 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-Verordnung), mit deren Inkrafttreten am 19.07.2013 aufgehoben worden ist. Gemäß Artikel 49 Satz 3 Dublin III-Verordnung erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für solche Anträge auf internationalen Schutz, die (wie der vorliegende Antrag) vor dem 01.01.2014 eingereicht wurden, weiterhin nach den Kriterien der außer Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-Verordnung). Der am 06.06.2013 gestellte Asylantrag des Antragstellers umfasst mangels ausdrücklicher Beschränkung gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG zugleich den Antrag auf internationalen Schutz. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates ist vorliegend mithin weiterhin nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung vorzunehmen. Dies gilt nach Artikel 49 Satz 2 im Übrigen auch für die Verfahrensanforderungen, da auch das Aufnahmeersuchen noch vor dem 01.01.2014 gestellt wurde.
25Die Zuständigkeit Italiens entfällt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht aus anderen Gründen. Eine Zuständigkeit Deutschlands ergibt sich weder aus der Regelung in Art. 6 Abs. 2 Dublin II VO (a), noch aus etwaigen systemischen Mängeln des italienischen Asylverfahrens (b) oder aus individuellen Gründen (c), die im vorliegenden Verfahren ein Abweichen von der europarechtlichen Zuständigkeitsstruktur rechtfertigen könnten.
26(a) Die Regelung des Art. 6 Dublin II VO wäre auf den Antragsteller nur dann anwendbar, wenn es sich bei ihm im Zeitpunkt der Asyl(folge)beantragung in Deutschland um einen "unbegleiteten Minderjährigen" gehandelt hätte. Mangels Angehöriger in Italien oder Deutschland wäre gemäß Art. 6 Abs. 2 Dublin II VO dann der Mitgliedsstaat zuständig, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag "gestellt hat". Der Antragsteller hat hingegen die von ihm darzulegende und zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisende Tatbestandsvoraussetzung seiner Minderjährigkeit (im Zeitpunkt der Antragstellung) nicht glaubhaft gemacht.
27Vgl. zur Darlegungslast und Glaubhaftmachung: VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 - M 12 K 13.30730 - mit weiteren Nachweisen, juris, Rn. 27.
28Entgegen den völlig unbelegten Angaben des Antragstellers, er sei am "30.08.1996" geboren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung am 06.06.2013 jedenfalls älter als 18 Jahre war. Hierfür sprechen zunächst die aufgrund des Auftretens des Antragstellers erfolgten Ersteinschätzungen der Polizeibeamten bzw. der Mitarbeiter der Ausländerbehörde in E. . Deren Einschätzung wurde durch Mitarbeiter des Jugendamts in E. , wo ein weiteres Gespräch mit dem Antragsteller keine Anhaltspunkte für dessen Minderjährigkeit ergab, bestätigt.
29Abgesehen hiervon lassen sich den Angaben des Antragstellers im Rahmen der Vorbereitung zur Bundesamtsanhörung am 02.09.2013 weitere Anhaltspunkte entnehmen, die eher gegen das von ihm behauptete Geburtsdatum sprechen. So gab er an, eine "Senior High School in O. , Region C1. B. " zuletzt besucht zu haben. Abgesehen von der unrichtigen Schreibweise ist hiermit die "O. Senior High School in der Region C2. B1. " in Ghana gemeint. Im ghanesisichen Schulsystem durchlaufen die Schüler ab dem sechsten Lebensjahr zunächst sechs Jahre lang eine Primary School und besuchen anschließend drei Jahre lang eine "Junior High School". Erst hieran anschließend erfolgt ab dem Alter von 14/15 Jahren ein Besuch der "Senior High School".
30Vgl. Education in Ghana, ghanaembassy.org und Wikipedia "Education in Ghana".
31Den Angaben des Antragstellers zufolge verließ er hingegen "Mali" im September 2010. Ausgehend von dem behaupteten Geburtsdatum am 30.08.1996 hätte zu diesem Zeitpunkt für ihn frühestens das erste Schuljahr auf der "Senior High School" in Ghana (ab Anfang September 2010) gerade begonnen. Im Übrigen vermögen auch die Angaben des Antragstellers zu einer angeblichen Herkunft aus Mali und dortigen Abreise im Hinblick auf die Angaben zum Schulort in Ghana und der von ihm gesprochenen Sprache Twi bzw. behaupteten Volkszugehörigkeit Ashanti nicht zu überzeugen. Die Sprachen Twi bzw. Akan / Asante sind nicht in Mali gebräuchlich, sondern in Ghana verbreitet. Der Antragsteller gibt im Übrigen an englischsprachig zu sein, während in Mali Französisch als offizielle Landessprache fungiert.
32Gegen das vom Antragsteller behauptete Geburtsdatum spricht ferner, dass ausgehend von dem EURODAC-Treffer "IT1…" davon auszugehen ist, dass er in Italien (IT = Italien) einen Asylantrag (Ziffer 1) gestellt hat (was im Übrigen auch seinen eigenen Angaben entspricht),
33vgl. zu EURODAC Treffer-Kategorien: VG Stade, Beschluss vom 01.10.2012 - 6 B 2303/12 -, juris, Rn. 35; VG München, Beschluss vom 11.02.2014 - M 24 S 13.31330 -, juris, Rn. 32 unter Hinweis auf EURODAC-VO bzw. EG VO Nr. 2725/2000 vom 11. Dezember 2000 und EG-Verordnung Nr. 407/2002 vom 28. Februar 2002 (Durchführungs VO zur EURODAC-VO).
34Eine wirksame Asylbeantragung hätte in Italien hingegen nicht von einem Minderjährigen (ohne Vormund) vorgenommen werden können.
35Vgl. VG München, Beschluss vom 22. Juli 2013 - M 11 S 13.30659 -, juris, Rn. 13 (da in Italien keine Verfahrensfähigkeit im Asylverfahren ab 16 Jahren geregelt sei); VG München, Beschluss vom 21.02.2011 - M 11 E 11.30057, juris Rn. 20, 21; vgl. zur Situation unbegleiteter Minderjähriger und Vormundbestellung: auch VG Saarland, Urteil vom 07.03.2012 - 5 K 502/11 -, juris, Rn. 34 und 45 ff. unter Hinweis auf Bundesamt, Entscheiderbrief 7/2011 "Flüchtlinge in Italien" und i.RED/CIR The Reception and care of unaccompanied minors in eight countries of European Union, Okt. 2010 sowie Gespräche der Liaisonbeamtin des Bundesamtes mit Vertretern des UNHCR in Rom.
36Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller angibt in Italien sei sein Asylantrag abgelehnt worden (ohne einen dortigen Vormund zu erwähnen) spricht dies für eine dortige Asylbeantragung als Volljähriger.
37Unabhängig hiervon wäre auch unter Berücksichtigung einer eventuellen Minderjährigkeit des Antragstellers trotz der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Dublin II VO im Fall einer erneuten Asylbeantragung in Deutschland von einer fortbestehenden Zuständigkeit Italiens auszugehen; denn nach vorheriger (rechtskräftiger) Ablehnung in Italien wäre ein quasi identischer Folgeantrag in Deutschland als unzulässig abzulehnen,
38vgl. EuGH, Urteil vom 06.06.2013 - C 648/11 -, juris, Rn. 63 ff. mit einschränkenden Ausführungen zum Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 Dublin II VO für den Fall, dass zuvor das Asylbegehren eines unbegleiteten Minderjährigen bereits im ersten Mitgliedsstaat in der Sache zurückgewiesen wurde; VG Trier, Urteil vom 30. September 2013 - 5 K 987/13.TR -, juris, Rn. 20, wonach solange ein in einem anderen EU-Staat gestellter Asylantrag noch nicht beschieden sei, regelmäßig für unbegleitete Minderjährige der Staat zuständig sei, wo er sich tatsächlich aktuell aufhalte.
39(b) Soweit der Antragsteller unter Berufung auf systemische Mängel des Asylsystems in Italien eine Zuständigkeit Deutschlands reklamiert bzw. aufgrund Ermessensreduzierung einen Anspruch auf Selbsteintritt Deutschlands gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO geltend macht, kann sich das Gericht dem unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisquellen nicht anschließen.
40Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände besonders zu berücksichtigen, die auf die Situation des jeweiligen Antragstellers zutreffen. Die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen spielen hingegen keine unmittelbare Rolle und können allenfalls ergänzend zur Beurteilung der Situation herangezogen werden,
41vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris Rn. 130.
42Vorliegend ist danach hier besonders die Situation von Dublin-Rückkehrern in den Blick zu nehmen, die in Italien vergeblich Asyl beantragt haben ("der Asylantrag ist abgelehnt worden") und nunmehr einen Folgeantrag stellen. Für Folgeantragsteller besteht in Italien die Möglichkeit, das Folgevorbringen prüfen zu lassen durch eine sogenannte "Territorial Commission". Wenn diese Kommission zu dem Ergebnis gelangt, es seien "neue Elemente" vorgetragen, erfolgt regelmäßig eine erneute persönliche Anhörung zur Klärung eventueller Abweichungen zum bisherigen Vorbringen. Während eines Asylfolgeverfahrens haben die Antragsteller grundsätzlich dieselben gesetzlichen Garantien wie Erstantragsteller, z.B. können sie erneut in CARA-Wohnsiedlungen unterkommen.
43Vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report, Italy, November 2013, S. 32; VG Minden, Urteil vom 20. Januar 2014 - 10 K 1096/13.A -, juris, Rn. 40 zu auch in Italien bestehenden Möglichkeit, einen weiteren Asylantrag zu stellen.
44Im Übrigen macht sich das Gericht die Einschätzung und Ausführungen des OVG NRW in dessen Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 160 ff. zu eigen, wonach sich Italien trotz festzustellender Mängel und Defizite und unbeschadet mancherseits, auch durch den UNHCR, zu Recht angebrachter (Teil-)Kritik im Wesentlichen (noch) so verhalten habe, dass weder die Funktionsfähigkeit des Systems als solches in Frage gestellt ist, noch die aktuelle vorhandenen Mängel ein Ausmaß und Gewicht erreichen, von dem ausgehend die Prognose einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EUGRCh gerechtfertigt erscheint. Unter Berücksichtigung des Inhalts der im Urteil des OVG NRW wiedergegebenen aktuellen Auskünfte (SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013; aida-Report, November 2013, UNHCR, "UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien", Juli 2013; UNHCR, Auskunft vom Dezember 2013 zum Beweisbeschluss vom 24.04.2012 an VG Freiburg; UNHCR an OVG NRW, Ergänzende Information vom 07.03.14; Bundesamt, Stellungnahme Liaisonbeamtin vom 21.11.13 an OVG NRW zur Unterbringungsproblematik; luise-amtsberg.de, Bericht der flüchtlingspolitischen Reise nach Italien, 16.01.2014) lässt sich für "Dublin-Rückkehrer" auch bezüglich der Unterkunftssituation und den Möglichkeiten einer medizinischer Versorgung kein Systemversagen feststellen.
45Vgl. hierzu: OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris (für Asylbewerber, der zuvor in Italien keinen Asylantrag gestellt hatte); so auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13.OVG -, juris (für in Italien Schutzberechtigte mit Bleiberecht); OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris (für einen Asylbewerber, des Asylverfahren in Italien negativ abgeschlossen war und der Möglichkeit dort einen Folgeantrag zu stellen, S. 7 des Beschlusses); OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.10.2013 - 3 L 643/12 -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 18.03.2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 L A 167/13 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2013 - 7 S 58.13 -, juris.
46Diese Einschätzung steht im Übrigen in Einklang mit mehreren Entscheidungen des EGMR.
47vgl. EGMR, Beschluss vom 18.06.2013 - 73874/11 - (Abubeker), wo systemische Mängel verneint wurden; dies gelte auch im Falle einer psychischen Erkrankung;
48EGMR Beschluss vom 02.04.2013 - 27725/10 - (Mrs. Mohammed Hussein), einer 26-jährige Mutter mit zwei Kleinkindern im Alter von 2 und 4 Jahren;
49weitere Beschlüsse des EGMR: vom 18.06.2013 - 53852/11 - (Halimi), ZAR 2013, 338 f und vom 10.09.2013 - 2314/10 - (Hussein Diirshi);
50Aktuell steht eine Entscheidung der Großen Kammer des EGMR im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 12.02.2014 (betreffend eine afghanische Flüchtlingsfamilie) noch aus: vgl. PRO-Asyl "Sind Abschiebungen nach Italien rechtswidrig ?", 12.02.2014 sowie OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 190.
51c) Unabhängig von der allgemeinen Situation bestehen zur Überzeugung des Gerichts auch in der Person des Antragstellers keine beachtlichen Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO vorlägen bzw. eine Ermessensreduzierung zu seinen Gunsten geboten wäre. Im Falle einer Überstellung nach Italien wäre er vielmehr gehalten, seinen dortigen Verfahrensstatus (im Hinblick auf eine wirksame Beendigung des ersten Verfahrens und seine Altersangaben) abklären zu lassen und notfalls einen Asylfolgeantrag zu stellen. Durch Kooperation des Antragstellers mit den dortigen Behörden könnte sowohl sonstige Versorgung als auch die Unterkunftsproblematik für ihn gewährleistet werden. Er hat vorliegend keine Umstände dargelegt, die eine für ihn günstigere Beurteilung gebieten würden.
52Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 a Abs. 1 AsylVfG und stellt sich im Hinblick auf die obigen Ausführungen als rechtmäßig dar.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben, vgl. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
54Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zuzulassen.
3Die Beklagte hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob das Asylverfahren in Italien systemische Mängel hinsichtlich der Aufnahmebedingungen aufweist, insbesondere, ob Asylsuchenden Unterkunft und die notwendigen Leistungen zum Lebensunterhalt gewährleistet werden“. Zur Begründung führt sie aus, die Klärung sei zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung im Bezirk des OVG NRW geboten, da andere Kammern des Verwaltungsgerichts Düsseldorf die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung nicht teilten, es bestünden derartige systemische Mängel, und sich diese Frage in einer Vielzahl von Fällen stelle.
4Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich daraus nicht (mehr). Zunächst ist allein entscheidungserheblich, ob Dublin-Rückkehrer, die – wie der Kläger – bisher keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, im Falle ihrer Überstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefen, ausgehend von systemischen Mängeln des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta, Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Diese Frage ist inzwischen durch das ausführlich begründete Urteil des OVG NRW vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A - geklärt, das – wie hier – einen gesunden, alleinstehenden jungen Mann betrifft. Weiteren Klärungsbedarf sieht der Senat insoweit nicht. Einen auf das Bundesgebiet bezogenen Vereinheitlichungsbedarf hat die Beklagte nicht dargelegt. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass etwa aufgrund divergierender Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe die Klärung im Interesse der bundeseinheitlichen Rechtsanwendung geboten wäre.
5Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
6Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.