Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 18. Aug. 2016 - Au 3 K 16.31394

published on 18/08/2016 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 18. Aug. 2016 - Au 3 K 16.31394
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Gericht

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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin stellte am 21. Oktober 2014 einen Asylantrag, über den das Bundesamt noch nicht entschieden hat.

Am 11. August 2016 beantragte die Klägerin,

die Beklagte zu verpflichten, ihr Asylverfahren fortzuführen und über ihre Anträge zu entscheiden.

Dass 22 Monate nach Asylantragstellung noch keine Entscheidung ergangen sei, sei absolut nicht nachvollziehbar. Ihr sei ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten. Es liege kein zureichender Grund vor, der die Verzögerung rechtfertige. Die steigenden Flüchtlingszahlen seien bekannt. Ebenso seien jedoch auch andere Fälle bekannt, die wesentlich schneller behandelt würden. Eine genaue Verfahrensweise der Beklagten, ob und vor allem wie Asylantragsteller verschiedener Herkunftsländer behandelt würden, sei nicht zu erkennen. Prioritäten würden offensichtlich weder nach Herkunft noch nach Datum des Asylantrags gesetzt. Gründe in ihrer Person, die eine Verzögerung des Verfahrens rechtfertigten, lägen offensichtlich nicht vor. Sie sei stets ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist nicht statthaft und damit unzulässig, weil in Asylrechtsstreitigkeiten das Verwaltungsgericht nach der gesetzlichen Regelung des § 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO die Sache unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Gründe auch dann selbst zu klären und abschließend zu entscheiden hat, wenn die persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Verwaltungsverfahren unterblieben ist (vgl. BVerwG, B. v. 9.3.1982 - 9 B 360.82 - juris Rn. 8).

Nur auf diese Weise lässt sich in vielen Fällen eine Aufspaltung der Asylstreitsache und eine mehrfache Inanspruchnahme des Gerichts bis hin zu Vollstreckungsverfahren mit mehrfach anfallenden Verfahrenskosten vermeiden sowie der im öffentlichen Interesse liegenden Beschleunigung des Anerkennungsverfahrens Rechnung tragen (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 6). Auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung im Asyl- und Flüchtlingsrecht handelt es sich bei den im Asylgesetz geregelten materiellen Ansprüchen nach wie vor um gebundene Entscheidungen, die dem Bundesamt keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eröffnen (BayVGH, B. v. 7.7.2016 - 20 ZB 16.30003 - juris). Deswegen rechtfertigt sich der Verzicht auf eine Herstellung der Spruchreife auch nicht aus der Eigenart einer derartigen der Verwaltung vorbehaltenen Entscheidung (vgl. BVerwG, U. v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171/174 zur Pflicht des Gerichts zum „Durchentscheiden“ bei Asylfolgeanträgen). Dabei gilt die Pflicht des Gerichts zum „Durchentscheiden“ bei Asylfolgeanträgen auch dann, wenn der Ausländer nach Rücknahme eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt, also das Bundesamt noch nie über das Asylbegehren sachlich entschieden hat (vgl. BVerwG, U. v. 10.2.1998, a. a. O. S. 173). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Beschluss vom 9. März 1982 nicht danach differenziert, ob das Bundesamt bei unterbliebener Anhörung des Asylbewerbers in der Sache entschieden hat oder nicht (a.A. wohl OVG NRW, B. v. 30.12.2015 - 5 A 2202/15.A - juris).

Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Rechtsschutzmöglichkeiten bei Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens (vgl. § 33 AsylG) ergibt sich nichts Anderes. In diesen Fällen liegt - vorbehaltlich der neu eingeführten Möglichkeit, die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 2 und 3 AsylG zu beantragen - in dem Einstellungsbescheid des Bundesamts eine selbstständige Beschwer, so dass eine Anfechtungsklage statthaft ist. Bei dieser Klageart stellt sich die Frage nach einem „Durchentscheiden“ aber bereits im Ansatz nicht. Entsprechendes gilt für die sog. „Dublin-Fälle“. Auch hier liegt in der Entscheidung des Bundesamts, den Asylantrag nach § 27a AsylG als unzulässig abzulehnen, eine eigenständige Beschwer des Asylbewerbers, so dass eine Anfechtungsklage statthaft ist und sich die Problematik des „Durchentscheidens“ bei einer Verpflichtungsklage von vornherein nicht stellt.

Klarzustellen ist, dass das Bundesamt unabhängig von der Pflicht des Gerichts zu einer abschließenden Entscheidung seinerseits verpflichtet ist, im Rahmen seiner Möglichkeiten zeitnah den Asylbewerber anzuhören und über den Asylantrag zu entscheiden. Dies gilt verstärkt, wenn der Asylbewerber eine Untätigkeitsklage erhoben hat. Einerseits gibt der Asylbewerber damit zu erkennen, dass er ein persönliches Interesse an einer möglichst baldigen Sachentscheidung hat, andererseits bedeutet es eine zusätzliche Belastung des Verwaltungsgerichts, ohne vorherige Anhörung durch das Bundesamt über einen Asylantrag entscheiden zu müssen. Dem hat das Bundesamt durch entsprechende Priorisierung Rechnung zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Das Bundesamt stellt das Verfahren ein oder lehnt den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Sofern das Bundesamt das Verfahren einstellt, entscheidet es nach Aktenlage, ob ein Absch
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published on 07/07/2016 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt, beizuordnen, wird abgelehnt. III. Der Kläger hat die Kosten
published on 30/12/2015 00:00

Tenor Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt C.      aus D.        wird abgelehnt. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mü
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Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Bundesamt stellt das Verfahren ein oder lehnt den Asylantrag nach angemessener inhaltlicher Prüfung ab, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Sofern das Bundesamt das Verfahren einstellt, entscheidet es nach Aktenlage, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.

(2) Es wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er

1.
einer Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gemäß § 15 oder einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 nicht nachgekommen ist,
2.
untergetaucht ist oder
3.
gegen die räumliche Beschränkung seiner Aufenthaltsgestattung gemäß § 56 verstoßen hat, der er wegen einer Wohnverpflichtung nach § 30a Absatz 3 unterliegt.
Die Vermutung nach Satz 1 gilt nicht, wenn der Ausländer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung nach Absatz 1 nachweist, dass das in Satz 1 Nummer 1 genannte Versäumnis oder die in Satz 1 Nummer 2 und 3 genannte Handlung auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen. Wurde das Verfahren als beschleunigtes Verfahren nach § 30a durchgeführt, beginnt die Frist nach § 30a Absatz 2 Satz 1 neu zu laufen.

(3) Als Nichtbetreiben des Verfahrens gilt ferner, wenn der Ausländer während des Asylverfahrens in seinen Herkunftsstaat gereist ist.

(4) Der Ausländer ist auf die nach den Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen.

(5) Ein Ausländer, dessen Asylverfahren gemäß Absatz 1 eingestellt worden ist, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Der Antrag ist persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in welcher der Ausländer vor der Einstellung des Verfahrens zu wohnen verpflichtet war. Stellt der Ausländer einen neuen Asylantrag, so gilt dieser als Antrag im Sinne des Satzes 1. Das Bundesamt nimmt die Prüfung in dem Verfahrensabschnitt wieder auf, in dem sie eingestellt wurde. Abweichend von Satz 4 ist das Asylverfahren nicht wieder aufzunehmen und ein Antrag nach Satz 1 oder Satz 3 ist als Folgeantrag (§ 71) zu behandeln, wenn

1.
die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder
2.
das Asylverfahren bereits nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war.
Wird ein Verfahren nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen, das vor der Einstellung als beschleunigtes Verfahren nach § 30a durchgeführt wurde, beginnt die Frist nach § 30a Absatz 2 Satz 1 neu zu laufen.

(6) Für Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 5 gilt § 36 Absatz 3 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.