Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 07. Mai 2019 - AN 9 K 17.31480

bei uns veröffentlicht am07.05.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Der Kläger, äthiopischer Staatsangehöriger oromischer Volkszugehörigkeit, muslimischen Glaubens, reiste nach eigenen Angaben am 26. April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17. Juli 2014 einen Asylantrag.

Die persönliche Anhörung beim Bundesamt erfolgte am 22. Dezember 2016.

Dabei gab der Kläger im Wesentlichen Folgendes an:

Zu seinem Verfolgungsschicksal führte er aus, er stamme aus …, … Als er ein kleines Kind gewesen sei, habe die Regierung seinen Vater verhaftet und getötet. Danach seien sie immer zu ihnen nach Hause gekommen und hätten sie terrorisiert, man habe ihnen vorgeworfen, zuhause Waffen zu haben und OLF-Unterstützer zu sein. Die Mutter sei immer wieder verhaftet und freigelassen worden. Der Kläger habe keine Schule besucht und habe in der Landwirtschaft gearbeitet. In seiner Jugend sei es so gewesen, dass die Polizei die in der Landwirtschaft tätigen Jungen terrorisiert habe und man habe sie gezwungen, auf den Feldern von Gemeindepolizisten zu arbeiten. Nachdem sie sich geweigert hätten, seien sie verhaftet worden, der Kläger sei einen Monat verhaftet worden.

2010 seien in Äthiopien Wahlen gewesen. Der Kläger habe Plakate für die Partei CFO, die die Rechte der Oromos vertrete, aufgehängt und Plakate der TPLF abgerissen. Der Kläger habe bei der Wahl wie seine Freunde für die CFO gestimmt, obwohl der Wahlbeobachter ihn angewiesen habe, bei der TPLF zu unterschreiben. Abends sei er dann verhaftet worden und zur Gemeindepolizei gebracht worden, man habe ihm vorgeworfen, bei der anderen oppositionellen Partei zu sein und zu erzählen, dass die TPLF schlecht sei. Danach sei er in das Gefängnis gebracht worden und ein Jahr dort gewesen. Man habe sie dann in ein anderes Gefängnis verlegen wollen und dafür die Hände verbunden. Zwei Polizisten hätten sie in ein anderes Gefängnis fahren sollen. Auf dem Weg sei eine Brücke kaputt gewesen und sie hätten die Brücke zu Fuß überquert und auf der anderen Seite in ein anderes Auto steigen sollen. Die Hände seien ihnen frei gebunden worden, sie seien fünf Häftlinge gewesen. Er und ein anderer Häftling seien von einem Polizeibeamten zu einem anderen Auto gebracht worden. Der andere Häftling sei losgelaufen und der Polizist sei ihm hinterher. Diese Gelegenheit habe der Kläger zur Flucht genutzt. Der Kläger sei dann nach einem Tagesmarsch und einer Übernachtung zu seinem Cousin, der ihn aber weiter nach … … geschickt habe. Er habe dann Oromo getroffen und sei weiter nach … und weiter mit dem Schleuser in den Sudan. Er habe sein Heimatland am 20. April 2011 verlassen. Im Sudan sei er zweieinhalb Jahre gewesen. Er habe dort 2013 seine Frau kennengelernt, während der Arbeit auf einer Kuhzuchtstation und mit ihr zwei Kinder bekommen. Sie hätten schließlich den Sudan verlassen, da der Sudan mit Äthiopien eine Vereinbarung geschlossen habe, dass geflüchtete Gefangene zurückgeschickt würden.

Auf Rückfragen gab der Kläger insbesondere an, vor seiner Verhaftung habe es keinen Haftbefehl gegeben. Er wisse nicht, warum man bei seiner Flucht nicht auf sie geschossen habe. Er habe die OLF vor der Wahl mit Geld unterstützt. Er sei kein Mitglied bei der OLF. Er habe den Vorsitzenden des CFO gefragt, wo er Plakate her bekäme, nach einer Versammlung im Dorf. Die CFO sei zwar nicht verboten, aber heimlich würden die Unterstützer unterdrückt. Bei seiner Rückkehr befürchte er den Tod.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Kläger an, dass in seinem Herkunftsland noch die Mutter, ein Bruder, die Schwester und die Großfamilie lebten. Er habe zudem noch seine Ehefrau und zwei Kinder in Deutschland.

Mit Bescheid vom 2. März 2017 wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik binnen 30 Tagen zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung, primär nach Äthiopien angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Vortrag des Klägers lasse sich zwar unter den Begriff der Verfolgungshandlung subsumieren, allerdings sei der Vortrag des Klägers nicht glaubhaft. Der Vortrag sei detail- und substanzarm. Die Darstellung der Verhaftung und des Gefängnisinhalts beschränkten sich auf das zum Verstehen des angeblich Geschehenen auf das absolute Mindestmaß.

Es sei auffällig, dass der Kläger nach diesem kurzen Vortrag zum angeblich fluchtauslösenden Kerngeschehen gleich mit der Beschreibung der Flucht fortgefahren habe. Die detaillierte und ausführliche Beschreibung des Fluchtwegs stehe zum geschilderten Fluchtgrund außer Verhältnis, was gegen eine erlebnisbasierte Schilderung des fluchtauslösenden Kerngeschehens spräche.

Der Kläger habe sein Vorbringen zum Grund, warum er verhaftet worden sei, nach vielfältigen Anstößen gesteigert. Zunächst habe er gesagt, Vorwurf der Polizei sei die Unterstützung der oppositionellen Partei CFO durch den Kläger und die Äußerung, dass die TPLF schlecht sei, gewesen. Auf die Frage, warum man für die Unterstützung einer nicht verbotenen Partei ins Gefängnis komme, habe der Kläger ausgeführt, man habe ihm auch vorgeworfen, die OLF zu unterstützen.

Der Vortrag des Klägers zu seiner Flucht leide zudem an Plausibilitätslücken. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass ein Polizist einem flüchtigen Gefangenen hinterhergelaufen sei und den Antragsteller und einen weiteren Gefangenen völlig unbewacht gelassen habe. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, könne nicht nachvollzogen werden, warum der zweite Polizist nicht auf den flüchtenden Kläger geschossen haben soll.

Die Feststellung von Abschiebungsverboten komme nicht in Betracht, da es ihm bis zu seiner Ausreise gelungen sei, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen und da in Äthiopien noch ein Verwandter und die Großfamilie lebten.

Laut Aktenvermerk wurde der Bescheid an den späteren Prozessbevollmächtigten adressiert und am 3. März 2017 als Einschreiben zur Post gegeben.

Hiergegen wendet sich die Klage vom 15. März 2017, mit der beantragt wurde,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 2. März 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde im Schriftsatz vom 23. November 2018 ausgeführt, der Kläger werde vermeintliche Widersprüche im Vortrag im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausräumen und die fluchtauslösenden Ereignisse genauer darlegen. Es sei anzumerken, dass der Kläger bei der Anhörung zu kurzen Angaben zu den gestellten Fragen angehalten worden sei.

Aus den Erkenntnismaterialien ergebe sich, dass den Oromo bereits aus nichtigen Anlässen eine Verfolgung aus politischen Gründen drohe. Es reiche schon ein vager Verdacht, jemand könne gegen das Regime eingestellt sein, um eine Verfolgung wegen angeblicher Unterstützung der OLF zu rechtfertigen.

Der Kläger sei zudem bereits vorverfolgt ausgereist, so dass die Beweislastumkehr des Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie greife. Es müsse sicher sein, dass ihm bei Rückkehr nach Äthiopien keine erneute Verfolgung drohe.

Aus dem aktuellen Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Oktober 2018 ergebe sich, dass zwar einige Reformen erfolgt seien, aber immer noch politische Verfolgung stattfinde und noch zahlreiche politische Häftlinge existierten.

Der Kläger sei entsprechend seiner festen politischen Überzeugung auch in Deutschland gegen das äthiopische Regime politisch aktiv und Mitglied der OLF. Es wurde eine Bestätigung der OLF sowie Lichtbilder, die den Kläger bei entsprechenden Veranstaltungen in den Jahren 2015 bis 2018 zeigten, vorgelegt.

Aus dem Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes ergebe sich, dass dem Kläger weiterhin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen exilpolitischer Tätigkeiten drohe. Es sei zwar nach diesem Bericht zu einer Freilassung politisch Inhaftierter gekommen. Es handele sich dabei jedoch um Amnestie, mithin um einen Gnadenakt, der wieder entzogen werden könne. Aus dem Bericht ergäbe sich, dass sich immer noch zahlreiche Personen aus politischen Gründen ohne Anklage in Haft befänden, gerade in Oromia. Nach dem Bericht bestehe weiter eine Gefährdung nach Rückkehr je nach exilpolitischen Tätigkeiten, u.a. bei nachweislicher Mitgliedschaft. Der Kläger sei Mitglied der OLF.

Die Schweizer Flüchtlingshilfe führe in einer Stellungnahme vom 26. September 2018 „Äthiopien: Exilpolitische Aktivitäten, staatliche Überwachung, neuere Entwicklungen“ aus, dass eine umfangreiche und systematische Überwachung von äthiopischen Staatsbürgern durch NISS stattfinde. Für alle Personen, die zu Recht oder zu Unrecht oppositioneller politischer Aktivitäten beschuldigt würden werde eine Akte beim Geheimdienst geführt. Eine Rückkehr nach Äthiopien sei ohne Mitwirkung des NISS nicht möglich. Es bestehe für exilpolitisch aktive Rückkehrer (auch nach HRW) die Gefahr einer längeren Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen sowie intensiver Befragungen.

Insgesamt bestehe für exilpolitisch aktive Personen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung. Das ergebe sich auch aus dem Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes.

Die Beklagte beantragte,

Klageabweisung.

In der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2019 wurde der Kläger ergänzend zu seinem Flucht- und Verfolgungsschicksal befragt, der Klägervertreter führte zudem aus, warum nach seiner Ansicht trotz des liberalen Kurses der Regierung seit April 2018 Verfolgungsgefahren für Rückkehrer, insbesondere solche mit exilpolitischem Engagement bestehen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom 2. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. Ziff. 1.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Ziff. 3.). Ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 - 7 AufenthG (vgl. Ziff. 4.) steht dem Kläger nicht zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch die übrigen Anordnungen in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10. November 2017 (vgl. Ziff. 5, 6.) sind rechtmäßig.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 AsylG.

1.1 Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. BGBL Jahr 1953 II Seite 559, BGBL Jahr 1953 II 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG.

1.2 Die Furcht vor Verfolgung ist nach § 3 Abs. 1 AsylG dann begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 14). Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - C-175/08 - juris Rn. 94). Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann, weil nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 14; B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - juris Rn. 37).

1.3 Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

1.4 Der Kläger hat keine Vorverfolgung glaubhaft gemacht.

Angesichts des im Flüchtlingsrechts typischen Beweisnotstands kann bereits der Tatsachenvortrag des Klägers zum Klageerfolg führen, sofern seine Angaben insofern glaubhaft sind, dass das Gericht von deren Wahrheit überzeugt ist (BVerwG, U.v. 30.4.1985, 1 C 33/81). Aufgrund der ihm obliegenden Darlegungs- und Mitwirkungslast (vgl. § 86 Abs. 1 Hs. 2 VwGO, § 15 AsylG) ist es insoweit primär Sache des Klägers, die Gründe für eine drohende Verfolgung vorzutragen bzw. glaubhaft zu machen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen einen stimmigen, schlüssigen Sachverhalt schildern, der geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 22.3.1983, 9 C 68.81). Es fehlt in der Regel an der erforderlichen Glaubhaftmachung, wenn im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht werden, das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, die Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender, vergleichbarer Geschehensabläufe als unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne plausiblen Grund gesteigert wird (OVG NRW, U.v. 12.3.2003, 8 A 3189/01.A).

Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht, auch nicht im Hinblick auf seine Angaben in der mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen der Kläger die Möglichkeit hatte, sich zu den von der Beklagten angeführten Gründen, aufgrund der die Beklagte von fehlender Glaubhaftmachung ausging, zu äußern.

Der Kläger hat sein Vorbringen zum aus seiner Sicht für seine Probleme mit der Regierung wesentlichen Geschehen nochmals gesteigert, ohne dass es dafür einen plausiblen Grund gibt.

Erstmals gab der Kläger an, hinsichtlich der Oppositionspartei, die er unterstütze (Oromo-Kongresspartei), sich mit deren Vorsitzenden über Agitation und Möglichkeiten des Einwirkens auf die Bevölkerung unterhalten zu haben. Er habe dann die Bevölkerung informiert und dies der Bevölkerung bewusst gemacht. Von diesem wesentlichen, da konfliktträchtigen Gesichtspunkt erwähnte der Kläger in der Bundesamtsanhörung nichts, dort hatte er lediglich angegeben, Plakate für diese Partei aufgehängt zu haben. Das Vorbringen des Klägers ist insoweit überdies widersprüchlich, da er in der mündlichen Verhandlung, anders als er in der Bundesamtsanhörung, angab, am Abend der geschilderten Wahl - er habe trotz anderslautender Anweisung die Oppositionspartei gewählt - zusammen mit anderen verhaftet worden zu sein.

Auch der Vortrag zur Flucht aus der Haft im Rahmen der geschilderten Verlegung in ein anderes Gefängnis ist nicht glaubhaft, da wesentliche Gesichtspunkte widersprüchlich geschildert wurden. So schilderte der Kläger zunächst, bei dem Gefangenentransport habe man anhalten müssen, da auf dem Weg eine Brücke kaputt sei. Daher habe man über die Brücke zu Fuß gehen müssen, wobei die Hände freigebunden worden seien. Der Kläger sei mit einem der begleitenden Polizisten, mit einem der anderen Häftlinge, zur anderen Seite geleitet worden, das Loslaufen des Mithäftlings, der von dem Polizisten verfolgt worden sei, habe er zur Flucht genutzt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung berichtete der Kläger jedoch nicht von einer kaputten Brücke als Hindernis, sondern einer Überflutung der Straße durch Wasser. Diesen Widerspruch konnte der Kläger nicht mit der Angabe, es sei bei der Bundesamtsanhörung möglicherweise falsch übersetzt worden, ausräumen, nachdem der Sachvortrag nicht nur hinsichtlich einzelner Begriffe widersprüchlich ist, somit nicht durch Übersetzungsfehler erklärt werden kann, bei der Bundesamtsanhörung eine explizite Rückfrage zur Beschaffenheit der Brücke gestellt wurde, der Kläger mithin bereits dort Gelegenheit hatte, sich zu eventuellen Fehlern bei der Beschreibung zu äußern und nachdem der Kläger die Richtigkeit der Niederschrift zur Bundesamtsanhörung nach Rückübersetzung bestätigte. Überdies ist der geschilderte Geschehensablauf insofern unglaubhaft, dass nicht nachvollzogen werden kann, warum der andere Polizist die Flucht des Klägers nicht verhindert hat bzw. versucht hat zu verhindern, obwohl er nach Angaben des Klägers bewaffnet war. Angesichts möglicher dem Polizist bei Flucht von Gefangenen drohender Konsequenzen ist nicht zu erklären, warum dieser nicht reagiert haben soll, etwa mit Luftschüssen, auch wenn die Stelle belebt gewesen sein soll, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend angab. Die Schilderung in der mündlichen Verhandlung ist auch insofern widersprüchlich, als dass die fünf Häftlinge nunmehr zusammen hinüber geführt werden sollten. Angesichts dieser Widersprüche und Ungereimtheiten bei wesentlichen Elementen des geschilderten Flucht- und Verfolgungsschicksals würdigt die Kammer den Vortrag als unglaubhaft. Angesichts der Wesentlichkeit der betroffenen Geschehensabläufe sind die Widersprüche und Ungereimtheiten auch nicht mit dem zeitlichen Abstand der Anhörung bzw. der mündlichen Verhandlung zu erklären.

1.5 Zudem geht die Kammer nach Auswertung der aktuellen, in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel davon aus, dass aufgrund des grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien - derzeit, im Regelfall - aufgrund behaupteter früherer Unterstützung der Opposition bzw. behaupteter früherer Konflikte mit der Regierung in Äthiopien keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit mehr droht (s. BayVGH, U.v. 13.2.2019 - 8 B 17.31645; U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30261; U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30257; U.v. 12.3.2019 - 8 B 18.30252; U.v. 12.3.2019 - 8 B 18.30274 sowie die jeweils verfahrensgegenständlichen, auch in dieses Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel).

1.6 Der Kläger hat auch erhebliche Nachfluchtgründe (§ 28 Abs. 1a AsylG) nicht glaubhaft gemacht, insbesondere nicht im Hinblick auf die vorgetragene exilpolitische Tätigkeit für die OLF/TBO. Im Regelfall droht einfachen Mitgliedern einer exilpolitischen Organisation derzeit aufgrund der Neuausrichtung der Politik der äthiopischen Regierung gegenüber der Opposition bei Rückkehr keine erhebliche Verfolgungsgefahr (s. BayVGH, U.v. 13.2.2019 - 8 B 17.31645; U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30261; U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30257; U.v. 12.3.2019 - 8 B 18.30252; U.v. 12.3.2019 - 8 B 18.30274 sowie die jeweils verfahrensgegenständlichen, auch in dieses Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel, insbesondere die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019, Gz. 508-516.80/50673). Auch der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes geht, ungeachtet weiterhin bestehender nachrichtendienstlicher Überwachung exilpolitischer Tätigkeiten im Ausland und ungeachtet Nichtvorliegens von Erkenntnissen über weiteren Missbrauch des sog. Anti-Terror-Gesetzes nicht (mehr) von der Möglichkeit von staatlichen Repressionen für Rückkehrer, bei denen eine einfache Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland vorliegt, vor (Lagebericht vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/3; die Frage des Drohens von möglichen Repressionen für Rückkehrer offen gelassen noch im Lagebericht vom 22. März 2018, Gz. 508-516.80/3).

Die klägerseits insoweit angebrachten Zweifel, insbesondere hinsichtlich der Befriedung des Konflikts mit der OLF und hinsichtlich der Behandlung von Rückkehrern sind vorliegend bereits deswegen nicht erheblich, da sich ein exilpolitisches Engagement des Klägers, sofern man seine Angaben insoweit glaubhaft hält - so sind die vorgelegten Lichtbilder undatiert - am untersten Rand, unterhalb der bloßen Mitgliedschaft, bewegt. Die vorgelegte Bestätigung der OLF vom 26. Februar 2018 weist den Kläger lediglich als Unterstützer der OLF und Teilnehmer an Veranstaltungen und Demonstrationen aus. Nach Überzeugung der Kammer resultiert daraus bei Rückkehr keine Verfolgungsgefahr mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Denn nach übereinstimmender Auskunftslage hängt, wenn man angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht bereits von einem Entfallen der Verfolgungsgefahr hinsichtlich exilpolitisch tätiger Personen (im Regelfall, für einfache Mitglieder) ausgeht, das Interesse der äthiopischen Behörden von der Art der konkreten exilpolitischen Aktivität und dem Verhalten bei Rückkehr ab (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, vom 17. Oktober 2018, vom 22. März 2018, jeweils Gz. 508-516.80/3; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 2018, Gz. 508-516.80/50673; German Institute of Global and Area Studies, Bericht vom 19. Mai 2018; die Rechtsprechung nahm insoweit bislang regelmäßig (nur) eine Verfolgungsgefahr für Personen mit exponiertem exilpolitischem Engagement an, s. statt aller VG Ansbach, U.v. 28.7.2016, AN 3 K 16.30401). Der Kläger ist seinem Vortrag nach lediglich Unterstützer der OLF und hat bislang lediglich - mit einer Vielzahl anderer Personen, wie auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbar - an Demonstrationen teilgenommen. Weitere Tätigkeiten, die den Kläger aus der Masse hervorheben würden und die in besonderem Maße die Aufmerksamkeit bzw. das Interesse der äthiopischen Behörden hervorrufen wurden, sind nicht vorgetragen.

Das Gericht ist angesichts der in das Verfahren einbezogenen, einschlägigen Erkenntnismittel, insbesondere im Hinblick auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/50673 sowie die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2019, Gz. 508-516.80/50673, insoweit bereits genügend sachkundig. Angesichts des geringen exilpolitischen Engagements des Klägers ist die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Erkenntnisquellen nicht dargelegt.

Der in der mündlichen Verhandlung gestellte, bedingte Beweisantrag hinsichtlich der Verfolgungsgefahr von Rückkehrern mit exilpolitischem Engagement war damit abzulehnen.

1.7 Die Klage ist daher im Hauptantrag erfolglos.

2. Die Klage ist auch erfolglos, soweit hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus beantragt wurde, da die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.

Nach dem Vortrag des Klägers kommt das Drohen eines ernsthaften Schadens in der Gestalt der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) nicht in Betracht.

Angesichts der obigen Ausführungen ist nicht von beachtlich wahrscheinlich Verfolgungshandlungen auszugehen. Damit kommt das Drohen eines ernsthaften Schadens in der Gestalt von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) ebenfalls nicht in Betracht.

Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass dem Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) droht.

Der BayVGH führt dazu in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019, 8 B 17.31645 unter anderem Folgendes aus:

„Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG bei dem Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden […] in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20.“

Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung an und geht nicht davon aus, dass in Äthiopien, insbesondere in der Herkunftsregion des Klägers bewaffnete Konflikte vorliegen, die alle Zivilisten ernsthaft individuell bedrohen. Die Aussage, dass in Äthiopien keine bürgerkriegsähnlichen Zustände herrschen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Oktober 2018, Gz. 508-516.80/3) wurde zwar im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 8. April 2019, Gz. 508-516.80/3 nicht aufrecht erhalten und es wird von einer besorgniserregenden Zunahme ethnischer Spannungen und gewaltsamer Auseinandersetzungen in vielen Teilen des Landes, auch in Oromia sowie den Grenzregionen zu benachbarten Regionalstaaten, sowie Binnenvertreibungen berichtet, dies im Hinblick auf ethnische Spannungen, Auseinandersetzungen mit der Regierungsmacht sowie im Hinblick auf Kampf um Wasser und Weideland (s. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich, Länderinformationsblatt mit Staatendokumentation, 8. Januar 2019). Anhaltspunkte für Konflikte mit dem erforderlichen Gefährdungsgrad ergeben sich heraus jedoch nicht.

Angesichts der obigen Ausführungen sind in der Person des Klägers auch keine gefahrerhöhenden Umstände ersichtlich, es ist angesichts des Vortrags des Klägers nichts dafür ersichtlich, dass er nach Rückkehr als Unbeteiligter in den geschilderten Konflikten ernsthaft und individuell bedroht ist. Daher drängt sich dem Gericht insoweit auch keine weitere Beweiserhebung auf.

3. Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9).

Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befinde, wurde weder geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich. Es wird insoweit auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides gem. § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen.

4. Ebenso wenig besteht im Hinblick auf die individuelle Situation des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.

Umstände, die dies begründen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

5. Die nach Maßgabe der §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und ist auch nicht als Asylberechtigter anerkannt.

6. Die Klage hat auch gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate keinen Erfolg.

Die Beklagte war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist auch ermessensfehlerfrei innerhalb der von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG aufgezeigten gesetzlichen Grenzen getroffen worden, jedenfalls im Hinblick auf die ergänzenden Ausführungen der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wonach die Lebensgefährtin des Klägers sowie die gemeinsamen beiden Kinder (AN 9 K 17.32110 und AN 9 K 17.34901) nicht berücksichtigungsfähig seien, da ihre Asylanträge ebenfalls vollumfänglich abgelehnt wurden.

7. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 07. Mai 2019 - AN 9 K 17.31480 zitiert 19 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 28 Nachfluchttatbestände


(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 15 Allgemeine Mitwirkungspflichten


(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt. (2) Er ist insbesondere verpflichtet, 1. den mit der Ausführung dieses Gese

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 75 Aufgaben


Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben: 1. Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 07. Mai 2019 - AN 9 K 17.31480 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 12. März 2019 - 8 B 18.30274

bei uns veröffentlicht am 12.03.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revisio

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2019 - 8 B 18.30257

bei uns veröffentlicht am 13.02.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 12. März 2019 - 8 B 18.30252

bei uns veröffentlicht am 12.03.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision wird

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 13. Feb. 2019 - 8 B 18.30261

bei uns veröffentlicht am 13.02.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision wir

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 13. Feb. 2019 - 8 B 17.31645

bei uns veröffentlicht am 13.02.2019

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. August 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. II

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 28. Juli 2016 - AN 3 K 16.30401

bei uns veröffentlicht am 28.07.2016

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Die 1987 geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige und Volkszuge

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Der Ausländer ist persönlich verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dies gilt auch, wenn er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lässt.

(2) Er ist insbesondere verpflichtet,

1.
den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden die erforderlichen Angaben mündlich und nach Aufforderung auch schriftlich zu machen;
2.
das Bundesamt unverzüglich zu unterrichten, wenn ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist;
3.
den gesetzlichen und behördlichen Anordnungen, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten;
4.
seinen Pass oder Passersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
5.
alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
6.
im Falle des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken und auf Verlangen alle Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen;
7.
die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden.

(3) Erforderliche Urkunden und sonstige Unterlagen nach Absatz 2 Nr. 5 sind insbesondere

1.
alle Urkunden und Unterlagen, die neben dem Pass oder Passersatz für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Bedeutung sein können,
2.
von anderen Staaten erteilte Visa, Aufenthaltstitel und sonstige Grenzübertrittspapiere,
3.
Flugscheine und sonstige Fahrausweise,
4.
Unterlagen über den Reiseweg vom Herkunftsland in das Bundesgebiet, die benutzten Beförderungsmittel und über den Aufenthalt in anderen Staaten nach der Ausreise aus dem Herkunftsland und vor der Einreise in das Bundesgebiet sowie
5.
alle sonstigen Urkunden und Unterlagen, auf die der Ausländer sich beruft oder die für die zu treffenden asyl- und ausländerrechtlichen Entscheidungen und Maßnahmen einschließlich der Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sind.

(4) Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden können den Ausländer und Sachen, die von ihm mitgeführt werden, durchsuchen, wenn der Ausländer seinen Verpflichtungen nach Absatz 2 Nr. 4 und 5 nicht nachkommt sowie nicht gemäß Absatz 2 Nummer 6 auf Verlangen die Datenträger vorlegt, aushändigt oder überlässt und Anhaltspunkte bestehen, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist. Der Ausländer darf nur von einer Person gleichen Geschlechts durchsucht werden.

(5) Durch die Rücknahme des Asylantrags werden die Mitwirkungspflichten des Ausländers nicht beendet.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. August 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und hilfsweise die Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes.

1. Der Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger und gehört dem Volksstamm der Oromo an. Bis zu seiner Ausreise lebte er in seinem Heimatland in der Stadt Robe, die er nach seiner Einlassung am 10. September 2013 verließ. Danach hielt er sich zunächst im Sudan und in Libyen auf und gelangte am 30. April 2015 auf dem Landweg über Italien und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland, wo er am 3. Mai 2015 Asyl beantragte.

Bei seiner persönlichen Anhörung zu seinem Verfolgungsschicksal beim Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) am 3. Februar 2017 gab der Kläger an, er sei bei der Ausreise 16 Jahre alt gewesen. Papiere besitze er nicht. Seine Familie habe in Robe ein Hotel betrieben, wovon seine Mutter heute noch lebe. Er habe sich bis zur Ausreise dort aufgehalten. Im Heimatland lebten außerdem ein Bruder, zwei Schwestern, zwei Onkel und eine Tante; sein Vater sei verstorben. Er sei Schüler gewesen und habe seinen Eltern geholfen. Die Schule habe er bis zur achten Klasse besucht und diese mit 16 Jahren ohne einen Abschluss verlassen.

Am 3. Juni 2013 hätten sie gegen den äthiopischen Masterplan und gegen die Ungerechtigkeit demonstriert. Es sei auf dieser Demonstration ganz vorne dabei gewesen und habe ein Plakat getragen sowie ein Gedicht vorgelesen. Am nächsten Tag seien Polizisten in die Schule gekommen und hätten sie festgenommen, weil auf der Demonstration Bilder und Videoaufzeichnungen von ihnen gemacht worden seien. Man habe sie zum Gefängnis gebracht und dort einen Monat lang eingesperrt. Im Gefängnis sei er drei Tage lang in der Nacht geschlagen worden. Man habe ihm Zähne ausgeschlagen und er habe nur wenig zu essen erhalten. Er sei wieder frei gekommen, weil sein Onkel unterschrieben habe, dass er ihn bei Bedarf wieder zum Gefängnis zurückbringen werde. Er habe eine Ladung für den 11. Juni 2013 erhalten. Als er hingegangen sei, habe man ihn zu dem Gedicht und dem Plakat befragt. Am 2. August 2013 habe man ihn mit einem Gefangenentransport zu einem großen Gefängnis bringen wollen. Es sei ein Markttag gewesen. Er habe vom Auto herunterspringen und in der Menge auf dem Markt verschwinden können. Er sei zu Fuß zu einem anderen Dorf gelaufen und habe sich dort versteckt. Als er seine Mutter angerufen habe, habe diese berichtet, dass jeden Tag Polizisten kämen und nach ihm suchten. Sie seien bei dem Telefonat zu dem Entschluss gekommen, dass eine Rückkehr zu gefährlich sei und er besser Äthiopien verlassen sollte. Die Polizisten hätten seine Mutter geschlagen, um sie zum Verrat seines Aufenthaltsorts zu zwingen. Man habe ihr angedroht, ihr das Hotel wegzunehmen.

Auf die Frage, wann er aus dem Gefängnis frei gekommen sei, nannte der Kläger das Datum 3. August 2013. Als er aufgefordert wurde, die Reihenfolge der Ereignisse mit dem jeweiligen Datum auf einem Zettel zu notieren, gab er an, er sei am 3. Juni 2013 verhaftet worden. Am 21. Juni 2013 sei er freigekommen. Er habe für drei Termine Ladungen erhalten, nämlich für den 20., 21.und 28. August 2013. Er habe alle drei Termine wahrgenommen. Auf Nachfrage, warum er zunächst den 11. Juni als Ladungstermin angegeben habe, erklärte der Kläger, man habe ihm vier Termine gegeben. Der 11. Juni stimme auch. Nach der Freilassung aus dem Gefängnis sei gegen ihn ein Schulverbot erlassen worden; er habe sich bei seiner Mutter aufgehalten. Auf die Frage, wie es komme, dass er am 2. August mit einem Gefangenentransport habe verlegt werden sollen, obwohl er an diesem Tag nicht im Gefängnis gewesen sei, erklärte er, er sei an diesem Tag nicht im Gefängnis gewesen, sondern habe von der Polizei dorthin gebracht werden sollen. Darauf hingewiesen, dass er das bisher nicht geschildert habe und dass er darstellen solle, wie es zu einer erneuten Festnahme gekommen sei, gab der Kläger an, er sei nur einmal festgenommen worden. Das Datum 2. August 2013 sei von ihm falsch angegeben worden, richtig sei der 29. August 2013. An diesem Tag seien sie morgens um 7:00 Uhr herausgefahren. Ungefähr 30 Minuten später sei er von dem Auto, einem Isuzu Pickup, der hinten offen gewesen sei, abgesprungen. Es seien viele Gefangene gewesen. Dem Wagen sei ein anderes Polizeiauto gefolgt, um die Gefangenen zu bewachen. Er sei abgesprungen und in die Menschenmenge hineingelaufen. Auf die Frage, wie es komme, dass er am 29. August im Gefängnis gewesen sei, erklärte der Kläger, er sei am 28. August bei dem Termin im Gefängnis gewesen. Dort sei er festgenommen worden. Wie lange er sich nach seiner Flucht in dem Dorf aufgehalten habe, könne er nicht angeben, weil er unter Stress gestanden habe. Er habe sich bei Menschen versteckt und von diesen Essen erhalten. Seine Mutter habe ihnen Geld für den Weg in den Sudan gegeben. Dort sei ihm das Geld ausgegangen, aber andere Mitflüchtlinge und der Schleuser hätten ihn finanziell unterstützt, sodass er weiter gekommen sei. Der Schleuser habe von den anderen Flüchtlingen Geld für ihn verlangt, weil er der jüngste unter den Flüchtlingen gewesen sei.

Im Fall einer Rückkehr erwarte er, ins Gefängnis zu kommen oder getötet zu werden. In Deutschland engagiere er sich exilpolitisch für die Sache des Oromo-Volkes. Hierzu übergab er eine Mitgliedsbescheinigung der TBOJ/UOSG (Tokkummaa Barattoota Oromoo Biyyaa Jarmanii/Union of Oromo-Students in Europe, German Branch) und drei Fotos von einer Demonstration.

2. Mit Bescheid vom 21. März 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde er nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, das Vorbringen des Klägers zu seinen Vorfluchtgründen sei aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben nicht glaubhaft. Eine Gefährdung wegen der exilpolitischen Tätigkeit sei aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung nicht zu befürchten.

3. Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben und einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG, weiter hilfsweise auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat der Klage mit Urteil vom 29. August 2017 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 21. März 2017 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger vorverfolgt ausgereist sei. Ungeachtet des Vorfluchtgeschehens drohten diesem im Falle der Rückkehr jedenfalls aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit an seine politische Überzeugung anknüpfende staatliche Verfolgungshandlungen. Nach der aktuellen Erkenntnislage melde der äthiopische Sicherheitsdienst unterschiedslos sämtliche von ihm beobachtete oppositionelle Tätigkeiten im Ausland, ohne zwischen bloßen Mitläufern und herausgehobenen Personen zu differenzieren. Damit bestehe nunmehr auch für äthiopische Staatsangehörige, die sich zu vom äthiopischen Staat als terroristisch eingestuften Organisationen oder zu einer Exilorganisation, die einer solchen Organisation nahe stehe, bekennen würden und ein Mindestmaß an Aktivität im Rahmen dieser Organisationen vorweisen könnten, eine konkrete Gefahr bei einer Rückführung nach Äthiopien.

4. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. November 2017 (Az. 21 ZB 17.31340) zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die Quellenlage trage weiterhin nicht den Schluss, dass im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG wegen Nachfluchtaktivitäten der Art zu befürchten sei, die der Kläger praktiziere. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für einen Anspruch auf unionsrechtlichen subsidiären Schutz oder auf das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot. Sonstige Gründe, die zu einer Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids führen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. August 2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung gibt er an, er habe einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Wie verschiedene vorgelegte Fotografien und Bescheinigungen belegten, habe er seine exilpolitische Betätigung für die TBOJ/UOSG weiterhin fortgesetzt. Auch einfachen aktiven Mitgliedern dieser Organisation drohe bei Rückkehr nach Äthiopien asylrelevante Verfolgung. Die aktuelle innenpolitische Lage in Äthiopien bleibe auch nach der Ernennung des Oromo Abyi Ahmed zum Premierminister unübersichtlich und volatil. Oromische Flüchtlinge, die in Deutschland politisch für die OLF (TBOJ/UOSG) aktiv gewesen seien, würden als potentielle mutmaßliche Unterstützer einer separatistischen Bewegung angesehen werden, die die Existenz des Staates Äthiopien bedrohten. Diese Gesinnung würde ihnen unterstellt werden, weil sie nicht direkt nach der Ernennung von Abyi Ahmed zum Premier nach Äthiopien zurückgekehrt seien. Sie würden mit Sicherheit früher oder später festgenommen, für unbestimmte Zeit inhaftiert und misshandelt werden. Da der Kläger vorverfolgt ausgereist sei, bestehe eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Verfolgungshandlungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen würden. Stichhaltige Gründe, die diese Vermutung entkräften könnten, lägen angesichts der aktuellen politischen Situation in Äthiopien nicht vor. Schon aufgrund der Vorverfolgung, zumindest aber wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten, sei dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. März 2018 zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. eines schriftlichen Gutachtens von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe unter anderem zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom 21. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob dem Kläger im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zustand. Er hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht dem Kläger nicht zu. Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass dem Kläger aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2013 aufgrund der Geschehnisse, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob er deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu seinen Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Demokratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen. Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für ..., Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihm angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit und Flucht noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Fall einer früheren Unterstützung der OLF durch die Teilnahme an einer Demonstration in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass auch die OLF von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch der Kläger trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle seiner Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei 5 Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20).

cc) Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien bleibe trotz der Änderung der politischen Verhältnisse unübersichtlich und instabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise des Klägers aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung des Klägers in Deutschland für die der OLF nahestehenden TBOJ/UOSG infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter I.2. a) aa) und bb)) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der OLF von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker der OLF, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie der Kläger - (einfaches) Mitglied der TBOJ/UOSG sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an einer oder an mehreren Demonstrationen oder Versammlungen unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

Soweit der Kläger die Befürchtung geäußert hat, dass alle Angehörigen der oromischen Opposition wegen einer vom Staat unterstellten separatistischen Haltung in Äthiopien weiterhin verfolgt würden, entbehrt dies jeder Grundlage. Richtig ist zwar, dass die OLF in der Vergangenheit für die Unabhängigkeit der Region Oromia, der bevölkerungsreichsten Region Äthiopiens mit ungefähr 35 Prozent der Einwohner, gekämpft hat und zumindest ein Teil ihrer Anhänger diese wohl auch heute noch anstrebt (vgl. The Danish Immigration Service S. 15, 20). Trotz der separatistischen Bestrebungen wurde die OLF aber von der Terrorliste gestrichen und von der Regierung eingeladen, zum Dialog nach Äthiopien zurückzukehren. Diesem Aufruf sind führende Mitglieder der OLF wie Jawar Mohammed aus dem Exil in den USA und Dawud Ibsa aus dem Exil in Eritrea gefolgt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). Allein dies spricht gegen die Besorgnis des Klägers.

Die Ursache dafür, dass sich in letzter Zeit der Konflikt zwischen Regierung und OLF verschärft hat und es nach ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Oromo und ethnischen Minderheiten zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach Überzeugung des Senats nicht in den separatistischen Bestrebungen der OLF begründet, sondern in dem Umstand, dass militante Teile der OLF entgegen ihrer Ankündigung ihre Ziele teilweise weiterhin mit Waffengewalt verfolgen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 18). So hat etwa der äthiopische Sender Fana berichtet, die Einsatzkräfte der Regierung hätten nach einer Militäroffensive im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 über 800 militante Mitglieder der OLF inhaftiert (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Der Regierung geht es nach aktueller Auskunftslage mit ihren Einsätzen vor allem darum, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Auch insoweit handelt es sich aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Oromo, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Auch für die Annahme des Klägers, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass dem Kläger bei seiner Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht er selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass dem Kläger in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei dem Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die Stadt Robe, aus der der Kläger stammt und in der er sich zuletzt aufgehalten hat, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht er weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Er ist seinen Angaben zufolge 23 Jahre alt und hat seine Schulausbildung in Deutschland fortgesetzt. Er ist gesund und arbeitsfähig. Seine Mutter betreibt in Robe ein Hotel, in dem er bereits vor seiner Ausreise mitgeholfen hat. Auch sein Bruder und eine Schwester leben dort. Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsmöglichkeit in Äthiopien bestehen nicht. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei dem Kläger ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben III.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und hilfsweise die Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes.

1. Die am ... 1985 in Addis Abeba geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige oromischer Volkszugehörigkeit. Sie reiste nach eigenen Angaben am 31. März 2012 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2012 einen Asylantrag.

Bei ihrer persönlichen Anhörung zu ihrem Verfolgungsschicksal vor dem Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) am 26. Juni 2012 gab die Klägerin an, sie sei in Äthiopien für die Organisation der ONEG (= amharischer Name für die Organisation der OLF - Oromo Liberation Front) tätig gewesen. Sie habe im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters gearbeitet und zusätzlich einen Musikladen betrieben. Ihre Eltern hätten die ONEG unterstützt. Ihr Vater sei von der Polizei im Jahr 2005 von zu Hause abgeholt worden und seitdem verschwunden, ihre Mutter sei 2009 verstorben. Wegen der Unterstützung der ONEG sei ihr Musikladen zwei- bis dreimal ohne Grund geschlossen worden. Sie habe in ihrem Musikgeschäft Propagandamaterial mit politischen Reden der ONEG vervielfältigt. Im Januar 2012 habe sie von einem Freund ihres Vaters telefonische Nachricht bekommen, dass die Person, die ihr Demo-Tapes zur Vervielfältigung gebracht habe, unterwegs von Sicherheitskräften aufgehalten worden sei. Sie sei daraufhin zu einem Kirchenmann geflohen. Nachdem sie erfahren habe, dass der Mann, der ihr die Demo-Tapes übergeben habe, erwischt worden sei, ihr Geschäft gestürmt worden sei und ihre Mitarbeiter inhaftiert worden seien, sei sie am 31. März 2012 ausgereist.

Mit Schreiben vom 21. September 2012 trug die Klägerin unter Vorlage entsprechender Bestätigungen der Exilorganisation TBOJ/UOSG (Tokkummaa Barattoota Oromoo Biyyaa Jarmanii/Union of Oromo-Students in Europe, German Branch) vor, sie sei seit 10. Juni 2012 Mitglied dieser Organisation. Diese sei politisch eng mit der OLF verbunden, welche die Befreiung Oromias von der jahrhundertelangen kolonialen Herrschaft der Abessinen (Amhara-Tigre) zum Ziel habe. Sie habe dort an mehreren Veranstaltungen teilgenommen. Mit Schreiben vom 7. Juni 2015 legte sie eine weitere Bestätigung der TBOJ/UOSG über verschiedene Tätigkeiten für diese Organisation vor, darunter die fotografische Dokumentation einer Demonstration, die Vorbereitung der Verpflegung und die Bedienung von Gästen im Laufe von Veranstaltungen, die Tätigkeit als „Kulturbotschafterin“ für die Organisation und die Teilnahme an einer Kulturveranstaltung als Tänzerin. Mit Schreiben vom 8. Juli 2015 gab sie an, sie habe zudem im November 2012, April 2013 und Dezember 2013 drei Artikel im Bulletin der TBOJ/UOSG publiziert.

2. Mit Bescheid vom 11. September 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde sie nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, das Vorbringen der Klägerin sei infolge mangelnder Konkretheit nicht glaubhaft. Die Klägerin sei über alle Details hinweggegangen, wie sie ihre Ausreise geplant und einen Schleuser gefunden haben wole und mit welchen Papieren sie genau ausgereist sei. Auch werde in einer Auskunft der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt/Main vom 18. September 2014 ausführlich dargelegt, dass eine Einreise, wie sie von der Klägerin behauptet werde, nicht der Wahrheit entsprechen könne. Sie habe auch nicht glaubhaft machen können, dass sie aufgrund der Aktivitäten ihrer Eltern einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt gewesen sei. Die von der Klägerin behaupteten eigenen Aktivitäten für die ONEG führten für sich genommen nicht zu politischen Verfolgungsmaßnahmen. Zu der angeblichen Vervielfältigung von oppositionspolitischem Material habe sie keine detaillierten Angaben machen können. Die politische Betätigung der Klägerin in Deutschland gehe nicht über ein bloßes „Mitläufertum“ hinaus. Die vorgelegten Belege zeigten, dass sie mehr oder weniger regelmäßig an Veranstaltungen der TBOJ/UOSG teilgenommen habe, ohne dass dies als herausragende Betätigung angesehen werden könne. Seit dem Jahr 2013 hätten ihre Aktivitäten deutlich abgenommen. Dies lasse erkennen, dass ihren Aktivitäten keine tiefe Überzeugung zugrunde läge, sondern sie wohl aus asyltaktischen Motiven heraus tätig geworden sei. Die drei regimekritischen Artikel in einer äthiopischen Exilzeitschrift seien zu wenig bedeutsam, als dass die äthiopischen Behörden die Klägerin als ernsthafte politische Gegnerin einstuften. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass ihr Verhalten als gegen die äthiopische Regierung gerichtet aufgefasst werden könnte und ihr daher asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, seien nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes oder Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.

3. Die gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgerichts Bayreuth mit Urteil vom 12. Januar 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte lägen nicht vor. Sie habe die behauptete Einreise auf dem Luftweg nicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachweisen können. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe ebenfalls nicht. Die Darstellungen der Klägerin zu ihrer Vorverfolgung im Heimatland wirkten unglaubhaft. Nicht nachvollziehbar erscheine insbesondere, dass ihr Vater bereits im Jahr 2005 festgenommen worden sei, während sie ihren Musikladen sowie das Geschäft ihres Vaters bis Januar 2012 im Wesentlichen unbehelligt habe weiterführen können und dabei sogar die ONEG durch das Vervielfältigen von Demo-Tapes unterstützt haben will. Unglaubhaft erscheine auch der Vortrag zu den Geschehnissen im Jahr 2012. Der Vortrag bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt sei allgemein und pauschal gewesen. Soweit die Klägerin konkreten Vortrag in der Klagebegründung nachgeholt habe, sei nicht nachvollziehbar, warum dies nicht bereits bei ihrer Anhörung geschehen sei. Aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Heimatland nicht vorverfolgt verlassen habe.

Wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeiten müsse die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland ebenfalls nicht mit Verfolgungsmaßnahmen der äthiopischen Sicherheitskräfte rechnen. Zwar habe sie vorgetragen, an zahlreichen Demonstrationen und ähnlichen Veranstaltungen teilgenommen und Beiträge in exilpolitischen Zeitschriften verfasst zu haben, Mitglied der TBOJ/UOSG zu sein und besondere Tätigkeiten im Rahmen von Veranstaltungen erbracht zu haben. Auch sei den Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora genau beobachte. Es sei aber davon auszugehen, dass nur Personen, die sich exponiert politisch betätigt hätten, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätten. Die in Deutschland agierende exilpolitische Szene zersplitterte sich immer mehr. Inzwischen existierten mindestens acht exilpolitische Gruppierungen. Angesichts dieser Vielzahl von Exilorganisationen sei für die Annahme einer exponierten Stellung eine Tätigkeit im Bundesvorstand erforderlich. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder würden von der äthiopischen Regierung nicht registriert, da den Behörden hierzu die erforderlichen Ressourcen fehlten. Die Klägerin habe als Kulturbotschafterin, Fotografin, Tänzerin und Hilfskraft bei verschiedenen Veranstaltungen keine hohe Position innerhalb der TBOJ/UOSG inne. Sie hebe sich nicht vom Kreis der bloßen Mitläufer ab und komme für den äthiopischen Staat nicht als mögliche ernsthafte Oppositionelle infrage. Die Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften ließen sich ebenfalls nicht als herausgehobene Tätigkeit einstufen, zumal Artikel mit regimefeindlichem Inhalt regelmäßig von fast allen äthiopischen Asylbewerbern veröffentlicht würden. In der Zusammenschau mit ihrer nicht glaubhaften Fluchtgeschichte sei das Gericht deshalb davon überzeugt, dass die Klägerin bei der Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsse, wegen ihrer exilpolitischen Aktivitäten in asylrelevanter Weise belangt zu werden.

Soweit die Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG und die Feststellung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehre, sei die Klage ebenfalls nicht begründet. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Keine Bedenken bestünden auch hinsichtlich Nrn. 5 und 6 des angefochtenen Bescheids.

4. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer durch Beschluss des Senats vom 29. Januar 2018 (Az. 8 ZB 16.30030) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:

Der Vortrag der Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt sei hinreichend schlüssig und detailliert gewesen. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht würden den klägerischen Vortrag zu Unrecht an dem Idealtypus des abendländischen aufgeklärten, rational handelnden politischen Akteurs messen. Bei der Frage, wie detailliert die Klägerin ihre Ereignisse schildere, komme es nach der Rechtsprechung auch auf entsprechende Nachfragen an. Es könne nicht verlangt werden, dass der Asylsuchende über eine nachvollziehbare und zusammenhängende Schilderung seines Verfolgungsschicksals hinaus beliebig wahllos Einzelheiten nenne, nach denen er vom Entscheider nicht gefragt werde. Die Klägerin müsse allein wegen der früheren Tätigkeit ihres Vaters für die OLF im Fall ihrer Rückkehr mit erneuter Haft für unbestimmte Zeit rechnen. Erst recht gelte dies im Hinblick auf ihre eigene Arbeit für diese Organisation. Wegen ihrer Mitgliedschaft bei der TBOJ/UOSG und ihrer exilpolitischen Tätigkeit für diese Organisation drohe im Fall ihrer Rückkehr mindestens Haft für unbestimmte Zeit. Dies gelte schon im Hinblick auf die von ihr im eigenen Namen publizierten Beiträge in einer regierungskritischen Zeitschrift. Die äthiopische Regierung und ihre Behörden beobachteten und registrierten die Exilopposition und ihre Mitglieder in Deutschland genau. Exilpolitisch tätige Oromos und Angehörige der TBOJ/UOSG müssten mit Verfolgung rechnen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Januar 2016 und unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 11. September 2015 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihr subsidiären Schutz zuzusprechen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bestehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. März 2018 zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. eines schriftlichen Gutachtens von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe unter anderem zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ablehnung der in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche im Bescheid des Bundesamts vom 11. September 2015 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob der Klägerin die Ansprüche im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zustanden. Die Klägerin hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht der Klägerin nicht zu.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge ihrer exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob die Klägerin vor ihrer Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2012 aufgrund der Geschehnisse, die sie bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob sie deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu ihren Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Demokratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen. Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für ..., Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihr angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für den Fall einer früheren Unterstützung der OLF durch die Vervielfältigung oppositionspolitischer Reden oder infolge der vorgetragenen Unterstützung der OLF durch ihre Eltern in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass auch die OLF von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch die Klägerin trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei 5 Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20).

cc) Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien bleibe trotz der Änderung der politischen Verhältnisse unübersichtlich und instabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise der Klägerin aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung der Klägerin in Deutschland für die der OLF nahestehenden TBOJ/UOSG infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter I.2. a) aa) und bb)) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der OLF von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker der OLF, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie die Klägerin - (einfaches) Mitglied der TBOJ/UOSG sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an einer oder an mehreren Demonstrationen oder Versammlungen oder durch andere Unterstützeraktivitäten für diese Organisation wie Tätigkeit als Tänzerin und „Kulturbotschafterin“ oder auch durch regierungskritische Äußerungen oder Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften oder sonstigen Medien unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Befürchtung geäußert hat, dass alle Angehörigen der oromischen Opposition wegen einer vom Staat unterstellten separatistischen Haltung in Äthiopien weiterhin verfolgt würden, entbehrt dies jeder Grundlage. Richtig ist zwar, dass die OLF in der Vergangenheit für die Unabhängigkeit der Region Oromia, der bevölkerungsreichsten Region Äthiopiens mit ungefähr 35 Prozent der Einwohner, gekämpft hat und zumindest ein Teil ihrer Anhänger diese wohl auch heute noch anstrebt (vgl. The Danish Immigration Service S. 15, 20). Trotz der separatistischen Bestrebungen wurde die OLF aber von der Terrorliste gestrichen und von der Regierung eingeladen, zum Dialog nach Äthiopien zurückzukehren. Diesem Aufruf sind führende Mitglieder der OLF wie Jawar Mohammed aus dem Exil in den USA und Dawud Ibsa aus dem Exil in Eritrea gefolgt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). Allein dies spricht gegen die Besorgnis der Klägerin.

Die Ursache dafür, dass sich in letzter Zeit der Konflikt zwischen Regierung und OLF verschärft hat und es nach ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Oromo und ethnischen Minderheiten zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach Überzeugung des Senats nicht in den separatistischen Bestrebungen der OLF begründet, sondern in dem Umstand, dass militante Teile der OLF entgegen ihrer Ankündigung ihre Ziele teilweise weiterhin mit Waffengewalt verfolgen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 18). So hat etwa der äthiopische Sender Fana berichtet, die Einsatzkräfte der Regierung hätten nach einer Militäroffensive im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 über 800 militante Mitglieder der OLF inhaftiert (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Der Regierung geht es nach aktueller Auskunftslage mit ihren Einsätzen vor allem darum, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Auch insoweit handelt es sich aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Oromo, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Auch für die Annahme der Klägerin, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass der Klägerin bei ihrer Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht sie selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass der Klägerin in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei der Klägerin, die keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die äthiopische Hauptstadt, aus der die Klägerin stammt und in der sie sich zuletzt aufgehalten hat, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich die Klägerin in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht sie weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Sie hat eine qualifizierte Schulausbildung und ist 33 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. Sie hat in Addis Abeba vor ihrer Ausreise ein Musikgeschäft betrieben und arbeitet nach eigenen Angaben auch derzeit in Deutschland. Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsmöglichkeit in Äthiopien, insbesondere in der Hauptstadt Addis Abeba, bestehen nicht. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben III.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Folgeverfahren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsschutz.

Der am 15. November 1989 geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger vom Volk der Oromo. Vor seiner Ausreise lebte er in A. Ab. (Yeka), wo er als Berufssportler aktiv war. Er reiste am 8. August 2010 mit einem Schengen-Visum auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein. Seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 14. Februar 2011 ab; zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit rechtskräftigem Urteil vom 22. November 2012 ab.

Am 19. Juni 2013 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag, den er im Wesentlichen auf exilpolitische Aktivitäten für die UOSG stützte. Am 16. Februar 2013 sei er in den Bundesvorstand der UOSG gewählt worden und dort als Schatzmeister aktiv. Er wirke weiterhin an Protest- und Informationsveranstaltungen der oromischen Exilopposition mit; in der Ausgabe der UOSG-Zeitschrift „B. Bi.“ vom April 2013 habe er einen regimekritischen Beitrag verfasst. Mit dem Folgeantrag wurden diverse Unterlagen vorgelegt, darunter Mitgliedsbestätigungen der TBOJ/UOSG vom 28. März 2013 sowie der Oromo Liberation Front (OLF - Foreign Affairs Department/European Regional Office) vom 14. November 2011 und 4. März 2013, ein Auszug aus der April-Ausgabe der Zeitschrift „B. Bi.“, eine Stellungnahme des Dr. T1. T2. vom 3. Mai 2013 und ein Schreiben der „Oromia Support Group Australia“ vom 20. März 2013. Bei seiner informatorischen Anhörung am 30. Oktober 2013 durch das Bundesamt gab der Kläger an, seit Ende 2011 in den Vorstand der UOSG gewählt worden zu sein, regelmäßig an Versammlungen teilzunehmen und eine Demonstration in Würzburg 2013 mitorganisiert zu haben.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) bzw. subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde er nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens seien zwar gegeben. Der Antragsteller habe sich seit Abschluss des Erstverfahrens am 6. März 2013 aber weiterhin nicht nennenswert exilpolitisch betätigt. Seit über zwei Jahren habe er keinerlei exilpolitische Aktivitäten unternommen; seine Tätigkeit als Kassierer der UOSG habe er nicht näher konkretisiert. Das Gutachten des Dr. T2., den der Kläger nicht persönlich kenne, enthalte nur allgemeine Feststellungen zur Lage in Äthiopien; das Gleiche gelte für die Bescheinigung aus Australien. Der angeblich vom Kläger verfasste Artikel belege keine überzeugte Regimegegnerschaft, sondern sei ein Massenphänomen, um eine Regimefeindlichkeit für das Asylverfahren nach außen zu dokumentieren.

Mit seiner beim Verwaltungsgericht Bayreuth erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung dieses Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, subsidiären Schutz zu gewähren und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG vorliegen. Im erstinstanzlichen Klageverfahren ließ er vortragen, das Bundesamt sei irrig davon ausgegangen, er habe zu seinen weiteren exilpolitischen Tätigkeiten nichts vorgetragen. Seine Funktion als Schatzmeister im Bundesvorstand der UOSG habe er im Mai 2016 aus Zeitgründen aufgegeben; seitdem sei er als Redakteur (Leiter des Editorial-Teams) der Zeitschrift „B. Bi.“ tätig. In der Mai-Ausgabe 2016 sei sein Beitrag über den Protest der Oromo gegen die Diktatur in Äthiopien veröffentlicht worden. Den europaweiten Kongress der UOSG zum Märtyrertag am 9. Januar 2016 in Nürnberg habe er vorbereitet und mit geleitet. Laut einer Bestätigung der TBOJ/UOSG vom 6. August 2016 hat sich der Kläger seit April 2014 an der Organisation mehrerer (Protest-)Veranstaltungen beteiligt; zudem wurde ihm darin die aktive Teilnahme an diversen weiteren exilpolitischen Veranstaltungen bescheinigt.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die Klage mit Urteil vom 11. August 2016 abgewiesen. Der Kläger sei nicht als exponierter, ernsthafter Oppositionsangehöriger anzusehen. Die bis Mai 2016 ausgeübte Tätigkeit im Vorstand der UOSG und seine Redaktionstätigkeit und Veröffentlichungen im Magazin „B. Bi.“ ließen kein eigenständiges exilpolitisches Profil als ernsthafter Oppositioneller erkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil mit Beschluss vom 29. Januar 2018 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Durch Beschluss vom 26. März 2018 hat der Senat zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. schriftlicher Gutachten von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerische Flüchtlingshilfe.

Mit der Berufung beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. August 2016 sowie unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm subsidiären Schutz zuzusprechen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG bestehen.

Zur Begründung wird ausgeführt: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, exilpolitische Aktivitäten könnten nur dann eine (beachtliche) Verfolgungsgefahr begründen, wenn sie ein eigenständiges politisches Profil aufwiesen und der Betroffene somit als ernsthafter Oppositioneller anzusehen sei, treffe nicht zu. Die These, der äthiopische Staat überziehe nur tatsächlich überzeugte Akteure (vermeintlich) oppositioneller Handlungen mit Verfolgung, sei nicht belegt. Die Praxis der äthiopischen Sicherheitsbehörden zeige vielmehr, dass der bloße, nicht verifizierte Schein oder die bloße Unterstellung ausreichten, um Verfolgungsmaßnahmen auszulösen. Die innenpolitische Lage Äthiopiens habe sich seit der Wahl Abiy Ahmeds zwar erheblich verändert. Die Einladung des Ministerpräsidenten an die Oppositionsgruppen zur Rückkehr und Zusammenarbeit sowie die Aufhebung des Terrorismusverdikts für OLF und Ginbot7 bedeute aber keine Entwarnung für im Exil tätige Unterstützer der oromischen Bewegung. Die Oromos und deren Vertreter seien keine Einheit; neben den eher wenigen kooperativ und föderalistisch orientierten Politikern sei die Mehrheit der oromischen Aktivisten militant. Letztere seien vom Angebot zur Zusammenarbeit mit der Regierung Abiy Ahmeds ausgenommen; gegen sie würden Massenverhaftungen, „Brainwashing“ oder militärisches Vorgehen weiterhin angewandt. Aus Deutschland zurückkehrende aktive Unterstützer der OLF würden als potenzielle Unterstützer einer separatistischen Bewegung mit Sicherheit festgenommen, für unbestimmte Zeit inhaftiert und misshandelt, um eine befürchtete und unterstellte Haltung zu brechen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die TBOJ/UOSG stehe der OLF nahe, die der äthiopische Staat inzwischen von der Terrorliste gestrichen habe. Exilpolitische Aktivitäten wie diejenigen des Klägers hätten bereits früher nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung geführt; seit dem politischen Umbruch in Äthiopien gelte dies umso mehr. Das staatliche Vorgehen gegen gewaltsamen Separatismus könne nicht gleichgesetzt werden mit der Verfolgung exilpolitischer Tätigkeiten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und auf die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zwar gegeben sind, der Kläger in dem für die Sach- und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Februar 2019 (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) aber weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG hat; auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG steht ihm nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I.

Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, die trotz der positiven Zulässigkeitsprüfung des Bundesamts zu überprüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1987 - 9 C 285.86 - BVerwGE 78, 332 = juris Rn. 17 zu § 14 AsylVfG; OVG NW, B.v. 3.2.1997 - 25 A 353/97.A - AuAS 1997, 141 = juris Rn. 5; vgl. auch Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 71 Rn. 115), sind gegeben. Die Wahl des Klägers in den Bundesvorstand der TBOJ/UOSG (16.2.2013) wurde zwar nicht innerhalb von drei Monaten nach Kenntniserlangung (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG) geltend gemacht. Allerdings begründet zumindest die Veröffentlichung des Klägers unter eigenem Namen in der Zeitschrift „B. Bi.“ vom April 2013 eine nachträgliche Änderung der Sachlage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, die sich mit Blick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu seinen Gunsten auswirken kann und die innerhalb der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG geltend gemacht worden ist (vgl. auch BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 10).

Ist festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen und der Antragsteller deshalb einen Anspruch auf eine erneute Sachprüfung hat, besteht im Rahmen der dann vorzunehmenden Asylerfolgsprüfung die Pflicht, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2000 - 2 BvR 39/98 - DVBl. 2000, 1048 = juris Rn. 33; vgl. auch Marx, AsylG, § 71 Rn. 26; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71 Rn. 103).

II.

Offen bleiben kann, ob der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG hier bereits § 28 Abs. 2 AsylG entgegensteht.

1. Nach dieser Vorschrift kann in einem Folgeverfahren die Flüchtlingseigenschaft in der Regel nicht zuerkannt werden, wenn der Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt und diesen auf Umstände stützt, die er nach unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat. Mit § 28 Abs. 2 AsylG hat der Gesetzgeber die risikolose Verfolgungsprovokation durch Nachfluchtgründe, die der Betreffende nach Abschluss des ersten Asylverfahrens selbst geschaffen hat, regelhaft unter Missbrauchsverdacht gestellt. Die Substantiierungssowie die objektive Beweislast werden damit auf den Asylbewerber verlagert, der die gesetzliche Missbrauchsvermutung widerlegen muss (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 14; U.v. 24.9.2009 - 10 C 25.08 - BVerwGE 135, 49 = juris Rn. 21).

Da jedenfalls die nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unter eigenem Namen publizierten Beiträge des Klägers in der Zeitschrift „B. Bi.“ unter den Tatbestand des § 28 Abs. 2 AsylG fallen, greift die gesetzliche Rechtsfolge, derzufolge die Flüchtlingseigenschaft in einem Folgeverfahren in der Regel nicht zuerkannt wird (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 13).

2. Die gesetzliche Missbrauchsvermutung ist dann widerlegt, wenn der Asylbewerber den Verdacht ausräumen kann, er habe Nachfluchtaktivitäten nur oder aber hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert. Bleibt das Betätigungsprofil des Betroffenen nach Abschluss des Erstverfahrens unverändert, liegt die Annahme einer missbräuchlichen Verknüpfung von Nachfluchtaktivitäten und begehrtem Status eher fern. Wird der Asylbewerber jedoch nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmals exilpolitisch aktiv oder intensiviert er seine bisherigen Aktivitäten, muss er dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, dies geschehe in erster Linie, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2014 - 10 B 5.14 - juris Rn. 5; U.v. 24.9.2009 - 10 C 25.08 - BVerwGE 135, 49 = juris Rn. 26). Dazu hat der Tatrichter die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für seine erstmalig aufgenommenen oder intensivierten Aktivitäten vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 16; B.v. 31.1.2014 - 10 B 5.14 - juris Rn. 6).

Gemessen an diesen Maßstäben spricht viel dafür, dass der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hier § 28 Abs. 2 AsylG entgegensteht. Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 27. Januar 2011 noch keine exilpolitische Betätigung angeführt (vgl. S. 143 ff. der Erstverfahrensakte). Am 14. August 2011, also mehr als ein Jahr nach seiner Einreise in das Bundesgebiet (8.8.2010) und nach Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt (14.2.2011), ist er Mitglied der UOSG geworden (vgl. S. 206 der Erstverfahrensakte). Die Wahl in den Bundesvorstand der TBOJ/UOSG (16.2.2013) erfolgte kurz nach Zustellung des klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts (14.1.2013). Der erste unter seinem Namen erschienene Artikel in der Zeitschrift „B. Bi.“ (April 2013) wurde wiederum kurz nach der rechtskräftigen Ablehnung seines Erstantrags (5.3.2013) veröffentlicht. Die Chronologie seiner exilpolitischen Aktivitäten deutet insgesamt darauf hin, dass der Kläger die nach außen sichtbare Betätigung seines politischen Willens immer dann steigert, wenn es die aufenthaltsrechtliche Situation erfordert. Hierfür spricht auch seine Einlassung (auf die Frage, weshalb man für die Aufgabe als Kassiers das Amt eines Vorsitzenden innehaben müsse), es sei wichtig, dass man einer von den Fünfen (Vorstandsmitgliedern) sei und vom Regime in dieser Funktion überwacht werde (vgl. S. 167 der Folgeantragsakte). Demgegenüber ist nicht zu erkennen, dass die Nachfluchtaktivitäten des Klägers auf einer kontinuierlich gewachsenen und nach außen betätigten politischen Überzeugung beruhen. Seine Antworten auf die Fragen des Bundesamts nach den Hintergründen seiner exilpolitischen Tätigkeit blieben auffallend kurz und allgemein; z.B. konnte der Kläger auf die Frage, weshalb er erst im April 2013 einen Beitrag über die Inhaftierung Unschuldiger veröffentlicht habe, keine plausible Antwort geben (vgl. S. 166 der Folgeantragsakte).

III.

Jedenfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann 30 (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).)

2. Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass dem Kläger aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten III.2.1) noch infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten III.2.2) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

2.1 Es kann offen bleiben, ob der Kläger aufgrund einer Vorverfolgung die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann.

2.1.1 Bei der Frage, ob der Kläger vor seiner Ausreise bereits verfolgt wurde, ist der Senat zwar nicht an die - dies ablehnende - Feststellung des Verwaltungsgerichts im ersten Asylurteil gebunden (vgl. SächsOVG, U.v. 22.11.2014 - A 3 A 519/12 -Asylmagazin 2015, 208 = juris Rn. 39; so auch betreffend ein den Asyl- und Flüchtlingsschutz zusprechendes Urteil BVerwG, U.v. 7.9.2010 - 10 C 11.09 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 42 = juris Rn. 19). Die Gesamtwürdigung aller Umstände - auch der mit dem Folgeantrag vorgelegten Unterlagen - spricht aber (weiterhin) nicht dafür, dass der Kläger sein Heimatland vorverfolgt verlassen hat. Insbesondere stützen die im Folgeantragsverfahren vorgelegten Unterlagen keine gegenüber dem Asylerstverfahren abweichende Einschätzung. Die Aussage im Schreiben der „Oromia Support Group Australia“ vom 20. März 2013 („Support Letter“), der Kläger habe aktiv an Schülerprotesten teilgenommen, bei denen viele seiner Mitschüler getötet worden seien (vgl. S. 34 der Folgeantragsakte), besitzt keinen Beweiswert, weil nicht erkennbar ist, woher die in Australien ansässige Exilorganisation belastbare Erkenntnisse zur individuellen Verfolgungssituation des Klägers in Äthiopien erlangt haben sollte. Die Stellungnahme des Dr. Trevor Trueman vom 3. Mai 2013, den der Kläger nicht kennt (vgl. S. 167 der Folgeantragsakte), bezieht sich allein auf die exilpolitischen Tätigkeiten des Klägers in Deutschland.

2.1.2 Selbst wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass er bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

2.1.2.1 Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Demokratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil-)Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe - Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt], S. 6). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen. Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6, 22). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihm angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Fall einer früheren Unterstützung der OLF in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass auch die OLF von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch der Kläger trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle seiner Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

2.1.2.2 Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei 5 Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20).

2.1.2.3 Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien bleibe trotz der Änderung der politischen Verhältnisse unübersichtlich und instabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

2.2 Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund der exilpolitischen Betätigung des Klägers in Deutschland für die der OLF nahestehenden TBOJ/UOSG. Infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien ist diese nicht (mehr) geeignet, eine begründete Furcht vor Verfolgung nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1a AsylG zu begründen.

2.2.1 Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter III.2.1.2.1 und III.2.1.2.2) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der OLF von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker der OLF, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie der Kläger - Mitglied der TBOJ/UOSG sind oder waren, diese Organisation durch die Teilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen (zum Teil unter Mitorganisation) oder durch andere Unterstützeraktivitäten wie die Mitarbeit bei einer exilpolitischen Zeitschrift (Leiter Editorial-Team) oder auch durch regierungskritische Äußerungen oder Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften oder sonstigen Medien unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

2.2.2 Auch aufgrund seiner (früheren) Vorstandstätigkeit im Bundes- bzw. Landesvorstand der TBOJ/UOSG drohen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlungen. Infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 begründet allein die Tatsache, dass sich äthiopische Asylbewerber in Deutschland exponiert (vgl. zu diesem Kriterium BayVGH, B.v. 14.11.2017 - 21 ZB 17.31340 - juris Rn. 2; B.v. 14.7.2015 - 21 ZB 15.30119 - juris Rn. 5; U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris Rn. 16) exilpolitisch betätigt haben, grundsätzlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgungsgefahr; eine Rückkehrgefährdung erscheint auf Basis der aktuellen Auskunftslage allenfalls noch in besonders gelagerten Ausnahmefällen denkbar (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 64; ähnlich VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris Rn. 25; VG Ansbach, B.v. 11.10.2018 - AN 3 E 18.31175 - juris Rn. 36). Diese Einschätzung wird insbesondere dadurch belegt, dass inzwischen namhafte Vertreter der äthiopischen Exilopposition der Einladung des neuen Premierministers gefolgt und zurückgekehrt sind, um sich am politischen Diskurs in Äthiopien zu beteiligen (vgl. The Danish Immigration Service S. 5; BFA Länderinformationsblatt S. 5; vgl. eingehend hierzu oben unter III.2.1.2.1).

2.2.3 Soweit der Kläger die Befürchtung geäußert hat, dass alle Angehörigen der oromischen Opposition wegen einer vom Staat unterstellten separatistischen Haltung in Äthiopien weiterhin verfolgt würden, entbehrt dies jeder Grundlage. Richtig ist zwar, dass die OLF in der Vergangenheit für die Unabhängigkeit der Region Oromia, der bevölkerungsreichsten Region Äthiopiens mit ungefähr 35 Prozent der Einwohner, gekämpft hat und zumindest ein Teil ihrer Anhänger diese wohl auch heute noch anstrebt (vgl. The Danish Immigration Service S. 15, 20). Trotz der separatistischen Bestrebungen wurde die OLF aber von der Terrorliste gestrichen und von der Regierung eingeladen, zum Dialog nach Äthiopien zurückzukehren. Diesem Aufruf sind führende Mitglieder der OLF wie Jawar Mohammed aus dem Exil in den USA und Dawud Ibsa aus dem Exil in Eritrea gefolgt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). Allein dies spricht gegen die Besorgnis des Klägers.

Die Ursache dafür, dass sich in letzter Zeit der Konflikt zwischen Regierung und OLF verschärft hat und es nach ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Oromo und ethnischen Minderheiten zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach Überzeugung des Senats nicht in den separatistischen Bestrebungen der OLF begründet, sondern in dem Umstand, dass militante Teile der OLF entgegen ihrer Ankündigung ihre Ziele teilweise weiterhin mit Waffengewalt verfolgen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 18). So hat etwa der äthiopische Sender Fana berichtet, die Einsatzkräfte der Regierung hätten nach einer Militäroffensive im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 über 800 militante Mitglieder der OLF inhaftiert (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Der Regierung geht es nach aktueller Auskunftslage mit ihren Einsätzen vor allem darum, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Auch insoweit handelt es sich aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Oromo, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

2.2.4 Auch für die Annahme des Klägers, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25).

IV.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass dem Kläger bei seiner Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht er selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass dem Kläger in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG beim Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die äthiopische Hauptstadt, wo sich der Kläger die letzten zwei bis drei Jahre bis zu seiner Ausreise aufgehalten hat (vgl. S. 250 f. der Erstverfahrensakte), nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Das Gleiche gilt für die Stadt Ambo, in der der Kläger aufgewachsen ist.

V.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.

1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen ist nicht gegeben.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht er weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Er ist 29 Jahre alt, gesund, arbeitsfähig und hat eine Schulausbildung. In Deutschland ist er seit 2013 erwerbstätig und hat hieraus zuletzt einen Bruttoarbeitslohn von monatlich ca. 1.770 Euro erwirtschaftet. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass er über das für eine (bescheidene) Existenzgründung in Äthiopien notwendige Startkapital verfügt. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

2. Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist beim Kläger ein nationales Abschiebungsverbot im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben V.1).

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am ... 1993 in D. geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger vom Volk der Amharen. Er gibt an, am 19. März 2014 auf dem Luftweg von Addis Abeba kommend über den Flughafen Frankfurt/Main in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am 2. April 2014 stellte er einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) am 13. Oktober 2015 gab der Kläger an, sein Vater habe für die EPPF Medikamente aus Dschibuti geschmuggelt und an verschiedenen Orten gelagert, wo sie der Kläger abgeholt und nahe der Stadt Bahadar an Leute der EPPF übergeben habe. Am 11. Januar 2014 sei sein Vater von der Polizei abgeholt worden. Der Kläger sei verdächtigt worden, Dokumente seines Vaters zu verstecken. Das Lager sei von der Ortsverwaltung mit der Begründung versiegelt worden, sein Vater unterstütze Terroristen. In der Folge sei der Kläger mehrmals bei Autofahrten angehalten worden; er habe Strafen zahlen müssen bzw. der Führerschein sei ihm entzogen worden. Am 22. Januar 2014 sei er zum Polizeirevier verbracht worden. Man habe ihm zwei Fotos gezeigt, auf denen er beim Verladen großer Pakete mit Medikamenten zu sehen sei. Der Hauptmann habe die Namen der Personen auf den Fotos wissen wollen. Als er gesagt habe, diese nicht zu kennen, sei er geschlagen worden; ein Zahn sei ihm ausgeschlagen worden. Am 24. Januar 2014 sei er freigelassen worden mit der Drohung, wenn er irgendetwas mache, ereile ihn das gleiche Schicksal wie seinen Vater. Am nächsten Tag sei er auf Anraten seines Bruders nach Addis Abeba gefahren und von dort am 19. März 2014 mithilfe eines Schleppers ausgereist.

Als Beleg für seine exilpolitischen Aktivitäten für die EPPFG legte der Kläger dem Bundesamt u.a. Bestätigungen vor, die eine Mitgliedschaft seit 9. August 2014 bescheinigen.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers (Nr. 2) sowie seinen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Nr. 4). Die Abschiebung nach Äthiopien wurde angedroht, sollte keine Ausreise innerhalb von 30 Tagen erfolgen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, bei der Polizeigewalt handle es sich um einen „Amtswalterexzess“, der durch äthiopische Sicherheitsbehörden häufiger verübt werde, sodass potenziell jeder Äthiopier damit rechnen müsse. Die exilpolitischen Tätigkeiten begründeten keinen Flüchtlingsschutz, weil sie nicht über Aktivitäten einfacher Mitglieder hinausgingen.

Am 30. Mai 2016 erhob der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage. Mit Schriftsatz vom 6. September 2017 ließ er Teilnahmebescheinigungen der EPPFG und Kopien von Lichtbildern von exilpolitischen Veranstaltungen vorlegen.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Klage mit Urteil vom 29. September 2017 abgewiesen. Die Angaben des Klägers zu den Geschehnissen in Äthiopien und seiner Flucht seien nicht glaubhaft. Seine Angaben zu seinen Papieren bzw. die Tatsache, dass er keinerlei Papiere vorgelegt habe, erweckten erhebliche Zweifel an seiner Identität und Glaubwürdigkeit. Bei der Schilderung seines Verfolgungsschicksals sei ein gehäuftes und fast musterartiges Auftreten von Abweichungen festzustellen, sodass davon auszugehen sei, dass es sich nicht um selbst Erlebtes handle. Es sei auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger wegen seiner exilpolitischen Betätigung in Deutschland bei seiner Rückkehr eine Verfolgung drohe. Seine exilpolitische Tätigkeit übersteige nicht das übliche Maß, sodass er von den äthiopischen Behörden nicht als „gefährlicher Oppositioneller“ angesehen werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Januar 2018 zugelassene Berufung. Zur Begründung macht der Kläger geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vorverfolgt ausgereist zu sein. Jedenfalls drohe ihm aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten Verfolgung. Seit März 2017 übe er die Funktion „intelligence Regensburg and surrounded“ in der EPPFG aus und betätige sich im „Wiederaufbau-Komitee“. Als Beleg für seine exilpolitischen Aktivitäten legte er Bescheinigungen der EPPFG, EDFM sowie Lichtbilder über die Teilnahme an exilpolitischen Veranstaltungen vor. Das Verwaltungsgericht Würzburg gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass einem äthiopischen Staatsangehörigen, der sich - wie der Kläger für die EPPFG - in einem Mindestmaß für eine Organisation betätige, die einer als terroristisch eingestuften Vereinigung nahestehe, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung drohe. Ungeachtet der Streichung von OLF, Ginbot7 und ONLF von der Terrorliste sei es noch zu keiner vollständigen Änderung bei der Verfolgung Oppositioneller gekommen. Tausende politische Gefangene befänden sich weiter in Haft; im September 2018 sei es wieder zu Massenverhaftungen gekommen. Die positiven Veränderungen unter Abiy Ahmed bzw. dessen Handlungen seien in der EPRDF äußerst umstritten. Das Nachgeben Abiy Ahmeds gegenüber der Opposition habe der nicht mehr beherrschbaren Situation in Äthiopien gegolten, ohne dass dies zu einem vollständigen Umdenken in der EPRDF und insbesondere der TPLF geführt habe. Die Amnestieregelung sei hier nicht relevant, weil die sechsmonatige Antragsfrist inzwischen abgelaufen sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 29. September 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie hilfsweise festzustellen, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Äthiopien vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat durch Beschluss vom 26. März 2018 zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. schriftlicher Gutachten von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerische Flüchtlingshilfe u.a. zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ablehnung der in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche im Bescheid des Bundesamts vom 12. Mai 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob dem Kläger die Ansprüche im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zustanden. Der Kläger hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht dem Kläger nicht zu.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass dem Kläger aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2014 aufgrund der Geschehnisse, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob er deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu seinen Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Democratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1; „Focus Äthiopien - Der politische Umbruch 2018“ vom 16. Januar 2019 der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM [im Folgenden: SEM] S. 8 f.). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6; SEM S. 7). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10; SEM S. 6).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 15; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 17, 19). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen (SEM S. 17). Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand und unterzeichnete am 21. Oktober 2018 ein Friedensabkommen mit der äthiopischen Regierung (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22; SEM S. 24 f.). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für ..., Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; SEM S. 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23; SEM S. 7).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihm angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit und Flucht noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Fall einer früheren Unterstützung der EPPF durch die Beteiligung an einem Medikamentenschmuggel seines Vaters in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass die EPPF der Ginbot7 nahesteht (der Armeeflügel der EPPF wurde 2006 mit Ginbot7 verschmolzen, vgl. AA, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 2; im Jahr 2015 haben sich Ginbot7 und EPPF zum Bündnis „Arbegnoch - Ginbot7 for Unity and Democracy Movement (AGUDM)“ zusammengeschlossen, vgl. GIGA - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Stellungnahme vom 19.5.2018 an den Verwaltungsgerichtshof S. 5) und Ginbot7 von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch der Kläger trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle seiner Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei fünf Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; SEM S. 20). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien; vgl. auch SEM S. 21 f.).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.; SEM S. 30 ff.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen (vgl. AA, Auskunft vom 7.2.2019 gegenüber dem Verwaltungsgericht Dresden, S. 2). Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20). Am 20. Dezember 2018 hat das äthiopische Repräsentantenhaus als Reaktion auf die ethnischen Konflikte zudem beschlossen, auf Bundesebene eine Kommission für Verwaltungsgrenzen und Identitätsfragen zu schaffen (vgl. SEM S. 32 f.).

cc) Soweit der Kläger geltend macht, die Situation in Äthiopien sei trotz des politischen Umbruchs noch nicht stabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11; SEM S. 8 ff., 26), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (SEM S. 9; nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“) und gegen ihn ein Putschversuch unternommen (vgl. SEM S. 29).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise des Klägers aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung des Klägers in Deutschland für die der Ginbot7 nahestehenden EPPFG (Ethiopian People Patriotic Front Guard) infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter Rn. 26 ff.) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der Ginbot7 von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie der Kläger - (einfaches) Mitglied der EPPFG sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

Auch aufgrund seiner innerhalb der EPPFG übernommenen Funktion zur Werbung und Aufklärung von Mitgliedern („intelligence Regensburg and surrounded“ bzw. „Wiederaufbau-Komitee“) drohen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlungen. Der Senat vermag aus den hierzu in der mündlichen Verhandlung gegebenen Schilderungen des Klägers (vgl. S. 3 f. der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019) schon nicht zu erkennen, inwieweit damit eine „Leitungsfunktion“ in der EPPFG wahrgenommen würde. Hinzu kommt, dass der Kläger nach eigener Darstellung seit etwa einem Jahr an keiner exilpolitischen Versammlung mehr teilgenommen hat (vgl. S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019). Abgesehen davon begründet infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 allein die Tatsache, dass sich äthiopische Asylbewerber in Deutschland exponiert (vgl. zu diesem Kriterium BayVGH, B.v. 14.11.2017 - 21 ZB 17.31340 - juris Rn. 2; B.v. 14.7.2015 - 21 ZB 15.30119 - juris Rn. 5; U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris Rn. 16) exilpolitisch betätigt haben, grundsätzlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgungsgefahr; eine Rückkehrgefährdung erscheint auf Basis der aktuellen Auskunftslage allenfalls noch in besonders gelagerten Ausnahmefällen denkbar (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30257 - noch nicht veröffentlicht; ebenso VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 64; ähnlich VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris Rn. 25; VG Ansbach, B.v. 11.10.2018 - AN 3 E 18.31175 - juris Rn. 36). Diese Einschätzung wird insbesondere dadurch belegt, dass inzwischen namhafte Vertreter der äthiopischen Exilopposition der Einladung des neuen Premierministers gefolgt und zurückgekehrt sind, um sich am politischen Diskurs in Äthiopien zu beteiligen (vgl. The Danish Immigration Service S. 5; BFA Länderinformationsblatt S. 5; SEM S. 15; vgl. eingehend hierzu oben Rn. 30).

Auch der Hinweis des Klägers auf regionale (ethnische) Konflikte rechtfertigt keine andere Einschätzung. Dass es in letzter Zeit nach ethnischen Auseinandersetzungen zu gewalttätigen Zusammenstößen von Oppositionsgruppen - insbesondere der OLF - mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach der Überzeugung das Bestreben der Regierung zugrunde, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Insoweit handelt es sich nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Der pauschale Einwand des Klägers, von dem gut aufgestellten äthiopischen National Intelligence and Security Service (NISS) werde niemand vergessen, weshalb eine Verfolgungsgefahr fortbestehe, solange aus politischen Gründen Festgenommene inhaftiert blieben, erweist sich als rein spekulativ. Es sind auch keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25). Auch wenn die sechsmonatige Frist zur Beantragung der Amnestie inzwischen abgelaufen ist, worauf der Kläger hinweist, ist angesichts des unter Abiy Ahmed eingeleiteten Dialogs zur Rückkehr und zum Dialog von Oppositionsangehörigen (vgl. oben Rn. 30) grundsätzlich nicht mit Verfolgungsmaßnahmen gegen im Ausland exilpolitisch tätig gewordenen Asylbewerbern zu rechnen.

c) Angesichts der in das Verfahren eingeführten und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. März 2018 eingeholten Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Auskünfte vom 7.2.2019 an den Verwaltungsgerichtshof bzw. das Verwaltungsgericht Dresden und Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018; BFA Länderinformationsblatt vom 8.1.2018; The Danish Immigration Service, September 2018) verfügt der Senat über die erforderliche Sachkunde, ohne dass es der Einholung weiterer Sachverständigengutachten oder Auskünfte bedurfte (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2000 - 9 B 518.99 - NVwZ 2000, Beilage Nr. 9, 99 = juris Rn. 12; B.v. 11.2.1999 - 9 B 381.98 - DVBl 1999, 1206 = juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2019 - OVG 3 B 27.17 - juris Rn. 45). Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hilfsweise gestellten Beweisantrag zu der behaupteten Tatsache, dass äthiopische Staatsangehörige, die in Deutschland für die EPPFG politisch aktiv und dies gerade in einer Leitungsfunktion sind oder dies gewesen sind, im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten festgenommen, für unbestimmte Zeit in Haft gehalten wurden und werden und ihnen durch äthiopische Sicherheitskräfte Misshandlungen und Folterungen drohen, musste deshalb nicht entsprochen werden.

Der Kläger hat auch nicht substanziiert dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung bessere oder andere Erkenntnisse bringen würde als die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Materialien (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2014 - 13a ZB 14.30073 - juris Rn. 8). Soweit er sich darauf beruft, die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017 an den Verwaltungsgerichtshof sei widersprüchlich bzw. unzureichend, weil sie auf das Schreiben vom 14. Juni 2018 verweise, in dem es die Rückkehrgefährdung einfacher Mitlieder exilpolitischer Organisationen nicht abschließend bewertet habe und sich mit der Aussage des Ad-hoc-Berichts vom 17. Oktober 2018, der eine Rückkehrgefährdung dieser Personen für möglich halte, nicht auseinandersetze, kann dem nicht gefolgt werden. Die daraus gezogene Schlussfolgerung des Klägers, es sei nicht hinreichend geklärt, wie sich die Verfolgungssituation von Oppositionellen in Äthiopien aktuell darstelle, teilt der Senat nicht. Die Aussagekraft der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, es sei nicht davon auszugehen, dass eine (einfache) Mitgliedschaft einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist bzw. einer ihr nahestehenden Organisation, bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. S. 2 des Schreibens an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019) wird nicht dadurch geschmälert, dass sich die Auskunftsbehörde nicht ausdrücklich mit ihren früheren, hiervon teilweise abweichenden Einschätzungen auseinandersetzt. Im Übrigen hat das Auswärtige Amt seine aktuelle Einschätzung in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Dresden vom 7. Februar 2019 bestätigt. Hiernach liegen dem Auswärtigen Amt, dessen Einschätzungen maßgeblich auf vor Ort gewonnenen Erkenntnissen der Auslandsvertretungen beruhen, keine Hinweise darauf vor, dass in jüngster Zeit Anhänger bzw. Unterstützer von der Terrorliste gestrichener oppositioneller Gruppierungen alleine aufgrund dieser Eigenschaft angeklagt oder angegriffen würden (vgl. AA, Auskunft vom 7.2.2019 an das Verwaltungsgericht Dresden, S. 2). Diese Bewertung steht auch im Einklang mit der Aussage des Dänischen Ministeriums für Immigration und Integration, wonach sich die Gesamtsituation für die Oppositionsparteien nach der Ernennung Abiy Ahmeds verbessert habe (vgl. The Danish Immigration Service S. 5); die letztgenannte Aussage beruht u.a. auf der Einschätzung der Britischen Botschaft, wonach Personen mit einer mutmaßlichen Verbindung zu Oppositionsgruppen nicht mehr festgenommen und die meisten politischen Gefangenen freigelassen würden (vgl. The Danish Immigration Service S. 23). Inwieweit die vom Kläger vorgelegte Veröffentlichung des SEM vom 16. Januar 2019 diesen u.a. auf Botschaftsinformationen beruhenden Lagebewertungen entgegenstünde, hat der Kläger nicht substanziiert dargelegt. Im Übrigen geht auch dieser Bericht davon aus, dass viele Oppositionsparteien - darunter Ginbot7 (vgl. SEM S. 16 f.) - inzwischen entkriminalisiert sind (vgl. SEM S. 33).

Im Übrigen trifft die in dem (bedingten) Beweisantrag aufgestellte Prämisse der Wahrnehmung einer „Leitungsfunktion“ für die EPPFG im Fall des Klägers - wie unter Rn. 41 bereits dargelegt - nicht zu, sodass sich die unter Beweis gestellte Tatsache als nicht entscheidungserheblich erweist. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es zudem, soweit sich der Beweisantrag - in Abweichung von dem für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) - auf die Behauptung der Festnahme und Inhaftierung in der Vergangenheit bezieht („wurden“).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass dem Kläger bei seiner Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht er selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass dem Kläger in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei dem Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die Stadt Desse, aus der der Kläger stammt und in der er sich bis Januar 2014 aufgehalten hat, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG U.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - NVwZ 2019, 61 Rn. 9 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht er weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Er ist seinen Angaben zufolge 25 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. In Deutschland ist er seit drei Jahren als Metallschweißer erwerbstätig und hat hieraus zuletzt einen Bruttoarbeitslohn von monatlich ca. 1.730 Euro erwirtschaftet. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass er über das für eine (bescheidene) Existenzgründung in Äthiopien notwendige Startkapital verfügt. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei dem Kläger ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben III.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die nach eigenen Angaben am ... Juli 1988 in W. geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige vom Volke der Gurage. Sie gab an, am 12. Januar 2013 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Am 16. Januar 2013 stellte sie einen Asylantrag.

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 8. April 2014 gab die Klägerin an, ihr Vater habe sich für die EPPF engagiert und sei von der Polizei festgenommen worden. Zur Finanzierung ihres eigenen Lebensunterhalts habe sie verschiedene Schreibtätigkeiten ausgeübt. Dabei habe sie unter anderem auch politische Schriftstücke auf ihrem Computer geschrieben oder kopiert und weitergegeben. Am 15. September 2012 sei sie von einem Freund ihres Vaters informiert worden, dass ihr Laden aufgebrochen und durchsucht worden sei. Sie sei daraufhin nicht nach Hause, sondern zu einer Kirche gelaufen. Am nächsten Morgen habe ihre Mutter ihr erzählt, dass Leute nach ihr gefragt hätten. Die Klägerin habe sich daraufhin vier Monate bei Freunden in Gurage versteckt und sei dann mithilfe eines Schleppers ausgereist.

In Deutschland sei sie exilpolitisch tätig. Seit dem 9. Februar 2013 sei sie Mitglied bei EPCOU und seit dem 1. Januar 2014 Mitglied der EPPF Germany. Sie nehme regelmäßig an Versammlungen und Demonstrationen dieser Organisationen teil. Zudem sei sie seit dem 14. September 2013 für EPCOU als Head of Media and Communication tätig sowie Executive Editor of M1. Magazine, eine Zeitschrift der EPCOU. In dieser Zeitschrift sowie in zwei anderen habe sie unter namentlicher Nennung auch Artikel veröffentlicht. Bei der EPPF Gemany sei sie Deputy Editor of Netsanet Le Ethiopia Radio und betätige sich bei diesem Internetradio auch als Nachrichtensprecherin.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde sie nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorlägen. Der Sachvortrag der Klägerin reiche nicht aus, um eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Die Klägerin habe keine plausiblen Angaben zur Gefährdung ihrer Person machen können. Auch der Verfolgungsakteur sei von der Klägerin nicht konkretisiert worden. Sie habe während der Anhörung immer wieder von Leuten erzählt, die ihren Laden durchsucht und ihre Mutter besucht hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, ob es sich bei den Verfolgern um private oder staatliche Personen gehandelt habe. Ferne führe das Vorbringen der Klägerin, sie sei Mitglied der EPPF und EPCOU in Deutschland, ebenso wenig wie die exilpolitische Betätigung der Klägerin zu einem Anspruch auf Flüchtlingsschutz oder Asyl. Im Falle der Klägerin bewege sich die exilpolitische Tätigkeit in dem Rahmen, den äthiopische Asylbewerber regelmäßig ausfüllten. Ihre vorgetragene Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen in Deutschland sowie Veröffentlichungen von Artikeln seien nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Die Klägerin sei allenfalls als politische Mitläuferin einzuschätzen. Sonstige Hinweise dafür, dass ihr Verhalten als gegen die äthiopische Regierung gerichtet aufgefasst werden könne und ihr daher Verfolgung drohe, seien nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes oder Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.

Die gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgerichts Würzburg mit Urteil vom 29. April 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden könne, da ihr Vorbringen nicht glaubhaft sei. Die Darstellung ihres individuellen Verfolgungsschicksals sei in wesentlichen Punkten oberflächlich, widersprüchlich und in sich unstimmig. Damit sei das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin in Äthiopien keiner politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeiten drohten der Klägerin ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen der äthiopischen Sicherheitskräfte. Zwar habe sie nachgewiesen, Mitglied der EPPFG und der EPCOU zu sein, diverse Versammlungen und Demonstrationen dieser Organisationen zu besuchen und Texte in Exilzeitschriften veröffentlicht zu haben. Auch sei sie in verschiedenen Funktionen bei diesen Organisationen tätig. Dennoch erweise sich die Klägerin nicht als exilpolitisch exponierte Person. Aufgrund ihrer Angaben zur ihren politischen Aktivitäten in der mündlichen Verhandlung zeige sich die Klägerin als weitgehend unpolitischer Mensch, der sich trotz der vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten dem äthiopischen Staat nicht als ernst zu nehmende Regimegegnerin gegenüberstehe. Die exilpolitischen Tätigkeiten der Klägerin bewegten sich vielmehr in dem Rahmen, den äthiopische Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Gerichts regelmäßig ausfüllten. Die Angaben der Klägerin ließen nicht darauf schließen, dass es sich bei ihren Posten und Tätigkeiten um real ausgefüllte Funktionen mit echtem politischem Profil jenseits einfacher Verwaltungs-, Koordinations- und Layout-Aufgaben handele. In ihrer Funktion als Bayer Media and communication head der EDFM sei die Klägerin bislang nicht oder jedenfalls kaum nach außen in Erscheinung getreten. Angesichts der inzwischen massenhaft stattfindenden exilpolitischen Veranstaltungen vermöge ihr all dies auch in der Gesamtschau keine exponierte Stellung im Vergleich zu anderen äthiopischen Asylsuchenden zu verschaffen. Nichts anderes gelte im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin als Executive Editor eine exilpolitischen Zeitung bzw. bezüglich der Veröffentlichung eigener Beiträge in dieser Zeitschrift. In diesem Gesamtkontext begründe auch die Tätigkeit der Klägerin beim Radio keine exponierte Stellung der Klägerin. Soweit die Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG und die Feststellung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehre, sei die Klage ebenfalls nicht begründet.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer durch Beschluss des Senats vom 31. Januar 2018 (Az. 8 ZB 16.30118) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vorverfolgt ausgereist zu sein. Jedenfalls drohe ihr aufgrund ihrer vielfältigen exilpolitischen Aktivitäten eine Verfolgung in ihrem Heimatland. Insoweit werde unter Vorlage von Nachweisen zur Betätigung bei der EDFM auf die bereits im Vor- als auch im Klageverfahren vorgelegten Nachweise zu den weiteren Tätigkeiten verwiesen. Das Verwaltungsgericht habe in seinem angefochtenen Urteil die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehende Gefährdung der Klägerin aufgrund ihrer langjährigen und umfangreichen exilpolitischen Aktivitäten vollkommen verkannt. Ungeachtet der Streichung von OLF, Ginbot7 und ONLF von der Terrorliste sei es noch zu keiner vollständigen Änderung bei der Verfolgung Oppositioneller gekommen. Tausende politische Gefangene befänden sich weiter in Haft; im September 2018 sei es wieder zu Massenverhaftungen gekommen. Die positiven Veränderungen unter Abiy Ahmed bzw. dessen Handlungen seien in der EPRDF äußerst umstritten. Das Nachgeben Abiy Ahmeds gegenüber der Opposition habe der nicht mehr beherrschbaren Situation in Äthiopien gegolten, ohne dass dieser zu einem vollständigen Umdenken in der EPRDF und insbesondere der TPLF geführt habe. Die Amnestieregelung sei hier nicht relevant, weil die sechsmonatige Antragsfrist inzwischen abgelaufen sei. Mit Blick auf ihren am 29. Mai 2016 geborenen Sohn sei zumindest festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Die Klägerin werde bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Möglichkeit haben, eine wirtschaftliche Existenzmöglichkeit zu erlangen sowie ihrem Sohn eine kindgerechte Versorgung zu gewährleisten. Ein familiäres Netzwerk sei eine wichtige Vorbedingung dafür, dass eine unverheiratete Äthiopierin ein eigenes Leben aufbauen und für sich selbst sorgen könne. Äthiopische Frauen hätten im Verhältnis zu äthiopischen Männern immer noch ein dreifaches Risiko einer Arbeitslosigkeit.

Die Klägerin beantragt,

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. April 2016 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 2016 verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; hilfsweise der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Durch Beschluss vom 26. März 2018 hat der Senat zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtiges Amt bzw. eines schriftlichen Gutachtens von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, unter anderem zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ablehnung der in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche im Bescheid des Bundesamts vom 1. Februar 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob der Klägerin die Ansprüche im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zustanden. Die Klägerin hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht der Klägerin nicht zu.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge ihrer exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob die Klägerin vor ihrer Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2013 aufgrund der Geschehnisse, die sie bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob sie deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu ihren Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Democratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1; „Focus Äthiopien - Der politische Umbruch 2018“ vom 16. Januar 2019 der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM [im Folgenden: SEM] S. 8 f). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6; SEM S. 7). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10; SEM S. 6).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 15; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 17, 19). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen (SEM S. 17). Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand und unterzeichnete am 21. Oktober 2018 ein Friedensabkommen mit der äthiopischen Regierung (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22; SEM S. 24 f.). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; SEM S. 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23; SEM S. 7).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihr angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für den Fall einer früheren eigenen Unterstützung der EPPF (Ethiopian People’s Patriotic Front) durch das Kopieren, Schreiben und die Weitergabe politischer Schriftstücke oder infolge der vorgetragenen Unterstützung der EPPF durch ihren Vater in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass die EPPF der Ginbot7 nahesteht (der Armeeflügel der EPPF wurde 2006 mit Ginbot7 verschmolzen, vgl. AA, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 2; im Jahr 2015 haben sich Ginbot7 und EPPF zum Bündnis „Arbegnoch - Ginbot7 for Unity and Democracy Movement (AGUDM)“ zusammengeschlossen, vgl. GIGA - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Stellungnahme vom 19.5.2018 an den Verwaltungsgerichtshof S. 5) und die Ginbot7 von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch die Klägerin trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei fünf Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; SEM S. 20). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien; vgl. auch SEM S. 21 f.).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.; SEM S. 30 ff.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20). Am 20. Dezember 2018 hat das äthiopische Repräsentantenhaus als Reaktion auf die ethnischen Konflikte zudem beschlossen, auf Bundesebene eine Kommission für Verwaltungsgrenzen und Identitätsfragen zu schaffen (vgl. SEM S. 32 f.).

cc) Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien sei trotz des politischen Umbruchs noch nicht stabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11; SEM S. 8 ff., 26), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“) und gegen ihn ein Putschversuch unternommen (vgl. SEM S. 29).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise der Klägerin aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung der Klägerin in Deutschland für die der Ginbot7 nahestehenden EPPFG bzw. der Nachfolgeorganisation EDFM (Ethiopian Democratic Forces Movement) infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter Rn.27 ff.) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der Ginbot7 von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie die Klägerin - (einfaches) Mitglied der EPCOU (Ethiopian Political and Civil Organization Union) sowie der EPPFG bzw. EDFM sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen oder andere Aktivitäten wie etwa als Editor, Bayer Media and Communication Head oder Nachrichtensprecherin oder auch durch regierungskritische Äußerungen oder Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften oder sonstigen Medien unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19). Hinzukommt, dass nach eigener Darstellung der Klägerin die Organisationen, für welche sie in Deutschland tätig war, seit etwa einem Jahr ihre Aktivitäten eingestellt haben, um den Wandel und den neuen Premierminister Abiy Ahmed zu unterstützen (vgl. S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019).

Abgesehen davon begründet infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 allein die Tatsache, dass sich äthiopische Asylbewerber in Deutschland exponiert (vgl. zu diesem Kriterium BayVGH, B.v. 14.11.2017 - 21 ZB 17.31340 - juris Rn. 2; B.v. 14.7.2015 - 21 ZB 15.30119 - juris Rn. 5; U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris Rn. 16) exilpolitisch betätigt haben, grundsätzlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgungsgefahr; eine Rückkehrgefährdung erscheint auf Basis der aktuellen Auskunftslage allenfalls noch in besonders gelagerten Ausnahmefällen denkbar (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30257 - noch nicht veröffentlicht; ebenso VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 64; ähnlich VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris Rn. 25; VG Ansbach, B.v. 11.10.2018 - AN 3 E 18.31175 - juris Rn. 36). Diese Einschätzung wird insbesondere dadurch belegt, dass inzwischen namhafte Vertreter der äthiopischen Exilopposition der Einladung des neuen Premierministers gefolgt und zurückgekehrt sind, um sich am politischen Diskurs in Äthiopien zu beteiligen (vgl. The Danish Immigration Service S. 5; BFA Länderinformationsblatt S. 5; SEM S. 15; vgl. eingehend hierzu oben Rn. 31).

Auch der Hinweis der Klägerin auf regionale (ethnische) Konflikte rechtfertigt keine andere Einschätzung. Dass es in letzter Zeit nach ethnischen Auseinandersetzungen zu gewalttätigen Zusammenstößen von Oppositionsgruppen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach der Überzeugung das Bestreben der Regierung zugrunde, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Insoweit handelt es sich nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Für die Annahme der Klägerin, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es ebenfalls keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25). Auch wenn die sechsmonatige Frist zur Beantragung der Amnestie inzwischen abgelaufen ist, worauf die Klägerin hinweist, ist angesichts des unter Abiy Ahmed eingeleiteten Dialogs zur Rückkehr und zum Dialog von Oppositionsangehörigen (vgl. oben unter I.2 a) aa)) grundsätzlich nicht mit Verfolgungsmaßnahmen gegen im Ausland exilpolitisch tätig gewordenen Asylbewerbern zu rechnen.

c) Angesichts der in das Verfahren eingeführten und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. März 2018 eingeholten Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Auskünfte vom 7.2.2019 an den Verwaltungsgerichtshof bzw. das Verwaltungsgericht Dresden und Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018, BFA Länderinformationsblatt vom 8.1.2018; The Danish Immigration Service, September 2018) verfügt der Senat über die erforderliche Sachkunde, ohne dass es der Einholung weiterer Sachverständigengutachten oder Auskünfte bedurfte (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2000 - 9 B 518.99 - NVwZ 2000, Beilage Nr. 9, 99 = juris Rn. 12; B.v. 11.2.1999 - 9 B 381.98 - DVBl 1999, 1206 = juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2019 - OVG 3 B 27.17 - juris Rn. 45). Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bedingt gestellten Beweisantrag zu der behaupteten Tatsache, dass äthiopische Staatsangehörige, die in Deutschland für die EPPFG sowie die EDFMS politisch aktiv und dies gerade in einer Leitungsfunktion sind oder dies gewesen sind, im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten festgenommen, für unbestimmte Zeit in Haft gehalten wurden und werden und ihnen durch äthiopische Sicherheitskräfte Misshandlungen und Folterungen drohen, musste deshalb nicht entsprochen werden.

Die Klägerin hat zudem nicht substanziiert dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung bessere oder andere Erkenntnisse bringen würde als die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Materialien (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2014 - 13a ZB 14.30073 - juris Rn. 8). Soweit sie sich darauf beruft, die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017 an den Verwaltungsgerichtshof sei widersprüchlich bzw. unzureichend, weil sie auf das Schreiben vom 14. Juni 2018 verweise, in dem es die Rückkehrgefährdung einfacher Mitlieder exilpolitischer Organisationen nicht abschließend bewertet habe und sich mit der Aussage des Ad-hoc-Berichts vom 17. Oktober 2018, der eine Rückkehrgefährdung dieser Personen für möglich halte, nicht auseinandersetze, kann dem nicht gefolgt werden. Die daraus gezogene Schlussfolgerung des Klägers, es sei nicht hinreichend geklärt, wie sich die Verfolgungssituation von Oppositionellen in Äthiopien aktuell darstelle, teilt der Senat nicht. Die Aussagekraft der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, es sei nicht davon auszugehen, dass eine (einfache) Mitgliedschaft einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist bzw. einer ihr nahestehenden Organisation, bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. S. 2 des Schreibens an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019) wird nicht dadurch geschmälert, dass sich die Auskunftsbehörde nicht ausdrücklich mit ihren früheren, hiervon teilweise abweichenden Einschätzungen, auseinandersetzt. Im Übrigen hat das Auswärtige Amt seine aktuelle Einschätzung in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Dresden vom 7. Februar 2019, die der Senat in der mündlichen Verhandlung ergänzend in das Verfahren eingeführt hat, bestätigt. Hiernach liegen dem Auswärtigen Amt, dessen Einschätzungen maßgeblich auf vor Ort gewonnenen Erkenntnissen der Auslandsvertretungen beruhen, keine Hinweise darauf vor, dass in jüngster Zeit Anhänger bzw. Unterstützer von der Terrorliste gestrichener oppositioneller Gruppierungen alleine aufgrund dieser Eigenschaft angeklagt oder angegriffen würden (vgl. S. 2 des Schreibens vom 7.2.2019 an das VG Dresden). Diese Bewertung steht auch im Einklang mit der Aussage des Dänischen Ministeriums für Immigration und Integration, wonach sich die Gesamtsituation für die Oppositionsparteien nach der Ernennung Abiy Ahmeds verbessert habe (vgl. The Danish Immigration Service S. 5); die letztgenannte Aussage beruht u.a. auf der Einschätzung der Britischen Botschaft, wonach Personen mit einer mutmaßlichen Verbindung zu Oppositionsgruppen nicht mehr festgenommen und die meisten politischen Gefangenen freigelassen würden (vgl. The Danish Immigration Service S. 23). Inwieweit die vom Kläger vorgelegte Veröffentlichung „Focus Äthiopien - Der politische Umbruch 2018“ vom 16. Januar 2019 der Schweizerischen Eidgenossenschaft diesen u.a. auf Botschaftsinformationen beruhenden Lagebewertungen entgegenstünde, hat der Kläger nicht substanziiert dargelegt. Im Übrigen geht auch dieser Bericht davon aus, dass viele Oppositionsparteien - darunter Ginbot7 (vgl. SEM S. 16 f.) - inzwischen entkriminalisiert sind (vgl. SEM S. 33).

Im Übrigen fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit, soweit sich der bedingte Beweisantrag - in Abweichung von dem für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) - auf die Behauptung der Festnahme und Inhaftierung in der Vergangenheit bezieht („wurden“).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass der Klägerin bei ihrer Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht sie selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass der Klägerin in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei der Klägerin, die keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die äthiopische Hauptstadt, wo sich die Klägerin zuletzt aufgehalten hat, bzw. für die Stadt Welkite, aus der sie stammt, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG U.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - NVwZ 2019, 61 Rn. 9 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich die Klägerin in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht sie weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Sie hat eine qualifizierte Schulausbildung von 12 Schuljahren genossen, ist 30 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. Sie hat in Addis Abeba vor ihrer Ausreise in einem eigenen Büro entgeltliche Schreibtätigkeiten ausgeführt und macht derzeit in Deutschland eine Ausbildung im Bereich Mediengestaltung. Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsmöglichkeit in Äthiopien, insbesondere in der Hauptstadt Addis Abeba, bestehen nicht. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin als ledige Mutter eines Kleinkindes nach Äthiopien zurückkehren würde. Das Auswärtige Amt hat in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Stuttgart vom 13. Juli 2017 ausgeführt, dass es möglich ist, dass eine alleinstehende Mutter in Äthiopien einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Auch nach Auskunftslage des BFA sind berufstätige Mütter in Addis Abeba an der Tagesordnung (Länderinformationsblatt S. 30). Da die Klägerin über eine gute Schulbildung sowie eine Berufsausbildung verfügt, hat sie im Vergleich zu anderen äthiopischen Frauen bessere Chancen auf eine Erwerbstätigkeit und ein höheres Gehalt, zumal beides nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes wie in Deutschland oft von Schul- bzw. Sekundarbildung abhängig ist (vgl. S. 1 des Schreibens vom 7.2.2019 an das VG Stuttgart). Im Übrigen leben nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019) ihre alleinstehende Mutter, ihr Bruder sowie noch eine Tante väterlicherseits in Äthiopien. Die Klägerin verfügt damit zum einen über Betreuungsmöglichkeiten für ihren Sohn sowie zum anderen über ein familiäres Netzwerk vor Ort, welches auch nach ihren eigenem Vortrag eine wichtige Vorbedingung dafür ist, als unverheiratete Frau ein eigenes Leben aufzubauen und für sich selbst sorgen zu können.

Vor diesem Hintergrund drängt sich keine Beweiserhebung auf. Dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag zu der behaupteten Tatsache, dass es einer äthiopischen Staatsangehörigen mit einem nichtehelichen Kind ohne familiäre Unterstützung oder Netzwerk unmöglich sei, ihr wirtschaftliches Existenzminimum durch eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen, war nicht weiter nachzugehen. Die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten sowie die von der Klägerin vorgelegten Erkenntnisquellen versetzen den Senat in die Lage, sich über das Beweisthema ein umfassendes Bild zu verschaffen sowie eine hinreichend sichere Beurteilung der aufgeworfenen Frage (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2013 - 10 B 34.12 - NVwZ-RR, 620 ff.). Das Gericht verfügt insofern über genügend eigene Sachkunde. Ferner hat die Klägerin nicht substanziiert dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse bringen würde als die, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.

Insofern sind weder unter Zugrundelegung der landesweiten Lebensverhältnisse in Äthiopien noch bei Berücksichtigung der persönlichen Situation der Klägerin die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben Rn. 55).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. August 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und hilfsweise die Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes.

1. Der Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger und gehört dem Volksstamm der Oromo an. Bis zu seiner Ausreise lebte er in seinem Heimatland in der Stadt Robe, die er nach seiner Einlassung am 10. September 2013 verließ. Danach hielt er sich zunächst im Sudan und in Libyen auf und gelangte am 30. April 2015 auf dem Landweg über Italien und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland, wo er am 3. Mai 2015 Asyl beantragte.

Bei seiner persönlichen Anhörung zu seinem Verfolgungsschicksal beim Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) am 3. Februar 2017 gab der Kläger an, er sei bei der Ausreise 16 Jahre alt gewesen. Papiere besitze er nicht. Seine Familie habe in Robe ein Hotel betrieben, wovon seine Mutter heute noch lebe. Er habe sich bis zur Ausreise dort aufgehalten. Im Heimatland lebten außerdem ein Bruder, zwei Schwestern, zwei Onkel und eine Tante; sein Vater sei verstorben. Er sei Schüler gewesen und habe seinen Eltern geholfen. Die Schule habe er bis zur achten Klasse besucht und diese mit 16 Jahren ohne einen Abschluss verlassen.

Am 3. Juni 2013 hätten sie gegen den äthiopischen Masterplan und gegen die Ungerechtigkeit demonstriert. Es sei auf dieser Demonstration ganz vorne dabei gewesen und habe ein Plakat getragen sowie ein Gedicht vorgelesen. Am nächsten Tag seien Polizisten in die Schule gekommen und hätten sie festgenommen, weil auf der Demonstration Bilder und Videoaufzeichnungen von ihnen gemacht worden seien. Man habe sie zum Gefängnis gebracht und dort einen Monat lang eingesperrt. Im Gefängnis sei er drei Tage lang in der Nacht geschlagen worden. Man habe ihm Zähne ausgeschlagen und er habe nur wenig zu essen erhalten. Er sei wieder frei gekommen, weil sein Onkel unterschrieben habe, dass er ihn bei Bedarf wieder zum Gefängnis zurückbringen werde. Er habe eine Ladung für den 11. Juni 2013 erhalten. Als er hingegangen sei, habe man ihn zu dem Gedicht und dem Plakat befragt. Am 2. August 2013 habe man ihn mit einem Gefangenentransport zu einem großen Gefängnis bringen wollen. Es sei ein Markttag gewesen. Er habe vom Auto herunterspringen und in der Menge auf dem Markt verschwinden können. Er sei zu Fuß zu einem anderen Dorf gelaufen und habe sich dort versteckt. Als er seine Mutter angerufen habe, habe diese berichtet, dass jeden Tag Polizisten kämen und nach ihm suchten. Sie seien bei dem Telefonat zu dem Entschluss gekommen, dass eine Rückkehr zu gefährlich sei und er besser Äthiopien verlassen sollte. Die Polizisten hätten seine Mutter geschlagen, um sie zum Verrat seines Aufenthaltsorts zu zwingen. Man habe ihr angedroht, ihr das Hotel wegzunehmen.

Auf die Frage, wann er aus dem Gefängnis frei gekommen sei, nannte der Kläger das Datum 3. August 2013. Als er aufgefordert wurde, die Reihenfolge der Ereignisse mit dem jeweiligen Datum auf einem Zettel zu notieren, gab er an, er sei am 3. Juni 2013 verhaftet worden. Am 21. Juni 2013 sei er freigekommen. Er habe für drei Termine Ladungen erhalten, nämlich für den 20., 21.und 28. August 2013. Er habe alle drei Termine wahrgenommen. Auf Nachfrage, warum er zunächst den 11. Juni als Ladungstermin angegeben habe, erklärte der Kläger, man habe ihm vier Termine gegeben. Der 11. Juni stimme auch. Nach der Freilassung aus dem Gefängnis sei gegen ihn ein Schulverbot erlassen worden; er habe sich bei seiner Mutter aufgehalten. Auf die Frage, wie es komme, dass er am 2. August mit einem Gefangenentransport habe verlegt werden sollen, obwohl er an diesem Tag nicht im Gefängnis gewesen sei, erklärte er, er sei an diesem Tag nicht im Gefängnis gewesen, sondern habe von der Polizei dorthin gebracht werden sollen. Darauf hingewiesen, dass er das bisher nicht geschildert habe und dass er darstellen solle, wie es zu einer erneuten Festnahme gekommen sei, gab der Kläger an, er sei nur einmal festgenommen worden. Das Datum 2. August 2013 sei von ihm falsch angegeben worden, richtig sei der 29. August 2013. An diesem Tag seien sie morgens um 7:00 Uhr herausgefahren. Ungefähr 30 Minuten später sei er von dem Auto, einem Isuzu Pickup, der hinten offen gewesen sei, abgesprungen. Es seien viele Gefangene gewesen. Dem Wagen sei ein anderes Polizeiauto gefolgt, um die Gefangenen zu bewachen. Er sei abgesprungen und in die Menschenmenge hineingelaufen. Auf die Frage, wie es komme, dass er am 29. August im Gefängnis gewesen sei, erklärte der Kläger, er sei am 28. August bei dem Termin im Gefängnis gewesen. Dort sei er festgenommen worden. Wie lange er sich nach seiner Flucht in dem Dorf aufgehalten habe, könne er nicht angeben, weil er unter Stress gestanden habe. Er habe sich bei Menschen versteckt und von diesen Essen erhalten. Seine Mutter habe ihnen Geld für den Weg in den Sudan gegeben. Dort sei ihm das Geld ausgegangen, aber andere Mitflüchtlinge und der Schleuser hätten ihn finanziell unterstützt, sodass er weiter gekommen sei. Der Schleuser habe von den anderen Flüchtlingen Geld für ihn verlangt, weil er der jüngste unter den Flüchtlingen gewesen sei.

Im Fall einer Rückkehr erwarte er, ins Gefängnis zu kommen oder getötet zu werden. In Deutschland engagiere er sich exilpolitisch für die Sache des Oromo-Volkes. Hierzu übergab er eine Mitgliedsbescheinigung der TBOJ/UOSG (Tokkummaa Barattoota Oromoo Biyyaa Jarmanii/Union of Oromo-Students in Europe, German Branch) und drei Fotos von einer Demonstration.

2. Mit Bescheid vom 21. März 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde er nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, das Vorbringen des Klägers zu seinen Vorfluchtgründen sei aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben nicht glaubhaft. Eine Gefährdung wegen der exilpolitischen Tätigkeit sei aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung nicht zu befürchten.

3. Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben und einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG, weiter hilfsweise auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat der Klage mit Urteil vom 29. August 2017 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 21. März 2017 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger vorverfolgt ausgereist sei. Ungeachtet des Vorfluchtgeschehens drohten diesem im Falle der Rückkehr jedenfalls aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit an seine politische Überzeugung anknüpfende staatliche Verfolgungshandlungen. Nach der aktuellen Erkenntnislage melde der äthiopische Sicherheitsdienst unterschiedslos sämtliche von ihm beobachtete oppositionelle Tätigkeiten im Ausland, ohne zwischen bloßen Mitläufern und herausgehobenen Personen zu differenzieren. Damit bestehe nunmehr auch für äthiopische Staatsangehörige, die sich zu vom äthiopischen Staat als terroristisch eingestuften Organisationen oder zu einer Exilorganisation, die einer solchen Organisation nahe stehe, bekennen würden und ein Mindestmaß an Aktivität im Rahmen dieser Organisationen vorweisen könnten, eine konkrete Gefahr bei einer Rückführung nach Äthiopien.

4. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. November 2017 (Az. 21 ZB 17.31340) zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die Quellenlage trage weiterhin nicht den Schluss, dass im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG wegen Nachfluchtaktivitäten der Art zu befürchten sei, die der Kläger praktiziere. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für einen Anspruch auf unionsrechtlichen subsidiären Schutz oder auf das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot. Sonstige Gründe, die zu einer Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids führen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. August 2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung gibt er an, er habe einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Wie verschiedene vorgelegte Fotografien und Bescheinigungen belegten, habe er seine exilpolitische Betätigung für die TBOJ/UOSG weiterhin fortgesetzt. Auch einfachen aktiven Mitgliedern dieser Organisation drohe bei Rückkehr nach Äthiopien asylrelevante Verfolgung. Die aktuelle innenpolitische Lage in Äthiopien bleibe auch nach der Ernennung des Oromo Abyi Ahmed zum Premierminister unübersichtlich und volatil. Oromische Flüchtlinge, die in Deutschland politisch für die OLF (TBOJ/UOSG) aktiv gewesen seien, würden als potentielle mutmaßliche Unterstützer einer separatistischen Bewegung angesehen werden, die die Existenz des Staates Äthiopien bedrohten. Diese Gesinnung würde ihnen unterstellt werden, weil sie nicht direkt nach der Ernennung von Abyi Ahmed zum Premier nach Äthiopien zurückgekehrt seien. Sie würden mit Sicherheit früher oder später festgenommen, für unbestimmte Zeit inhaftiert und misshandelt werden. Da der Kläger vorverfolgt ausgereist sei, bestehe eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Verfolgungshandlungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen würden. Stichhaltige Gründe, die diese Vermutung entkräften könnten, lägen angesichts der aktuellen politischen Situation in Äthiopien nicht vor. Schon aufgrund der Vorverfolgung, zumindest aber wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten, sei dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. März 2018 zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. eines schriftlichen Gutachtens von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe unter anderem zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom 21. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob dem Kläger im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zustand. Er hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht dem Kläger nicht zu. Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass dem Kläger aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2013 aufgrund der Geschehnisse, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob er deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu seinen Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Demokratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen. Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für ..., Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihm angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit und Flucht noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Fall einer früheren Unterstützung der OLF durch die Teilnahme an einer Demonstration in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass auch die OLF von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch der Kläger trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle seiner Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei 5 Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20).

cc) Soweit der Kläger geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien bleibe trotz der Änderung der politischen Verhältnisse unübersichtlich und instabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise des Klägers aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung des Klägers in Deutschland für die der OLF nahestehenden TBOJ/UOSG infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter I.2. a) aa) und bb)) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der OLF von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker der OLF, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie der Kläger - (einfaches) Mitglied der TBOJ/UOSG sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an einer oder an mehreren Demonstrationen oder Versammlungen unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

Soweit der Kläger die Befürchtung geäußert hat, dass alle Angehörigen der oromischen Opposition wegen einer vom Staat unterstellten separatistischen Haltung in Äthiopien weiterhin verfolgt würden, entbehrt dies jeder Grundlage. Richtig ist zwar, dass die OLF in der Vergangenheit für die Unabhängigkeit der Region Oromia, der bevölkerungsreichsten Region Äthiopiens mit ungefähr 35 Prozent der Einwohner, gekämpft hat und zumindest ein Teil ihrer Anhänger diese wohl auch heute noch anstrebt (vgl. The Danish Immigration Service S. 15, 20). Trotz der separatistischen Bestrebungen wurde die OLF aber von der Terrorliste gestrichen und von der Regierung eingeladen, zum Dialog nach Äthiopien zurückzukehren. Diesem Aufruf sind führende Mitglieder der OLF wie Jawar Mohammed aus dem Exil in den USA und Dawud Ibsa aus dem Exil in Eritrea gefolgt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). Allein dies spricht gegen die Besorgnis des Klägers.

Die Ursache dafür, dass sich in letzter Zeit der Konflikt zwischen Regierung und OLF verschärft hat und es nach ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Oromo und ethnischen Minderheiten zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach Überzeugung des Senats nicht in den separatistischen Bestrebungen der OLF begründet, sondern in dem Umstand, dass militante Teile der OLF entgegen ihrer Ankündigung ihre Ziele teilweise weiterhin mit Waffengewalt verfolgen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 18). So hat etwa der äthiopische Sender Fana berichtet, die Einsatzkräfte der Regierung hätten nach einer Militäroffensive im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 über 800 militante Mitglieder der OLF inhaftiert (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Der Regierung geht es nach aktueller Auskunftslage mit ihren Einsätzen vor allem darum, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Auch insoweit handelt es sich aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Oromo, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Auch für die Annahme des Klägers, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass dem Kläger bei seiner Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht er selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass dem Kläger in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei dem Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die Stadt Robe, aus der der Kläger stammt und in der er sich zuletzt aufgehalten hat, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht er weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Er ist seinen Angaben zufolge 23 Jahre alt und hat seine Schulausbildung in Deutschland fortgesetzt. Er ist gesund und arbeitsfähig. Seine Mutter betreibt in Robe ein Hotel, in dem er bereits vor seiner Ausreise mitgeholfen hat. Auch sein Bruder und eine Schwester leben dort. Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsmöglichkeit in Äthiopien bestehen nicht. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei dem Kläger ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben III.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und hilfsweise die Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes.

1. Die am ... 1985 in Addis Abeba geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige oromischer Volkszugehörigkeit. Sie reiste nach eigenen Angaben am 31. März 2012 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2012 einen Asylantrag.

Bei ihrer persönlichen Anhörung zu ihrem Verfolgungsschicksal vor dem Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) am 26. Juni 2012 gab die Klägerin an, sie sei in Äthiopien für die Organisation der ONEG (= amharischer Name für die Organisation der OLF - Oromo Liberation Front) tätig gewesen. Sie habe im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters gearbeitet und zusätzlich einen Musikladen betrieben. Ihre Eltern hätten die ONEG unterstützt. Ihr Vater sei von der Polizei im Jahr 2005 von zu Hause abgeholt worden und seitdem verschwunden, ihre Mutter sei 2009 verstorben. Wegen der Unterstützung der ONEG sei ihr Musikladen zwei- bis dreimal ohne Grund geschlossen worden. Sie habe in ihrem Musikgeschäft Propagandamaterial mit politischen Reden der ONEG vervielfältigt. Im Januar 2012 habe sie von einem Freund ihres Vaters telefonische Nachricht bekommen, dass die Person, die ihr Demo-Tapes zur Vervielfältigung gebracht habe, unterwegs von Sicherheitskräften aufgehalten worden sei. Sie sei daraufhin zu einem Kirchenmann geflohen. Nachdem sie erfahren habe, dass der Mann, der ihr die Demo-Tapes übergeben habe, erwischt worden sei, ihr Geschäft gestürmt worden sei und ihre Mitarbeiter inhaftiert worden seien, sei sie am 31. März 2012 ausgereist.

Mit Schreiben vom 21. September 2012 trug die Klägerin unter Vorlage entsprechender Bestätigungen der Exilorganisation TBOJ/UOSG (Tokkummaa Barattoota Oromoo Biyyaa Jarmanii/Union of Oromo-Students in Europe, German Branch) vor, sie sei seit 10. Juni 2012 Mitglied dieser Organisation. Diese sei politisch eng mit der OLF verbunden, welche die Befreiung Oromias von der jahrhundertelangen kolonialen Herrschaft der Abessinen (Amhara-Tigre) zum Ziel habe. Sie habe dort an mehreren Veranstaltungen teilgenommen. Mit Schreiben vom 7. Juni 2015 legte sie eine weitere Bestätigung der TBOJ/UOSG über verschiedene Tätigkeiten für diese Organisation vor, darunter die fotografische Dokumentation einer Demonstration, die Vorbereitung der Verpflegung und die Bedienung von Gästen im Laufe von Veranstaltungen, die Tätigkeit als „Kulturbotschafterin“ für die Organisation und die Teilnahme an einer Kulturveranstaltung als Tänzerin. Mit Schreiben vom 8. Juli 2015 gab sie an, sie habe zudem im November 2012, April 2013 und Dezember 2013 drei Artikel im Bulletin der TBOJ/UOSG publiziert.

2. Mit Bescheid vom 11. September 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde sie nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, das Vorbringen der Klägerin sei infolge mangelnder Konkretheit nicht glaubhaft. Die Klägerin sei über alle Details hinweggegangen, wie sie ihre Ausreise geplant und einen Schleuser gefunden haben wole und mit welchen Papieren sie genau ausgereist sei. Auch werde in einer Auskunft der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt/Main vom 18. September 2014 ausführlich dargelegt, dass eine Einreise, wie sie von der Klägerin behauptet werde, nicht der Wahrheit entsprechen könne. Sie habe auch nicht glaubhaft machen können, dass sie aufgrund der Aktivitäten ihrer Eltern einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt gewesen sei. Die von der Klägerin behaupteten eigenen Aktivitäten für die ONEG führten für sich genommen nicht zu politischen Verfolgungsmaßnahmen. Zu der angeblichen Vervielfältigung von oppositionspolitischem Material habe sie keine detaillierten Angaben machen können. Die politische Betätigung der Klägerin in Deutschland gehe nicht über ein bloßes „Mitläufertum“ hinaus. Die vorgelegten Belege zeigten, dass sie mehr oder weniger regelmäßig an Veranstaltungen der TBOJ/UOSG teilgenommen habe, ohne dass dies als herausragende Betätigung angesehen werden könne. Seit dem Jahr 2013 hätten ihre Aktivitäten deutlich abgenommen. Dies lasse erkennen, dass ihren Aktivitäten keine tiefe Überzeugung zugrunde läge, sondern sie wohl aus asyltaktischen Motiven heraus tätig geworden sei. Die drei regimekritischen Artikel in einer äthiopischen Exilzeitschrift seien zu wenig bedeutsam, als dass die äthiopischen Behörden die Klägerin als ernsthafte politische Gegnerin einstuften. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass ihr Verhalten als gegen die äthiopische Regierung gerichtet aufgefasst werden könnte und ihr daher asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, seien nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes oder Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.

3. Die gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgerichts Bayreuth mit Urteil vom 12. Januar 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte lägen nicht vor. Sie habe die behauptete Einreise auf dem Luftweg nicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachweisen können. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe ebenfalls nicht. Die Darstellungen der Klägerin zu ihrer Vorverfolgung im Heimatland wirkten unglaubhaft. Nicht nachvollziehbar erscheine insbesondere, dass ihr Vater bereits im Jahr 2005 festgenommen worden sei, während sie ihren Musikladen sowie das Geschäft ihres Vaters bis Januar 2012 im Wesentlichen unbehelligt habe weiterführen können und dabei sogar die ONEG durch das Vervielfältigen von Demo-Tapes unterstützt haben will. Unglaubhaft erscheine auch der Vortrag zu den Geschehnissen im Jahr 2012. Der Vortrag bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt sei allgemein und pauschal gewesen. Soweit die Klägerin konkreten Vortrag in der Klagebegründung nachgeholt habe, sei nicht nachvollziehbar, warum dies nicht bereits bei ihrer Anhörung geschehen sei. Aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Heimatland nicht vorverfolgt verlassen habe.

Wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeiten müsse die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland ebenfalls nicht mit Verfolgungsmaßnahmen der äthiopischen Sicherheitskräfte rechnen. Zwar habe sie vorgetragen, an zahlreichen Demonstrationen und ähnlichen Veranstaltungen teilgenommen und Beiträge in exilpolitischen Zeitschriften verfasst zu haben, Mitglied der TBOJ/UOSG zu sein und besondere Tätigkeiten im Rahmen von Veranstaltungen erbracht zu haben. Auch sei den Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora genau beobachte. Es sei aber davon auszugehen, dass nur Personen, die sich exponiert politisch betätigt hätten, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätten. Die in Deutschland agierende exilpolitische Szene zersplitterte sich immer mehr. Inzwischen existierten mindestens acht exilpolitische Gruppierungen. Angesichts dieser Vielzahl von Exilorganisationen sei für die Annahme einer exponierten Stellung eine Tätigkeit im Bundesvorstand erforderlich. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder würden von der äthiopischen Regierung nicht registriert, da den Behörden hierzu die erforderlichen Ressourcen fehlten. Die Klägerin habe als Kulturbotschafterin, Fotografin, Tänzerin und Hilfskraft bei verschiedenen Veranstaltungen keine hohe Position innerhalb der TBOJ/UOSG inne. Sie hebe sich nicht vom Kreis der bloßen Mitläufer ab und komme für den äthiopischen Staat nicht als mögliche ernsthafte Oppositionelle infrage. Die Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften ließen sich ebenfalls nicht als herausgehobene Tätigkeit einstufen, zumal Artikel mit regimefeindlichem Inhalt regelmäßig von fast allen äthiopischen Asylbewerbern veröffentlicht würden. In der Zusammenschau mit ihrer nicht glaubhaften Fluchtgeschichte sei das Gericht deshalb davon überzeugt, dass die Klägerin bei der Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsse, wegen ihrer exilpolitischen Aktivitäten in asylrelevanter Weise belangt zu werden.

Soweit die Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG und die Feststellung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehre, sei die Klage ebenfalls nicht begründet. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Keine Bedenken bestünden auch hinsichtlich Nrn. 5 und 6 des angefochtenen Bescheids.

4. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer durch Beschluss des Senats vom 29. Januar 2018 (Az. 8 ZB 16.30030) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:

Der Vortrag der Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt sei hinreichend schlüssig und detailliert gewesen. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht würden den klägerischen Vortrag zu Unrecht an dem Idealtypus des abendländischen aufgeklärten, rational handelnden politischen Akteurs messen. Bei der Frage, wie detailliert die Klägerin ihre Ereignisse schildere, komme es nach der Rechtsprechung auch auf entsprechende Nachfragen an. Es könne nicht verlangt werden, dass der Asylsuchende über eine nachvollziehbare und zusammenhängende Schilderung seines Verfolgungsschicksals hinaus beliebig wahllos Einzelheiten nenne, nach denen er vom Entscheider nicht gefragt werde. Die Klägerin müsse allein wegen der früheren Tätigkeit ihres Vaters für die OLF im Fall ihrer Rückkehr mit erneuter Haft für unbestimmte Zeit rechnen. Erst recht gelte dies im Hinblick auf ihre eigene Arbeit für diese Organisation. Wegen ihrer Mitgliedschaft bei der TBOJ/UOSG und ihrer exilpolitischen Tätigkeit für diese Organisation drohe im Fall ihrer Rückkehr mindestens Haft für unbestimmte Zeit. Dies gelte schon im Hinblick auf die von ihr im eigenen Namen publizierten Beiträge in einer regierungskritischen Zeitschrift. Die äthiopische Regierung und ihre Behörden beobachteten und registrierten die Exilopposition und ihre Mitglieder in Deutschland genau. Exilpolitisch tätige Oromos und Angehörige der TBOJ/UOSG müssten mit Verfolgung rechnen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Januar 2016 und unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 11. September 2015 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihr subsidiären Schutz zuzusprechen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bestehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. März 2018 zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. eines schriftlichen Gutachtens von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe unter anderem zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ablehnung der in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche im Bescheid des Bundesamts vom 11. September 2015 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob der Klägerin die Ansprüche im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zustanden. Die Klägerin hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht der Klägerin nicht zu.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge ihrer exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob die Klägerin vor ihrer Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2012 aufgrund der Geschehnisse, die sie bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob sie deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu ihren Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Demokratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen. Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für ..., Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihr angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für den Fall einer früheren Unterstützung der OLF durch die Vervielfältigung oppositionspolitischer Reden oder infolge der vorgetragenen Unterstützung der OLF durch ihre Eltern in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass auch die OLF von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch die Klägerin trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei 5 Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20).

cc) Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien bleibe trotz der Änderung der politischen Verhältnisse unübersichtlich und instabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise der Klägerin aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung der Klägerin in Deutschland für die der OLF nahestehenden TBOJ/UOSG infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter I.2. a) aa) und bb)) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der OLF von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker der OLF, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie die Klägerin - (einfaches) Mitglied der TBOJ/UOSG sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an einer oder an mehreren Demonstrationen oder Versammlungen oder durch andere Unterstützeraktivitäten für diese Organisation wie Tätigkeit als Tänzerin und „Kulturbotschafterin“ oder auch durch regierungskritische Äußerungen oder Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften oder sonstigen Medien unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Befürchtung geäußert hat, dass alle Angehörigen der oromischen Opposition wegen einer vom Staat unterstellten separatistischen Haltung in Äthiopien weiterhin verfolgt würden, entbehrt dies jeder Grundlage. Richtig ist zwar, dass die OLF in der Vergangenheit für die Unabhängigkeit der Region Oromia, der bevölkerungsreichsten Region Äthiopiens mit ungefähr 35 Prozent der Einwohner, gekämpft hat und zumindest ein Teil ihrer Anhänger diese wohl auch heute noch anstrebt (vgl. The Danish Immigration Service S. 15, 20). Trotz der separatistischen Bestrebungen wurde die OLF aber von der Terrorliste gestrichen und von der Regierung eingeladen, zum Dialog nach Äthiopien zurückzukehren. Diesem Aufruf sind führende Mitglieder der OLF wie Jawar Mohammed aus dem Exil in den USA und Dawud Ibsa aus dem Exil in Eritrea gefolgt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). Allein dies spricht gegen die Besorgnis der Klägerin.

Die Ursache dafür, dass sich in letzter Zeit der Konflikt zwischen Regierung und OLF verschärft hat und es nach ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Oromo und ethnischen Minderheiten zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach Überzeugung des Senats nicht in den separatistischen Bestrebungen der OLF begründet, sondern in dem Umstand, dass militante Teile der OLF entgegen ihrer Ankündigung ihre Ziele teilweise weiterhin mit Waffengewalt verfolgen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 18). So hat etwa der äthiopische Sender Fana berichtet, die Einsatzkräfte der Regierung hätten nach einer Militäroffensive im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 über 800 militante Mitglieder der OLF inhaftiert (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Der Regierung geht es nach aktueller Auskunftslage mit ihren Einsätzen vor allem darum, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Auch insoweit handelt es sich aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Oromo, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Auch für die Annahme der Klägerin, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass der Klägerin bei ihrer Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht sie selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass der Klägerin in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei der Klägerin, die keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die äthiopische Hauptstadt, aus der die Klägerin stammt und in der sie sich zuletzt aufgehalten hat, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich die Klägerin in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht sie weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Sie hat eine qualifizierte Schulausbildung und ist 33 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. Sie hat in Addis Abeba vor ihrer Ausreise ein Musikgeschäft betrieben und arbeitet nach eigenen Angaben auch derzeit in Deutschland. Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsmöglichkeit in Äthiopien, insbesondere in der Hauptstadt Addis Abeba, bestehen nicht. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben III.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Folgeverfahren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsschutz.

Der am 15. November 1989 geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger vom Volk der Oromo. Vor seiner Ausreise lebte er in A. Ab. (Yeka), wo er als Berufssportler aktiv war. Er reiste am 8. August 2010 mit einem Schengen-Visum auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein. Seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 14. Februar 2011 ab; zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit rechtskräftigem Urteil vom 22. November 2012 ab.

Am 19. Juni 2013 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag, den er im Wesentlichen auf exilpolitische Aktivitäten für die UOSG stützte. Am 16. Februar 2013 sei er in den Bundesvorstand der UOSG gewählt worden und dort als Schatzmeister aktiv. Er wirke weiterhin an Protest- und Informationsveranstaltungen der oromischen Exilopposition mit; in der Ausgabe der UOSG-Zeitschrift „B. Bi.“ vom April 2013 habe er einen regimekritischen Beitrag verfasst. Mit dem Folgeantrag wurden diverse Unterlagen vorgelegt, darunter Mitgliedsbestätigungen der TBOJ/UOSG vom 28. März 2013 sowie der Oromo Liberation Front (OLF - Foreign Affairs Department/European Regional Office) vom 14. November 2011 und 4. März 2013, ein Auszug aus der April-Ausgabe der Zeitschrift „B. Bi.“, eine Stellungnahme des Dr. T1. T2. vom 3. Mai 2013 und ein Schreiben der „Oromia Support Group Australia“ vom 20. März 2013. Bei seiner informatorischen Anhörung am 30. Oktober 2013 durch das Bundesamt gab der Kläger an, seit Ende 2011 in den Vorstand der UOSG gewählt worden zu sein, regelmäßig an Versammlungen teilzunehmen und eine Demonstration in Würzburg 2013 mitorganisiert zu haben.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) bzw. subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde er nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens seien zwar gegeben. Der Antragsteller habe sich seit Abschluss des Erstverfahrens am 6. März 2013 aber weiterhin nicht nennenswert exilpolitisch betätigt. Seit über zwei Jahren habe er keinerlei exilpolitische Aktivitäten unternommen; seine Tätigkeit als Kassierer der UOSG habe er nicht näher konkretisiert. Das Gutachten des Dr. T2., den der Kläger nicht persönlich kenne, enthalte nur allgemeine Feststellungen zur Lage in Äthiopien; das Gleiche gelte für die Bescheinigung aus Australien. Der angeblich vom Kläger verfasste Artikel belege keine überzeugte Regimegegnerschaft, sondern sei ein Massenphänomen, um eine Regimefeindlichkeit für das Asylverfahren nach außen zu dokumentieren.

Mit seiner beim Verwaltungsgericht Bayreuth erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung dieses Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, subsidiären Schutz zu gewähren und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG vorliegen. Im erstinstanzlichen Klageverfahren ließ er vortragen, das Bundesamt sei irrig davon ausgegangen, er habe zu seinen weiteren exilpolitischen Tätigkeiten nichts vorgetragen. Seine Funktion als Schatzmeister im Bundesvorstand der UOSG habe er im Mai 2016 aus Zeitgründen aufgegeben; seitdem sei er als Redakteur (Leiter des Editorial-Teams) der Zeitschrift „B. Bi.“ tätig. In der Mai-Ausgabe 2016 sei sein Beitrag über den Protest der Oromo gegen die Diktatur in Äthiopien veröffentlicht worden. Den europaweiten Kongress der UOSG zum Märtyrertag am 9. Januar 2016 in Nürnberg habe er vorbereitet und mit geleitet. Laut einer Bestätigung der TBOJ/UOSG vom 6. August 2016 hat sich der Kläger seit April 2014 an der Organisation mehrerer (Protest-)Veranstaltungen beteiligt; zudem wurde ihm darin die aktive Teilnahme an diversen weiteren exilpolitischen Veranstaltungen bescheinigt.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die Klage mit Urteil vom 11. August 2016 abgewiesen. Der Kläger sei nicht als exponierter, ernsthafter Oppositionsangehöriger anzusehen. Die bis Mai 2016 ausgeübte Tätigkeit im Vorstand der UOSG und seine Redaktionstätigkeit und Veröffentlichungen im Magazin „B. Bi.“ ließen kein eigenständiges exilpolitisches Profil als ernsthafter Oppositioneller erkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil mit Beschluss vom 29. Januar 2018 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Durch Beschluss vom 26. März 2018 hat der Senat zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. schriftlicher Gutachten von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerische Flüchtlingshilfe.

Mit der Berufung beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. August 2016 sowie unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise ihm subsidiären Schutz zuzusprechen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG bestehen.

Zur Begründung wird ausgeführt: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, exilpolitische Aktivitäten könnten nur dann eine (beachtliche) Verfolgungsgefahr begründen, wenn sie ein eigenständiges politisches Profil aufwiesen und der Betroffene somit als ernsthafter Oppositioneller anzusehen sei, treffe nicht zu. Die These, der äthiopische Staat überziehe nur tatsächlich überzeugte Akteure (vermeintlich) oppositioneller Handlungen mit Verfolgung, sei nicht belegt. Die Praxis der äthiopischen Sicherheitsbehörden zeige vielmehr, dass der bloße, nicht verifizierte Schein oder die bloße Unterstellung ausreichten, um Verfolgungsmaßnahmen auszulösen. Die innenpolitische Lage Äthiopiens habe sich seit der Wahl Abiy Ahmeds zwar erheblich verändert. Die Einladung des Ministerpräsidenten an die Oppositionsgruppen zur Rückkehr und Zusammenarbeit sowie die Aufhebung des Terrorismusverdikts für OLF und Ginbot7 bedeute aber keine Entwarnung für im Exil tätige Unterstützer der oromischen Bewegung. Die Oromos und deren Vertreter seien keine Einheit; neben den eher wenigen kooperativ und föderalistisch orientierten Politikern sei die Mehrheit der oromischen Aktivisten militant. Letztere seien vom Angebot zur Zusammenarbeit mit der Regierung Abiy Ahmeds ausgenommen; gegen sie würden Massenverhaftungen, „Brainwashing“ oder militärisches Vorgehen weiterhin angewandt. Aus Deutschland zurückkehrende aktive Unterstützer der OLF würden als potenzielle Unterstützer einer separatistischen Bewegung mit Sicherheit festgenommen, für unbestimmte Zeit inhaftiert und misshandelt, um eine befürchtete und unterstellte Haltung zu brechen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die TBOJ/UOSG stehe der OLF nahe, die der äthiopische Staat inzwischen von der Terrorliste gestrichen habe. Exilpolitische Aktivitäten wie diejenigen des Klägers hätten bereits früher nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung geführt; seit dem politischen Umbruch in Äthiopien gelte dies umso mehr. Das staatliche Vorgehen gegen gewaltsamen Separatismus könne nicht gleichgesetzt werden mit der Verfolgung exilpolitischer Tätigkeiten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und auf die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zwar gegeben sind, der Kläger in dem für die Sach- und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Februar 2019 (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) aber weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG hat; auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG steht ihm nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I.

Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, die trotz der positiven Zulässigkeitsprüfung des Bundesamts zu überprüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1987 - 9 C 285.86 - BVerwGE 78, 332 = juris Rn. 17 zu § 14 AsylVfG; OVG NW, B.v. 3.2.1997 - 25 A 353/97.A - AuAS 1997, 141 = juris Rn. 5; vgl. auch Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 71 Rn. 115), sind gegeben. Die Wahl des Klägers in den Bundesvorstand der TBOJ/UOSG (16.2.2013) wurde zwar nicht innerhalb von drei Monaten nach Kenntniserlangung (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG) geltend gemacht. Allerdings begründet zumindest die Veröffentlichung des Klägers unter eigenem Namen in der Zeitschrift „B. Bi.“ vom April 2013 eine nachträgliche Änderung der Sachlage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, die sich mit Blick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu seinen Gunsten auswirken kann und die innerhalb der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG geltend gemacht worden ist (vgl. auch BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 10).

Ist festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen und der Antragsteller deshalb einen Anspruch auf eine erneute Sachprüfung hat, besteht im Rahmen der dann vorzunehmenden Asylerfolgsprüfung die Pflicht, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2000 - 2 BvR 39/98 - DVBl. 2000, 1048 = juris Rn. 33; vgl. auch Marx, AsylG, § 71 Rn. 26; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 71 Rn. 103).

II.

Offen bleiben kann, ob der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG hier bereits § 28 Abs. 2 AsylG entgegensteht.

1. Nach dieser Vorschrift kann in einem Folgeverfahren die Flüchtlingseigenschaft in der Regel nicht zuerkannt werden, wenn der Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt und diesen auf Umstände stützt, die er nach unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat. Mit § 28 Abs. 2 AsylG hat der Gesetzgeber die risikolose Verfolgungsprovokation durch Nachfluchtgründe, die der Betreffende nach Abschluss des ersten Asylverfahrens selbst geschaffen hat, regelhaft unter Missbrauchsverdacht gestellt. Die Substantiierungssowie die objektive Beweislast werden damit auf den Asylbewerber verlagert, der die gesetzliche Missbrauchsvermutung widerlegen muss (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 14; U.v. 24.9.2009 - 10 C 25.08 - BVerwGE 135, 49 = juris Rn. 21).

Da jedenfalls die nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unter eigenem Namen publizierten Beiträge des Klägers in der Zeitschrift „B. Bi.“ unter den Tatbestand des § 28 Abs. 2 AsylG fallen, greift die gesetzliche Rechtsfolge, derzufolge die Flüchtlingseigenschaft in einem Folgeverfahren in der Regel nicht zuerkannt wird (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 13).

2. Die gesetzliche Missbrauchsvermutung ist dann widerlegt, wenn der Asylbewerber den Verdacht ausräumen kann, er habe Nachfluchtaktivitäten nur oder aber hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert. Bleibt das Betätigungsprofil des Betroffenen nach Abschluss des Erstverfahrens unverändert, liegt die Annahme einer missbräuchlichen Verknüpfung von Nachfluchtaktivitäten und begehrtem Status eher fern. Wird der Asylbewerber jedoch nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmals exilpolitisch aktiv oder intensiviert er seine bisherigen Aktivitäten, muss er dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, dies geschehe in erster Linie, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2014 - 10 B 5.14 - juris Rn. 5; U.v. 24.9.2009 - 10 C 25.08 - BVerwGE 135, 49 = juris Rn. 26). Dazu hat der Tatrichter die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für seine erstmalig aufgenommenen oder intensivierten Aktivitäten vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = juris Rn. 16; B.v. 31.1.2014 - 10 B 5.14 - juris Rn. 6).

Gemessen an diesen Maßstäben spricht viel dafür, dass der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hier § 28 Abs. 2 AsylG entgegensteht. Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 27. Januar 2011 noch keine exilpolitische Betätigung angeführt (vgl. S. 143 ff. der Erstverfahrensakte). Am 14. August 2011, also mehr als ein Jahr nach seiner Einreise in das Bundesgebiet (8.8.2010) und nach Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt (14.2.2011), ist er Mitglied der UOSG geworden (vgl. S. 206 der Erstverfahrensakte). Die Wahl in den Bundesvorstand der TBOJ/UOSG (16.2.2013) erfolgte kurz nach Zustellung des klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts (14.1.2013). Der erste unter seinem Namen erschienene Artikel in der Zeitschrift „B. Bi.“ (April 2013) wurde wiederum kurz nach der rechtskräftigen Ablehnung seines Erstantrags (5.3.2013) veröffentlicht. Die Chronologie seiner exilpolitischen Aktivitäten deutet insgesamt darauf hin, dass der Kläger die nach außen sichtbare Betätigung seines politischen Willens immer dann steigert, wenn es die aufenthaltsrechtliche Situation erfordert. Hierfür spricht auch seine Einlassung (auf die Frage, weshalb man für die Aufgabe als Kassiers das Amt eines Vorsitzenden innehaben müsse), es sei wichtig, dass man einer von den Fünfen (Vorstandsmitgliedern) sei und vom Regime in dieser Funktion überwacht werde (vgl. S. 167 der Folgeantragsakte). Demgegenüber ist nicht zu erkennen, dass die Nachfluchtaktivitäten des Klägers auf einer kontinuierlich gewachsenen und nach außen betätigten politischen Überzeugung beruhen. Seine Antworten auf die Fragen des Bundesamts nach den Hintergründen seiner exilpolitischen Tätigkeit blieben auffallend kurz und allgemein; z.B. konnte der Kläger auf die Frage, weshalb er erst im April 2013 einen Beitrag über die Inhaftierung Unschuldiger veröffentlicht habe, keine plausible Antwort geben (vgl. S. 166 der Folgeantragsakte).

III.

Jedenfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann 30 (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).)

2. Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass dem Kläger aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten III.2.1) noch infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten III.2.2) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

2.1 Es kann offen bleiben, ob der Kläger aufgrund einer Vorverfolgung die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann.

2.1.1 Bei der Frage, ob der Kläger vor seiner Ausreise bereits verfolgt wurde, ist der Senat zwar nicht an die - dies ablehnende - Feststellung des Verwaltungsgerichts im ersten Asylurteil gebunden (vgl. SächsOVG, U.v. 22.11.2014 - A 3 A 519/12 -Asylmagazin 2015, 208 = juris Rn. 39; so auch betreffend ein den Asyl- und Flüchtlingsschutz zusprechendes Urteil BVerwG, U.v. 7.9.2010 - 10 C 11.09 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 42 = juris Rn. 19). Die Gesamtwürdigung aller Umstände - auch der mit dem Folgeantrag vorgelegten Unterlagen - spricht aber (weiterhin) nicht dafür, dass der Kläger sein Heimatland vorverfolgt verlassen hat. Insbesondere stützen die im Folgeantragsverfahren vorgelegten Unterlagen keine gegenüber dem Asylerstverfahren abweichende Einschätzung. Die Aussage im Schreiben der „Oromia Support Group Australia“ vom 20. März 2013 („Support Letter“), der Kläger habe aktiv an Schülerprotesten teilgenommen, bei denen viele seiner Mitschüler getötet worden seien (vgl. S. 34 der Folgeantragsakte), besitzt keinen Beweiswert, weil nicht erkennbar ist, woher die in Australien ansässige Exilorganisation belastbare Erkenntnisse zur individuellen Verfolgungssituation des Klägers in Äthiopien erlangt haben sollte. Die Stellungnahme des Dr. Trevor Trueman vom 3. Mai 2013, den der Kläger nicht kennt (vgl. S. 167 der Folgeantragsakte), bezieht sich allein auf die exilpolitischen Tätigkeiten des Klägers in Deutschland.

2.1.2 Selbst wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass er bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

2.1.2.1 Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Demokratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil-)Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe - Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt], S. 6). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen. Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6, 22). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihm angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Fall einer früheren Unterstützung der OLF in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass auch die OLF von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch der Kläger trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle seiner Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

2.1.2.2 Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei 5 Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20).

2.1.2.3 Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien bleibe trotz der Änderung der politischen Verhältnisse unübersichtlich und instabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

2.2 Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund der exilpolitischen Betätigung des Klägers in Deutschland für die der OLF nahestehenden TBOJ/UOSG. Infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien ist diese nicht (mehr) geeignet, eine begründete Furcht vor Verfolgung nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1a AsylG zu begründen.

2.2.1 Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter III.2.1.2.1 und III.2.1.2.2) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der OLF von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker der OLF, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie der Kläger - Mitglied der TBOJ/UOSG sind oder waren, diese Organisation durch die Teilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen (zum Teil unter Mitorganisation) oder durch andere Unterstützeraktivitäten wie die Mitarbeit bei einer exilpolitischen Zeitschrift (Leiter Editorial-Team) oder auch durch regierungskritische Äußerungen oder Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften oder sonstigen Medien unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

2.2.2 Auch aufgrund seiner (früheren) Vorstandstätigkeit im Bundes- bzw. Landesvorstand der TBOJ/UOSG drohen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlungen. Infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 begründet allein die Tatsache, dass sich äthiopische Asylbewerber in Deutschland exponiert (vgl. zu diesem Kriterium BayVGH, B.v. 14.11.2017 - 21 ZB 17.31340 - juris Rn. 2; B.v. 14.7.2015 - 21 ZB 15.30119 - juris Rn. 5; U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris Rn. 16) exilpolitisch betätigt haben, grundsätzlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgungsgefahr; eine Rückkehrgefährdung erscheint auf Basis der aktuellen Auskunftslage allenfalls noch in besonders gelagerten Ausnahmefällen denkbar (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 64; ähnlich VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris Rn. 25; VG Ansbach, B.v. 11.10.2018 - AN 3 E 18.31175 - juris Rn. 36). Diese Einschätzung wird insbesondere dadurch belegt, dass inzwischen namhafte Vertreter der äthiopischen Exilopposition der Einladung des neuen Premierministers gefolgt und zurückgekehrt sind, um sich am politischen Diskurs in Äthiopien zu beteiligen (vgl. The Danish Immigration Service S. 5; BFA Länderinformationsblatt S. 5; vgl. eingehend hierzu oben unter III.2.1.2.1).

2.2.3 Soweit der Kläger die Befürchtung geäußert hat, dass alle Angehörigen der oromischen Opposition wegen einer vom Staat unterstellten separatistischen Haltung in Äthiopien weiterhin verfolgt würden, entbehrt dies jeder Grundlage. Richtig ist zwar, dass die OLF in der Vergangenheit für die Unabhängigkeit der Region Oromia, der bevölkerungsreichsten Region Äthiopiens mit ungefähr 35 Prozent der Einwohner, gekämpft hat und zumindest ein Teil ihrer Anhänger diese wohl auch heute noch anstrebt (vgl. The Danish Immigration Service S. 15, 20). Trotz der separatistischen Bestrebungen wurde die OLF aber von der Terrorliste gestrichen und von der Regierung eingeladen, zum Dialog nach Äthiopien zurückzukehren. Diesem Aufruf sind führende Mitglieder der OLF wie Jawar Mohammed aus dem Exil in den USA und Dawud Ibsa aus dem Exil in Eritrea gefolgt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). Allein dies spricht gegen die Besorgnis des Klägers.

Die Ursache dafür, dass sich in letzter Zeit der Konflikt zwischen Regierung und OLF verschärft hat und es nach ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Oromo und ethnischen Minderheiten zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach Überzeugung des Senats nicht in den separatistischen Bestrebungen der OLF begründet, sondern in dem Umstand, dass militante Teile der OLF entgegen ihrer Ankündigung ihre Ziele teilweise weiterhin mit Waffengewalt verfolgen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 18). So hat etwa der äthiopische Sender Fana berichtet, die Einsatzkräfte der Regierung hätten nach einer Militäroffensive im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 über 800 militante Mitglieder der OLF inhaftiert (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Der Regierung geht es nach aktueller Auskunftslage mit ihren Einsätzen vor allem darum, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Auch insoweit handelt es sich aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen oppositionelle Oromo, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

2.2.4 Auch für die Annahme des Klägers, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25).

IV.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass dem Kläger bei seiner Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht er selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass dem Kläger in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG beim Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die äthiopische Hauptstadt, wo sich der Kläger die letzten zwei bis drei Jahre bis zu seiner Ausreise aufgehalten hat (vgl. S. 250 f. der Erstverfahrensakte), nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Das Gleiche gilt für die Stadt Ambo, in der der Kläger aufgewachsen ist.

V.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.

1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen ist nicht gegeben.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht er weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Er ist 29 Jahre alt, gesund, arbeitsfähig und hat eine Schulausbildung. In Deutschland ist er seit 2013 erwerbstätig und hat hieraus zuletzt einen Bruttoarbeitslohn von monatlich ca. 1.770 Euro erwirtschaftet. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass er über das für eine (bescheidene) Existenzgründung in Äthiopien notwendige Startkapital verfügt. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

2. Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist beim Kläger ein nationales Abschiebungsverbot im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben V.1).

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am ... 1993 in D. geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger vom Volk der Amharen. Er gibt an, am 19. März 2014 auf dem Luftweg von Addis Abeba kommend über den Flughafen Frankfurt/Main in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am 2. April 2014 stellte er einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) am 13. Oktober 2015 gab der Kläger an, sein Vater habe für die EPPF Medikamente aus Dschibuti geschmuggelt und an verschiedenen Orten gelagert, wo sie der Kläger abgeholt und nahe der Stadt Bahadar an Leute der EPPF übergeben habe. Am 11. Januar 2014 sei sein Vater von der Polizei abgeholt worden. Der Kläger sei verdächtigt worden, Dokumente seines Vaters zu verstecken. Das Lager sei von der Ortsverwaltung mit der Begründung versiegelt worden, sein Vater unterstütze Terroristen. In der Folge sei der Kläger mehrmals bei Autofahrten angehalten worden; er habe Strafen zahlen müssen bzw. der Führerschein sei ihm entzogen worden. Am 22. Januar 2014 sei er zum Polizeirevier verbracht worden. Man habe ihm zwei Fotos gezeigt, auf denen er beim Verladen großer Pakete mit Medikamenten zu sehen sei. Der Hauptmann habe die Namen der Personen auf den Fotos wissen wollen. Als er gesagt habe, diese nicht zu kennen, sei er geschlagen worden; ein Zahn sei ihm ausgeschlagen worden. Am 24. Januar 2014 sei er freigelassen worden mit der Drohung, wenn er irgendetwas mache, ereile ihn das gleiche Schicksal wie seinen Vater. Am nächsten Tag sei er auf Anraten seines Bruders nach Addis Abeba gefahren und von dort am 19. März 2014 mithilfe eines Schleppers ausgereist.

Als Beleg für seine exilpolitischen Aktivitäten für die EPPFG legte der Kläger dem Bundesamt u.a. Bestätigungen vor, die eine Mitgliedschaft seit 9. August 2014 bescheinigen.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers (Nr. 2) sowie seinen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (Nr. 4). Die Abschiebung nach Äthiopien wurde angedroht, sollte keine Ausreise innerhalb von 30 Tagen erfolgen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, bei der Polizeigewalt handle es sich um einen „Amtswalterexzess“, der durch äthiopische Sicherheitsbehörden häufiger verübt werde, sodass potenziell jeder Äthiopier damit rechnen müsse. Die exilpolitischen Tätigkeiten begründeten keinen Flüchtlingsschutz, weil sie nicht über Aktivitäten einfacher Mitglieder hinausgingen.

Am 30. Mai 2016 erhob der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage. Mit Schriftsatz vom 6. September 2017 ließ er Teilnahmebescheinigungen der EPPFG und Kopien von Lichtbildern von exilpolitischen Veranstaltungen vorlegen.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Klage mit Urteil vom 29. September 2017 abgewiesen. Die Angaben des Klägers zu den Geschehnissen in Äthiopien und seiner Flucht seien nicht glaubhaft. Seine Angaben zu seinen Papieren bzw. die Tatsache, dass er keinerlei Papiere vorgelegt habe, erweckten erhebliche Zweifel an seiner Identität und Glaubwürdigkeit. Bei der Schilderung seines Verfolgungsschicksals sei ein gehäuftes und fast musterartiges Auftreten von Abweichungen festzustellen, sodass davon auszugehen sei, dass es sich nicht um selbst Erlebtes handle. Es sei auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger wegen seiner exilpolitischen Betätigung in Deutschland bei seiner Rückkehr eine Verfolgung drohe. Seine exilpolitische Tätigkeit übersteige nicht das übliche Maß, sodass er von den äthiopischen Behörden nicht als „gefährlicher Oppositioneller“ angesehen werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Januar 2018 zugelassene Berufung. Zur Begründung macht der Kläger geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vorverfolgt ausgereist zu sein. Jedenfalls drohe ihm aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten Verfolgung. Seit März 2017 übe er die Funktion „intelligence Regensburg and surrounded“ in der EPPFG aus und betätige sich im „Wiederaufbau-Komitee“. Als Beleg für seine exilpolitischen Aktivitäten legte er Bescheinigungen der EPPFG, EDFM sowie Lichtbilder über die Teilnahme an exilpolitischen Veranstaltungen vor. Das Verwaltungsgericht Würzburg gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass einem äthiopischen Staatsangehörigen, der sich - wie der Kläger für die EPPFG - in einem Mindestmaß für eine Organisation betätige, die einer als terroristisch eingestuften Vereinigung nahestehe, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung drohe. Ungeachtet der Streichung von OLF, Ginbot7 und ONLF von der Terrorliste sei es noch zu keiner vollständigen Änderung bei der Verfolgung Oppositioneller gekommen. Tausende politische Gefangene befänden sich weiter in Haft; im September 2018 sei es wieder zu Massenverhaftungen gekommen. Die positiven Veränderungen unter Abiy Ahmed bzw. dessen Handlungen seien in der EPRDF äußerst umstritten. Das Nachgeben Abiy Ahmeds gegenüber der Opposition habe der nicht mehr beherrschbaren Situation in Äthiopien gegolten, ohne dass dies zu einem vollständigen Umdenken in der EPRDF und insbesondere der TPLF geführt habe. Die Amnestieregelung sei hier nicht relevant, weil die sechsmonatige Antragsfrist inzwischen abgelaufen sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 29. September 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie hilfsweise festzustellen, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Äthiopien vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat durch Beschluss vom 26. März 2018 zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts bzw. schriftlicher Gutachten von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerische Flüchtlingshilfe u.a. zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ablehnung der in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche im Bescheid des Bundesamts vom 12. Mai 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob dem Kläger die Ansprüche im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zustanden. Der Kläger hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht dem Kläger nicht zu.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass dem Kläger aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge seiner exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2014 aufgrund der Geschehnisse, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob er deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu seinen Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Democratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1; „Focus Äthiopien - Der politische Umbruch 2018“ vom 16. Januar 2019 der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM [im Folgenden: SEM] S. 8 f.). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6; SEM S. 7). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10; SEM S. 6).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 15; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 17, 19). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen (SEM S. 17). Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand und unterzeichnete am 21. Oktober 2018 ein Friedensabkommen mit der äthiopischen Regierung (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22; SEM S. 24 f.). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für ..., Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; SEM S. 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23; SEM S. 7).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihm angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit und Flucht noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger für den Fall einer früheren Unterstützung der EPPF durch die Beteiligung an einem Medikamentenschmuggel seines Vaters in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass die EPPF der Ginbot7 nahesteht (der Armeeflügel der EPPF wurde 2006 mit Ginbot7 verschmolzen, vgl. AA, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 2; im Jahr 2015 haben sich Ginbot7 und EPPF zum Bündnis „Arbegnoch - Ginbot7 for Unity and Democracy Movement (AGUDM)“ zusammengeschlossen, vgl. GIGA - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Stellungnahme vom 19.5.2018 an den Verwaltungsgerichtshof S. 5) und Ginbot7 von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch der Kläger trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle seiner Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei fünf Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; SEM S. 20). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien; vgl. auch SEM S. 21 f.).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.; SEM S. 30 ff.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen (vgl. AA, Auskunft vom 7.2.2019 gegenüber dem Verwaltungsgericht Dresden, S. 2). Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20). Am 20. Dezember 2018 hat das äthiopische Repräsentantenhaus als Reaktion auf die ethnischen Konflikte zudem beschlossen, auf Bundesebene eine Kommission für Verwaltungsgrenzen und Identitätsfragen zu schaffen (vgl. SEM S. 32 f.).

cc) Soweit der Kläger geltend macht, die Situation in Äthiopien sei trotz des politischen Umbruchs noch nicht stabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11; SEM S. 8 ff., 26), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (SEM S. 9; nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“) und gegen ihn ein Putschversuch unternommen (vgl. SEM S. 29).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise des Klägers aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung des Klägers in Deutschland für die der Ginbot7 nahestehenden EPPFG (Ethiopian People Patriotic Front Guard) infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter Rn. 26 ff.) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der Ginbot7 von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie der Kläger - (einfaches) Mitglied der EPPFG sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19).

Auch aufgrund seiner innerhalb der EPPFG übernommenen Funktion zur Werbung und Aufklärung von Mitgliedern („intelligence Regensburg and surrounded“ bzw. „Wiederaufbau-Komitee“) drohen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlungen. Der Senat vermag aus den hierzu in der mündlichen Verhandlung gegebenen Schilderungen des Klägers (vgl. S. 3 f. der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019) schon nicht zu erkennen, inwieweit damit eine „Leitungsfunktion“ in der EPPFG wahrgenommen würde. Hinzu kommt, dass der Kläger nach eigener Darstellung seit etwa einem Jahr an keiner exilpolitischen Versammlung mehr teilgenommen hat (vgl. S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019). Abgesehen davon begründet infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 allein die Tatsache, dass sich äthiopische Asylbewerber in Deutschland exponiert (vgl. zu diesem Kriterium BayVGH, B.v. 14.11.2017 - 21 ZB 17.31340 - juris Rn. 2; B.v. 14.7.2015 - 21 ZB 15.30119 - juris Rn. 5; U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris Rn. 16) exilpolitisch betätigt haben, grundsätzlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgungsgefahr; eine Rückkehrgefährdung erscheint auf Basis der aktuellen Auskunftslage allenfalls noch in besonders gelagerten Ausnahmefällen denkbar (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30257 - noch nicht veröffentlicht; ebenso VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 64; ähnlich VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris Rn. 25; VG Ansbach, B.v. 11.10.2018 - AN 3 E 18.31175 - juris Rn. 36). Diese Einschätzung wird insbesondere dadurch belegt, dass inzwischen namhafte Vertreter der äthiopischen Exilopposition der Einladung des neuen Premierministers gefolgt und zurückgekehrt sind, um sich am politischen Diskurs in Äthiopien zu beteiligen (vgl. The Danish Immigration Service S. 5; BFA Länderinformationsblatt S. 5; SEM S. 15; vgl. eingehend hierzu oben Rn. 30).

Auch der Hinweis des Klägers auf regionale (ethnische) Konflikte rechtfertigt keine andere Einschätzung. Dass es in letzter Zeit nach ethnischen Auseinandersetzungen zu gewalttätigen Zusammenstößen von Oppositionsgruppen - insbesondere der OLF - mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach der Überzeugung das Bestreben der Regierung zugrunde, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Insoweit handelt es sich nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Der pauschale Einwand des Klägers, von dem gut aufgestellten äthiopischen National Intelligence and Security Service (NISS) werde niemand vergessen, weshalb eine Verfolgungsgefahr fortbestehe, solange aus politischen Gründen Festgenommene inhaftiert blieben, erweist sich als rein spekulativ. Es sind auch keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25). Auch wenn die sechsmonatige Frist zur Beantragung der Amnestie inzwischen abgelaufen ist, worauf der Kläger hinweist, ist angesichts des unter Abiy Ahmed eingeleiteten Dialogs zur Rückkehr und zum Dialog von Oppositionsangehörigen (vgl. oben Rn. 30) grundsätzlich nicht mit Verfolgungsmaßnahmen gegen im Ausland exilpolitisch tätig gewordenen Asylbewerbern zu rechnen.

c) Angesichts der in das Verfahren eingeführten und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. März 2018 eingeholten Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Auskünfte vom 7.2.2019 an den Verwaltungsgerichtshof bzw. das Verwaltungsgericht Dresden und Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018; BFA Länderinformationsblatt vom 8.1.2018; The Danish Immigration Service, September 2018) verfügt der Senat über die erforderliche Sachkunde, ohne dass es der Einholung weiterer Sachverständigengutachten oder Auskünfte bedurfte (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2000 - 9 B 518.99 - NVwZ 2000, Beilage Nr. 9, 99 = juris Rn. 12; B.v. 11.2.1999 - 9 B 381.98 - DVBl 1999, 1206 = juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2019 - OVG 3 B 27.17 - juris Rn. 45). Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hilfsweise gestellten Beweisantrag zu der behaupteten Tatsache, dass äthiopische Staatsangehörige, die in Deutschland für die EPPFG politisch aktiv und dies gerade in einer Leitungsfunktion sind oder dies gewesen sind, im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten festgenommen, für unbestimmte Zeit in Haft gehalten wurden und werden und ihnen durch äthiopische Sicherheitskräfte Misshandlungen und Folterungen drohen, musste deshalb nicht entsprochen werden.

Der Kläger hat auch nicht substanziiert dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung bessere oder andere Erkenntnisse bringen würde als die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Materialien (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2014 - 13a ZB 14.30073 - juris Rn. 8). Soweit er sich darauf beruft, die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017 an den Verwaltungsgerichtshof sei widersprüchlich bzw. unzureichend, weil sie auf das Schreiben vom 14. Juni 2018 verweise, in dem es die Rückkehrgefährdung einfacher Mitlieder exilpolitischer Organisationen nicht abschließend bewertet habe und sich mit der Aussage des Ad-hoc-Berichts vom 17. Oktober 2018, der eine Rückkehrgefährdung dieser Personen für möglich halte, nicht auseinandersetze, kann dem nicht gefolgt werden. Die daraus gezogene Schlussfolgerung des Klägers, es sei nicht hinreichend geklärt, wie sich die Verfolgungssituation von Oppositionellen in Äthiopien aktuell darstelle, teilt der Senat nicht. Die Aussagekraft der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, es sei nicht davon auszugehen, dass eine (einfache) Mitgliedschaft einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist bzw. einer ihr nahestehenden Organisation, bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. S. 2 des Schreibens an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019) wird nicht dadurch geschmälert, dass sich die Auskunftsbehörde nicht ausdrücklich mit ihren früheren, hiervon teilweise abweichenden Einschätzungen auseinandersetzt. Im Übrigen hat das Auswärtige Amt seine aktuelle Einschätzung in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Dresden vom 7. Februar 2019 bestätigt. Hiernach liegen dem Auswärtigen Amt, dessen Einschätzungen maßgeblich auf vor Ort gewonnenen Erkenntnissen der Auslandsvertretungen beruhen, keine Hinweise darauf vor, dass in jüngster Zeit Anhänger bzw. Unterstützer von der Terrorliste gestrichener oppositioneller Gruppierungen alleine aufgrund dieser Eigenschaft angeklagt oder angegriffen würden (vgl. AA, Auskunft vom 7.2.2019 an das Verwaltungsgericht Dresden, S. 2). Diese Bewertung steht auch im Einklang mit der Aussage des Dänischen Ministeriums für Immigration und Integration, wonach sich die Gesamtsituation für die Oppositionsparteien nach der Ernennung Abiy Ahmeds verbessert habe (vgl. The Danish Immigration Service S. 5); die letztgenannte Aussage beruht u.a. auf der Einschätzung der Britischen Botschaft, wonach Personen mit einer mutmaßlichen Verbindung zu Oppositionsgruppen nicht mehr festgenommen und die meisten politischen Gefangenen freigelassen würden (vgl. The Danish Immigration Service S. 23). Inwieweit die vom Kläger vorgelegte Veröffentlichung des SEM vom 16. Januar 2019 diesen u.a. auf Botschaftsinformationen beruhenden Lagebewertungen entgegenstünde, hat der Kläger nicht substanziiert dargelegt. Im Übrigen geht auch dieser Bericht davon aus, dass viele Oppositionsparteien - darunter Ginbot7 (vgl. SEM S. 16 f.) - inzwischen entkriminalisiert sind (vgl. SEM S. 33).

Im Übrigen trifft die in dem (bedingten) Beweisantrag aufgestellte Prämisse der Wahrnehmung einer „Leitungsfunktion“ für die EPPFG im Fall des Klägers - wie unter Rn. 41 bereits dargelegt - nicht zu, sodass sich die unter Beweis gestellte Tatsache als nicht entscheidungserheblich erweist. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es zudem, soweit sich der Beweisantrag - in Abweichung von dem für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) - auf die Behauptung der Festnahme und Inhaftierung in der Vergangenheit bezieht („wurden“).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass dem Kläger bei seiner Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht er selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass dem Kläger in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei dem Kläger, der keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die Stadt Desse, aus der der Kläger stammt und in der er sich bis Januar 2014 aufgehalten hat, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG U.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - NVwZ 2019, 61 Rn. 9 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich der Kläger in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht er weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Er ist seinen Angaben zufolge 25 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. In Deutschland ist er seit drei Jahren als Metallschweißer erwerbstätig und hat hieraus zuletzt einen Bruttoarbeitslohn von monatlich ca. 1.730 Euro erwirtschaftet. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass er über das für eine (bescheidene) Existenzgründung in Äthiopien notwendige Startkapital verfügt. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei dem Kläger ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben III.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die nach eigenen Angaben am ... Juli 1988 in W. geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige vom Volke der Gurage. Sie gab an, am 12. Januar 2013 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Am 16. Januar 2013 stellte sie einen Asylantrag.

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 8. April 2014 gab die Klägerin an, ihr Vater habe sich für die EPPF engagiert und sei von der Polizei festgenommen worden. Zur Finanzierung ihres eigenen Lebensunterhalts habe sie verschiedene Schreibtätigkeiten ausgeübt. Dabei habe sie unter anderem auch politische Schriftstücke auf ihrem Computer geschrieben oder kopiert und weitergegeben. Am 15. September 2012 sei sie von einem Freund ihres Vaters informiert worden, dass ihr Laden aufgebrochen und durchsucht worden sei. Sie sei daraufhin nicht nach Hause, sondern zu einer Kirche gelaufen. Am nächsten Morgen habe ihre Mutter ihr erzählt, dass Leute nach ihr gefragt hätten. Die Klägerin habe sich daraufhin vier Monate bei Freunden in Gurage versteckt und sei dann mithilfe eines Schleppers ausgereist.

In Deutschland sei sie exilpolitisch tätig. Seit dem 9. Februar 2013 sei sie Mitglied bei EPCOU und seit dem 1. Januar 2014 Mitglied der EPPF Germany. Sie nehme regelmäßig an Versammlungen und Demonstrationen dieser Organisationen teil. Zudem sei sie seit dem 14. September 2013 für EPCOU als Head of Media and Communication tätig sowie Executive Editor of M1. Magazine, eine Zeitschrift der EPCOU. In dieser Zeitschrift sowie in zwei anderen habe sie unter namentlicher Nennung auch Artikel veröffentlicht. Bei der EPPF Gemany sei sie Deputy Editor of Netsanet Le Ethiopia Radio und betätige sich bei diesem Internetradio auch als Nachrichtensprecherin.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung und im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde sie nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte nicht vorlägen. Der Sachvortrag der Klägerin reiche nicht aus, um eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Die Klägerin habe keine plausiblen Angaben zur Gefährdung ihrer Person machen können. Auch der Verfolgungsakteur sei von der Klägerin nicht konkretisiert worden. Sie habe während der Anhörung immer wieder von Leuten erzählt, die ihren Laden durchsucht und ihre Mutter besucht hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, ob es sich bei den Verfolgern um private oder staatliche Personen gehandelt habe. Ferne führe das Vorbringen der Klägerin, sie sei Mitglied der EPPF und EPCOU in Deutschland, ebenso wenig wie die exilpolitische Betätigung der Klägerin zu einem Anspruch auf Flüchtlingsschutz oder Asyl. Im Falle der Klägerin bewege sich die exilpolitische Tätigkeit in dem Rahmen, den äthiopische Asylbewerber regelmäßig ausfüllten. Ihre vorgetragene Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen in Deutschland sowie Veröffentlichungen von Artikeln seien nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Die Klägerin sei allenfalls als politische Mitläuferin einzuschätzen. Sonstige Hinweise dafür, dass ihr Verhalten als gegen die äthiopische Regierung gerichtet aufgefasst werden könne und ihr daher Verfolgung drohe, seien nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes oder Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.

Die gegen den Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgerichts Würzburg mit Urteil vom 29. April 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden könne, da ihr Vorbringen nicht glaubhaft sei. Die Darstellung ihres individuellen Verfolgungsschicksals sei in wesentlichen Punkten oberflächlich, widersprüchlich und in sich unstimmig. Damit sei das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin in Äthiopien keiner politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeiten drohten der Klägerin ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen der äthiopischen Sicherheitskräfte. Zwar habe sie nachgewiesen, Mitglied der EPPFG und der EPCOU zu sein, diverse Versammlungen und Demonstrationen dieser Organisationen zu besuchen und Texte in Exilzeitschriften veröffentlicht zu haben. Auch sei sie in verschiedenen Funktionen bei diesen Organisationen tätig. Dennoch erweise sich die Klägerin nicht als exilpolitisch exponierte Person. Aufgrund ihrer Angaben zur ihren politischen Aktivitäten in der mündlichen Verhandlung zeige sich die Klägerin als weitgehend unpolitischer Mensch, der sich trotz der vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten dem äthiopischen Staat nicht als ernst zu nehmende Regimegegnerin gegenüberstehe. Die exilpolitischen Tätigkeiten der Klägerin bewegten sich vielmehr in dem Rahmen, den äthiopische Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Gerichts regelmäßig ausfüllten. Die Angaben der Klägerin ließen nicht darauf schließen, dass es sich bei ihren Posten und Tätigkeiten um real ausgefüllte Funktionen mit echtem politischem Profil jenseits einfacher Verwaltungs-, Koordinations- und Layout-Aufgaben handele. In ihrer Funktion als Bayer Media and communication head der EDFM sei die Klägerin bislang nicht oder jedenfalls kaum nach außen in Erscheinung getreten. Angesichts der inzwischen massenhaft stattfindenden exilpolitischen Veranstaltungen vermöge ihr all dies auch in der Gesamtschau keine exponierte Stellung im Vergleich zu anderen äthiopischen Asylsuchenden zu verschaffen. Nichts anderes gelte im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin als Executive Editor eine exilpolitischen Zeitung bzw. bezüglich der Veröffentlichung eigener Beiträge in dieser Zeitschrift. In diesem Gesamtkontext begründe auch die Tätigkeit der Klägerin beim Radio keine exponierte Stellung der Klägerin. Soweit die Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG und die Feststellung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehre, sei die Klage ebenfalls nicht begründet.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer durch Beschluss des Senats vom 31. Januar 2018 (Az. 8 ZB 16.30118) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vorverfolgt ausgereist zu sein. Jedenfalls drohe ihr aufgrund ihrer vielfältigen exilpolitischen Aktivitäten eine Verfolgung in ihrem Heimatland. Insoweit werde unter Vorlage von Nachweisen zur Betätigung bei der EDFM auf die bereits im Vor- als auch im Klageverfahren vorgelegten Nachweise zu den weiteren Tätigkeiten verwiesen. Das Verwaltungsgericht habe in seinem angefochtenen Urteil die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehende Gefährdung der Klägerin aufgrund ihrer langjährigen und umfangreichen exilpolitischen Aktivitäten vollkommen verkannt. Ungeachtet der Streichung von OLF, Ginbot7 und ONLF von der Terrorliste sei es noch zu keiner vollständigen Änderung bei der Verfolgung Oppositioneller gekommen. Tausende politische Gefangene befänden sich weiter in Haft; im September 2018 sei es wieder zu Massenverhaftungen gekommen. Die positiven Veränderungen unter Abiy Ahmed bzw. dessen Handlungen seien in der EPRDF äußerst umstritten. Das Nachgeben Abiy Ahmeds gegenüber der Opposition habe der nicht mehr beherrschbaren Situation in Äthiopien gegolten, ohne dass dieser zu einem vollständigen Umdenken in der EPRDF und insbesondere der TPLF geführt habe. Die Amnestieregelung sei hier nicht relevant, weil die sechsmonatige Antragsfrist inzwischen abgelaufen sei. Mit Blick auf ihren am 29. Mai 2016 geborenen Sohn sei zumindest festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Die Klägerin werde bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Möglichkeit haben, eine wirtschaftliche Existenzmöglichkeit zu erlangen sowie ihrem Sohn eine kindgerechte Versorgung zu gewährleisten. Ein familiäres Netzwerk sei eine wichtige Vorbedingung dafür, dass eine unverheiratete Äthiopierin ein eigenes Leben aufbauen und für sich selbst sorgen könne. Äthiopische Frauen hätten im Verhältnis zu äthiopischen Männern immer noch ein dreifaches Risiko einer Arbeitslosigkeit.

Die Klägerin beantragt,

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. April 2016 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 2016 verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; hilfsweise der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Durch Beschluss vom 26. März 2018 hat der Senat zu verschiedenen Fragen Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtiges Amt bzw. eines schriftlichen Gutachtens von Amnesty International, des GIGA-Instituts für Afrika-Studien und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, unter anderem zu der Frage, ob nach der aktuellen innenpolitischen Lage in Äthiopien äthiopischen Staatsangehörigen, allein weil sie (einfaches) Mitglied einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation sind, ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben, bei ihrer Rückkehr nach Äthiopien von staatlicher Seite schwere physische oder psychische Misshandlungen oder Haft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit drohen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Ablehnung der in der Berufungsinstanz noch geltend gemachten Ansprüche im Bescheid des Bundesamts vom 1. Februar 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Es kann offen bleiben, ob der Klägerin die Ansprüche im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung zustanden. Die Klägerin hat jedenfalls in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. I.) noch auf subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. unten Ziff. II.). Auch ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (vgl. unten Ziff. III.) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. unten Ziff. IV.) steht der Klägerin nicht zu.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

1. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, sofern nicht die in dieser Bestimmung angeführten - hier nicht einschlägigen - besonderen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 8 AufenthG erfüllt sind. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Verfolgungsgründe) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9 - im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzende Legaldefinition der Verfolgungshandlung erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer Verfolgungshandlung setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 11). Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind unter anderem gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG der Staat und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen. Zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den genannten Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG), wobei es unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Für die Verfolgungsprognose gilt ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller Vorverfolgung erlitten hat. Dieser im Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchst. d RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 = juris Rn. 22).

Vorverfolgte bzw. geschädigte Asylantragsteller werden durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU privilegiert. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 15; EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 = juris Rn. 94). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = juris Rn. 23).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert die Prüfung, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 - NVwZ 2018, 1408 = juris Rn. 14; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - DVBl 2008, 1255 = juris Rn. 37).

2. Nach diesen Maßstäben ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen.

Infolge des den in das Berufungsverfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen zu entnehmenden grundlegenden Wandels der politischen Verhältnisse seit April 2018 und der daraus folgenden Situation für Oppositionelle in Äthiopien kann im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der behaupteten früheren Ereignisse in Äthiopien (vgl. dazu unten a) noch infolge ihrer exilpolitischen Tätigkeit in Deutschland (vgl. dazu unten b) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete, flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht.

a) Es kann offen bleiben, ob die Klägerin vor ihrer Ausreise aus Äthiopien im Jahr 2013 aufgrund der Geschehnisse, die sie bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt geschildert hat, bereits verfolgt wurde oder von Verfolgung bedroht war und ob sie deshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für sich in Anspruch nehmen kann. Denn selbst wenn man dies zu ihren Gunsten annimmt, sprechen infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nunmehr stichhaltige Gründe gegen die Wiederholung einer solchen Verfolgung, sodass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG nicht greift. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa) Die politische Situation in Äthiopien hat sich für Regierungsgegner und Oppositionelle bereits seit Anfang 2018 deutlich entspannt. Anfang des Jahres kündigte der damalige Premierminister Heilemariam Desalegn nach zweijährigen andauernden Protesten Reformmaßnahmen und die Freilassung von politischen Gefangenen an. Am 15. Februar 2018 gab er bekannt, sein Amt als Regierungschef und Parteivorsitzender der regierenden EPRDF (Ethiopian People‘s Revolutionary Democratic Front) niederzulegen, um den Weg für Reformen freizumachen. Dennoch verhängte die äthiopische Regierung am 16. Februar 2018 einen sechsmonatigen Ausnahmezustand mit der Begründung, Proteste und Unruhen verhindern zu wollen. Nachdem der Rat der EPRDF, die sich aus den vier regionalen Parteien TPLF (Tigray People's Liberation Front), ANDM (Amhara National Democratic Movement), OPDO (Oromo People’s Democratic Organisation) und SEPDM (Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement) zusammensetzt, Abiy Ahmed mit 108 von 180 Stimmen zum Premierminister gewählt hatte (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, SWP-Aktuell von Juni 2018, „Abiy Superstar - Reformer oder Revolutionär“ [im Folgenden: SWP-Aktuell von Juni 2018]; Ministry of Immigration and Integration, The Danish Immigration Service, Ethiopia: Political situation and treatment of opposition, September 2018, Deutsche (Teil)-Übersetzung [im Folgenden: The Danish Immigration Service] S. 11), wurde dieser am 2. April 2018 als neuer Premierminister vereidigt. Zwar kommt Abiy Ahmed ebenfalls aus dem Regierungsbündnis der EPRDF, ist aber der Erste in diesem Amt, der in Äthiopien der Ethnie der Oromo angehört (vgl. Amnesty International, Stellungnahme vom 11.7.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 S. 1), der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, die sich jahrzehntelang gegen wirtschaftliche, kulturelle und politische Marginalisierung wehrte (vgl. Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe-Länderanalyse vom 26.9.2018 zum Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.3.2018 [im Folgenden: Schweizerische Flüchtlingshilfe] S. 5).

Seit seinem Amtsantritt hat Premierminister Abiy Ahmed eine Vielzahl tiefgreifender Reformen in Äthiopien umgesetzt. Mitte Mai 2018 wurden das Kabinett umgebildet und altgediente EPRDF-Funktionsträger abgesetzt; die Mehrheit des Kabinetts besteht nun aus Oromo. Die bisher einflussreiche TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018 [im Folgenden: AA, Ad-hoc-Bericht] S. 8), stellt nur noch zwei Minister (vgl. SWP-Aktuell von Juni 2018). Auch der bisherige Nachrichten- und Sicherheitsdienstchef und der Generalstabschef wurden ausgewechselt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 1; „Focus Äthiopien - Der politische Umbruch 2018“ vom 16. Januar 2019 der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Staatssekretariat für Migration SEM [im Folgenden: SEM] S. 8 f). Die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi wurde zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Äthiopien vom 8.1.2019 [im Folgenden: BFA Länderinformationsblatt] S. 6; SEM S. 7). Am 5. Juni 2018 wurde der am 16. Februar 2018 verhängte sechsmonatige Ausnahmezustand vorzeitig beendet. Mit dem benachbarten Eritrea wurde ein Friedensabkommen geschlossen und Oppositionsparteien eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 5 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 10; SEM S. 6).

Gerade auch für (frühere) Oppositionelle hat sich die Situation deutlich und mit asylrechtlicher Relevanz verbessert. Bereits unmittelbar nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed im April 2018 wurde das berüchtigte „Maekelawi-Gefängnis“ in Addis Abeba geschlossen, in dem offenbar insbesondere auch aus politischen Gründen verhaftete Gefangene verhört worden waren (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14; BFA Länderinformationsblatt S. 24; AA, Ad-hoc-Bericht S. 17). Im August 2018 wurde auch das bis dahin für Folter berüchtigte „Jail Ogaden“ in der Region Somali geschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 24 f.). In der ersten Jahreshälfte 2018 sind ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte Personen vorzeitig entlassen worden. Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 politische Gefangene freigelassen worden, darunter führende Oppositionspolitiker wie der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9 f.), weiterhin der Anführer von Ginbot7, Berghane Nega, der unter dem früheren Regime zum Tode verurteilt worden war, und der Kommandant der ONLF, Abdikarim Muse Qalbi Dhagah (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 6). Am 26. Mai 2018 wurde Andargachew Tsige, ein Führungsmitglied von Ginbot7, begnadigt, der sich kurz nach seiner Entlassung öffentlichwirksam mit Premierminister Abiy Ahmed getroffen hatte (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 10). Neben führenden Politikern befinden sich unter den Freigelassenen auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten (The Danish Immigration Service S. 13).

Am 20. Juli 2018 wurde zudem ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, nach welchem Personen, die bis zum 7. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen bestimmte Artikel des äthiopischen Strafgesetzbuches sowie weiterer Gesetze, insbesondere wegen begangener politischer Vergehen, strafrechtlich verfolgt wurden, innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Amnestie stellen konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019 [im Folgenden: AA, Stellungnahme vom 7.2.2019]; AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; The Danish Immigration Service S. 14).

Weiterhin wurde am 5. Juli 2018 die Einstufung der Untergrund- und Auslands-Oppositionsgruppierungen Ginbot7 (auch Patriotic Ginbot7 oder PG7), OLF und ONLF (Ogaden National Liberation Front) als terroristische Organisationen durch das Parlament von der Terrorliste gestrichen und die Oppositionsgruppen wurden eingeladen, nach Äthiopien zurückzukehren, um am politischen Diskurs teilzunehmen (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019; AA, Ad-hoc-Bericht S. 18 f.; The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 15; VG Bayreuth, U. v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 44 m.w.N.). Daraufhin sind sowohl Vertreter der OLF (Jawar Mohammed) als auch der Ginbot7 (Andargachew Tsige) aus der Diaspora nach Äthiopien zurückgekehrt (vgl. The Danish Immigration Service S. 5, 14 f.; SEM S. 17, 19). Nach einem Treffen des Gründers und Vorsitzenden der Ginbot7 (Berhanu Nega) mit Premierminister Abiy Ahmed im Mai 2018 hat die Ginbot7 der Gewalt abgeschworen (SEM S. 17). Die ONLF verkündete am 12. August 2018 einen einseitigen Waffenstillstand und unterzeichnete am 21. Oktober 2018 ein Friedensabkommen mit der äthiopischen Regierung (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 22; SEM S. 24 f.). 1.700 Rebellen der ONLF in Äthiopien haben inzwischen ihre Waffen niedergelegt (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 9.2.2019 „Separatisten in Äthiopien legen Waffen nieder“). Am 7. August 2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF in Asmara (Eritrea) ein Versöhnungsabkommen. Am 15. September 2018 wurde in Addis Abeba die Rückkehr der OLF unter der Führung von Dawud Ibsa gefeiert. Die Führung der OLF kündigte an, nach einer Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 17.9.2018 - Äthiopien; SEM S. 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 5; WELT vom 15.9.2018, „Zehntausende begrüßen Rückkehr der Oromo-Rebellen in Äthiopiens Hauptstadt“). In den vergangenen sechs Monaten sind verschiedene herausgehobene äthiopische Exilpolitiker nach Äthiopien zurückgekehrt, die nunmehr teilweise aktive Rollen im politischen Geschehen haben (vgl. AA, Stellungahme vom 7.2.2019). So wurde etwa die Oppositionspolitikerin Birtukan Mideksa, die Anfang November 2018 nach sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurückkehrte, am 23. November 2018 zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission gewählt (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 23; SEM S. 7).

Schließlich wurden Verbote für soziale Medien aufgehoben. Im Juni 2018 hat die Regierung beschlossen, eine Reihe von Webseiten, Blogs, Radio- und TV-Sendern zu entsperren, die für die Bevölkerung vorher nicht zugänglich gewesen sind. Dies betraf nach Bericht eines nationalen Beobachters auch die beiden in der Diaspora angesiedelten TV-Sender ESAT und OMN (vgl. The Danish Immigration Service S. 12); die Anklage gegen den Leiter des OMN, Jawar Mohammed, wurde fallengelassen (vgl. BFA Länderinformationsblatt, S. 22).

Unter Zugrundelegung dieser positiven Entwicklungen ist nicht anzunehmen, dass bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der von ihr angegebenen früheren oppositionellen Tätigkeit noch Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für den Fall einer früheren eigenen Unterstützung der EPPF (Ethiopian People’s Patriotic Front) durch das Kopieren, Schreiben und die Weitergabe politischer Schriftstücke oder infolge der vorgetragenen Unterstützung der EPPF durch ihren Vater in Äthiopien verfolgt werden könnte. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass die EPPF der Ginbot7 nahesteht (der Armeeflügel der EPPF wurde 2006 mit Ginbot7 verschmolzen, vgl. AA, Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.2018 S. 2; im Jahr 2015 haben sich Ginbot7 und EPPF zum Bündnis „Arbegnoch - Ginbot7 for Unity and Democracy Movement (AGUDM)“ zusammengeschlossen, vgl. GIGA - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, Stellungnahme vom 19.5.2018 an den Verwaltungsgerichtshof S. 5) und die Ginbot7 von der Terrorliste gestrichen wurde, tausende von politischen Gefangenen freigelassen wurden und in den vergangenen Monaten sogar ehemals führende Oppositionspolitiker unbehelligt nach Äthiopien zurückgekehrt sind, spricht alles dafür, dass auch die Klägerin trotz einer eventuellen früheren Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr keiner der in § 3a AsylG aufgeführten Verfolgungshandlungen (mehr) ausgesetzt sein wird.

bb) Zwar haben die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten. So ist es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Regierung und der Bevölkerung gekommen. Auch leidet das Land mehr denn je unter ethnischen Konflikten (vgl. The Danish Immigration Service S. 11). Am 15. September 2018 kam es nach Rückkehr der Führung der OLF zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8, 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7). Bei einer Demonstration gegen die Untätigkeit der Regierung bezüglich der ethnisch motivierten Zusammenstöße im ganzen Land vertrieb die Polizei die Demonstranten gewaltsam und erschoss dabei fünf Personen. Insgesamt 28 Menschen fanden bei den Zusammenstößen angeblich den Tod. Kurz darauf wurden mehr als 3.000 junge Personen festgenommen, davon 1.200 wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration gegen ethnische Gewalt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe S. 7), die laut Angaben der Polizei nach „Resozialisierungstrainings“ allerdings wieder entlassen wurden (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 11; SEM S. 20). Auch soll die äthiopische Luftwaffe bei Angriffen im Regionalstaat Oromia am 12./13. Januar 2019 sieben Zivilisten getötet haben. Die Regierung räumte hierzu ein, Soldaten in die Region verlegt zu haben, warf der OLF aber kriminelle Handlungen vor. Mit einer Militäroffensive sollte die Lage wieder stabilisiert werden (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien; vgl. auch SEM S. 21 f.).

Auch in den Regionen sind Gewaltkonflikte nach wie vor nicht unter Kontrolle (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 6 f.; SEM S. 30 ff.). In den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 8 f.). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia-Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten in der Somali-Region geflohen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 9 f.). Auch in der Region Benishangul Gumuz sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien, welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt dauern die Konflikte weiterhin an. Ebenso gibt es an der Grenze zwischen der Region Oromia und der SNNPR bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an Binnenflüchtlingen in Äthiopien deswegen allein in der ersten Jahreshälfte 2018 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“).

Bei diesen Ereignissen handelt es sich nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der angeführten Erkenntnismittel aber nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen. Dies zeigt etwa auch die Tatsache, dass das äthiopische Parlament am 24. Dezember 2018 ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet hat, deren Hauptaufgabe es ist, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 20). Am 20. Dezember 2018 hat das äthiopische Repräsentantenhaus als Reaktion auf die ethnischen Konflikte zudem beschlossen, auf Bundesebene eine Kommission für Verwaltungsgrenzen und Identitätsfragen zu schaffen (vgl. SEM S. 32 f.).

cc) Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Situation in Äthiopien sei trotz des politischen Umbruchs noch nicht stabil, ist dies tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Dem kommt nach Auffassung des Senats aber asylrechtlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass trotz der tiefgreifenden Veränderungen in Äthiopien seit der Machtübernahme von Premierminister Abiy Ahmed die Verhältnisse noch nicht als gefestigt gewertet werden können. Dafür dürfte vor allem der Umstand sprechen, dass sich nach dem Machtantritt des neuen Premierministers, der vor allem mit den Stimmen aus Oromia und Amhara, aber gegen die Stimmen der Tigray und der Vertreter der Region der südlichen Nationen gewählt wurde, die Spannungen zwischen der regierenden EPRDF, die bislang von der Ethnie ihrer Gründungsgruppe TPLF dominiert wurde, welche die Tigray repräsentiert, und der Region Tigray in jüngster Zeit verschärft haben, offenbar nachdem die Regierung gegen Mitglieder der TPLF vorgegangen war. Als Folge der veränderten Machtverhältnisse innerhalb der Führung der EPDRF sind neue Formen der ethnisch motivierten Gewalt aufgetreten (vgl. The Danish Immigration Service S. 9, 11; SEM S. 8 ff., 26), die vor allem in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle sind. Hierdurch ist die Zahl der Binnenflüchtlinge erheblich gestiegen und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 7; Neue Züricher Zeitung vom 27.12.2018, „Äthiopiens schmaler Grat zwischen Demokratie und Chaos“). Auch auf Premierminister Abiy Ahmed selbst wurde bereits ein Anschlag verübt (nordbayern.de vom 18.11.2018 „Für eine Rückkehr nach Äthiopien ist es viel zu früh“; vgl. SWP-Aktuell Nr. 32 von Juni 2018, „Abiy-Superstar - Reformer oder Revolutionär“) und gegen ihn ein Putschversuch unternommen (vgl. SEM S. 29).

Für das Vorliegen „stichhaltiger Gründe“ im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, durch die die Vermutung der Wiederholung einer Vorverfolgung widerlegt wird, ist es aber nicht erforderlich, dass die Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit einer Vorverfolgung entkräften, dauerhaft beseitigt sind. Soweit in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung - ohne genauere Auseinandersetzung mit der insoweit einschlägigen Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU - die Auffassung vertreten wird, dass die nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU maßgebenden stichhaltigen Gründe keine anderen Gründe sein könnten als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU maßgebend sind (vgl. Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie, 2. Aufl. 2012, § 29 Rn. 58; VGH BW, U.v. 27.8.2014 - A 11 S 1128/14 - Asylmagazin 2014, 389 = juris Rn. 34; U.v. 3.11.2016 - A 9 S 303/15 - juris Rn. 35; U.v. 30.5.2017 - A 9 S 991/15 - juris Rn. 28), vermag dem der Senat nicht zu folgen. Anders als im Rahmen der Prüfung eines nachträglichen Grundes für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f RL 2011/95/EU, bei der nach Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU zu untersuchen ist, ob die Veränderung der Umstände, aufgrund derer ein Drittstaatangehöriger oder ein Staatenloser als Flüchtling anerkannt wurde, erheblich und nicht nur vorübergehend ist, sieht die Regelung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU eine solche Untersuchung nicht vor.

Eine entsprechende Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 RL 2011/95/EU im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU scheidet nach Auffassung des Senats aus, weil die Sach- und Interessenlage in beiden Fällen nicht vergleichbar ist. Während es im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU nämlich um eine Beweiserleichterung für die erstmalige Anerkennung eines Asylsuchenden als Flüchtling geht, betrifft Art. 11 RL 2011/95/EU, der seine Umsetzung in den §§ 72 ff. AsylG erfahren hat, die Beendigung und das Erlöschen des Flüchtlingsstatus nach einer bereits erfolgten Anerkennung. Im letzteren Fall hat der Betroffene also bereits einen gesicherten Rechtsstatus erhalten, der ihm nach dem Willen des Richtliniengebers aus Gründen des Vertrauensschutzes nur unter engen Voraussetzungen wieder entzogen können werden soll (vgl. zur gleichlautenden (Vorgänger-)Regelung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, KOM(2001) 510 endgültig, S. 26 f., wonach „der Mitgliedstaat, der sich auf die Beendigungsklausel beruft, sicherstellen muss, dass Personen, die das Land aus zwingenden, auf früheren Verfolgungen oder dem Erleiden eines ernsthaften nicht gerechtfertigten Schadens beruhenden Gründen nicht verlassen wollen, ein angemessener Status zuerkannt wird und sie die erworbenen Rechte behalten“; vgl. auch zum Erlöschen des subsidiären Schutzes nach Art. 16 RL 2011/95/EU die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 24.1.2019 zur Rechtssache C-720/17, wonach „nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Veränderung so wesentlich und nicht nur vorübergehend sein muss, dass zuerkannte Status nicht ständig in Frage gestellt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsland der Begünstigten kurzfristig ändert, was diesen die Stabilität ihrer Situation garantiert“). An einem entsprechenden Vertrauensschutz fehlt es, wenn ein Kläger sein Heimatland zwar vorverfolgt im Sinn des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen hat, ihm jedoch noch kein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem von der zitierten Rechtsprechung und Literatur in Bezug genommenen Urteil des EuGH vom 2. März 2010 (Az. C-175/08 u.a. - NVwZ 2010, 505 - Abdullah) entnehmen, zumal auch diese Entscheidung lediglich das Erlöschen des Flüchtlingsstatus betrifft.

b) Ebenso wenig ergibt sich nach aktueller Auskunftslage die Gefahr politischer Verfolgung aufgrund von Umständen nach der Ausreise der Klägerin aus Äthiopien (sog. Nachfluchtgründe, § 28 Abs. 1a AsylG). Insbesondere ist die exilpolitische Betätigung der Klägerin in Deutschland für die der Ginbot7 nahestehenden EPPFG bzw. der Nachfolgeorganisation EDFM (Ethiopian Democratic Forces Movement) infolge der Veränderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien nicht (mehr) geeignet, eine derartige Furcht zu begründen.

Insoweit gelten die obigen Ausführungen (vgl. unter Rn.27 ff.) entsprechend. Aufgrund der jüngsten gesetzlichen Regelungen und der Maßnahmen der Regierung unter Führung von Premierminister Abiy Ahmed, insbesondere der Streichung der Ginbot7 von der Terrorliste und der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie - wie die Klägerin - (einfaches) Mitglied der EPCOU (Ethiopian Political and Civil Organization Union) sowie der EPPFG bzw. EDFM sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen oder andere Aktivitäten wie etwa als Editor, Bayer Media and Communication Head oder Nachrichtensprecherin oder auch durch regierungskritische Äußerungen oder Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften oder sonstigen Medien unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind (vgl. ebenso VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 - B 7 K 17.32826 - juris Rn. 48; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 - RO 2 K 17.32132 - juris Leitsatz und Rn. 34; VG Düsseldorf, U.v. 13.12.2018 - 6 K 4004/17.A - juris Rn. 54). Dies bestätigt auch die Einschätzung des Auswärtigen Amts, wonach aktuell nicht davon auszugehen ist, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. AA, Stellungnahme vom 7.2.2019 S. 2). Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Britischen Botschaft, nach dessen Einschätzung es Mitgliedern der Diaspora, die sich entscheiden, nach Äthiopien zurückzukehren, erlaubt ist, sich wieder als Bürger in die Gesellschaft zu integrieren und etwa auch Privatunternehmen zu gründen (vgl. The Danish Immigration Service S. 19). Hinzukommt, dass nach eigener Darstellung der Klägerin die Organisationen, für welche sie in Deutschland tätig war, seit etwa einem Jahr ihre Aktivitäten eingestellt haben, um den Wandel und den neuen Premierminister Abiy Ahmed zu unterstützen (vgl. S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019).

Abgesehen davon begründet infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 allein die Tatsache, dass sich äthiopische Asylbewerber in Deutschland exponiert (vgl. zu diesem Kriterium BayVGH, B.v. 14.11.2017 - 21 ZB 17.31340 - juris Rn. 2; B.v. 14.7.2015 - 21 ZB 15.30119 - juris Rn. 5; U.v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris Rn. 16) exilpolitisch betätigt haben, grundsätzlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgungsgefahr; eine Rückkehrgefährdung erscheint auf Basis der aktuellen Auskunftslage allenfalls noch in besonders gelagerten Ausnahmefällen denkbar (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 - 8 B 18.30257 - noch nicht veröffentlicht; ebenso VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 - B 7 K 17.33349 - juris Rn. 64; ähnlich VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 - RO 2 E 18.31617 - juris Rn. 25; VG Ansbach, B.v. 11.10.2018 - AN 3 E 18.31175 - juris Rn. 36). Diese Einschätzung wird insbesondere dadurch belegt, dass inzwischen namhafte Vertreter der äthiopischen Exilopposition der Einladung des neuen Premierministers gefolgt und zurückgekehrt sind, um sich am politischen Diskurs in Äthiopien zu beteiligen (vgl. The Danish Immigration Service S. 5; BFA Länderinformationsblatt S. 5; SEM S. 15; vgl. eingehend hierzu oben Rn. 31).

Auch der Hinweis der Klägerin auf regionale (ethnische) Konflikte rechtfertigt keine andere Einschätzung. Dass es in letzter Zeit nach ethnischen Auseinandersetzungen zu gewalttätigen Zusammenstößen von Oppositionsgruppen mit der Regierung gekommen ist (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien), liegt nach der Überzeugung das Bestreben der Regierung zugrunde, bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden sowie bestehende Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien zu bekämpfen und durch hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften und gegebenenfalls durch militärisches Eingreifen die Lage zu beruhigen (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 9; BFA Länderinformationsblatt S. 11, 15; BAMF, Briefing Notes vom 21. Januar 2019 - Äthiopien). Insoweit handelt es sich nicht um gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle, sondern um die Ahndung kriminellen Unrechts und die Abwehr allgemeiner Gefahren.

Für die Annahme der Klägerin, nur prominente Oppositionspolitiker würden vom Staat verschont, unbekannte Personen, die sich gegen die Politik der regierenden EPRDF gestellt hätten oder stellten, seien hingegen weiterhin von Verfolgung bedroht, gibt es ebenfalls keine Anhaltpunkte. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass nach dem Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed weiterhin zahlreiche Personen ohne Anklage in Haft verblieben sind (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 6, 9), nicht die Annahme, dass Rückkehrer aus dem Exil mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten, zumal nach Angaben eines nationalen Beobachters eine Reihe von Gefangenen schlichtweg „vergessen wurde“ (vgl. The Danish Immigration Service S. 13 f.). Darüber hinaus spricht auch der generelle Erlass des Amnestiegesetzes gegen die Annahme, nur herausgehobene politische Gegner könnten hiervon betroffen sein. Schließlich sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen ihrer exilpolitischen Tätigkeit durch die äthiopischen Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden (vgl. AA, Stellungnahme vom 14.6.2018 S. 4; AA, Ad-hoc-Bericht S. 25). Auch wenn die sechsmonatige Frist zur Beantragung der Amnestie inzwischen abgelaufen ist, worauf die Klägerin hinweist, ist angesichts des unter Abiy Ahmed eingeleiteten Dialogs zur Rückkehr und zum Dialog von Oppositionsangehörigen (vgl. oben unter I.2 a) aa)) grundsätzlich nicht mit Verfolgungsmaßnahmen gegen im Ausland exilpolitisch tätig gewordenen Asylbewerbern zu rechnen.

c) Angesichts der in das Verfahren eingeführten und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26. März 2018 eingeholten Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Auskünfte vom 7.2.2019 an den Verwaltungsgerichtshof bzw. das Verwaltungsgericht Dresden und Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018, BFA Länderinformationsblatt vom 8.1.2018; The Danish Immigration Service, September 2018) verfügt der Senat über die erforderliche Sachkunde, ohne dass es der Einholung weiterer Sachverständigengutachten oder Auskünfte bedurfte (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2000 - 9 B 518.99 - NVwZ 2000, Beilage Nr. 9, 99 = juris Rn. 12; B.v. 11.2.1999 - 9 B 381.98 - DVBl 1999, 1206 = juris Rn. 4; OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2019 - OVG 3 B 27.17 - juris Rn. 45). Dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bedingt gestellten Beweisantrag zu der behaupteten Tatsache, dass äthiopische Staatsangehörige, die in Deutschland für die EPPFG sowie die EDFMS politisch aktiv und dies gerade in einer Leitungsfunktion sind oder dies gewesen sind, im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten festgenommen, für unbestimmte Zeit in Haft gehalten wurden und werden und ihnen durch äthiopische Sicherheitskräfte Misshandlungen und Folterungen drohen, musste deshalb nicht entsprochen werden.

Die Klägerin hat zudem nicht substanziiert dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung bessere oder andere Erkenntnisse bringen würde als die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Materialien (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2014 - 13a ZB 14.30073 - juris Rn. 8). Soweit sie sich darauf beruft, die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017 an den Verwaltungsgerichtshof sei widersprüchlich bzw. unzureichend, weil sie auf das Schreiben vom 14. Juni 2018 verweise, in dem es die Rückkehrgefährdung einfacher Mitlieder exilpolitischer Organisationen nicht abschließend bewertet habe und sich mit der Aussage des Ad-hoc-Berichts vom 17. Oktober 2018, der eine Rückkehrgefährdung dieser Personen für möglich halte, nicht auseinandersetze, kann dem nicht gefolgt werden. Die daraus gezogene Schlussfolgerung des Klägers, es sei nicht hinreichend geklärt, wie sich die Verfolgungssituation von Oppositionellen in Äthiopien aktuell darstelle, teilt der Senat nicht. Die Aussagekraft der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, es sei nicht davon auszugehen, dass eine (einfache) Mitgliedschaft einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht (mehr) als Terrororganisation eingestuft ist bzw. einer ihr nahestehenden Organisation, bei aktueller Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen nach sich zieht (vgl. S. 2 des Schreibens an den Verwaltungsgerichtshof vom 7.2.2019) wird nicht dadurch geschmälert, dass sich die Auskunftsbehörde nicht ausdrücklich mit ihren früheren, hiervon teilweise abweichenden Einschätzungen, auseinandersetzt. Im Übrigen hat das Auswärtige Amt seine aktuelle Einschätzung in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Dresden vom 7. Februar 2019, die der Senat in der mündlichen Verhandlung ergänzend in das Verfahren eingeführt hat, bestätigt. Hiernach liegen dem Auswärtigen Amt, dessen Einschätzungen maßgeblich auf vor Ort gewonnenen Erkenntnissen der Auslandsvertretungen beruhen, keine Hinweise darauf vor, dass in jüngster Zeit Anhänger bzw. Unterstützer von der Terrorliste gestrichener oppositioneller Gruppierungen alleine aufgrund dieser Eigenschaft angeklagt oder angegriffen würden (vgl. S. 2 des Schreibens vom 7.2.2019 an das VG Dresden). Diese Bewertung steht auch im Einklang mit der Aussage des Dänischen Ministeriums für Immigration und Integration, wonach sich die Gesamtsituation für die Oppositionsparteien nach der Ernennung Abiy Ahmeds verbessert habe (vgl. The Danish Immigration Service S. 5); die letztgenannte Aussage beruht u.a. auf der Einschätzung der Britischen Botschaft, wonach Personen mit einer mutmaßlichen Verbindung zu Oppositionsgruppen nicht mehr festgenommen und die meisten politischen Gefangenen freigelassen würden (vgl. The Danish Immigration Service S. 23). Inwieweit die vom Kläger vorgelegte Veröffentlichung „Focus Äthiopien - Der politische Umbruch 2018“ vom 16. Januar 2019 der Schweizerischen Eidgenossenschaft diesen u.a. auf Botschaftsinformationen beruhenden Lagebewertungen entgegenstünde, hat der Kläger nicht substanziiert dargelegt. Im Übrigen geht auch dieser Bericht davon aus, dass viele Oppositionsparteien - darunter Ginbot7 (vgl. SEM S. 16 f.) - inzwischen entkriminalisiert sind (vgl. SEM S. 33).

Im Übrigen fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit, soweit sich der bedingte Beweisantrag - in Abweichung von dem für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) - auf die Behauptung der Festnahme und Inhaftierung in der Vergangenheit bezieht („wurden“).

II.

Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes in Deutschland zu.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Dass der Klägerin bei ihrer Rückkehr die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), macht sie selbst nicht geltend.

2. Ebenso wenig kann angesichts der oben genannten grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien angenommen werden, dass der Klägerin in Äthiopien Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG drohen. Unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien scheidet die Gewährung subsidiären Schutzes schon deswegen aus, weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens insoweit nicht von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG (zu diesem Erfordernis vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

3. Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu.

Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt liegt vor, wenn die Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist. Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens für jedermann aufgrund eines solchen Konflikts ist erst dann gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt eine solche Gefahrendichte für Zivilpersonen mit sich bringt, dass alle Bewohner des maßgeblichen, betroffenen Gebiets ernsthaft individuell bedroht sind. Das Vorherrschen eines so hohen Niveaus willkürlicher Gewalt, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, bleibt außergewöhnlichen Situationen vorbehalten, die durch einen sehr hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sind. Eine Individualisierung kann sich insbesondere aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen in der Person des Schutzsuchenden ergeben, die ihn von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird (zum Ganzen vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei der Klägerin, die keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, nicht vor. Zwar werden, wie vorstehend ausgeführt, in Äthiopien zunehmend ethnische Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen, die erhebliche Binnenvertreibungen zur Folge haben. Es gibt nach aktueller Erkenntnislage aber in keiner Region Äthiopiens bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Konflikte zwischen Ethnien, wie sie etwa in der Südregion von Gambella oder im Grenzgebiet der Siedlungsgebiete von Oromo und Somali vorkommen, oder die Auseinandersetzungen der Regierung mit bewaffneten Oppositionsbewegungen, insbesondere Ogaden, haben trotz begrenzten Einflusses und Kontrolle der Zentralregierung in der Somali-Region keine derartige Intensität (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht S. 20). Jedenfalls lässt sich für die äthiopische Hauptstadt, wo sich die Klägerin zuletzt aufgehalten hat, bzw. für die Stadt Welkite, aus der sie stammt, nicht feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass jede Zivilperson im Fall einer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.

III.

Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK auf Grund schlechter humanitärer Bedingungen liegen ebenfalls nicht vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 9). Sind Armut und staatliche Mittel ursächlich für schlechte humanitäre Bedingungen, kann dies nur in „ganz außergewöhnlichen Fällen“ zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind (vgl. EGMR, U. v. 28.6.2011 - 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f.; BVerwG U.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - NVwZ 2019, 61 Rn. 9 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 Leitsatz 3 und Rn. 23; VGH BW, U. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 82 ff. m.w.N.).

Dass sich die Klägerin in einer derartigen besonders gravierenden Lage befände, macht sie weder geltend noch ist dies sonst ersichtlich. Zwar ist Äthiopien bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt. Auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag, lebt ein signifikanter Teil der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (vgl. BFA Länderinformationsblatt S. 33 f.).

Trotz dieser schwierigen Bedingungen ist aber nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihren Lebensunterhalt in Äthiopien nicht bestreiten könnte. Sie hat eine qualifizierte Schulausbildung von 12 Schuljahren genossen, ist 30 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. Sie hat in Addis Abeba vor ihrer Ausreise in einem eigenen Büro entgeltliche Schreibtätigkeiten ausgeführt und macht derzeit in Deutschland eine Ausbildung im Bereich Mediengestaltung. Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsmöglichkeit in Äthiopien, insbesondere in der Hauptstadt Addis Abeba, bestehen nicht. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin als ledige Mutter eines Kleinkindes nach Äthiopien zurückkehren würde. Das Auswärtige Amt hat in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Stuttgart vom 13. Juli 2017 ausgeführt, dass es möglich ist, dass eine alleinstehende Mutter in Äthiopien einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Auch nach Auskunftslage des BFA sind berufstätige Mütter in Addis Abeba an der Tagesordnung (Länderinformationsblatt S. 30). Da die Klägerin über eine gute Schulbildung sowie eine Berufsausbildung verfügt, hat sie im Vergleich zu anderen äthiopischen Frauen bessere Chancen auf eine Erwerbstätigkeit und ein höheres Gehalt, zumal beides nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes wie in Deutschland oft von Schul- bzw. Sekundarbildung abhängig ist (vgl. S. 1 des Schreibens vom 7.2.2019 an das VG Stuttgart). Im Übrigen leben nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 12.3.2019) ihre alleinstehende Mutter, ihr Bruder sowie noch eine Tante väterlicherseits in Äthiopien. Die Klägerin verfügt damit zum einen über Betreuungsmöglichkeiten für ihren Sohn sowie zum anderen über ein familiäres Netzwerk vor Ort, welches auch nach ihren eigenem Vortrag eine wichtige Vorbedingung dafür ist, als unverheiratete Frau ein eigenes Leben aufzubauen und für sich selbst sorgen zu können.

Vor diesem Hintergrund drängt sich keine Beweiserhebung auf. Dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag zu der behaupteten Tatsache, dass es einer äthiopischen Staatsangehörigen mit einem nichtehelichen Kind ohne familiäre Unterstützung oder Netzwerk unmöglich sei, ihr wirtschaftliches Existenzminimum durch eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen, war nicht weiter nachzugehen. Die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten sowie die von der Klägerin vorgelegten Erkenntnisquellen versetzen den Senat in die Lage, sich über das Beweisthema ein umfassendes Bild zu verschaffen sowie eine hinreichend sichere Beurteilung der aufgeworfenen Frage (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2013 - 10 B 34.12 - NVwZ-RR, 620 ff.). Das Gericht verfügt insofern über genügend eigene Sachkunde. Ferner hat die Klägerin nicht substanziiert dargetan, dass die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse bringen würde als die, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.

Insofern sind weder unter Zugrundelegung der landesweiten Lebensverhältnisse in Äthiopien noch bei Berücksichtigung der persönlichen Situation der Klägerin die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt.

IV.

Ebenso wenig besteht wegen der schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Bestimmung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach dieser Bestimmung setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Allerdings kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 31 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

Nach diesen Maßstäben ist bei der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung im Hinblick auf die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien zu verneinen. Die obigen Ausführungen gelten insoweit entsprechend (vgl. oben Rn. 55).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die 1987 geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige und Volkszugehörige der Dorze. Sie reiste am 11. August 2013 von ... aus mit einem Schengen-Visum, ausgestellt von der Deutschen Botschaft in ... mit Gültigkeit vom 10. August 2013 bis 9. September 2013 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 11. September 2013 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aus der VISA-Gesamtauskunft (Blatt 24 der Behördenakte) ist ersichtlich, dass die Klägerin bereits in den Jahren 2011 und 2012 im Besitz eines Visums war.

Zu ihrem Reiseweg erklärte sie, sie sei im November 2008 von ... mit dem Flugzeug nach ... geflogen. Dort habe sie Arbeit angenommen. Von ... aus sei sie mit der Familie ihres Arbeitgebers nach ... geflogen. Dort habe sie am 13. August 2013 die Familie verlassen. Sie sei dann ohne Ziel auf der Straße herumgelaufen, bis die Personen aus einem afrikanischen Land getroffen habe. Bei diesen Personen, deren Namen und genaue Herkunft sie nicht sagen könne, habe sie sich ungefähr 17 Tage aufgehalten und sei dann am 7. September 2013 mit dem Zug nach ... gekommen. Die Afrikaner hätten ihr dabei geholfen und auch das Ticket bezahlt, da sie kein Geld gehabt habe. Die Ausreise sei legal erfolgt mit einem äthiopischen Reisepass, den sie letztmals im Jahr 2012 in ... bei der äthiopischen Botschaft habe verlängern lassen. Sie sei jedoch zu keinem Zeitpunkt im Besitz dieser Papiere gewesen, der Reisepass habe sich bei ihrem Arbeitgeber befunden und sie habe ihn dort zurückgelassen.

Zur ihrem Verfolgungsschicksal erklärte sie, sie habe sich nach dem Besuch der Schule in den Jahren 2005 bis 2007 der Jugendorganisation der EPRDF angeschlossen. Dort sei sie jedoch diskriminiert worden, während die Tigrays bevorzugt worden seien. Eine Freundin habe der Klägerin schließlich von der EPPF und vom Untergrund erzählt, nachdem die Klägerin ihr erzählt hätte, dass sie aus der Jugendorganisation austreten wolle. Im Untergrund habe sie gemeinsam mit anderen Oppositionellen politische Bewegungen und Aktivitäten gemacht. Im Januar 2008 sei die Klägerin zwei Tage lang in ... unterwegs gewesen, um Unterlagen und Geld zu überbringen. Nachdem sie aus ... zurückgekehrt sei, sei sie von Zivilisten verfolgt und beobachtet worden. Sie habe ihre politischen Aktivitäten fortgesetzt und sei im September 2008 erneut nach ... gegangen. In dieser Zeit seien Polizisten bei ihr zuhause eingedrungen und das Haus sei durchsucht worden. Dort seien Unterlagen sichergestellt worden. Ihre Familie habe der Klägerin gesagt, dass jetzt nach ihr gesucht werde, sie habe sich deshalb noch bis Oktober 2008 in ... aufgehalten. Sie habe ihrer Familie gesagt, wo sich ihr Reisepass befände und mit diesem habe sie schließlich das Land verlassen. Die Ausreise von ihrer Schwester bezahlt worden. In der Familie in ... habe sie als Hausmädchen gearbeitet. Dort sie jedoch schlecht behandelt worden und habe eine Deutschlandreise zur Asylantragstellung genutzt.

Des Weiteren legte die Klägerin eine Bescheinigung der EPPF-G vom 13. Dezember 2013 vor, wonach sie Mitglieder dieser Organisation sei. Außerdem legte sie Fotografien vor, die sie auf Veranstaltungen der EPPF zeigen sollen, eine Aufnahme stammt vom 10. September 2014. Des Weiteren finden sich in den Behördenakten Teilnahmebescheinigungen an Veranstaltungen der EPPF-G vom 13. Dezember 2013, vom 15. Februar 2014 und vom 10. Mai 2014.

Mit Bescheid vom 29. März 2016, der am 5. April 2016 zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihr anderenfalls die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rücknahme bereiten oder verpflichteten Staat an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Zur Begründung wird vorgetragen, der Sachvortrag der Klägerin zu ihrer Verfolgung im Herkunftsland sei unglaubhaft und vermittle nicht den Eindruck, sie habe Äthiopien aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Erhebliche Zweifel ergäben sich bereits daraus, dass die Klägerin Äthiopien auf dem Luftweg über den Flughafen ... verlassen habe, obwohl sie von den äthiopischen Behörden verfolgt worden sein wolle. Denn der Flughafen ... habe einen unvergleichlich hohen Sicherheitsstandard bei Pass- und den Devisenkontrollen. Es sei daher kaum vorstellbar, dass eine Person, die von der Polizei oder anderen Behörden gesucht werde, mit einem eigenen Pass ausreisen könne. Außerdem sei der Sachvortrag der Klägerin viel zu unsubstantiiert und stütze sich in wesentlichen Punkten auf lebensfremde und unglaubhafte Angaben. Insbesondere sei der Vortrag zu den Umständen, die die Flucht ausgelöst hätten, sehr knapp und nicht der lebensbedrohlichen Situation angemessen erfolgt. Ebenso sei ihr Engagement für die EPPF und die damit verbundenen Aufgaben undetailliert geblieben. Auch spreche die Tatsache, dass sie im Februar 2012 bei der äthiopischen Botschaft in ... ihren Reisepass verlängert habe, gegen die geschilderten Fluchtumstände. Es sei nicht glaubhaft, dass sie sich aus freien Stücken in den Zugriffsbereich ihres Verfolgerstaates begeben habe, welcher ihre Papiere offenbar ohne Probleme verlängert habe.

Auch die exilpolitische Betätigung für die EPPF begründe keinen Flüchtlingsschutz, da einfache Mitglieder für den Fall ihrer Rückkehr nach Äthiopien nach der Auskunftslage nicht mit politischen Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten. Zudem sei die Klägerin nicht in einer aktiven Weise tätig geworden, die sie aus dem großen Kreis der bloßen Mitläufer erkennbar hervorhebe. Mittlerweile sei es üblich, dass äthiopische Asylbewerber nach einer gewissen Zeit in Deutschland eine Fülle von Teilnahmebescheinigungen oder anderen Schreiben der Organisation im Verfahren vorlegten. Durch ihren inflationären Gebrauch sei offensichtlich, dass sie keineswegs eine exponierte Stellung innehätten, sondern lediglich ein Engagement auf niedrigem Niveau betrieben. Im Übrigen wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten, der am 15. April 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, beantragte die Klägerin,

die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1, 3, 4, 5 und 6 des Bescheides vom 29. März 2016 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 26. April 2016,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2016 wurde das Verwaltungsstreitverfahren auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, insbesondere auf die von der Klägerin zum Nachweis exilpolitischer Betätigung vorgelegten Bescheinigungen, Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid vom 29. März 2016 ist im Umfange des Klagebegehrens rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ihr steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach

§ 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (Hauptantrag) noch auf Zuerkennung des subsidiären Flüchtlingsstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge) zu.

1. Vorliegend ist kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Ergänzend hierzu bestimmt § 3 a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3 b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3 c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3 d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3 e AsylG den internen Schutz.

§ 3 a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss.

Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.

Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs.1 AsylG) zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.

Die Klägerin erklärte, sie sei im Jahre 2008 im Zusammenhang mit ihrem Engagement für die EPPF zur Ausreise gezwungen gewesen, nachdem Regierungsleute, während sie sich wegen ihrer politischen Arbeit in ... aufgehalten habe, in ihrer Wohnung in ... Dokumente der Organisation gefunden und beschlagnahmt hätten. Ihr Reisepass sei dabei nicht beschlagnahmt worden, vielmehr habe diesen ihre Familie an sich genommen und ihr nach ... gebracht, von wo aus sie dann mit Hilfe ihrer Schwester, die in Kuweit lebe, nach ... gereist sei.

Das von der Klägerin geschilderte Verfolgungsschicksal ist unglaubhaft. Die Klägerin beschrieb die fluchtauslösenden Umstände in der mündlichen Verhandlung wenig detailreich und wenig anschaulich, außerdem erklärte sie mit kleinem Wort, worin genau eigentlich ihre politische Arbeit in Äthiopien bestanden haben soll. Es wurde nicht deutlich, dass das Verhalten der Klägerin von einem ernsthaften politischen Willen, sich gegen das Regime in Äthiopien einzusetzen, getragen war. Die Klägerin machte keinerlei Ausführungen dazu, um welche Unterlagen es sich gehandelt haben soll und weshalb ihr wegen des Auffindens eine Inhaftierung gedroht haben sollte. Die Schilderungen, wonach ihre Familie von der Wohnungsdurchsuchung erfahren haben, sie gewarnt und ihre Ausreise organisiert haben will, erscheinen im Zusammenhang mit der Angabe, dass zwar politische Unterlagen in ihrer Wohnung gefunden und beschlagnahmt wurden, nicht jedoch ihr Reisepass, mit dem sie dann auch aus Äthiopien ausgereist sein will, insgesamt eher unwahrscheinlich. Nachdem sich die Klägerin ohne Personaldokumente in Deutschland aufhält, sind die Angaben zu ihrer Person nicht überprüfbar. Dass es ihr nicht gelungen sein sollte, entsprechende Dokumente zu beschaffen, ist insbesondere deshalb nicht glaubhaft, weil nach eigenen Angaben ihr äthiopischer Reisepass während ihres Aufenthalts in ... problemlos verlängert wurde und es auch keinerlei Probleme bei ihrer Ausreise aus Äthiopien gab. Dies passt im Übrigen auch nicht zu ihren geschilderten ausreisebegründenden Umständen, da der äthiopische Staat die Ausreise gesuchter Regimegegner in der Regel verhindern wird. Die Angaben der Klägerin, es seien hierzu Bestechungsgelder gezahlt worden, wirkten angesichts der für sie extrem gefährlichen Ausreisesituation erstaunlich wenig emotional, wohingegen die Klägerin das Unrecht, das ihr in ... zugefügt wurde, mit erheblich größeren Emotionen in der mündlichen Verhandlung schilderte.

Die Klägerin berichtete auch nicht, dass sie während ihres Aufenthalts in Katar politisch interessiert gewesen sei und wie es ihr in dieser Zeit mit ihrer - abgebrochenen - politischen Arbeit erging oder wie und ob sie versuchte, ihr Engagement und ihre politischen Kontakte in die Heimat aufrecht zu erhalten, wie man es von einem Menschen erwarten würde, der aus politischen Gründen seine Heimat und seine Familie verlassen musste. Vielmehr legte sie Wert auf die Feststellung, dass sie von ihrer Arbeitgeberfamilie, insbesondere von der Arbeitgeberin, unmenschlich behandelt worden sei. Das Vorbringen zum verlorenen Kontakt zu ihrer Familie ähnelt dem Vorbringen der meisten Asylbewerber aus Äthiopien, die zwar bei ihrer Ausreise große Unterstützung durch die Familie erhalten, danach aber den Kontakt unwiederbringlich verloren haben wollen.

Nachdem die Klägerin sich seit 3 Jahren in Deutschland aufhält, ist es nicht nachvollziehbar, dass sie nicht einmal versucht haben will, wieder Kontakt zu ihrer Familie zu bekommen, die so geistesgegenwärtig und kooperativ war, der Klägerin die Flucht zu ermöglichen. Dass innerhalb des bislang fast dreijährigen Aufenthalts in Deutschland keine Kontaktaufnahme erfolgte, ist bei dieser Vorgeschichte nicht glaubhaft.

Die demnach nicht vorverfolgt aus Äthiopien ausgereiste Klägerin hat nach Auffassung des Gerichts unter Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien auch wegen der in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt exilpolitischen Betätigung nicht mit einer im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigenden Rückkehrgefährdung zu rechnen.

Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch angesehen wird, wie zum Beispiel der OLF und Ginbot 7 und welche Art exilpolitischer Aktivität festgestellt wird (u. a. führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist insbesondere auch, ob und wie sich eine zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt, soweit bekannt, ohne Konsequenzen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 4. März 2015, II 1.9.). Insgesamt ist den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auskünften zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen und im Ausland wohnhaften TPLF-Mitglieder beobachten lässt. Spitzenpolitiker von Exilparteien, die der Regierung missliebig sind, müssen deshalb im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgung rechnen. Auch herausgehobene Aktivisten, die sich im Ausland gegen die Regierung aussprechen (zum Beispiel durch öffentliche Statements oder die Veranstaltung von Treffen), drohen in Äthiopien Verfolgungen aufgrund revolutionärer Absichten. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder werden danach hingegen von den äthiopischen Behörden nicht registriert, da den Behörden dazu die Ressourcen fehlen. Solche Personen können nach Auffassung der Kooperation Asylwesen (D-A-CH Äthiopien/Somaliland Mai 2010) unbehelligt nach Äthiopien reisen. Es sind allerdings Einzelfälle bekannt geworden, in denen es trotzdem zu Verhaftungen kam. Andererseits sind zahlreiche Fälle von Mitgliedern von Exilparteien bekannt, die nach ihrer Rückkehr nach Äthiopien nicht belangt worden sind.

Insgesamt lässt sich wohl den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auskünften und Stellungnahmen zur Überzeugung des Gerichts entnehmen, dass jedenfalls Personen, die sich hier in der Bundesrepublik Deutschland exponiert und politisch überzeugt, d. h. nicht nur auf das Asylverfahren abzielend, betätigt haben und sich nicht nur als einfache Mitglieder oder bloße Mitläufer gerieren, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, zumal der äthiopische Staat in der Bundesrepublik Deutschland die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger überwacht (ebenso BayVGH, U. v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A in juris).

Bei den Tätigkeiten für die EPPF-G in der Bundesrepublik Deutschland fällt auf, dass jede Veranstaltung, jede Demonstration, jede Tätigkeit sofort unmittelbar ins Internet gesetzt wird, Personen sich völlig ohne Scheu ablichten lassen bzw. unter ihrer Namensnennung politische Statements oder politische Gedichte in Exilzeitungen veröffentlichen, obwohl ihre aufenthaltsrechtliche Situation hier in der Bundesrepublik Deutschland völlig unklar ist, sie also eigentlich damit rechnen müssen, bei negativem Ausgang ihres Asylverfahrens nach Äthiopien abgeschoben zu werden. Insoweit erscheinen diese Handlungen eigentlich wenig nachvollziehbar, es sei denn, äthiopische Asylbewerber hier in der Bundesrepublik Deutschland kennen die Grenzen des Erlaubten ziemlich genau, d. h. es ist in der äthiopischen Community bekannt, welches Verhalten von den äthiopischen Behörden im Rahmen des Asylverfahrens als tolerabel angesehen wird und davon ausgegangen werden kann, dass bei einer Rückkehr nach Äthiopien die zur Schau gestellte politische Einstellung nicht fortgeführt wird. Die Betätigung der Klägerin für die EPPF-G hat sich in keiner Weise über die der Masse äthiopischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland abgehoben, so dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit politisch motivierten Verfolgungshandlungen zu rechnen hat. Die Klägerin machte keinerlei Angaben, die auf ein regimekritisches Engagement im Rahmen der Arbeit für die Exilgruppen hinweisen. Sie erklärte hierzu nur, einfaches Mitglied zu sein und ein Gedicht in der Zeitschrift „...“ im August 2014 veröffentlicht zu haben.

2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ( § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3 c bis 3 e AsylG entsprechend anzuwenden.

Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.

3. Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben.

a. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.

b. Ebenso wenig besteht im Falle der Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Eine solche ergibt sich weder aus der Tatsache, dass die Klägerin anführt, sie sei als alleinstehende junge Frauen nicht in der Lage, ihr Existenzminimum in Äthiopien zu sichern noch aus der erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerten Befürchtung, ihre in Deutschland geborene Tochter sei in Äthiopien wegen der traditionellen Haltung des Großvaters von Beschneidung bedroht.

Die Befürchtungen hinsichtlich einer zu erwartenden Beschneidung der Tochter der Klägerin kann diese in vorliegendem Verfahren nicht geltend machen, da sie nicht die Klägerin selbst betreffen.

Die Klägerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt hat, aus welchem Grund der Kontakt auch nach dreijährigem Aufenthalt in Deutschland zu den in ... lebenden Eltern und ihren Geschwistern immer noch unterbrochen ist. Das Gericht geht deshalb nicht davon aus, dass die Klägerin als alleinstehend in einem Sinne betrachtet werden muss, dass sie für den Fall ihrer Rückkehr nach Äthiopien in ihrer Existenz bedroht wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie jedenfalls in der Anfangszeit mit Hilfestellung seitens ihrer dort lebenden (weiteren) Familie rechnen kann.

Die Klägerin ist eine gesunde junge Frau, die hier in Deutschland mit einem äthiopischen Staatsangehörigen, der ebenfalls ein Asylverfahren betreibt, ein gemeinsames Kind hat. Die Klägerin könnte außerdem - nachdem die Beziehung zu dem Kindsvater weiterbesteht - in diesem Verband in ihr Heimatland zurückkehren.

4. Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung unter Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34, 38 AsylG, 59 AufenthG liegen vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs.1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:

1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen;
2.
a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a,
b)
deren Durchführung und
c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler;
4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung;
4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen;
5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a;
5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts;
6.
Führung des Registers nach § 91a;
7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel;
8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder;
9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen;
10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt;
11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen;
12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7;
13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.