Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 16. Apr. 2015 - AN 3 K 14.00603

bei uns veröffentlicht am16.04.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 13. Januar 2014 die Erteilung einer isolierten Befreiung von den Baugrenzen des Bebauungsplanes ... der Stadt ... zum Umbau eines auf dem Grundstück ...straße ..., Fl.Nr...., Gemarkung ... bereits bestehenden Carports mit Geräteraum in eine Doppelgarage mit Satteldach und Geräteraum. Eigentümer des Grundstücks ist laut des Auszugs aus dem Liegenschaftskataster mit einem „Anteil an aufgeteiltem Grundstück, WEG“ ..., ...straße ..., ... ..., der Geschäftsführer der Klägerin.

In ihrem Antrag erklärte die Klägerin, der Umbau der Nebennutzung liege zwar außerhalb des Bebauungsplans, es sei aber dort bereits ein Nebengebäude genehmigt worden und zwar mit Genehmigungsnummer ... vom 10. Oktober 2002.

Mit Bescheid vom 13. März 2014, der der Klägerin am 19. März 2014 mit Postzustellungsurkunde zuging, lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Vorhaben sei zwar gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO verfahrensfrei. Es bedürfe jedoch einer Befreiung vom Bebauungsplan ..., da es sich vollständig außerhalb der Baugrenzen befinde. Außerdem befinde sich das Vorhaben im Landschaftsschutzgebiet „...“.

Bereits der bestehende Caport liege vollständig außerhalb der Baugrenzen. Durch das beantragte Vorhaben würde sich die Grundfläche von 29,4 qm auf 56,55 qm nahezu verdoppeln. Auch würden sich durch die Errichtung des Satteldaches auch der umbaute Raum und die Gebäudehöhe gegenüber dem bestehenden Carport mit Flachdach wesentlich vergrößern. Insgesamt handle es sich nicht um eine lediglich geringfügige Erweiterung der bestehenden Nebengebäude. Außerdem rage das Gebäude in den geschützten Landschaftsbereich hinein und führe zu einer Beeinträchtigung des Ortsbildes. Aus diesen Gründen sei das Vorhaben städtebaulich nicht vertretbar. Es lägen auch weder Gründe des Wohls der Allgemeinheit vor, die eine Befreiung erfordern würden, noch würde die Einhaltung des Bebauungsplanes eine offenbar nicht beabsichtigte Härte bedeuten.

Außerdem liege auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 der Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen sowie über die Zahl der notwendigen Stellplätze (GaStellV) vor, da die erforderliche Zusatzlänge von 3 m zwischen Garage und öffentlicher Verkehrsfläche nicht eingehalten sei.

Mit Schreiben, das am 27. März 2014 bei der Beklagten einging, erklärte die Ehefrau des Geschäftsführers der GmbH, das Haus stehe seit 1993 in diesem Gebiet. Es sei lediglich beabsichtigt, eine Doppelgarage bis zur Grundstücksgrenze zu bauen. Zwar sei es erforderlich, dafür eine Birke zu fällen, diese würde aber selbstverständlich durch einen heimischen Baum ersetzt werden. Außerdem liege nicht nur der bestehende Carport, sondern auch ein Teil des Wohnhauses außerhalb der Baugrenze. Ihr sei nicht klar, warum der Bau des Hauses 1993 überhaupt genehmigt worden sei, wenn ein Teil des Wohnhauses außerhalb der Baugrenze liege. Der erforderliche Abstand von 3,00 m zwischen Garage und öffentlicher Verkehrsfläche sei bislang nie Thema gewesen.

Sie verwies auf ein Verfahren vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Az.: 14 ZB 98.2379, das zur Verpflichtung der Beklagten geführt habe, die beantragten Baugenehmigungen für die Erweiterung des Wohnhauses sowie für die Errichtung des streitgegenständlichen Carports zu erteilen.

Mit Schreiben vom 27. November 2012, das als Kopie am 27. März 2014 der Beklagten vorgelegt wurde, erklärte der Geschäftsführer der Klägerin, dass Bauherrin die Klägerin sei, die zur Zeit im Anwesen des Eigentümers ... einen Büroraum mit ca. 14 qm angemietet habe, in dem sich bisher die Verwaltung befinde. Der Dokumentationsaufwand bestehender laufender und zukünftiger Aufträge könne aus Sicherheits- und Datenschutzgründen nicht mehr im Hause der Kunden bzw. auf den Baustellen abgearbeitet werden. Auch die Archivierung der Dokumente sei ein Problem, weshalb dringend zusätzlicher Büroraum benötigt werde.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten, das am 16. April 2014 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, erhob die Klägerin Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zulassung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB lägen vor. Das geplante Bauvorhaben sei städtebaulich vertretbar, zum anderen würden aus Sicht der Klägerin hierdurch auch Grundzüge der Planung nicht berührt. Das Ortsbild werde durch das geplante Bauvorhaben nicht in unvertretbarer Weise beeinträchtigt, es füge sich baulich und architektonisch in das gewachsene Orts- und Landschaftsbild ein. Hinsichtlich der erforderlichen Abstandsfläche zwischen Garage und öffentlicher Verkehrsfläche sei anzumerken, dass für den vorliegenden Erschließungsweg tatsächlich Sondervorgaben gelten, die eine sachliche Ausnahme von den Anforderungen rechtfertigen würden.

Leider sei die ursprüngliche Baugenehmigung für das Gesamtgrundstück aus dem Jahr 1993 bei der Beklagten nicht mehr vorhanden. Somit könne klägerseits nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungsgründe der ursprünglichen Genehmigung der Abweichungen von den Baugrenzen zugrunde gelegen hätten. Auch eine Zweitschrift der ursprünglichen Baugenehmigung habe nicht mehr beschafft werden können.

Der Prozessbevollmächtigte beantragte die Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Stadt ... vom 13. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Zulassung einer isolierten Befreiung von den Baugrenzen des Bebauungsplans ... zum Bau einer Garage mit Abstellraum auf dem Grundstück ...straße ..., Fl.Nr. ..., Gemarkung ... antragsgemäß zu erteilen.

Die Beklage beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das klägerische Vorhaben widerspreche bereits den Grundzügen der Planung. Es sei klar erkennbares Ziel der Planung, die Bebauung nach Norden zum ...- und zum ... hin mit dem zum Zeitpunkt der Planung vorhandenen Bestand abzuschließen und über diesen hinaus keine weitere Bebauung in diese Richtung zuzulassen. Die entsprechenden Flächen seien folgerichtig nicht als Bauland ausgewiesen worden, sondern als Flächen für die Landwirtschaft. Damit aber laufe das Vorhaben dem planerischen Grundkonzept zuwider, so dass schon die tatbestandliche Voraussetzung der Vorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorliege. Außerdem liege darüber hinaus kein Befreiungstatbestand vor. Weder erfordere es das Wohl der Allgemeinheit, eine Befreiung zu erteilen, noch führe die Durchführung des Bebauungsplans zu einer nicht beabsichtigten Härte. Auch ein Fall des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB liege nicht vor. Die „städtebauliche Vertretbarkeit“ im Sinne dieser Vorschrift beurteile sich danach, ob die Abweichung ein nach § 1 BauGB zulässiger Inhalt des Bebauungsplans sein könnte. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege als zu berücksichtigende Belange in der Bauleitplanung definiert seien, § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB. Das Vorhaben sei auf einer Fläche situiert, die durch die Landschaftsschutzverordnung der Beklagten als Landschaftsschutzgebiet festgesetzt sei. In deren § 1 Abs. 4 sei ausdrücklich bestimmt, dass Bebauungspläne dem Schutzzweck dieser Verordnung nicht widersprechen dürften. Insbesondere dürften in Bebauungsplänen die unter Schutz gestellten Landschaftsräume sowie Teile dieser Landschaftsräume nicht als Bauland ausgewiesen werden. Dies wäre aber unweigerlich der Fall, wenn man durch entsprechende Festsetzungen das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben zum Inhalt des Bebauungsplans machen würde. Die begehrte Abweichung könnte somit kein zulässiger Inhalt des Bebauungsplanes sein.

Auch sei nicht erkennbar, dass es sich hier um einen atypischen Sonderfall handle.

Das Gericht zog die Verfahrensakten AN 3 K 96.02040 im Verfahren ...gegen die Stadt ... bei. Streitgegenstand war hier eine Nebenbestimmung Nr. 10 zu der im Jahr 1991 erteilten Baugenehmigung. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof ging in seinem Berufungszulassungsbeschluss (14 ZB 98.2379) davon aus, es erscheine nicht ausgeschlossen, dass dem Kläger ein Anspruch auf den Ausbau einer angemessenen Erschließungsstraße zustehe, nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juni 1991 die Errichtung eines Wohnhauses mit Praxisräumen genehmigt habe, das ausschließlich über den öffentlichen Feldweg zu erreichen gewesen sei.

Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof unterbreitete den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag. Bezogen auf den nun anhängigen Rechtsstreit sah der Vergleichsentwurf des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 20. August 2002 in Ziffer 2 vor: „Die Stadt erteilt dem Kläger innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss des Vergleichs die beantragte Baugenehmigung für die Erweiterung des Wohnhauses und die Errichtung eines Carports.“

Mit Schreiben vom 24. März 2015 bat die Berichterstatterin die Beklagte um Vorlage der gegebenenfalls erteilten Baugenehmigungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 VwGO).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans der Beklagten gemäß § 31 Abs. 2 BauGB.

Unstreitig liegt das geplante Vorhaben außerhalb der Baugrenzen des genannten Bebauungsplans. Aufgrund der im Bebauungsplan durch die Festsetzung von Baugrenzen bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen ist die Errichtung der geplanten Doppelgarage außerhalb des Baufensters grundsätzlich nicht zulässig.

Dahinstehen kann, ob es sich beim dem Vorhaben der Klägerin wegen der Fläche und dem Inhalt des umbauten Raumes tatsächlich um ein nach Art. 57 Abs. 1 Nrn. 1 a und b BayBO verfahrensfreies Vorhaben handelt. Davon ging die Beklagte wohl zugunsten der Klägerin wegen des bereits an derselben Stelle stehenden Carports aus und bezog in ihre Überlegungen lediglich das „Mehr“ an Fläche und Raum ein. Jedenfalls verletzt dies die Klägerin nicht in ihre Rechten.

Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und 1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder 2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Auf eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB hat die Klägerin keinen Anspruch. § 31 Abs. 2 BauGB setzt unter anderem zwingend voraus, das die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, was hier jedoch der Fall ist.

Zutreffend hat die Beklagte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Baugrenzen des Bebauungsplans ... aus dem Jahr 1974 nicht vorliegen und es insoweit auf die Ausübung von Ermessen bei der streitgegenständlichen Entscheidung der Beklagten nicht ankommt.

Wie bereits in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt wird, berührt das Vorhaben der Klägerin die Grundzüge der Planung der Beklagten bzw. widerspricht diesen.

Die Grundzüge der Planung bilden die den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegende und in ihnen zum Ausdruck kommende planerische Konzeption (BVerwG, Beschl. vom 20. 11. 1989 - 4 B 163.89). Befreiungen dürfen daher nicht in einer Weise von den Festsetzungen abweichen, dass dadurch die Grundzüge der Planung berührt würden. Es scheiden daher im allgemeinen Abweichungen von Festsetzungen aus, die die Grundkonzeption des Bebauungsplans berühren, also vor allem den Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung und - in bestimmter Weise - auch nach dem Maß der baulichen Nutzung sowie den Festsetzungen zur Baudichte (Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche). Befreiungen können aus diesen Gründen nur in Betracht kommen, wenn durch sie von Festsetzungen abgewichen werden soll, die das jeweilige Planungskonzept nicht tragen, oder wenn die Abweichung von Festsetzungen, die für die Grundzüge der Planung maßgeblich sind, nicht ins Gewicht fallen, d. h. entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft (BVerwG, B. v. 19. 5. 2004 - 4 B 35.04, juris; vgl. auch VGH Mannheim, U. v. 14. 3. 2007 - 8 S 1921/06, juris; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar zum BauGB, Stand November 2014, § 31 RdNr. 36).

Der Bebauungsplan von 1974 hat mit der Festlegung der Baugrenzen eine klare Grenze zu den nördlich gelegenen und im Flächennutzungsplan nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten als Flächen für die Landwirtschaft ausgewiesenen Flächen gezogen. Aus den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans ist erkennbar, dass die Festlegung der Baugrenzen einen sanften Übergang vom allgemeinen Wohngebiet des Bebauungsplans zu den angrenzenden (landwirtschaftlichen) Freiflächen gewährleisten soll.

Auch der Begründung des Bebauungsplans ist in Ziffer I 1. 3 zu entnehmen, dass mit der Planung beabsichtigt wurde, durch eine lockere Bebauung die Grünzone des ... in die Hausgärten zu erweitern. Dies entspricht den zeichnerischen Festsetzungen. Demnach hätte im fraglichen Grundstückbereich außerhalb der Baugrenzen eine Bebauung gar nicht zugelassen werden müssen.

Darüber hinaus sind auch weder die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nrn. 1, 2 noch der Nr. 3 BauGB erfüllt. Gründe des Allgemeinwohls erfordern vorliegend offensichtlich nicht die Erteilung einer Befreiung, die ausschließlich im privaten Interesse beantragt wurde. Auch eine unbeabsichtigte Härte ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Befreiungen können unter dem Gesichtspunkt der städtebaulichen Vertretbarkeit dann in Betracht kommen, wenn die Befreiung für sich oder im Hinblick auf ihre Auswirkungen nach den materiell-rechtlichen Anforderungen der Bauleitplanung (§§ 1, 1a BauGB) städtebaulich vertretbar ist. Das bedeutet, dass jede Abweichung möglich wäre, die nach den materiell-rechtlichen Anforderungen an die Bauleitplanung auch Gegenstand von Festsetzungen des Bebauungsplans sein könnte (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand November 2014, § 31 RdNr. 47). Das Vorhaben liegt vollständig im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung der Beklagten. Die städtebauliche Vertretbarkeit ist tatbestandlich schon deshalb nicht gegeben, weil die begehrte Befreiung nicht zulässiger Inhalt des Bebauungsplans sein kann. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid und in der Klageerwiderung vom 27. August 2014 Bezug genommen. Es wird dort ausgeführt, dass in § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege als zu berücksichtigende Belange der Bauleitplanung genannt seien und dass das streitgegenständliche Bauvorhaben vollständig im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung der Beklagten liege. In deren § 1 Abs. 4 sei festgelegt, dass Bebauungspläne dem Schutzzweck dieser Verordnung nicht widersprechen dürften. Insbesondere dürften in Bebauungsplänen die unter Schutz gestellten Landschaftsräume sowie Teile dieser Landschaftsräume nicht als Bauland ausgewiesen werden. Mit der beantragten Befreiung solle jedoch erreicht werden, dass außerhalb der Baugrenzen des Bebauungsplans und innerhalb des Geltungsbereichs der Landschaftsschutzverordnung gebaut werden dürfe. Die begehrte Befreiung könne somit kein zulässiger Inhalt eines Bebauungsplans sein.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht mehr an der Durchführung des Bebauungsplans festhalten will und von dessen Festsetzungen in der Vergangenheit in einem Maß abgewichen ist, die dazu führen könnten, dass der Bebauungsplan wirkungslos (obsolet) geworden ist, lassen sich weder dem Vorbringen noch den tatsächlichen Gegebenheiten entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt dies nur dann in Betracht, wenn die Abweichung zwischen der planerischen Festsetzung und der tatsächlichen Situation in ihrer Erkennbarkeit einen Grad erreicht hat, der einem dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (BVerwG, B. v. 22.7.2010 - 4 B 22/10, juris RdNr. 10)

Allein aus dem Umstand, dass der derzeit bestehende Carport wohl im Rahmen des zwischen den Parteien im Verfahren vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof (14 B 98.2379) zustande gekommenen Vergleichs als genehmigt angesehen wird, lässt sich jedenfalls nicht schließen, dass die Beklagte an ihrem im Bebauungsplan niedergelegten Planungskonzept nicht festhalten wollte. Aus ihrem Verhalten im Vorfeld ergibt sich vielmehr, dass die Erteilung einer Baugenehmigung an dieser auch im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Stelle nicht gewünscht wurde, letztlich aber die Beklagte im Rahmen eines vom Gericht angeregten Vergleichs nachgegeben hat.

Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung der begehrten Befreiung lässt sich daraus ebenfalls nicht herleiten. Zwar genießt der bereits errichtete Carport auf dem Grundstück der Familie ... Bestandsschutz. Daraus ergibt sich jedoch kein Anspruch der Klägerin, mit der Ausweitung des Baukörpers den bereits jetzt bestehenden bauplanungswidrigen Zustand durch Erteilung einer Befreiung von den Baugrenzen zu verfestigen.

Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen hat die Beklagte die planungsrechtlichen Wirkungen des Vorhabens zutreffend mit dem Ergebnis gewürdigt, dass es ihren Planungen gänzlich zuwiderläuft; dafür ist besonders maßgebend, dass sich das Vorhaben im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung befindet und bereits rechtswidrige Zustände nicht weiter verfestigt werden sollen, zumal es sich nicht nur um eine unbedeutende Erweiterung des bereits bestehenden Gebäudes, sondern um einen Ersatz- und Erweiterungsbau handelt, mit dem der Geschäftsführer der Klägerin vor allem mehr Lagerraum gewinnen möchte.

Es ist nicht erkennbar, dass die Behörde bei der Würdigung des Vorhabens von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist.

Auch auf anderslautende mündliche Zusagen von Mitarbeitern der Beklagten, die nach dem Vortrag des Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eine positive Entscheidung über den Befreiungsantrag in Aussicht stellten, kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, da diese im Hinblick auf den Erlass des begehrten Verwaltungsakts keine Bindungswirkung entfalten. Im Vorfeld des Erlasses eines Verwaltungsaktes tritt eine Bindungswirkung nur bei einer (schriftlichen) Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG ein. Eine solche liegt hier unstreitig nicht vor.

Demnach war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


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Baugesetzbuch - BBauG | § 1a Ergänzende Vorschriften zum Umweltschutz


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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2006 - 12 K 475/05 - geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2004 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die mit Schreiben vom 11. Juni 2004 beantragte Baugenehmigung zur Erweiterung der Verkaufsfläche innerhalb ihres bestehenden Einzelhandelsbetriebs in Kirchheim/Teck, Sch. Straße ..., zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin erstrebt eine Baugenehmigung für die Erweiterung der Verkaufsfläche eines Lebensmittelmarkts.
Sie betreibt auf dem im Nordosten des Stadtgebiets der Beklagten gelegenen Grundstück Sch. Straße ... einen von der Beklagten im Jahre 2001 genehmigten Lebensmittelmarkt. Das eingeschossige Gebäude enthält einen 47,35 m x 17,30 m großen Verkaufsraum; die übrige Fläche wird in erster Linie als Lager genutzt.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Wangergasse“ der Beklagten vom 20.6.2001, der es als Mischgebiet ausweist. Gemäß dem dazu geschlossenen Durchführungsvertrag sei „somit hier von der baurechtlichen Zulässigkeit eines Lebensmittelmarkts bis maximal 800 m 2 Verkaufsfläche und 1.200 m 2 Geschossfläche auszugehen“.
Die Klägerin möchte eine 3,25 m x 17,00 m (= 55,25 m 2 ) große Teilfläche, die bisher als Lager genutzt wurde, in den Verkaufsraum einbeziehen und stellte unter dem 11.6.2004 einen entsprechenden Bauantrag. Die Beklagte lehnte dieses Vorhaben am 25.8.2004 mit der Begründung ab, es widerspreche dem Bebauungsplan. Diesem lägen Pläne zugrunde, in denen eine Verkaufsfläche von 781 m 2 ausgewiesen sei. Nach der Begründung des Bebauungsplans solle eine Verkaufsfläche für einen Discount-Markt bis 800 m 2 zugelassen werden. Mit der beabsichtigten Nutzung eines Teils der bisherigen Lagerfläche als Verkaufsfläche werde die gesamte Verkaufsfläche auf 831 m 2 erhöht und damit gegen den Bebauungsplan verstoßen. Befreiungsgründe im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB seien nicht erkennbar.
Gegen diesen ablehnenden Bescheid legte die Klägerin am 13.9.2004 Widerspruch ein und trug vor, ihr Vorhaben sei selbst dann zulässig, wenn man davon ausgehe, dass die Einpackzone von 39 m 2 der Verkaufsfläche hinzuzurechnen sei. Zwar sei dann die im Bebauungsplan festgesetzte maximale Verkaufsfläche um 37 m 2 überschritten, sie habe jedoch einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Befreiung. Insbesondere würden durch diese Überschreitung die Grundzüge der Planung nicht berührt, weil die zu schützende Infrastruktur der Stadt in keiner Weise betroffen werde. Erforderlichenfalls werde dies durch ein noch vorzulegendes Gutachten (z. B. der GMA Ludwigsburg) belegt. Das Befreiungsermessen sei auf Null reduziert. Dieser Widerspruch blieb unbeschieden.
Am 1.2.2005 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit dem Antrag Klage erhoben, die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen. Sie hat darauf verwiesen, die der streitigen Verkaufsstätte zukommende Nahversorgungsfunktion komme sinnfällig dadurch zum Ausdruck, dass sie auf ausdrückliche Bitte der Beklagten eine fußläufige Verbindung zu dem unmittelbar angrenzenden Wohngebiet geschaffen habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Der Vorhaben- und Erschließungsplan der Klägerin sei gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB Bestandteil des Bebauungsplans. Im Teilplan „Grundriss“ sei die zulässige Verkaufsfläche definiert als „Verkaufsraum mit einer Nutzfläche von 799,85 m 2 .“ Entsprechend seiner Rechtsnatur als vorhabenbezogener Bebauungsplan erschöpfe er sich in der Zulassung eines bestimmten Vorhabens. Modifikationen bedürften neuer planungsrechtlicher Rechtfertigung. Die Aufstockung auf eine Verkaufsfläche von 831 m 2 sei daher durch den Bebauungsplan nicht gedeckt und bedürfe neuer planerischer Zulassung. Im Übrigen seien weder Anhaltspunkte für eine betriebliche noch für eine städtebauliche Atypik erkennbar, die ein Abweichen von der Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO zuließen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19.1.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der Bebauungsplan „Wangergasse“ erlaube nur eine Verkaufsfläche von 800 m 2 und dieses Maß werde durch die von der Klägerin beabsichtigte Nutzung eines Teils des bisherigen Lagerraums als Verkaufsfläche überschritten. Da der Vorhaben- und Erschließungsplan, der Bebauungsplan und der Durchführungsvertrag aufeinander abgestimmt sein müssten und sich nicht widersprechen dürften, sei fraglich, ob eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans strukturell in Betracht komme. Dies bedürfe aber keiner abschließenden Klärung, da die Befreiungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorlägen, weil die von der Klägerin beanspruchte Abweichung von den Vorgaben des Bebauungsplans die Grundzüge der Planung berühre. Die für die zulässige Verkaufsfläche geltende Grenze von 800 m 2 sei nicht als mehr oder weniger beliebige Zahl „gegriffen“, sondern eine für die Plankonzeption der Beklagten wesentliche Regelung, von der eine Befreiung nicht erteilt werden könne.
Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 17.8.2006 - 8 S 483/06 - zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2006 - 12 K 475/05 - zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die mit Schreiben vom 11. Juni 2004 beantragte Baugenehmigung zur Erweiterung der Verkaufsfläche innerhalb ihres bestehenden Einzelhandelsbetriebs in Kirchheim/Teck, Sch. Straße ..., zu erteilen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
11 
Sie macht geltend: Auch ein vorhabenbezogener Bebauungsplan sei einer Befreiungsentscheidung zugänglich. Der Gesetzgeber habe in § 12 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 4 BauGB die Anwendung bestimmter planungsrechtlich relevanter Vorschriften ausgeschlossen, nicht jedoch die Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB. Hinzu komme, dass die „Abstimmung“ zwischen Vorhabenträger und planender Gemeinde im vorliegenden Fall lediglich darin bestanden habe, dass die Beklagte eine maximale Verkaufsfläche von 800 m 2 verbindlich vorgegeben habe. Es bestehe deshalb im Hinblick auf Befreiungsmöglichkeiten kein Unterschied zu einem „normalen“ Bebauungsplan, der diese Vorgabe durch die Festsetzung eines Baugebiets mache. Die Sachverhalte seien deshalb identisch zu beurteilen. Städtebaulich relevante Gesichtspunkte, die es rechtfertigen könnten, die beantragte Befreiung zu verweigern, seien nicht gegeben.
12 
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie erwidert: Im Falle eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans könne der Tatbestand des § 31 Abs. 2 BauGB schon deshalb nicht erfüllt sein, weil er nur eine Befreiung von einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans erlaube, die Zulässigkeit eines Vorhabens im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans aber nach § 30 Abs. 2 BauGB voraussetze, dass es dem Bebauungsplan schlechthin nicht widerspreche. Diese unterschiedliche Formulierung berücksichtige, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan einerseits keine Festsetzungen im Sinne des § 9 BauGB treffen müsse und er andererseits von dem Katalog dieser Bestimmung unabhängige Vorgaben enthalten könne. Für § 30 Abs. 2 BauGB gebe es keine seinen Wortlaut aufgreifende Befreiungsvorschrift. Eine analoge Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB verbiete sich schon deshalb, weil diese Bestimmung keine geeigneten Maßstäbe für Abweichungen von Zulässigkeitsvorgaben enthalten könne, die nicht aus dem Festsetzungskatalog des § 9 BauGB stammten. § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB sei schrankenlos formuliert, dem entsprechend ließen sich allgemeine Voraussetzungen für die Zulassung von Abweichungen schwerlich aufstellen.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorliegenden Akten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die - aufgrund ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 17.8.2006 statthafte und auch im Übrigen zulässige - Berufung ist begründet, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Abweichung von den Vorgaben des Bebauungsplans „Wangergasse“. Die Vorschriften über Befreiungen von Bebauungsplänen in § 31 Abs. 2 BauGB sind auf vorhabenbezogene Bebauungspläne im Sinne des § 12 BauGB anwendbar (nachfolgend 1.), die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung liegen vor (nachfolgend 2.) und das Befreiungsermessen ist auf Null reduziert (nachfolgend 3.).
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1. Der Senat bejaht die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene, letztlich aber offen gelassene Frage, ob auch vorhabenbezogene Bebauungspläne einer Befreiung nach den Bestimmungen des § 31 Abs. 2 BauGB zugänglich sind. Der Gesetzeswortlaut steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen. Denn § 12 Abs. 3 BauGB führt - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - eine Reihe von Bestimmungen an, die keine Anwendung finden; § 31 BauGB gehört jedoch nicht dazu. Auch der Wortlaut des § 30 Abs. 2 BauGB weist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht in die gegenteilige Richtung. Es trifft zwar zu, dass hier - anders als in § 30 Abs. 1 BauGB - nicht von „Festsetzungen“ die Rede ist, sondern von „dem Bebauungsplan“, dem das Vorhaben nicht widersprechen darf. Das erklärt sich aber daraus, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nach § 12 Abs. 3 BauGB nicht notwendig Festsetzungen (im Sinne des § 9 BauGB und der BauNVO) enthalten muss. Ferner überzeugt das weitere Vorbringen der Beklagten nicht, § 31 Abs. 2 BauGB enthalte keine geeigneten Maßstäbe für die Beurteilung von Abweichungen und allgemeine Voraussetzungen ließen sich schwerlich aufstellen, denn die Voraussetzungen für Ausnahmen und Befreiungen ergeben sich aus § 31 BauGB und nicht aus dem Festsetzungskatalog des § 9 BauGB. Auch der Sache nach erscheint es nicht gerechtfertigt, jede noch so kleine Abweichung von einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan unter den Vorbehalt einer Planänderung zu stellen. Eine solche Inflexibilität würde dieses Instrument städtebaulicher Planung in nicht unerheblichem Umfang seiner Vorteile berauben, weil Investoren befürchten müssten, notwendige Änderungen bei der Detailplanung ihrer Vorhaben durch ein - auch unter Berücksichtigung des vereinfachten Verfahrens nach § 13 BauGB - zähes Bauleitplanverfahren schleusen zu müssen. Schließlich besteht aufgrund der Einbindung des Vorhaben- und Erschließungsplans in den Bebauungsplan (§ 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB) auch keine Notwendigkeit für eine restriktive Auslegung des § 31 BauGB. Denn Übereinstimmung muss nur auf der Planungsebene herrschen. Auf der Genehmigungsebene besteht dagegen kein prinzipieller Unterschied zu „normalen“ Bebauungsplänen. Die Besonderheit besteht lediglich darin, dass nicht nur von der gemeindlichen Bauleitplanung, sondern auch vom Vorhaben- und Erschließungsplan abgewichen wird. Es gibt aber keinen Grund, den Investor in einem solchen Plangebiet nur deshalb schlechter zu stellen, weil seine Planungen mit denjenigen der Gemeinde „abgestimmt“ sind. Ebenso wie demjenigen, der in einem „normalen“ Plangebiet bauen möchte, muss es ihm möglich sein, von den zunächst einvernehmlich getroffenen planerischen Entscheidungen abzuweichen, wenn die Voraussetzungen für die Zulassung einer solchen Abweichung vorliegen. Es kann ihm nicht zum Schaden gereichen, dass er sich damit auch von seinen eigenen ursprünglichen Planungsvorstellungen distanziert, die im Vorhaben- und Erschließungsplan ihren Niederschlag gefunden hatten. Dementsprechend geht die Kommentarliteratur - soweit ersichtlich - einhellig davon aus, dass von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen Ausnahmen und Befreiungen erteilt werden können (vgl. die Zitate auf S. 6 des angefochtenen Urteils; ebenso ausdrücklich: Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 31 RdNr. 3; auch Rieger, in Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 31 RdNr. 4, schließt dies nicht aus). Schließlich hält ersichtlich auch das Bundesverwaltungsgericht § 31 Abs. 2 BauGB auf vorhabenbezogene Bebauungspläne grundsätzlich für anwendbar, denn es erwähnt in diesem Zusammenhang die Grenzen für die Zulassung einer Abweichung, ohne den Rückgriff auf diese Bestimmung prinzipiell auszuschließen (Beschluss vom 23.6.2003 - 4 BN 7.03 - BauR 2004, 975).
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2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des sonach anwendbaren § 31 Abs. 2 BauGB liegen vor.
19 
a) Das Verwaltungsgericht nimmt an, eine Befreiung sei ausgeschlossen, weil sie die Grundzüge der Planung berühren würde. Denn die Festlegung einer Grenze von 800 m 2 für die Verkaufsfläche des zugelassenen Marktes sei nicht „gegriffen“, sondern bewusst zur Verdeutlichung der Schwelle zur Großflächigkeit gewählt worden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
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Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung soll sichergestellt werden, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht beliebig durch Verwaltungsakte außer Kraft gesetzt werden können. Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach den §§ 1 Abs. 8, 2 Abs. 1 BauGB unverändert der Gemeinde und nicht der Baurechtsbehörde. Diese Regelung darf deshalb nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf - jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind - nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.6.2003 - 3 S 2324/02 - VBlBW 2003, 438; Urteil des Senats vom 2.11.2006 - 8 S 361/06 -). Umgekehrt wird diese Grenze für die Erteilung einer Befreiung nicht überschritten, wenn die Abweichung von Festsetzungen, die für die Grundzüge der Planung maßgeblich sind, nicht ins Gewicht fällt oder wenn die Festsetzung, von der abgewichen werden soll, eher „zufällig“ bzw. „isoliert“ erfolgt ist oder diese Planvorgabe auf einer Annahme beruht, die später entfallen ist (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. 2, § 31 RdNrn. 36 und 38).
21 
Nach keiner dieser Deutungsvarianten sind im vorliegenden Fall die Grundzüge der Planung berührt. Der Gesichtspunkt der planungsrechtlichen Beliebigkeit, weil sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle dieselben Gründe für eine Befreiung anführen ließen, kann hier nicht zum Tragen kommen, weil der Bebauungsplan als einzigen wesentlichen Regelungsgegenstand nur die Zulassung des Marktes der Klägerin umfasst und es weitere Einzelhandelsbetriebe auf einer vergleichbaren planungsrechtlichen Grundlage im Gemeindegebiet der Beklagten nach Auskunft ihrer Vertreter in der mündlichen Verhandlung nicht gibt. Die Abweichung von der vorgegebenen Verkaufsfläche von 800 m 2 fällt auch nicht ins Gewicht, denn mit ihr soll keine Erweiterung des Sortiments verbunden sein und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Einbeziehung einer bisherigen Lagerfläche mit einer Größe von etwa 55 m 2 in den Verkaufsbereich die Plankonzeption der Beklagten grundlegend in Frage stellen würde. Denn sie hat durch die Festschreibung einer Grenze von 800 m 2 zwar ersichtlich die Schwelle zur Großflächigkeit verdeutlichen wollen und sich dabei - wie ihre Vertreter in der mündlichen Verhandlung erläutert haben - von der Regelgrenze einer Geschossfläche von 1200 m 2 in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO leiten lassen. Da durch das streitige Erweiterungsvorhaben der Klägerin die Geschossfläche des Marktes aber nicht geändert wird, bleibt dieser Ausgangspunkt der Beklagten unangetastet. Deshalb spricht nichts für die Annahme, die Ausweitung der Verkaufsfläche um etwa 7 % könne derart tief in das Interessengeflecht der Abwägung eingreifen, dass die Grundzüge der Planung nicht mehr gewahrt wären.
22 
Es kommt hinzu, dass die Beklagte, wenn sie sich schon an der Geschossflächengrenze von 1200 m 2 in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO orientierte, die maximale Verkaufsfläche nicht starr festlegen durfte. Denn dabei handelt es sich lediglich um eine Vermutungsregel für die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO aufgeführten Auswirkungen, die aber nach § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO widerlegbar ist. Anhaltspunkte dafür, dass trotz Beibehaltung der Geschossfläche allein durch die Erhöhung der Verkaufsfläche um etwa 7 % aus dem bisher auch nach Auffassung der Beklagten „unbedenklichen“ Lebensmittelmarkt ein etwa in Ansehung seiner negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche in der Kernstadt nicht mehr hinnehmbarer Einzelhandelsgroßbetrieb entstehen könnte, sind nicht ersichtlich und konnten auch von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht angeführt werden. Im Übrigen hat die Klägerin im Verlauf des Verfahrens mehrfach angeboten, durch Einholung eines Gutachtens (z. B. der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung in Ludwigsburg) zu belegen, dass die Ausweitung der Verkaufsfläche die zu schützende Infrastruktur der Stadt nicht beeinträchtige. Hätte die Beklagte - entgegen dem vorstehend Ausgeführten - doch Anhaltspunkte dafür gesehen, dass dies der Fall sein könnte, hätte sie die Klägerin zur Beibringung eines derartigen Gutachtens anhalten müssen. Der Senat sieht nach Aktenlage und nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, eine entsprechende sachverständige Äußerung einzuholen oder von der Klägerin beibringen zu lassen.
23 
Dies erscheint schließlich auch deshalb nicht geboten, weil die Beklagte ersichtlich bei Erlass des Bebauungsplans „Wangergasse“ selbst davon ausgegangen ist, dass die Infrastruktur ihrer Kernstadt auch dann nicht tangiert wird, wenn in dem eher peripher gelegenen Plangebiet ein Lebensmittelmarkt zugelassen wird, der eine größere Verkaufsfläche aufweist als der bundesweit anerkannte Typ eines die Grenze zur Großflächigkeit nicht übersteigenden Einzelhandelsbetriebs der wohnungsnahen Versorgung. Das ergibt sich aus folgendem: Ausgehend von mehreren Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.5.1987 (u. a. - 4 C 19.85 - BauR 1987, 528; - 4 C 30.86 - VBlBW 1988, 130, dazu: Birk, VBlBW 1988, 281 ff.) hat die Rechtsprechung nahezu einhellig bis in das Jahr 2005 angenommen, dass nach dem Einkaufsverhalten der Bevölkerung und den Gegebenheiten im Einzelhandel die Verkaufsflächen-Obergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung „nicht wesentlich unter 700 m 2 , aber auch nicht wesentlich darüber“ liege (so etwa noch: BVerwG, Beschluss vom 22.7.2004 - 4 B 29.04 - DVBl. 2004, 1308; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.7.2004 - 5 S 1205/03 - VBlBW 2005, 67; Urteil vom 16.6.2005 - 3 S 479/05 - BauR 2006, 486). Vor diesem Hintergrund lässt die Entscheidung der Beklagten, in dem Bebauungsplan „Wangergasse“ vom 20.6.2001 trotz Festsetzung eines Mischgebiets „von der baurechtlichen Zulässigkeit eines Lebensmittelmarkts bis maximal 800 m 2 Verkaufsfläche und 1.200 m 2 Geschossfläche auszugehen“, nur den Schluss zu, dass sie aufgrund örtlicher Besonderheiten die kritische Grenze erst bei einer gegenüber dem Bundesdurchschnitt um etwa 100 m 2 höheren Verkaufsfläche gesehen hat. In den letzten Jahren hat sich aber der Anteil der Verkaufsflächen an den Geschossflächen von Einzelhandelsbetrieben typischerweise erhöht und der Anteil der Lagerflächen wegen der „Lagerhaltung auf der Straße“ verringert, ohne dass sich daraus eine Verstärkung der Auswirkungen auf zentrale Lagen ergeben hätte. Dem hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10.04 - BVerwGE 124, 364 und - 4 C 14.04 - BVerwGE 124, 376; dem folgend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433; vgl. auch: Birk, VBlBW 2006, 289 ff.; Schütz, UPR 2006, 169 ff.) Rechnung getragen und die Grenze der Verkaufsflächengröße, ab der von einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO auszugehen ist, bei 800 m2 gezogen. Vor diesem Hintergrund kann nur angenommen werden, dass aufgrund dieser allenthalben zu konstatierenden Verschiebung der Verkaufsflächen- und Lagerflächenanteile für den Bereich der Beklagten die kritische Grenze auch heute mehr oder weniger deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Da diese Schwelle nach den genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.11.2005 nunmehr bei (exakt) 800 m 2 anzunehmen ist, muss davon ausgegangen werden, dass eine Überschreitung der im Bebauungsplan mit derselben Maßzahl vorgegebenen maximalen Verkaufsfläche - ohne Abzug für Putz und ohne Herausrechnung der Einpackzone und des Windfangs - um etwa 50 m 2 , wie sie die Klägerin beantragt hat, innerhalb der die allgemeine Schwelle übersteigenden Bandbreite bleibt, die die Beklagte nach ihren Planungsvorstellungen hinnehmen wollte. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind deshalb die Grundzüge der Planung gewahrt.
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b) Die Befreiung ist auch städtebaulich vertretbar im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Voraussetzung dafür ist, dass die Abweichung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung entsprechend § 1 BauGB vereinbar ist und deshalb zulässiger Inhalt eines Bebauungsplans sein könnte (BVerwG, Urteil vom 17.12.1998 - 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190; Urteil vom 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. 2, § 31 RdNr. 47 m.w.N.). Daran kann im vorliegenden Fall aber kein Zweifel bestehen. Denn die Beklagte könnte unter Berücksichtigung dessen, dass sie bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht an die Vorgaben des § 9 BauGB und der BauNVO gebunden ist, auch eine Verkaufsfläche von 850 m2 ausdrücklich zulassen. Anhaltspunkte dafür, dass die Vergrößerung der Verkaufsfläche um etwa 50 m 2 ohne Sortimentserweiterung gegen einen der Grundsätze des § 1 BauGB verstoßen könnte, sind dagegen weder vorgetragen noch ersichtlich.
25 
3. Da somit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB für eine Befreiung vorliegen, hat die Klägerin auch einen Rechtsanspruch auf die begehrte Genehmigung. Das der Baurechtsbehörde bei der Erteilung einer Befreiung auf der Rechtsfolgenseite ansonsten zustehende Ermessen ist vorliegend ausnahmsweise auf Null reduziert.
26 
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen gegeben sind. Auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf sie; vielmehr hängt die Befreiung von einer Ermessensentscheidung ab. Sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben, besteht für die Ausübung des Ermessens allerdings wenig Raum und steht das mit der Befreiungsvorschrift vom Gesetzgeber beabsichtigte Ziel der Einzelfallgerechtigkeit und städtebaulichen Flexibilität sowie der Grundsatz der Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer leichtfertigen Ermessensausübung entgegen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder dass das Ermessen stets auf Null reduziert ist, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen. Erforderlich für eine negative Ermessensentscheidung ist nur, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 19.9.2002, a.a.O.; Urteil vom 4.7.1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315). Kommen dagegen bei einem Bauvorhaben, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht, bei dem aber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind, für die Gemeinde Nachteile durch eine Zulassung des Vorhabens nicht in Betracht, so kann sich das ihr zustehende Ermessen dahin verdichten, dass sie zur Erteilung einer Befreiung verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 23.9.1993 - 3 ZR 54.92 - DVBl. 1994, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.3.2004 - 3 S 1745/02 -). Denn in diesen Fällen ist wegen des Umfangs der Anwendungsvoraussetzungen für die Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB der Spielraum für zusätzliche Erwägungen bei Ausübung des Ermessens tendenziell gering, so dass sich die Ermessensausübung im Einzelfall auf Null reduzieren kann (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.6.2003 - 3 S 2324/02 - VBlBW 2003, 438).
27 
So liegt es hier. Gewichtige öffentliche Belange, die der Erteilung der Befreiung im Ermessenswege entgegenstehen könnten, sind nicht gegeben. Die vorliegende Entscheidung eignet sich auch nicht als Berufungsfall für andere Vorhaben. Sie beruht auf den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls, die sich daraus ergeben, dass zum einen negative städtebauliche Auswirkungen nicht zu erwarten sind, es zum anderen um die Erweiterung eines vorhandenen und nicht um die Erstellung eines neuen Betriebes geht und schließlich - wie bereits angeführt - im Stadtgebiet der Beklagten keine Einzelhandelsbetriebe auf vergleichbarer planungsrechtlicher Grundlage existieren, die sich im Falle von Erweiterungswünschen auf die vorliegende Entscheidung stützen könnten. Nach alledem ist vorliegend ausnahmsweise von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen. Zur Klarstellung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Beklagte durch dieses Verpflichtungsurteil nicht daran gehindert wird, Anforderungen, die die grundsätzliche Zulässigkeit der Markterweiterung nicht in Frage stellen (z. B. bau- oder brandschutzrechtlicher Art), durch die Erteilung von Auflagen Rechnung zu tragen.
28 
Nach allem ist der Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
29 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 VwGO), da diese Frage vom Standpunkt einer verständigen Partei aus und nicht aus der Sicht einer rechtskundigen Person zu beurteilen ist (BVerwG, Urteil vom 6.12.1963 - VII C 14.63 - BVerwGE 17, 245). Einem Rechtsunkundigen wäre es aber angesichts der Komplexität des Falles unmöglich gewesen, das Vorverfahren ordnungsgemäß einzuleiten und zu betreiben.
30 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
31 
Beschluss
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 9.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467) auf EUR 8.250,-- festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die - aufgrund ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 17.8.2006 statthafte und auch im Übrigen zulässige - Berufung ist begründet, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Abweichung von den Vorgaben des Bebauungsplans „Wangergasse“. Die Vorschriften über Befreiungen von Bebauungsplänen in § 31 Abs. 2 BauGB sind auf vorhabenbezogene Bebauungspläne im Sinne des § 12 BauGB anwendbar (nachfolgend 1.), die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung liegen vor (nachfolgend 2.) und das Befreiungsermessen ist auf Null reduziert (nachfolgend 3.).
17 
1. Der Senat bejaht die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene, letztlich aber offen gelassene Frage, ob auch vorhabenbezogene Bebauungspläne einer Befreiung nach den Bestimmungen des § 31 Abs. 2 BauGB zugänglich sind. Der Gesetzeswortlaut steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen. Denn § 12 Abs. 3 BauGB führt - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - eine Reihe von Bestimmungen an, die keine Anwendung finden; § 31 BauGB gehört jedoch nicht dazu. Auch der Wortlaut des § 30 Abs. 2 BauGB weist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht in die gegenteilige Richtung. Es trifft zwar zu, dass hier - anders als in § 30 Abs. 1 BauGB - nicht von „Festsetzungen“ die Rede ist, sondern von „dem Bebauungsplan“, dem das Vorhaben nicht widersprechen darf. Das erklärt sich aber daraus, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nach § 12 Abs. 3 BauGB nicht notwendig Festsetzungen (im Sinne des § 9 BauGB und der BauNVO) enthalten muss. Ferner überzeugt das weitere Vorbringen der Beklagten nicht, § 31 Abs. 2 BauGB enthalte keine geeigneten Maßstäbe für die Beurteilung von Abweichungen und allgemeine Voraussetzungen ließen sich schwerlich aufstellen, denn die Voraussetzungen für Ausnahmen und Befreiungen ergeben sich aus § 31 BauGB und nicht aus dem Festsetzungskatalog des § 9 BauGB. Auch der Sache nach erscheint es nicht gerechtfertigt, jede noch so kleine Abweichung von einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan unter den Vorbehalt einer Planänderung zu stellen. Eine solche Inflexibilität würde dieses Instrument städtebaulicher Planung in nicht unerheblichem Umfang seiner Vorteile berauben, weil Investoren befürchten müssten, notwendige Änderungen bei der Detailplanung ihrer Vorhaben durch ein - auch unter Berücksichtigung des vereinfachten Verfahrens nach § 13 BauGB - zähes Bauleitplanverfahren schleusen zu müssen. Schließlich besteht aufgrund der Einbindung des Vorhaben- und Erschließungsplans in den Bebauungsplan (§ 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB) auch keine Notwendigkeit für eine restriktive Auslegung des § 31 BauGB. Denn Übereinstimmung muss nur auf der Planungsebene herrschen. Auf der Genehmigungsebene besteht dagegen kein prinzipieller Unterschied zu „normalen“ Bebauungsplänen. Die Besonderheit besteht lediglich darin, dass nicht nur von der gemeindlichen Bauleitplanung, sondern auch vom Vorhaben- und Erschließungsplan abgewichen wird. Es gibt aber keinen Grund, den Investor in einem solchen Plangebiet nur deshalb schlechter zu stellen, weil seine Planungen mit denjenigen der Gemeinde „abgestimmt“ sind. Ebenso wie demjenigen, der in einem „normalen“ Plangebiet bauen möchte, muss es ihm möglich sein, von den zunächst einvernehmlich getroffenen planerischen Entscheidungen abzuweichen, wenn die Voraussetzungen für die Zulassung einer solchen Abweichung vorliegen. Es kann ihm nicht zum Schaden gereichen, dass er sich damit auch von seinen eigenen ursprünglichen Planungsvorstellungen distanziert, die im Vorhaben- und Erschließungsplan ihren Niederschlag gefunden hatten. Dementsprechend geht die Kommentarliteratur - soweit ersichtlich - einhellig davon aus, dass von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen Ausnahmen und Befreiungen erteilt werden können (vgl. die Zitate auf S. 6 des angefochtenen Urteils; ebenso ausdrücklich: Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 31 RdNr. 3; auch Rieger, in Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 31 RdNr. 4, schließt dies nicht aus). Schließlich hält ersichtlich auch das Bundesverwaltungsgericht § 31 Abs. 2 BauGB auf vorhabenbezogene Bebauungspläne grundsätzlich für anwendbar, denn es erwähnt in diesem Zusammenhang die Grenzen für die Zulassung einer Abweichung, ohne den Rückgriff auf diese Bestimmung prinzipiell auszuschließen (Beschluss vom 23.6.2003 - 4 BN 7.03 - BauR 2004, 975).
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2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des sonach anwendbaren § 31 Abs. 2 BauGB liegen vor.
19 
a) Das Verwaltungsgericht nimmt an, eine Befreiung sei ausgeschlossen, weil sie die Grundzüge der Planung berühren würde. Denn die Festlegung einer Grenze von 800 m 2 für die Verkaufsfläche des zugelassenen Marktes sei nicht „gegriffen“, sondern bewusst zur Verdeutlichung der Schwelle zur Großflächigkeit gewählt worden. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
20 
Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung soll sichergestellt werden, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht beliebig durch Verwaltungsakte außer Kraft gesetzt werden können. Die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach den §§ 1 Abs. 8, 2 Abs. 1 BauGB unverändert der Gemeinde und nicht der Baurechtsbehörde. Diese Regelung darf deshalb nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben werden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf - jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind - nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999, 1110; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.6.2003 - 3 S 2324/02 - VBlBW 2003, 438; Urteil des Senats vom 2.11.2006 - 8 S 361/06 -). Umgekehrt wird diese Grenze für die Erteilung einer Befreiung nicht überschritten, wenn die Abweichung von Festsetzungen, die für die Grundzüge der Planung maßgeblich sind, nicht ins Gewicht fällt oder wenn die Festsetzung, von der abgewichen werden soll, eher „zufällig“ bzw. „isoliert“ erfolgt ist oder diese Planvorgabe auf einer Annahme beruht, die später entfallen ist (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. 2, § 31 RdNrn. 36 und 38).
21 
Nach keiner dieser Deutungsvarianten sind im vorliegenden Fall die Grundzüge der Planung berührt. Der Gesichtspunkt der planungsrechtlichen Beliebigkeit, weil sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle dieselben Gründe für eine Befreiung anführen ließen, kann hier nicht zum Tragen kommen, weil der Bebauungsplan als einzigen wesentlichen Regelungsgegenstand nur die Zulassung des Marktes der Klägerin umfasst und es weitere Einzelhandelsbetriebe auf einer vergleichbaren planungsrechtlichen Grundlage im Gemeindegebiet der Beklagten nach Auskunft ihrer Vertreter in der mündlichen Verhandlung nicht gibt. Die Abweichung von der vorgegebenen Verkaufsfläche von 800 m 2 fällt auch nicht ins Gewicht, denn mit ihr soll keine Erweiterung des Sortiments verbunden sein und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Einbeziehung einer bisherigen Lagerfläche mit einer Größe von etwa 55 m 2 in den Verkaufsbereich die Plankonzeption der Beklagten grundlegend in Frage stellen würde. Denn sie hat durch die Festschreibung einer Grenze von 800 m 2 zwar ersichtlich die Schwelle zur Großflächigkeit verdeutlichen wollen und sich dabei - wie ihre Vertreter in der mündlichen Verhandlung erläutert haben - von der Regelgrenze einer Geschossfläche von 1200 m 2 in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO leiten lassen. Da durch das streitige Erweiterungsvorhaben der Klägerin die Geschossfläche des Marktes aber nicht geändert wird, bleibt dieser Ausgangspunkt der Beklagten unangetastet. Deshalb spricht nichts für die Annahme, die Ausweitung der Verkaufsfläche um etwa 7 % könne derart tief in das Interessengeflecht der Abwägung eingreifen, dass die Grundzüge der Planung nicht mehr gewahrt wären.
22 
Es kommt hinzu, dass die Beklagte, wenn sie sich schon an der Geschossflächengrenze von 1200 m 2 in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO orientierte, die maximale Verkaufsfläche nicht starr festlegen durfte. Denn dabei handelt es sich lediglich um eine Vermutungsregel für die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO aufgeführten Auswirkungen, die aber nach § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO widerlegbar ist. Anhaltspunkte dafür, dass trotz Beibehaltung der Geschossfläche allein durch die Erhöhung der Verkaufsfläche um etwa 7 % aus dem bisher auch nach Auffassung der Beklagten „unbedenklichen“ Lebensmittelmarkt ein etwa in Ansehung seiner negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche in der Kernstadt nicht mehr hinnehmbarer Einzelhandelsgroßbetrieb entstehen könnte, sind nicht ersichtlich und konnten auch von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht angeführt werden. Im Übrigen hat die Klägerin im Verlauf des Verfahrens mehrfach angeboten, durch Einholung eines Gutachtens (z. B. der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung in Ludwigsburg) zu belegen, dass die Ausweitung der Verkaufsfläche die zu schützende Infrastruktur der Stadt nicht beeinträchtige. Hätte die Beklagte - entgegen dem vorstehend Ausgeführten - doch Anhaltspunkte dafür gesehen, dass dies der Fall sein könnte, hätte sie die Klägerin zur Beibringung eines derartigen Gutachtens anhalten müssen. Der Senat sieht nach Aktenlage und nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, eine entsprechende sachverständige Äußerung einzuholen oder von der Klägerin beibringen zu lassen.
23 
Dies erscheint schließlich auch deshalb nicht geboten, weil die Beklagte ersichtlich bei Erlass des Bebauungsplans „Wangergasse“ selbst davon ausgegangen ist, dass die Infrastruktur ihrer Kernstadt auch dann nicht tangiert wird, wenn in dem eher peripher gelegenen Plangebiet ein Lebensmittelmarkt zugelassen wird, der eine größere Verkaufsfläche aufweist als der bundesweit anerkannte Typ eines die Grenze zur Großflächigkeit nicht übersteigenden Einzelhandelsbetriebs der wohnungsnahen Versorgung. Das ergibt sich aus folgendem: Ausgehend von mehreren Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.5.1987 (u. a. - 4 C 19.85 - BauR 1987, 528; - 4 C 30.86 - VBlBW 1988, 130, dazu: Birk, VBlBW 1988, 281 ff.) hat die Rechtsprechung nahezu einhellig bis in das Jahr 2005 angenommen, dass nach dem Einkaufsverhalten der Bevölkerung und den Gegebenheiten im Einzelhandel die Verkaufsflächen-Obergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung „nicht wesentlich unter 700 m 2 , aber auch nicht wesentlich darüber“ liege (so etwa noch: BVerwG, Beschluss vom 22.7.2004 - 4 B 29.04 - DVBl. 2004, 1308; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.7.2004 - 5 S 1205/03 - VBlBW 2005, 67; Urteil vom 16.6.2005 - 3 S 479/05 - BauR 2006, 486). Vor diesem Hintergrund lässt die Entscheidung der Beklagten, in dem Bebauungsplan „Wangergasse“ vom 20.6.2001 trotz Festsetzung eines Mischgebiets „von der baurechtlichen Zulässigkeit eines Lebensmittelmarkts bis maximal 800 m 2 Verkaufsfläche und 1.200 m 2 Geschossfläche auszugehen“, nur den Schluss zu, dass sie aufgrund örtlicher Besonderheiten die kritische Grenze erst bei einer gegenüber dem Bundesdurchschnitt um etwa 100 m 2 höheren Verkaufsfläche gesehen hat. In den letzten Jahren hat sich aber der Anteil der Verkaufsflächen an den Geschossflächen von Einzelhandelsbetrieben typischerweise erhöht und der Anteil der Lagerflächen wegen der „Lagerhaltung auf der Straße“ verringert, ohne dass sich daraus eine Verstärkung der Auswirkungen auf zentrale Lagen ergeben hätte. Dem hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10.04 - BVerwGE 124, 364 und - 4 C 14.04 - BVerwGE 124, 376; dem folgend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.7.2006 - 3 S 2309/05 - VBlBW 2006, 433; vgl. auch: Birk, VBlBW 2006, 289 ff.; Schütz, UPR 2006, 169 ff.) Rechnung getragen und die Grenze der Verkaufsflächengröße, ab der von einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO auszugehen ist, bei 800 m2 gezogen. Vor diesem Hintergrund kann nur angenommen werden, dass aufgrund dieser allenthalben zu konstatierenden Verschiebung der Verkaufsflächen- und Lagerflächenanteile für den Bereich der Beklagten die kritische Grenze auch heute mehr oder weniger deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Da diese Schwelle nach den genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.11.2005 nunmehr bei (exakt) 800 m 2 anzunehmen ist, muss davon ausgegangen werden, dass eine Überschreitung der im Bebauungsplan mit derselben Maßzahl vorgegebenen maximalen Verkaufsfläche - ohne Abzug für Putz und ohne Herausrechnung der Einpackzone und des Windfangs - um etwa 50 m 2 , wie sie die Klägerin beantragt hat, innerhalb der die allgemeine Schwelle übersteigenden Bandbreite bleibt, die die Beklagte nach ihren Planungsvorstellungen hinnehmen wollte. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind deshalb die Grundzüge der Planung gewahrt.
24 
b) Die Befreiung ist auch städtebaulich vertretbar im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Voraussetzung dafür ist, dass die Abweichung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung entsprechend § 1 BauGB vereinbar ist und deshalb zulässiger Inhalt eines Bebauungsplans sein könnte (BVerwG, Urteil vom 17.12.1998 - 4 C 16.97 - BVerwGE 108, 190; Urteil vom 19.9.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. 2, § 31 RdNr. 47 m.w.N.). Daran kann im vorliegenden Fall aber kein Zweifel bestehen. Denn die Beklagte könnte unter Berücksichtigung dessen, dass sie bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht an die Vorgaben des § 9 BauGB und der BauNVO gebunden ist, auch eine Verkaufsfläche von 850 m2 ausdrücklich zulassen. Anhaltspunkte dafür, dass die Vergrößerung der Verkaufsfläche um etwa 50 m 2 ohne Sortimentserweiterung gegen einen der Grundsätze des § 1 BauGB verstoßen könnte, sind dagegen weder vorgetragen noch ersichtlich.
25 
3. Da somit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB für eine Befreiung vorliegen, hat die Klägerin auch einen Rechtsanspruch auf die begehrte Genehmigung. Das der Baurechtsbehörde bei der Erteilung einer Befreiung auf der Rechtsfolgenseite ansonsten zustehende Ermessen ist vorliegend ausnahmsweise auf Null reduziert.
26 
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen gegeben sind. Auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf sie; vielmehr hängt die Befreiung von einer Ermessensentscheidung ab. Sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben, besteht für die Ausübung des Ermessens allerdings wenig Raum und steht das mit der Befreiungsvorschrift vom Gesetzgeber beabsichtigte Ziel der Einzelfallgerechtigkeit und städtebaulichen Flexibilität sowie der Grundsatz der Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer leichtfertigen Ermessensausübung entgegen. Daraus folgt jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder dass das Ermessen stets auf Null reduziert ist, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen. Erforderlich für eine negative Ermessensentscheidung ist nur, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 19.9.2002, a.a.O.; Urteil vom 4.7.1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315). Kommen dagegen bei einem Bauvorhaben, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans widerspricht, bei dem aber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind, für die Gemeinde Nachteile durch eine Zulassung des Vorhabens nicht in Betracht, so kann sich das ihr zustehende Ermessen dahin verdichten, dass sie zur Erteilung einer Befreiung verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 23.9.1993 - 3 ZR 54.92 - DVBl. 1994, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.3.2004 - 3 S 1745/02 -). Denn in diesen Fällen ist wegen des Umfangs der Anwendungsvoraussetzungen für die Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB der Spielraum für zusätzliche Erwägungen bei Ausübung des Ermessens tendenziell gering, so dass sich die Ermessensausübung im Einzelfall auf Null reduzieren kann (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.6.2003 - 3 S 2324/02 - VBlBW 2003, 438).
27 
So liegt es hier. Gewichtige öffentliche Belange, die der Erteilung der Befreiung im Ermessenswege entgegenstehen könnten, sind nicht gegeben. Die vorliegende Entscheidung eignet sich auch nicht als Berufungsfall für andere Vorhaben. Sie beruht auf den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls, die sich daraus ergeben, dass zum einen negative städtebauliche Auswirkungen nicht zu erwarten sind, es zum anderen um die Erweiterung eines vorhandenen und nicht um die Erstellung eines neuen Betriebes geht und schließlich - wie bereits angeführt - im Stadtgebiet der Beklagten keine Einzelhandelsbetriebe auf vergleichbarer planungsrechtlicher Grundlage existieren, die sich im Falle von Erweiterungswünschen auf die vorliegende Entscheidung stützen könnten. Nach alledem ist vorliegend ausnahmsweise von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen. Zur Klarstellung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Beklagte durch dieses Verpflichtungsurteil nicht daran gehindert wird, Anforderungen, die die grundsätzliche Zulässigkeit der Markterweiterung nicht in Frage stellen (z. B. bau- oder brandschutzrechtlicher Art), durch die Erteilung von Auflagen Rechnung zu tragen.
28 
Nach allem ist der Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
29 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 VwGO), da diese Frage vom Standpunkt einer verständigen Partei aus und nicht aus der Sicht einer rechtskundigen Person zu beurteilen ist (BVerwG, Urteil vom 6.12.1963 - VII C 14.63 - BVerwGE 17, 245). Einem Rechtsunkundigen wäre es aber angesichts der Komplexität des Falles unmöglich gewesen, das Vorverfahren ordnungsgemäß einzuleiten und zu betreiben.
30 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
31 
Beschluss
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nr. 9.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467) auf EUR 8.250,-- festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die nachfolgenden Vorschriften zum Umweltschutz anzuwenden.

(2) Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen sollen nur im notwendigen Umfang umgenutzt werden. Die Grundsätze nach den Sätzen 1 und 2 sind in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können.

(3) Die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) sind in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen. Der Ausgleich erfolgt durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die Darstellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen. Anstelle von Darstellungen und Festsetzungen können auch vertragliche Vereinbarungen nach § 11 oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden. § 15 Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes gilt entsprechend. Ein Ausgleich ist nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren.

(4) Soweit ein Gebiet im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigt werden kann, sind die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über die Zulässigkeit und Durchführung von derartigen Eingriffen einschließlich der Einholung der Stellungnahme der Europäischen Kommission anzuwenden.

(5) Den Erfordernissen des Klimaschutzes soll sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden. Der Grundsatz nach Satz 1 ist in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 zu berücksichtigen.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

3

1.1 Für rechtsgrundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin die Frage, ob der sogenannte Schumacher-Bebauungsplan aus den Jahren 1919/1924 - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - obsolet ist. Diese Frage sei für eine Vielzahl weiterer am Rande des Grüngürtels gelegener Gebäude von Bedeutung.

4

Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Hierfür ist es erforderlich, eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu formulieren und anzugeben, worin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Daran lässt es die Beschwerde fehlen. Ihre Frage ist auf einen bestimmten Plan und die im Plangebiet gegebenen örtlichen Verhältnisse zugeschnitten. Ihrem Vorbringen lässt sich auch nicht sinngemäß entnehmen, welche Rechtsfrage losgelöst von diesen im vorliegenden Einzelfall gegebenen Umständen der revisionsgerichtlichen Klärung bedürfen sollte.

5

1.2 Ohne einen bestimmten Zulassungsgrund zu benennen, macht die Klägerin geltend, dass die Obsoleterklärung des Schumacher-Bebauungsplans Art. 14 GG verletze. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zeigt sie auch insoweit nicht auf. Welche Rechtsfrage bei der Auslegung des Art. 14 GG zu klären sein sollte, ist ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen.

6

2. Die von der Klägerin geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil weicht weder von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2003 - BVerwG 4 B 85.03 - (BRS 66 Nr. 52) noch von dem Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - (BVerwGE 122, 207) ab.

7

2.1 Im Beschluss vom 9. Oktober 2003 hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass eine bauplanerische Festsetzung funktionslos sein kann, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe sinngemäß den hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt, dass sich die Erkennbarkeit der Funktionslosigkeit eines übergeleiteten Bebauungsplans aus der Vorkriegszeit ohne weiteres aus der (allgemeinen) Kriegs- und Nachkriegsentwicklung herleiten lässt, so dass es auf eine Prüfung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Anforderungen nicht ankommt.

8

Ein solcher Rechtssatz ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen für das Funktionsloswerden eines Bebauungsplans im Rahmen der Prüfung des Bebauungsplans 6546 0/04 zutreffend dargelegt (UA S. 10). Ausgehend hiervon hat es weiter dargelegt, dass auch der Bebauungsplan (Schumacher-Plan) für das Gebiet der Umlegung II aus den Jahren 1919/1924 infolge der Kriegs- und Nachkriegsentwicklung obsolet sei (UA S. 12). Damit hat es nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass Bebauungspläne aus der Vorkriegszeit, auch wenn sie nach § 173 Abs. 3 BBauG 1960 übergeleitet wurden (vgl. UA S. 6), von vornherein keine Wirksamkeit mehr entfalten können. Es hat vielmehr ausgehend von den Voraussetzungen für die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse im Gebiet des Schumacher-Plans gewürdigt.

9

2.2 In dem Urteil vom 18. November 2004 hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit eines Plans nicht zu seiner Funktionslosigkeit führen; er tritt nur außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist (a.a.O. S. 214). Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe hiervon abweichend das Offensichtlichkeitsurteil auf eine bloße Erkennbarkeit reduziert. Es habe bezogen auf den Bebauungsplan 6546 0/04 sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt, dass für die Funktionslosigkeit die Erkennbarkeit darüber ausreicht, dass die Motivation der Gemeinde für den Erlass des Bebauungsplans nachträglich entfallen ist.

10

Auch einen solchen Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Zu den Voraussetzungen für das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit hat es ausgeführt: Die Funktionslosigkeit beruhe in tatsächlicher Hinsicht auf einer erkennbar dauerhaften Änderung der faktischen Umstände im Widerspruch zu den Planfestsetzungen; in normativer Hinsicht sei erforderlich, dass die Erkennbarkeit der Abweichung einen Grad erreicht hat, der eine Verwirklichung der Festsetzung realistischer Weise nicht mehr erwarten lässt und deshalb einem in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt; wann von einem solchen Grad der Erkennbarkeit die Rede sein könne, lasse sich nicht abstrakt bestimmen, sondern bedürfe einer wertenden Entscheidung unter Berücksichtigung u.a. der Art der Festsetzung, des Maßes der Abweichung und der Irreversibilität der entstandenen tatsächlichen Verhältnisse (UA S. 10). Mit diesen Ausführungen hat es die Anforderungen an die Offensichtlichkeit der nachträglichen Veränderungen nicht reduziert, sondern sie lediglich im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats umschrieben. Der Senat selbst hat bei der Prüfung der Offenkundigkeit auf die Erkennbarkeit abgestellt und ausgeführt, dass die zur Funktionslosigkeit führende Abweichung zwischen der planerischen Festsetzung und der tatsächlichen Situation in ihrer Erkennbarkeit einen Grad erreicht haben muss, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (Urteil vom 29. April 1977 - BVerwG 4 C 39.75 - BVerwGE 54, 5 <11>).

11

Das Oberverwaltungsgericht hat die Ausweisung von Verkehrsflächen in dem Bebauungsplan aus dem Jahr 1969 als funktionslos angesehen, weil der geplante Ausbau der Stadtautobahn seither nicht verwirklicht und nicht Bestandteil des Generalverkehrsplans geworden sei (UA S. 10 f.). Außerdem habe das Bundesverwaltungsgericht einem Straßenbauvorhaben die Planrechtfertigung abgesprochen, wenn die Verwirklichung innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren ausgeschlossen erscheine. Für Bebauungspläne, die die Planfeststellung ersetzen, könne nicht entscheidend anderes gelten (UA S. 11). Auch mit diesen Erwägungen ist das Oberverwaltungsgericht nicht von der dargelegten Rechtsprechung zum Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit abgewichen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein planfeststellungsersetzender Bebauungsplan, der die Trasse einer Landesstraße festsetzt, grundsätzlich nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, wenn die Verwirklichung des Vorhabens innerhalb eines Zeitraums von etwa zehn Jahren nach In-Kraft-Treten des Plans ausgeschlossen erscheint (Urteil vom 18. März 2004 - BVerwG 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239). Nicht nur planwidrige Grundstücksnutzungen, sondern auch andere Umstände wie das Fehlen der benötigten Finanzmittel (Urteil vom 18. März 2004 a.a.O. S. 241) können hiernach ein tatsächliches Hindernis sein, das der Verwirklichung der Planung auf unabsehbare Zeit entgegensteht und deshalb unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit ausschließt, dass der Plan wirksam wird. Liegen solche Hindernisse im Zeitpunkt der Planung noch nicht vor, treten sie aber später ein, so liegt der Schluss nahe, die Funktionslosigkeit nach denselben Maßstäben zu beurteilen; die Wertungsparallelität erlaubt die allgemeine Folgerung, dass ein Bebauungsplan funktionslos werden kann, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich so verändert hat, dass ein Planvollzug auf unüberschaubare Zeit ausgeschlossen erscheint (Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <214>). Ausgehend hiervon kann ein Bebauungsplan, der Verkehrsflächen für den Bau einer Straße festsetzt, auch deshalb funktionslos werden, weil die Gemeinde den Bau der Straße - wie das Oberverwaltungsgericht hier bei dem mehr als 40 Jahre alten Plan angenommen hat - endgültig aufgegeben hat und dies offenkundig ist.

12

3. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.

13

3.1 In Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Schumacher-Bebauungsplan sei obsolet, erhebt die Klägerin drei Verfahrensrügen:

14

3.1.1 Die genannte Annahme stelle eine Überraschungsentscheidung dar und verletze daher ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

15

Ein gerichtliches Urteil stellt nur dann ein unzulässiges Überraschungsurteil dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher insbesondere der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Beschluss vom 14. April 2010 - BVerwG 4 B 78.09 - DVBl 2010, 839 Rn. 9). Hier musste die Klägerin auch ohne einen gerichtlichen Hinweis damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht ihrem erstmals im Berufungsverfahren gebrachten Vortrag zum Fortwirken des Bebauungsplans aus den Jahren 1919/1924 nicht folgen würde.

16

3.1.2 Die Begründung, dass der Plan "infolge der Kriegs- und Nachkriegsentwicklung" obsolet sei, sei so floskelhaft und inhaltsleer, dass das Urteil in diesem Punkt nicht mit Gründen versehen sei (§ 138 Nr. 6 VwGO).

17

Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur, wenn die Entscheidungsgründe ihre Funktion, die Beteiligten über die dem Urteil zugrundeliegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen (Beschluss vom 3. Dezember 2008 - BVerwG 4 BN 25.08 - BRS 73 Nr. 41 Rn. 9). Die Vorschrift greift nicht schon dann, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (Beschluss vom 5. Juni 1998 - BVerwG 9 B 412.98 - NJW 1998, 3290). Gemessen hieran liegt ein Verfahrensmangel nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht ist auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen; es hat den aus seiner Sicht entscheidenden Gesichtspunkt für das Obsoletwerden des Plans benannt.

18

3.1.3 Vorsorglich rügt die Klägerin schließlich eine Verletzung der Aufklärungspflicht. Die Frage nach der ersatzweise geltenden planungsrechtlichen Grundlage für das bereits vor dem 2. Weltkrieg in der Kölner Innenstadt errichtete Gebäude habe sich aufgedrängt.

19

Damit ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin legt nicht - wie dies erforderlich wäre (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328) - dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären und warum sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätten aufdrängen müssen.

20

3.2 Darüber hinaus rügt die Klägerin eine Verletzung rechtlichen Gehörs, und zwar unter acht Gesichtspunkten:

21

3.2.1 Das Oberverwaltungsgericht habe über die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage, wie weit der Bestandsschutz für die beiden vor der Giebelwand stehenden Eurotafeln reiche, nicht entschieden.

22

Geht das Gericht auf das Vorbringen eines Beteiligten nicht ein, kann darin eine Verletzung rechtlichen Gehörs nur liegen, wenn das Vorbringen nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts entscheidungserheblich war (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 31. August 2006 - BVerwG 4 BN 25.06 - juris Rn. 4). Da das Vorhaben nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts bereits wegen des Verstoßes gegen das Werbeverbot im Außenbereich (§ 13 Abs. 3 BauO NRW) nicht genehmigungsfähig war, kam es auf den sonstigen Vortrag der Klägerin zur baurechtlichen Zulässigkeit ihres Vorhabens nicht an (UA S. 14).

23

Soweit die Klägerin im Rahmen der Gehörsrüge eine Rechtsfrage zur Reichweite des Bestandsschutzes nach Art. 14 GG formuliert (S. 19 der Beschwerdebegründung), kommt auch eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht. Die Frage ist auf die Umstände des hier gegebenen Einzelfalls zugeschnitten. Außerdem ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass es außerhalb der gesetzlichen Regelungen einen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz nicht gibt (Urteil vom 12. März 1998 - BVerwG 4 C 10.97 - BVerwGE 106, 228).

24

3.2.2 Das Oberverwaltungsgericht habe sich - wie die Fragen des Berichterstatters während der Ortsbesichtigung zeigten - auf eine von den Parteien nicht gefragte Fehlersuche begeben.

25

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht. Im Übrigen stellt die vom Bundesverwaltungsgericht gelegentlich ausgesprochene Mahnung, die Tatsachengerichte sollten nicht "gleichsam ungefragt" auf Fehlersuche gehen, keinen Rechtssatz dar; sie umschreibt lediglich eine Maxime richterlichen Handelns (Beschluss vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 60).

26

3.2.3 Das Oberverwaltungsgericht habe die Fehlersuche auf den Bebauungsplan aus dem Jahr 1969 erstreckt, obwohl die Beteiligten sich nicht auf dessen Unwirksamkeit berufen hätten.

27

Auch insoweit legt die Klägerin nicht dar, inwiefern dadurch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sein sollte.

28

3.2.4 Das Oberverwaltungsgericht sei der Frage nach einer ersatzweise geltenden planungsrechtlichen Grundlage für bereits vor dem 2. Weltkrieg errichtete Gebäude nicht nachgegangen. Dadurch habe es nicht nur seine Aufklärungspflicht (3.1.3), sondern auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.

29

Das Oberverwaltungsgericht hat den Vortrag der Klägerin zum Schumacher-Bebauungsplan zur Kenntnis genommen (UA S. 6) und erwogen (UA S. 12). Dass es der Rechtsauffassung der Klägerin nicht gefolgt ist, verletzt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht.

30

3.2.5 Aus diesem Grund führt auch die Rüge, dass das Oberverwaltungsgericht den Schumacher-Bebauungsplan trotz des Vortrags der Klägerin als obsolet angesehen habe, nicht zum Erfolg.

31

3.2.6 Das Oberverwaltungsgericht habe das klägerische Haus von dem Bebauungszusammenhang auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgetrennt und zwar mit dem einzigen und nicht tragenden Argument, dass die Breite der Straße den Bebauungszusammenhang hindere. Gleichwohl habe es das Haus unter Übergehung einer anderen mehrspurigen Straße dem Grüngürtel zugeordnet.

32

Mit diesen Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts kann ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden; die gerügten Fehler wären - wenn sie vorlägen - nicht dem Verfahrensrecht, sondern der Anwendung materiellen Rechts zuzuordnen. Die geltend gemachte Verletzung von § 34 BauGB kann auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur Zulassung der Revision führen. Hierfür fehlt die Formulierung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Die Beschwerde kritisiert lediglich die tatrichterliche Würdigung der hier gegebenen örtlichen Verhältnisse.

33

3.2.7 Das Oberverwaltungsgericht habe den als Park angelegten, sich um die Kölner Innenstadt ziehenden Grüngürtel trotz der dort vorhandenen Sport- und Spielplätze als "Außenbereich im Innenbereich" eingeordnet, ohne sich damit auseinander zu setzen, dass Sport- und Spielplätze im Außenbereich grundsätzlich unzulässig seien.

34

Hätte das Oberverwaltungsgericht das klägerische Grundstück zu Unrecht bebauungsrechtlich als Außenbereich qualifiziert, läge auch darin kein Verfahrensfehler, sondern eine Verletzung materiellen Rechts im vorliegenden Einzelfall.

35

3.2.8 Das Oberverwaltungsgericht habe das klägerische Begehren wegen des Verunstaltungsverbots in § 13 Abs. 3 BauO NRW zurückgewiesen, ohne den Vorrang des Bundesrechts zu berücksichtigen. Einem Vorhaben nach § 35 Abs. 4 Nr. 6 BauGB dürfe das Verunstaltungsverbot nicht entgegengehalten werden. Die bereits vorhandene werbliche Nutzung der Giebelwand stelle eine betriebliche Nutzung im Sinne dieser Vorschrift dar.

36

Auch dieser Vortrag betrifft das materielle Recht; er ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel darzulegen.

37

3.2.9 Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör lässt sich schließlich nicht - wie die Klägerin offenbar meint - aus einer Gesamtschau der vorgenannten Gesichtspunkte herleiten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.