Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 19. Juli 2018, mit dem sein Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen und seine Abschiebung nach Rumänien im Rahmen eines Dublin-Verfahrens angeordnet wurde.

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger, dem Volk der Kurden zugehörig und sunnitischen Glaubens. Er reiste eigenen Angaben zufolge gemeinsam mit seiner Mutter und dem minder-jährigen Bruder (Verfahren AN 17 K 18.50606) am 6. Juni 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und suchte am gleichen Tag um Asyl nach. Im Rahmen der Befragungen vor dem Bundesamt am 21. und 25. Juni 2018 zur Zulässigkeit des gestellten Asylantrages und zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates sowie zur Befragung zu den Asylgründen gab der Kläger an, dass er sein Heimatland am 4. Juli 2016 verlassen habe und sodann über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Rumänien nach Deutschland eingereist sei. In Serbien seien sie für ca. sechs Monate gewesen. Bei der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gab er an, dass sie sehr schlecht behandelt worden seien. Er sei von den dortigen Beamten geschlagen worden. Zudem seien ihnen all ihre Sachen (Handy, Geld und Kleidung) abgenommen worden. Er sei zudem inhaftiert und auch anschließend in einer geschlossenen Unterkunft untergebracht gewesen.

Nach den Ermittlungen des Bundesamtes (EURODAC-Treffer der Kategorie 1) wurden von dem Kläger am 31. August 2016 in Bulgarien und am 21. August 2017 in Rumänien Fingerabdrücke genommen und zugleich durch ihn Asylanträge gestellt.

Ein erstes Übernahmeersuchen richtete die Beklagte am 27. Juni 2018 an Bulgarien, woraufhin Bulgarien am 2. Juli 2018 mitteilte, dass sie bereits am 9. Oktober 2017 ein Übernahmeersuchen von Rumänien erhalten, dieses aber mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 abgelehnt hätten und Rumänien nunmehr zuständig wäre. Auf ein weiteres Übernahmeersuchen der Beklagten vom 5. Juli 2018 gegenüber Rumänien, teilte Rumänien am 18. Juli 2018 mit, dass der Kläger bereits am 21. August 2017 in Rumänien einen Asylantrag gestellt hätte und dieser noch geprüft werde. Die Rückübernahme des Klägers nach Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) bis zum 18. Januar 2019 wurde gegenüber dem Bundesamt erklärt.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers daraufhin als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.), ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). In den Gründen verwies die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da Rumänien für die Behandlung des Asylantrages zuständig wäre. Eine materielle Prüfung der Asylgründe erfolge daher nicht. Abschiebungsverbote ergäben sich weder aus der Anwendung der EMRK, weil außergewöhnliche, schwerwiegende humanitäre Gründe, die einer Rückführung des Klägers nach Rumänien entgegenstehen können, nicht ersichtlich seien. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Rumänien führten nicht zu der Annahme, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle des Klägers anzunehmen sei, was sich auch aus dem persönlichen Vortrag des Klägers gegenüber dem Bundesamt ergebe. Zudem sprächen objektive Erkenntnisse über die Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber in Rumänien und die durch dieses Land zur Verfügung gestellten Hilfen und Versorgung gegen sog. systemische Mängel im Asylsystem. Zum anderen begründe auch der Vortrag des Klägers zu seinen persönlichen Bindungen zu seiner Mutter und seinem minderjährigen Bruder kein Abschiebungsverbot. Insbesondere ergäben sich keine Anhaltspunkte, die für ein Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung sprächen. Die Abschiebungsanordnung beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die ermessensgerecht vorzunehmende Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes sei mit sechs Monaten im Einzelfall zu bemessen gewesen.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. August 2018, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage und stellte einen Antrag im einstweiligen Rechtschutzverfahren. Zur Begründung wurde vorgebracht, dass der Kläger, seine Mutter und sein Bruder in Rumänien schlecht behandelt worden seien. Die Mutter des Klägers sei zudem krank, weshalb sich der Kläger um seinen minderjährigen Bruder kümmern müsse. Der Kläger gehöre zusammen mit seiner alleinerziehenden Mutter und dem minderjährigen Kind zu einem besonders schützenswerten Personenkreis. Jedenfalls in Bezug auf diesen Personenkreis sei von systemischen Mängeln auszugehen.

Der Kläger lässt beantragen,

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge,

Az.: … vom 19.07.2018 wird aufgehoben.

Die Beklagte äußerte sich mit Schriftsatz vom 6. August 2018 und beantragt

Klageabweisung.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe.

Mit Schriftsatz vom 6. August 2018 wurde seitens des Klägers weiter vorgetragen, dass sein Asylverfahren in Rumänien bereits rechtskräftig abgeschlossen sei und Rumänien das Überstellungsgesuch der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt habe. Unterlagen hierzu legte der Kläger bislang nicht vor.

Mit Beschluss vom 10. August 2018 lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung im einstweiligen Rechtschutzverfahren ab (Verfahren AN 17 S 18.50613). Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 15. August 2018 und der Beklagten am 14. August 2018 jeweils gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2019 teilte die Beklagte mit, dass sich die Überstellungsfrist für den Kläger gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung auf 18 Monate verlängert habe. Die Zentrale Ausländerbehörde … habe am 9. Januar 2019 einen angekündigten Rücküberstellungsversuch in der Gemeinschaftsunterkunft des Klägers unternommen und dabei den Kläger nicht in den Räumen seiner Unterkunft angetroffen. Die neue Überstellungsfrist laufe nunmehr bis zum 10. Februar 2020. Dieser Umstand sei den rumänischen Behörden am 9. Januar 2019 mitgeteilt worden.

Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 22. Januar 2019, dass der Kläger aus altruistischen Gründen sich der Überstellung habe entziehen und bei seiner Mutter habe bleiben müssen, da diese im Falle seiner Rücküberstellung die Begehung von Suizid angekündigt habe. Der Bevollmächtigte legte eine Kopie eines Beschlusses des Amtsgerichts … vom 17. Januar 2019 im Betreuungsverfahren … vor, wonach die Mutter des Klägers für längstens zwei Wochen in ein Bezirkskrankenhaus zur Begegnung eines akuten Suizidrisikos auf ärztliche Veranlassung eingewiesen worden war. In den Beschlussgründen führt das Amtsgericht aus, die Betroffene habe ihren Suizid für den Fall angekündigt, dass der Kläger nach Rumänien rücküberstellt werde. Dem liege eine Anpassungsstörung der Betroffenen zugrunde, was durch mündlich erstattetes Zeugnis des Arztes Herrn … sowie durch den unmittelbaren Eindruck, den das Gericht im Rahmen der Anhörung der Betroffenen erlangt habe, festgestellt worden sei. Der ältere Sohn der Betroffenen, der Kläger im hiesigen Verfahren, befinde sich seit dem 16. Januar 2019 in Abschiebungshaft. Am selben Tag sei die Betroffene dann auch in das Bezirkskrankenhaus … eingewiesen worden. Der Bevollmächtigte des Klägers ist der Auffassung, die durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. August 2018 im Verfahren AN 17 S 18.50613 neu in Gang gesetzte 6-Monats-Frist zur Rücküberstellung des Klägers nach Rumänien sei am 10. Februar 2019 abgelaufen und eine Verlängerung der Frist auf 18 Monate nicht eingetreten. Schon von daher sei die Beklagte nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2019 teilte das Bundesamt zum Verfahren AN 17 K 18.50606 mit, hinsichtlich der Mutter und des minderjährigen Bruders des Klägers habe es den Unzulässigkeitsbescheid aufgehoben und trete nunmehr selbst in die materielle Prüfung des Asylantrages ein. Die Überstellungsfrist in jenem Verfahren sei abgelaufen, ohne, dass ein Verlängerungstatbestand eingegriffen habe.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat sich mit Schriftsatz vom 22. Februar 2019 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter einverstanden erklärt. Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter erfolgte mit Beschluss vom 14. März 2019.

Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Behördenakte des Bundesamtes zum Az. …, sowie die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten aus dem Verfahren AN 17 K 18.50606 verwiesen.

Gründe

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung (§ 76 Abs. 1 AsylG, § 101 Abs. 2 VwGO), da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 22. Februar 2019; Allgemeine Prozesserklärung des Bundesamtes vom 27. Juni 2017).

Die zulässige Klage ist unbegründet, da sich der angegriffene Bescheid im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) als rechtmäßig erweist und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Sie war folglich abzuweisen.

Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG als unzulässig abgelehnt, da die vorliegenden Erkenntnisse eine Zuständigkeit Rumäniens nach der Dublin III-Verordnung ergeben haben. Diese Zuständigkeit bestand auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch fort.

Rumänien ist für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig. Nachdem Rumänien mit Schreiben vom 27. Juni 2018 zunächst ein Übernahmeersuchen an Bulgarien gerichtet hatte, dieser Mitgliedstaat allerdings mit Schreiben vom 2. Juli 2018 (und damit innerhalb der Frist des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung) eine Rückübernahme des Klägers abgelehnt hatte und Rumänien auch kein Remonstrationsverfahren nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2013 (Dublin-Durchführungs-Verordnung) durchgeführt hat, ist Rumänien für die Durchführung des Asylverfahrens jedenfalls nunmehr durch Fristablauf zuständig geworden (vgl. dazu Art. 23 Abs. 3 und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-Verordnung sowie Günther, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 29 Rn. 18). Nach den Angaben des Klägers vor dem Bundesamt hat sich die Familie nach dem Aufenthalt in Bulgarien für sechs Monate in Serbien aufgehalten. Dies zugrunde gelegt war Bulgarien nach Art. 19 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-Verordnung nicht mehr zur Rückübernahme verpflichtet, da der Kläger das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten für mindestens drei Monate verlassen hatte, und durfte daher richtigerweise von der Zuständigkeit Rumäniens nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung (unter Ablehnung des Übernahmeersuchens) ausgehen. Der in Rumänien gestellte Asylantrag war in der Folge als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst, anzusehen, Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-Verordnung. Diese Zuständigkeit erkennt Rumänien auch entsprechend der Erklärung der Bereitschaft zur Rückübernahme des Klägers vom 18. Juli 2018 an.

Nach Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) Dublin III-Verordnung ist ein Mitgliedsstaat verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag gestellt hat oder sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates ohne Aufenthaltstitel aufhält, wieder aufzunehmen. Entsprechend der Erklärung seitens Rumäniens vom 18. Juli 2018 wird der Asylantrag des Klägers noch geprüft, sodass die entsprechende Verpflichtung Rumäniens gegeben ist. Soweit der Kläger geltend macht, dass sein Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sei und Rumänien das Überstellungsgesuch abgelehnt habe, steht dem die eindeutige Erklärung Rumäniens vom 18. Juli 2018 entgegen. Ein dieser Erklärung widersprechender Nachweis wurde bislang nicht vorgelegt. Das Gericht hat daher keine Zweifel an der Übernahmebereitschaft Rumäniens. Im Übrigen wäre Rumänien auch nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens zur Rückübernahme verpflichtet, vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d) Dublin III-Verordnung.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 5. Juli 2018 ein Wiederaufnahmegesuch innerhalb der 2-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung an Rumänien gestellt. Rumänien hat mit Schreiben vom 18. Juli 2018 im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens seine Zustimmung zur Rückübernahme des Klägers fristgerecht nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung erklärt.

Die Zuständigkeit der Beklagten ist in der Folgezeit nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist eingetreten. Zwar ist die regelmäßige Überstellungsfrist von sechs Monaten mit Ablauf des 15. Februar 2019 (sechs Monate nach Zustellung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO im Verfahren AN 17 S 18.50613 an den Klägerbevollmächtigten) abgelaufen, ohne, dass der Kläger bis dahin nach Rumänien überstellt worden wäre. Die Beklagte hat indes rechtzeitig vor Ablauf der regelmäßigen Überstellungsfrist aus zutreffenden Gründen die Frist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung auf 18 Monate verlängert. Eine wirksame Verlängerung setzt dabei auch voraus, dass der ersuchende Mitgliedsstaat die Verlängerung unter Angabe der Verlängerungsgründe vor Ablauf der 6-Monats-Frist mitgeteilt hat (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen in der Fassung der Durchführungsverordnung zur Dublin III-VO (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014). Die formgerechte Benachrichtigung der rumänischen Behörden war hier aber am 9. Januar 2019 durch das Bundesamt erfolgt. Dahingestellt bleiben kann, ob die Angabe des Ablaufs der verlängerten Frist zutreffend von der Beklagten auf den 10. Februar 2020 datiert worden war oder ob insoweit auf den Neubeginn der regelmäßigen 6-Monats-Frist zum 15. August 2018 abzustellen gewesen wäre, so dass die Höchstfrist mit Ablauf des 15. Februar 2020 endet. Denn jedenfalls ist diese verlängerte Frist ersichtlich noch lange nicht ausgeschöpft, so dass es auf den genauen Fristenablauf derzeit nicht ankommt.

In nicht zu beanstandender Weise ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger am 9. Januar 2019 flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung gewesen war. Die Dublin III-Verordnung definiert selbst nicht, was unter dem Tatbestandsmerkmal „flüchtig sein“ im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 zu verstehen ist. Art. 2 Buchstabe n) Dublin III-Verordnung definiert lediglich die „Fluchtgefahr“ unter Bezugnahme auf den Terminus „durch Flucht entziehen“. Auch aus den Erwägungsgründen zur Dublin III-Verordnung ergibt sich keine Auslegungshilfe zum Merkmal „Flucht“. Die deutsche Rechtsprechung ist, wann im Einzelfall vom Merkmal „flüchtig“ im vorgenannten Sinne auszugehen ist, nicht einheitlich. Einige Verwaltungsgerichte stellen auf die Bedeutung des Wortes nach den verschiedenen amtlichen Sprachversionen ab und kommen zu dem Schluss, dass die Wortbedeutung auch aktive Handlungen des Asylantragstellenden, die über die bloße Ortsveränderung ohne Kenntnis der nationalen Behörden hinausgehen, erfassen kann (bspw. VG Berlin, B.v. 25.1.2018 - 31 L 586.17 A - BeckRS 2018, 789; VGH Baden-Württemberg, B.v. 15.3.2017 - A 11 S 2151/16 - NVwZ-RR 2017, 890). Teilweise wird das Merkmal bereits dann als erfüllt angesehen, wenn der Asylantragstellende das Überstellungsverfahren absichtlich behindere oder durch ihn zuzurechnende Pflichtverletzungen erheblich erschwere (bspw. VG Schwerin, B.v. 24.8.2016 - 3 B 2176/16 As SN - juris; VG Gießen, B.v. 17.9.2018 - 4 L 9383/17.GI.A - BeckRS 2018, 26446). Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Jawo (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17 - BeckRS 2019, 3600 - dort Rn. 53 ff.) ist ein Asylantragsteller „flüchtig“, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln. Dies kann angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Asylantragsteller die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Der Asylantragsteller behält die Möglichkeit, nachzuweisen, dass er diesen Behörden seine Abwesenheit aus stichhaltigen Gründen nicht mitgeteilt hat, und nicht in der Absicht, sich den Behörden zu entziehen. Unter Anlegung dieses Maßstabes war der Kläger „flüchtig“ im Sinne der Bestimmungen der Dublin III-Verordnung.

Die Beklagte hat substantiiert nachgewiesen, dass der Kläger über einen Rücküberstellungstermin innerhalb der regelmäßigen Überstellungsfrist vorab schriftlich informiert worden war und dieses Schreiben auch entgegennahm. Der Kläger stellt dies auch nicht in Abrede. Im weiteren ergibt sich aus der Bundesamtsakte des Klägers, dass dieser im Laufe des Verwaltungsverfahrens mehrmals über die ihn im Zuge des Asylverfahrens treffenden Pflichten in einer Sprache belehrt worden war, die der Kläger versteht. Auf diesen letztgenannten Umstand ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts maßgeblich abzustellen, soweit nach der vorerwähnten Rechtsprechung des EuGH zu prüfen ist, ob eine ordnungsgemäße Belehrung des Asylantragstellers erfolgt ist. Dass im Zuge der Überstellungsbemühungen der Ausländerbehörden in Dublin-Fällen der Vorabankündigung eines geplanten Rücküberstellungstermins ebenfalls eine gewisse Belehrungsqualität zukommt, ist letztlich nur erheblich, wenn im Einzelfall zu prüfen ist, dass sich der Asylantragsteller ohne stichhaltige Gründe dem Rücküberstellungsversuch gezielt entzogen hat. Bezogen auf die Belehrungspflicht, wie der EuGH sie fordert, ist es deshalb im vorliegenden Fall unerheblich, dass das Gericht anhand der Aktenlage im Falle des Klägers nicht sicher festzustellen vermochte, ob die Ankündigung des Rücküberstellungstermins durch die Ausländerbehörde, die in Deutsch und Englisch abgefasst war, ebenfalls in einer Sprache abgefasst war, die der Kläger verstehen konnte. Soweit die Frage der Verständlichkeit des Ankündigungsschreibens für den Kläger gleichwohl in der weiteren gerichtlichen Prüfung bedeutsam sein kann, ist Folgendes auszuführen. Zwar kann in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Fragen der ausländerrechtlichen Abschiebungshaft (vgl. BGH, B.v. 14.1.2016 - V ZB 178/14 - FGPrax 2016, 87) angenommen werden, dass dem Kläger die Vorabinformation über den geplanten Rücküberstellungstermin in einer ihn verständlichen Sprache übersetzt hätte zugehen müssen, was im Streitfall die nationalen Behörden nachzuweisen hätten. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass einerseits der Kläger die Verständlichkeit der Vorabinformation nicht in Abrede gestellt hat und andererseits die Sachverhalte der Rechtfertigung von Abschiebungshaft und der Feststellung des Merkmals „flüchtig“ in Anwendung europarechtlicher Vorgaben nicht vergleichbar sind (dazu auch: VG Potsdam, U.v. 21.04.2017 - VG 6 K 527/16.A - BeckRS 2017, 128547). Während es bei der Rechtfertigung von Abschiebungshaft um eine Maßnahme mit freiheitsentziehenden Charakter geht, die auch nach der verfassungsrechtlichen Ordnung unter einem besonderen Vorbehalt und einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung steht, zielen die Vorgaben der Dublin III-Verordnung primär auf eine effektive und nach objektiven Kriterien abstellende Zuständigkeitsbestimmung im europäischen Asylverbund. Soweit in Anwendung und Umsetzung der Dublin III-Verordnung ebenfalls ein Inhaftierung des Asylantragstellers in Betracht zu ziehen ist, stellt Art. 28 dieser Verordnung sicher, dass diese Maßnahme mit besonderer Eingriffstiefe in die Rechte des Asylantragstellers bestimmten Verfahrensgarantien unterworfen ist. Im Übrigen bestimmen sich die Verfahrensgarantien für den Asylantragsteller nach den jeweiligen Vorschriften der Dublin III-Verordnung. Zwar sehen auch diese im Regelfall vor, dass der Asylantragsteller in einer Sprache zu informieren und zu befragen ist, die er versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden kann, dass er sie versteht (vgl. Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 4 Dublin III-Verordnung). Die Regelungen der Dublin III-Verordnung legen damit aber keinen derart strengen Maßstab an die Verständigungsmöglichkeit mit dem Asylantragsteller an, wie sie der Bundesgerichtshof in seiner vorgenannten Rechtsprechung zur Abschiebungshaft fordert. Soweit der Bundesgerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung auch mit dem Gebot eines fairen Verfahrens begründet, ist dem nach Ansicht des erkennenden Gerichts in dem vorliegenden Fall bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der Kläger mehrmals im Rahmen der Anhörungen während des Dublin-Verfahrens in einer Sprache, die er sicher beherrscht, über seine Mitwirkungspflichten im Asylverfahren, auch durch Aushändigung eines Mitteilungsblattes mit wichtigen Hinweisen, sowie schließlich mit der Übersendung des angegriffenen Bescheides auch nach dem Aufenthaltsgesetz belehrt worden war und mit Zustellung des angegriffenen Bescheides, der eine Abschiebungsanordnung anstatt einer bloßen Abschiebungsandrohung enthielt, jederzeit damit rechnen musste, nach Rumänien überstellt zu werden. Es bedarf nach Auffassung des entscheidenden Gerichts insoweit keiner Belehrung in einer dem Kläger verständlichen Sprache über jede denkbare Konsequenz nach der Dublin III-Verordnung im Falle des Verstoßes von Mitwirkungspflichten des Asylantragstellers, denn der Kläger war jedenfalls hinreichend deutlich über Sinn und Zweck des Dublin-Verfahrens im Rahmen seiner Anhörungen informiert worden. Bezüglich der Ankündigung des Termins zur Rücküberstellung des Klägers im Rahmen des Dublin-Verfahrens ergibt sich für das Gericht auch keine andere Sichtweise, weil Art und Weise der Rücküberstellung sich letztlich nicht nach der Dublin III-Verordnung, sondern nach nationalem Recht richten (Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-Verordnung). Denn eine Pflicht der Ausländerbehörden zur Ankündigung der Rücküberstellung besteht gerade nicht, soweit es nicht um die Frage der Zulässigkeit von Abschiebungshaft geht (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG, der auch auf Fallkonstellationen des Dublin-Verfahrens entsprechend anzuwenden ist). Folgerichtig kann in der Gesamtschau nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger augenscheinlich vom Inhalt des Ankündigungsschreibens tatsächlich für ihn verständlich Kenntnis genommen hatte. Wie dies im Einzelnen geschehen ist, ist dabei unerheblich. Die Einlassung des Klägers über seinen Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 22. Januar 2019 legt aber nahe, dass der Kläger sehr wohl wusste, welche Bewandtnis es mit dem Schreiben der Ausländerbehörde hatte. Der Kläger gab nämlich an, er habe sich aus altruistischen Gründen seiner Überstellung entziehen müssen. Diese Einlassung beinhaltet nach Überzeugung des Gerichts ein Eingeständnis, dass der Kläger am 9. Januar 2019 bewusst die Aufnahmeeinrichtung mit dem Ziel verlassen hatte, die an diesem Tag bevorstehende Rücküberstellung zu vereiteln. Der Kläger konnte zum angekündigten Termin der Rücküberstellung von der zuständigen Ausländerbehörde in der ihm zugewiesenen Unterkunft tatsächlich nicht angetroffen werden, was er nicht in Abrede stellt. Ob er seinen zugewiesenen Aufenthaltsort nur kurzfristig oder für längere Zeit verlassen wollte, ist nach der Konkretisierung des Merkmals „flüchtig“ durch den EuGH nun nicht mehr von Belang, wenn feststeht, dass auch das kurzzeitige Verlassen des Aufenthaltsortes mit dem Ziel erfolgte, die Rücküberstellung zu vereiteln. Davon ist das erkennende Gericht im vorliegenden Fall aufgrund der Gesamtumstände, wie sie sich aus den Akten vermitteln, überzeugt.

Es liegen auch keine Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-Verordnung oder Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung begründen, noch zur Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung führen würden.

Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 - NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (ChGR) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein. Derartige systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung allein entgegentreten kann (EuGH Gr. Kammer, U.v. 10.12.2013, C-394/12 - juris), erkennt das Gericht für Rumänien nicht. An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-Verordnung sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitäre Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkennbar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 - juris). Dies ist nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, insbesondere den regelmäßigen Berichten der Kommission der EU zur Bewertung des Dublin-Systems und des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort sowie der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017 nicht der Fall und wird nach der zu Rumänien ergangenen Rechtsprechung überwiegend nicht angenommen (vgl. VG Lüneburg, U.v. 13.3.19 - 8 B 51/19 - juris Rn. 17 - 22; VG Aachen, B.v. 21.9.18 - 6 L 1144/18.A - juris Rn. 22 - 59; VG Bayreuth, B.v. 14.11.2017 - B 6 S 17.50926 - juris Rn. 33 - 37; VG Karlsruhe, B.v. 12.9.2017 - A 1 K 10625/17 - juris Rn. 5 - 11, BayVGH, B.v. 25.6.2018 - 20 ZB 18.50032 - juris Rn. 8, vorausgegangen VG Ansbach, U.v. 26.3.2018 - AN 17 K 18.50003 - juris Rn. 27).

Der Kläger hat im Gerichtsverfahren insoweit auch keinen substantiierten Vortrag oder bei der Anhörung vor dem Bundesamt Tatsachen glaubhaft gemacht, die systemische Schwachstellen im rumänischen Asylverfahren belegen würden. Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt hat der Kläger lediglich angegeben schlecht behandelt worden und inhaftiert gewesen zu sein. Unter Berücksichtigung der Angaben der Mutter in deren Anhörung vor dem Bundesamt am 25. Juni 2018, macht es für das Gericht den Eindruck, dass sich die vorgenannten Angaben des Klägers auf den Mitgliedstaat Bulgarien, in dem sie sich ebenfalls aufgehalten haben, beziehen. So hat nämlich die Mutter konkret von einer schlechten Behandlung und Inhaftierung in Bulgarien, nicht aber in Rumänien, gesprochen. Aus dem Anhörungsprotokoll des Klägers ergibt sich hingegen kein Bezug zu einem konkreten Land. Soweit man davon ausgeht, dass sich der Vortrag des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt ebenfalls auf Bulgarien bezogen hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme von systemischen Mängeln im Hinblick auf den Mitgliedstaat Rumänien, der Zielstaat der Abschiebungsanordnung ist. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass sich seine Schilderungen auf Rumänien beziehen, ist anzumerken, dass die Behauptungen des Klägers, dass ihm sein Mobiltelefon abgenommen und er verhaftet und geschlagen worden sei, pauschal und ohne jegliche Schilderung von Details und genaueren Umständen sind. Für das Gericht ergibt sich hieraus kein in sich stimmiger und nachvollziehbarer Sachverhalt. Der Vortrag vermag die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel folglich nicht zu erschüttern, sodass die Annahme von systemischen Mängeln auch insoweit nicht in Betracht kommt.

Für den Kläger sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung befürchten ließen. Insbesondere gehört er als junger und gesunder Mann nicht einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe an. Der Umstand, dass er gemeinsam mit seiner alleinerziehenden Mutter und dem minderjährigen Bruder gereist ist, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Er ist bereits erwachsen und in der Lage selbst für sich zu sorgen. An dem Kreis einer schutzbedürftigen Personengruppe kann er insofern nicht teilhaben, da dies voraussetzen würde, dass er selbst schutzbedürftig ist. Dazu hat der Kläger indes nichts vorgetragen. Eine andere Betrachtung ist somit auch nicht vor dem Hintergrund geboten, dass nunmehr feststeht, dass die Mutter und der Bruder des Klägers einen Anspruch auf Durchführung deren Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zu einer Familienzusammenführung des Klägers mit seinem minderjährigen Bruder bzw. seiner Mutter verpflichtet. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel den Asylantragsteller nicht von seinem Kind, einem seiner Geschwister oder Elternteil zu trennen, wenn der Asylantragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen ist oder sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen ist. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis bleibt dabei auf Ausnahmesituationen besondere Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. VG Ansbach, B.v. 5.3.2015 - AN 14 S 15.50026 - BeckRS 2015, 42525; VG München U.v. 6.5.2016 - M 12 K 15.50793 - BeckRS 2016, 47330). Ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem minderjährigen Bruder bzw. der Mutter lässt sich vorliegend nicht feststellen. Da es sich bei der Anwendung des Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung um einen Ausnahmetatbestand handelt, trifft entsprechend den allgemeinen Prozessregeln Denjenigen eine besondere Darlegungslast hinsichtlich der die Ausnahme begründenden Umstände, der sich auf den Eintritt der Ausnahmeregelung beruft (BayVGH, B.v. 06.2.2008 - 19 C 07.3399 - BeckRS 2008, 27503 Rn. 23). Je mehr die zur Begründung der Ausnahmeregelung dienenden Tatsachen in der individuellen Sphäre des Darlegungsverpflichteten liegen, umso höher sind die Anforderungen an dessen Darlegungslast anzusetzen. Gemessen daran sind besondere Umstände, wie sie in Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung aufgezählt sind, bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht in der erforderlichen Dichte dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Allein der Umstand der Minderjährigkeit des Bruders des Klägers ist für die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses nicht ausreichend, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass der Bruder des Klägers bereits in weniger als einen Monat 15 Jahre alt sein wird und es sich demnach nicht mehr um ein Kleinkind handelt. Darüber hinaus befindet sich auch noch die Mutter bei dem minderjährigen Bruder. Dies spricht ebenfalls gegen die Annahme einer Angewiesenheit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung, da sich die Mutter ohne weiteres um den minderjährigen Bruder kümmern kann. Der behauptete Bluthochdruck der Mutter stellt keine derart schwerwiegende Krankheit dar, die dies unmöglich machen würde. Aber auch die erstmals mit Schriftsatz vom 22. Januar 2019 vorgetragene Anpassungsstörung der Mutter ist nicht geeignet, ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zu begründen oder zu belegen, dass die Mutter des Klägers auf Dauer nicht in der Lage wäre, ohne Unterstützung des Klägers Sorge für den minderjährigen Bruder zu tragen. Zum einen ist zu Art und Umfang der Krankheit „Anpassungsstörung“ bei der Mutter durch den Kläger nichts vorgetragen. Auch aus den Gründen des Beschlusses des Amtsgerichts … ergeben sich dazu nur Anhaltspunkte, die wiederum auf ein mündlich erstattetes Zeugnis des behandelnden Arztes zurückzuführen sind. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Diagnostizierung des Krankheitsbildes Anpassungsstörung noch nichts darüber aussagt, inwieweit eine Einschränkung der Tauglichkeit der Bewältigung des Alltages durch den Betroffenen (auf Dauer) eingetreten ist, da sich Anpassungsstörungen in verschiedenen Symptomen äußern können, von denen Suizidgedanken des Betroffenen nur eine mögliche Ausprägung darstellen. Das Krankheitsbild steht häufig im Zusammenhang mit einem krisenauslösenden Ereignis sowie individuellen Risikomerkmalen und dient im medizinischen Bereich auch als Auffangdiagnose bei fehlender Differenzierungsmöglichkeit (vgl. Bengel/Frommberger/Altenhöfer, Anpassungsstörungen - Wenig beachtet und kaum untersucht, in: Deutsches Ärzteblatt, Heft 4, April 2007, S. 171 f.). Im vorliegenden Fall scheint die Inhaftierung und bevorstehende Rückführung des Klägers nach Rumänien das krisenauslösende Moment bei der Mutter des Klägers gewesen zu sein. Wie sich das Krankheitsbild bei der Mutter zwischenzeitlich weiterentwickelt hat und ob nach wie vor erhebliche Einschränkungen in der Alltagsbewältigung bestehen, wäre jedoch unter Beachtung des vorstehenden Maßstabes zur Darlegungslast durch den Kläger näher anzugeben gewesen, weil es in seiner individuellen Sphäre liegt. Dazu wäre nach der durch das Gericht gewährten Fristverlängerung zu einer Stellungnahme des Klägers (im Zusammenhang mit der Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung) bis zum 4. März 2019 und darüber hinaus im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens für das Hauptsacheverfahren durchaus auch noch bis Anfang April Gelegenheit gewesen. Aus der Bundesamtsakte, die zum Asylverfahren der Mutter des Klägers geführt wird, ergaben sich aus den Anhörungsniederschriften der Mutter des Klägers ebenfalls keine Hinweise auf Erkrankungen mit Ausnahme einer Bluthochdruckerkrankung. In der Gesamtschau konnte das Gericht hinsichtlich der Anpassungsstörung somit davon ausgehen, dass diese Erkrankung singulär auf ein Belastungsereignis am 16. Januar 2019 zurückzuführen war - wofür insbesondere die Beschlussgründe des Amtsgerichts … sprechen - und die Symptome zwischenzeitlich abgeklungen sind. Zu weitergehenden Ermittlungen durch das Gericht bestand von daher ohne substantiiertes Vorbringen des Klägers zur Entwicklung des Gesundheitszustandes seiner Mutter infolge der Einweisung in das Bezirkskrankenhaus kein Anlass. Ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Verwandten nach Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung ist im Ergebnis nicht dargetan, so dass es auf die ansonsten zu klärende (strittige) Rechtsfrage, ob sich die Mutter des Klägers aufgrund des Übergangs der Zuständigkeit für deren Asylverfahren auf die Beklagte rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, nicht mehr ankommt.

Eine Veranlassung bzw. Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung bestand ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine restriktiv anzuwendende Ausnahmebestimmung, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen müssen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Insofern gilt der vorstehende Maßstab zur Darlegungslast. Derartige Gründe sind vorliegend aber nicht ersichtlich oder vorgetragen.

Auch zielstaatsbezogene oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die einer Abschiebung nach Rumänien entgegenstünden, sind nicht erkennbar.

Nachdem Rumänien einer Rückübernahme des Klägers mit Schreiben vom 18. Juli 2018 zugestimmt hat und die verlängerte Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist, ist die Abschiebung derzeit auch durchführbar.

Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 75 Nr. 12 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Befristung steht dabei im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, womit das Gericht die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf - im vorliegenden nicht ersichtliche - Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO ab-zuweisen, wobei Gerichtskosten gemäß § 83b AsylG nicht erhoben werden.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 17. Apr. 2019 - AN 17 K 18.50614

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 17. Apr. 2019 - AN 17 K 18.50614

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 17. Apr. 2019 - AN 17 K 18.50614 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 17. Apr. 2019 - AN 17 K 18.50614 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 17. Apr. 2019 - AN 17 K 18.50614 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Mai 2016 - M 12 K 15.50793

bei uns veröffentlicht am 06.05.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistu

Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 05. März 2015 - AN 14 S 15.50026

bei uns veröffentlicht am 05.03.2015

Tenor 1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 26. März 2018 - AN 17 K 18.50003

bei uns veröffentlicht am 26.03.2018

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehöri

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2018 - 20 ZB 18.50032

bei uns veröffentlicht am 25.06.2018

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen. II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil d

Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 14. Nov. 2017 - B 6 S 17.50926

bei uns veröffentlicht am 14.11.2017

Tenor 1. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin W., Bamberg, beigeordnet. 2. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11.08.2017 (Az. B 6 K 17.50927) gegen Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegner

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 15. März 2017 - A 11 S 2151/16

bei uns veröffentlicht am 15.03.2017

Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt, um nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichthofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen einzuholen:1. Ist ein Asylbewerber nur dann flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) 604/2013, we

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - V ZB 178/14

bei uns veröffentlicht am 14.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 178/14 vom 14. Januar 2016 in der Rücküberstellungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AufenthG § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Der Haftgrund des nicht angezeigten Aufenthaltswechsels nach

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 19. März 2014 - 10 B 6/14

bei uns veröffentlicht am 19.03.2014

Gründe I. 1 Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Se

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt, um nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichthofs der Europäischen Union zu folgenden Fragen einzuholen:

1. Ist ein Asylbewerber nur dann flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) 604/2013, wenn er sich gezielt und bewusst dem Zugriff der für die Durchführung der Überstellung zuständigen nationalen Behörden entzieht, um die Überstellung zu vereiteln bzw. zu erschweren, oder genügt es, wenn er sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der ihm zugewiesenen Wohnung aufhält und die Behörde nicht über seinen Verbleib informiert ist und deshalb eine geplante Überstellung nicht durchgeführt werden kann?

Kann sich der Betroffene auf die richtige Anwendung der Vorschrift berufen und in einem Verfahren gegen die Überstellungsentscheidung einwenden, die Überstellungsfrist von sechs Monaten sei abgelaufen, weil er nicht flüchtig gewesen sei?

2. Kommt eine Verlängerung der Frist nach Art. 29 Abs. 1 UA 1 VO (EU) 604/2013 allein dadurch zustande, dass der überstellende Mitgliedstaat noch vor Ablauf der Frist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass der Betreffende flüchtig ist, und zugleich eine konkrete Frist benennt, die 18 Monate nicht übersteigen darf, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird, oder ist eine Verlängerung nur in der Weise möglich, dass die beteiligten Mitgliedstaaten einvernehmlich eine verlängerte Frist festlegen?

3. Ist eine Überstellung des Asylbewerbers in den zuständigen Mitgliedstaat unzulässig, wenn er für den Fall einer Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus dort im Hinblick auf die dann zu erwartenden Lebensumstände einem ernsthaften Risikos ausgesetzt wäre, eine Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren?

Fällt diese Fragestellung noch in den Anwendungsbereich des Unionsrechts?

Nach welchen unionsrechtlichen Maßstäben sind die Lebensverhältnisse des anerkannten international Schutzberechtigten zu beurteilen?

Der Senat beantragt die Anordnung eines Eilvorabentscheidungsverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Kläger ist nach seinen Angaben ein am 23. Oktober 1992 geborener Staatsangehöriger Gambias. Er wendet sich gegen seine Überstellung nach Italien zur Durchführung eines Asylverfahrens.
Er stellte am 23. Dezember 2014 einen Asylantrag, nachdem er Gambia am 5. Oktober 2012 verlassen und Italien über den Seeweg erreichte hatte. Von Italien aus reiste er nach Deutschland weiter. Auf Grundlage eines Eurodac-Treffers, wonach er in Italien einen Asylantrag gestellt habe (vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. b) VO (EU) 604/2013), ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Italien am 26. Januar 2015 um die Wiederaufnahme des Klägers. Eine Reaktion Italiens auf dieses Ersuchen blieb in der Folgezeit aus.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Nr. 2).
Der Kläger erhob am 4. März 2015 Klage und stellte am 12. März 2015 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, den das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 30. April 2015 als unzulässig ablehnte, weil verspätet gestellt. Auf einen weiteren Eilantrag hin ordnete später das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 18. Februar 2016 an.
Am 8. Juni 2015 sollte der Kläger nach Italien überstellt werden, was jedoch misslang, da er in seinem Wohnbereich in der Gemeinschaftsunterkunft in Heidelberg nicht angetroffen werden konnte. Nach entsprechenden Nachfragen des Regierungspräsidiums Karlsruhe teilte die "Fachstelle für Wohnungsnotfälle" der Stadt Heidelberg unter dem 16. Juni 2015 dem Regierungspräsidium Karlsruhe mit, der Kläger sei seit längerem nicht in der Gemeinschaftsunterkunft anzutreffen, dieses habe der zuständige Hausmeister bestätigt. In der mündlichen Verhandlung des Senates erklärte der Kläger - erstmals im gesamten gerichtlichen Verfahren - hierzu, dass er Anfang Juni zu einem in Freiberg/Neckar lebenden Freund gereist sei, um ihn zu besuchen. Nach etwa ein bis zwei Wochen habe er einen Anruf von seinem Zimmergenossen aus Heidelberg erhalte, dass die Polizei ihn suche. Er habe sich entschieden, nach Heidelberg zurückzugehen, habe aber kein Geld gehabt, um die Rückfahrt zu bezahlen; er habe sich dieses erst leihen müssen: Etwa nach zwei Wochen sei er wieder in Heidelberg gewesen und sei dort zum Sozialamt der Stadt Heidelberg gegangen und habe gefragt, ob er noch sein Zimmer habe, was bejaht worden sei. Darüber, dass er seine längere Abwesenheit melden müsse, habe ihn niemand belehrt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterrichtete das italienische Innenministerium mit einem Formblatt am 16. Juni 2015, dass eine Überstellung derzeit nicht möglich sei, weil der Kläger flüchtig sei. Dies sei ihm seit dem 16. Juni 2016 bekannt. Weiter heißt es in dem Formular, dass eine Überstellung bis spätestens zum 10. August 2016 "gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin-VO" erfolgen werde.
Am 3. Februar 2016 sollte der Kläger erneut überstellt werden; die Überstellung scheiterte erneut, weil der Kläger sich weigerte, das Flugzeug zu besteigen.
Durch Urteil vom 6. Juni 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Auf den Antrag des Klägers ließ der Senat die Berufung zu. Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger nach wie vor die Auffassung, er sei im Juni 2015 nicht flüchtig gewesen, auch habe das Bundesamt die Fristverlängerung nicht, wie geschehen, bewirken können. Die Verfügung sein auch deshalb aufzuheben, weil bislang keine seit 6. August 2016 erforderliche Entscheidung zum Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots erfolgt sei. Eine Überstellung nach Italien sei auch deshalb unzulässig, weil das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen dort systemischen Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO (EU) Nr. 604/2013 aufweise. Schließlich sei die Abschiebungsanordnung im Hinblick auf seine mit Erlaubnis der Ausländerbehörde aufgenommene Ausbildung aufzuheben.
10 
Während des Berufungsverfahrens konnte das Bundesamt in Erfahrung bringen, dass dem Kläger in Italien ein nationaler Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt worden war, der ein Jahr gültig und am 9. Mai 2015 abgelaufen war.
II.
11 
Der Senat setzt den Rechtsstreit aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zu den im Tenor formulierten Fragen einzuholen. Die Fragen betreffen die Auslegung von Unionsrecht, insbesondere Art. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und Art. 29 Abs. 2 VO (EU) 604/2013.
12 
1.Folgende nationale Vorschriften bilden rechtlichen Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits:
13 
§ 60a Aufenthaltsgesetz i.d.F.v. 31.07.2016 (BGBl. I, S. 1939)
Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 ist zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. In den Fällen nach Satz 4 wird die Duldung für die im Ausbildungsvertrag bestimmte Dauer der Berufsausbildung erteilt…
14 
§ 29 Asylgesetz i.d.F.v. 31.07.2016 (BGBl. I, S. 1939)
Unzulässige Anträge
Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
ein anderer Staat
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr.604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) oder
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist…
15 
§ 31 Asylgesetz
Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird.
16 
§ 34a Asylgesetz
Abschiebungsanordnung
Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig...
17 
Auf die Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften kommt es nach Auffassung des Senats entscheidungserheblich an. Denn zum einen steht die vom Kläger aufgenommene Ausbildung einer Überstellung nicht entgegen, insbesondere konnte der Kläger kein schützenwertes Vertrauen entwickeln, auch in der Zukunft nach einem negativen Ausgang dieses Rechtsstreits weiter in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben zu können. Dem Kläger wird keine Duldung nach § 60 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu erteilen sein, denn mit Erlass der Abschiebungsanordnung waren aufenthaltsbeendende Maßnahmen bereits eingeleitet. Auch die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG scheidet aus, insbesondere kommt mit Rücksicht auf das nicht schutzwürdige Vertrauen in eine Fortsetzung der Ausbildung keine Ermessensreduzierung in Betracht, wie der Kläger meint. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel, insbesondere dem Bericht von aida "Country Report: Italy" (February 2017) leiden das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen trotz diverser erheblicher Mängel an keinen systemischen Schwachstellen, die gerade den allein stehenden Kläger, der keine gesundheitlichen Einschränkungen hat, dem beachtlichen Risiko einer Schlechtbehandlung im Sinne Art. 4 GRCh aussetzen würde, wenn er zur Durchführung eines (wohl weiteren) Asylverfahrens nach Italien überstellt werden würde. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angegriffenen Bescheide auch nicht aufzuheben, auch wenn das Bundesamt noch nicht über das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten entschieden hat. Dies beruht darauf, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in der hier maßgeblichen Fassung, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht gegolten hatte, sondern erst am 6. August 2016 in Kraft getreten ist. Im Anschluss an vergleichbare in der Vergangenheit aufgetretene Fallkonstellationen geht der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass dieser Streitgegenstand im Berufungsverfahren angewachsen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1992 – 9 C 59.91 – NVwZ 1992, 892 zu § 51 Abs. 1 AuslG, vom 08.09.2011 – 10 C 14.10 und 10 C 15.10 – jew. juris zu § 60 Abs. 2, 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.).
18 
Nach Auffassung des Senats führt auch die in Italien erfolgte Erteilung eines ein Jahr gültigen Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen nicht zur Unanwendbarkeit der Verordnung (EU) Nr. 604/2013. Mit der Erteilung dieses Titels ist dem Kläger kein internationaler Schutz im Sinne der RL 2011/95/EU gewährt worden.
19 
Zur ersten Vorlagefrage:
20 
Eine erste zentrale Weichenstellung nimmt der vorliegende Fall mit der Beantwortung der Frage, ob der Kläger 16. Juni 2015, d.h. am Tag der Meldung des Bundesamts an das italienische Innenministerium, "flüchtig" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 war. Denn durch die spätere Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 18. Februar 2016, der erst nach Ablauf der 6-Montsfrist ergangen war, hätte die abgelaufene Frist nicht mehr verlängert oder unterbrochen werden können. Die Fragestellung erfährt im vorliegenden Fall insofern eine ungewöhnliche Zuspitzung als nach dem unstreitigen Sachverhalt der Kläger sich genau an dem Tag, an dem die Mitteilung an die italienischen Behörden erfolgt war, wieder bei der Stadt Heidelberg gemeldet hat, eine entsprechende Information aber nicht mehr an das Bundesamt gelangt war. Es ist nicht feststellbar, ob zum genauen Zeitpunkt der Meldung bei der Stadt Heidelberg die Information des italienischen Innenministeriums durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits erfolgt war oder nicht. Geht man von der Legaldefinition der Fluchtgefahr in Art. 2 lit. n) Verordnung (EU) Nr.604/2013 aus, wonach ein "Entziehen" durch Flucht festgestellt werden muss, so liegt auch nach dem allgemeinen Wortsinn nahe, im Begriff des "Entziehens" ein Element des Planvollen und Vorsätzlichen bzw. Bewussten zu sehen, mit anderen Worten ein Verhalten, das bewusst in Bezug auf die erwartete Überstellung erfolgt ist. Ein Flüchtigsein wäre nicht schon dann anzunehmen, wenn der oder die Betreffende nicht angetroffen wird und bei dieser Gelegenheit der aktuelle Aufenthaltsort nicht ermittelt werden kann. Die englische Fassung spricht in Art. 2 lit. n) bzw. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 allerdings (nur) von "risk of absconding" bzw. von "if the person concerned absconds"; im Französischen ist demgegenüber wiederum Rede von "risque de fuite" und "si la personne concernée prend la fuite". Jedenfalls die deutsche wie auch die französische Fassungen legen ein weites Verständnis nicht nahe. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich aus den öffentlich zugänglichen Materialien des Normsetzungsverfahrens nichts Erhellendes ablesen lässt. Die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr.604/2013 entspricht wörtlich der des Art. 20 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003. Im Kommissionsentwurf (KOM/2001/0447endg – ABl. C 2001, 304 E, 192) war der hier interessierende Satz 2 noch gar nicht enthalten. Er wurde, soweit ersichtlich, erst im Kontext der abschließenden Beratungen des Rates eingefügt. Andererseits sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein missbilligtes Verhalten des Ausländers sanktioniert werden soll. Der Senat versteht Sinn und Zweck der Vorschrift dahin gehend, dass das effektive Funktionieren des Dublin-Systems gesichert werden soll. Dieses Funktionieren kann erheblich beeinträchtigt werden, wenn die Überstellungen nicht zeitnah erfolgen können, weil dem Gründe entgegen stehen, die nicht in die Verantwortungssphäre des überstellenden Mitgliedstaat fallen. Im Übrigen würden praktisch gesehen oftmals erhebliche Ermittlungs- bzw. Beweisschwierigkeiten bestehen, wenn den Betroffenen nachgewiesen werden müsste, dass sie sich gerade, um eine Überstellung unmöglich zu machen oder zu erschweren, von ihrer Wohnung entfernt bzw. sich verborgen hatten. Hiervon ausgehend sprechen gute Gründe dafür, es ausreichen zu lassen, dass der zuständigen Behörde der Aufenthalt zum Zeitpunkt des Überstellungsversuchs und auch noch zum Zeitpunkt der Information der zuständige Behörde des zuständigen Mitgliedstaat nicht bekannt war und es auch keine verlässlichen Anhaltspunkte für diese gab, wie der aktuelle Aufenthalt in zumutbarer Weise zu ermitteln sein könnte. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass zuständige Behörden hier im konkreten Fall das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - für das Asylverfahren - sowie das Regierungspräsidium Karlsruhe - für die Durchführung der Überstellung - waren. Legt man diese weitere Verständnis der Norm zugrunde, so wäre der Kläger, insbesondere nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch noch am 16. Juni 2015 flüchtig gewesen, zumal sich aus diesen noch nicht einmal entnehmen lässt, ob überhaupt oder ggf. wann er wieder nach Heidelberg zurückkehren wollte.
21 
Im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Urteil vom 07. Juni 2016 (C-63/15) geht der Senat davon aus, dass durch die Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 auch unmittelbar Rechte des Ausländers berührt werden.
22 
Zur zweiten Vorlagefrage:
23 
Was die Frage betrifft, auf welche Weise die Fristverlängerung im Falle der Flucht (oder Krankheit) bewirkt wird, legt der Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 auf den ersten Blick die Herstellung eines Einvernehmens zwischen den Mitgliedstaaten nahe. Denn es heißt dort gerade nicht, dass "sich die Frist verlängert". Andererseits deckt der Wortlaut – auf den zweiten Blick – auch ein Verständnis dahin gehend, dass der überstellende Mitgliedstaat die Fristverlängerung einseitig herbeiführen kann, indem er den aufnehmenden Mitgliedstaat vor Ablauf der regulären Frist informiert und eine konkrete Frist benennt, bis zu der die Überstellung durchgeführt werden wird; die Frist darf dann auch durchaus, wie hier geschehen den Spielraum von 18 Monaten nicht ausschöpfen. Der rechtliche Ansatz einer einvernehmlichen Verlängerung wäre nach Auffassung des Senats unpraktikabel und hätte vorhersehbar zur Folge, dass die Norm in vielen Fällen leer liefe. Von diesem Verständnis lässt sich offensichtlich auch der weiterhin gültige Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 leiten, der das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hier praktizierte Verfahren festlegt. Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass diese Verordnung selbstverständlich nicht geeignet ist, das Verordnungsrecht des Rates materiell zu ändern. Da aber der Wortlaut der hier auszulegenden Bestimmung eine Auslegung in diesem Sinn nicht gänzlich ausschließt, legt nicht zuletzt der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts ein entsprechendes Normverständnis nahe.
24 
Zur dritten Vorlagefrage:
25 
Die Frage ist nach Auffassung des Senats nicht schon deshalb irrelevant, weil der Kläger unstreitig in Italien (noch) nicht als international Schutzberechtigter anerkannt worden ist. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beschränkt sich nämlich nach Auffassung des Senats nicht nur darauf, die Phase der Aufnahme der Flüchtlinge und des Verfahrens auf Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus zweckentsprechend in einer Art und Weise zu regeln, die geeignet ist, einen effektiven und menschenwürdegemäßen Flüchtlingsschutz zu gewährleisten (vgl. etwa den 2., 8., 9., 10. und 11. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/33/EU vom 26.06.2013 bzw. den 2., 11., 15. und 25. Erwägungsrund der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013). Vielmehr hat es auch diejenigen Personen in den Blick zu nehmen, die nach Durchlaufen des Verfahrens von dem zuständigen Mitgliedstaat einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Ein effektives und menschenwürdiges Gemeinsames Europäisches Asylsystem steht und fällt auch mit den verheißenen und sodann realisierten Schutzstandards für die anerkannten Menschen. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 u.a.; vom 14.11.2013 – C-14/11; vom 10.12.2013 – C-394/12) ergeben sich keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass insoweit keine umfassende Bewertung gerade auch unionsrechtlich geboten sein könnte, mit anderen Worten, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem die Augen davor verschließen dürfte, in welcher Situation sich im Anschluss an die Aufnahme zum Zwecke der Verfahrensdurchführung die Schutzberechtigten befinden werden, wenn man den Schutzsuchenden nach dem Mechanismus des Dublin-Systems eine freie Wahl des Zufluchtlandes verwehrt und ihnen grundsätzlich nur einen Verfahrensweg in dem zuständigen Mitgliedstaat eröffnet. Denn notwendige und zwingende Kehrseite dieses Mechanismus muss sein, dass dann auch diese Betroffenen ein menschenwürdiges Leben in dem zuerkennenden Mitgliedstaat führen können. Dieser erweiterte Blickwinkel ist der systemimmanenten Logik dieses Mechanismus geschuldet. Daraus folgt dann auch, dass die Prüfung, ob in einem Mitgliedstaat sog. systemische Schwachstellen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013) bestehen, sich nicht auf die Beantwortung der Frage beschränken darf, ob die Aufnahmebedingungen während des Verfahren und das Verfahren selbst frei von solchen Mängel sind, sondern auch die Lage danach einbeziehen muss. Dieses hat dann aber notwendigerweise zur Konsequenz, dass systemische, nicht menschenwürdegemäße Mängel auch nur in einer Phase insgesamt dazu führen, dass die Betroffenen nicht auf das Verfahren in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat verwiesen werden können, wenn die Betroffenen andernfalls das reale Risiko eingingen, eine Schlechtbehandlung im Sinne des Art.4 GRCh zu erfahren. Mit anderen Worten: Die besten Aufnahmebedingungen während des Anerkennungsverfahrens wären unzureichend, wenn den Betroffenen anschließend nach einer Anerkennung Verelendung droht, und umgekehrt. Ungeachtet dessen gebietet es ohnehin jedenfalls Art. 3 EMRK, vor einer Überstellung außerhalb des Dublinmechanismus (auf welcher Rechtsgrundlage auch immer), aus gegebenem Anlass eine Prüfung vorzunehmen. Allerdings ist dem Senat bewusst, dass die Qualifikationsrichtlinie, was die Existenzbedingungen der Schutzberechtigten betrifft, in der Regel nur Inländerbehandlung verspricht (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 –, InfAuslR 2015, 77) und unionsrechtlich nach dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem keine bestimmten (Mindest-)Standards vorgegeben werden (vgl. allerdings auch Art. 32 QRL, der nur Gleichbehandlung mit anderen Drittstaatszugehörigen verlangt). Inländerbehandlung kann allerdings unzureichend sein, selbst wenn die Standards für die Inländer noch menschenwürdegemäß sein sollten. Denn die Union muss bei alledem in den Blick nehmen, dass es sich hier typischerweise um verletzliche und entwurzelte Menschen, jedenfalls um Menschen mit vielerlei Handicaps handelt, die nicht ohne weiteres oder auch gar nicht in der Lage sein werden, allein gestellt die Rechtspositionen, die die Rechtsordnung des Aufnahmestaats an sich formal gewährleistet auch effektiv geltend zu machen. Sie müssen daher erst in die gleiche oder eine vergleichbare faktische Position einrücken, aus der heraus die einheimische Bevölkerung ihre Rechte in Anspruch nimmt und nehmen kann. Erst mit diesem realen sozialen Hintergrund erfährt Inländerbehandlung ihre innere Rechtfertigung und Tragfähigkeit. Deshalb fordert Art. 34 QRL aus gutem Grund von den Mitgliedstaaten, den effektiven Zugang zu Integrationsprogrammen zu gewährleisten, denen eine spezifisch kompensatorische Funktion zukommt, und dieses bedingungs- und einschränkungslos. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte berücksichtigte in seiner Rechtsprechung (Entscheidung vom 21.01.2011 – Nr. 30696/09 ) im Kontext des Art. 3 EMRK ausdrücklich den Umstand, dass der hier zu betrachtende und zu würdigende Personenkreis in besonderem Maße verletzlich und/oder hilfsbedürftig ist und entwickelt die mit Blick auf Art. 3 EMRK einzuhaltenden (höheren) Standards – in Abweichung von der für die Beurteilung der in Abschiebezielstaaten allgemein herrschenden humanitären Zuständen herausgebildeten eigenen Spruchpraxis (vgl. nunmehr aber auch EGMR, Urteil vom 13.12.2016 – 41738/16 ) spezifisch auch unter diesem Gesichtspunkt sowie den Verheißungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Konkret bedeutet dies dann auch, dass dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem zumindest ein entsprechend dimensioniertes und den Defiziten des hier zu betrachtenden Personenkreises gerecht werdendes Integrationsprogramm gewährleisten muss, soweit dieses erforderlich ist, um jedenfalls die Inländerbehandlung faktisch und nicht nur formal rechtlich zu gewährleisten und sicherzustellen, was dann von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anforderungen bedingen kann. Dieser Standard stellt im Kontext des Unionsrechts ein flüchtlings- und menschenrechtliches Minimum dar. Er ist letztlich die Rechtfertigung und der Geltungsgrund des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, namentlich des dieses entscheidend prägenden Dublinsystems, der es den Flüchtlingen grundsätzlich verwehrt, einen effektiven Flüchtlingsschutz auch in einem anderen Mitgliedstaat zu suchen und zu finden. Dieses flüchtlings- und menschenrechtliche Minimum ist gewissermaßen die Kehrseite des Dublinsystems.
26 
Auf die vom Senat aufgeworfene Problematik kommt es im vorliegenden Verfahren auch an. Denn dem Senat liegt u.a. der ausführliche Recherchebericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe "Aufnahmebedingungen in Italien" vom August 2016 (vgl. dort S. 33 ff.) vor, aus dem sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass international Schutzberechtigte einem konkreten Risiko ausgesetzt sein könnten, bei einem Leben völlig am Rande der Gesellschaft obdachlos zu werden und zu verelenden. Dieser Bericht gibt, sofern die hier aufgeworfene Frage zu bejahen ist, Anlass diesen Anhaltspunkten weiter nachzugehen und eine abschließende Klärung herbeizuführen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe betont mehrfach, dass das völlig unzureichend entwickelte Sozialsystem in weiten Teilen durch den Rückhalt in familiären Strukturen zu erklären ist, bzw. anders gewendet nur wegen dieses Rückhalt unter der italienischen Bevölkerung Not nicht ein generelles Phänomen darstellt. Diese Strukturen fehlen aber bei den Schutzberechtigten völlig. Dass hier die kompensatorisch greifenden Integrationsprogramme in Italien gegenwärtig weitgehend fehlen und namentlich der Zugang zu den unerlässlichen Sprachkursen mehr oder weniger dem Zufall überlassen ist, beschreibt die Schweizerische Flüchtlingshilfe (S. 53 f.) eindrücklich. Zwar soll ein Integrationsplan verabschiedet werden, er existiert allerdings noch nicht, geschweige denn, dass er umgesetzt würde; aktuell wird weiter hiervon geredet, mehr aber nicht (vgl. etwa Tagesspiegel v. 01.01.2017). Wenn überhaupt, werden einige wenige Projekte nur von Nichtregierungsorganisationen organisiert. Bei dieser Ausgangslage wäre es in Ermangelung eines ausgebauten vielfältigen sozialen Sicherungssystems unrealistisch, die Schutzberechtigten auf einen Rechtsweg zu verweisen, weil schon wegen teilweiser fehlender Ansprüche der Aspekt der Inländerbehandlung ins Abseits führen muss. Abgesehen davon dürfte die Effektivität ernsthaft infrage stehen. Dass die großen strukturellen Defizite des staatlichen Sozialsystems im weitesten Sinne angesichts der in den vergangenen Jahren stark angestiegenen Flüchtlingszahlen in Italien effektiv durch Nichtregierungsorganisationen und Kirchen ausgeglichen werden können, lässt der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht erkennen; wäre dieses der Fall, könnten die von ihr beschriebenen Verhältnisse so nicht eingetreten sein. Jedenfalls wäre dieser Frage gegebenenfalls noch weiter nachzugehen (vgl. zur Funktion und Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Kirchen in Italien vor Jahren bei wesentlich geringeren Flüchtlingszahlen VGH Bad-Württ., Urteil vom 16.04.2014 – A 11 S 1721/13).
27 
Namentlich für diese ggf. noch anzustellenden Ermittlungen ist es im Übrigen für den Senat von erheblicher Bedeutung, dass geklärt wird, welche unionsrechtlichen und menschenrechtlichen Standards für die Beurteilung der Verhältnisse in dem jeweiligen Mitgliedstaat gelten und anzuwenden sind.
28 
Der Senat erachtet es für geboten, über das Ersuchen im Eilvorabentscheidungsverfahren zu entscheiden (Art. 107 VerfO i.V.m. Art. 23a der Satzung des Gerichthofs), da die dritte Vorlagefrage von weitreichender Bedeutung ist. Sie hat Relevanz für alle Italien betreffenden Überstellungsverfahren im gesamten Dublinsystem; sie ist daher vorgreiflich in einer unübersehbaren Zahl von Verfahren. Die Ungewissheit über ihren Ausgang birgt die Gefahr, das Funktionieren des durch die Verordnung 604/2013 eingeführten Systems zu beeinträchtigen und das Gemeinsame Europäischen Asylsystem zu schwächen (vgl. EuGH, Beschluss vom 15.02.2017 - C-670/16 -, ECLI:EU:C:2017:120).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 178/14
vom
14. Januar 2016
in der Rücküberstellungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Haftgrund des nicht angezeigten Aufenthaltswechsels nach § 62 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt voraus, dass der erforderliche Hinweis auf die
Folge einer Verletzung der Pflichten nach § 50 Abs. 4 AufenthG einem Betroffenen
, der Deutsch nicht beherrscht, in seine Muttersprache oder eine
andere Sprache übersetzt wird, die er beherrscht.
BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 - V ZB 178/14 - LG Arnsberg
AG Meschede
ECLI:DE:BGH:2016:140116BVZB178.14.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Meschede vom 9. September 2014 und des Landgerichts Arnsberg - 5. Zivilkammer - vom 16. September 2014 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Hochsauerlandkreis auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene reiste am 3. Juni 2013 unerlaubt über Ungarn in die Bundesrepublik ein und stellte am 7. Juni 2013 einen Asylantrag. Am 12. Juni 2013 wurde er einer Unterkunft im Landkreis Meschede zugewiesen. Hierbei erhielt er einen vorgedruckten Hinweis in deutscher Sprache, dass er jedes Verlassen seines Aufenthaltsortes anzuzeigen und mit der Anordnung von Abschiebungshaft zu rechnen habe, falls er dagegen verstoße. Eine Übersetzung hiervon erhielt er nicht. Am 18. Dezember 2013 erklärte sich Ungarn zur Rücknahme des Betroffenen bereit. Sein Asylantrag wurde mit Rücksicht hierauf durch Bescheid vom 20. Januar 2014 abgelehnt. Ein am gleichen Tag bei dem Verwaltungsgericht gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde am 4. März 2014 zurückgewiesen. Noch im März 2014 reiste der Betroffene nach Berlin, ohne dies der Ausländerbehörde angezeigt und bei dieser eine Genehmigung beantragt zu haben. Infolgedessen erreichte ihn die Nachricht der Ausländerbehörde vom 14. April 2014 nicht, er solle sich für den 17. April 2014 zur Abschiebung bereithalten. Als er sich am 9. September 2014 bei der beteiligten Behörde vorstellte , wurde er festgenommen.
2
Auf deren Antrag hat das Amtsgericht am gleichen Tag Haft zur Sicherung der Rücküberstellung nach Ungarn bis zum 8. Oktober 2014 angeordnet. Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde hat das Landgericht die Haft auf den 6. Oktober 2014 verkürzt. Der Betroffene ist am 26. September 2014 aus der Haft entlassen worden, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Abschiebungshindernis festgestellt hatte. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene, die Rechtswidrigkeit der angeordneten Haft festzustellen.

II.


3
Das Beschwerdegericht hält den Haftantrag für ausreichend. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft hätten vorgelegen. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Die Haftgründe nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG hätten vorgelegen. Der Betroffene habe die ihm zugewiesene Unterkunft ohne Unterrichtung und Genehmigung der Behörde verlassen. Den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Hinweis habe er schon bei der Aufnahme erhalten. Unschädlich sei der Umstand, dass dem Betroffenen eine Übersetzung nicht ausgehändigt worden sei. Die Anforderungen an die Behörden dürften nicht überspannt werden. Es sei einem Asylbewerber zumutbar, Unterlagen, die er im Rahmen eines Asylantrags ausgehändigt bekomme, übersetzen zu lassen. Der Betroffene habe es zu vertreten, dass ihn die Nachricht über den Rücküberstellungstermin nicht erreicht habe. Er habe sich unerlaubt nach Berlin abgesetzt. Die Haft sei verhältnismäßig , aber mit Rücksicht auf die geplante Rücküberstellung am 6. Oktober 2014 auf diesen Zeitpunkt zu begrenzen.

III.


4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die angeordnete Haft und ihre Aufrechterhaltung waren jedenfalls deshalb rechtswidrig , weil die zugrunde gelegten Haftgründe nicht vorlagen.
5
1. Der Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG lag nicht vor.
6
a) Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben , unter der er erreichbar ist. Der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel begründet in diesem Fall die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird. Deshalb muss die Ausländerbehörde dem Betroffenen in der Regel die Meldepflicht und die einschneidenden Folgen ihrer Verletzung durch einen Hinweis deutlich vor Augen führen (Senat, Beschlüsse vom 9. Februar 2011 - V ZB 16/11, juris Rn. 5, vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, FGPrax 2011, 254 Rn. 10 und vom 19. Juni 2013 - V ZB 96/12, juris Rn. 18).
7
b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
8
aa) Der Betroffene hat allerdings ohne Genehmigung und Unterrichtung der Ausländerbehörde seinen Aufenthaltsort nach Berlin verlegt. Ihm ist bei seiner Aufnahme ein Papier ausgehändigt worden, in dem in deutscher Sprache klar und deutlich auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG und die Folgen ihrer Verletzung hingewiesen wird. Dieser Hinweis war aber unzureichend.
9
bb) Das ergibt sich daraus, dass er nur auf Deutsch erteilt und nicht in eine Sprache übersetzt worden war, die der Betroffene beherrscht. Ohne eine Übersetzung läuft der Hinweis bei Ausländern, die wie der Betroffene des Deutschen nicht mächtig sind, ins Leere, weil sie ihn nicht verstehen. Diese Ausländer können entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch nicht darauf verwiesen werden, sich den auf Deutsch erteilten Hinweis übersetzen zu lassen. Sie würden ohne eine Übersetzung schon nicht erfassen, welche Bedeutung das ihnen ausgehändigte Schriftstück für sie hat. Vor allem folgt die Pflicht zur Erteilung des Hinweises aus dem Gebot eines fairen Verfahrens. Die beteiligten Behörden müssen ihn deshalb von sich aus so erteilen, dass er seinen Zweck erreichen kann. Dazu gehört bei Betroffenen, die Deutsch nicht verstehen , eine Übersetzung in ihre Muttersprache oder eine andere Sprache, die sie beherrschen, an der es hier fehlte.
10
cc) Die Notwendigkeit einer Übersetzung entfiel bei dem Betroffenen nicht deshalb, weil er den auf Deutsch erteilten Hinweis auch ohne deutsche Sprachkenntnisse und ohne eine Übersetzung erfasst hat. Das Beschwerdegericht leitet dies daraus ab, dass er bei anderen Gelegenheiten eine Genehmigung für einen Ortswechsel eingeholt habe. Dieser Umstand besagt aber nicht, dass der Betroffene den Hinweis auch in seiner vollen Bedeutung erkannt hat. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts war dem Betroffenen seine Mitteilungspflicht zwar bekannt, weil er vor dem Ortswechsel nach Berlin Reisen nach Stuttgart und Hannover unternommen und diese der Ausländerbehörde vorher mitgeteilt und von ihr habe genehmigen lassen. Ihm sei sein Regelverstoß auch bewusst gewesen, als er sich einmal in Stuttgart unerlaubt aufgehalten habe und von der Polizei aufgegriffen worden sei. Beides besagt aber nichts darüber, ob dem Betroffenen auch klar gewesen ist, dass er bei einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nicht nur einen „Regelverstoß“ begehen, sondern mit der Anordnung von Sicherungshaft zu rechnen haben würde. Dieses Bewusstsein kann nur bei Erteilung des gebotenen Hinweises mit der erforderlichen Übersetzung erwartet werden.
11
2. Damit entfällt auch der Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
12
a) Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Betroffene wurde zwar an dem von der Behörde angekündigten Abschiebungstermin nicht in der Unterkunft angetroffen. Das hat er im Ergebnis aber nicht zu vertreten.
13
b) Er hatte von dem Abschiebungstermin keine Kenntnis, weil ihn die Ankündigung des Termins durch die Ausländerbehörde nicht erreicht hat. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Berlin auf, was die Behörde aber nicht wusste, weil der Betroffene sie unter Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG nicht über seine Reise nach Berlin und seinen Aufenthaltsort dort unterrichtet hatte. Dass er als Folge dessen zu dem angekündigten Termin nicht an dem angegebenen Ort angetroffen wurde, hat er aber nicht zu vertreten, weil der ihm erteilte Hinweis auf den Zusammenhang zwischen der Einhaltung der Anzeigepflicht und der Möglichkeit einer Verhängung von Sicherungshaft nicht übersetzt worden war.

IV.


14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 und § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Czub Kazele Göbel
Vorinstanzen:
AG Meschede, Entscheidung vom 09.09.2014 - 4 XIV (B) 8/14 -
LG Arnsberg, Entscheidung vom 16.09.2014 - I-5 T 287/14 -

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Tenor

1. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin W., Bamberg, beigeordnet.

2. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11.08.2017 (Az. B 6 K 17.50927) gegen Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 03.08.2017 wird angeordnet.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung ihrer Überstellung nach Rumänien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Die Antragsteller, ein Ehepaar und zwei ihrer minderjährigen Kinder, sind afghanische Staatsangehörige und sunnitische Muslime. Sie sind Tadschiken und stammen aus einem Dorf in der Provinz Kabul. Nach eigenen Angaben verließen sie ihr Herkunftsland am 20.09.2016 und durchreisten den Iran, die Türkei, Griechenland, Albanien, Kosovo und Serbien. Von dort gelangten sie nach Rumänien. Am 03.05.2017 stellten der Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 nach Angaben der rumänischen Behörden in Timisora für sich und ihre Kinder Asylanträge, die am 26.06.2017 abgelehnt wurden. Dagegen legten sie keine Rechtsbehelfe ein, sondern fuhren, versteckt auf einem Lkw, nach Deutschland weiter, wo sie am 02.07.2017 ohne Visa und Identitätspapiere einreisten.

Eine Eurodac-Recherche am 02.07.2017 gab Aufschluss über die Asylantragstellung der Antragsteller zu 1 und 2 am 03.05.2017 in Timisora (Rumänien) (RO 1…).

Am 06.07.2017 stellten die Antragsteller zu 1 und 2 für sich und die Antragsteller zu 3 und 4 in Bamberg Asylanträge. Bei seiner in Dari durchgeführten Anhörung am 10.07.2017 erklärte der Antragsteller zu 1, ein Mafiaboss, der ihm bereits im Zusammenhang mit einem gescheiterten Bauprojekt in Afghanistan nachgestellt habe, habe ihn auch in Rumänien bedroht. Die Antragstellerin zu 2, die im Anschluss daran angehört wurde, ergänzte, ein Afghane habe sie in Rumänien davor gewarnt, dieselben Leute, die ihnen in ihrem Herkunftsland Schwierigkeiten bereitet hätten, seien nun auch in Rumänien, um ihnen Probleme zu machen. Daraufhin seien sie so schnell wie möglich nach Deutschland weitergereist.

Am 18.07.2017 stellte die zuständige deutsche Dublin-Einheit ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1b Dublin III-VO für die Antragstellerin zu 2 und ihre Kinder an die rumänischen Behörden. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin zu 2 voraussichtlich am 01.08.2017 ein Kind erwarte. Am 20.07.2017 wurde ein entsprechender Antrag für den Antragsteller zu 1 gestellt. Am 01.08.2017 erklärte sich die rumänische Dublin-Einheit zur Rückübernahme der Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III-VO bereit. Auf die ihr mitgeteilte Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2 ging die rumänische Behörde nicht ein und äußerte sich insbesondere auch nicht dazu, wie die Antragsteller in Rumänien untergebracht werden würden.

Mit Bescheid vom 03.08.2017 lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Ziff. 1), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen (Ziff. 2), ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Ziff. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1

AufenthG auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 4). Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen.

In einem Vermerk vom 03.08.2017 geht das Bundesamt davon aus, dass die Zuständigkeit auf die Republik Rumänien am 01.08.2017 übergegangen ist und die Überstellungsfrist am 01.02.2018 endet. Am 11.08.2017 kam in Bamberg ein weiterer Sohn als drittes Kind der Antragsteller zu 1 und 2 zur Welt.

Mit Telefax ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.08.2017 haben die Antragsteller Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.08.2017 aufzuheben sowie über den Antrag auf Asyl neu zu entscheiden (Az. B 6 K 17.50927).

Ebenfalls am 11.08.2017 haben ihre Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des Bescheides vom 03.08.2017 anzuordnen.

Außerdem haben sie beantragt,

den Antragstellern Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwältin …, B., beizuordnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung sei anzuordnen, weil Rumänien nicht zuständig sei, weil die Antragsteller dort keinen Antrag gestellt hätten. Außerdem wiesen das Asylverfahren und die Unterbringung in Rumänien systemische Schwachstellen auf, so dass Deutschland von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen habe. Weiter bestehe ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK, weil Rumänien keine Zusicherung abgegeben habe, dass die Familie mit den inzwischen drei minderjährigen Kindern kindgerecht untergebracht werde. Darüber hinaus habe die Abschiebung nach Rumänien zu unterbleiben, weil die Gefahr bestehe, dass der Antragsteller zu 1 dort von der afghanischen Mafia getötet werde. Schließlich sei die Antragsgegnerin gehindert, die Antragstellerin zu 2 während der achtwöchigen Mutterschutzfrist nach der Geburt ihres dritten Kindes abzuschieben.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie beruft sich auf die Begründung des Bescheides vom 03.08.2017.

Mit Bescheid vom 02.10.2017 wurde der Asylantrag des dritten Kindes ebenfalls als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, die Abschiebung nach Rumänien angeordnet und das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Gegen diesen Bescheid wurde ebenfalls Klage erhoben (Az. B 6 K 17.51093) und ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (Az. B 6 S 17.51092).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

1. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Frau Rechtsanwältin , B., beigeordnet.

Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, verspricht der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung, den die Antragsteller, die Leistungen nach dem AsylbLG beziehen, gestellt haben, Aussicht auf Erfolg. Deshalb wird gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe bewilligt und gemäß § 121 Abs. 2 ZPO die für eine Vertretung erforderliche Rechtsanwältin beigeordnet.

2. Der nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG zulässige Antrag ist begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage anordnen, wenn die Klage nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht insbesondere eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen und bei offenen Erfolgsaussichten das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen.

Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich bei der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig dar. Deshalb hat das Aussetzungsinteresse der Antragsteller hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einen aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 AsylG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst dann ergehen, wenn alle Voraussetzungen für die Abschiebung erfüllt sind, also feststeht, dass der andere Staat zuständig ist und die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht – wenn auch nur vorübergehend – aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.

a) Zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens ist zwar die Republik Rumänien.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

aa) Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist dann, wenn festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Grenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig.

Zuständig für die Prüfung des Antrags der Antragsteller auf internationalen Schutz ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO Rumänien, weil festgestellt wurde, dass die Antragsteller aus einem Drittstaat (Serbien) kommend die Landgrenze Rumäniens illegal überschritten haben. Seit dem illegalen Grenzübertritt bis zur Antragstellung in Rumänien am 03.05.2017, auf die gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO abzustellen ist, waren die zwölf Monate noch nicht vergangen, mit deren Ablauf gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO die Zuständigkeit Rumäniens endet.

bb) Gemäß Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO ist der zuständige Mitgliedstaat (Rumänien) verpflichtet, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO einen Drittstaatsangehörigen wieder aufzunehmen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag gestellt hat. Diese Vorschrift ist hier anzuwenden. Zum einen liegt ein Eurodac-Treffer der Kategorie 1 vor. Mittels dieses Beweismittels ist festgestellt, dass die Antragsteller in Rumänien bereits Anträge gestellt haben und nicht lediglich ein Grenzübertritt vorliegt (Art. 24 Abs. 4, Art. 9 Abs. 1 Eurodac-VO). Zum zweiten hat die rumänische Dublin-Einheit mitgeteilt, dass die rumänischen Behörden die Anträge am 26.06.2017 abgelehnt haben. Zum dritten haben die Antragsteller selbst angegeben, dass sie nicht während der Prüfung, sondern erst nach der Ablehnung der Anträge nach Deutschland weitergereist sind.

cc) Die Zuständigkeit Rumäniens ist nicht gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO entfallen. Danach ist der Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn nicht innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO festgesetzten Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung ein Treffer am 02.07.2017 gemeldet und die Wiederaufnahmegesuche am 18. bzw. 20.07.2017 gestellt wurden, ist diese Frist eingehalten worden. Rumänien hat dem auf Angaben aus dem Eurodac-System gestützten Gesuch vom 01.08.2017 binnen zwei Wochen stattgegeben (Art. 25 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO).

dd) Die Zuständigkeit Rumäniens ist auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO nach Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Die sechsmonatige Überstellungsfrist, die gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO mit der Stattgabe des Wiederaufnahmegesuchs durch die rumänische Dublin-Einheit am 01.08.2017 zu laufen begann, endet am 01.02.2018 und ist damit noch nicht abgelaufen.

ee) Weiter ergibt sich die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrages der Antragsteller auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO. Insbesondere können die Antragsteller einer Überstellung nach Rumänien nicht mit Erfolg mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Rumänien systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtscharta, Art. 3 EMRK mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Rumänien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 UnterAbs. 2 und 3 Dublin-III-VO).

Bei der dazu anzustellenden Prüfung kommt es nur darauf an, ob im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen systemische Mängel bestehen, nicht jedoch darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob der Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung, hier Rumänien, vorliegen (BVerwG, B. v. 06.06.2014 – 10 B 35/14 – NVwZ 2014, 1677/1679 Rn. 6).

Gegen das Vorliegen systemischer Mängel spricht zunächst, dass die EU-Kommission die nach dem EU-Beitritt Rumäniens zum 01.01.2007 die Entwicklung des Landes weiter überwacht hat und in jährlichen Monitoring-Berichten die Ergebnisse festgehalten hat, im Zeitraum von 2007 bis 2017 in keiner Form auf noch bestehende Defizite des Asylverfahrens eingegangen ist. Auch die Aktivitäten des UNHCR und anderer NGOs, mit denen Rumänien zusammenarbeitet, lassen keine grundlegenden Verletzungen der GFK oder der EMRK erkennen (VG Düsseldorf, B. v. 10.04.2017 – 22 L 668/17.A – juris Rn. 32).

Einen systematischen Mangel begründet insbesondere nicht, die trotz der wesentlichen Erhöhung in den letzten zwei Jahren immer noch im Vergleich zum deutschen Niveau geringe Höhe der Barbezüge von Asylsuchenden. Denn die finanzielle Hilfe von insgesamt 114,00 EUR monatlich fällt nicht deutlich gegenüber dem durchschnittlichen Monatslohn von 462,00 EUR und dem gesetzlichen Mindestlohns von 275,00 EUR in Rumänien deutlich ab (VG Düsseldorf a.a.O., juris Rn. 52-63). Auch die sonstigen vorliegende Informationen lassen nicht den Schluss zu, dass gegenwärtig in Rumänien systematisch gegen die Vorschriften der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie) verstoßen wird oder menschenrechtswidrige Aufnahmebedingungen vorherrschen ( in diesem Sinne neuestens auch VG Karlsruhe, B. v. 12.09.2017 – A 1 K 10625/17 – juris Rn. 5-11; Österreichisches BVerwG, Erkenntnis v. 28.09.2017 – W 1538 2164766-1 - abrufbar unter www.ris.bka,gv.at; VG Göttingen, B. v. 04.10.2017 – 2 B 683/17 – juris Rn. 12 -19).

Soweit Gerichte demgegenüber systemische Mängel bejahen, stützen sie sich dabei auf (jedenfalls nunmehr) veraltete Erkenntnismittel (VG Schwerin, B. v. 27.03.2015 – 3 B 236/15 Asjuris Rn. 14f.: Bericht des UNHCR von 2012) oder die Entscheidungen betreffen die von der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern zu unterscheidende Rücküberstellung von subsidiär Schutzberechtigten (VG Bremen, B. v. 02.02.2017 – 5 V 131/17 - juris Rn.12f.).

b) Die aufschiebende Wirkung der Klage ist jedoch anzuordnen, weil der Rücküberstellung zum derzeitigen Zeitpunkt ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m.Art. 3 EMRK entgegensteht.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot setzt dabei voraus, dass ernsthafte, durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Ausländer Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S. von. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere auch darauf, ob der Ausländer der Gruppe der besonders verletzlichen Personen zuzuordnen ist.

Zur Gruppe der besonders verletzlichen Personen gehören Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern. Insbesondere minderjährige Asylbewerber bedürfen, auch wenn sie von ihren Eltern begleitet werden, eines besonderen Schutzes, weil sie besondere Bedürfnisse haben und extrem verwundbar sind. Sie dürfen deshalb unter Wahrung der Familieneinheit nur in Aufnahmeeinrichtungen Einrichtungen untergebracht werden, die dem Alter der Kinder entsprechen, so dass keine Situation von Anspannung und Angst mit besonders traumatisierenden Wirkungen für die Psyche der Kinder entsteht. Andernfalls wird die Schwere erreicht, die erforderlich ist, um unter das Verbot in Art. 3 EMRK zu fallen (EGMR, U. v. 4.11.2014 – 29217/12 – NVwZ 2014, 127131 Rn. 119f. Tarakhel).

Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren in Rumänien bestandskräftig erfolglos beendet war, können nach Erkenntnissen des Bundesministeriums für Inneres der Republik Österreich, die am 19.09.2016 schriftlich festgehalten wurden (wiedergegeben in ÖBVerwG, Erkenntnis v. 28.09.2017, a.a.O. unter Länderfeststellungen 2. und 3.) und z.T. auf den Angaben des für Asylfragen zuständigen Generalinspektorats für Immigration beruhen (abrufbar unter http://igi.mai.gov.ro), einen Folgeantrag stellen, werden aber als illegale Fremde für längstens 18 Monate in Gewahrsam genommen. Bei einigen Vulnerablen, zu denen nach Art. 5 Rumänisches Asylgesetz 122/2006 auch begleitete Minderjährige gehören, wird nach einer Änderung im Fremdengesetz auf Haft verzichtet, wenn sie eine alternative Unterbringung nachweisen können, wobei sie von NGOs unterstützt werden. Die übrigen werden in Haft genommen und, sofern möglich, in einem in limitierter Anzahl vorhandenen separaten Haftraum untergebracht. Auch Minderjährige, die mit ihren Familien reisen, können in Haft genommen werden, wenn die Behörden zu der Einschätzung kommen, dass es dem Interesse des Kindes im Interesse der Familieneinheit eher dienlich ist, inhaftiert zu werden, als außerhalb der Haftanstalt untergebracht zu werden. Kommt das Generalinspektorat für Immigration dagegen zu der Auffassung, dass es geboten erscheint, den Minderjährigen nicht zu inhaftieren, kann er mit Zustimmung der Familie von NGOs getrennt von der Familie untergebracht werden. Inwieweit die Hafteinrichtungen Bedürfnisse von Kindern berücksichtigen, wird unterschiedlich beurteilt: Während im November 2012 noch die Rede davon war, die Hafteinrichtungen seien nicht speziell auf Kinder ausgerichtet und es gebe dort weder speziell geschulten Mitarbeiter noch einen Zugang zur Bildung (so der Bericht über Rumänien seitens des Dublin Transnational Project, wiedergeben in ÖBVerwG, Erkenntnis vom 08.02.2017 – W1682127455-1 - abzurufen über www.ris.bka.gv.at), wird nunmehr davon ausgegangen, die Minderjährigen verfügten in den Haftanstalten über sämtliche Kindesrechte (ÖBVerwG, Erkenntnis vom 28.09.2017 a.a.O.).

Die in Rumänien geltenden Regelungen und ihre Handhabung in der Verwaltungspraxis erlauben eine Rückführung der Antragsteller, eine Familie mit zwei Kleinkindern im Alter von drei und vier Jahren und einem vor drei Monaten geborenen Säugling nur dann, wenn zuvor verlässliche Schutzvorkehrungen getroffen wurden.

Nach Art. 8 Richtlinie 2013/33/EU (AufnahmeRL) ist es zwar nicht von vornherein untersagt, Antragsteller auf internationalen Schutz während des Verfahrens in Haft zu nehmen. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 AufnahmeRL verlangt jedoch, dass Minderjährige nur im äußersten Fall in Haft genommen werden dürfen, nachdem festgestellt worden ist, dass weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam angewandt werden können. Weiter schreibt die Aufnahmerichtlinie vor, dass eine derartige Haft für den kürzestmöglichen Zeitraum angeordnet wird und alle Anstrengungen unternommen werden, um die in Haft befindlichen Minderjährigen aus dieser Haft zu entlassen (Art.11 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL). Erwägungsgrund 20 AufnahmeRL verlangt weiter, dass alle Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen darauf geprüft worden sind, ob sie besser geeignet sind, die körperliche und geistige Unversehrtheit des Antragstellers sicherzustellen. Erwägungsgrund 22 fordert dazu auf, dass bei der Entscheidung über die Unterbringungsmodalitäten dem Wohl eines Kindes Rechnung zu tragen ist.

Diese unionsrechtlichen Vorgaben zur uneingeschränkten Achtung der Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls, die auch im Zusammenhang mit Überstellungen nach der Dublin III-VO einzuhalten sind (Erwägungsgrund 16 zur Dublin III-VO) sowie der Schutz der berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 GG gebieten es, dass das Bundesamt im Hinblick auf die beiden Kleinkinder und insbesondere des Neugeborenen in Abstimmung mit den rumänischen Behörden sicherstellt, dass die rumänischen Behörden von ihrer Befugnis Gebrauch machen, die Antragsteller nicht zu inhaftieren, sondern dafür zu sorgen, dass sie als Familie zusammen außerhalb einer Haftanstalt in einer Art und Weise untergebracht werden, dass ihre elementaren Bedürfnisse gesichert sind (vgl. für eine entsprechende Garantie bei Rückführungen nach Italien BVerfG, B. v. 17.09.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn.16).

Eine derartige individuelle Garantieerklärung liegt nicht vor. Denn das Bundesamt hatte zwar in seinem Übernahmeersuchen vom 18.07.2017 auf die Schwangerschaft der Antragstellerin zu 2 hingewiesen, die rumänische Dublin-Einheit hat aber in ihrer Antwort vom 01.08.2017 nicht ausdrücklich darauf reagiert, sondern sich lediglich darauf beschränkt, die deutschen Behörde zu ersuchen, sieben Tage vor der Rückführung den rumänischen Behörden die Einzelheiten der Rücküberstellung zu klären.

Ohne eine entsprechende Zusicherung der rumänischen Behörden steht der Abschiebung aber derzeit ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK entgegen, so dass die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist.

3. Als unterliegender Teil trägt die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Hinweis:

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München ist unzulässig, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) bereits nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt wurde.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG verlangt, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. „Etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerfGE 13, 90/91; Beschluss v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (BVerfG, B.v. 7.11.1994 – 2 BvR 2079/93 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105/92 – NJW 1993, 2825). Es ist im Einzelnen unter Bezeichnung konkreter Erkenntnismittel anzugeben, welche Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestehen (OVG Hamburg, B.v. 16.1.1995 – OVG BsV 83/94 – AuAS 1995, 168). Es ist Aufgabe des Klägers, durch die Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern seine gegenteiligen Bewertungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (Berlit in GK-AsylG, 105. Ergänzungslieferung April 2016, § 78 Rn. 611 unter Verweis auf HessVGH, B.v. 2.11.1995 – 13 UZ 3615/95 – BWVB 1996, 214).

Der Kläger hält einerseits für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es in Asylsachen zulässig ist, eine Abschiebung nach Rumänien anzuordnen, obwohl Rumänien in offensichtlicher Weise nur Durchreiseland war.

Insoweit ist bereits die Entscheidungserheblichkeit der Frage nicht dargelegt. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass der in Deutschland gestellte Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG abgelehnt wurde, da Rumänien nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO (erstmaliges Überschreiten der Außengrenze eines Mitgliedsstaats) für das Asylgesuch des Klägers zuständig gewesen sei. Die Frage, ob die nach § 34a Abs. 1 AsylG an die Unzulässigkeitsfeststellung anknüpfende Abschiebungsanordnung davon abhängig ist, ob der zuständige Mitgliedsstaat Durchreiseland war oder nicht, war aus der allein maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a VwGO, Rn. 72) nicht entscheidungserheblich. Die Begründung des Zulassungsantrags beschränkt sich insoweit auf die Behauptung, dass der Kläger nicht willentlich Asylantrag in Rumänien gestellt hat. Damit wird aber die Entscheidungserheblichkeit der nicht vom Verwaltungsgericht als relevant erachteten Frage nicht dargelegt.

Daneben hält der Kläger auch die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob in Rumänien in menschenwürdiger Weise ein Asylverfahren durchgeführt werden kann, was anhand der aktuellen Lage in Rumänien jeweils neu zu beurteilen ist.

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ist nach dem dargestellten Maßstab aber nicht dargelegt. Denn die Begründung des Zulassungsantrags erschöpft sich in Behauptungen zu den Verhältnissen in Rumänien, die „allgemein bekannt“ seien, ohne dies unter Bezugnahme auf aktuelle Auskünfte etc. zu belegen. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht unter Verweisung insbesondere auf die regelmäßigen Berichte der EU-Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort sowie die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. Dezember 2017 ausgeführt, dass von systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin-III-VO nicht ausgegangen werden kann. Ergänzend hat es nach § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des Bundesamtsbescheids Bezug genommen. Dieses hat auf den Seiten 4 - 7 des Bescheids die Verhältnisse in Rumänien ausführlich unter Bezugnahme auf Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte und die Ausarbeitung des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation Rumänien 2015, gewürdigt. Die dagegen im Zulassungsantrag vorgebrachte reine Postulation gegen Art. 3 EMRK verstoßender Verhältnisse in Rumänien genügt dem Darlegungsgebot nicht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste am 8. November 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und suchte am 13. November 2017 um Asyl in der Bundesrepublik Deutschland nach. Im Rahmen von Befragungen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 22. November 2017 und 30. November 2017 gab er an, sich vor seiner Einreise ca. zwei Monate lang in Rumänien aufgehalten zu haben und dort inhaftiert worden zu sein, weil er es abgelehnt habe, in Rumänien einen Asylantrag zu stellen. Die Unterlagen seien alle in rumänischer Sprache gewesen, weshalb er diese nicht verstanden habe. Er sei zu fünf Monaten Haft wegen unerlaubter Einreise verurteilt und in der rumänischen Haftanstalt schlecht behandelt, geschlagen und getreten und dadurch missbraucht worden, dass er sich habe ausziehen müssen. Eine Anzeige bei der Polizei habe er aus Furcht nicht gemacht. Nachdem er freigekommen war, sei er sodann mit einem Schleuser nach Deutschland gekommen.

Dem Kläger wurde im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages am 30. November 2017 Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der Befristung eines möglichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gegeben. Dabei trug der Kläger vor, in Deutschland nur Freunde zu haben.

Nach den Ermittlungen des Bundesamtes (EURODAC-Treffer) wurden vom Kläger am 16. September 2017 und 23. Oktober 2017 in Rumänien Fingerabdrücke genommen.

Auf das Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 1. Dezember 2017 hin teilte Rumänien am 15. Dezember 2017 mit, dass der Kläger am 24. Oktober 2017 in Rumänien einen Asylantrag gestellt habe, der am 13. November 2017 zurückgewiesen worden sei. Die Rückübernahme des Klägers nach Art. 18 Abs. 1d) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) bis zum 15. Juni 2018 wurde erklärt.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers daraufhin als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Rumänien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).

Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die rumänischen Behörden verpflichtet seien, bei einer illegalen Einreise oder Asylantragstellung die Fingerabdrücke der betreffenden Person zu erfassen. Der Sachvortrag des Klägers hinsichtlich der schlechten Behandlung könne nicht überzeugen, da dem Bundesamt keine Hinweise körperlicher Übergriffe seitens der rumänischen Behörden vorliegen. Bei Angriffen durch Dritte könne er Schutz bei den rumänischen Behörden (insbesondere der Polizei) suchen. Auch im Übrigen bestünden für das rumänische Asylverfahren sowie den damit einhergehenden Aufnahmebedingungen keine systemischen Mängel.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 3. Januar 2018, eingegangenen beim Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Letzterer wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. Januar 2018, AN 17 S 18.50002, abgelehnt.

In der schriftlichen Klagebegründung wird ausgeführt, dass Rumänien nicht in der Lage sei, ein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchzuführen und die Unterbringung menschenunwürdig sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2017, zugestellt am 27. Dezember 2017, Geschäftsnummer: …, aufzuheben.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 5. Januar 2018,

die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2018 wiederholt der Kläger im Wesentlichen seinen vor dem Bundesamt gemachten Vortrag. Auf Nachfrage des Gerichts erklärt er zudem, dass er zwei- bis dreimal zu Befragungen gebracht worden sei, bei denen es um die Gründe seiner Einreise gegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage, über die trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der ordnungsgemäßen Ladung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 15. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2017. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die alleinige statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht (vgl. BVerwG U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625; BayVGH U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris). Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur weiteren Prüfung der Anträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Das Bundesamt hat den Antrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a) AsylG abgelehnt. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung Nr. 604/2013 (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

aa) Rumänien ist für die Behandlung des Asylgesuchs des Klägers zuständig. Die Zuständigkeit Rumäniens ergibt sich vorliegend aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO, da der Kläger aus einem Drittstaat kommend die Landgrenzen von Rumänien illegal überschritten hat und seit dem Tag des illegalen Grenzübertritts noch keine 12 Monate verstrichen sind. Dies ergibt sich aufgrund des EURODAC-Treffers, wonach dem Kläger am 16. September 2017 und 23. Oktober 2017 in Rumänien Fingerabdrücke genommen wurden.

Nach Art. 18 Abs. 1d) Dublin III-VO ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag dort abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat erneut einen Antrag gestellt hat oder sich in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltstitel aufhält, wieder aufzunehmen. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 ein Wiederaufnahmegesuch innerhalb der Zwei-Monatsfrist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO an Rumänien gestellt. Rumänien hat mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens seine Zustimmung zur Rückübernahme des Klägers fristgerecht nach Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO erklärt.

bb) Es liegen auch keine Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder zur Verpflichtung hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.

(1) Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 – NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (ChGR) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.

Derartige systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung alleine entgegentreten kann (EuGH Gr. Kammer, U.v. 10.12.2013, C-394/12 – juris), erkennt das Gericht für Rumänien nicht. An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitäre Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkennbar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 – juris).

Dies ist nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel, insbesondere den regelmäßigen Berichten der Kommission der EU zur Bewertung des Dublin-Systems und des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort sowie der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 5. Dezember 2017 nicht der Fall und wird nach der zu Rumänien ergangenen Rechtsprechung überwiegend nicht angenommen (vgl. VG Augsburg, B.v. 10.11.2017, Au 5 S 17.50352; VG Düsseldorf, B.v. 10.4.2017, 22 L 668/17.A; VG Bayreuth, B.v. 18.4. 2016, B 3 S 16.50026; VG Ansbach, B.v. 30.9.2015, AN 3 S 15.50375; VG Aachen, B.v. 17.8.2015, 8 L 607/15.A; VG Regensburg, U.v. 17.6.2015, RO 4 K 15.50311 – jeweils juris).

Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung insoweit keinen substantiierten Vortrag gemacht oder bei der Anhörung vor dem Bundesamt Tatsachen glaubhaft gemacht, die systemische Schwachstellen im rumänischen Asylverfahren belegen würden. Der Vortrag des Klägers, dass er in Rumänien geschlagen worden sei, ist nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Die Angaben, die er im Zusammenhang mit seiner behaupteten Inhaftierung und den damit zusammenhängenden Geschehnissen, wiedergibt, sind unpräzise und ohne die konkrete Angabe von Einzelheiten, mit der Folge, dass für das Gericht kein in sich stimmiger und nachvollziehbarer Sachverhalt vorliegt. In diesem Zusammenhang sieht das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab und folgt insoweit den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes.

Für den Kläger sind auch keine besonderen Umstände erkennbar, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung befürchten ließen. Insbesondere gehört er als gesunder junger erwachsener Mann nicht einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe an.

(2) Eine Veranlassung bzw. Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO bestand ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Es handelt sich hierbei um eine restriktiv anzuwendende Ausnahmebestimmung, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen müssen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Derartige Umstände wurden weder vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich, weshalb das Gericht keine Ermessensfehler (§ 114 VwGO) anzunehmen vermag.

b) Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Hiervon kann vorliegend jedoch, insbesondere unter Zugrundelegung obiger Ausführungen, nicht ausgegangen werden.

bb) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zur Seite, da eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit den Kläger bei einer Rückkehr nach Rumänien nicht besteht. Für ein Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen wurde weder substantiiert vorgetragen, noch ist deren Vorliegen sonst erkennbar.

c) Des Weiteren begegnet auch die nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ergangene Abschiebungsanordnung keinen rechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG stellt insoweit ausdrücklich klar, dass es einer vorherigen Androhung und Fristsetzung nicht bedarf.

Hinsichtlich der Zuständigkeit Rumäniens ist auf die Ausführungen unter a) zu verweisen. Daneben ist eine Abschiebung vorliegend sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht möglich, womit feststeht, dass diese durchgeführt werden kann.

Insbesondere hat Rumänien der Rückübernahme des Klägers mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 zugestimmt und auch die Überstellungsfrist von 6 Monaten (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) ist noch nicht abgelaufen.

Der Kläger kann sich weiterhin nicht auf inlandsbezogene Abschiebungsverbote berufen, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Beklagten an dieser Stelle zusätzlich geltend gemacht werden können (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2015 – 11 ZB 15.50050 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 – A 11 S 1523/11 – juris; OVG Hamburg, B.v. 3.12.2010 – 4 Bs 223/10 – juris). Er hat insofern weder etwas vorgebracht noch gibt es sonstige Anhaltspunkte hierfür.

d) Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. §§ 11 Abs. 1, Abs. 2, 75 Nr. 12 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Befristung steht dabei im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, womit das Gericht die Festsetzung in zeitlicher Hinsicht nur auf – im vorliegenden nicht ersichtliche - Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).

e) Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.

II.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, wobei Gerichtskosten gemäß § 83b AsylG nicht erhoben werden.

Tenor

1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der 1992 geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung nach Österreich.

Der Antragsteller reiste am 19. August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. August 2014 Asylantrag. Ein Abgleich der Fingerabdrücke im Rahmen einer EURODAC-Abfrage ergab am 25. September 2014 für Bulgarien Treffer der Kategorie 1 und 2 und für Österreich einen Treffer der Kategorie 1. Danach hat der Antragsteller am 27. Juni 2014 in Bulgarien und am 16. Juli 2014 in Österreich bereits schon Anträge auf Asyl gestellt. Am 29. September 2014 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Wiederaufnahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) an Bulgarien, das seitens Bulgarien mit Verweis auf eine mögliche Zuständigkeit Österreichs abgelehnt wurde. Am 23. Oktober 2014 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 23 Dublin III-VO an Österreich, auf das die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 ihre Zustimmung und die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages erklärten.

Im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates am 25. November 2014 gab der Antragsteller an, sein Heimatland im Juni 2014 verlassen zu haben und mit dem Flugzeug in die Türkei gelangt zu sein. Von dort sei er auf dem Landweg nach Bulgarien gelangt, wo er 22 Tage inhaftiert gewesen sei. Danach sei er über Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt, wo er erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Von Österreich sei er mit dem Zug in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Auf der Flucht sei er von seiner Frau getrennt worden. Er wolle in der Bundesrepublik Deutschland das Asylverfahren durchführen, da sich hier zwei seiner Brüder befänden.

Mit Bescheid vom 9. Januar 2015, zugestellt am 28. Januar 2015, hat das Bundesamt mit Verweis auf die Zuständigkeit des Mitgliedstaates Österreich den Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Österreich angeordnet. Zur Begründung wird ausgeführt, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die gegen eine Überstellung nach Österreich sprechen könnten, seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2015 am selben Tag Klage erhoben und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, Österreich sei für die Übernahme des Antragstellers nicht zuständig, da an sich die Republik Bulgarien zuständig gewesen wäre, die jedoch die Übernahme abgelehnt habe. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet, weil hier bereits zwei seiner Brüder Asyl beantragt hätten. Der Antragsteller scheine auf die Unterstützung seiner Geschwister angewiesen zu sein.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 9. Januar 2015 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 9. Januar 2015 anzuordnen, ist innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG bei Gericht eingegangen und auch sonst zulässig (§ 80 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylVfG).

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, das vorliegend gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG durch die Einzelrichterin entscheidet, auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylVfG ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung.

Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs fällt zulasten des Antragstellers aus. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Überprüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Überprüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Im vorliegenden Verfahren wird die Klage des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Die angefochtene Abschiebungsanordnung erweist sich unter Berücksichtigung der maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) aller Voraussicht nach als rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor. Das Bundesamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Republik Österreich gemäß § 27a AsylVfG aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Republik Österreich hat auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes nach Art. 23 Dublin III-VO mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 einer Übernahme des Antragstellers zugestimmt und die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens erklärt. Damit treffen die Republik Österreich die Pflichten aus Art. 18 Dublin III-VO, insbesondere ist Österreich gemäß Art. 29 Abs. 1 und Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Überstellung kann insoweit noch erfolgen.

Der Europäische Gerichtshof hat die Frage, inwieweit ein Asylbewerber die rechtsrichtige Anwendung der Zuständigkeitskriterien nach der Dublin-Verordnung beanspruchen und geltend machen kann, dahingehend beantwortet, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grund-rechtecharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH (große Kammer), U. v. 10.12.2013 - C-394/12 (Abdullahi) - NVwZ 2014, 208 ff.). Hauptzweck der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO) bestehe in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Aufgrund des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens habe der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-VO erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrages zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen; wobei all dies hauptsächlich bezwecke, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen. Die Selbsteintrittsklauseln sollten die Prärogativen der Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig sei. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handele, räumten sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein (vgl. EuGH a. a. O.). Die Frage, welcher Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, richtet sich allein nach den objektiven Kriterien der Dublin III-VO. Der Anspruch des Asylbewerbers, von der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat abzusehen, beschränkt sich damit allein darauf, die Abschiebung in einen Staat zu verhindern, in dem von Grundrechtsgefährdungen aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Ausnahmebedingungen auszugehen ist. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel hat als solche nicht eine Pflicht des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaates zum Selbsteintritt zur Folge (vgl. EuGH (große Kammer), U. v. 14.11.2013 - C-4/11 Puhid -, NVwZ 2014, 129 ff.). Vielmehr steht es im weiten Ermessen der Bundesrepublik, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben oder die Überstellung in einen anderen, vorrangig zuständigen Mitgliedstaat zu veranlassen.

Der Antragsteller kann der Überstellung nach Österreich damit nicht mit dem Einwand entgegentreten, die Republik Bulgarien sei für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers vorrangig zuständig gewesen.

Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Österreich, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU Grundrechte Charta bzw. Art. 3 EMRK begründen und damit einer Überstellung nach Österreich entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. VG Ansbach, U. v. 8.4.2014 - AN 11 K 14.30189 -; VG Augsburg, B. v. 5.8.2014 - AU 3 S 14.50165 - jeweils juris).

Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht nach Art. 9 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 9 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der Antragsteller einen Familienangehörigen, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in diesem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, hat. Die Anwendung dieser Zuständigkeitsbestimmung ist auf Familienangehörige im Sinne von Art. 2g Dublin III-VO beschränkt und schließt erwachsene Geschwister nicht mit ein.

Auch eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO ist nicht zu erkennen. Danach ist ein Antragsteller mit seinen Geschwistern zusammenzuführen, wenn der Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung eines seiner Geschwister angewiesen ist. Eine schwere Krankheit oder ernsthafte Behinderung des Antragstellers, wegen der der Antragsteller auf die Unterstützung seiner Geschwister angewiesen wäre, wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis nach Art. 16 ist auf Ausnahmesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt und wird nicht bereits durch die allgemein mit der Flucht zusammenhängenden Belastungen begründet.

Schließlich kann der Antragsteller eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO nicht beanspruchen. Abgesehen davon, dass das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO keine subjektiven Rechte von Asylbewerbern begründet, erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, die in der Bundesrepublik bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen des Antragstellers als nicht hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung des Selbsteintritts anzusehen. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor und sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013, a. a. O.; BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris). Allein die Existenz erwachsener Geschwister begründen keine besonderen humanitären Gründe, die im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts maßgeblich zu berücksichtigen wären. Die im weiten Ermessen der Antragsgegnerin stehende Entscheidung, vom Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen, ist daher nicht zu beanstanden.

Die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Österreich gemäß § 34a AsylVfG erweist sich somit voraussichtlich als rechtmäßig. Anhaltspunkte für Abschiebungshindernisse, die einer Überstellung nach Österreich entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom9. Januar 2015 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Anordnung seiner Überstellung nach Österreich im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Der am ... geborene Kläger ist nach eigenen Angaben irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit. Eigenen Angaben zufolge reiste er am 30. Dezember 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 4. März 2015 einen Asylantrag.

Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Klägers am 6. März 2015 ergab einen EURODAC-Treffer (Nr. AT1...) für Österreich. Am 30. April 2015 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ein Übernahmeersuchen an Österreich, welches von den österreichischen Behörden mit Schreiben vom 5. Mai 2015 zunächst abgelehnt wurde. Auf die Remonstration des Bundesamts hin erklärten sich die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 28. Mai 2015 mit der Wiederaufnahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO einverstanden.

Mit Schreiben vom ... Juni 2015 zeigten die Bevollmächtigten des Klägers dessen Vertretung an und übersandten mit Schreiben vom 2. Juli 2015 ein ärztliches Attest von Dr. med. ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vom 14. Januar 2015, wonach beim Kläger die Erkrankungen posttraumatische Belastungsstörung, Schlafstörungen, Angstreaktion, Alptraum, Polyarthralgie, Z.n. Kreislaufkollaps und Schwindelattacke feststellbar seien. Der Kläger sei physisch und psychisch krank. Er benötige dafür unbedingt die familiäre Unterstützung der in ... lebenden Brüder. Hinzukomme, dass er kein deutsch spreche und somit auf die Hilfe seiner deutsch sprechenden Familienangehörigen angewiesen sei. Ein Umzug bzw. Bleiben in ... sei zum Wohle des Klägers dringend zu empfehlen.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 27. Juli 2015 erklärte der Kläger, er habe sein Herkunftsland im November 2014 verlassen. Von dort sei er in die Türkei geflohen und anschließend über Österreich in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. In Österreich seien ihm am 21. Dezember 2014 die Fingerabdrücke abgenommen worden. Ein Aufenthaltsdokument für die Bundesrepublik Deutschland oder einen anderen Mitgliedstaat besitze er nicht. Internationalen Schutz habe er noch in keinem anderen Mitgliedstaat beantragt. Vier Onkel und fünf Brüder lebten in Deutschland. Auf die Unterstützung seiner Familienangehörigen sei er nicht angewiesen. Auch seine Familienangehörigen seien nicht auf seine Hilfe angewiesen.

Bei seiner Zweitbefragung am selben Tag gab er des Weiteren an, unter psychischen Problemen zu leiden. Zudem habe er Magen-Darm-Probleme sowie Probleme mit den Nieren und der Haut. Aufgrund seines ungeklärten Aufenthalts befinde er sich deswegen noch nicht in ärztlicher Behandlung. Über seine psychischen Probleme liege ihm ein ärztliches Attest vom 14. Januar 2015 vor. Er müsse die Medikamente IbuHexal 600 mg und Pantoprazol-Actavis 10 mg zu sich nehmen. Nach Österreich wolle er nicht rücküberstellt werde, da seine Brüder und Onkel in Deutschland lebten und er krank sei.

Mit Bescheid vom 31. August 2015, den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8. September 2015, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach Österreich an (Nr. 2 des Bescheides). Des Weiteren wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 3 des Bescheids).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Österreich aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Auch die Einwände im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 27. Juli 2015, wonach seine Onkel und Brüder in Deutschland lebten und er unter psychischen Problemen leide sowie Probleme mit dem Magen-Darm, den Nieren und mit der Haut habe, könnten nicht dazu führen. Der Kläger sei eigenen Angaben zufolge volljährig, unverheiratet und kinderlos. Inwieweit besagte Verwandte daher Familienangehörige im Sinne der Dublin-Verordnung darstellen könnten, sei nicht erkennbar. Das von der Bevollmächtigten eingereichte ärztliche Attest vom 14. Januar 2015 sei von keinem Facharzt für Psychologie oder ähnlicher Qualifikation ausgefertigt worden. Zudem sei in diesem Attest weder eine Aussage zur Reisefähigkeit des Klägers noch zu den Behandlungsmöglichkeiten in Österreich getroffen worden. Dem Bundesamt lägen auch keine Informationen vor, aus denen hervorginge, dass die angegebenen Erkrankungen des Klägers in Österreich nicht behandelbar seien. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland materiell nicht geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Österreich beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Das Bundesamt müsse des Weiteren das Einreiseverbot gemäß § 75 Ziff. 12 AufenthG im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG befristen. Die Festsetzung der Befristung des Einreiseverbots auf 0 Monate sei erfolgt, weil es in dem neuen Aufenthaltsgesetz vom 1. August 2015 keine Übergangsregelung für Altfälle gebe, in denen eine Gewährung rechtlichen Gehörs zur Befristung noch nicht erfolgt sei. Die notwendige nachträgliche Gehörsgewährung vor Festsetzung der Frist würde aus Zeitgründen die Einhaltung der Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO gefährden und hätte deshalb unterbleiben müssen.

Hiergegen hat der Kläger mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom ... September 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

1. den Bescheid vom 31. August 2016 aufzuheben und

2. die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Bescheid der Beklagten rechtswidrig sei. Es lägen außergewöhnliche, humanitäre Gründe vor, die einen Selbsteintritt rechtfertigten oder jedenfalls eine weitere Prüfung hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts veranlasst hätten. Der Kläger habe bereits ein ärztliches Attest vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass er unter anderem an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Es sei gerichtsbekannt, dass gerade traumatisierte Personen Halt im Familienkreis fänden. Die Brüder des Klägers lebten in Deutschland.

Ein gleichzeitig mit der Klageerhebung gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss des Gerichts vom 29. Januar 2016 (Az.: M 12 S 15.50794) abgelehnt. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. Februar 2016 und dem Bundesamt am 17. Februar 2016 zugestellt.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 16. September 2015 die Behördenakte vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Schreiben vom ... September 2015 legten die Bevollmächtigen des Klägers zwei weitere ärztliche Atteste vor. Dem Attest von ..., Praktischer Arzt, vom 16. September 2015 lässt sich entnehmen, dass die Mutter des Klägers ebenfalls geflüchtet sei und seit kurzem bei ihrem Sohn ... in ... lebe. Der Kläger fühle sich bei seiner Familie geschützt und unterstützt. Er habe so viel Schlimmes erlebt; eine Rückführung nach Österreich sei aus ärztlicher Sicht unverantwortbar, eine weitere gesundheitliche Verschlechterung müsse verhindert werden. Die Verlegung des Aufenthalts des Klägers zu seinem Bruder und seiner Mutter werde dringend empfohlen. Diagnostiziert wurden von dem behandelnden Arzt eine massive posttraumatische Belastungsstörung, Angst- und Erregungszustände, Schlafstörung, BWS-Syndrom, unklarer Oberbauch und Analschmerz.

Dem fachärztlichen Attest von Dr. med. ..., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, vom 17. September 2015 zufolge sei der Kläger durch ein traumatisches Ereignis im Irak sehr belastet. Seither leide er insbesondere an nächtlichen Panikattacken. Diese hätten sich durch die Unterstützung der Familie in Deutschland deutlich gebessert. Die Familie biete ihm diesbezüglich große Unterstützung, indem es zu beruhigenden Worte komme. Eine psychiatrische Behandlung mittels Psychopharmaka oder psychotherapeutischen Verfahren sei bislang noch nicht erfolgt, da die Familie als große Stütze diene. Der Kläger solle nun nach Österreich zurückgeführt werden. Seither seien die nächtlichen Panikattacken exazerbiert. Die Familie habe kaum mehr eine Chance, Zugang zu ihm zu bekommen. Er fühle sich alleine, habe große Ängste, grüble viel und komme nicht mehr zu Ruhe. Eine Überführung des Klägers nach Österreich sei aus fachärztlicher neurologischer Sicht als äußerst problematisch einzustufen. Durch die Trennung des Klägers von seiner Familie sei eine weitere Verschlechterung des psychopathologischen Befundes offensichtlich. Aus fachärztlicher Sicht sei dringend eine Familienzusammenführung anzuraten. In einem weiteren Schritt solle dann eine regelmäßige psychiatrische psychotherapeutische Vorstellung erfolgen, um die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Unterzeichnet wurde das Attest von Dr. S. ...

Mit Schreiben vom ... Dezember 2015 verwiesen die Bevollmächtigten des Klägers auf den Ablauf der Überstellungsfrist zum 28. November 2015.

Am ... Februar 2016 teilten die Bevollmächtigten des Klägers des Weiteren mit, dass die Ehefrau des Klägers, Frau ... (geb. am ...) nunmehr in das Bundesgebiet eingereist sei und hier um Asyl nachgesucht habe.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 26. April 2016 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Die Klagepartei hat mit Schreiben vom ... April 2016 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, die Beklagte mit genereller Prozesserklärung vom 25. Februar 2016.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie in dem Verfahren M 12 S 15.50794 und die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten - der Kläger durch Erklärung seiner Bevollmächtigten vom ... April 2016 und die Beklagte durch die allgemeine Prozesserklärung - hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat seine Beteiligung in den Schreiben vom 11. und 18. Mai 2015 ausdrücklich auf die Übersendung der jeweiligen End- bzw. Letztentscheidung beschränkt.

Die Klage ist nur zum Teil zulässig (1.). Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet (2.).

1. Die Klage ist bereits unzulässig, soweit sie sich gegen das in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides vom 31. August 2015 enthaltene und auf der Grundlage von § 11 AufenthG erlassene Einreise - und Aufenthaltsverbot richtet. Denn die hier vom Bundesamt gewählte Befristung des Einreise - und Aufenthaltsverbots auf 0 Monate beinhaltet schon keine rechtliche Beschwer und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Unzulässig ist die Klage auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2., mit dem der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ein Asylverfahren durchzuführen.

Nach gefestigter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung ist statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach § 27a des Asylgesetzes (AsylG; vormals: AsylVfG) allein die Anfechtungsklage (BVerwG, U. v. 27.10.2015 - 1 C 32.14 - juris Rn. 13 ff.; BayVGH, B. v. 20.5.2015 - 11 ZB 14.50036 - juris Rn. 11; BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 8 ff.; OVG RhPf, U. v. 5.8.2015 - 1 A 11020/14 - juris Rn. 19; OVG NRW, B. v.16.6.2015 - 13 A 221/15.A - juris Rn. 16 ff.; VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 35 ff.). Diese gewährt den erforderlichen wie auch ausreichenden Rechtschutz: Nach Aufhebung des auf § 27a AsylG gestützten Bescheids hat die Beklagte eine inhaltliche Überprüfung des Asylantrags vorzunehmen, ohne dass es hierzu einer gesonderten Verpflichtung der Beklagten bedürfte. Denn auch insofern lebt nach erfolgreicher gerichtlicher Anfechtungsklage des „Dublin-Bescheids“ die gesetzliche Verpflichtung des Bundesamts zur Sachprüfung aus § 31 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG automatisch wieder auf. Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge auch dahingehend keines Verpflichtungsantrags auf Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland (OVG Magdeburg, U. v. 02.10.2013 - 3 L 643/12 - juris Rn. 22; VG München, U. v. 9.5.2014 - M 21 K 14.30300). Nach Abschluss dieser Prüfung hat die Beklagte eine inhaltliche Entscheidung über das Asylbegehren zu treffen. Im Falle einer negativen Entscheidung kann Verpflichtungsklage auf Statuszuerkennung erhoben werden.

2. Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 31. August 2015 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

2.1. Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers vom 4. März 2015 in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 31. August 2015 zu Recht als unzulässig abgelehnt.

2.1.1. Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Bundesamt kann in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Im Fall des Klägers ist Österreich aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union i. S. v. § 27a AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist vorliegend die am 19. Juli 2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO auf alle in der Bundesrepublik ab dem 1. Januar 2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, also auch auf das am 4. März 2015 gestellte Schutzgesuch des Klägers.

Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist vorliegend Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Ausgehend vom Vortrag des Klägers hat er im November 2014 sein Herkunftsland verlassen und ist über Österreich nach Deutschland eingereist. Nach den Angaben der österreichischen Behörden hat er am 21. Dezember 2014 in Österreich einen Asylantrag gestellt. Dies wird bestätigt durch den bei einer EURODAC-Abfrage für den Kläger erzielten Treffer mit der Kennzeichnung „AT1“ (vgl. Art. 24 Abs. 4 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 (EURODAC-VO)). Anhaltspunkte dafür, dass diese Daten unzutreffend sind, bestehen nicht, zumal nach Art. 23 Abs. 1 lit. c) EURODAC-VO eine europarechtliche Richtigkeitsgewähr der Mitgliedstaaten bezüglich der erhobenen und übermittelten Daten besteht. Die Zuständigkeit Österreichs ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen, da zum Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung in Österreich am 21. Dezember 2014 (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) der illegale Grenzübertritt noch nicht länger als zwölf Monate zurücklag. Damit ist Österreich gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO wieder aufzunehmen.

2.1.2. Die gegenüber Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO vorrangigen Zuständigkeitsbestimmungen der Art. 9, 10 und 11 Dublin III-VO kommen im Fall des Klägers nicht zur Anwendung. Diese beinhalten besondere Zuständigkeitsregelungen, die dem Schutz der familiären Beziehungen zwischen minderjährigen Kindern, ihren Eltern und Geschwistern dienen. Nach der bindenden Definition in Art. 2 g) Dublin III-VO zählen jedoch weder die Mutter des Klägers noch seine Geschwister zum Personenkreis der Familienangehörigen im Sinne der Verordnung, da der am... geborenen Kläger nicht mehr minderjährig (vgl. Art. 2 i) Dublin III-VO) und seinen zuletzt gemachten Angaben zufolge auch verheiratet ist.

Auch der Umstand, dass nach den Angaben des Klägers inzwischen seine Ehefrau in das Bundesgebiet eingereist ist und hier um Asyl nachgesucht hat, kann vorliegend nicht zur Anwendung der Zuständigkeitsregelung des Art. 10 Dublin III-VO führen. Zwar handelt es sich bei der Ehefrau des Klägers um eine Familienangehörige im Sinne von Art. 2 g) Dublin III-VO, über deren Asylgesuch noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist; im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 Dublin III-VO (vgl. Anmerkung in der deutschen Sprachfassung: „richtig wohl: 16“; in der englischen Sprachfassung: „criteria refered to in Articles 8, 10 and 16“, in der französischen Sprachfassung: „les critères visés aux articles 8, 10 et 16“) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 7 Abs. 3 Dublin III-VO jedoch nur solche Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 Dublin III-VO stattgegeben hat und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Entscheidung in der Sache ergangen ist. Danach kommt die Zuständigkeitsregelung des Art. 10 Dublin III-VO hier nicht zum Tragen. Denn dass er verheiratet ist und seine Ehefrau im Bundesgebiet um Asyl nachgesucht hat, hat der Kläger vorliegend erst zu einem Zeitpunkt geltend gemacht, als die österreichischen Behörden bereits ihre Bereitschaft, den Kläger wiederaufzunehmen, erklärt hatten.

2.1.3. Die Zuständigkeit Österreichs ist auch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Insbesondere wurde das Gesuch um Wiederaufnahme des Klägers innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung der EURODAC-Treffermeldung an Österreich gerichtet (Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO). Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch auf Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO keine Zuständigkeit der Beklagten. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO hat die Überstellung des Asylantragstellers vom ersuchenden Staat in den ersuchten Staat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese nach Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat, zu erfolgen. Ein Rechtsbehelf bzw. eine Überprüfung mit aufschiebender Wirkung im unionsrechtlichen Sinne der Verordnung liegt nach Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-Verordnung dann vor, wenn der Asylantragsteller bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung beantragen kann. Der deutsche Gesetzgeber hat diesbezüglich in § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG geregelt, dass die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung über diesen Antrag nicht zulässig ist. Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt damit aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO zu. Leitet der Asylantragsteller ein solches Verfahren ein, so beginnt die Überstellungsfrist daher nicht bereits mit dem Zugang der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat zu laufen, sondern nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-Verordnung erst mit der Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung über den auf § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Eilantrag (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 - AN 14 K 15.50316 - juris Rn. 18; Sächs. OVG, B. v. 5.10.2015 - 5 B 259/15.A - juris; VG Aachen, U. v. 19.8.2015 - 6 K 2553/14.A - juris; VG Düsseldorf, B. v. 29.12.2014 - 23 L 3127/14.A - juris; VG Karlsruhe, B. v. 30.11.2014 - A 5 K 2026/14 - juris; Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Kommentar, Stand: 1. 2. 2014, Art. 29 Anm. K4 und K7 ). Hiervon ausgehend ist die sechsmonatige Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen, da der Beschluss vom 29. Januar 2016, mit dem der Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wurde, seiner Bevollmächtigten am 6. Februar 2016 und dem Bundesamt am 17. Februar 2016 zugestellt wurde.

2.1.4. Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 UnterAbs. 2 Dublin III-VO begründen würden, liegen nicht vor. Insbesondere kann der Kläger einer Überstellung nach Österreich auch nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Österreich systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Österreich unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO).

Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris). Daraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., juris Rn. 80).

Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVwerG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 5 f. m. w.N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

In Bezug auf Österreich ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Österreich über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss (vgl. VG Augsburg, B. v. 5.8.2014 - Au 3 S 14.50165 - juris; VG Minden, B. v. 22.5.2015 - 1 L 545/15.A - juris; VG Köln, U. v. 11.5.2015 - 14 K 799/15.A - juris; VG Bayreuth - B. v. 12.12.2014 - B 1 S 14.50116 - juris). VG Ansbach, B. v. 5.3.2015 - AN 14 S 15.50026 - juris). Es ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass in Österreich systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen.

Österreich gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U. v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49). Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Österreichs nicht vor.

Auch in Anbetracht der beim Kläger attestierten Erkrankungen ergeben sich keine Gründe, die ausnahmsweise zur Annahme einer individuellen Gefahr für ihn führen könnten, in Österreich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als Österreich über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die österreichischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Traumatisierte Flüchtlinge erhalten psychologische und psychiatrische Behandlung (vgl. Aida-Länderbericht zu Österreich, Stand Dezember 2015, Seite 73, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/austria). Für das Gericht besteht daher kein Anlass zu Zweifeln daran, dass die geltend gemachten physischen und psychischen Erkrankungen des Klägers auch in Österreich als einem Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hohem medizinischen Standard behandelt werden können und dass entsprechende Behandlungsmöglichkeiten auch Asylsuchenden offenstehen.

2.1.5. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO zu einer Familienzusammenführung des Klägers mit seinen Brüdern oder seiner Mutter verpflichtet. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller nicht von einem Elternteil oder einem seiner Geschwister zu trennen, wenn dieser wegen einer schweren Krankheit oder einer ernsthaften Behinderung auf die Unterstützung eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen ist, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, eines der Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Die Zuständigkeitsregelung des Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO beruht auf der humanitären Pflicht, Antragsteller, die auf die Hilfe bestimmter enger Bezugspersonen angewiesen sind, zusammenzuführen. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis bleibt dabei auf Ausnahmesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. Filzweiser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Kommentar, Stand: 1.2.2014, Art. 16 Anm. K3; VG Ansbach, B. v. 5.3.2015 - AN 14 S 15.50026 - juris Rn. 21).

Ein solches, besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Brüdern bzw. seiner Mutter lässt sich vorliegend nicht feststellen. Der Kläger selbst hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 27. Juli 2015, die Frage, ob er auf die Unterstützung von Familienangehörigen angewiesen sei, ausdrücklich verneint. Auch aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste vom 14. Januar 2015, 16. September 2015 und 17. September 2015 ergibt sich keine andere rechtliche Beurteilung. Denn mit den vorgenannten Attesten konnte der Kläger nicht glaubhaft machen, an einer schweren Krankheit zu leiden, aufgrund derer er zwingend auf die Unterstützung Familie seiner Mutter bzw. seiner Brüder angewiesen wäre.

Sowohl in dem ärztlichen Attest vom 14. Januar 2015 als auch in dem ärztlichen Attest vom 16. September 2015 werden beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als auch Schlafstörungen und Angstzustände diagnostiziert. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik ist zur substantiierten Geltendmachung einer psychischen Erkrankung wie insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung erforderlich, dass das vorgelegte ärztliche Attest gewissen Mindestanforderungen genügt. Insbesondere muss sich aus diesem nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (vgl. BVerwG, U. v. 11. 9. 2007 - 10 C 17/07 - juris Rn. 15).

Diesen Anforderungen werden weder das bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegte ärztliche Attest vom 14. Januar 2015 noch die beiden im Gerichtsverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste vom 16. und 17. September 2015 gerecht.

Hinsichtlich der Atteste vom 14. Januar 2015 und vom 16. September 2015 ist festzustellen, dass die Diagnose einer PTBS nicht von einem Facharzt aus dem psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Fachgebiet, sondern von einer Allgemeinmedizinerin bzw. einem praktischen Arzt gestellt wurde. Ungeachtet dessen lassen weder das Attest vom 14. Januar 2015 noch das Attest vom 16. September 2015 erkennen, auf welcher Grundlage die Diagnose einer PTBS gestellt wurde. Beide Atteste lassen die Erhebung eines psychopathologischen Befundes vermissen und äußern sich nicht dazu, welche Merkmale einer PTBS beim Kläger als erfüllt anzusehen sind. Unklar bleibt des Weiteren, nach welchem Klassifizierungssystem die Diagnose PTBS getroffen wurde. Da eine PTBS stets eine Reaktion auf ein traumatisches Ereignis ist, kann eine entsprechende Diagnose ohne die exakte Feststellung eines Traumas im Sinne eines Ereignisses von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß nicht zuverlässig gestellt werden. Welches traumatische Ereignis des Klägers von den behandelnden Ärzten zugrunde gelegt wurde, geht aus den beiden Attesten vom 14. Januar 2015 und 16. September 2015 jedoch nicht hervor. Weder das Attest vom 14. Januar 2015 noch das Attest vom 16. September 2015 geben zudem Aufschluss über die Schwere der Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit.

In dem Attest vom 17. September 2015 stellt der behandelnde Arzt bereits keine eigene Diagnose. Im Übrigen ist auch bei diesem Attest nicht ersichtlich, ob es von einem Facharzt aus dem psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Fachgebiet abgefasst wurde. Denn das Attest wurde nicht von Dr. med. ..., sondern Dr. S. ... unterzeichnet, über dessen Fachgebiet das Attest jedoch keinen Aufschluss gibt. Auch diesem Attest lässt sich weder die Erhebung eines psychopathologischen Befundes noch eine dezidierte Auseinandersetzung mit der Erkrankung des Klägers entnehmen.

Selbst bei Unterstellung des Vorliegens einer psychischen Erkrankung ergibt sich im Übrigen aus keinem der vorgelegten Atteste, dass die Erkrankung von solcher Art und solchem Gewicht ist, dass der Kläger zwingend auf die Lebenshilfe seiner Mutter oder seiner Brüder angewiesen wäre. Die ärztlichen Atteste geben bereits keinen Aufschluss, inwieweit der Kläger derzeit auf die Unterstützung seiner Familie angewiesen ist, wie sich die Unterstützungshandlungen seiner Familie konkret darstellen und welche Auswirkungen der Beistand seiner Angehörigen auf seinen gesundheitlichen Zustand hat. Zwar warnen alle drei Atteste vor einer Trennung des Klägers von seiner Familie; keines der Atteste benennt jedoch konkret die gesundheitlichen Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung bei einer Trennung des Klägers von seiner Mutter und seinen Brüdern ergeben würden. Zudem ergeben sich aus dem Attest vom 17. September 2015 Zweifel daran, ob die Familie des Klägers in der Lage ist, ihm tatsächlich zu helfen. Denn dem Attest vom 17. September 2015 zufolge ist es seinen Angehörigen derzeit kaum möglich, Zugang zum Kläger zu finden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die geltend gemachten psychischen Probleme des Klägers bislang offenbar noch nicht derart gravierend waren, dass eine regelmäßige psychiatrische Behandlung hätte erfolgen müssen. Nicht zuletzt muss auch aufgrund der unterschiedlichen Wohnorte davon ausgegangen werden, dass der volljährige Kläger derzeit in der Lage ist, auch ohne die Lebenshilfe seiner Mutter und seiner Brüder zurechtzufinden.

Ferner ist nicht ersichtlich, dass der Kläger infolge der attestierten physischen Erkrankungen (Z.n. Kreislaufkollaps, Schwindelattacke, BWS-Syndrom, unklarer Oberbauch, Analschmerz) derart körperlich beeinträchtigt wäre, dass er auf die Unterstützung seiner Mutter oder seiner Brüder angewiesen wäre. Auch die in dem ärztlichen Attest vom 14. Januar 2015 angesprochen Sprachprobleme sind nicht geeignet, um ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis im vorgenannten Sinne zu begründen.

Darüber hinaus lässt sich dem Vortrag des Klägers auch nicht entnehmen, dass sich seine Mutter rechtmäßig im Sinne des Art. 16 Dublin III-VO im Bundesgebiet aufhält. Es ist überdies auch nicht ersichtlich, dass die familiäre Bindung zwischen dem Kläger und seinen Brüdern bereits im Herkunftsland bestanden hat.

2.1.6. Des Weiteren kann der Kläger auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund ist die im weiten Ermessen der Beklagten stehende Entscheidung, von ihrem Selbsteintrittsrecht im Fall des Klägers keinen Gebrauch zu machen, hier rechtlich nicht zu beanstanden. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen sowie die geltend gemachten Erkrankungen des Klägers als nicht hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts anzusehen. Allein das Vorhandensein einer - auch schweren - Erkrankung begründet noch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Wege der Ermessensreduzierung auf Null, wenn diese regelmäßig auch im zuständigen Mitgliedstaat behandelbar ist (vgl. VG Köln, U. v. 6. 11. 2015 - 18 K 4016/15.A - juris Rn. 49). Für das Gericht besteht vorliegend kein Anlass zu Zweifeln daran, dass die vorgetragenen Erkrankungen auch in Österreich behandelt werden könnten und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten Asylsuchenden auch offenstehen (s.o.).

Darüber hinaus begründen die Bestimmungen der Dublin III-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz - grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Sie dienen als innerstaatliche Organisationsvorschriften vielmehr in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung, OVG R-P, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 9.1.2015 - 13 L 2878/14.A - juris). Allenfalls in Fällen, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit nach der Dublin III-VO eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, käme möglicherweise ein subjektives Recht des Drittstaatsangehörigen auf Durchsetzung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts in Betracht (Filzwieser/Sprung, a. a. O., K2 und K3 zu Art. 17). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Nach alledem erweist sich die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids daher als rechtmäßig.

2.2. Auch die in Nummer 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids auf Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnete Abschiebung nach Österreich ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die österreichischen Behörden haben der Rückführung des Klägers nach der Remonstration des Bundesamts mit Schreiben vom 28. Mai 2015 nunmehr ausdrücklich zugestimmt.

Ein der Abschiebung nach Österreich entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis hat der Kläger ebenfalls nicht substantiiert dargetan.

Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt und diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne; vgl. BayVGH, U. v. 18.10.2013 - 10 CE 13.1890 - juris). Ebenso kann eine konkrete, ernstliche Suizidgefährdung mit Krankheitswert zu einem Abschiebungshindernis führen (vgl. BayVGH, B. v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris Rn. 11).

Bei einer psychischen Erkrankung kann außer in Fällen einer eigentlichen Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit nur dann von einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings - in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen - nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.

Legt der Ausländer ärztliche Atteste bzw. Fachberichte über seine Reiseunfähigkeit vor, sind diese zu deren Beweis nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die zugrundeliegenden Befundtatsachen angeben, ggf. die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlichmedizinische Beurteilung bzw. Diagnose des Krankheitsbilds sowie die konkreten Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben (prognostische Diagnose), wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 17/07 - juris Rn. 15; BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21; B. v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris Rn. 13; B. v. 9.1.2012 - 10 CE 11.2044 - juris Rn. 9; OVG NRW, B. v.29.11.2010 - 18 B 910/10 - juris; VG Bayreuth, B. v. 4.11.2014 - B 3 E 14.734 - juris Rn. 33).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermögen die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste vom 14. Januar 2015 und vom 16. und 17. September 2015 nicht zu überzeugen.

Dass sich der Gesundheitszustand des Klägers durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht, ergibt sich aus keinem der vorgelegten Atteste. Den ärztlichen Attesten lässt sich des Weiteren nicht entnehmen, dass im Falle einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet mit einem Suizidversuch des Klägers gerechnet werden müsste.

Mit den vorgelegten Attesten wurde ferner nicht glaubhaft gemacht, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers unmittelbar durch eine Ausreise oder Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich verschlechtern wird. Denn nur ein Attest, das die Folgen nachvollziehbar darlegt, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, ist zur Glaubhaftmachung eines Abschiebungshindernisses geeignet. Erforderlich ist somit eine konkrete Äußerung dazu, ob sich der Gesundheitszustand durch eine Ausreise oder Abschiebung als unmittelbare Folge davon wesentlich verschlechtern wird (vgl. BayVGH, B. v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 8.2.2012 - 2 M 29/12 - juris). Diesen Anforderungen genügen die genannten Atteste nicht. Die vorgelegten Atteste enthalten bereits keine nachvollziehbare Diagnose des Krankheitsbildes (s.o.). Keines der Atteste setzt sich zudem dezidiert mit der Frage der Reisefähigkeit des Klägers auseinander. Welche gesundheitlichen Folgen sich aus den diagnostizierten Erkrankungen für den Kläger im Falle einer Rückführung nach Österreich im Einzelnen ergeben, wird in den Attesten offengelassen. Der im Attest vom 17. September 2015 enthaltene pauschale Hinweis darauf, dass sich der psychopathologische Befund des Klägers bei einer Abschiebung nach Österreich verschlechtern würde, reicht für die Glaubhaftmachung eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses nicht aus.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen in Österreich behandelbar sind (s.o.). Die überstellende Behörde ist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO des Weiteren gehalten, dem zuständigen Mitgliedstaat Informationen über die besonderen Bedürfnisse bezüglich der Gesundheit der zu überstellenden Person zu übermitteln, um es den zuständigen Behörden im zuständigen Mitgliedsstaat gemäß dem innerstaatlichen Recht zu ermöglichen, diese Person in geeigneter Weise zu unterstützen - unter anderem die zum Schutz ihrer lebenswichtigen Interessen unmittelbar notwendige medizinische Versorgung zu leisten - und um die Kontinuität des Schutzes und der Rechte sicherzustellen, die die Verordnung und andere einschlägige Bestimmungen des Asylrechts bieten. Dem Zielstaat wird daher im Vorfeld der Rückführung bei Vereinbarung eines Überstellungstermins mitgeteilt, wenn eine Person unmittelbar nach der Ankunft in ärztliche Hände übergeben werden soll. Soweit dieser Informationsaustausch erfolgt, genügt der überstellende Staat grundsätzlich den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention, so dass selbst bei Überstellung von besonders schutzbedürftigen Personen wie etwa psychisch Kranken keine grundlegenden Einwände bestehen (vgl. Thym, ZAR 2013, 331 unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR; VG Würzburg, B. v. 5.3.2014 - W 6 S 14.30235 - juris).

3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.