Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 29. Aug. 2017 - AN 14 E 17.50998
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, den am 28. Juni 2017 erfolgten Vollzug der Abschiebungsanordnung vom 16. Januar 2017 rückgängig zu machen.
den Eilantrag abzulehnen. Die Überstellung nach Polen sei rechtmäßig; die Überstellungsfrist sei verlängert worden.
II.
III.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
Tenor
I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg
II.
Die Kläger tragen drei Viertel, die Beklagte ein Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
II.
Tenor
I.
Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg wird geändert und die Klage abgewiesen.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
I.
II.
III.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Dezember 2014 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist am 00.00.0000 in S. , Syrien, geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens.
3Der Kläger reiste am 24. November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 1. Dezember 2014 einen Asylantrag. Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 1. Dezember 2014 gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) an, er sei von Syrien aus zu Fuß in die Türkei gegangen und habe sich dort einen Monat und acht Tage aufgehalten. Danach sei er mit dem Flugzeug nach Weißrussland geflogen, wo er sich zwei Tage aufgehalten habe. Von dort aus sei er mit dem Zug nach Polen gereist. In Polen habe er sich drei bis vier Tage aufgehalten und sei anschließend mit dem Zug nach Deutschland gereist. In Polen seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden.
4Ein Datenabgleich mit der Eurodac-Datenbank ergab einen Treffer mit der Länderkennung Polens.
5Am 9. Dezember 2014 richtete die Beklagte daraufhin ein Übernahmeersuchen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates (Dublin-III-Verordnung) an Polen. Die polnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
6Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1.) und ordnete seine Abschiebung nach Polen an (Ziffer 2.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig, da Polen aufgrund des dort bereits zuvor gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c) Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere lägen keine Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln in polnischen Asylverfahren vor. Die Anordnung der Abschiebung nach Polen beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
7Der Kläger hat am 2. Januar 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt, entgegen der Auffassung der Beklagten sei sein Asylantrag zulässig. Es bestünden systemische Mängel in polnischen Asylverfahren. Die Lebensbedingungen, die Asyl suchende Flüchtlinge in Polen anträfen, seien unzumutbar. Insoweit nimmt der Kläger Bezug auf einen Bericht des UNHCR aus dem Jahr 2013. Darüber hinaus bestünden außergewöhnliche humanitäre Gründe für einen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger leide neben einer Herzerkrankung an einer psychischen Erkrankung, die zu seiner Reiseunfähigkeit führe. Spätestens nach Ablauf der Überstellungsfrist von sechs Monaten sei die Beklagte zwischenzeitlich für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers ohnehin zuständig geworden.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Dezember 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags nimmt sie Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
13Der zugleich mit der Klage gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist mit Beschluss vom 30. Januar 2015 (6 L 895/14.A) abgelehnt worden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 6 L 895/14.A sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die Kammer kann trotz Nichterscheinens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beklagte auf diese Folge ihres Ausbleibens in der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungs-gerichtsordnung - VwGO -).
17Die als Anfechtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage,
18vgl. zur Statthaftigkeit (allein) der Anfechtungsklage: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), u.a. Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris Rn. 20,
19hat Erfolg. Sie ist begründet.
20Der angefochtene Bescheid des Bundesamts, mit dem die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers festgestellt und seine Abschiebung nach Polen angeordnet worden ist, ist jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig (geworden) und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Weder ist der Asylantrag unzulässig noch durfte das Bundesamt die Abschiebung des Klägers nach Polen anordnen.
21Eine Unzulässigkeit des Asylantrags wegen Unzuständigkeit der Beklagten ist jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) gegeben.
22Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier nicht (mehr) der Fall.
23Anwendbar für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Prüfung des Asylantrags ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. Nr. L 180 S. 31) zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutzes zuständig ist (Dublin-III-VO), die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 49 Abs. 1 Dublin-III-VO). Gemäß Art. 49 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO findet diese Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, die - wie hier der Antrag des Klägers - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern.
24In Anwendung dieser Vorschriften ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zunächst die Zuständigkeit Polens begründet worden, das sich auf das Übernahmeersuchen der Beklagten gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO zur Übernahme des Klägers und zur Durchführung des Asylverfahrens in eigener Zuständigkeit bereit erklärt hat.
25Die Zuständigkeit Polens für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ist nach Ablauf der Überstellungsfrist jedoch zwischenzeitlich entfallen.
26Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO hat die Überstellung des Asylantragstellers vom ersuchenden Staat in den ersuchten Staat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese nach Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat, zu erfolgen. Ein Rechtsbehelf bzw. eine Überprüfung mit aufschiebender Wirkung im unionsrechtlichen Sinne der Verordnung liegt nach Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin-III-Verordnung dann vor, wenn der Asylantragsteller bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung beantragen kann. Ein derartiges Verfahren mit - in diesem unionsrechtlichen Sinne verstandener - aufschiebender Wirkung stellt das Verfahren nach § 34a Abs. 2 AsylVfG dar, das eine gerichtliche Überprüfung der Abschiebungsanordnung, durch die die Überstellungsentscheidung vollzogen werden soll, im Wege des Eilrechtsschutzes vorsieht. Leitet der Asylantragsteller ein Verfahren nach § 34a Abs. 2 AsylVfG ein, so beginnt die Überstellungsfrist nicht bereits mit dem Zugang der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat zu laufen, sondern nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung erst mit der Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung über den auf § 34a Abs. 2 AsylVfG gestützten Eilantrag.
27Vgl. u.a. Verwaltungsgericht (VG) Minden, Urteile vom 29. April 2015 - 10 K 2430/14.A -, juris Rn. 29 ff., 49, 59, und vom 23. März 2015 - 1 L 794/14.A -, juris Rn. 12; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - 23 L 3127/14.A -, juris Rn. 13 ff., 21; ebenso Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung - Das Europäische Asylzuständigkeitssystem (Stand: 1. Februar 2014), Art. 29 Anm. K4 und K7.
28Vorliegend wurde dem Kläger die ablehnende Entscheidung des Gerichts über seinen auf § 34a Abs. 2 AsylVfG gestützten Eilantrag (6 L 895/14.A) am 2. Februar 2015 zugestellt. In dem für die Hauptsacheentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war die am 2. August 2015 endende Überstellungsfrist von sechs Monaten mithin bereits abgelaufen.
29Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Anhaltspunkte dafür, dass Polen ungeachtet des Fristablaufs nach wie vor bereit ist, den Kläger zu übernehmen und das Asylverfahren durchzuführen, liegen nicht vor. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ist daher nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen. Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides, mit dem die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG festgestellt worden ist, ist vor diesem Hintergrund objektiv rechtswidrig (geworden).
30Der Kläger wird durch die rechtswidrige Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags auch in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31Ihm steht nach nationalem Recht (vgl. §§ 24, 31 AsylVfG) ein Anspruch auf sachliche Prüfung seines Asylantrags durch die Beklagte zu. Nur unter den Voraussetzungen des § 27a AsylVfG darf die Beklagte von einer sachlichen Prüfung eines Asylantrags absehen, dann nämlich, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Liegen diese Voraussetzungen aber nicht vor, verletzt der objektiv rechtswidrige Verwaltungsakt das subjektiv-öffentliche Recht des Klägers aus §§ 24, 31 AsylVfG, da dann nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Prüfung des Asylbegehrens überhaupt bzw. innerhalb angemessener Frist erfolgt.
32Vgl. Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2013 - 12 S 675/13 -, juris Rn. 13; VG Aachen, Urteile vom 1. Juni 2015 - 9 K 1234/14.A -, juris Rn. 31, und vom 17. April 2015 - 7 K 2344/14.A -; VG Würzburg, Urteil vom 13. Januar 2015 - W 3 K 14.30092 -, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris Rn. 43; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. Februar 2015 - 6a L 239/15.A -, juris Rn. 12 ff.
33Unionsrecht steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zunächst spricht bereits viel dafür, dass die Maßgeblichkeit des Rechtsregimes der Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags mit dem in Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO geregelten Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte endet.
34Vgl. VG Aachen, Urteil vom 1. Juni 2015 - 9 K 1234/14.A -, juris Rn. 31.
35Ungeachtet dessen dürfte auch Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO Asylsuchenden ein subjektives Recht einräumen, sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist und den damit verbundenen Übergang der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens berufen zu können.
36Zwar dienen die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO in erster Linie nicht dem Schutz der Asylsuchenden, sondern der effektiven Regelung der Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft mit dem Ziel der schnellen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und der gegebenenfalls zeitnahen Überstellung in diesen Staat.
37Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, juris Rn. 24; VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 - 10 K 2658/14.A -, juris Rn. 74.
38Folgerichtig besteht kein subjektives Recht des Asylsuchenden auf Durchführung eines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat.
39Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris Rn. 25; VG Aachen, Urteil vom 17. April 2015 - 7 K 2344/14.A -; VG Ansbach, Urteil vom 16. Januar 2015 - AN 14 K 14.50166 -, juris Rn. 22; VG Würzburg, Urteil vom 31. März 2015 - W 1 K 14.30151 -, juris Rn. 29.
40Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann der Asylsuchende der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat daher auch nicht unter Berufung auf ein fehlerhaftes Verfahren oder eine fehlerhafte Bestimmung der Zuständigkeit entgegentreten, sondern allein geltend machen, das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat seien so defizitär, dass er eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung zu erwarten habe („systemische Mängel“).
41Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi) -, juris Rn. 62.
42Voraussetzung hierfür ist aber regelmäßig, dass die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates, in den die Überstellung erfolgen soll, begründet worden ist. Gegen diese Überstellung soll sich der Asylsuchende regelmäßig nur im Ausnahmefall des Vorliegens systemischer Mängel berufen können. Dies ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass im Fall der Übernahmebereitschaft des ersuchten Mitgliedstaats jedenfalls sichergestellt ist, dass der Asylantrag überhaupt in der Sache geprüft wird. Denn hierauf, also auf die sachliche Prüfung seines Asylbegehrens in einem (nach den Kriterien der VO zu bestimmenden) Mitgliedstaat, hat der Asylsuchende nach der Konzeption der Dublin-III-VO einen Anspruch. Dieser wird im Fall der Überstellung und der nachfolgenden Durchführung des Asylverfahrens im ersuchten Mitgliedstaat regelmäßig erfüllt.
43Anders liegt der Fall aber, wenn - wie hier - die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist entfallen ist und keine Anhaltspunkte für einen Selbsteintritt dieses Mitgliedstaats vorliegen. In diesem Fall kommt es - wie aufgezeigt - zum Zuständigkeitswechsel und der Verpflichtung des ersuchenden Mitgliedstaats, das Asylverfahren nunmehr durchzuführen. Lehnt der ersuchende Mitgliedstaat - wie hier die Beklagte durch Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids - seine Zuständigkeit jedoch ab und fehlt es zugleich an einer Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens, gerät der Asylsuchende in eine Situation, in der zu befürchten ist, dass sein Asylbegehren nicht mehr zeitnah in der Sache geprüft werden wird.
44Diese Situation des sog. "refugee in orbit", dessen Asylantrag über längere Zeit in keinem Mitgliedstaat geprüft wird, wollte der Unionsgesetzgeber mit der Regelung in Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO aber gerade vermeiden.
45Vgl. VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 - 10 K 2658/14.A -, juris Rn. 89, unter Verweis auf: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rats zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, KOM (2001) 447 endgültig, S. 20; ebenso: Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung - Das Europäische Asylzuständigkeitssystem (Stand: 1. Februar 2014), Art. 29 Anm. K 9.
46Auch Erwägungsgrund Nr. 5 zur Dublin-III-VO deutet mit seiner Formulierung, dass die Verordnung „insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen“ soll, um den „effektiven Zugang zu den Verfahren der Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden“ darauf hin, dass jedenfalls einzelne Regelungen der Verordnung zumindest auch dem Schutz der Interessen des betroffenen Antragstellers, nämlich insbesondere dem effektiven Zugang zu einem Asylverfahren innerhalb angemessener Frist, zu dienen bestimmt sind.
47Vgl. VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 - 10 K 2658/14.A -, juris Rn. 85, u.a. unter Verweis auf ein Arbeitspapier der Kommission zur Überarbeitung des Dublin-Übereinkommens, in dem die Gewährleistung eines effektiven Zugangs zum Asylverfahren für alle Antragsteller ("for all applicants") sogar als Hauptzweck ("fundamental purpose") dieses Übereinkommens bezeichnet werde; vgl. auch EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi) -, juris Rn. 53 (Hauptzweck der Dublin-VO, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen).
48Die in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Weigerung der Beklagten, das Asylverfahren des Klägers durchzuführen und sein Begehren sachlich zu prüfen, verletzt den Kläger vor diesem Hintergrund in seinen Rechten.
49Die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene und auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen dieser Norm, namentlich das Vorliegen eines Falls des § 27a AsylVfG, nicht (mehr) erfüllt sind.
50Der angefochtene Bescheid erweist sich mithin insgesamt als rechtswidrig, weshalb der Klage in vollem Umfang stattzugeben ist.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG.
52Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben (Nr. 1) und die Bekl. zu verpflichten, für den Kl. ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen (Nr. 2).
Gründe
Gründe
- 1
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem - gleichzeitig mit der Klage - am 17.02.2015 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.01.2015, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung des Antragstellers nachPolen angeordnet wurde.
- 2
Der zulässige Antrag,
- 3
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 29.01.2015 anzuordnen,
- 4
ist unbegründet.
- 5
1.) Gemäß § 34 a Abs. 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
- 6
Wegen §§ 27 a, 34 a AsylVfG ist im Rahmen einer Interessenabwägung vorrangig zu beurteilen, ob das Land, auf welches die Abschiebungsanordnung lautet für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist bzw. ob diese Zuständigkeit ausnahmsweise wegen systemischer Mängel im Asyl- oder Aufnahmeverfahren in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen sein könnte.
- 7
Die Klage gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrages sowie gegen die Abschiebungsandrohung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Abs. 1 AsylVfG). Die aufschiebende Wirkung kann jedoch gemäß § 34 a Abs. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Ziffer 3, Abs. 5 VwGO durch das Gericht angeordnet werden. Die Antragsfrist von einer Woche (§ 34 a Abs. 2 AsylVfG) ist eingehalten.
- 8
2.) Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B. v. 14.04.2005, 4 VR 1005.04, juris); § 36 Abs. 4 AsylVfG findet keine Anwendung.
- 9
Bei einem offenem Ausgang des Klageverfahrens ist im Rahmen der Interessenabwägung zwar stets zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, die - wie hier - nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (s. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Gleichwohl ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, B. v. 10. 10. 2003, 1 BvR 2025/03, juris). Deshalb ist wegen der mit der Abschiebung verbundenen (relativen) Unabänderbarkeit bereits dann das Aussetzungsinteresse höher als das nur zeitweilige Absehen von der Abschiebung zu bewerten, wenn infolge derselben eine Verletzung von Grundrechten nach der EU-Grundrechte-Charta nicht ausgeschlossen werden kann (so auch VG Siegmaringen, B. v. 14.07.2014, A 1 K 254/14). Dies ist der Fall, wenn ernst zu nehmende, hinsichtlich der Schwere und Offensichtlichkeit aber noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für eine mit Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 GrCh nicht in Einklang stehende Umstände bestehen. Für einen offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens kann auch sprechen, wenn die beachtliche Frage in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (derzeit noch) gegensätzlich beurteilt wird (vgl. OVG Bautzen, B. v. 24.07.2014, A 1 B 131/14, juris).
- 10
3.) Diese Anforderungen an die gerichtliche Eilentscheidung gestellt, kann vorliegend nicht mit der für das Eilverfahren notwendigen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die so von der Antragsgegnerin angenommene Zuständigkeit Polens wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Anders gewendet: Die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Entscheidung über den Asylantrag im Wege des Selbsteintritts (Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO) ist vielmehr auszuschließen. Das Hauptsacheverfahren ist insoweit gerade nicht als offen im oben erörterten Sinne anzusehen.
- 11
a.) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedstaat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).
- 12
Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, juris).
- 13
Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
- 14
Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegende Umstände in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, juris).
- 15
Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).
- 16
b.) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich Polens zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylVfG [analog]) keine ernst zu nehmenden oder hinsichtlich ihrer Schwere noch weiter aufklärungsbedürftige Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel bestehen. Dies ergibt die Recherche in den einschlägigen Datenbanken. Ebenso in jüngerer Zeit: VG Düsseldorf, Beschluss v, 02.03.2015, 17 L 2510/14.A; VG Aachen, Beschluss vom 30. Januar 2015 - 6 L 895/14.A -, juris Rn. 14ff.; VG München, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - M 16 S 14.50532 -, juris Rn. 13; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. August 2014 - 6a L 1234/14.A -, juris Rn. 11ff., alle m.w.N.
- 17
Dabei ist zunächst festzustellen, dass es Internet nahezu keine verwertbaren Informationen zu den Begrifflichkeiten „Polen systemische Mängel, Dublin“ auffindbar sind. Weder vom UNHCR noch von Amnesty International oder sonstigen Flüchtlingshilfeorganisationen sind überhaupt Dokumente auffindbar. Bereits diese Tatsache der fehlenden Veröffentlichungen im Internet, lässt den Schluss zu, dass die „systemischen Mängel“ gerade nicht zu verzeichnen sind. Denn ansonsten wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Informationen erhältlich. Für diesen Rückschluss spricht, dass Informationen und Dokumente zu den Ländern in denen „systemische Mängel“ zu verzeichnen sind oder waren, wie Griechenland, Italien, Bulgarien und Ungarn, massig im Netz auffindbar sind und die Rechsprechung darauf reagiert hat. Seitens der Rechtsprechung sind ausnahmslos Entscheidungen auffindbar, die die EU-Konformität Polens annehmen und das Selbsteintrittsrecht Deutschlands verneinen, wenngleich diese Entscheidungen eine tiefere Begründung vermissen lassen, was wegen der Offensichtlichkeit aber auch nicht notwendig ist (vgl.: oben angegebene Rechtsprechung).
- 18
Schließlich besteht das Selbsteintrittsrecht auch nicht aufgrund sonstiger humanitärer Gründe oder aufgrund nationaler Abschiebungsverbote. Soweit sich die Antragsteller auf die notwendige Unterstützung ihrer in Deutschland im Asylverfahren befindlichen alten und kranken Eltern berufen, gilt nichts anderes. Eine entsprechende Zuständigkeit ergibt sich nicht aus Art. 16 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Abs. 3 Dublin-III-VO. Denn die Antragsteller haben erstmals und damit verspätet im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dazu vorgetragen.
- 19
Nichts anderes ergibt sich aus Art. 6 GG. Danach hat die jeweils zuständige Behörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind. Bei der erforderlichen Abwägung aller für und gegen den weiteren Aufenthalt sprechenden Gesichtspunkte kommt es unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes maßgeblich darauf an, ob die Folgen der Beendigung des Aufenthalts im Hinblick auf die schutzwürdigen familiären Belange nicht mehr hinnehmbar sind (Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Mai 2011 - 2 BvR 2625/10 -, juris, Rn. 13 ff., vom 27. August 2010 - 2 BvR 130/10 -, NVwZ 2011, 35 = juris, Rn. 40 ff., und vom 4. Dezember 2007 2 BvR 2341/06 -, Inf-AuslR 2008, 239 = juris, Rn. 6 ff).
- 20
Art. 8 EMRK vermittelt ebenfalls keinen unmittelbaren Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht. Jeder Staat hat nach dem Völkerrecht und gemäß seinen vertraglichen Verpflichtungen die Befugnis, Einreise und Aufenthalt von Fremden in seinem Territorium zu regeln. Die Konvention garantiert Fremden nicht das Recht, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten. Allerdings muss der Vertragsstaat bei Maßnahmen, die einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK darstellen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Der Staat muss ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Immigration betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab (Vgl. EGMR, Urteile vom 31. Juli 2008 - 265/07 - (Omoregie), InfAuslR 2008, 421, und vom 28. Juni 2011 - 55597/09 - (Nunez).
- 21
Ausgehend von diesen - im Wesentlichen gleiche Anforderungen stellenden - Maßstäben erweist sich die Abschiebung der Antragsteller nicht als rechtlich unmöglich. Denn es ist bereits nicht nachgewiesen, dass die Eltern als anerkannte Flüchtlinge ein (dauerhaftes) Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzen. Die vorgelegten Bescheide beziehen sich nicht auf die Eltern sondern auf weitere Familienmitglieder, um die es vorliegend nicht geht. Weiter sind den vorgelegten Unterlagen sicherlich Erkrankungen der Eltern zu entnehmen. Eine zwingende Versorgung durch die Antragsteller und dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden könnte, sodass ihnen das Verlassen Deutschlands nicht zumutbar wäre, ergibt sich daraus nicht (Vgl. hierzu: BVerfG, Beschlüsse vom 17. Mai 201 - 2 BvR 2625/10 -, juris, Rn. 15, und vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 -, BVerfGE 80, 81 = juris, Rn. 44).
- 22
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Der Prozesskostenhilfeantrag war mangels Erfolgsaussichten abzulehnen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 8. September 1964 geborene Kläger zu 1. und die am 12. Januar 1965 geborene Klägerin zu 2. sind georgische Staatsangehörige christlich-orthodoxen Glaubens. Sie sind miteinander verheiratet und haben zwei Kinder.
3Im September 2013 verließen die Kläger nach eigenen Angaben Georgien und reisten nach Polen ein. Dort stellten sie ausweislich der EURODAC-Datenbank am 6. September 2013 einen Asylantrag. Am 5. März 2014 reisten die Kläger in die Bundesrepublik ein und stellten hier am 14. März 2014 einen weiteren Asylantrag.
4Bei der – auf die Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beschränkten – Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14. März 2014 gaben die Kläger an, sie hätten bereits in Polen Asyl beantragt. Sie wollten nicht, dass ihr Antrag in einem anderen Staat als Deutschland geprüft werde. In Polen habe man ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt und ihnen trotz der Erkrankungen des Klägers zu 1. keine medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt.
5Am 28. Mai 2014 wandte die Beklagte sich an die polnischen Behörden und ersuchte um die Übernahme der Kläger auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“). Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 stimmte die Ausländerbehörde der Republik Polen – Abteilung für Flüchtlingsverfahren – der Rücküberstellung zu.
6Mit Bescheid vom 10. Juli 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an. Zur Begründung wies die Beklagte auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 hin, aufgrund derer Polen für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die Veranlassung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts geben könnten, seien nicht erkennbar. Der Bescheid wurde den Klägern am 13. August 2014 zugestellt.
7Am 18. August 2014 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus: Der Kläger zu 1. leide an Hepatitis C, die Klägerin zu 2. an einer Anämie unklarer Genese. Diese Krankheiten seien während ihres Aufenthalts in Polen festgestellt worden; eine Behandlung habe aber – trotz mehrfacher Nachfrage – nicht stattgefunden. Daher seien sie in die Bundesrepublik weitergereist. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in Polen vor; die dortigen Bedingungen genügten nicht dem europaweit vereinbarten Mindeststandard.
8Die Kläger beantragen (schriftsätzlich),
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2014 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, ein Asylverfahren durchzuführen, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Flüchtlingseigenschaft aus § 3 bis 3e AsylvfG vorliegt,hilfsweise, die subsidiäre Schutzberechtigung aus § 4 AsylVfG und § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
10Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
11die Klage abzuweisen.
12Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
13Die Kammer hat einen Antrag der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 18. August 2014 (6a L 1234/14.A) abgelehnt.
14Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2015 hat das Bundesamt mitgeteilt, dass die Kläger sich der beabsichtigten Überstellung durch Untertauchen entzogen hätten.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Das Gericht kann gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen eines Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind.
18Die Klage ist sowohl unzulässig als auch unbegründet.
19Die Klage ist unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht festgestellt werden kann. Das geltend gemachte Klagebegehren setzt voraus, dass die Kläger am Fort- und Ausgang ihres Verfahrens ernsthaft interessiert sind. Dieses Interesse haben die Kläger offensichtlich nicht (mehr). Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt. Eine aktuelle ladungsfähige Anschrift haben sie nicht, auch nicht bei ihren Bevollmächtigten, hinterlassen. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dient dem Zweck, den Kläger zu individualisieren und dessen Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. § 10 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) sieht daher ausdrücklich vor, dass der Asylbewerber für die angerufenen Gerichte stets erreichbar sein muss und er jeden Wechsel seiner Anschrift mitzuteilen hat. Kommt der Asylbewerber dieser Pflicht nicht nach, deutet dies regelmäßig darauf hin, dass er am Fortgang seines Verfahrens nicht interessiert ist.
20Vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 6. August 1996 - 9 C 169.95 -, BVerwGE 101, 323; OVG NRW, Urteil vom 17. März 1998 - 18 A 4002/96 - und Beschluss vom 1. Februar 2002 - 21 A 1550/01.A -; BayVGH, Beschluss vom 10. September 2001 - 21 B 00.31685 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Mai 2007 - 2 M 153/07 -, alle bei juris veröffentlicht.
21Die Kammer hat die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Verfügungen vom 8. Januar 2015 und vom 13. Januar 2015 aufgefordert, eine aktuelle Anschrift der Kläger mitzuteilen. Die Prozessbevollmächtigten haben indessen unter dem 13. Januar 2015 und unter dem 3. Februar 2015 mitgeteilt, dass kein Kontakt mehr zu den Klägern bestehe und deren Aufenthaltsort auch ihnen – den Prozessbevollmächtigten – unbekannt sei.
22Die Klage wäre zudem mit den gestellten Anträgen, soweit sie über die Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2014 hinausgehen, auch deshalb unzulässig, weil nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer nur die (isolierte) Aufhebung des Bescheides gemäß § 34a AsylVfG zulässiges Klageziel ist. Im Falle der Aufhebung ist zunächst das Bundesamt zur Durchführung des Asylverfahrens verpflichtet. Ein „Durchentscheiden“ des Gerichts kommt in derartigen Fällen nicht in Betracht.
23Die Klage ist im Übrigen auch unbegründet.
24Der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Kammer hat dazu in ihrem Beschluss vom 26. August 2014 (6a L 1234/14.A) betreffend das Eilverfahren der Kläger ausgeführt:
25„Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
26Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, vom 26. Juni 2013 (sog. „Dublin III-Verordnung“) die Republik Polen der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da die Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in Polen den ersten Asylantrag gestellt haben und aus Polen in das Bundesgebiet eingereist sind, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 die Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Republik Polen mit Schreiben an das Bundesamt vom 30. Mai 2014 auch anerkannt. Die Antragsteller haben keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
27Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Polen in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde. Auszugehen ist insoweit von der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung ist nur widerlegt, wenn „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestehen, also Defizite, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 f., unter Bezugnahme (insbesondere) auf EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417.
29Nach der Rechtsprechung der Kammer und der meisten anderen Verwaltungsgerichte bestehen derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte für entsprechende „systemische Mängel“ bei der Behandlung von Asylbewerbern in Polen.
30Vgl. (aus der Vielzahl einschlägiger Entscheidungen) nur VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. August 2013 - 17 L 1406/13.A - und vom 19. November 2013 - 25 L 2154/13.A -; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 27. März 2014 - 1 K 8004/13.A -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2014 - 13 LA 22/14 -, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen.
31Die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Polen belegen insgesamt, dass die Aufnahmebedingungen in Polen im Allgemeinen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen. Dies gilt auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung. So wird etwa in der von der Association for Legal Intervention und von der Helsinki Foundation for Human Rights im Jahre 2013 publizierten Studie “Migration Is Not a Crime - Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners“ ausgeführt, dass in den polnischen Aufnahmeeinrichtungen die regelmäßige Anwesenheit eines Arztes sichergestellt ist und dass bei gesundheitlichen Problemen, die eine fachärztliche Versorgung notwendig machen, auch das Aufsuchen eines Facharztes außerhalb der Einrichtung gewährleistet wird (Seite 23 ff. der Studie). Auch dem „National Country Report: Poland“ von 2013 der vom Europäischen Flüchtlingsrat getragenen „aida“-Datenbank ist zu entnehmen, dass eine kostenlose medizinische Versorgung Asylsuchender grundsätzlich gewährleistet ist (dort Seite 38 f.). Dass die medizinische Versorgung nicht in allen Aufnahmeeinrichtungen von gleicher Qualität ist und es im Einzelfall Schwierigkeiten bei der zeitnahen fachärztlichen Versorgung geben kann, führt nicht dazu, dass „systemische Bedenken“ im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung anzunehmen wären. Die in beiden Studien hervorgehobenen Probleme bei der sprachlichen Verständigung zwischen Ärzten und Asylbewerbern dürften in Deutschland in ähnlicher Weise bestehen. Den in den genannten Quellen niedergelegten Erkenntnissen entsprechen schließlich auch die Angaben in der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 6. Dezember 2013 betreffend die Rücküberstellung nach Polen im Rahmen des Dublin II-Verfahrens und in der Antwort der Bundesregierung vom 25. September 2013 auf eine Kleine Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneter zur asylrelevanten Lage in Tschetschenien, die sich auf den Seiten 5 ff. mit der Behandlung von Asylbewerbern in Polen, namentlich mit deren medizinischer Behandlung, befasst (Bundestags-Drucksache 17/14795).
32Soweit die Antragsteller sich auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 26. April 2013 (8 E 20075/13 Me) beziehen, ist festzustellen, dass die Frage systemischer Mängel in Bezug auf das polnische Asylsystem in diesem Beschluss lediglich als „offen“ bezeichnet worden ist. Auch das Verwaltungsgericht Meiningen hat sich im Übrigen zur Begründung in erster Linie auf die oben erwähnte Studie „Migration is not a crime“ der Helsinki Foundation berufen, also offenbar nicht über andere Anhaltspunkte für systemische Schwachstellen verfügt.
33Hinsichtlich des von den Antragstellern angeführten Beschlusses des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 10. September 2013 (5 L 652/13.WI.A), in dem die aufschiebende Wirkung einer entsprechenden Klage wegen der Notwendigkeit der näheren Beschäftigung mit der Frage der systemischen Mängel angeordnet worden ist, ist festzustellen, dass die betreffende Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden inzwischen im zugehörigen Hauptsacheverfahren – nach Einholung der oben angeführten Auskunft des Auswärtigen Amtes – die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, systemische Mängel seien nicht festzustellen.
34Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 19. Februar 2014 - 5 K 651/13.WI.A -, juris.
35Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragsteller ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
36An diesen Überlegungen hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung fest.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 29. Oktober 2014 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 7067/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Oktober 2014 insoweit anzuordnen, als in Ziffer 2 des Bescheides die Abschiebung nach Polen angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5A. Er ist zulässig (I.), jedoch unbegründet (II.).
6I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist – wie sich auch aus § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ergibt – der statthafte Rechtsbehelf. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren im Wege der Anfechtungsklage von dem Betroffenen verfolgt werden kann,
7vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 28 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 – 17 L 1194/14.A –, juris Rn. 5; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 4548/12.A –, juris Rn. 15 ff.
8Der erhobenen Anfechtungsklage – 17 K 7067/14.A – kommt entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylVfG.
9Die Antragstellung bei Gericht am 29. Oktober 2014 ist auch innerhalb der Wochenfrist ab Bekanntgabe -hier: Zustellung am 24. Oktober 2014- erfolgt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG.
10II. Der Antrag ist unbegründet.
11Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
12Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden (1.), ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (2.).
13Diese Voraussetzungen liegen vor.
141. Polen ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
15a. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO) vor. Denn diese findet auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ‑ hier: Polen ‑ die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist, keine Anwendung,
16vgl. angedeutet in BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, juris Rn. 26; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2014 – 17 K 2897/14.A –, n.V.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 ‑ 17 L 1194/14.A –, juris Rn. 14; so auch zur Vorgängerregelung Dublin II VO Nr. 343/2003: VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34.
17Die Dublin III VO unterscheidet ausdrücklich zwischen „Antragsteller“, Art. 2 lit. c Dublin III VO und „Begünstigter internationalen Schutzes“, Art. 2 lit. f Dublin III VO. Antragsteller im Sinne der Verordnung ist danach derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde, wohingegen „Begünstigter internationalen Schutzes“ derjenige ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren zur Bestimmung des für eine Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates wird nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III VO (nur) eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz die Flüchtlingseigenschaft – wie hier die Antragsteller in Polen mit Entscheidung vom 4. Oktober 2013 – oder den subsidiären Schutzstatus erhalten hat. Dementsprechend sieht auch Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III VO keine Pflicht des zuständigen Mitgliedstaates im Falle des positiven Bescheides über einen Antrag auf internationalen Schutz vor. Für eine Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist dann ebenfalls von vornherein kein Raum mehr. Der Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller auf Art. 9 Dublin III VO geht aufgrund der Unanwendbarkeit der Verordnung ebenso ins Leere. Für die begehrte Analogie dieser Norm ist gleichfalls kein Raum, da es jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage dieser geregelten mit der nicht entsprechend geregelten hiesigen Fallgestaltung fehlt. Denn die Dublin Verordnung bestimmt von ihrem Normzweck her (allein) Kriterien und Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die noch bevorstehende Prüfung des Asylantrages (zu der auch die Regelung des Art. 9 Dublin III VO zählt), während nach erfolgter Flüchtlingsanerkennung -wie hier- die Grundsätze der Inländergleichbehandlung mit entsprechend anderen Regelungsregimen gelten. In letzterem Falle ist nur noch maßgeblich, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird, was keine im Wesentlichen gleiche oder gar überhaupt vergleichbare Interessenlage des zu entscheidenden Falles mit dem in Art. 9 Dublin III VO geregelten zu begründen vermag. Weshalb im Übrigen der zugesprochene Schutzstatus als anerkannter Flüchtling eine Schlechterstellung -in welcher Art und Weise auch immer- gegenüber noch nicht einen gesicherten Aufenthaltsstatus genießenden Asylbewerbern mit sich bringen soll, erschließt sich auch nicht. Sollte der gegebene Fall noch nach dem Regime der Dublin II VO (vgl. Art. 49 Abs. 2 der Dublin III VO) zu beurteilen sein, folgte nichts anderes, denn jedenfalls auf Personen mit einem -wie hier- anerkannten Flüchtlingsstatus wäre die Vorgängerverordnung aus denselben dargelegten Erwägungen nicht anwendbar,
18vgl. zu den entsprechenden Normen VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. November 2014 ‑ 17 L 2404/14.A, n.V.; VG Düsseldorf, Urteil vom 17. Februar 2015 - 17 K 6764/14.A, n.V. jew. zum subsidiären Schutz.
19b. Polen ist nach dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzulegenden Prüfungsmaßstab als Mitgliedstaat der Europäischen Union jedenfalls für die Fälle des Antragstellern gewährten internationalen Schutzes ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
20aa. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
21vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 –, juris Rn. 181.
22Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die ‑ freilich widerlegbare ‑Vermutung gelten, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
23vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
24Diese Annahmen zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
25vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
26Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
27Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
28vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94.
29Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
30Dass die Verhältnisse in Polen diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Schutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen.
31Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die Genfer Flüchtlingskonvention den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist nach den aktuellen Erkenntnissen gegeben. Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nicht ersichtlich.
32Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
33Danach ist im Hinblick auf Polen zwar anzuerkennen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärem Schutzstatus dort nach den gegebenen Erkenntnissen verbesserungswürdig sind und es zu den vom Prozessbevollmächtigten in der Antragsschrift vom 29. Oktober 2014 beschriebenen einzelnen Missständen bei der Gewährung etwa von Sozialhilfeleistungen kommen mag. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Polen derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss vielmehr ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten, denn nicht jeder Verstoß gegen Rechtsvorschriften der europäischen Gemeinschaft stellt gleichsam schon eine relevante Verletzung der EMRK dar,
34vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2015 - 14 A 134/15, juris, Rn. 15, zu Bulgarien.
35Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte in Polen ausgesetzt sind, derzeit nicht. Etwas anderes haben die Antragsteller auch nicht glaubhaft dargelegt, ihr Prozessbevollmächtigter benennt keine objektivierbaren Erkenntnisse oder tatsachengestützte Informationen, aus denen sich für anerkannte Flüchtlinge in Polen solche ergeben sollen.
36Erkenntnisse darüber, dass anerkannte Flüchtlinge nicht die gleichen Rechte wie polnische Staatsbürger, insbesondere einen Anspruch auf Sozialleistungen, hätten, sind aber auch nicht ersichtlich,
37vgl. Entwurf eines Berichts des Ausschusses des Europäischen Parlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Besuch [April 2008] in Polen, S. 9.
38Die Gesellschaft für bedrohte Völker schildert in ihrem -allerdings vorwiegend die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen betreffenden- zusammenfassenden Bericht, es gebe individuelle Integrationsprogramme für Flüchtlinge. Zahlreiche Beobachter wiesen darauf hin, die Umsetzung der Programme funktioniere nur mängelbehaftet, vor allem weil deren Mitarbeiter wenig geschult im Umgang mit anderen Kulturen seien. Ferner gebe es einen Mangel an Wohnraum,
39vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen. Menschenrechtlicher Aspekt, Januar 2011, S. 9,
40Diesen konstatiert auch der UNHCR in seinem Bericht aus dem Jahr 2013 für Schutztitelinhaber. Günstigen Wohnraum zu finden sei äußerst schwierig, es gebe auch nur knappe finanzielle Leistungen,
41vgl. UNHCR “Where is my home?” - Poland, 2013, S. 8ff.
42Die recht hohe Arbeitslosigkeit in Polen, gerade in den ländlichen Gebieten, ließe zudem Ausländern keine Chance, sich schnell und erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wodurch die Menschen in eine prekäre Lage versetzt würden,
43vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen. Menschenrechtlicher Aspekt, Januar 2011, S. 9f.
44Inhaber des Flüchtlingsschutzes hätten aber ohne Weiteres, trotz der geschilderten Schwierigkeiten eine Beschäftigung zu finden, das Recht zu arbeiten,
45vgl. United States Department of State: „Country Reports on Human Rights Practices for 2012” - Poland, S. 13; ebenso der entsprechende Bericht 2013, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, country report poland, aufger. am 27. Februar 2015.
46Nach polnischem Recht hätten Ausländer auch den gleichen Anspruch auf medizinische Hilfe, selbst bei psychischen Problemen, wie die polnischen Staatsbürger und zwar auf der gleichen Grundlage und im gleichen Umfange. In der praktischen Handhabung möge es indes so sein, dass sie seltener an einen Facharzt überwiesen würden, was indes auch auf den allgemeinen Mangel an solchen Ärzten zurückgeführt werden könne,
47vgl. Entwurf eines Berichts des Ausschusses des Europäischen Parlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Besuch [April 2008] in Polen, S. 10.
48Neuere Erkenntnisse, die von einer in Bezug auf die vorigen Ausführungen relevanten Verschlechterung der Lage anerkannter Flüchtlinge in Polen ausgingen, sind nicht ersichtlich.
49In den vorbezeichneten Defiziten ist eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nicht zu erkennen. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht etwa dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
50vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09 –, juris Rn. 249.
51Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten,
52vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 –, juris.
53Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
54vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 43, m.w.N.
55Die Antragsteller müssen sich daher auf den in Polen für alle polnischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
56vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 42, s.a. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
57Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die zur Frage der Ausgestaltung des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Polen ergangene Rechtsprechung und die hierzu dem Gericht vorliegenden Berichte etwa des UNHCR, von Pro Asyl oder der Gesellschaft für bedrohte Völker nicht heranzuziehen sind. Denn diese betreffen maßgeblich die Einhaltung der Mindeststandards für Asylbewerber und die Ausgestaltung des Asylverfahrens, also den Zugang zum Asyl- bzw. Flüchtlingsschutz bzw. die Durchführung des Verfahrens, nicht aber die Umsetzung des gewährten internationalen Schutzes,
58vgl. einen systemischen Mangel aufgrund der Auswertung der diesbezüglichen Erkenntnisse für Asylsuchende in Polen verneinend etwa: VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. August 2013 ‑ 17 L 1406/13.A ‑, juris; VG Aachen, Beschluss vom 30. Januar 2015 - 6 L 895/14.A -, juris Rn. 14ff.; VG München, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - M 16 S 14.50532 -, juris Rn. 13; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. August 2014 - 6a L 1234/14.A -, juris Rn. 11ff., alle m.w.N.
59bb. Die Antragsteller gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
60Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der jeweiligen Antragsteller liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob es sich bei den Antragstellern um Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU handelt und sie gemäß Art. 20 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurden.
61Beachtliche, in der Person der Antragsteller liegende Gründe von einer Überstellung nach Polen abzusehen, wo sie sich nach eigenen Angaben bereits etwa eineinhalb Jahre vor der Weiterreise in die Bundesrepublik Deutschland aufgehalten haben, liegen nicht vor. Bei ihnen handelt es sich um eine Familie, bestehend aus einem erwachsenen etwa 31 Jahre alten Mann, seiner 29 jährigen Ehefrau, den Antragstellern zu 1. und 2., und ihren zwei minderjährigen, fast fünf sowie drei Jahre alten Kindern, den Antragstellern zu 3. bis 4. Aktuelle Erkrankungen oder sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen hinsichtlich der Antragsteller zu 1., 3. und 4. sind weder vorgetragen noch aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich. Die Antragstellerin zu 2. gab bei ihrer Anhörung am 22. September 2014 lediglich an, sie habe „zuletzt eine Nervenkrankheit und Probleme mit Händen und Füßen“ gehabt. Trotz Ankündigung des Prozessbevollmächtigten in der Antragsschrift vom 29. Oktober 2014, für sie in Kürze ein Attest über Erkrankungen vorzulegen, ist ein solches bislang nicht dargebracht worden und ein entsprechendes auch aus den beigezogenen Akten nicht ersichtlich. Eine Erkrankung -welcher Art und Schwere auch immer- ist daher schon nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht weist jedoch vorsorglich darauf hin, sollte mit der „Nervenkrankheit“ etwa eine psychische Erkrankung, beispielsweise in Form einer depressiven Symptomatik oder einer posttraumatischen Belastungsstörung gemeint sein und würde diese als gegeben unterstellt, auch nicht nachvollziehbar vorgetragen ist, sie wäre in Polen nicht behandelbar. Entsprechendes wäre nach der derzeitigen Erkenntnislage aber zudem nicht ersichtlich. Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Polen für Inhaber internationalen Schutzes, trotz der zumutbaren praktischen Erschwernisse bezüglich des ‑ auch die polnische Staatsangehörigen gleichermaßen betreffenden ‑ Behandlungs- und Medikamentationsstandards grundsätzlich hinreichend gewährleistet,
62vgl. Entwurf eines Berichts des Ausschusses des Europäischen Parlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Besuch [April 2008] in Polen, S. 10; BT-Drs. 17/14795, S. 5f. (Auskunft der Liaisonbeamtin in Polen); siehe im Übrigen zur grundsätzlich bereits hinreichenden medizinischen Versorgung schon im Asylverfahren VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. August 2013 ‑ 17 L 1406/13.A ‑, juris; VG Aachen, Beschluss vom 30. Januar 2015 - 6 L 895/14.A -, juris Rn. 14ff.
63Im Übrigen lassen die Ausführungen der Antragsteller eine sonstige besondere Schutzbedürftigkeit nicht erkennen.
64Im Hinblick auf die beiden minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. kann den bei der Durchführung von Überstellungen in sichere Drittstaaten vor dem Hintergrund der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG allgemein besonders zu beachtenden Gesichtspunkten des Kindeswohls und der Familieneinheit,
65vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris,
66durch die Aufnahme eines Maßgabevorbehaltes (siehe A. II. 2. b.) in hinreichendem Maße Rechnung getragen werden.
67cc. Schließlich liegt auch keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
68vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189.
69Weder drohte den Antragstellern in Polen die Todesstrafe, noch bestünde die erhebliche konkrete Gefahr, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung nach dort Opfer eines Verbrechens würden, welches zu verhindern nicht in der Macht Polens stünde. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Polen selbst zum Verfolgerstaat werden würde.
702. Ebenso ist die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG rechtmäßig und es steht fest, dass die Abschiebung – unter Berücksichtigung des unter b. ausgesprochenen Maßgabevorbehaltes – durchgeführt werden kann.
71a. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Für die Antragsteller besteht in Polen keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
72Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
73vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.5 –, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 ‑ 9 C 58.96 –, juris Rn. 13.
74Eine solche Verschlechterung kann zwar grundsätzlich infolge einer schweren psychischen Erkrankung eintreten, diese hat die Antragstellerin zu 2. aber nicht dargelegt. Abgesehen davon liegen derzeit – wie bereits ausgeführt – auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vor, eine gegebenenfalls erforderliche Behandlung von psychischen Störungen oder einer weiteren Erkrankung der Antragstellerin -diese einmal als gegeben unterstellt- sei in Polen nicht hinreichend gewährleistet.
75Im Übrigen müssen sich die Asylbewerber bzw. -hier- anerkannt Schutzberechtigten grundsätzlich auf den Behandlungs- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
76vgl. -zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG- OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 - 13 A 2160/04.A, juris.
77b. Im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hat das Bundesamt neben zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen,
78vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4.
79Ein solches in Form einer Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung oder als unmittelbare Folge ihrer wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern werde,
80vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris; vgl. ausf. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2010 - 18 B 910/10, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2008 - 18 B 538/08, juris; OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2006 ‑ 18 A 916/05, juris, jew. m.w.N.
81Dies ist indes nicht der Fall. Mangels vorgelegtem Attest über eine Erkrankung der Antragstellerin zu 2., verbleibt es für die vorgetragene Reiseunfähigkeit bei einer bloßen Behauptung. Ungeachtet dessen gibt es keinerlei Anhaltspunkte, den vorbezeichneten Gefahren könnte nicht im Rahmen der Rückführungsmaßnahme jedenfalls durch Begleitmaßnahmen wirksam begegnet werden,
82vgl. dazu ausf. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2014 - 17 K 2897/14.A -, juris.
83Für sonstige Abschiebungshindernisse ist im Übrigen nichts ersichtlich.
84Es kann allerdings in Einzelfällen geboten sein, notwendige Vorkehrungen zu treffen, damit eine grundsätzlich zulässige Abschiebung verantwortet werden kann. Insbesondere im gegebenen Fall der Rückführung in sichere Drittstaaten können die betroffenen Ausländer – anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland – regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Existieren belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer in dem sicheren Drittstaat, hat die für die Abschiebung zuständige Behörde dem daher angemessen Rechnung zu tragen,
85vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, zur Rückführung von Inhabern internationalen Schutzes nach Italien.
86Anhaltspunkte für Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter bestehen in Anbetracht eines Mangels an geeignetem und bezahlbarem Wohnraum gegenwärtig auch für Polen,
87vgl. UNHCR “Where is my home?” - Poland, 2013, S. 8ff.
88Demgemäß hat die Antragsgegnerin in Ansehung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
89vgl. -zu Italien- BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris,
90bei Rücküberstellungen nach Polen eingedenk der grundrechtlichen Verbürgungen des Kindeswohls und der Familieneinheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 GG) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den polnischen Behörden sicherzustellen, dass der Übergang in eine gemeinsame gesicherte Unterkunft gewährleistet ist und die Familie nicht getrennt wird, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen. Diese Rechtsprechung ist auf Kinder, die jedenfalls noch nicht das sechste Lebensjahr vollendet und damit in der Regel hiesig das schulpflichtige Alter noch nicht erreicht haben, zu übertragen, denn auch solche Kinder sind grundsätzlich ebenso noch in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesen und damit gleichermaßen schutzbedürftig,
91vgl. insoweit auch undifferenzierter für Minderjährige, die älter als drei Jahre sind, jüngst EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - Az.: 29217/12 -, betreffend Italien.
92Bei der Rückführung der Antragsteller zu 1. und 2. sowie ihrer zwei minderjährigen, fast fünf sowie drei Jahre alten Kinder, der Antragsteller zu 3. bis 4., hat die Antragsgegnerin daher die Maßgabe zu beachten, vor einer Abschiebung nach Polen in Abstimmung mit den dortigen Behörden sicherzustellen, dass für die Antragsteller unmittelbar nach Ankunft in Polen der Übergang in eine gemeinsame gesicherte Unterkunft gewährleistet ist und die Familie nicht getrennt wird.
93B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
94C. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten im Verfahren der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung.
95Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
Aktenzeichen: AN 14 K 15.50448
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
14. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 710
Hauptpunkte:
Abschiebungsanordnung nach Polen
keine systemischen Mängel in Polen
keine Familienangehörige
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
1. ..., geb. ...1989 Ukrainische Gr.-Kath. Personalpfarrei ...
2. ..., geb. ...1990
3. ..., geb. ...2010
4. ..., geb. ...2013
zu 3 und 4: gesetzlich vertreten durch den Vater ... Ukrainische Gr.-Kath. Personalpfarrei ...
... gesetzlich vertreten durch die Mutter ...
... zu 2 bis 4 wohnhaft: ...
- Kläger -
zu 1 bis 4 bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt ... Referat Außenstelle ...
- Beklagte -
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 14. Kammer,
durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Bayer aufgrund mündlicher Verhandlung vom
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden
nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., wird abgelehnt.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen eine Abschiebungsanordnung nach Polen.
Die Kläger, ukrainische Staatsangehörige, reisten eigenen Angaben zufolge am
In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens
Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - polni-sche Visa - lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO).
Die Beklagte richtete am
Mit Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom
Zur Begründung wurde unter Verweis auf die Beschlüsse des VG Meiningen
Hinzu komme die persönliche Gefährdungslage des Klägers zu 1). Er habe in der Ukraine seinen Wehrdienst abgeleistet. Nach Entlassung aus dem Wehrdienst sei er automatisch der Reserve zugeteilt. Aufgrund des dort herrschenden Bürgerkrieges erhielt er einen Einberufungsbefehl zur ukrainischen Armee. Aus Gewissensgründen habe er diesem Einberufungsbefehl keine Folge geleistet, da er es nicht verantworten konnte, in einer als Bürgerkrieg zu bezeichnenden Auseinandersetzung zwischen den Separatisten in der Ost-Ukraine und dem ukrainischen Staat gegen Landsleute, möglicherweise auch Verwandte, schießen zu müssen. Aufgrund dessen gelte der Kläger zu 1) in der Ukraine nunmehr als Deserteur. Dieses Vergehen sei mit einer Freiheitsstrafe bis zur lebenslänglichen Freiheitsstrafe bedroht. Zwischen der Ukraine und Polen bestehe ein Auslieferungsabkommen. Er müsse daher befürchten, bei einer Abschiebung nach Polen unverzüglich an die Ukraine ausgeliefert zu werden.
Durch die UNHCR-Studien würden die Zweifel an den systemischen Mängeln im Asylsystem in Polen aufgrund der drohenden Obdachlosigkeit von Asylsuchenden in Polen, Bulgarien und der Slowakei noch bekräftigt werden.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid.
In der mündlichen Verhandlung vom
Der Kläger zu 1) befindet sich laut dem Schreiben der ukrainisch griechisch-katholischen Personalpfarrei ... vom 25. November 2015 im Kirchenasyl.
Die Klägerin zu 2) erklärte auf Nachfrage des Gerichts, dass die Familie mit einem polnischen Visum über Polen nach Deutschland eingereist sei. In Polen selbst sei nichts Besonderes vorgefallen. Die Mutter des Klägers zu 1) (Klägerin zu 2) aus dem Klageverfahren AN 14 K 15.50450) ergänzt, dass ihr Sohn, der Kläger zu 1), bereits eine Ladung zur Einberufung in das Militär in der Ukraine erhalten habe.
Die Prozessbevollmächtigte stellte in der mündlichen Verhandlung hilfsweise die Beweisanträge aus dem Schriftsatz in dem Verfahren AN 14 S 15.50449 vom 6. November 2015.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Behörden-akten, auf die Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom 4.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 3 Asyl einer vorherigen Androhung und Fristsetzung nicht. Dem liegt zugrunde, dass das Bundesamt die Asylanträge der Antragsteller nach § 27a Asyl zu Recht als unzulässig abgelehnt hatte.
Formfehler diesbezüglich sind weder erkennbar noch vorgetragen.
Damit treffen die Verpflichtungen aus Art. 18 ff der Dublin III-VO die Republik Polen.
Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, liegen nicht vor und wurden auch nicht konkret vorgetragen.
Hierbei ist aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung des § 26a Asyl entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, da es sich bei Polen um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit entgegen den Ausführungen der Antragsteller um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG bzw. § 26a AsylVfG handelt.
Damit ist Polen, wie dargelegt, nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Durchführung des Asyl-verfahrens der Kläger zuständig.
Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewähr-leisten (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 19.3.2014, Az.: 10 B 6/14 m. w. N., juris). Dieses gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grund-lage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, Luv 21.12.2011, Rechtssache: RS: C-411/10
Solche systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO liegen aber entgegen den Ausführungen der Kläger erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechts-verletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Hier-bei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben muss, die eben systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts aus-reicht (BVerwG, BVB.
Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im über-stellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EUGH, Luv 21.12.2011, a. a. O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG
Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht von solchen systemischen Schwachstellen auszugehen.
Hierzu wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 Asyl auf die zu-treffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 24. September 2015 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
Auch der Vortrag der Kläger führt zu keiner anderen rechtlichen Betrachtung. Soweit sie sich auf den Beschluss des VG Meiningen
Der Bescheid des Bundesamtes vom
Ergänzend bleibt noch auszuführen, dass auch nach der überwiegenden Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen nicht vorliegen (vgl. VG Aachen, U. v. 19.08.2015, Az. 6 K 2553/14.A; VG München, B. v. 29.06.2015, Az. M 24 K 15.50074; BayVGH, U. v. 22.06.2015, Az. 11 B 15.50049; sowie
Die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Polen belegen insgesamt, dass die Aufnahmebedingungen in Polen im Allgemeinen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen. Dies gilt auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung.
Bei den erwähnten Verwandten der Kläger handelt es sich darüber hinaus nicht um Fami-lienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dahingehend vor und wurden auch nicht vorgetragen, dass bereits im Herkunftsland eine Familieneinheit bestanden habe. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Cousine des Klägers zu 1), welche sich seit 15 Jahren in Deutschland aufhalten soll.
Die Asylanträge des Vaters des (volljährigen) Klägers zu 1) und dessen Familie wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 24. September 2015 ebenfalls als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Polen angeordnet. In dem parallel erhobenen Antragsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach (Az. AN 14 S 15.50449; Klageverfahren mit dem Az. AN 14 K 15.50500) wurde ebenfalls der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den zugrunde liegenden Bescheid des Bundesamts vom 24. September 2015 abgelehnt. Auf dieses Verfahren wird ausdrücklich Bezug genommen.
Der Abschiebung stehen auch keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse, die ebenso durch das Bundesamt zu prüfen gewesen wären, entgegen. Eine Reise- bzw. Transportunfähigkeit der Kläger wurde nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83 b AsylVfG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift: |
Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder |
Postfachanschrift: |
Postfach 616, 91511 Ansbach, |
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., wird abgelehnt.
Gründe:
Mangels Erfolgsaussichten der Hauptsache - insoweit wird auf die Ausführungen der Klage dem Az.: AN 14 K 15.50448 verwiesen - ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin ..., abzulehnen (§ 166 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 14 K 15.50450
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
14. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 710
Hauptpunkte:
Abschiebungsanordnung nach Polen, keine systemischen Mängel in Polen, keine Reisefähigkeit, posttraumatische Belastungsstörung, Mindestanforderungen an ärztliche Atteste
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
1. ... geb. ...1966
2. ... geb. ...1967
3. ..., geb. ... 2002
gesetzlich vertreten durch den Vater ...
gesetzlich vertreten durch die Mutter ...
zu 1 bis 3 wohnhaft: ...
- Kläger -
zu 1 bis 3 bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
...
vertreten durch: Bundesamt ..., Referat Außenstelle ...
- Beklagte -
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 14. Kammer, durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Bayer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Januar 2016
am
folgendes Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Die Kläger, ukrainische Staatsangehörige, wenden sich gegen eine Abschiebungsanordnung nach Polen.
Sie reisten eigenen Angaben zufolge am
In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am
Die Klägerin zu 2) ergänzt in ihrer Zweitbefragung, dass sie Medikamente gegen Herzerkrankung einnehme. Zudem habe sie Probleme mit der Schilddrüse, mit den Nieren und habe einen Schlaganfall erlitten. Sie sei deswegen in ärztlicher Behandlung. Ärztliche Atteste lägen ihr nicht vor. Sie wolle auf keinen Fall nach Polen überstellt werden, dass sie sich dort nicht sicher vor einer Auslieferung in die Ukraine fühle. In den 80er/90er Jahren habe sie in Deutschland gelebt. Hier habe sie ihren Sohn zur Welt gebracht. Außerdem seien noch Verwandte von Seiten ihres Ehemannes in Deutschland.
Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - polnische Visa - lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO).
Die Beklagte richtete am
Mit Bescheid des Bundesamts vom
Mit Schriftsatz vom
Zur Begründung wurde unter Verweis auf die Beschlüsse des VG Meiningen
Darüber hinaus verweisen die Kläger hinsichtlich der Zweifel an den systemischen Mängeln auf die Studien des UNHCR und der darin enthaltenden drohenden Obdachlosigkeit von Asylsuchenden in Polen, Bulgarien und der Slowakei.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
Hiergegen ließen die Kläger durch Schriftsatz ihrer neuen Prozessbevollmächtigten vom
Ebenfalls mit Schriftsatz vom
Die Kläger berufen sich auf das Abschiebungshindernis in Gestalt der Reise- und Transportunfähigkeit des Klägers zu 1) und legen hierzu ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin, Herrn ..., vom 29. Oktober 2015 vor. Hieraus ergibt sich, dass der Kläger zu 1) unter Depressionen leide, die vor allem unter vermehrtem Stress auftreten. Eine posttraumatische Belastungsstörung könne mit Sicherheit nicht ausgeschlossen werden. Neben der eingeleiteten medikamentösen Therapie sei der Patient auf psychotherapeutische Betreuung angewiesen. Des Weiteren findet sich der Hinweis in dem ärztlichen Attest, dass der Kläger zu 1) „weiterhin reiseunfähig“ sei. Eine Abschiebung aus dem Lande könne eine Verschlechterung des Krankheitszustandes hervorrufen. Eine Abschiebung aus dem Lande werde aus medizinischer Sicht für nicht vertretbar gehalten.
Mit Schriftsatz vom
Wiederum mit Schriftsatz vom
Die Prozessbevollmächtigten der Kläger legen mit Schriftsatz vom
Das Verwaltungsgericht Ansbach lehnte mit Beschluss vom 12. Januar 2016 den Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin... ab.
Am 14. Januar 2016 stellten die Kläger erneut einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid. Ergänzend trägt die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. November 2015 vor, dass das Attest vom 29. Oktober 2015 von einem Allgemeinpraktiker (wenn auch insoweit Facharzt) erstellt worden sei. Im Hinblick auf die starken angeblichen Bezüge zu psychischen Problemen könnten Zweifel an der Aussagekraft laut werden. Insbesondere stehe erkennbar noch kein Rückführungsdatum fest bei längerer Restfrist.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach wurden in der mündlichen Verhandlung die Verfahren mit den Az. AN 14 K 15.50448 und AN 14 K 15.50450 nach § 93 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung miteinander verbunden.
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am
Die Prozessbevollmächtigte der Kläger liegt zudem in der mündlichen Verhandlung vom
Aus dem nervenärztlichen Attest der oben genannten Nervenärzte vom
Die Klägervertreterin stellte in der mündlichen Verhandlung am
„zum Beweis der Tatsache, dass aufgrund der Erkrankung des Klägers zu 1) und Antragstellers zu 1) Reiseunfähigkeit gegeben ist, wird beantragt, dass ein amtsärztliches Gutachten auf Veranlassung des Gerichts eingeholt wird,
zum Beweis der Tatsache, dass der Antragsteller zu 1) und Kläger zu 1) wegen seiner Erkrankung ärztlicher Behandlung bedarf und diese Behandlung nicht in Polen gewährleistet werden kann, insbesondere aufgrund eines erschwerten Zugangs von Asylbewerbern zum Gesundheits- und Sozialsystem in Polen, wird beantragt, eine Auskunft von Amnesty International, hilfsweise und nachrangig von einer anderen fachinformierten Auskunftsstelle einzuholen.“
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Behörden- und Gerichtsakten, auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2016, auf die Gerichtsverfahren des erwachsenen Sohnes des Klägers zu 1) mit den Az. AN 14 S 15.50447 (Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO) und AN 14 K 15.50448 (Klageverfahren) sowie auf das (erste) Antragsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (AN 14 S 15.50496) und das (zweite) Antragsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (AN 14 S 16.50011) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom
1. Nach § 34a AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, wenn feststeht, dass sie auch durchgeführt werden kann. Hierbei bedarf es nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG einer vorherigen Androhung und Fristsetzung nicht. Dem liegt zugrunde, dass das Bundesamt die Asylanträge der Antragsteller nach § 27a AsylG zu Recht als unzulässig abgelehnt hatte.
Formfehler diesbezüglich sind weder erkennbar noch vorgetragen.
Damit treffen die Verpflichtungen aus Art. 18 ff der Dublin III-VO die Republik Polen.
Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, liegen entgegen der Auffassung der Kläger nicht vor.
Hierbei ist aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung des § 26a AsylG entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, da es sich bei Polen um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit entgegen den Ausführungen der Antragsteller um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG bzw. § 26a AsylG handelt.
Damit ist Polen, wie dargelegt, nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger zuständig.
Die Dublin III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 19.3.2014, Az.: 10 B 6/14 m. w. N., juris). Dieses gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, Rechtssache: RS: C-411/10
Solche systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO liegen aber entgegen den Ausführungen der Kläger erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben muss, die eben systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, B. v. 6.6.2014, Az.: 10 B 25/14, juris).
Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im überstellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EUGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren aufgrund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG
Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht von solchen systemischen Schwachstellen auszugehen.
Hierzu wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom
Auch der Vortrag der Kläger führt zu keiner anderen rechtlichen Betrachtung.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid des Bundesamtes vom
Ergänzend bleibt noch auszuführen, dass auch nach der überwiegenden Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen nicht vorliegen (vgl. VG Aachen, U. v. 19.08.2015, Az. 6 K 2553/14.A; VG München, B. v. 29.06.2015, Az. M 24 K 15.50074; BayVGH, U. v. 22.06.2015, Az. 11 B 15.50049; sowie
Die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Polen belegen insgesamt, dass die Aufnahmebedingungen in Polen im Allgemeinen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen. Dies gilt auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung. So wird etwa in der von der Association for Legal Intervention und von der Helsinki Foundation for Human Rights im Jahre 2013 publizierten Studie „Migration Is Not a Crime - Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners“ ausgeführt, dass in den polnischen Aufnahmeeinrichtungen die regelmäßige Anwesenheit eines Arztes sichergestellt ist und dass bei gesundheitlichen Problemen, die eine fachärztliche Behandlung notwendig machen, auch das Aufsuchen eines Facharztes außerhalb der Einrichtung gewährleistet wird (Seite 23 ff. der Studie). Auch dem „National Country Report: Poland“ von 2013 der vom Europäischen Flüchtlingsrat getragenen „...“-Datenbank ist zu entnehmen, dass eine kostenlose medizinische Versorgung Asylsuchender grundsätzlich gewährleistet ist (dort Seite 38 f.). Dass die medizinische Versorgung nicht in allen Aufnahmeeinrichtungen von gleicher Qualität ist und es im Einzelfall Schwierigkeiten bei der zeitnahen fachärztlichen Versorgung geben kann, führt nicht dazu, dass „systemische Bedenken“ anzunehmen wären. Die in beiden Studien hervorgehobenen Probleme bei der sprachlichen Verständigung zwischen Ärzten und Asylbewerbern dürften in Deutschland in ähnlicher Weise bestehen. Den in den genannten Quellen niedergelegten Erkenntnissen entsprechen schließlich auch die Angaben in der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Wiesbaden
Bei den erwähnten Verwandten der Kläger handelt es sich darüber hinaus nicht um Familienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dahingehend vor und wurden auch nicht vorgetragen, dass bereits im Herkunftsland eine Familieneinheit bestanden habe. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Nichte des Klägers zu 1), welche sich seit 15 Jahren in Deutschland aufhalten soll.
Der gestellte Asylantrag des erwachsenen Sohnes des Klägers zu 1), Herrn ..., wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 24. September 2015 ebenfalls als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Polen angeordnet. In dem parallel erhobenen Antragsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach (Az. AN 14 S 15.50447) wurde ebenfalls der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den zugrunde liegenden Bescheid des Bundesamts vom 24. September 2015 abgelehnt. Auf dieses Verfahren wird verwiesen.
2. Die Abschiebung kann trotz der von den Klägern vorgelegten psychologischen und ärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin, ... und der Nervenärzte ... durchgeführt werden.
Hinsichtlich des Klägers zu 1) kommen die behandelnden Ärzte ... und ... gemäß den zuletzt dem Gericht vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen bzw. Schreiben - die Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 14. Januar 2016, das ärztliche Attest vom 12. Januar 2016 und die Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 13. Januar 2016 - zu dem Ergebnis, dass beim Kläger zu 1) eine hypertensive Krise, der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Depression mit Suizidalität vorliegt.
Die Beklagte hat zwar bei der hier erfolgten Abschiebungsanordnung sowohl inlandsbezogene als auch auslandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, etwa die fehlende Reisefähigkeit oder eine bestehende Suizidgefahr bzw. eine nachhaltige Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes im Falle einer Abschiebung. Solche Gründe sind indes nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben. Den vorgelegten Stellungnahmen ist schon nicht zu entnehmen, dass der Kläger wegen seiner psychischen Erkrankung zurzeit transportunfähig oder reiseunfähig ist.
Zwar stellt das nervenärztliche Attest vom 12. Januar 2016 fest, dass „eine weitere regelmäßige psychiatrische Behandlung mit Anpassung der psychiatrischen Medikation notwendig“ ist und eine stationäre Behandlung im Bezirksklinikum ... für die nächste Woche geplant sei.
Allerdings reichen die vorliegenden Atteste zur Glaubhaftmachung eines tatsächlich bestehenden Abschiebungshindernisses nicht aus (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 28. 10. 2013, Az. 10 CE 13.2257; juris).
Darüber hinaus entsprechen weder die nervenärztlichen Atteste des Facharztes für Allgemeinmedizin ... vom 29. Oktober 2015, 26. November 2015 und 21. Dezember 2015, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18. Dezember 2015, die Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 14. Januar 2016 noch die ärztliche Stellungnahme der Nervenärzte ... vom 12. Januar 2016 bzw. deren Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 13. Januar 2016, und ebenfalls nicht die ärztliche Stellungnahme der Gemeinschaftspraxis ... ... vom 3. November 2015 den formalen Anforderungen des BVerwG an die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (BVerwG, Urteil v. 11. 9. 2007, Az. 10 C 8.07https://b...de/?typ...). Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes und seiner vielfältigen Symptomatik gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer solchen Erkrankung die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf geben (Medikation und Therapie). Wird das Vorliegen der posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatische Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise im Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Krankheit nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1995, Az. 1 B 205.93 und Urteil vom 11.09.2007, a. a. O.).
Die ärztlichen Stellungnahmen des Facharztes für Allgemeinmedizin ... entsprechen schon deshalb nicht den Vorgaben des BVerwG, weil die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung nur als Verdacht diagnostiziert wurde. Zudem geht kein Attest darauf ein, welche Behandlung und Therapie erforderlich ist und mit welcher Dauer der Behandlung zu rechnen ist. Insbesondere finden sich keine substantiierten und konkreten Angaben darüber, ob die vom Kläger geklagten Beschwerden durch die vom Arzt erhobenen Befunde bestätigt werden. Auch das nervenärztliche Attest vom 12. Januar 2016 spricht allein von einem Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung.
Der diffuse Krankheitszustand des Klägers zu 1) zeigt sich auch darin, dass er momentan sich aufgrund der Angaben seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2), in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2016 im Krankenhaus befinde, jedoch nicht wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Depression, sondern weil es ihm am 14. Januar 2016 mittags schlecht gegangen sei, er unter Kopfschmerzen gelitten habe und der Facharzt für Allgemeinmedizin zunächst einen hohen Blutdruck festgestellt habe. Zudem wurden in dem Klageschriftsatz und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 08. Oktober 2015 durch die vormaligen Prozessvertreter der Kläger noch keinerlei gesundheitliche Beschwerden oder Beeinträchtigungen des Klägers zu 1) vorgetragen, sondern nur allgemein auf seine persönliche Gefährdungslage in der Ukraine Bezug genommen. Der Kläger zu 1) konnte dem Gericht auch nicht glaubhaft darstellen, warum er die vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen aufgrund der nach seiner Schilderung traumatischen Erlebnisse in der Heimat nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Klageverfahren geltend gemacht hat.
Außerdem ergeben sich aus den ärztlichen Stellungnahmen keine Hinweise darauf, warum die als erforderlich angesehene psychiatrische Behandlung nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen könne und nicht auch in Polen möglich sei. Es wurde nicht substantiiert glaubhaft gemacht, dass allein durch die Überstellung nach Ungarn eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands eintreten würde.
Unabhängig davon ist das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen überzeugt, dass der Kläger zu 1) auch in Polen die erforderliche Behandlung seiner Erkrankung erlangen kann. Danach ist die medizinische Notfallversorgung auch für Rückkehrer gesichert. Hierzu wird auf die oben bereits getroffenen Ausführungen hinsichtlich der medizinischen Versorgung in Polen Bezug genommen.
Darüber hinaus ist die Beklagte verpflichtet, effektive Schutzmaßnahmen zugunsten des Klägers zu 1) zu ergreifen. Die mit dem Vollzug der Abschiebung betraute Behörde muss von Amts wegen in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung tatsächliche Vollstreckungshindernisse beachten und gegebenenfalls durch ein vorübergehendes Absehen von der Abschiebung oder durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung der Abschiebung abwehren (BVerfG, B. v. 26. 2. 1998 - Az. 2 BvR 185/98). Das Gericht geht davon aus, dass dies beachtet wird.
Gem. RL 2013/33/EU berücksichtigen die Mitgliedsstaaten in dem einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung der Richtlinie die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie z. B. Personen mit psychischen Störungen. Art. 31 und 32 der VO (EG) Nr. 604/2013 sehen vor, dass der überstellende Mitgliedstaat dem zuständigen Mitgliedstaat die personenbezogenen Daten und die Gesundheitsdaten übermittelt, um es den zuständigen Behörden im zuständigen Mitgliedsstaat gemäß dem innerstaatlichen Recht zu ermöglichen, diese Person in geeigneter Weise zu unterstützen - unter anderem die zum Schutz ihrer lebenswichtigen Interessen unmittelbar notwendige medizinische Versorgung zu leisten - und um die Kontinuität des Schutzes und der Rechte sicherzustellen, die die Verordnung und andere einschlägige Bestimmungen des Asylrechts bieten. Dem Zielstaat wird daher im Vorfeld der Rückführung bei Vereinbarung eines Überstellungstermins mitgeteilt, wenn eine Person unmittelbar nach der Ankunft in ärztliche Hände übergeben werden soll. So wird es auch im Fall des Klägers zu 1) erfolgen.
In der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2016 wurden auch hinsichtlich der Klägerin zu 2) gesundheitliche Beeinträchtigungen vorgetragen.
Diese pauschalen, unkonkreten Ausführungen des Gesundheitszustandes der Klägerin zu 2) in dem nervenärztlichen Attest der Praxis ..., vom 12. Januar 2016 führen nicht einmal im Ansatz zur Begründung einer vorliegenden Reise- bzw. Transportunfähigkeit. Auch sie ist hinsichtlich ihrer Beschwerden auf die ausreichende medizinische Versorgung mit Ärzten und Fachärzten in Polen zu verweisen. Auf die obigen Hinweise zu der medizinischen Versorgungsmöglichkeit für Asylbewerber und Rückkehrern in Polen wird Bezug genommen.
3. Die in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2016 hilfsweise gestellten Beweisanträge der Klägervertreterin aus dem Schriftsatz in dem Verfahren AN 14 S 15.50449 vom 6. November 2015 werden mangels Substantiierung abgelehnt.
Zur Substanziierung eines Sachverständigenbeweisantrags, der das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung zum Gegenstand hat, gehört nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007, a. a. O.) regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Wie bereits oben umfassend ausgeführt, genügen die zahlreichen ärztlichen Atteste, Stellungnahmen und Verordnungen nicht diesen Mindestanforderungen. Aufgrund fehlender Substantiierung ist daher der erste Beweisantrag abzulehnen. Weder wurde eine eindeutige Diagnose durch die Fachärzte erstellt noch wurde eine konkrete Befunderhebung durch die Ärzte geschildert. Der Kläger zu 1) konnte nicht glaubhaft und substantiiert vortragen, warum er erst zu einem späteren Zeitpunkt seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgetragen hat.
Auch der zweite, bedingt gestellte Beweisantrag ist als unschlüssig, unsubstantiiert und als Beweiserforschungsantrag abzulehnen. Es sind bereits die Umstände nicht nachgewiesen, dass tatsächlich eine Erkrankung des Klägers zu 1) mit ärztlicher Behandlungsbedürftigkeit vorliegt, so dass zum jetzigen Verfahrenszeitpunkt auch nicht eine Auskunft von Amnesty International bzw. nachrangig von einer anderen fachinformierten Auskunftsstelle einzuholen ist. Darüber hinaus wurde bereits in der von der Association for Legal Intervention und von der Helsinki Foundation for Human Rights im Jahre 2013 publizierten Studie „Migration is not a crime - Report on the Monitoring of Guarded Centres for foreigners“ umfassend die medizinische Versorgung in den polnischen Aufnahmeeinrichtungen belegt. Ebenso aus dem „National Country Report: Poland“ von 2013 der vom Europäischen Flüchtlingsrat getragenen „...“- Datenbank, aus der zu entnehmen ist, dass eine kostenlose medizinische Versorgung Asylsuchender grundsätzlich gewährleistet ist. Es wurde von Klägerseite nicht substantiiert dargelegt, warum zusätzlich noch eine Auskunft der Amnesty International oder einer anderen Auskunftsstelle eingeholt werden sollte und welche Erkenntnisse hieraus gewonnen werden könnten, die zum einen entscheidungserheblich sind und sich nicht bereits aus den dargestellten Erkenntnisquellen ergeben.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin ... wird abgelehnt.
Gründe:
Mangels Erfolgsaussichten der Hauptsache ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin ... abzulehnen (§ 166 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
Tenor
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
- 1
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Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.
- 2
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1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH
, Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).
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2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.
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a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.
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b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.
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Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).
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1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH
, Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.
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2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).
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3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).
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a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).
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Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).
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b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).
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Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).
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c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.
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Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung
Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. September 2014 geändert.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. Oktober 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 nach Melilla in Spanien, wo er am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 14. Januar 2013 beantragte er unter dem Namen U. E. in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Den Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) durch Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.
3Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 7. Juni 2013 – unter dem im Rubrum angegebenen Namen – Asyl. Ausweislich seiner eigenen Mitteilung und der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013 war der Kläger zuvor in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden. Das Bundesamt richtete am 29. August 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Spanien. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
4Durch Bescheid vom 4. Oktober 2013 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziff. 2). Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Spanien auf Grund der dort erfolgten illegalen Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei.
5Am 25. Oktober 2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben.
6Der zugleich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 7. Januar 2014 abgelehnt (13 L 2168/13.A). Auf den weiteren, unter dem 18. März 2014 gestellten Antrag des Klägers gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ordnete das Verwaltungsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 24. März 2014 (13 L 644/14.A) mit der Begründung die aufschiebende Wirkung an, die sechsmonatige Überstellungsfrist sei abgelaufen.
7Zur Klagebegründung hat der Kläger ausgeführt: In Spanien werde kein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt. Ihm sei dort die Asylantragstellung verweigert worden. Zudem sei die Überstellungsfrist abgelaufen. Hierauf könne er sich auch berufen. Ihm werde sein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens abgesprochen, hielte sich Spanien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr für zuständig. Ob die spanischen Behörden sich noch an ihre Zustimmung gebunden fühlten, sei völlig offen.
8Der Kläger hat beantragt,
9den Bescheid des Bundesamts vom 4. Oktober 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung hat sie auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die Überstellungsfrist mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2014 neu zu laufen begonnen habe bzw. auf Grund des gemäß § 80 Abs. 7 VwGO erlassenen Eilbeschlusses vom 24. März 2014 bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens ausgesetzt sei.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. September 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige, insbesondere statthafte Anfechtungsklage sei unbegründet. Nach den anwendbaren Vorschriften der Dublin II-VO sei Spanien für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig. Die Zuständigkeit sei nicht nach Maßgabe der Art. 16 ff. Dublin II-VO auf Deutschland übergegangen. Die Überstellungsfrist des Art. 19 Abs. 3 Uabs. 1 Dublin II-VO sei noch nicht abgelaufen. Weil durch Beschluss vom 24. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden sei, beginne sie erst zu laufen, nachdem das Gericht in der Hauptsache entschieden habe. Selbst wenn man auf die Sechsmonatsfrist ab Annahme des Aufnahmegesuchs abstelle, könne sich der Kläger hierauf jedenfalls nicht berufen. Ein Verstoß gegen die Fristenregelungen der Dublin II-VO verletze nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts keine subjektiven Rechte der Asylbewerber. Zudem sei es dem Asylbewerber unbenommen, sich freiwillig beim anderen Mitgliedstaat zu melden, weil die Überstellung auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen könne. Habe er es selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolge und dass sie erfolge, könne er sich nach § 242 BGB nicht auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland berufen. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO Gebrauch zu machen. Von einer unangemessenen Verfahrensdauer könne nicht ausgegangen werden. Es lägen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestünden.
14Mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2014 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zugelassen und auf Antrag des Klägers die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 4. Oktober 2013 angeordnet (11 B 1338/14.A).
15Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus: Die Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Spaniens zum Übernahmeersuchen am 17. September 2013 sei am 17. März 2014 abgelaufen. Durch die Stattgabe des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO habe die bereits abgelaufene Überstellungsfrist nicht wieder neu zu laufen begonnen. Aus der Dublin II-VO ergebe sich keine Rechtsgrundlage, wonach eine Rückübertragung der Zuständigkeit auf Spanien erfolgen könne. Der Kläger könne sich auch auf den Ablauf der Frist berufen. Die EuGH-Entscheidung Abdullahi beziehe sich lediglich auf die Anwendung der in Kapitel III der Dublin II-VO genannten Zuständigkeitskriterien, nicht jedoch auf den nachfolgend geregelten Ablauf der Überstellungsfrist und die dies mit Sanktionscharakter ausfüllenden Vorschriften des Kapitels V der Verordnung. Bestehe keine Übernahmebereitschaft Spaniens, wäre dem Kläger das unstreitig bestehende subjektive Recht auf Zugang zu einem Asylverfahren genommen, könnte er sich nicht auf den Fristablauf berufen. Zudem räume die Dublin II-VO zumindest in bestimmten Punkten, etwa der Mitteilung von Daten, subjektive Rechte ein. Eine Beschränkung der Einwände des Asylbewerbers auf die Prüfung systemischer Mängel in einem Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen könne nur dann angenommen werden, wenn de facto ein anderer Mitgliedstaat im Zeitpunkt dieser Prüfung eigentlich noch zuständig wäre. Sei Deutschland wegen Fristablaufs zuständig, ergebe sich aus Art. 16a GG bzw. dem Asylverfahrensgesetz ein einklagbarer Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens.
16Der Kläger beantragt,
17das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. September 2014 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Zur Begründung verweist sie auf das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend trägt sie vor: Asylbewerber könnten sich nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen. Ein Asylbewerber habe kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat sei oder ob durch Zeitablauf Deutschland zuständig geworden sei. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Spanien eine Überstellung bereits endgültig abgelehnt habe. Zwar lehnten die Mitgliedstaaten Rechtsmittelmeldungen nach Ablauf der Überstellungsfrist ab, jedoch könne im besonderen Einzelfall durchaus auch ein Einlenken des Mitgliedstaats erzielt werden.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Gerichtsakten der Eilverfahren sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sie ist zulässig und begründet.
24A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig.
25Die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2013, mit dem der Asylantrag des Klägers wegen fehlender Zuständigkeit der Beklagten als unzulässig abgelehnt worden ist, ist statthaft.
26Einer auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungs- oder allgemeinen Leistungsklage bedarf es nicht. Dieser fehlte schon das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Bundesamt, wenn es zuständig ist, den Asylantrag von Amts wegen sachlich prüfen muss, und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es hier nach Aufhebung der Verfügung untätig bleiben würde.
27Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 31; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18.
28Auch eine Verpflichtungsklage, die auf das Ziel gerichtet ist, als Asylberechtigter anerkannt zu werden, die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz zuerkannt oder nationale Abschiebungsverbote festgestellt zu bekommen, scheidet aus.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 28 ff., Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 20; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628, und Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 6; Hamb. OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 Bf 208/14.AZ -, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 -, AuAS 2014, 273; OVG Saarl., Beschluss vom 12. September 2014 - 2 A 191/14 -, juris, Rn. 11; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, InfAuslR 2014, 293 = juris, Rn. 18; OVG S.-A., Urteil vom 2. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris, Rn. 21.
30Wird der Asylantrag unter Verweis auf die fehlende Zuständigkeit nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, hat das Bundesamt ihn in der Sache noch gar nicht geprüft. Die Zuständigkeitsprüfung und die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens sind unterschiedliche, voneinander getrennte Verfahren. Die Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat ist der materiell-rechtlichen Prüfung, ob ein Anspruch auf Asylanerkennung oder Gewährung eines anderen Schutzstatus besteht, vorgelagert. Die Verwaltungsgerichte haben deshalb das Asylbegehren auch nicht in der Sache spruchreif zu machen.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 34 ff., Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 11.
32Andernfalls ginge dem Asylbewerber eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien (vgl. insbesondere §§ 24, 25 AsylVfG) ausgestattet ist.
33Ferner muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des EuGH zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, zu ersuchen. Ist die Überstellung in den ursprünglich nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) als zuständig bestimmten Mitgliedstaat etwa wegen systemischer Mängel nicht möglich, hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob danach ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
34Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 95 f., und vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 32 f.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 29 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18.
35Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Gericht im Asylrechtsstreit die Sache spruchreif zu machen hat, wenn ein Asylfolgeantrag nach § 71 AsylVfG vorliegt. Im Asylfolgeverfahren kann nicht lediglich isoliert auf "Wiederaufgreifen" geklagt werden, weil der rechtserhebliche Aspekt, ob das bestandskräftig abgeschlossene Asylverfahren wieder aufgenommen werden muss, lediglich die (Vor-)Frage nach der Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids als notwendige Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Asyl, nicht aber einen selbstständig neben diesem stehenden einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch betrifft.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 -, BVerwGE 106, 171 = juris, Rn. 10.
37Diese Erwägungen sind auf die hier gegenständliche Entscheidung nach § 27a AsylVfG nicht übertragbar. In diesem Verfahren steht weder die Frage im Streit, ob ein bestandskräftig abgeschlossenes Asylverfahren wieder aufgenommen werden muss, noch ob ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht. Vielmehr geht es, wie ausgeführt, um die der materiell-rechtlichen Prüfung des Asylantrags vorgelagerte Frage der Zuständigkeit.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 3; siehe auch BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 13, S. 3 = juris, Rn. 14 zur Anfechtungsklage für den Fall einer Verfahrenseinstellung nach den §§ 32, 33 AsylVfG.
39B. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 4. Oktober 2013 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
40I. Ziffer 1 des Bescheids ist rechtswidrig, weil der Asylantrag im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entscheidungserheblich ist, nicht gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Hier ist aber entgegen der Auffassung des Bundesamts nach der Dublin II-VO nicht Spanien, sondern Deutschland für die sachliche Prüfung und Entscheidung des Asylantrags zuständig (1.). Darauf kann sich der Kläger auch berufen (2.).
411. Die Zuständigkeit Deutschlands ergibt sich aus der Dublin II-VO. Diese ist ungeachtet des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und des Umstands anwendbar, dass sie durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ersetzt worden ist. Nach Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO, wenn der Asylantrag vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist. Das ist hier der Fall. Der Kläger hat sein hier maßgebliches Schutzgesuch am 7. Juni 2013 angebracht. Es kann offen bleiben, ob nach Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO, wonach die Verordnung ab dem 1. Januar 2014 – ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung – für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern gilt, auch bei vor dem 1. Januar 2014 gestellten Asylanträgen für das Überstellungsverfahren die Dublin III-VO gilt, wenn das Übernahmeersuchen nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde.
42Denn hier lagen auch das Aufnahmeersuchen und dessen Annahme vor dem 1. Januar 2014. Ferner spricht alles dafür, dass nach Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO nicht nur die Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, sondern auch diejenigen des Kapitels V der Dublin II-VO fortgelten.
43Vgl. zum Ganzen Bergmann, ZAR 2015, 81 (83); Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 27a Rn. 3.
44Die zunächst bestehende Zuständigkeit Spaniens (a.) ist wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf Deutschland übergegangen (b.).
45a. Der zuständige Mitgliedstaat bestimmt sich auf der Grundlage der in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien, zunächst nach dem Kapitel III.
46aa. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO war ursprünglich Spanien zuständig. Danach gilt: Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Hier erfolgte der erstmalige illegale Grenzübertritt zu einem EU-Mitgliedstaat in Spanien. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
47bb. Die Zuständigkeit Spaniens ist nicht nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO entfallen. Danach endet die Zuständigkeit zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
48Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO greift nur dann ein, wenn die Frist bereits bei erstmaliger Stellung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat abgelaufen ist.
49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 47.
50Diese Auslegung ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, wonach bei der Bestimmung des nach den in Kapitel III bestimmten Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Das geschah hier am 14. Januar 2013 (mit einem Alias-Namen) sowie nach erneuter Einreise nach Deutschland von Spanien aus am 7. Juni 2013 und damit innerhalb der Jahresfrist seit der erstmaligen illegalen Einreise nach Spanien im Oktober 2012.
51Selbst wenn man aber nicht auf den Asylantrag, sondern auf den spätesten Zeitpunkt des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens, den Abschluss durch die Aufnahmeerklärung Spaniens am 17. September 2013, abstellt, waren zwölf Monate nicht verstrichen. Ein noch späterer Zeitpunkt kommt hingegen nicht in Betracht. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt die in Kapitel III der Verordnung normierte Frist nur für das in diesem Kapitel geregelte Zuständigkeitsbestimmungsverfahren (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), berechtigt also nur einen Mitgliedstaat - hier: Spanien -, das an ihn gerichtete (Wieder‑) Aufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaats - hier: Deutschland – abzulehnen, wenn der Grenzübertritt länger als zwölf Monate zurückliegt. Nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung nach Kapitel III hingegen – die im Kapitel V in Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO geregelte Mitteilung an den Asylbewerber gehört nicht dazu – kann die Zuständigkeit hingegen nicht mehr nach einer dort geregelten Vorschrift, sondern allenfalls nach Kapitel V entfallen.
52b. Die Zuständigkeit ist aber nach Kapitel V der Dublin II-VO auf die Beklagte übergegangen.
53aa. Dies ergibt sich allerdings nicht aus Art. 17 Abs. 1 Uabs. 2 Dublin II-VO. Danach gilt: Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig. Das Bundesamt hat hier gemäß Art. 17 Abs. 1 Uabs. 1 Dublin II-VO innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags Spanien ersucht, den Kläger aufzunehmen. Der Kläger hat am 7. Juni 2013 Asyl beantragt, das Aufnahmeersuchen datiert vom 29. August 2013.
54bb. Die Beklagte ist aber gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO zuständig geworden. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
55(1) Die 6-Monats-Frist des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO ist am 17. März 2014 abgelaufen. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 - fristgerecht innerhalb von zwei Monaten (vgl. Art. 18 Abs. 1, 7 Dublin II-VO) - ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags und nahmen damit den Antrag auf Aufnahme des Klägers an. Da die Überstellung binnen dieser Frist nicht durchgeführt worden ist, ist die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf die Beklagte als den Staat übergegangen, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Fristverlängerungen nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO scheiden hier aus.
56(2) Die Überstellungsfrist verlängert sich nicht um die Dauer des erfolglosen ersten gerichtlichen Eilverfahrens und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz führt auch nicht zum erneuten Beginn der 6-Monats-Frist ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags durch das Gericht. Der Antrag des Klägers vom 25. Oktober 2013, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A - abgelehnt. Das erfolglose Eilverfahren wirkt sich auf die Dauer der Überstellungsfrist nicht aus.
57Die Dublin II-VO sieht weder eine Unterbrechung oder Hemmung (§ 209 BGB entsprechend),
58so VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris,
59noch, wovon das Bundesamt ausgeht, einen Neubeginn der Frist in solchen Fällen vor. Dies lässt sich ihr auch nicht im Wege der Auslegung entnehmen.
60Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO bestimmt eine Frist von sechs Monaten ab Annahme des Aufnahmegesuchs. Nur wenn ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, gilt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Dublin II-VO eine abweichende Frist von sechs Monaten ab der Entscheidung über diesen Rechtsbehelf. Entscheidung über den Rechtsbehelf in diesem Sinne ist aber nicht der Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, sondern – die Fortdauer der Aussetzung der Vollziehung vorausgesetzt – die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Klage gegen die Überstellungsentscheidung im Hauptsacheverfahren.
61Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - Rs. C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53 ff., Beschlüsse vom 8. Mai 2014 - 13 A 827/14.A -, juris, Rn. 5 und vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, AuAS 2014, 237 = juris, Rn. 5.
62Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung. Dem Rechtsbehelf selbst muss aufschiebende Wirkung zukommen. Dies trifft - auch nach dem Unionsrecht - nur auf einen Rechtsbehelf zu, mit dem über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung und ihren Bestand (abschließend) entschieden wird. Mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht die Aufhebung der behördlichen Entscheidung, sondern nur die Aussetzung des Vollzugs erreicht werden. Zudem vermag nicht die Antragstellung, sondern nur die stattgebende gerichtliche Entscheidung die aufschiebende Wirkung herbeizuführen, deren Endpunkt die Hauptsacheentscheidung ist.
63Diese Überlegungen werden durch die Systematik der Dublin II-VO bestätigt. Gegenstand des Rechtsbehelfs ist die Entscheidung des Beklagten nach Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Antragsteller an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen. Nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II-VO kann gegen diese Entscheidung ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Dass dies allein die Klage, nicht aber der Antrag auf Aussetzung sein kann, zeigt vor allem Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO. Danach hat der gegen die Überstellungsentscheidung eingelegte Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders. An diese Vorgaben, die der Sache nach zwischen dem Hauptsache- und dem Aussetzungsverfahren trennen, knüpft der folgende Absatz 3 des Art. 19 Dublin II-VO an, indem er die Frist nur dann erst mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf beginnen lässt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wenn er also - so lässt sich mit Blick auf Absatz 2 präzisieren - im Einzelfall aufgrund einer Entscheidung der Gerichte oder zuständigen Stellen nach Maßgabe des mitgliedstaatlichen Rechts aufschiebende Wirkung hat. Dem entspricht das nationale Recht. Ein Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt, ist nach § 80 Abs. 1 VwGO - neben dem Widerspruch - nur die Klage. Die Klage gegen die Überstellungsentscheidung des Bundesamts hat - unionsrechtskonform - aber nach § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, diese wird gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 gültigen Fassung im Einzelfall durch das Gericht angeordnet.
64Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 7 ff.
65Bei dieser Ausgangslage rechtfertigt allein der Sinn und Zweck der Überstellungsfrist, den Mitgliedstaaten Zeit zu geben, um die (technischen) Modalitäten der Durchführung der Überstellung zu regeln, wofür grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen,
66vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 ‑ Rs. C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495,
67keine andere Auslegung des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO.
68Auch § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG führt jedenfalls bei der Dublin II-VO nicht dazu, dass der Lauf der Überstellungsfrist gehemmt wird oder diese erst oder erneut mit der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu laufen beginnt.
69Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 15 ff.; a. A. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. August 2014 ‑ A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 36 ff., und vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28; Funke- Kaiser, in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rn. 227 f.
70Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Damit wird aber weder eine aufschiebende Wirkung der Klage begründet noch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu einem Rechtsbehelf im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO, sondern lediglich vorübergehend die Vollziehung der Überstellungsentscheidung durch die Ausländerbehörde gehemmt. Die Anordnung eines Vollziehungshindernisses durch den nationalen Gesetzgeber kann ferner deshalb nicht mit der vorläufigen Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsanordnung durch gerichtlichen Eilbeschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO gleichgesetzt werden, weil dies den unmittelbar geltenden Vorgaben der Dublin II-VO zuwider liefe. Wie bereits ausgeführt, verankert Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, ferner das Erfordernis einer gerichtlichen oder behördlichen, konkret-individuellen Anordnung. Dem liegt der Beschleunigungsgedanke zugrunde, der auch Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO ist. Im Übrigen beruht der Umstand, dass aufgrund des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG bei Stellung eines Eilantrags der Ausländerbehörde nicht die vollen sechs Monate für die Organisation der Überstellung zur Verfügung stehen mögen, sondern diese sich um die Dauer des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens verkürzen können, auf einer Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die durch die Dublin II-VO nicht vorgegeben ist. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) ist § 34a Abs. 2 AsylVfG bereits mit Wirkung vom 6. September 2013 geändert worden, obwohl zu dem Zeitpunkt noch die Dublin II-VO anwendbar war. Die Vorgabe des Art. 27 Abs. 3 lit. c Satz 2 Dublin III-VO, wonach die Überstellung auszusetzen ist, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ihrer Durchführung ergangen ist, ist erst ab dem 1. Januar 2014 anwendbar.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 15 ff.
72(3) Die Überstellungsfrist läuft hier auch nicht gemäß Art. 19 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Dublin II-VO deshalb erst sechs Monate nach der Entscheidung über die vorliegende Klage ab, weil das Verwaltungsgericht im (zweiten) Eilverfahren mit Beschluss vom 24. März 2014 -13 L 644/14.A - die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat. In diesem Zeitpunkt – und schon bei Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO durch den Kläger – war, wie ausgeführt, die Überstellungsfrist nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO abgelaufen. Dies war auch der Grund für die stattgebende Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts.
73Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehen die beiden Alternativen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO nicht selbstständig nebeneinander, sondern schließen sich im folgenden Sinne aus: Ist Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO einschlägig, weil kein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, und ist diese Frist abgelaufen, kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dadurch eine neue Frist nach der 2. Alternative der Vorschrift in Lauf gesetzt werden, dass danach (in der Regel gerade wegen des Fristablaufs) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet wird.
74Dies ergibt sich nicht nur aus dem oben dargelegten Normgefüge des Art. 19 Abs. 2 und 3 Dublin II-VO, sondern vor allem aus der in Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO geregelten Rechtsfolge, die sich aus dem Ablauf der Überstellungsfrist ergibt. Danach geht mit Ablauf der Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. In Anwendung dieser Vorschrift ist am 17. März 2014 die Beklagte zuständig geworden. Die Dublin II-VO enthält aber keine Bestimmung, nach der die Zuständigkeit wieder an den ursprünglich zuständigen Staat – hier Spanien – zurückfallen kann. Dann kann auch keine neue Frist für die Überstellung in den „zuständigen“ Mitgliedstaat nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO zu laufen beginnen. Überdies widerspräche ein erneuter Fristlauf dem Beschleunigungszweck der Dublin II-VO.
752. Der Kläger kann sich auf die Zuständigkeit der Beklagten auch berufen.
76Die Fristregelungen der Dublin II-VO begründen zwar für sich genommen keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers (a.). Der Kläger hat aber aus dem materiellen Asylrecht einen Anspruch darauf, dass die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO zuständige Bundesrepublik Deutschland das Asylverfahren durchführt (b.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass der andere Mitgliedstaat den Asylbewerber aufnehmen und das Asylverfahren durchführen wird; das ist hier aber nicht der Fall (c.). Die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit ausgeschlossen (d.).
77a. Die Vorschriften über die Überstellungsfrist, Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO, und die an ihren Ablauf geknüpfte Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO, begründen ebenso wie Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO und die sonstigen Fristregelungen keine einklagbaren subjektiven Rechte der Asylbewerber.
78Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO); BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO), vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), und vom 19. März 2014 ‑ 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 5 ff. (für Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO); Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37; Hess. VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, InfAuslR 2014, 457 -, juris, Rn. 15; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris, Rn. 33; Bergmann, ZAR 2015, 81 (84); Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 196.1 (für die Aufnahmeersuchensfrist) und Rn. 234 (für die Überstellungsfrist); Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 65 (allg. für Fristen); a. A. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 46 f. (für Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO); VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 47 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. August 2015 - 18a L 1441/15.A -, juris, Rn. 19 ff. (für Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO); wohl auch Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 27a Rn. 14 f.
79Der Asylbewerber hat kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO auch zuständige Mitgliedstaat ist oder ob nicht zwischenzeitlich ein anderer Mitgliedstaat zuständig geworden ist.
80Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
81Die Normen der Dublin II-VO gelten zwar allgemein (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV). Die unmittelbare Wirkung des Rechtsakts bedeutet jedoch nicht automatisch, dass den Asylbewerbern ein subjektives Recht auf Einhaltung und Beachtung der zuständigkeitsbegründenden Vorschriften eingeräumt wäre. Aus der gewählten Handlungsform folgt allein die Möglichkeit einer Individualberechtigung.
82Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 91.
83Die Dublin II-VO regelt nach ihrem Inhalt und Zweck die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ordnet damit ihr Zusammenwirken bei der Gewährung von Asyl in der Europäischen Union. Das Dublin-System soll die Behandlung von Asylanträgen rationalisieren, das „forum shopping“ verhindern und eine Lastenverteilung unter den Mitgliedstaaten bewirken. Wie aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Dublin II-VO hervorgeht, soll eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden.
84Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 59, vom 6. November 2012 - Rs. C-245/11 -, juris, Rn. 49, und vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 79, 84; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 34 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5.
85Insbesondere die Fristbestimmungen dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen. Zwar liegt dieser Beschleunigungszweck nicht nur im Interesse der teilnehmenden Staaten, sondern auch im Interesse der Asylbewerber.
86Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 53, und vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn.79.
87Sie haben aber grundsätzlich keinen Anspruch auf Prüfung ihres Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat. Das unionsrechtlich geregelte System der Zuständigkeitsverteilung für die Entscheidung über Asylanträge beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen. Ist ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit, kann der Asylbewerber seiner Überstellung nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden.
88Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6, und vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 6 ff.
89Die zwischenstaatliche Konzeption des Zuständigkeitssystems schließt es zwar nicht aus, dass einzelne Vorschriften der Verordnung subjektive Rechte beinhalten.
90Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 63 ff.
91Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen gilt dies aber nicht für Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO. Allein der Beschleunigungszweck rechtfertigt – auch unter Berücksichtigung des Rechts auf eine gute Verwaltung aus Art. 41 GR-Charta – nicht die Annahme, diese Vorschriften seien derart grundrechtlich aufgeladen, dass sie im objektiv-rechtlichen Dublin-System dazu bestimmt sind, die Rechte Einzelner zu schützen.
92b. Der Kläger hat aber aus den materiell-rechtlichen Asylbestimmungen einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüft.
93aa. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus dem materiellen Recht, das Ausländern einen Anspruch auf Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG), Flüchtlingsschutz (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylVfG), subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG) sowie nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) gewährt. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens ist notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs. Wird die Beklagte wegen Ablaufs der Überstellungsfrist zuständig zur Prüfung des Antrags, muss sie das Asylverfahren aufnehmen.
94Der sachliche Prüfungsanspruch folgt zunächst unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG. Die – möglicherweise bestehende – Asylberechtigung löst eine Pflicht der zuständigen deutschen Behörden aus, den Antrag zu überprüfen.
95Vgl. Becker, in: Mangold/Klein/Starck, GG, 6. Auflage 2010, Art. 16a, Rn. 27.
96Um die Inanspruchnahme des Grundrechts zu ermöglichen, muss sich der Asylbewerber auf dieses Recht berufen, also eine Prüfung in der Sache verlangen können.
97Dem steht auch Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht entgegen. Danach kann sich auf Absatz 1 nicht berufen, wer aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Der Kläger ist hier u. a. über Spanien nach Deutschland eingereist. Die Vorwirkungen des Art. 16a Abs. 1 GG sind aber nicht davon abhängig, dass ein Asylanspruch besteht. Das Recht, dass der Asylantrag geprüft wird, besteht unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Schutzgewährung. Im Übrigen gilt: Ist Deutschland unionsrechtlich zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens, darf dies nicht durch einen grundgesetzlich angeordneten Ausschlussgrund im Sinne einer abdrängenden, negativen Zuständigkeitsbestimmung ausgehöhlt werden. Dementsprechend bestimmt § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG, dass der Schutzbereichsausschluss nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der EU für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ob – und inwieweit – Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG deshalb oder wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts oder nach Art. 16a Abs. 5 GG unanwendbar ist, kann hier offen bleiben.
98Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 27. April 2015 - 9 A 1380/12.A -, juris; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 226 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 8 f.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, Rn. 33.
99Darüber hinaus gilt: Verleiht das einfache materielle Recht in Deutschland – hier: das Aufenthalts- und das Asylverfahrensgesetz – eine subjektiv-öffentliche Anspruchsberechtigung, so besteht für jeden potentiell Berechtigten zugleich ein Anspruch auf das Handeln der zuständigen Behörde. Die Zuständigkeit ist eine zwingende Voraussetzung der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit des Handelns einer Behörde und Anspruchsvoraussetzung für antragsgemäßes Verwaltungshandeln.
100Vgl. OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11. A -, juris, Rn. 24.
101Ist der Antrag zulässig und die Behörde zuständig, muss diese über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts sachlich entscheiden (s. auch § 75 VwGO).
102Dieser Prüfungsanspruch gilt auch für den Asylantrag, der nach § 13 AsylVfG nicht nur die Anerkennung als Asylberechtigter, sondern auch die Zuerkennung internationalen Schutzes beinhaltet. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung des Schutzgesuchs durch die Beklagte liegt nicht nur den Regelungen zum Asylantrag in §§ 13, 14 AsylVfG zugrunde, sondern auch § 24 AsylVfG, der im Einzelnen die Pflichten des Bundesamts im Asylverfahren bestimmt, und § 31 AsylVfG, der die Entscheidung des Bundesamts über Asylanträge regelt. Die Prüfung der Schutzgesuche darf nach §§ 27a, 34a AsylVfG nur abgelehnt werden, wenn ein anderer Staat nach Unions- oder Völkerrecht zuständig ist.
103Vgl. VG Düsseldorf, Urteile vom 23. März 2015 ‑ 22 K 4141/14.A -, InfAuslR 2015, 154 = juris, Rn. 35, und vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 27, 43.
104Diese Vorschriften setzen damit einen Anspruch auf Entscheidung durch das Bundesamt im Falle seiner Zuständigkeit voraus. Ergeht eine Entscheidung über den Asylantrag nicht innerhalb von sechs Monaten, hat das Bundesamt dem Ausländer gem. § 34 Abs. 4 AsylVfG auf Antrag mitzuteilen, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden wird. § 31 Abs. 6 AsylVfG verpflichtet das Bundesamt im Falle einer Ablehnung des Asylantrags nach § 27a AsylVfG, den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu benennen.
105bb. Die Annahme eines Prüfungsanspruchs und damit des Rechts, sich auf die nach der Dublin II-VO bestehende Zuständigkeit Deutschlands berufen zu können, entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben.
106Auch nach Unionsrecht müssen Asylbewerber Zugang zu wirksamen Asylverfahren haben. Die effektive Ausübung des Rechts auf Asyl muss gewährleistet sein.
107Vgl. Grundrechte-Agentur der EU, EGMR, Europarat (Hrsg.): Handbuch zu den europarecht-lichen Grundlagen im Bereich Asyl, Grenzen und Migration (abgerufen von http://fra.europa.eu/sites/default/files/handbook-law-asylum-migration-borders-2nded_de.pdf, 16.9.2015), S. 107; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 38 ff.
108Nach Art. 18 GR-Charta wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Verträge über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet. Art. 19 Abs. 2 GR-Charta gewährt Abschiebungsschutz bei ernsthaften Risiken der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Auch wenn Uneinigkeit darüber besteht, ob Art. 18 GR-Charta ein subjektives, einklagbares Recht vermittelt oder eine bloße objektiv-rechtliche Garantie formuliert,
109vgl. dazu, Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Auflage 2013, Art. 18 Rn. 2, 15, m. w. N.; Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Auflage 2014, Art. 18, Rn. 7, 11, m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 12; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 153 f.
110begründet die Vorschrift jedenfalls ein Recht des Drittstaatsangehörigen auf ein ausreichendes Verfahren zur Feststellung des Status.
111Vgl. Jarass, a. a. O., Art. 18 Rn. 13.
112Nach Art. 78 Abs. 1 AEUV entwickelt die Union eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll (Satz 1). Die Politik muss mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen (Satz 2).
113Auf der Grundlage dieser Vorschrift konkretisiert die Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) in materiell-rechtlicher Hinsicht die Schutzrechte, werden in der Verfahrensrichtlinie (2013/32/EU) Verfahrensrechte der Asylbewerber bei der Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz festgelegt und treffen die Dublin-Verordnungen Zuständigkeitsregelungen. Die Dublin II-VO legt – als ein Schritt auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem – Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates fest (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5). Sie begründet zwar grundsätzlich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, setzt aber solche voraus und dient der effektiven Ausübung des Asylrechts. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird ferner insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss. Das ergibt sich aus Folgendem: Der 15. Erwägungsgrund der Dublin II-VO bestimmt ausdrücklich, sie ziele darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 18 GR-Charta verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.
114Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 15 und 76.
115Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt (Satz 1). Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird (Satz 2). Nach dem 4. Erwägungsgrund der Dublin II-VO dient sie auch dazu, den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten. Dem Zuständigkeitssystem der Dublin II-VO liegt damit die Annahme zugrunde, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglieds- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Lediglich die Prüfung durch einen bestimmten Staat können sie nicht verlangen.
116Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
117Könnte der Asylbewerber sich nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen und wäre nicht gesichert, dass ein anderer Mitgliedstaat das Asylverfahren durchführt (vgl. dazu sogleich), würde er zum sogenannten „refugee in orbit“, dessen Schutzgesuch in keinem Mitgliedstaat geprüft würde.
118Vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2010, Art. 78 AEUV Rn. 21; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 67, 69.
119Dies widerspräche aber dem Grundanliegen des europäischen Asylsystems. Dieses darf nicht so ausgelegt und angewendet werden, dass der Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung seines Schutzgesuchs erhalten könnte und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bliebe.
120Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
121c. Ein Asylbewerber kann, das folgt schon aus den vorstehenden Ausführungen, nur dann nicht die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschlands verlangen, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats feststeht. Das ist hier nicht der Fall.
122aa. Dass einem Asylbewerber die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats entgegengehalten werden kann, folgt aus dem in Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO geregelten Zuständigkeitsübergang, setzt aber auch ein Vorgehen nach dieser Vorschrift voraus. Danach kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Dadurch wird der andere Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Satz 2).
123Erklärt der andere Mitgliedstaat, den Asylbewerber aufzunehmen und das Asylverfahren durchzuführen, obwohl er nach den in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien nicht (mehr) zuständig ist, übt er damit das Selbsteintrittsrecht nach der sogenannten Souveränitätsklausel aus.
124Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO räumt den Mitgliedstaaten ein Ermessen ein, das integraler Bestandteil des vom EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Die Ausübung der Befugnis ist an keine Bedingungen geknüpft; ein Anspruch des Asylbewerbers auf Zuständigkeitsübernahme besteht grundsätzlich nicht.
125Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 65 ff., und vom 30. Mai 2013 - Rs. C-528/11 (Halaf) -, juris, Rn. 36 ff.; siehe zu Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auch EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 28 ff.; OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11.A -, juris, Rn. 34.
126Hiervon ausgehend geht die Zuständigkeit über, wenn ein anderer Mitgliedstaat im Einzelfall seine Bereitschaft erklärt, den Asylbewerber aufzunehmen. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland steht damit unter dem unionsrechtlichen Vorbehalt des Fortbestehens der Zuständigkeit.
127Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 52.
128Dabei reicht bei sachgerechter Auslegung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO eine Erklärung gegenüber dem ersuchenden Mitgliedstaat aus, die die Zusage beinhaltet, den eingereichten Asylantrag zu prüfen. Um den Zuständigkeitsübergang zu bewirken, ist eine ausdrückliche Berufung auf die Souveränitätsklausel ebenso wenig erforderlich wie der Beginn der tatsächlichen Prüfung des Asylantrags. Förmlichkeiten geben weder die Dublin II-VO selbst noch die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1560/2003 vor. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts kann sich auch konkludent aus den Umständen ergeben. Es muss lediglich erkennbar sein, dass der andere Mitgliedstaat im konkreten Einzelfall die Zuständigkeit übernimmt.
129Nicht ausreichend ist die erteilte Zustimmung zur (Wieder-)Aufnahme nach Art. 18 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 lit. b) Dublin II-VO, die mit der Ausübung des Ermessens nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht vergleichbar ist.
130Vgl. dazu auch EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 32.
131Hier hat Spanien nicht von Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch gemacht. Als es am 17. September 2013 dem Aufnahmegesuch stattgegeben hat, war es nach der Dublin II-VO zuständig. Spanien hat aber nach zwischenzeitlichem Ablauf der Überstellungsfrist und daraus resultierendem Zuständigkeitsübergang bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht erklärt, dass seine Übernahmebereitschaft gleichwohl fortbesteht. Es hat in keiner Weise im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO zu erkennen gegeben, dass es den Asylantrag des Klägers auch nach Ablauf der Überstellungsfrist prüfen, mithin die Zuständigkeit übernehmen wird.
132bb. Auch wenn Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht einschlägig wäre, kann dem Asylbewerber nur dann die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands verwehrt werden, wenn positiv feststeht, dass ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit ist. Dies setzt voraus, dass eine Prüfung des Asylgesuchs durch den anderen Mitgliedstaat gewährleistet ist, hierfür also hinreichende Erkenntnisse vorliegen.
133Die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Verstöße gegen die Bestimmungen der Dublin II-VO für sich genommen keine subjektiven Rechte der Asyl-bewerber verletzen und der Asylbewerber der Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann, betrifft sämtlich Fälle, in denen die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats bestand.
134Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C 394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60; BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4, vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12, und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7.
135Da die Dublin II-VO gerade dem Zweck dient, den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (vgl. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 4 der Dublin II-VO), reicht es nicht aus, dass der andere, nicht mehr zuständige Mitgliedstaat der Überstellung nach Fristablauf nicht widersprochen hat bzw. diese nicht endgültig abgelehnt hat und deshalb nicht feststeht, dass die Überstellung nicht durchgeführt werden kann.
136So aber Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
137Ebensowenig genügt es, dass die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist.
138Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 59, und vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28 (allerdings mit dem Zusatz „weil Polen den Fristablauf nicht einwendet“).
139Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit ist, das Asylverfahren durchzuführen.
140Eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige Fakten untermauert wird, kann auch deshalb nicht genügen, weil andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot verletzt würde.
141So auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
142Hier fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Spanien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten – generell oder im Einzelfall – nicht einwendet. Dass Spanien am 17. September 2013 dem Aufnahmeersuchen stattgegeben hat, reicht insoweit nicht aus. Entscheidend ist, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 AsylVfG, und damit auch nach zwischenzeitlichem Ablauf der Überstellungsfrist und dem Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, die Übernahmebereitschaft besteht. Dafür ist, ausgehend von den obigen Maßstäben, nichts ersichtlich. Das Bundesamt hat auf mehrfache gerichtliche Anfrage mit Schriftsatz vom 13. August 2015 lediglich ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten Rechtsmittelmeldungen nach Ablauf der Überstellungsfrist ablehnten. Der Zusatz, im besonderen Einzelfall könne durchaus auch ein Einlenken des Mitgliedstaats erzielt werden, reicht für die Annahme nicht aus, Spanien werde im vorliegenden Fall eine Überstellung akzeptieren. Zuletzt hat das Bundesamt mit Schriftsatz vom 27. August 2015 mitgeteilt, dass derzeit konkrete Anhaltspunkte weder dafür, dass Spanien trotz zwischenzeit-lichen Ablaufs der Überstellungsfrist seine Zuständigkeit bejaht hätte, noch dafür vorlägen, dass Spanien eine Überstellung des Klägers bereits endgültig abgelehnt hätte. Das reicht für die Annahme nicht aus, Spanien werde im vorliegenden Fall eine Überstellung akzeptieren.
143d. Eine andere Betrachtung lässt sich nicht mit der Begründung rechtfertigen, der Asylbewerber könne freiwillig ausreisen und dadurch das Verfahren selbst beschleunigen.
144Zwar geht das Unionsrecht von der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise aus (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1560/2003; Art. 19 Abs. 2 Satz 2, Art. 20 Abs. 1 lit e) Dublin II-VO). Es ist aber schon fraglich, ob dies eine bindende Vorgabe ist, ob das nationale Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehen muss oder ob die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll.
145Vgl. dazu ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 24 ff.
146Auf diese Fragen kommt es aber ebenso wenig an wie darauf, ob der Kläger auch noch gegenwärtig, d. h. nach dem Zuständigkeitsübergang, nach Spanien ausreisen könnte. Es ist jedenfalls keine rechtliche Grundlage dafür ersichtlich, dass er im nicht mehr zuständigen Staat Spanien eine Prüfung seines Asylantrags verlangen kann. Fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Übernahmebereitschaft des anderen Staates auch nach dem Zuständigkeitsübergang auf Deutschland, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Mitgliedstaat im Falle einer freiwilligen Ausreise ein Asylverfahren durchführen wird.
147Auch das Argument des Verwaltungsgerichts, § 242 BGB schließe eine Berufung auf den Zuständigkeitsübergang aus, weil der Asylbewerber vor Ablauf der Überstellungsfrist freiwillig hätte ausreisen können, überzeugt nicht. Dass der Kläger von dem Recht auf freiwillige Ausreise, das im Übrigen im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt ist, keinen Gebrauch gemacht hat, lässt es nicht als treuwidrig erscheinen, von der nach Unionsrecht zuständigen Behörde die Prüfung des Schutzgesuchs zu verlangen.
148So auch VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 82 ff.
149Andernfalls wäre nämlich die materielle Prüfung des Schutzgesuchs nicht gewährleistet und träte damit letztlich ein Rechtsverlust ein. Die Dublin II-VO begründet auch keine Verpflichtung des Asylantragstellers, sich in den nach der Dublin II-VO (ursprünglich) zuständigen Staat zu begeben. Dass gemäß § 50 AufenthG nach allgemeinem nationalem Aufenthaltsrecht eine Ausreisepflicht besteht, ist insoweit unerheblich. Der Zuständigkeitsübergang beruht allein auf dem Ablauf der 6-monatigen Überstellungsfrist, nicht hingegen auf einem Verhalten des Klägers (Nichtausreise), mit dem er sich durch die Berufung auf die Zuständigkeit in Widerspruch setzen könnte. Er ist weder untergetaucht noch hat er anderweitig Überstellungsmaßnahmen verhindert.
1503. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids kann nicht als negative Entscheidung gemäß § 71a AsylVfG über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens aufrechterhalten oder umgedeutet werden – was im Übrigen die fehlende Statthaftigkeit der Anfechtungsklage und die Zulässigkeit (nur) einer Verpflichtungsklage zur Folge hätte.
151Es ist schon nicht ersichtlich, dass ein Zweitantrag vorliegt. Aus den dem Gericht vorliegenden Akten ergibt sich nur, dass der Kläger in Spanien zweimal erkennungsdienstlich behandelt worden ist, nicht aber, dass er einen Asylantrag gestellt hat.
152Abgesehen davon kommt ein Verständnis eines Dublin-Bescheids der vorliegenden Art als Ablehnung eines Antrags auf Wiederaufgreifen ebensowenig in Betracht wie eine entsprechende Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG.
153Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 29, und vom 19. Juni 2015 - 13 A 292/15.A -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 34 f.
154Mit der Entscheidung nach § 27a AsylVfG in dem vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 4. Oktober 2013 wird, wie ausgeführt, lediglich ohne materiell-recht-liche Prüfung die Unzulässigkeit des Asylantrags festgestellt; im Rahmen der Entscheidung nach § 71a AsylVfG findet hingegen, ausgehend von einer Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, eine Prüfung statt, ob das Asylverfahren auf den Zweitantrag wiederaufzugreifen ist und ob, falls Gründe für ein Wiederaufgreifen gegeben sind, ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht.
155Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, Rn. 29, juris.
156Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 71a AsylVfG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, ist im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden.
157Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 41.
158II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Spanien ist nach den obigen Ausführungen für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Im Übrigen stünde auch nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden könnte, weil die Aufnahmebereitschaft Spaniens nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht – wie hiernach erforderlich – positiv feststeht.
159C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
160Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
161Die Revision ist zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen. Die Dublin II-VO ist zwar auslaufendes Recht. Die zentralen Rechtsfragen stellen sich aber nach der in weiten Teilen übereinstim-menden Dublin III-VO in gleicher Weise.
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass die Klage nicht als zurückgenommen gilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Einstellung seines Klageverfahrens wegen Nichtbetreibens und wendet sich gegen die Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags und die Anordnung der Abschiebung nach U..
Der nach seinen Angaben am ... 1989 in K... geborene Kläger gibt an, pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit zu sein. Er verließ Pakistan nach seinen Angaben in der Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 16. Januar 2014 im September oder Oktober 2009 und reiste am 24. Dezember 2013 auf dem Landweg in Deutschland ein. Er stellte am 16. Januar 2014 einen Asylantrag in Deutschland. Das Bundesamt ersuchte U. am 24. Februar 2014 um die Übernahme des Verfahrens. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückführung gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. März 2014 stellte das Bundesamt die Unzulässigkeit des Asylantrags fest (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 24. März 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben (Az. RN 3 K 14.50033), sowie Anträge auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und am 27. März 2014 auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten stellen. Diese Anträge lehnte das Gericht mit Beschluss vom 1. April 2014 ab (Az. RN 3 S 14.50032).
Das Landratsamt D. teilte der Beklagten am
Die Klage wird hinsichtlich der Fortsetzung damit begründet, dass der anwaltliche Bevollmächtigte innerhalb der mit Schreiben des Gerichts vom
Hinsichtlich des Bescheids wird die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass dieser unzutreffend davon ausgehe, dass U. zuständig sei. Tatsächlich habe sich der Kläger zunächst in Griechenland aufgehalten und sei dort als Asylsuchender erfasst worden. Die Übernahmeerklärung U.s lasse sich nicht im Sinne einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts des eigentlich unzuständigen Mitgliedsstaates auslegen. Eine solche Erklärung im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeersuchen setze voraus, dass sich der Erklärende der Umstände des Falles bewusst sei. In dem Wiederaufnahmegesuch sei kein Hinweis auf ein in Griechenland durchgeführtes Asylverfahren enthalten. Es wäre erforderlich gewesen, U. darüber aufzuklären. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, wodurch es zum zuständigen Mitgliedsstaat geworden sei. Die Zuständigkeit werde auch nicht dadurch irrelevant, dass Überstellungen nach Griechenland regelmäßig nicht zulässig seien. Die Wiederaufnahme setze die ordnungsgemäßen und zutreffenden Informationen voraus, ob und ggf. welche sonstigen Asylanträge gestellt worden seien. Die Angaben aus Griechenland seien in krasser Weise unzuverlässig und die Zahlen der Meldedaten differierten von Jahr zu Jahr.
Bei einer Abschiebung nach U. drohten dem Kläger die Kettenabschiebung über Serbien und der Verlust der Rechte im Asylverfahren, sowie eine langandauernde Haft in U. und in Serbien. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in U. vor. Zum 1. Juli 2013 sei eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen seien. Die Voraussetzungen für die Haft und Haftdauer seien erweitert, die Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung ab Juli 2013 zugleich beschränkt worden. Die Haftgründe seien insbesondere im Fall des Klägers einschlägig, da die ablehnende Entscheidung vom 21. Februar 2014 auf sein Asylbegehren mitgeteilt wurde, ohne dass eine materielle Prüfung oder die Zustellung der Entscheidung an ihn erfolgt wäre. Die Situation in U. speziell für Rückkehrer auf der Grundlage der Dublin-Verordnung entspreche nicht den Voraussetzungen, die gemäß Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten seien. Angesichts der bereits jetzt bestehenden Überfüllung der Camps und katastrophaler hygienischer Zustände würde eine Zwangsrückführung nach U. erkennbar dem Gebot einer menschenwürdigen Unterbringung widersprechen.
Aus aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht München ergäben sich konkrete Bedenken gegen die Situation in U., insbesondere unter Berücksichtigung der dortigen Handhabung von Asylhaft. Deren durchschnittliche Dauer betrage nach Auskunft der ungarischen Migrationsbehörde 32 Tage. Diese Angaben würden den Erkenntnissen des ungarischen Helsinki Komites aus der Analyse von insgesamt 107 Entscheidungen und auch den Informationen von Pro Asyl widersprechen. Rechnerisch ergäbe sich eine korrigierte durchschnittliche Haftdauer von 80 Tagen. Außerdem führe die Begrenzung der in letzter Zeit massiv ausgeweiteten Inhaftierung von Familien auf 30 Tage zu einer Reduktion des allgemeinen Durchschnittswerts. Dublin-Rückkehrer würden häufig für die gesamte zulässige Dauer der Asylhaft sechs Monate eingesperrt. Ein Rechtsmittel hiergegen sei nicht zulässig. Es finde lediglich eine Anhörung statt, die sich auf die formellen Voraussetzungen der Anordnung von Asylhaft beschränke. Diese Voraussetzungen dürften auf alle Dublin-Rückkehrer anwendbar sein. Auf den Kläger treffe dies insbesondere deshalb zu, weil sein Asylantrag am 21. Februar 2014 in seiner Abwesenheit abgelehnt worden sei. Er werde als Person geführt, „die sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat“. Haftanordnungen enthielten darüber hinaus Begründungen, die gesetzlich nicht vorgesehen seien. Die Haftgründe würden über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus konturlos erweitert. Im Anschluss an die Asylhaft sei bei einer Ablehnung des Asylantrags mit Abschiebungshaft zu rechnen. Es bestehe keine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Die Haftbedingungen würden sowohl in den Auskünften von Pro Asyl als auch des Auswärtigen Amtes kritisiert. Eine expansive Anwendung sedierender Medikamente sei festzustellen. Der UNHCR habe bereits 2012 gewarnt, dass ungarische Asylwächter Migranten mit Drogen ruhig stellen. Die Gründe für die Verhaftungen seien willkürlich und undurchsichtig. Die Haftbedingungen seien bereits deshalb problematisch, weil sog. „armed security guards“ eingesetzt würden, von denen häufig körperliche Übergriffe geschildert würden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Räume nicht durch Kameras überwacht würden. Die Betroffenen seien rechtlos gestellt, da sie im Falle einer Beschwerde bestenfalls mit wiederholten Schikanen rechnen dürften.
Die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO sei jedenfalls am
Der Kläger lässt beantragen,
das Klageverfahren fortzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Asylakten, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. RN 3 S 14.50032 und RN 3RN 3 K 14.50033, sowie die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage gilt nicht als zurückgenommen. Die auf Aufhebung des Bescheids vom
1. Der mit Schriftsatz vom
Falls über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Klagerücknahme oder über das Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Rücknahmefiktion Streit entsteht, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden, wenn dies beantragt wird (vgl. Kopp, VwGO, § 92, Rdnr. 28 m. w. N.). Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, so entscheidet es nach Verhandlung der Sache im Rahmen des Endurteils (vgl. Kopp a. a. O. Rdnr. 29 m. w. N.).
Gemäß § 81 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gilt die Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als einen Monate nicht betreibt. Der Kläger wurde in dem Aufforderungsschreiben vom 6. August 2014 auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen, vgl. § 81 Satz 3 AsylVfG.
Der gerichtliche Einstellungsbeschluss vom
2. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, aber unbegründet.
a. Statthaft ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 AltVwGOVwGO.
Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Bescheid sind § 27a und § 34a AsylVfG. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt u. a. die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an. Hierbei handelt es sich um belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG, deren isolierte Aufhebung zulässig ist, weil diese zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (vgl. VG Düsseldorf
Verpflichtungsklagen, die entweder auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und die Folgeentscheidungen oder auf das Ausüben des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte gerichtet sind, wären in der hier gegebenen Situation dagegen nicht statthaft. In den Fällen der Einstellung des Asylverfahrens steht die - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Verfahrens einer Verpflichtungsklage, bei der das Verwaltungsgericht „durchzuentscheiden“ hätte, entgegen (vgl. BayVGH
Ferner würde ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Beklagten kontrollieren, sondern sich erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 a. E. AsylVfG bedenklich, da der Gesetzgeber die Prüfung dem Bundesamt zugewiesen hat (vgl. VG Regensburg
b. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. U. ist für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig und es sind keine außergewöhnlichen Gründe ersichtlich, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gebieten. Die Abschiebungsanordnung ist zu Recht ergangen.
aa. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor.
Maßgeblich für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO). Deren Zuständigkeitskriterien finden gemäß Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO auf Asylanträge, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden, Anwendung. Das Gericht hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Übernahmezusage bzw. den darauf basierenden Bescheid an den Vorschriften der Dublin III-VO zu messen.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei U. um den für das Asylverfahren zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG handelt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückübernahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO, da dieser am 21. August 2013 in U. einen Asylantrag gestellt hatte, der am 21. Februar 2014 abgelehnt wurde. Zur Prüfung des Antrags ist damit nicht die Beklagte, sondern U. zuständig. Dessen Zuständigkeit umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe d Dublin III-VO die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Zuständigkeit U.s steht nicht entgegen, dass nach der Auffassung des Klägers eigentlich Griechenland für die Behandlung des Asylantrags zuständig gewesen wäre und das Bundesamt U. hierauf hätte hinweisen müssen. Dem Behördenakt lässt sich bereits nicht entnehmen, dass der Kläger einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. In der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats vom 16. Januar 2014 gab er zwar an, dass er sich drei Jahre in Griechenland aufgehalten habe. Auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat Asyl beantragt habe, nannte er jedoch nur U.. Es bestand für das Bundesamt daher keine Veranlassung, auf ein angebliches Asylverfahren in Griechenland hinzuweisen. Im Übrigen hätte U. selbst gemäß Art. 22 Dublin III-VO Gelegenheit gehabt, in dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats die erforderlichen Überprüfungen, z. B. durch eine EURODAC-Abfrage, vorzunehmen, um eine vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können. U. ist aber erkennbar von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen.
Außerdem kann gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Selbst wenn U. nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig wäre, würde es dadurch gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zum zuständigen Mitgliedstaat werden. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10, C-493/10
§ 34a Abs. 1 AsylVfG, nach dem die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Abweichend hiervon hat Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts berücksichtigt werden können und damit außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Genfer Flüchtlingskonvention steht (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann nur erreicht werden, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass einer der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 a. a. O.). Das Gericht muss sich die Überzeugung verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedsstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG
Für das Gericht ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in U. oder die Betreuung von Asylbewerbern systemische Mängel aufweist, die eine Durchbrechung des Konzepts der normativen Vergewisserung gebieten würden. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin III-VO hinfällig werden lässt. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. OVG Lüneburg
Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Zwar waren die Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in der Vergangenheit beanstandenswert und teilweise unzureichend. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Unregelmäßigkeiten traten auch vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der früheren Dublin II-VO Verordnung nach U. rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete daher in einem Bericht vom April 2012 den Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer als problematisch (vgl. UNHCR, U. als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in U., April 2012, Seite 9). Diese Lage hat sich aber gebessert. Das Gericht schließt sich insoweit der folgenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts Ansbach in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2013 (Az. AN 11 S 13.31074) an:
„Allerdings sind aus Sicht des erkennenden Gerichts diese Mängel der ungarischen Ausländer- und Asylverfahrenspraxis mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen im ungarischen Parlament vom November 2012 erheblich entschärft worden. Nach der Fortschreibung der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 werden nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft, selbst wenn es sich um Asylsuchende handelt, die über Serbien oder die Ukraine oder im Wege der Rückführung nach U. gelangen. Auch die vormals verbreitete Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen, ist nach diesem Bericht des UNHCR stark rückläufig und wird im Rahmen einer stärkeren Kontrolle durch die Polizeihauptquartiere und Staatsanwaltschaften sowie ergänzend durch eine Arbeitsgruppe von Richtern flankiert (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, December 2012, http://www...org/...html). Die von der Antragstellerseite angeführte Änderung der ungarischen Gesetzgebung, wonach seit 1. Juli 2013 in U. wieder die Haft für Asylantragsteller eingeführt worden sei, ist nicht geeignet, die vorstehenden Ausführungen in Frage zu stellen. Wie sich der aktuellen Lageeinschätzung des Vereins „bordermonitoring.eu“ vom 20. August 2013 entnehmen lässt, erfolgen Inhaftierungen von Asylbewerbern in U. lediglich in Einzelfällen.“
Im Ergebnis hält es das Gericht nach summarischer Prüfung im entscheidenden Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht für wahrscheinlich, dass dem Kläger in U. als sog. Dublin-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht (vgl. statt vieler: VG Augsburg
Das Gericht sieht auch im Hinblick auf neuere Erkenntnisquellen gegenwärtig keine Veranlassung von dieser Einschätzung abzugehen und schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen der überzeugenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 14. Juli 2014 (Az. 1 B 862/14) an:
„Systemische Schwachstellen im Asylverfahren in U. für Dublin-Rückkehrer lassen sich auch den von der Antragstellerin benannten aktuellen Erkenntnisquellen nicht entnehmen. Weder die Auskünfte des UNHCR vom 09. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (hierzu:
Die in den genannten Erkenntnisquellen beschriebene Umsetzung der ungarischen Gesetzgebungslage, nach der seit dem 1. Juli 2013 die Haft für Asylantragsteller wieder zulässig ist, lässt nicht auf systemische Schwachstellen des Asylsystems für Dublin-Rückkehrer schließen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - wie das VG Düsseldorf zu Recht anmerkt -
„(…) der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und U. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar[stellt]. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht U. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.
Gem. Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f. der Richtlinie 2013/33 EU („AufnahmeRL“) nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt jedoch, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die ungarische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in U. abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden. Dass die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus U. geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Behörden insoweit Gebrauch von den im ungarischen nationalen Recht geregelten „überschießenden“ Haftgründen - deren Europarechtskonformität durchaus angezweifelt werden kann - machen, wonach eine Inhaftierung schon bei einem „Verzögern“ oder „Behindern“ des Asylverfahrens angeordnet werden kann (vgl. Art. 31/A Buchst. c des ungarischen Asylgesetzes, vgl. VG Düsseldorf a. a. O., Rn. 106).
Dass für Dublin-Rückkehrer regelmäßig ein Fluchtgrund angenommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass die gem. Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgt. Im oben genannten National Country Report Hungary (aida) wird vielmehr ausgeführt, dass alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern tatsächlich nicht in Asylhaft genommen würden, obwohl dies rechtlich möglich sei (a. a. O., S. 9). Eine solche Differenzierung belegt, dass tatsächlich Umstände des Einzelfalls bei der Haftanordnung berücksichtigt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind, müssen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wiederaufnahme der Dublin-Rückkehrer rein zahlenmäßig ein Massengeschäft ist, welches für die Verwaltung handhabbar bleiben muss. So ist es zwar aus rechtsstaatlichen Gründen wünschenswert, dass sich eine vorangegangene Einzelfallprüfung auch in der schriftlichen Haftanordnung konkret niederschlägt, vom europäischen Recht ist dies jedoch nicht eindeutig gefordert. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL sieht lediglich vor, dass die sachlichen und rechtlichen Gründe in der Haftanordnung angegeben werden. Dass die Haftanordnung den Haftgrund „Fluchtgefahr“ nicht - auch nicht in standardisierter Form - benennt, kann das Gericht der Auskunft des UNHCR nicht klar entnehmen (vgl. dort Antwort auf Frage 3, erster Spiegelstrich:
„Der Begründungsteil [der Haftanordnung] führt keine konkreten Gründe aus, aus denen es im Falle des konkreten Asylbewerbers nötig und sachgerecht ist, Asylhaft anzuordnen. Auch fehlen Informationen dazu, warum genau im konkreten Falle die Haft erforderliches Mittel ist, um die Verfügbarkeit des Asylbewerbers während des Verfahrens sicherzustellen.“).
Der Umstand, dass bei Dublin-Rückkehrern regelmäßig eine standardisierte Verlängerung der Haftzeit um 60 Tage erfolgt und dies im Ergebnis häufig zu einer Haftdauer von insgesamt vier bis fünf Monaten führt (vgl. National Country Report Hungary, aida, a. a. O., S. 51 u. 49), steht nicht in klarem Widerspruch zu den europäischen Vorgaben, namentlich zu Art. 9 Abs. 1 AufnahmeRL. Hiernach wird ein Antragsteller für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie ein Haftgrund vorliegt. Es erscheint nicht grundsätzlich unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr fortlaufend gegeben ist.
Auch dafür, dass in U. der in Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL ausgeformte europäische Mindeststandard eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Haftanordnung unterschritten wird, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte. Das VG Düsseldorf führt hierzu aus:
„Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen, vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zudem steht dem Asylbewerber zumindest formal der Rechtsbehelf der objection zu Verfügung (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in U. systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen. Die im Bericht des Helsinki Komitees genannten Einzelfälle („Information Note“, Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 18) ebenso wie der von der Antragstellerin angeführte „Bericht über den Besuch in der Haftanstalt in Nyírbátor (U.)“ von Marc Speer (Bericht vom 10. März 2014, abrufbar unter http://...eu/files/2012/03/Besuch-Nyirbator.pdf), in dem das Einzelschicksal eines pakistanischen Asylbewerbers geschildert wird, lassen insoweit keine Rückschlüsse zu. Der Auskunft des UNHCR lässt sich entnehmen, dass die Behandlung der Inhaftierten durch die Aufsichtskräfte problematisch bleibt, dies jedoch in einem geringeren Ausmaß als zuvor (Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von Missständen insbesondere der Inhaftierungspraxis in U.. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Der UNHCR hat bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11).
Damit ist nach derzeitigem Kenntnisstand und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10 u. a.) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR vom 3.7.2014 Az. 71932/12) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.
bb. Der Kläger kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin III-VO begründen - wie die der Dublin II-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden. Sie dienen nämlich alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin
Selbst wenn man jedoch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung annehmen würde, bestehen hier keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich dieser zu einem Anspruch auf Selbsteintritt reduziert hat („Ermessensreduzierung auf Null“). Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssten außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben. Solche sind allenfalls dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen
cc. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO abgelaufen ist. Die Überstellungsfrist wird nämlich gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf (höchstens) 18 Monate verlängert, also hier bis 1. Oktober 2015, da der Kläger flüchtig im Sinne dieser Vorschrift ist. Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die „Überstellung“ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Magdeburg
Im vorliegenden Fall sollte der Kläger am
Im Übrigen kann von einer nur „vorübergehenden Abwesenheit“ nicht die Rede sein, so dass der Kläger auch insoweit „flüchtig“ war und noch ist. Nach den vorliegenden Unterlagen war der Kläger zumindest ab dem 14. Juli 2014 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft. Sein anwaltlicher Bevollmächtigter teilte erst mit Schriftsatz vom 5. September 2014 mit, dass er sich im „Kirchenasyl in H.“ befinde. Eine nahezu zweimonatige Abwesenheit ohne Meldung der Adresse an die Beklagte führt ebenfalls dazu, dass der Kläger als „flüchtig“ anzusehen war. Außerdem befindet sich der Kläger nach einer telefonischen Auskunft des Landratsamts ... vom 19. Februar 2015 nach wie vor in H. im „Kirchenasyl“. Auch der Versuch sich mittels eines - hier längeren - „Kirchenasyls“ der Überstellung zu entziehen führt dazu, dass der Kläger flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, da dieses „Überstellungshindernis“ auf einem von ihm zu verantwortenden Verhalten beruht.
dd. Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig ergangen.
Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, dann ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, da sich die Klage hauptsächlich gegen den Bescheid vom 14. März 2014 richtete. Insoweit hatte sie keinen Erfolg.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.
Gründe
- 1
Die auf § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützte Anhörungsrüge des Antragstellers hat keinen Erfolg.
- 2
Der Antragsteller hat nicht im Sinne von § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO vorliegen und das Gericht mit seinem Beschluss vom 06.11.2014 (Az.: 1 A 1140/14 MD) den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
- 3
Der in Art. 103 Abs. 1 GG oder einfachem Verfahrensrecht verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet grundsätzlich das Recht, sich in dem Verfahren sowohl zur Rechtslage als auch zum zugrunde liegenden Sachverhalt äußern zu können (vgl. im Folgenden: OVG LSA, B. v. 14.05.2010 - 3 L 184/10 und 3 L 260/08 -, nicht veröffentlicht). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht dabei, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (std. Rspr. d. BVerfG, u. a. B. v. 14.06.1960 - 2 BvR 96/60 -, BVerfGE 11, 218 [220]; B. v. 30.10.1990 - 2 BvR 562/88 -, BVerfGE 83, 24 [35]). Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ist allerdings erst dann verletzt, wenn das Gericht gegen den vorbezeichneten Grundsatz, das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, erkennbar verstoßen hat. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass dem genannten Verfassungsgebot entsprochen worden ist (vgl. BVerfG, B. v. 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90 -, BVerfGE 84, 133 [146]; B. v. 17.11.1992 - 1 BvR 168/89 u. a. -, BVerfGE 87, 363 [392 f.]), ist die Annahme einer Verletzung der Pflicht des Gerichts zur Kenntnisnahme des Beteiligtenvorbringens und des In-Erwägung-Ziehens desselben erst dann gerechtfertigt, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt (vgl. BVerfG, B. v. 19.07.1967 - 2 BvR 639/66 -, BVerfGE 22, 267 [274]; B. v. 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 -, BVerfGE 88, 366 [375]). Hierfür reicht es nicht schon aus, dass in der angefochtenen Entscheidung auf einen bestimmten Sachvortrag der Beteiligten nicht eingegangen worden ist. Denn jedenfalls ist das Gericht weder nach Art. 103 Abs. 1 GG noch nach einfachem Verfahrensrecht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jeder Einzelheit des Vorbringens zu befassen; es genügt vielmehr die Angabe der Gründe, „die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind“ (vgl. BVerfG, B. v. 17.11.1992, a. a. O.).
- 4
Im vorliegenden Fall ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass das beschließende Gericht der ihm obliegenden Verpflichtung nach Art. 103 Abs. 1 GG oder einfachem Verfahrensrecht, das Vorbringen des Antragstellers in seinem Antrag vom 21.10.2014 (1 B 1140/14 MD) zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht oder nur unzureichend nachgekommen ist.
- 5
Vielmehr hat sich das Gericht in dem gerügten Beschluss mit dem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren 1 B 1140/14 MD auseinandergesetzt und dessen Relevanz in der gebotenen Weise erörtert. Dabei konnte das Gericht sich darauf beschränken, sich mit den Gründen zu befassen, die von dem Antragsteller bislang dargelegt wurden und die Gründe anzuführen, die insoweit für die richterliche Überzeugungsbildung – hier die Ablehnung des Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – leitend gewesen sind.
- 6
Entgegen der Ansicht des Antragstellers war das Gericht nicht nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, eine Stellungnahme des Antragstellers zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 27.10.2014 nebst Anlagen abzuwarten, in dem sie vortrug, die Überstellungsfrist habe sich verlängert weil sich der Antragsteller der für den 02.09.2014 vorgesehenen Überstellung durch Untertauchen entzogen habe und die Antragsgegnerin den italienischen Behörden dies unter dem 02.09.2014 mitgeteilt habe. Denn der anwaltlich vertretene Antragsteller war bereits im Zeitpunkt der Stellung des Abänderungsantrages 1 B 1140/14 MD vom 21.10.2014 in der Lage gewesen, zu einer etwaigen Verlängerung der Überstellungsfrist durch die Antragsgegnerin Stellung zu nehmen. Denn ihm war der geplante Überstellungstermin vom 02.09.2014 offensichtlich bekannt und es bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller auf der Grundlage des ärztlichen Attestes vom 01.09.2014 nicht als reisefähig angesehen hat. Als gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste der Antragsteller bei dieser Sachlage damit rechnen, dass die Antragsgegnerin durch eine entsprechende Mitteilung an die italienischen Behörden versucht, die Überstellungsfrist zu verlängern. Die war vorliegend umso mehr geboten, weil der Antragsteller seinen Abänderungsantrag vom 21.10.2014 ausschließlich mit dem Ablauf der Überstellungsfrist begründet hat.
- 7
Darüber hinaus war sein Vorbringen, er habe den Überstellungstermin am 02.09.2014 nicht wahrnehmen können, weil er seit dem 01.09.2014 krankheitsbedingt nicht von B-Stadt nach Ascherleben habe reisen können und nicht, weil er nicht untergetaucht sei, nicht entscheidungserheblich. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO kann die Überstellungsfrist auf achtzehn Monate verlängert werden, wenn der Asylbewerber flüchtig ist. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist ein Asylbewerber nicht erst dann flüchtig im Sinne dieser Vorschrift, wenn er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht, Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft an die Überstellung des Asylbewerbers an. Dies erlaubt es, auch den Sachverhalt vom Wortlaut und –sinn erfasst anzusehen, in dem sich der Asylbewerber seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten. Zumindest ist dem Asylbewerber dann der Ablauf der Sechs-Monats-Frist zuzurechnen, wenn er vorsätzlich und unentschuldigt zu seiner Überstellung nicht erschienen ist (vgl. VG B-Stadt, B. v. 13.01.2011 – 33 L 530.10 A -, juris, Rdnr. 22; VG Potsdam, U. v. 04.06.2014 -, juris, Rdnr. 16). Für diese Auslegung des Merkmals „flüchtig ist“ spricht, dass die Regelungen zur Überstellungsfrist Sanktionscharakter haben, und ein Staat der die sechs Monate betragende Überstellungsfrist missachtet, nunmehr zuständig sein soll. Es kann aber keine Rede davon sein, dass die Bundesrepublik Deutschland die Frist missachtet hat, wenn der Asylbewerber zu seiner Überstellung nicht erscheint (vgl. – allerdings mit den Voraussetzungen des vorsätzlichen und unentschuldigten Nichterscheinens zur Überstellung: VG B-Stadt, B. v. 13.01.2014 – a. a. O, Rdnr. 23).
- 8
Der ist bereits deshalb flüchtig, weil er sich im Zeitpunkt seiner Überstellung nicht in der Gemeinschaftsunterkunft in A-Stadt aufgehalten hat, in der entsprechend seiner Duldungsbescheinigung vom 30.06.2014 seinen Wohnsitz zu nehmen hatte. Dass er im Zeitpunkt der vorgesehenen Überstellung auf der Grundlage des § 51 AsylVfG bereits in ein anderes Bundesland umverteilt worden war, ist nicht zu ersehen. Dem vom Antragsteller vorgelegten „Einigungspapier Oranienplatz“ und dem Beschluss des Berliner Senats vom 27.05.2014 kann an solche Umverteilungsentscheidung des Antragstellers nach B-Stadt nicht entnommen werden. Auch hat das Land B-Stadt entgegen der Ansicht des Antragstellers weder durch das Einigungspapier noch dem Senatsbeschluss rechtsverbindlich die Übernahme der Zuständigkeit für den Antragsteller zugesichert.
- 9
Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem daraus abgeleiteten „Vorrang des Gesetzes“ darf die Verwaltung nicht von bestehenden Gesetzen abweichen. Unabhängig von Form (z. B. Verwaltungsakt, Verwaltungsvertrag oder Rechtsnorm) und Wirkung (begünstigend oder belastend) ihres Handelns ist die Verwaltung stets an sämtliche bestehende - nationale und unmittelbar anwendbare europäische - Rechtsnormen gebunden. Die länderübergreifende Verteilung von Ausländern ist - wie ausgeführt - in § 51 AsylVfG geregelt. Eine länderübergreifende (Um)Verteilung von Ausländern unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylVfG - oder gar in Widerspruch zu diesen - verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. Bei verständiger Würdigung des „Einigungspapiers Oranienplatz“ ist allerdings davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde B-Stadt von der einzelfallbezogenen Prüfung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylVfG nicht dispendiert werden sollte (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 d. BA.).
- 10
In Ziffer 4 des Einigungspapiers heißt es, nach Erfüllung bestimmter - dort näher genannter - Zusagen durch die registrierten Flüchtlinge erfolge „auf Antrag eine umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten (Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung, Anträge auf Umverteilung nach § 51 AsylVfG, etc.) […] In diesem Sinne wird die Ausländerbehörde die Antragstellerinnen und Antragsteller während des Verfahrens beratend unterstützen. […] Für die Zeit der Prüfung der jeweiligen Einzelfallverfahren bleibt die Abschiebung ausgesetzt“. Danach liegt es schon nach dem Wortlaut des Einigungspapiers fern, dass hierdurch ohne Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen im jeweiligen Einzelfall die Ergreifung bestimmter aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen - wie etwa die Umverteilung nach B-Stadt - in Aussicht gestellt werden sollte. Vielmehr sprechen die Hinweise auf die „(umfassende) Prüfung der Einzelfallverfahren“ und der den Betroffenen „bei ihren Einzelverfahren“ gewährten Unterstützung sowie der Verweis auf den zu beachtenden „Rahmen aller rechtlicher Möglichkeiten“ dafür, dass eine ausländerbehördliche Prüfung der aufenthaltsrechtlichen Stellung im jeweiligen Einzelfall erfolgen soll, ohne dass die Ausländerbehörde dabei von vornherein auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt ist (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 d. BA.).
- 11
Diese Auslegung wird durch die Presseerklärung der Senatskanzlei B-Stadt vom 18. März 2014 (http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/politik-aktuell/2014/meldung.91447.php; zuletzt abgerufen am 2. Dezember 2014) anlässlich der Senatspressekonferenz vom gleichen Tag gestützt. Dort heißt es u. a.: „Der Berliner Senat hat im Konflikt um das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz und die Besetzung der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg ein Lösungsangebot vorgelegt. In Einzelfallverfahren soll geprüft werden, ob die Betroffenen in der Stadt bleiben können.“ In diesem Sinne wird dort auch der Berliner Senator für Inneres und Sport Frank Henkel zitiert. Aus Sicht seiner Partei sei es u. a. wichtig gewesen, dass es „für die Flüchtlinge ‚keine Sonderbehandlung‘ gebe, sondern in jedem Fall der Einzelfall geprüft werde.“ Dies deckt sich mit der dort ebenfalls wiedergegebenen Aussage der Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat, Maximalforderungen nach einem Bleiberecht für alle habe sie aufgrund der Rechtslage nicht entsprechen können. Vereinbart worden sei, dass die Flüchtlinge die Zelte auf dem Oranienplatz selbst abbauten. Zugleich sei ihnen Unterstützung, darunter Rechtsberatung, in ihren Verfahren zugesichert worden (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 6 f- d. BA.).
- 12
Aus der unterlassenen Durchsetzung der räumlichen Beschränkung durch die Ausländerbehörde lässt sich nicht ableiten, dass das Land B-Stadt konkludent eine Umverteilung des Antragstellers vorgenommen hat. Das bloße Schweigen einer Behörde oder die behördliche Duldung eines bestimmten Verhaltens oder Zustandes kann nicht als Verwaltungsakt angesehen werden, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor, die zweifelsfrei für das Gegenteil sprechen. Dies ist nicht der Fall. Dass Unterlassen einer zwangsweise Räumung des Oranienplatzes und aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen gegenüber den Campbewohnern beruhte nicht auf der Annahme der Zuständigkeit für die Flüchtlinge oder auf einem politischen Willen zur Zuständigkeit, sondern auf offenkundigen Unstimmigkeiten über das weitere Vorgehen innerhalb des Berliner Senats und darüber hinaus sowie auf dem Bestreben nach einer gewaltlosen Lösung des Konflikts, was letztlich zum „Einigungspapier Oranienplatz“ geführt hat (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 7 f. d. BA.)..
- 13
Eine länderübergreifende Umverteilung des Antragstellers nach B-Stadt kommt auch nicht konkludent dadurch zum Ausdruck, dass die auf dem Oranienplatz campierenden Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen wurden und ihnen im „Einigungspapier Oranienplatz“ Unterstützung und Beratung bei ihren Einzelverfahren und der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven zugesagt wurde. Diese Leistungen und Zusagen sind Teil der konsensualen Beilegung des Konflikts um das Protestcamp und damit im Kontext des „Einigungspapiers Oranienplatz“ zu bewerten. Danach handelt es sich um begleitende Leistungen zu den vereinbarten Einzelfallprüfungen, die deren Ergebnis nicht präjudizieren. So heißt es unter Nr. 4 des Einigungspapiers, die Ausländerbehörde werde „die Antragstellerinnen und Antragsteller während des Verfahrens beratend unterstützen. […] Die auf der Liste benannten Personen erhalten bei ihren Einzelverfahren Unterstützung durch den Unterstützungspool, der von den Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie sowie der Integrationsbeauftragten des Landes B-Stadt sichergestellt wird.“ (Hervorhebung nicht im Original). Zwar ist Nr. 5 des Einigungspapiers, wonach die Flüchtlinge Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung ihrer beruflichen Perspektiven erhalten, insoweit offener formuliert; insbesondere fehlt es an einer ausdrücklichen Beschränkung auf die Zeit der Einzelfallprüfung. Doch kann diese Aussage - hierfür spricht die Zusammenschau mit Nr. 4 - auch so verstanden werden, dass die - längerfristige - Unterstützung abhängig vom Ergebnis der Einzelfallprüfung auch vorzeitig beendet werden kann. Jedenfalls lässt sich aus der offenen Formulierung von Nr. 5 des Einigungspapiers nicht der Wille zur Übernahme von Asylbewerbern unabhängig vom Ergebnis der vereinbarten Einzelfallprüfung ableiten (VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 8 d. BA.).
- 14
Die dargelegten Gründe gegen eine konkludente Umverteilung des Antragstellers sprechen entgegen der Ansicht des Antragstellers auch gegen die Annahme einer „konkludenten Zweitduldung“ durch die Ausländerbehörde. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf eine länderübergreifende Umverteilung im Wege der „Zweitduldung“. Das von einigen Obergerichten befürwortete Institut der „Zweitduldung“ wurde entwickelt, um nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens geduldeten Ausländern einen länderübergreifenden Wohnsitzwechsel - insbesondere zur Herstellung oder Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft - zu ermöglichen, deren Rechte nicht durch - vorübergehende - Verlassenserlaubnisse nach § 12 Abs. 5 AufenthG gewahrt werden können. Die nach § 56 Abs. 3 AsylVfG räumlich beschränkte „Erstduldung“ soll danach mit der von der aufnehmenden Ausländerbehörde zu erteilenden „Zweitduldung“ gegenstandslos werden. Diese auf das Schließen einer Regelungslücke abzielenden Erwägungen greifen hier offensichtlich nicht ein, weil das Asylverfahren des Antragstellers noch nicht abgeschlossen ist (vgl. VG Magdeburg, B. v. 02.12.2014 – 2 B 287/14 MD -, S. 8 f. d. BA. m. w. N.).
- 15
Darüber hinaus hat der Antragsteller seine Überstellung verhindert, indem vorsätzlich und unentschuldigt nicht zur Abschiebung erschienen ist. Die Antragsgegnerin hat sich um eine fristgemäße Überstellung des Antragstellers bemüht, die letztlich nur daran gescheitert ist, dass der Antragsteller vorsätzlich und unentschuldigt nicht zum Überstellungstermin erschienen ist. Dem Antragsteller war der Termin zu seiner Überstellung offensichtlich bekannt, Mit Schreiben vom 01.09.2014 teilte er dem Salzlandkreis mit, er könne sich entgegen der Aufforderung des Landkreises vom 12.08.2014 nicht in der Gemeinschaftsunterkunft Dr.-Wilhelm-Feit-Str. 26 in A-Stadt einfinden. Sein Fernbleiben ist auch nicht entschuldigt. Der Antragsteller legte dem Salzlandkreis zwar ein ärztliches Attest vom 01.09.2014 vor, dass ihm bescheinigt, mindestens bis zum 05.09.2014 nicht wege- oder reisefähig zu sein. Dem Attest kann jedoch nicht entnommen, weshalb der Antragsteller wegen einer Durchfallerkrankung nicht wege- oder reisfähig war.
- 16
Unerheblich ist vorliegend, dass die Antragsgegnerin in dem Formular, mit dem sie die italienischen Behörden davon unterrichtet hat, dass sie die Überstellung des Antragstellers innerhalb der sechs Monate betragenden Frist nicht vornehmen kann, den Grund hierfür mit dem im Formular vorgesehenen Begriff „untergetaucht“ nicht zutreffend beschreibt. Maßgeblich ist allein, dass sie die italienischen Behörden tatsächlich über eine Fristverlängerung aus den Gründen des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO informiert hat (VG B-Stadt, B. v. 13.01.2014 – a. a. O., Rdnr. 27).
- 17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Der Ausländer hat während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen.
(2) Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist. Der Ausländer muss Zustellungen und formlose Mitteilungen anderer als der in Absatz 1 bezeichneten öffentlichen Stellen unter der Anschrift gegen sich gelten lassen, unter der er nach den Sätzen 1 und 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen des Bundesamtes gegen sich gelten lassen muss. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.
(3) Betreiben Familienangehörige im Sinne des § 26 Absatz 1 bis 3 ein gemeinsames Asylverfahren und ist nach Absatz 2 für alle Familienangehörigen dieselbe Anschrift maßgebend, können für sie bestimmte Entscheidungen und Mitteilungen in einem Bescheid oder einer Mitteilung zusammengefasst und einem Familienangehörigen zugestellt werden, sofern er volljährig ist. In der Anschrift sind alle volljährigen Familienangehörigen zu nennen, für die die Entscheidung oder Mitteilung bestimmt ist. In der Entscheidung oder Mitteilung ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, gegenüber welchen Familienangehörigen sie gilt.
(4) In einer Aufnahmeeinrichtung hat diese Zustellungen und formlose Mitteilungen an die Ausländer, die nach Maßgabe des Absatzes 2 Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der Anschrift der Aufnahmeeinrichtung gegen sich gelten lassen müssen, vorzunehmen. Postausgabe- und Postverteilungszeiten sind für jeden Werktag durch Aushang bekannt zu machen. Der Ausländer hat sicherzustellen, dass ihm Posteingänge während der Postausgabe- und Postverteilungszeiten in der Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt werden können. Zustellungen und formlose Mitteilungen sind mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt; im Übrigen gelten sie am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt.
(5) Die Vorschriften über die Ersatzzustellung bleiben unberührt.
(6) Müsste eine Zustellung außerhalb des Bundesgebiets erfolgen, so ist durch öffentliche Bekanntmachung zuzustellen. Die Vorschriften des § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.
(7) Der Ausländer ist bei der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf diese Zustellungsvorschriften hinzuweisen.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin K.-P., Erlangen, wird abgelehnt.
Gründe
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass die Klage nicht als zurückgenommen gilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Einstellung seines Klageverfahrens wegen Nichtbetreibens und wendet sich gegen die Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags und die Anordnung der Abschiebung nach U..
Der nach seinen Angaben am ... 1989 in K... geborene Kläger gibt an, pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit zu sein. Er verließ Pakistan nach seinen Angaben in der Befragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 16. Januar 2014 im September oder Oktober 2009 und reiste am 24. Dezember 2013 auf dem Landweg in Deutschland ein. Er stellte am 16. Januar 2014 einen Asylantrag in Deutschland. Das Bundesamt ersuchte U. am 24. Februar 2014 um die Übernahme des Verfahrens. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückführung gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. März 2014 stellte das Bundesamt die Unzulässigkeit des Asylantrags fest (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 24. März 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben (Az. RN 3 K 14.50033), sowie Anträge auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und am 27. März 2014 auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten stellen. Diese Anträge lehnte das Gericht mit Beschluss vom 1. April 2014 ab (Az. RN 3 S 14.50032).
Das Landratsamt D. teilte der Beklagten am
Die Klage wird hinsichtlich der Fortsetzung damit begründet, dass der anwaltliche Bevollmächtigte innerhalb der mit Schreiben des Gerichts vom
Hinsichtlich des Bescheids wird die Klage im Wesentlichen damit begründet, dass dieser unzutreffend davon ausgehe, dass U. zuständig sei. Tatsächlich habe sich der Kläger zunächst in Griechenland aufgehalten und sei dort als Asylsuchender erfasst worden. Die Übernahmeerklärung U.s lasse sich nicht im Sinne einer Ausübung des Selbsteintrittsrechts des eigentlich unzuständigen Mitgliedsstaates auslegen. Eine solche Erklärung im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeersuchen setze voraus, dass sich der Erklärende der Umstände des Falles bewusst sei. In dem Wiederaufnahmegesuch sei kein Hinweis auf ein in Griechenland durchgeführtes Asylverfahren enthalten. Es wäre erforderlich gewesen, U. darüber aufzuklären. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger in Griechenland einen Asylantrag gestellt habe, wodurch es zum zuständigen Mitgliedsstaat geworden sei. Die Zuständigkeit werde auch nicht dadurch irrelevant, dass Überstellungen nach Griechenland regelmäßig nicht zulässig seien. Die Wiederaufnahme setze die ordnungsgemäßen und zutreffenden Informationen voraus, ob und ggf. welche sonstigen Asylanträge gestellt worden seien. Die Angaben aus Griechenland seien in krasser Weise unzuverlässig und die Zahlen der Meldedaten differierten von Jahr zu Jahr.
Bei einer Abschiebung nach U. drohten dem Kläger die Kettenabschiebung über Serbien und der Verlust der Rechte im Asylverfahren, sowie eine langandauernde Haft in U. und in Serbien. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in U. vor. Zum 1. Juli 2013 sei eine erneute Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach Inhaftierungen von Asylbewerbern für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten vorgesehen seien. Die Voraussetzungen für die Haft und Haftdauer seien erweitert, die Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung ab Juli 2013 zugleich beschränkt worden. Die Haftgründe seien insbesondere im Fall des Klägers einschlägig, da die ablehnende Entscheidung vom 21. Februar 2014 auf sein Asylbegehren mitgeteilt wurde, ohne dass eine materielle Prüfung oder die Zustellung der Entscheidung an ihn erfolgt wäre. Die Situation in U. speziell für Rückkehrer auf der Grundlage der Dublin-Verordnung entspreche nicht den Voraussetzungen, die gemäß Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten seien. Angesichts der bereits jetzt bestehenden Überfüllung der Camps und katastrophaler hygienischer Zustände würde eine Zwangsrückführung nach U. erkennbar dem Gebot einer menschenwürdigen Unterbringung widersprechen.
Aus aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht München ergäben sich konkrete Bedenken gegen die Situation in U., insbesondere unter Berücksichtigung der dortigen Handhabung von Asylhaft. Deren durchschnittliche Dauer betrage nach Auskunft der ungarischen Migrationsbehörde 32 Tage. Diese Angaben würden den Erkenntnissen des ungarischen Helsinki Komites aus der Analyse von insgesamt 107 Entscheidungen und auch den Informationen von Pro Asyl widersprechen. Rechnerisch ergäbe sich eine korrigierte durchschnittliche Haftdauer von 80 Tagen. Außerdem führe die Begrenzung der in letzter Zeit massiv ausgeweiteten Inhaftierung von Familien auf 30 Tage zu einer Reduktion des allgemeinen Durchschnittswerts. Dublin-Rückkehrer würden häufig für die gesamte zulässige Dauer der Asylhaft sechs Monate eingesperrt. Ein Rechtsmittel hiergegen sei nicht zulässig. Es finde lediglich eine Anhörung statt, die sich auf die formellen Voraussetzungen der Anordnung von Asylhaft beschränke. Diese Voraussetzungen dürften auf alle Dublin-Rückkehrer anwendbar sein. Auf den Kläger treffe dies insbesondere deshalb zu, weil sein Asylantrag am 21. Februar 2014 in seiner Abwesenheit abgelehnt worden sei. Er werde als Person geführt, „die sich den Feststellungen der Behörde entzogen oder das Asylverfahren anderweitig behindert hat“. Haftanordnungen enthielten darüber hinaus Begründungen, die gesetzlich nicht vorgesehen seien. Die Haftgründe würden über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus konturlos erweitert. Im Anschluss an die Asylhaft sei bei einer Ablehnung des Asylantrags mit Abschiebungshaft zu rechnen. Es bestehe keine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes. Die Haftbedingungen würden sowohl in den Auskünften von Pro Asyl als auch des Auswärtigen Amtes kritisiert. Eine expansive Anwendung sedierender Medikamente sei festzustellen. Der UNHCR habe bereits 2012 gewarnt, dass ungarische Asylwächter Migranten mit Drogen ruhig stellen. Die Gründe für die Verhaftungen seien willkürlich und undurchsichtig. Die Haftbedingungen seien bereits deshalb problematisch, weil sog. „armed security guards“ eingesetzt würden, von denen häufig körperliche Übergriffe geschildert würden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn Räume nicht durch Kameras überwacht würden. Die Betroffenen seien rechtlos gestellt, da sie im Falle einer Beschwerde bestenfalls mit wiederholten Schikanen rechnen dürften.
Die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO sei jedenfalls am
Der Kläger lässt beantragen,
das Klageverfahren fortzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Asylakten, die Gerichtsakten in den Verfahren Az. RN 3 S 14.50032 und RN 3RN 3 K 14.50033, sowie die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage gilt nicht als zurückgenommen. Die auf Aufhebung des Bescheids vom
1. Der mit Schriftsatz vom
Falls über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Klagerücknahme oder über das Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Rücknahmefiktion Streit entsteht, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung durch Urteil zu entscheiden, wenn dies beantragt wird (vgl. Kopp, VwGO, § 92, Rdnr. 28 m. w. N.). Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, so entscheidet es nach Verhandlung der Sache im Rahmen des Endurteils (vgl. Kopp a. a. O. Rdnr. 29 m. w. N.).
Gemäß § 81 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) gilt die Klage als zurückgenommen, wenn ein Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als einen Monate nicht betreibt. Der Kläger wurde in dem Aufforderungsschreiben vom 6. August 2014 auf die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hingewiesen, vgl. § 81 Satz 3 AsylVfG.
Der gerichtliche Einstellungsbeschluss vom
2. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist zulässig, aber unbegründet.
a. Statthaft ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 AltVwGOVwGO.
Rechtsgrundlagen für den angefochtenen Bescheid sind § 27a und § 34a AsylVfG. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt u. a. die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an. Hierbei handelt es sich um belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG, deren isolierte Aufhebung zulässig ist, weil diese zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt (vgl. VG Düsseldorf
Verpflichtungsklagen, die entweder auf die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung und die Folgeentscheidungen oder auf das Ausüben des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte gerichtet sind, wären in der hier gegebenen Situation dagegen nicht statthaft. In den Fällen der Einstellung des Asylverfahrens steht die - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Verfahrens einer Verpflichtungsklage, bei der das Verwaltungsgericht „durchzuentscheiden“ hätte, entgegen (vgl. BayVGH
Ferner würde ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Beklagten kontrollieren, sondern sich erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 a. E. AsylVfG bedenklich, da der Gesetzgeber die Prüfung dem Bundesamt zugewiesen hat (vgl. VG Regensburg
b. Die Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. U. ist für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig und es sind keine außergewöhnlichen Gründe ersichtlich, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gebieten. Die Abschiebungsanordnung ist zu Recht ergangen.
aa. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor.
Maßgeblich für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO). Deren Zuständigkeitskriterien finden gemäß Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO auf Asylanträge, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden, Anwendung. Das Gericht hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Übernahmezusage bzw. den darauf basierenden Bescheid an den Vorschriften der Dublin III-VO zu messen.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei U. um den für das Asylverfahren zuständigen Staat im Sinne des § 27a AsylVfG handelt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. U. erklärte mit Schreiben vom 6. März 2014 sein Einverständnis mit einer Rückübernahme des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO, da dieser am 21. August 2013 in U. einen Asylantrag gestellt hatte, der am 21. Februar 2014 abgelehnt wurde. Zur Prüfung des Antrags ist damit nicht die Beklagte, sondern U. zuständig. Dessen Zuständigkeit umfasst gemäß Art. 2 Buchstabe d Dublin III-VO die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen oder Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Zuständigkeit U.s steht nicht entgegen, dass nach der Auffassung des Klägers eigentlich Griechenland für die Behandlung des Asylantrags zuständig gewesen wäre und das Bundesamt U. hierauf hätte hinweisen müssen. Dem Behördenakt lässt sich bereits nicht entnehmen, dass der Kläger einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. In der Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats vom 16. Januar 2014 gab er zwar an, dass er sich drei Jahre in Griechenland aufgehalten habe. Auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat Asyl beantragt habe, nannte er jedoch nur U.. Es bestand für das Bundesamt daher keine Veranlassung, auf ein angebliches Asylverfahren in Griechenland hinzuweisen. Im Übrigen hätte U. selbst gemäß Art. 22 Dublin III-VO Gelegenheit gehabt, in dem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats die erforderlichen Überprüfungen, z. B. durch eine EURODAC-Abfrage, vorzunehmen, um eine vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können. U. ist aber erkennbar von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen.
Außerdem kann gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Selbst wenn U. nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig wäre, würde es dadurch gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO zum zuständigen Mitgliedstaat werden. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10, C-493/10
§ 34a Abs. 1 AsylVfG, nach dem die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in Deutschland gestellten Asylantrags erfolgen soll, liegt das sogenannte Konzept der normativen Vergewisserung zugrunde. Abweichend hiervon hat Deutschland dann Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen dieses Konzepts berücksichtigt werden können und damit außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Genfer Flüchtlingskonvention steht (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann nur erreicht werden, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass einer der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 a. a. O.). Das Gericht muss sich die Überzeugung verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedsstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG
Für das Gericht ist im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in U. oder die Betreuung von Asylbewerbern systemische Mängel aufweist, die eine Durchbrechung des Konzepts der normativen Vergewisserung gebieten würden. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin III-VO hinfällig werden lässt. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. OVG Lüneburg
Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Zwar waren die Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen in der Vergangenheit beanstandenswert und teilweise unzureichend. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Unregelmäßigkeiten traten auch vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der früheren Dublin II-VO Verordnung nach U. rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete daher in einem Bericht vom April 2012 den Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer als problematisch (vgl. UNHCR, U. als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in U., April 2012, Seite 9). Diese Lage hat sich aber gebessert. Das Gericht schließt sich insoweit der folgenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts Ansbach in seinem Beschluss vom 3. Dezember 2013 (Az. AN 11 S 13.31074) an:
„Allerdings sind aus Sicht des erkennenden Gerichts diese Mängel der ungarischen Ausländer- und Asylverfahrenspraxis mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen im ungarischen Parlament vom November 2012 erheblich entschärft worden. Nach der Fortschreibung der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland U. vom Dezember 2012 werden nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft, selbst wenn es sich um Asylsuchende handelt, die über Serbien oder die Ukraine oder im Wege der Rückführung nach U. gelangen. Auch die vormals verbreitete Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen, ist nach diesem Bericht des UNHCR stark rückläufig und wird im Rahmen einer stärkeren Kontrolle durch die Polizeihauptquartiere und Staatsanwaltschaften sowie ergänzend durch eine Arbeitsgruppe von Richtern flankiert (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, December 2012, http://www...org/...html). Die von der Antragstellerseite angeführte Änderung der ungarischen Gesetzgebung, wonach seit 1. Juli 2013 in U. wieder die Haft für Asylantragsteller eingeführt worden sei, ist nicht geeignet, die vorstehenden Ausführungen in Frage zu stellen. Wie sich der aktuellen Lageeinschätzung des Vereins „bordermonitoring.eu“ vom 20. August 2013 entnehmen lässt, erfolgen Inhaftierungen von Asylbewerbern in U. lediglich in Einzelfällen.“
Im Ergebnis hält es das Gericht nach summarischer Prüfung im entscheidenden Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht für wahrscheinlich, dass dem Kläger in U. als sog. Dublin-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht (vgl. statt vieler: VG Augsburg
Das Gericht sieht auch im Hinblick auf neuere Erkenntnisquellen gegenwärtig keine Veranlassung von dieser Einschätzung abzugehen und schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen der überzeugenden Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade in seinem Beschluss vom 14. Juli 2014 (Az. 1 B 862/14) an:
„Systemische Schwachstellen im Asylverfahren in U. für Dublin-Rückkehrer lassen sich auch den von der Antragstellerin benannten aktuellen Erkenntnisquellen nicht entnehmen. Weder die Auskünfte des UNHCR vom 09. Mai 2014 auf eine Anfrage des VG Düsseldorf (hierzu:
Die in den genannten Erkenntnisquellen beschriebene Umsetzung der ungarischen Gesetzgebungslage, nach der seit dem 1. Juli 2013 die Haft für Asylantragsteller wieder zulässig ist, lässt nicht auf systemische Schwachstellen des Asylsystems für Dublin-Rückkehrer schließen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - wie das VG Düsseldorf zu Recht anmerkt -
„(…) der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und U. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar[stellt]. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht U. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.“, VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 68.
Gem. Art. 28 Abs. 1, 4 Dublin III-VO i. V. m. Art. 8 f. der Richtlinie 2013/33 EU („AufnahmeRL“) nehmen die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b AufnahmeRL regelt jedoch, dass ein Antragsteller insbesondere dann ausnahmsweise in Haft genommen werden darf, wenn Fluchtgefahr besteht.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht nicht erkennen, dass die ungarische Asylhaftpraxis systematisch die Grenzen des europäischen Rechts überschreitet, wenn - entsprechend der Auskunft des UNHCR - Dublin-Rückkehrer regelmäßig inhaftiert werden, weil die Behörden davon ausgehen, dass sie die Bescheidung ihres Asylantrages nicht in U. abwarten, sondern sich durch erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden. Dass die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal aus U. geflohen sind, eine Fluchtgefahr annehmen, erscheint nicht willkürlich, sondern naheliegend. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass die Behörden insoweit Gebrauch von den im ungarischen nationalen Recht geregelten „überschießenden“ Haftgründen - deren Europarechtskonformität durchaus angezweifelt werden kann - machen, wonach eine Inhaftierung schon bei einem „Verzögern“ oder „Behindern“ des Asylverfahrens angeordnet werden kann (vgl. Art. 31/A Buchst. c des ungarischen Asylgesetzes, vgl. VG Düsseldorf a. a. O., Rn. 106).
Dass für Dublin-Rückkehrer regelmäßig ein Fluchtgrund angenommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass die gem. Art. 8 Abs. 2 AufnahmeRL erforderliche Einzelfallprüfung der Haftanordnung grundsätzlich nicht erfolgt. Im oben genannten National Country Report Hungary (aida) wird vielmehr ausgeführt, dass alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern tatsächlich nicht in Asylhaft genommen würden, obwohl dies rechtlich möglich sei (a. a. O., S. 9). Eine solche Differenzierung belegt, dass tatsächlich Umstände des Einzelfalls bei der Haftanordnung berücksichtigt werden. Die Anforderungen, die an eine solche Einzelfallprüfung zu stellen sind, müssen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wiederaufnahme der Dublin-Rückkehrer rein zahlenmäßig ein Massengeschäft ist, welches für die Verwaltung handhabbar bleiben muss. So ist es zwar aus rechtsstaatlichen Gründen wünschenswert, dass sich eine vorangegangene Einzelfallprüfung auch in der schriftlichen Haftanordnung konkret niederschlägt, vom europäischen Recht ist dies jedoch nicht eindeutig gefordert. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 AufnahmeRL sieht lediglich vor, dass die sachlichen und rechtlichen Gründe in der Haftanordnung angegeben werden. Dass die Haftanordnung den Haftgrund „Fluchtgefahr“ nicht - auch nicht in standardisierter Form - benennt, kann das Gericht der Auskunft des UNHCR nicht klar entnehmen (vgl. dort Antwort auf Frage 3, erster Spiegelstrich:
„Der Begründungsteil [der Haftanordnung] führt keine konkreten Gründe aus, aus denen es im Falle des konkreten Asylbewerbers nötig und sachgerecht ist, Asylhaft anzuordnen. Auch fehlen Informationen dazu, warum genau im konkreten Falle die Haft erforderliches Mittel ist, um die Verfügbarkeit des Asylbewerbers während des Verfahrens sicherzustellen.“).
Der Umstand, dass bei Dublin-Rückkehrern regelmäßig eine standardisierte Verlängerung der Haftzeit um 60 Tage erfolgt und dies im Ergebnis häufig zu einer Haftdauer von insgesamt vier bis fünf Monaten führt (vgl. National Country Report Hungary, aida, a. a. O., S. 51 u. 49), steht nicht in klarem Widerspruch zu den europäischen Vorgaben, namentlich zu Art. 9 Abs. 1 AufnahmeRL. Hiernach wird ein Antragsteller für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie ein Haftgrund vorliegt. Es erscheint nicht grundsätzlich unvertretbar, bei Dublin-Rückkehrern anzunehmen, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr fortlaufend gegeben ist.
Auch dafür, dass in U. der in Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL ausgeformte europäische Mindeststandard eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Haftanordnung unterschritten wird, bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte. Das VG Düsseldorf führt hierzu aus:
„Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen, vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zudem steht dem Asylbewerber zumindest formal der Rechtsbehelf der objection zu Verfügung (vgl. Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in U. systemisch eine unmenschliche, erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer darstellen. Die im Bericht des Helsinki Komitees genannten Einzelfälle („Information Note“, Hungarian Helsinki Committee, a. a. O., S. 18) ebenso wie der von der Antragstellerin angeführte „Bericht über den Besuch in der Haftanstalt in Nyírbátor (U.)“ von Marc Speer (Bericht vom 10. März 2014, abrufbar unter http://...eu/files/2012/03/Besuch-Nyirbator.pdf), in dem das Einzelschicksal eines pakistanischen Asylbewerbers geschildert wird, lassen insoweit keine Rückschlüsse zu. Der Auskunft des UNHCR lässt sich entnehmen, dass die Behandlung der Inhaftierten durch die Aufsichtskräfte problematisch bleibt, dies jedoch in einem geringeren Ausmaß als zuvor (Auskunft des UNHCR an VG Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen von Missständen insbesondere der Inhaftierungspraxis in U.. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Der UNHCR hat bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in U. festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach U. zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH vom 30.5.2013 Az. C-528/11).
Damit ist nach derzeitigem Kenntnisstand und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH vom 21.12.2011 Az. C-411/10 u. a.) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR vom 3.7.2014 Az. 71932/12) nicht davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylsuchenden einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.
bb. Der Kläger kann auch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO geltend machen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen Antrag auf internationalen Schutz prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin III-VO begründen - wie die der Dublin II-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden. Sie dienen nämlich alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin
Selbst wenn man jedoch einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung annehmen würde, bestehen hier keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich dieser zu einem Anspruch auf Selbsteintritt reduziert hat („Ermessensreduzierung auf Null“). Da es sich bei dem Selbsteintritt um einen Ausnahmefall handelt, müssten außergewöhnliche Gründe vorliegen, die Deutschland verpflichten könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben. Solche sind allenfalls dann gegeben, wenn außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. VG Bremen
cc. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO abgelaufen ist. Die Überstellungsfrist wird nämlich gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf (höchstens) 18 Monate verlängert, also hier bis 1. Oktober 2015, da der Kläger flüchtig im Sinne dieser Vorschrift ist. Ein Asylbewerber ist bereits dann „flüchtig“, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. Erforderlich ist nicht, dass er seine Wohnung (dauerhaft) verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft nämlich an die „Überstellung“ an. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (vgl. VG Magdeburg
Im vorliegenden Fall sollte der Kläger am
Im Übrigen kann von einer nur „vorübergehenden Abwesenheit“ nicht die Rede sein, so dass der Kläger auch insoweit „flüchtig“ war und noch ist. Nach den vorliegenden Unterlagen war der Kläger zumindest ab dem 14. Juli 2014 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft. Sein anwaltlicher Bevollmächtigter teilte erst mit Schriftsatz vom 5. September 2014 mit, dass er sich im „Kirchenasyl in H.“ befinde. Eine nahezu zweimonatige Abwesenheit ohne Meldung der Adresse an die Beklagte führt ebenfalls dazu, dass der Kläger als „flüchtig“ anzusehen war. Außerdem befindet sich der Kläger nach einer telefonischen Auskunft des Landratsamts ... vom 19. Februar 2015 nach wie vor in H. im „Kirchenasyl“. Auch der Versuch sich mittels eines - hier längeren - „Kirchenasyls“ der Überstellung zu entziehen führt dazu, dass der Kläger flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, da dieses „Überstellungshindernis“ auf einem von ihm zu verantwortenden Verhalten beruht.
dd. Die Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig ergangen.
Nach dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist. Andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, dann ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. BayVGH
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, da sich die Klage hauptsächlich gegen den Bescheid vom 14. März 2014 richtete. Insoweit hatte sie keinen Erfolg.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Bei der Klägerin handelt es sich nach deren Angaben um eine 1981 geborene serbische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit: Roma. Sie hatte in der Bundesrepublik Deutschland 2013 ein Asylverfahren erfolglos geführt. Für die Einzelheiten wird auf die beigezogene Bundesamtsakte Az.: ...170 Bezug genommen.
Auf Anfrage des für die Klägerin zuständigen Ausländeramtes des Landratsamtes ...-...
Mit Bescheid vom
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BAMF vom 27. (gemeint wohl: 24.) August 2015, Geschäftszeichen ...170, zu verpflichten, den Bescheid vom
Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass sich der psychische Gesundheitszustand der Klägerin seit Abschluss des unanfechtbaren Asylverfahrens extrem verschlechtert habe, woraus sich ein immenses Risiko für das Leben und somit auch für die körperliche Unversehrtheit der Klägerin bei Rückführung nach Serbien ergebe. Für die Einzelheiten des Vorbringens und der dazu vorgelegten Unterlagen wird auf Blatt 56 bis 71 der Gerichtsakte verwiesen.
Nachgereicht wurde ein fachärztliches Gutachten über die Klägerin vom
Für die Beklagte beantragte das BAMF
Klageabweisung
und nahm im weiteren Verfahren zum Ergebnis der psychiatrischen Begutachtung der Klägerin mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Mit Beschluss zuletzt vom
Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung am
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Bundesamtsakten Az.: ...170 und Az.: ...170 Bezug genommen.
Gründe
Die vorliegende Klage, mit der die Klägerin im Ergebnis die Verpflichtung des BAMF auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG anstrebt, ist als unzulässig abzulehnen, weil es ihr aufgrund des Verhaltens der Klägerin am allgemeinen Zulässigkeitserfordernis eines anerkennenswerten Rechtschutzbedürfnisses fehlt.
Die Klägerin hat - gemeinsam mit ihrer Familie - einerseits ihre Person der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, durch Eintritt in sogenanntes „Kirchenasyl“, gegen das vorzugehen sich die bayerischen Ausländerbehörden nach bekannter, bereits jahrelanger Praxis durchgängig scheuen vorzugehen (weshalb dessen Aufsuchen im Übrigen einem „Untertauchen“ in aufenthaltsmäßiger Hinsicht gleichzusetzen ist), bewusst entzogen. Sie kann dann nicht andererseits gleichzeitig Rechtsschutz in aufenthaltsmäßiger Hinsicht durch staatliche Rechtsorgane, hier die Klage zum staatlichen Verwaltungsgericht wegen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG, beanspruchen. Dies stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar.
Der Umstand, dass die Klägerin - in Begleitung von Mitgliedern des Kirchenvorstandes der sogenanntes „Kirchenasyl“ gewährenden Kirchengemeinde - zur mündlichen Verhandlung vor Gericht erschienen ist, steht der Einstufung der Klage als unzulässig nicht entgegen. Denn die Klägerin hat nicht zu erkennen gegeben, dass sie das sogenannte „Kirchenasyl“ beendet hat oder - unabhängig vom Ausgang ihres Verfahrens - unmittelbar beenden wird. Sie hat in der mündlichen Verhandlung (nur) erklärt, dass sie nach Ende der Gerichtsverhandlung „in die Kirche“ zurückgehe und nicht vorhabe, dort auszuziehen, sie warte dort die Entscheidung ab, und für ihr Erscheinen beim Gerichtstermin den Umstand ausgenutzt, dass mit einem „Zugriff“ auf ihre Person für die Dauer des Termins und ihrer An- und Abreise nicht zu rechnen ist. Der Grundkonflikt, dass die Klägerin nicht bereit ist, die Staatsgewalt des Aufenthaltsstaats anzuerkennen (was gerade auch beinhaltet, sich auch einem potentiellen negativen Ausgang ihres aufenthaltsrechtlichen Verfahrens zu unterwerfen) und dies aktiv umsetzt durch Aufsuchen sogenannten „Kirchenasyls“ und sie dennoch vom Aufenthaltsstaat aufenthaltsmäßigen Rechtsschutz beansprucht, ist durch ihr bloßes Erscheinen im Gerichtstermin nicht beseitigt. Wenn staatliche Organe - einschließlich der Organe der Rechtsprechung - ein derartiges Vorgehen hinnehmen, bereiten sie Verhältnissen den Weg, die in ihrer letzten Konsequenz zu einem zerfallenden Staat führen. Die dem Grundgesetz immanenten Prinzipien der rechtsstaatlichen Verfasstheit und einer einheitlichen, effektiven Staatsgewalt erfordern die Einstufung einer derartigen Klage bei einem derartigen Verhalten als unzulässig. Das sogenannte „Kirchenasyl“ findet keinerlei Grundlage in der geltenden staatlichen Rechtsordnung, auch nicht etwa in Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 bis 139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung, sondern steht mit ihr in diametralem Konflikt.
Da die Klage sich bei alledem als unzulässig erweist, kommt es auf die Frage ihrer Begründetheit nicht an, weshalb die vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge auch nicht entscheidungserheblich sind, wie dies bereits im Ablehnungsbeschluss in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht worden ist.
Aufgrund der Klageabweisung ist hier die Kostenlastentscheidung gemäß § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO zuungunsten der Klägerin geboten. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.