Sozialgericht Stralsund Gerichtsbescheid, 20. März 2014 - S 1 R 342/13

20.03.2014

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2013 verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 4. Juli 2012 auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Beklagte ist verpflichtet, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben.

2

Der am 30. September 1964 geborene Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Lokschlosser Dampf/Diesel. Im Anschluss hieran war er von 1983 bis 1985 als Dampflokheizer beschäftigt. In der Zeit von 1986 bis 1990 studierte der Kläger an der Offiziershochschule der Marine als Schiffsmaschinen-Ingenieur; einen Abschluss erreichte er nicht. Von 1990 bis 1994 war als Instandhaltungsmechaniker Rangiertechnik beschäftigt. Im Rahmen einer Umschulung von 1994 bis 1996 erwarb der Kläger einen Berufsabschluss als Trockenbaumonteur und war im Anschluss an diese Ausbildung von 1996 bis 30. Oktober 2003 als Trockenbaumonteur und „Allrounder“ in einem Bauunternehmen versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 1. November 2003 ist der Kläger arbeitslos.

3

Am 4. Juli 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Berufliche Rehabilitation). Zur Begründung gab er u.a. an, dass er wegen der Beschwerden der Lendenwirbelsäule ständige Schmerzen in den Beinen habe und nicht lange Stehen und Gehen könne. Außerdem leider er unter einem Tinnitus und könne deswegen keine laute Umgebung ertragen, da das Ohrengeräusch ein kreischender Ton sei. Außerdem leider er seit 2006 unter Bluthochdruck und habe schlechte Cholesterinwerte.

4

Die Beklagte zog das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Stralsund vom 22. Mai 2012 und den Entlassungsbericht der stationären Rehabilitation in der MEDIAN Klinik B. S. vom 31. Januar bis zum 21. Februar 2013 bei, holte einen Befundbericht der behandelnden FÄ für Innere Medizin Dr. XXX vom 20. Juli 2012 ein und veranlasste eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes. Der Gutachter Dr. XXX stellte dort fest, dass der Kläger zwar den zuletzt ausgeübten Beruf eines Trockenbauers nicht mehr weiterhin verrichten können. Er sei allerdings in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und im Sitzen, in Tages-, Früh- und Spätschicht unter Beachtung weiterer im Entlassungsbericht der M-Klinik genannten Einschränkungen (ohne ausdauernde Zwangshaltungen, ohne schweres heben und Tragen über 15 Kg, ohne häufiges Hocken und Knien, ohne häufiges Klettern und Steigen unter Absturzgefahr) vollschichtig zu verrichten.

5

Mit Bescheid vom 16. April 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Leistungen ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei, weil der Kläger in der Lage sei, eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin auszuüben.

6

Den hiergegen am 10. Mai 2013 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung – auf die im Übrigen zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen wird - führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Berücksichtigung der Tatsache, dass vom Kläger körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel und ohne Zwangshaltungen für sechs Stunden und mehr verrichtet werden könnten, zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nicht erforderlich seien. Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit sei auf die bisherige Tätigkeit abzustellen. Dies sei grundsätzlich der zuletzt ausgeübte Beruf. Es seien aber auch die beruflichen Tätigkeiten der letzten Jahre, wenn auch nicht in allzu lange zurückliegender Zeit, einzubeziehen. Der Kläger sei zuletzt 2003 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und sei seitdem arbeitsuchend. Bei einer Arbeitslosigkeit von mittlerweile 10 Jahren sei somit der Bezugspunkt bei der Prüfung der Erwerbsfähigkeit der allgemeine Arbeitsmarkt. In Bezug auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers weder erheblich gefährdet noch gemindert.

7

Mit der am 1. August 2013 erhobenen Klage vertritt der Kläger die Ansicht, dass hier sowohl die persönlichen als auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VI erfüllt seien. Abzustellen sei auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Trockenbaumonteur. Diese Tätigkeit könne von ihm unstreitig im Hinblick auf seine Erkrankungen nicht mehr ausgeübt werden. Dies habe auch die M Klinik B. S. mit Schreiben vom 2. Mai 2013 bestätigt. Soweit die Beklagte meinen würde, dass er im Hinblick auf seine Arbeitslosigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen sei, sei dies nicht zutreffend.

8

Der Kläger beantragt,

9

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2013 zu verpflichten, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 9 ff SGB VI, 33 ff. SGB IX zu bewilligen.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid. In Bezug auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers nach ihren Feststellungen weder erheblich gefährdet noch gemindert. Die Rechtsprechung habe in der Vergangenheit einen Zeitraum von 10 Jahren vor Antragstellung als „nicht allzu lang zurückliegend“ bestätigt (SG Gießen vom 20. August 2009, Az. D 2 R 1026/07; SG Berlin vom 28. Januar 2011, Az. S 12 R 1778/09).

13

Die Kammer hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf sowie auf die Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

15

Die Kammer hat gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten haben innerhalb der vom Gericht eingeräumten Stellungnahmefrist ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt.

2.

16

Die hier statthafte und auch im Übrigen zulässige Verpflichtungs-(Bescheidungs-)klage ist begründet. Der Bescheid vom 16. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dieser hat einen Anspruch auf die beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Hinsichtlich der geeigneten Maßnahmen hat die Beklagte den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

17

Die Rentenversicherung erbringt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des 6. Sozialgesetzbuches _ gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Diese Leistungen haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Sie können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VI). Diese sind hier nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) erfüllt. Der Kläger hat nicht nur die Wartezeit von 15 Jahren und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe erfüllt (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI), sondern entgegen der Auffassung der Beklagte gilt dies auch für die in § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erforderliche Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit. Schließlich bestehen vorliegend keine gegen die Annahme sprechenden Anhaltspunkte, dass die bereits geminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers (vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen unter b)) voraussichtlich durch die beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann.

a)

18

Nach der ständigen Rechtsprechung ist der Begriff der im Gesetz nicht definierten Erwerbsfähigkeit als Fähigkeit des Versicherten zu verstehen, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Nicht hingegen sind die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend sind (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – B 5 RJ 15/05 R = SozR 4-2600 § 10 Nr. 2, Rn. 17; vgl. auch Urteil vom 29. März 2006 – B 13 RJ 37/05 R = SozR 4-2600 § 10 Nr. 1 zu § 10 Nr. 1 in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261). Maßgeblich ist danach die Minderung des Leistungsvermögens des Versicherten in seiner letzten, nicht nur kurzfristig ausgeübten Tätigkeit. Eine Probebeschäftigung, die nur wenige Monate dauerte, ist deshalb für die Frage, ob die Erwerbsminderung im jeweiligen Beruf eingetreten ist, nicht heranzuziehen. Wechselte der Versicherte in den letzten Jahren seine Berufe, sind für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit die beruflichen Tätigkeiten der letzten Jahre entsprechend zu würdigen, sofern die unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten nicht nur kurzfristig ausgeübt wurden. Maßgeblich ist dabei auf die beruflichen Tätigkeiten in den letzten Jahren, wenn auch aus nicht allzu lange zurückliegender Zeit, abzustellen (BSG, Urteil vom 31. Januar 1980 - 11 RA 8/79 = SozR 2200 § 1237a Nr. 10; vgl. auch Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Dezember 2012, § 10 SGB VI, Rn. 3; Luthe in: jurisPK- SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand 1. Juli 2013, § 10, Rn. 31). Dagegen ist die Qualität der beruflichen Tätigkeit ohne Bedeutung. Der Rentenversicherungsträger darf den Versicherten bei der Prüfung der Erwerbsfähigkeit daher nicht darauf verweisen, dass er trotz der in seinem zuletzt ausgeübten Beruf bestehenden Fähigkeitsstörungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch vollschichtig einen anderen, zumutbaren Beruf (Verweisungsberuf) ausüben kann.

b)

19

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen ist deshalb hier Bezugspunkt für die Frage der Minderung oder Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nicht „der allgemeine Arbeitsmarkt“, sondern die vom Kläger zuletzt bis Oktober 2003 ausgeübte Tätigkeit als Trockenbaumonteur. Diese Tätigkeit kann vom Kläger unter Berücksichtigung seiner wegen Krankheit geminderten Erwerbsfähigkeit nicht mehr ausgeübt werden. Dies steht für die Kammer unter Berücksichtigung des in den beigezogenen Verwaltungsakten befindlichen Entlassungsberichts der M Klinik B. S. sowie des Gutachtens des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit fest und bedarf hier unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten am 8. April 2013 festgestellt hat, dass der Kläger seine letzte Tätigkeit als Trockenbauer nicht mehr ausüben kann, keinen weiteren Darlegungen der Kammer.

c)

20

Entgegen der Ansicht der Beklagten ändert sich der maßgebliche Bezugsberuf nicht durch Zeitablauf (ebenso SG Halle, Urteil vom 27. September 2012 – S 11 R 873/11; SG Karlsruhe, Urteil vom 13. März 2013 – S16 R 3178/12; a.A. SG Gießen, Gerichtsbescheid vom 20. August 2009 – S 2 R 1026/07; Sächsisches LSG, Urteil vom 7. Januar 2014 – L 5 R 626/12; jeweils zitiert nach juris). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Versicherte nach seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit längere Zeit arbeitslos gewesen ist. Wenn schon nicht einmal – wie oben dargestellt - die kurzfristige Aufnahme einer anderen Berufstätigkeit bei der Ermittlung des maßgeblichen Bezugsberufes herangezogen werden soll, so kann umso weniger allein die arbeitsförderungsrechtliche Zumutbarkeit aller der Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen, soweit nicht allgemeine oder personenbezogene Gründe im Sinne des § 121 Abs. 2 bis 4 des Dritten Sozialgesetzbuches – Arbeitsförderung (SGB III) der Zumutbarkeit entgegenstehen, zu einem „Entfallen“ des Bezugsberufes nach einer längeren Dauer einer Arbeitslosigkeit führen.

21

Die von der Beklagten vertretene und nunmehr auch aktuell vom Sächsischen LSG in dem Urteil vom 7. Januar 2014 bestätigte Rechtsauffassung überzeugt nicht; sie ist mit der vom Gesetzgeber für die hier streitigen Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 5 Nr. 2 des 9. Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) getroffenen Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den nach § 6 Abs. 1 SGB IX möglichen Rehabilitationsträgern „Bundesagentur für Arbeit“ (§§ 6 Abs. 1 Nr. Nr. 2 bzw. 6a S. 1 SGB IX und dem zuständigen „Träger der gesetzlichen Rentenversicherung“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX) nicht vereinbar. Der 5. Senat des Sächsischen LSG begründet seine Rechtsauffassung damit, dass nach einer derart langen Zeit der Arbeitslosigkeit und/oder Beschäftigungssuche eine Bindung an eine konkrete berufliche Betätigung, die maßgeblicher Bezugspunkt sein kann, nicht mehr bestehen und der mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verbundene Zweck, krankheits- oder behinderungsbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, nicht mehr erreicht werden könne. Denn nach einer derart langen Dauer der Arbeitslosigkeit würden die Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig auf dem Verlust von Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnissen beruhen, die zwangsläufig mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess und der Arbeitsentwöhnung als solcher verbunden sind. Dieses Risiko, nämlich den durch Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess eingetretenen Verlust von Kernkompetenzen und Qualifikationen in längere Zeit nicht mehr ausgeübten Beruf auszugleichen, sei aber nicht von der Rentenversicherung abgedeckt. In solchen Fällen ist es daher zutreffend, als Bezugspunkt der Prüfung der Erwerbsfähigkeit ausnahmsweise den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erachten (a.a.O., Rn. 19). Diese Begründung überzeugt deshalb nicht, weil die Rehabilitationsbedürftigkeit des Klägers hier gerade nicht auf der zwischenzeitlichen Dauer der Arbeitslosigkeit und des hiermit einhergehenden Verlusts von Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnissen der Tätigkeit eines Trockenbaumonteurs beruht, sondern hier wesentlich durch die aktuelle Verminderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bedingt ist, welche aus gesundheitlichen Gründen eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit nicht mehr erlaubt. Nach der in § 7 Satz 2 SGB IX getroffenen Zuständigkeitsabgrenzung, welche sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträgern geltenden Leistungsgesetzen richtet, bestehen unter Verweis auf die Regelung des § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VI keinerlei Zweifel, dass in einem solchen Fall eine Zuständigkeit des Träger der Rentenversicherung vorgesehen ist. Denn danach obliegt den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung die interdisziplinäre, finale und möglichst vollständige Bearbeitung der individuellen Folgen einer Krankheit bzw. Behinderung (Luthe, jurisPK-SGB VI, a.a.O., § 9 Rn. 73). Dagegen bestimmt § 22 Abs. 2. S. 1 SGB III, dass durch die Bundesagentur für Arbeit allgemeinen und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einschließlich der Leistungen an Arbeitgeber und an Träger nur erbracht werden dürfen, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX zuständig ist.

22

Nach alledem kann deshalb letztlich dahingestellt bleiben, dass die Ablehnungsentscheidung der Beklagten nicht einmal unter Zugrundelegung der von ihr selbst vertretenen Rechtsauffassung rechtmäßig wäre, denn der Kläger hat den Antrag auf die Gewährung von Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben am 4. Juli 2012 gestellt und war damit zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung nach Ausübung der Tätigkeit als Trockenbauer auch noch nicht 10 Jahre arbeitslos.

3.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG; sie entspricht dem Ergebnis der Hauptsache. Das Rechtsmittel der Berufung bedurfte hier gemäß §§ 105 Abs. 2, 143, 144 Abs. 1 SGG keiner ausdrücklichen Zulassung durch das Sozialgericht.

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Sozialgericht Stralsund Gerichtsbescheid, 20. März 2014 - S 1 R 342/13 zitiert 14 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 105


(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 6 Rehabilitationsträger


(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein: 1. die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,2. die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3,3. die Träger der gesetzlichen

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 9 Aufgabe der Leistungen zur Teilhabe


(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um 1. den Auswirkungen einer Krankh

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 10 Persönliche Voraussetzungen


(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und2. bei denen vora

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 11 Versicherungsrechtliche Voraussetzungen


(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung1.die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder2.eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen. (2) Für die L

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 7 Vorbehalt abweichender Regelungen


(1) Die Vorschriften im Teil 1 gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen z

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Sozialgericht Halle Urteil, 27. Sept. 2012 - S 11 R 873/11

bei uns veröffentlicht am 27.09.2012

Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2011 verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 3. August 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht

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(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung

1.
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder
2.
eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen.

(2) Für die Leistungen zur Prävention und zur medizinischen Rehabilitation haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch erfüllt, die

1.
in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
2.
innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufgenommen und bis zum Antrag ausgeübt haben oder nach einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum Antrag arbeitsunfähig oder arbeitslos gewesen sind oder
3.
vermindert erwerbsfähig sind oder bei denen dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
§ 55 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Zeitraum von zwei Jahren nach Nummer 1 verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches. Für die Leistungen nach § 15a an Kinder von Versicherten sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit oder die in Satz 1 oder in Absatz 1 genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat.

(2a) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden an Versicherte auch erbracht,

1.
wenn ohne diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder
2.
wenn sie für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.

(3) Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen haben auch überlebende Ehegatten erfüllt, die Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit haben. Sie gelten für die Vorschriften dieses Abschnitts als Versicherte.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich
a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2011 verurteilt, über den Antrag des Klägers vom 3. August 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

1

Der Kläger streitet mit der Beklagten über die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

2

Der 1970 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Instandhaltungsmechanikers. Danach war er als Schlosser, Klempner, Wachmann, als Selbstständiger im Holz- und Bautenschutz, Gerüstbauer, wiederum als Klempner und zuletzt als Fenstermonteur beschäftigt (siehe Aufstellung des Klägers, Seite 20 und 27 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Danach war der Kläger geringfügig beschäftigt, arbeitslos und bezog Krankengeld. Ab 1. Januar 2005 bezog er Leistungen nach dem SGB II (siehe Kontenspiegel, Seite 20 Rückseite Verwaltungsakte). Am 3. August 2010 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Beklagten lag unter anderem ein Gutachten der Agentur für Arbeit H. vom 22. März 2010 vor (Seite 37 Gutachtenteil Verwaltungsakte). Darin wurde eingeschätzt, dass der Kläger nur fähig sei, leichte körperliche Tätigkeiten in überwiegend sitzender Arbeitshaltung zu verrichten. Seine bisherigen Tätigkeiten als Instandhaltungsmechaniker, Bauhelfer, Klempner könne er nicht mehr dauerhaft ausüben. Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation würden deshalb empfohlen. Mit Bescheid vom 18. August 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Seine Erwerbsfähigkeit sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, da er in der Lage sei, eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin auszuüben. Am 7. September 2010 erhob der Kläger Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2011 (Eingang 4. Juli 2011, siehe Seite 7 Gerichtsakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass bei dem Kläger ein Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden täglich für leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen vorliege. Seine Erwerbsfähigkeit sei weder erheblich gefährdet noch gemindert. Hierbei sei grundsätzlich auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und zwar auf berufstypische Verrichtungen abzustellen. Dabei seien jedoch auch berufliche Tätigkeiten der letzten Jahre einzubeziehen, wenn diese noch nicht allzu lange zurücklägen. Er sei seit Oktober 2002 langzeitarbeitslos. Es sei ihm weiterhin möglich, eine Anlerntätigkeit/Hilfstätigkeit mit einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten unter Ausnutzung seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt zu verrichten.

3

Am 4. August 2011 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Halle erhoben. Er könne in seinen erlernten Berufen nicht wieder tätig werden. Dies sei unstreitig. Aufgrund der bei ihm bestehenden Einschränkungen ergebe sich ein derart eingeschränktes Betätigungsfeld, dass allenfalls durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Reintegration gewährleistet sei.

4

Der Kläger beantragt,

5

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2011 zu verurteilen, über den Antrag des Klägers vom 3. August 2010 auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu entscheiden.

6

Die Beklagte beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Sie hält an ihrer Entscheidung fest.

9

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Klage ist begründet.

11

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte erneut über seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entscheidet, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der beantragten Leistungen vorliegen.

12

Nach § 10 Abs.1 SGB VI haben Versicherte für Leistungen zur Teilhabe die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (Nr. 1) und bei denen voraussichtlich bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann (Nr. 2 a), bzw. bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann (Nr. 2 b).

13

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist gemindert.

14

Erwerbsfähigkeit in Sinne des § 10 Abs. 1 SGB VI ist die Fähigkeit des Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Die Kriterien, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit (Erwerbsminderung) maßgebend sind, sind nicht anwendbar (BSG, Urteil vom 29. März 2006, B 13 RJ 37/05, Rn. 15; Urteil vom 17. Oktober 2006, B 5 RJ 15/05 R, Rn. 17; beide dokumentiert in juris).

15

Der letzte Beruf des Klägers war die Tätigkeit eines Fenstermonteurs. Der Kläger hat ansonsten in seiner Erwerbsbiografie überwiegend Tätigkeiten im industriellen bzw. handwerklichen Bereich und zwar körperlich mindestens mittelschwere Tätigkeiten verrichtet. Da er nur noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen verrichten kann, ist davon auszugehen, dass er weder seine letzte Tätigkeit als Fenstermonteur noch typische Tätigkeiten verrichten kann, die sein bisheriges Berufsleben geprägt haben.

16

Es kommt nicht darauf an, dass der Kläger seit dieser letzten Tätigkeit längere Zeit arbeitslos war. Diese Ansicht beruht auf einem Missverständnis der Rechtsprechung des BSG.

17

In der Rechtsprechung und Kommentarliteratur findet sich der Hinweis, dass bei Prüfung der Erwerbsfähigkeit im Sinne der § 10 Abs. 1 SGB VI berufliche Tätigkeiten der letzten Jahre, wenn auch nicht aus allzu lange zurückliegender Zeit, einzubeziehen sind (Kater in Kasseler Kommentar, SGB VI, 73. Ergänzungslfg., § 10, Rn. 3; SG Gießen, Gerichtsbescheid vom 20. August 2009, S 2 R 1026/07, dokumentiert in juris; beide unter Verweis auf BSG, Urteil vom 31. Januar 1980, 11 RA 8/79, dokumentiert in juris). Diese Entscheidung des BSG zu dem Begriff "bisherige Tätigkeit" betraf jedoch die Rechtsfolgenseite der Gewährung berufsfördernder Leistungen. Nach § 14 a Satz 2 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), zu dem die Entscheidung ergangen ist, waren bei Auswahl der berufsfördernden Leistungen Eignung, Neigung und bisherige Tätigkeit angemessen zu berücksichtigen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "bisherige Tätigkeit" als "berufliche Tätigkeit aus nicht allzu lange zurückliegender Zeit" kann damit nicht auf die Tatbestandsvoraussetzungen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben übertragen werden.

18

Nach anderer Ansicht soll in dem Fall, in dem sich kein Beruf und keine Tätigkeit ermitteln lässt, der bzw. die das Berufsleben überwiegend geprägt hat, darauf abgestellt werden, welche Tätigkeiten für ungelernte Versicherte ohne die konkret festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt erreichbar seien (Verhorst in GK-SGB VI, § 10, März 2009, Rn. 26). Ob dem gefolgt wird, kann hier offen gelassen werden, da sich für den Kläger ein prägendes Berufsbild finden ließ.

19

Die Anknüpfung an den bisherigen Beruf bzw. die bisherige Tätigkeit bei der Prüfung der Erwerbsfähigkeit in Sinne des § 10 Abs. 1 SGB VI ohne Berücksichtigung einer lang andauernden Arbeitslosigkeit ergibt sich auch aus anderen Gründen.

20

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI i. V. m. §§ 51 Abs. 1, 55 Abs. 1, 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI kann auch durch den Bezug von Arbeitslosengeld die versicherungsrechtliche Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfüllt werden. Es wäre dann nicht folgerichtig, die Zeit der Arbeitslosigkeit im Einzelfall zur Einschränkung eines möglichen Anspruchs heranzuziehen. Außerdem kann gerade bei lang andauernder Arbeitslosigkeit ein erhöhter Teilhabebedarf für den jeweiligen Versicherten bestehen. Bei einer allgemeinen Verweisbarkeit langjährig Arbeitssuchender bzw. Arbeitsloser auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, sofern sie zumindest noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten können, würde eine Vielzahl von Versicherten, die die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV erfüllen, von Leistungen der Rentenversicherung von vorneherein ausschließen.

21

Die geminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers kann durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Teilhabeleistungen haben bereits dann Aussicht auf Erfolg im Sinne einer wesentlichen Besserung der geminderten Erwerbsfähigkeit, wenn der Versicherte nach seinen persönlichen Verhältnissen (d. h. nach seiner körperlichen sowie geistigen Leistungsfähigkeit, seiner Motivation und seinem Alter) rehabilitationsfähig ist; die Auswahl einer geeigneten Maßnahme steht im Ermessen des Versicherungsträgers (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006, B 5 RJ 15/05 R, 2. Leitsatz, dokumentiert in juris). Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger rehabilitationsfähig ist, da in dem Gutachten der Agentur für Arbeit H. vom 22. März 2010 ausdrücklich Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation empfohlen worden sind.

22

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt (§ 11 SGB VI). Ausschlussgründe nach § 12 SGB VI liegen nicht vor.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.


(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:

1.
die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
2.
die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3,
3.
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 und 5; für Versicherte nach § 2 Absatz 1 Nummer 8 des Siebten Buches die für diese zuständigen Unfallversicherungsträger für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
4.
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3, der Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
5.
die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
6.
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 sowie
7.
die Träger der Eingliederungshilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5.

(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahr.

(3) Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches. Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.

(1) Die Vorschriften im Teil 1 gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Das Recht der Eingliederungshilfe im Teil 2 ist ein Leistungsgesetz im Sinne der Sätze 1 und 2.

(2) Abweichend von Absatz 1 gehen die Vorschriften der Kapitel 2 bis 4 den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen vor. Von den Vorschriften in Kapitel 4 kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.