Sozialgericht Speyer Urteil, 11. Juli 2016 - S 19 KR 369/14

ECLI:ECLI:DE:SGSPEYE:2016:0711.S19KR369.14.0A
bei uns veröffentlicht am11.07.2016

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von weiterem Krankengeld über den 27.09.2013 hinaus.

2

Der 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er war als Verkäufer von Photovoltaikanlagen im Außendienst beschäftigt, wobei er zuletzt als selbstständiger Handelsvertreter für erneuerbare Energien zunächst im Haupt- und dann im Nebengewerbe tätig war. Das Gewerbe des freien Handelsvertreters meldete er zum 27.03.2012 ab. Seitdem war der Kläger arbeitslos und bei der Beklagten wegen des Bezuges von Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) pflichtversichert.

3

Ausweislich einer Erstbescheinigung des Klinikums L… vom 21.03.2013 war der Kläger seit dem 18.03.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Die arbeitsunfähigkeitsbegründende Diagnose wurde mit K92.1 (Meläna) angegeben. Bis zum 10.04.2013 erhielt der Kläger Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit.

4

Mit Bescheid vom 23.04.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab dem 11.04.2013 kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 50,63 Euro zu zahlen. Auf der Rückseite des Bewilligungsschreibens wies die Beklagte u.a. darauf hin, dass die Arbeitsunfähigkeit nahtlos nachgewiesen werden müsse, dass also bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten Zeitraums die weitere Arbeitsunfähigkeit vom Arzt bescheinigt werden müsse. Krankengeld werde jeweils bis zum Tag der Ausstellung des Auszahlscheines ausgezahlt.

5

In der Folgezeit stellte der behandelnde Hausarzt Dr. Sch… Folgebescheinigungen mit verschiedenen Diagnosen (akute Gastritis, Diabetes, Kolonpolyp und Interkostalneuropathie) aus. Ab dem 24.05.2013 begründete der Arzt die weitere Arbeitsunfähigkeit allein mit den Diagnosen M 75.4 G (Impingementsyndrom der Schulter) und M 54.12 G (Radikulopathie: Zervikalbereich), zuletzt mit Auszahlschein vom 13.09.2013, in dem er mitteilte, die Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis zum 27.09.2013.

6

Daraufhin befragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) im Rahmen einer sozialmedizinischen Fallberatung zum weiteren Bestehen von Arbeitsunfähigkeit. Am 17.09.2013 teilte die Ärztin im MDK Dr. H… mit, der arbeitslose Kläger sei „verweisbar“. Die Diagnosen begründeten kein aufgehobenes Leistungsbild. Es bestehe ein positives Leistungsbild für leichte Tätigkeiten vollschichtig.

7

Mit Bescheid vom 18.09.2013 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen könne die Arbeitsunfähigkeit zum 27.09.2013 beendet werden. Mit diesem Tag ende somit auch der Krankengeldanspruch des Klägers. Der Arzt sei hierüber informiert worden.

8

Am 25.09.2013 legte der Kläger Widerspruch hiergegen ein.

9

Ab dem 27.09.2013 bescheinigte der behandelnde Arzt Dr. F… auf Auszahlscheinen nunmehr eine Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen „Verdacht auf instabile Angina pectoris“ und „Verdacht auf Schlafapnoe“.

10

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Arztes im MDK B… vom 05.11.2013 ein. Dieser gab nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen und nach telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt an, der Kläger habe eine nachgewiesene koronare Herzerkrankung, die 2012 durch Implantation von Stents behandelt worden sei. Die nachweisbaren Koronarstenosen würden die Beschwerden des Klägers aber nicht zwingend erklären. Für eine aufschlussgebende nicht-invasive Diagnostik sei der Kläger aufgrund seines Übergewichts nicht geeignet, für eine erneute invasive Diagnostik seien aber die Beschwerden nicht schwerwiegend genug. Es liege eine degenerative Skeletterkrankung vor, ebenfalls deutlich akzentuiert durch das erhebliche Übergewicht. Der zu Rate gezogene Orthopäde sehe aber aktuell keine Behandlungsindikation. Die angegebenen Beschwerden begründeten keine Arbeitsunfähigkeit mehr. Ab dem 25.09.2013 stehe der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten (z.B. Bürotätigkeit) überwiegend im Sitzen, mit Anteilen von Stehen und Gehen, ohne Heben und Bewegen von Lasten über 10 kg, ohne Arbeiten in Zwangshaltungen (gebückt oder über Kopf), in geschlossenen Räumen vollschichtig zur Verfügung.

11

Der Kläger legte daraufhin u.a. einen Bericht der behandelnden Kardiologischen Praxis vom 23.11.2012 über eine koronare 2-Gefäßerkrankung und ein Schreiben des Hausarztes Dr. F… vom 16.12.2013 vor. Letzterer gab mit einer Aufzählung der bestehenden Diagnosen an, die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass es sich beim Kläger um einen multimorbiden Patienten handele. Er halte den Kläger für weiterhin arbeitsunfähig.

12

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den MDK. In seinem Arbeitsunfähigkeits-Gutachten vom 06.04.2014 wies der Arzt im MDK M... darauf hin, dass der Kläger vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 18.03.2013 trotz Polymorbidität mit koronarer Herzkrankheit und Stent-Implantation, Adipositas permagna, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie und weiterem soweit gesund war, dass er sich dem Arbeitsamt für eine vollschichtige Tätigkeit zur Verfügung gestellt hatte. Die Arbeitsunfähigkeit sei nicht aufgrund dieser Vorerkrankungen eingetreten, sondern wegen akuter abdomineller Beschwerden, der komplizierten Entfernung eines Kolonpolypen und zusätzlicher Feststellung einer akuten Gastritis. Diese Erkrankungssymptomatik habe die Arbeitsunfähigkeit durchaus für einige Wochen nachvollziehbar gemacht, sei dann aber als Begründung für die Arbeitsunfähigkeit abgelöst worden durch HWS- und Schulterbeschwerden, ohne dass dies durch einen orthopädischen Befundbericht des Dr. Sch…, in dem ein vorwiegend statisch-muskulär bedingtes BWS-Syndrom beschrieben werde, erklärbar sei. Ab dem 27.09.2013 seien dann – wiederum das betroffene Organsystem wechselnd - die Diagnosen „V.a. instabile Angina pectoris“ und „V.a. Schlafapnoe-Syndrom“ angeführt worden. Hinsichtlich der instabilen Angina pectoris fehlten allerdings jegliche diagnostische und therapeutische Folgerungen. Diese Verdachtsdiagnose bedürfte einer umgehenden stationären Krankenhauseinweisung und einer zunächst intensivmedizinischen Überwachung. Da derartiges im Fall des Klägers offenbar nicht erfolgt sei, dürften an der Korrektheit der (Verdachts-)Diagnose ernsthafte Zweifel angezeigt sein. Eine 60%ige Stenose einer Kranzarterie, wie sie beim Kläger Ende 2012 festgestellt worden sei, rechtfertige keine invasive Therapie und sei in der Regel ohne hämodynamische Effekte. Eine Arbeitsunfähigkeit lasse sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Auch Untersuchungsbefunde hinsichtlich der Verdachtsdiagnose eines Schlaf-Apnoe-Syndroms lägen nicht vor. Eine solche Erkrankung würde – unbehandelt – das Leistungsvermögen allerdings auch nur für Fahr- und Steuertätigkeiten einschränken. Die beim Kläger bestehende Polymorbidität sei unstreitig und insofern sei eine Rehabilitation angebracht, jedoch entscheidend seien für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit die konkret aus den vorliegenden Erkrankungen resultierenden Funktionseinschränkungen in Bezug auf die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit. Dem Kläger sei im fraglichen Zeitraum nicht wegen einer „Polymorbidität“, sondern lediglich wegen zweier Erkrankungen, zunächst auch nur als Verdachtsdiagnosen Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. Der Arzt im MDK M... kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt am 27.09.2013 zumindest leichte körperliche Arbeiten ohne besondere Stressbelastungen wie Akkord oder Nachtarbeit vollschichtig habe verrichten können.

13

Der Hausarzt Dr. F… hatte weitere Auszahlscheine am 19.12.2013 und am 17.01.2014 ausgestellt.

14

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des MDK sinngemäß zurück.

15

Hiergegen hat der Kläger am 10.06.2014 die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, aus einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der D…-B…-Klinik in Bad …-… vom 15.04.2014 bis 06.05.2014 als „bis auf weiteres arbeitsunfähig“ entlassen worden zu sein. Für die Zeit vom 27.09.2013 bis 29.11.2013 sei von der Praxis Dr. F... und Dr. H... mit drei „Ärztlichen Bescheinigungen für die Krankengeldauszahlung“ eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen „V.a. instabile Angina pect.“ und „V.a. Schlafapnoe“ bescheinigt worden. Mit Schreiben vom 16.12.2013 habe Dr. F… zudem weitere Arbeitsunfähigkeit mitgeteilt und bestätigt, dass es sich bei dem Kläger um einen multimorbiden Patienten handele. Der Kläger bemängelt, dass den Begutachtungen durch den MDK keine körperliche Untersuchung zugrunde gelegen habe. Er weist zudem darauf hin, dass die Arbeitsverwaltung ihm Arbeitsangebote als „Außendienstler“ mitgeteilt habe.

16

Der Kläger beantragt,

17

den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den 27.09.2013 hinaus Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Zur Begründung macht sie geltend, die im Folgejahr durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme und die Entlassung hieraus als arbeitsunfähig seien nicht geeignet, Schlüsse auf eine über den 27.09.2013 hinaus fortbestehende Arbeitsunfähigkeit zu ziehen. Für die Durchführung einer solchen Rehabilitations-Maßnahme sei bestehende Arbeitsunfähigkeit keine Voraussetzung, denn Ziel sei die Wiederherstellung, Besserung oder der Erhalt der Erwerbsfähigkeit. Die Entlassung als arbeitsunfähig habe sich erkennbar auf die frühere Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Handelsvertreter bezogen und nicht auf die hier maßgebliche Verfügbarkeit als Arbeitsloser. Auf eine körperliche Untersuchung habe der MDK im Konsens mit dem behandelnden Arzt des Klägers Dr. F… verzichtet. Die Beklagte weist darauf hin, dass der Kläger bereits dann nicht mehr als arbeitsunfähig anzusehen sei, wenn er leichte Arbeiten in einem Umfang verrichten kann, für den er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Der Kläger habe zum fraglichen Zeitpunkt beispielsweise eine Tätigkeit als Pförtner in der Nebenloge ausüben können.

21

Das Gericht hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten des Klägers. Der Hausarzt des Klägers Dr. F… gab am 19.08.2014 an, eine vollschichtige, auch leichte Tätigkeit sei dem Kläger ab dem 28.09.2013 auf Grund von Belastungsinsuffizienz, Stenokardien, arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II nicht möglich gewesen, da diese Erkrankungen zu erheblichen Funktionseinbußen geführt hätten. Eine Besserung sei erst nach der Reha-Maßnahme eingetreten, wobei laut Entlassbericht weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Der Internist und Kardiologe Dr. S… gab am 28.08.2014 an, bei einer Untersuchung am 26.11.2013 hätten keine Funktionseinbußen bestanden, der Kläger sei in der Lage gewesen, in der Zeit ab dem 28.09.2013 eine körperliche leichte Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie H… teilte am 08.09.2014 mit, bei Untersuchungen im November 2013 hätten sich keine Funktionseinschränkungen ergeben. Aus pneumologischer Sicht sei der Kläger ab dem 28.09.2013 arbeitsfähig für leichte vollschichtige Tätigkeiten gewesen.

22

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

24

Die Klage ist jedoch unbegründet.

25

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankengeld über den 27.09.2013 hinaus. Die Beklagte hat zu Recht die durch Bescheid vom 23.04.2013 erfolgte Krankengeldbewilligung mit Bescheid vom 18.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 mit Wirkung zum 28.09.2013 wegen Änderung der Verhältnisse aufgehoben, da der Kläger nicht mehr arbeitsunfähig war.

26

Zwar hat die Beklagte den Kläger vor der Entscheidung nicht angehört. Da mit der Aufhebung einer Krankengeldbewilligung in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird, ist diesem nach § 24 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Formfehler der fehlenden Anhörung wurde vorliegend aber mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt und ist damit unbeachtlich, da der Kläger zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung nehmen konnte und sein Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen berücksichtigt wurden.

27

Die Beklagte hat die Krankengeldbewilligung zu Recht mit Wirkung zum 28.09.2013 aufgehoben. Bei der Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 11.04.2013 mit Bescheid vom 23.04.2013 handelte es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, sodass für dessen Aufhebung § 48 SGB X Anwendung findet.

28

Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn die Regelungswirkungen des Verwaltungsaktes nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen. Dauerverwaltungsakte zeichnen sich durch Zukunftsgerichtetheit aus, wobei eine Begrenzung der Laufzeit unschädlich ist (Schütze in: v. Wulffen/Schütze, SGB X § 45 Rn. 62-74, beck-online). Ein Dauerverwaltungsakt ist daher dann gegeben, wenn der Verwaltungsakt sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot erschöpft oder einmalig die Sach- und Rechtslage gestaltet, sondern zukunftsorientiert über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus rechtliche Wirkung erzielt (Heße in: BeckOK SozR, SGB X § 48 Rn. 8, beck-online; vgl. auch Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 48 SGB X, Rn. 51). Die Bewilligung von Krankengeld stellt in diesem Sinne dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 83; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 67 und SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 -, ebenso SG Mainz, Urteil vom 21.03.2016 – S 3 KR 255/14 –, Rn. 63 ff., alle Entscheidungen im Folgenden zitiert nach juris). Eine Bewilligung für einen im Entscheidungszeitpunkt abgelaufenen Zeitraum ist hingegen kein Dauerverwaltungsakt im Sinne des § 48 SGB X.

29

Der Bescheid vom 23.04.2013 enthält die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 11.04.2013. Eine Befristung der bewilligten Leistung enthält der Bescheid nicht (zur Unzulässigkeit einer Befristung der Krankengeldbewilligung vgl. SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 -, zustimmend SG Mainz, Urteil vom 21.03.2016 – S 3 KR 255/14 –, Rn. 68). Da die Bewilligung nicht nur für eine zurückliegende, zum Zeitpunkt der Entscheidung abgeschlossene Zeitspanne erfolgte, ist sie ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Für eine Aufhebung dieser Krankengeldbewilligung ist daher § 48 SGB X maßgeblich (anders BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16; BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 30 unter Hinweis auf das Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 39/02 R -, Rn. 15, jeweils unter der von der tatsächlich erfolgten Bewilligungsentscheidung unabhängigen Annahme, Krankengeld werde „von vornherein“ nur für die Dauer der vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit – abschnittsweise bzw. befristet – gewährt, weshalb eine Aufhebungsentscheidung entbehrlich sei).

30

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände so erheblich verändert haben, dass sie rechtlich anders zu bewerten sind und daher der Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des geänderten Sachverhalts so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. Entscheidungserheblich sind nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur die bei Erlass des Ausgangsbescheides vorliegenden Umstände. Lediglich diese bilden die Vergleichsgrundlage für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die zum Erlass des Aufhebungsbescheides geführt hat.

31

Vorliegend ist in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Krankengeldbewilligungsbescheides vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten, da die seinerzeit bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers nunmehr entfallen war, sodass eine Krankengeldbewilligung zu dem hier fraglichen Zeitpunkt am 28.09.2013 nicht mehr rechtmäßig hätte verfügt werden können.

32

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte, sofern sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 S. 1 SGB V genannten, vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören, u.a. dann Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -). Bei einem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherten Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III – wie vorliegend dem Kläger - liegt Arbeitsunfähigkeit in diesem Sinne vor, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, selbst körperlich leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den er sich zuvor zwecks Erlangung des Arbeitslosengeld-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Das Krankengeld stellt sich in einem solchen Fall nicht als Ersatz für den Ausfall des auf Grund einer Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts dar, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit (BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 21/05 R – und Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –). Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind daher im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind (vgl. § 140 SGB III). Dies sind auch alle körperlich leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

33

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes bestand im Zeitpunkt der Bewilligung des Krankengeldes noch Arbeitsunfähigkeit des arbeitslosen Klägers. Denn im April 2013 lagen beim Kläger aufgrund der vorausgegangenen akuten abdominalen Beschwerden, gefolgt von der Entfernung eines Kolonpolypen und letztlich einer akuten Gastritis noch nachvollziehbar gesundheitliche Einschränkung vor, die ihm selbst körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ermöglicht hätten.

34

Hingegen war im Zeitpunkt der aufhebenden Entscheidung mit Bescheid vom 18.09.2013 zum 28.09.2013 Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gegeben. Entgegen der hausärztlichen Einschätzung ist die Kammer zu dieser Überzeugung unter Würdigung der medizinischen Erkenntnisse, insbesondere der gutachterlichen Stellungnahmen der Ärzte des MDK B… und M… sowie der Befundberichte des behandelnden Internisten und Kardiologen Dr. S… und des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie H… gelangt.

35

Der Arzt im MDK B… hat in seiner Stellungnahme vom 05.11.2013 nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen und nach telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt bestätigt, dass der Kläger zwar an einer nachgewiesenen koronaren Herzerkrankung leidet, die 2012 durch Implantation von Stents behandelt wurde. Er kommt aber zu der Einschätzung, dass die nachweisbaren Koronarstenosen die Beschwerden des Klägers nicht zwingend erklärten und für eine erneute invasive Diagnostik die Beschwerden nicht schwerwiegend genug seien. Hinsichtlich der degenerativen Skeletterkrankung werde von orthopädischer Seite keine Behandlungsindikation gesehen. Im Ergebnis kam der Arzt im MDK B… zu dem Schluss, dass mit den angegebenen Beschwerden eine Arbeitsunfähigkeit nicht mehr begründet werden könne und der Kläger ab dem 25.09.2013 dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten (z.B. Bürotätigkeit) mit gewissen qualitativen Einschränkungen vollschichtig zur Verfügung stehen könne.

36

Auch der Arzt im MDK M… kam in seinem Arbeitsunfähigkeits-Gutachten vom 06.04.2014 zu dem Ergebnis, dass der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt am 27.09.2013 zumindest leichte körperliche Arbeiten ohne besondere Stressbelastungen wie Akkord oder Nachtarbeit vollschichtig habe verrichten können. Der Gutachter wies nachvollziehbar darauf hin, dass die vom Kläger bzw. dessen Hausarzt nunmehr zur Begründung der weiteren Arbeitsunfähigkeit im Sinne einer Polymorbidität geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen schon vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorlagen und der Kläger sich gleichwohl seinerzeit dem Arbeitsamt für eine vollschichtige Tätigkeit zur Verfügung gestellt hatte. Die ab dem 27.09.2013 angeführte Diagnose „V.a. instabile Angina pectoris“ zweifelt der Gutachter an, da entsprechende diagnostische oder therapeutische Folgerungen nicht gezogen wurden. Aus der kardiologisch bestätigten 60%igen Stenose einer Kranzarterie könne eine Arbeitsunfähigkeit nicht abgeleitet werden. Hinsichtlich des Verdachts auf ein „Schlafapnoe-Syndrom“ fehlten Untersuchungsbefunde. Zudem weist der Arzt darauf hin, dass eine solche Erkrankung – unbehandelt – das Leistungsvermögen nur für Fahr- und Steuertätigkeiten einschränken würde.

37

Letztlich wird die insbesondere mit kardiologischen und internistischen Diagnosen begründete Einschätzung des Hausarztes Dr. F…, eine vollschichtige, auch leichte Tätigkeit sei dem Kläger ab dem 28.09.2013 nicht möglich gewesen, von den behandelnden Fachärzten widerlegt. Sowohl der Internist und Kardiologe Dr. S… als auch der Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie H… verneinten beim Kläger in der fraglichen Zeit bestehende Funktionseinbußen. Beide hielten aus ihrer fachärztlichen Sicht den Kläger für fähig, trotz der bestehenden Diagnosen eine körperliche leichte Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Die Kammer hat diesen fachärztlichen Einschätzungen ein höheres Gewicht beigemessen, als der Einschätzung des Allgemeinmediziners.

38

Der Entlassungsbericht der D…-B…-Klinik in Bad …-… vom 16.06.2014 über die dort absolvierte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 15.04.2014 bis 06.05.2014 vermag als Beleg für eine Arbeitsunfähigkeit im hier maßgeblichen Zeitpunkt schon deshalb nicht zu dienen, weil er den Gesundheitszustand des Klägers über ein halbes Jahr später betrifft. Die dortigen Ärzte hielten den Kläger im Rahmen der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung jedenfalls für fähig, sowohl seine frühere Tätigkeit als Kaufmann für Bürokommunikation als auch eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes grundsätzlich sechs Stunden und mehr auszuüben. Der Kläger wurde zwar als arbeitsunfähig entlassen. Allerdings lag dieser Bewertung erkennbar die Annahme zugrunde, es käme auf die Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter an.

39

Die übrigen ärztlichen Stellungnahmen, die sich mit dem Gesundheitszustand des Klägers im Herbst 2013 befassen, verneinen – mit Ausnahme des Hausarztes Dr. F… – eine damalige Arbeitsunfähigkeit. Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass Ende September 2013 eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht mehr angenommen werden konnte, sodass die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 18.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2014 die Krankengeldbewilligung vom 23.04.2013 mit Wirkung zum 28.09.2013 aufgehoben hat.

40

Daher war die Klage abzuweisen.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

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die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

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Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 verurteilt, der Klägerin weiteres Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014.

2

Die 1980 geborene Klägerin war zuletzt als Altenpflegerin tätig. Aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2013 beendet. Seither war die Klägerin arbeitslos und bei der Beklagten wegen des Bezuges von Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) pflichtversichert.

3

Die Klägerin erlitt am 26.07.2013 eine vordere Kreuzbandruptur am rechten Knie und wurde hierdurch arbeitsunfähig. Der Orthopäde Dr. Sch… stellte ihr am selben Tag eine Erstbescheinigung über diese Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose M23.5G [Chronische Instabilität des Kniegelenkes] aus und gab in der Bescheinigung zugleich an, die Klägerin sei voraussichtlich bis einschließlich 15.09.2013 arbeitsunfähig. Bis zum 04.08.2013 erhielt die Klägerin Leistungsfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit.

4

Am 15.08.2013 erfolgte im Universitätsklinikum M… arthroskopisch eine vordere Kreuzbandplastik mit Semitendinosus-Sehne am rechten Knie. Nachdem Komplikationen im Heilungsverlauf auftraten, erfolgte am 20.08.2014 eine weitere Arthroskopie wegen eines sog. Zyklops (Vernarbung im Bereich des Bandersatzes) sowie zur Endobuttonentfernung und Teilsynovektomie in den St.-Vincentius-Kliniken K….

5

Mit Bescheid vom 23.01.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld ab dem 05.08.2013. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid lautete:

6

„Sehr geehrte Frau Sch…,
aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie ab dem 05.08.2013 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro. Nach Abzug der Beiträge verbleibt ein Auszahlbetrag von kalendertäglich 30,48 Euro.

7

Das Krankengeld wird in Höhe des bisher von der Agentur für Arbeit gewährten Leistungssatzes gezahlt. Für die erste Zahlung benötigen wir die beiliegende Erklärung für den Bezug von Geldleistungen ausgefüllt und unterschrieben zurück. Den Zahlschein lassen Sie bitte einmal monatlich von Ihrem Arzt ausfüllen und senden ihn anschließend an uns zurück. Sobald uns der Zahlschein vorliegt, überweisen wir das Krankengeld auf Ihr Konto und senden Ihnen unaufgefordert einen neuen zu. Bitte beachten Sie, dass die Auszahlung des Krankengeldes grundsätzlich einmal monatlich erfolgt. Eine Auszahlung für einen kürzeren Zeitraum können wir nur vornehmen, wenn Ihre Arbeitsunfähigkeit endet.“

8

Am 06.02.2014 zahlte die Beklagte das Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013 bis einschließlich 31.01.2014 nach. In der Folgezeit zahlte sie das weitere Krankengeld dann – unabhängig von der im aktuellen Auszahlschein enthaltenen Mitteilung über die voraussichtliche weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit - jeweils bis zum Tag der jeweiligen Ausstellung des letzten Auszahlscheines.

9

Am 05.03.2014 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid. Dieser lautete:

10

„Sehr geehrte Frau Sch…,
aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie ab dem 05.08.2013 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro. Nach Abzug der Beiträge verbleibt ein Auszahlbetrag von kalendertäglich 30,61 Euro.

11

Das Krankengeld wird in Höhe des bisher von der Agentur für Arbeit gewährten Leistungssatzes gezahlt.

12

Das Krankengeld wird jeweils nur für die ärztlich attestierte voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bewilligt. Bei jeder Auszahlung sind die Leistungsvoraussetzungen neu zu prüfen. Hierzu übersenden Sie uns bitte den von Ihrem Arzt ausgefüllten Zahlschein. Sobald uns Ihr Zahlschein vorliegt, überweisen wir bei Vorliegen der Voraussetzungen das Krankengeld auf Ihr Konto und senden Ihnen unaufgefordert einen neuen zu.“

13

Die Ärzte Dr. Sch… und Dr. W… bescheinigten in der Folgezeit zunächst lückenlos auf Auszahlscheinen die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Darüber hinaus erteilte Dr. Sch… auf Veranlassung der Beklagten wiederholt Arztauskünfte. Zudem wurde auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK) wiederholt in die Bewertung der Arbeitsunfähigkeit eingeschaltet und bestätigte in einem Gutachten vom 20.06.2014, dass die Klägerin weder für die frühere Tätigkeit noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig sei. In einem weiteren Gutachten vom 26.09.2014 erläuterte der Arzt im MDK M… die eingetretenen Komplikationen und teilte mit, eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit sei nicht festzustellen. Nach jetzt erfolgter erfolgreicher Entfernung des Narbengewebes sei ein normaler postoperativer Heilungsverlauf zu erwarten. Die vollständige Wiederherstellung des erwerblichen Leistungsvermögens sei unter geeigneter Heilmitteltherapie innerhalb eines postoperativen Zeitraums von etwa drei bis vier Monaten, also bis ca. Ende November 2014 zu erwarten.

14

In einer Arztanfrage vom 13.10.2014 teilte Dr. Sch… nochmals mit, weitere Arbeitsunfähigkeit bestehe bis ca. Ende November 2014. In einen am 06.11.2014 ausgestellten Zahlschein trug er ein, die Klägerin sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich 20.11.2014 und in einem weiteren, allerdings erst am 25.11.014 ausgestellten Auszahlschein gab er eine voraussichtlich noch bis zum 09.12.2014 bestehende Arbeitsunfähigkeit an. In einer letzten Stellungnahme gab zudem der Arzt im MDK H… am 15.12.2014 an: „Zufriedenstellender Heilverlauf, Muskelaufbau derzeit, Kontrolle Ende Dezember, Rückinfo zu 31.12.14“. Dem behandelnden Arzt teilte der MDK-Arzt am selben Tag mit, die sozialmedizinischen Voraussetzungen für Arbeitsunfähigkeit lägen ab dem 31.12.2014 nicht mehr vor. Die Versicherte könne sich ab Januar 2015 wieder der Vermittlung einer leidensgerechten Tätigkeit zur Verfügung stellen.

15

Mit Bescheid vom 24.11.2014 informierte die Beklagte die Klägerin zunächst über das Ende der Bezugsdauer (78 Wochen) am 22.01.2015.

16

Mit hier angefochtenem Bescheid vom 17.12.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Krankengeld ende trotz der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 20.11.2014. Der Krankengeldanspruch entstehe am Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Da Krankengeld abschnittsweise für die Zeit der jeweils attestierten Arbeitsunfähigkeit gewährt werde, gelte „dieser Grundsatz“ nicht nur bei der erstmaligen Feststellung, sondern auch bei jeder weiteren ärztlichen Feststellung mittels Folgebescheinigung oder Zahlschein. Der fortlaufende Krankengeldanspruch setze somit voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit von dem behandelnden Arzt lückenlos, also spätestens am letzten Tag der zuletzt bescheinigten AU, weiter festgestellt werde. Erfolge dies nicht, ende die Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch. Das Bundessozialgericht (BSG) habe diesen „Grundsatz“ in fortlaufender Rechtsprechung mehrfach bestätigt. Aufgrund der bis zum 20.11.2014 lückenlos nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit sei die Mitgliedschaft bis zu diesem Zeitpunkt erhalten geblieben. Erst am 25.11.2014 und damit nicht innerhalb der bislang nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit sei die weitere Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe aber keine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch mehr bestanden, so dass ein weiterer Krankengeldanspruch entfalle.

17

Mit weiterem Bescheid, ebenfalls vom 17.12.2014, teilte die Beklagte der Klägerin der Vollständigkeit halber mit, dass nach Mitteilung des MDK ab dem 01.01.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestehe. Krankengeld könne somit nur bis zum 31.12.2014 gezahlt werden.

18

Mit Schreiben vom 05.01.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den erstgenannten Bescheid vom 17.12.2014 ein, wobei sie sich zur Begründung darauf berief, durchgehend erkrankt zu sein. Auf das weitere Schreiben vom 17.12.2014 nahm sie hierbei Bezug, wonach Arbeitsunfähigkeit bis 01.01.2014 bestehe.

19

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin sinngemäß zurück. Nach „ständiger Rechtsprechung des BSG“ sei es die Verpflichtung der Versicherten, für eine rechtzeitige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu sorgen. Um den Krankengeldanspruch und damit die versicherungspflichtige Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten, hätte die Klägerin daher spätestens am letzten (Werk-/Arbeits-)Tag des bisherigen „Krankschreibungszeitraums“ einen Arzt zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufsuchen müssen. Das BSG habe diesen „Grundsatz“ in seinem aktuellen Urteil vom 04.03.2014 ausdrücklich bestätigt. Nach gesicherter Rechtsprechung des BSG gehe die verspätete Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit nur dann nicht zu Lasten des Versicherten, wenn dieser aufgrund von Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen sei, eine rechtzeitige Verlängerung der bisherigen Arbeitsunfähigkeit zu erlangen.

20

Am 24.03.2015 hat die Klägerin hiergegen die vorliegende Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, es könne nicht auf eine formalistische Betrachtungsweise ankommen, sondern nur darauf, ob sie tatsächlich durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Dass dies der Fall gewesen sei, könne durch den behandelnden Arzt bestätigt werden.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014 zu zahlen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die angefochtene Entscheidung und führt weiter aus, bei Krankengeldbewilligungen handele es sich nicht um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, da die Gewährung von Krankengeld nicht unbefristet, sondern lediglich abschnittsweise erfolge. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass in der abschnittsweisen Zahlung des Krankengeldes jeweils die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen sei, dass dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zustehe. Mit der Zahlung bis zum 20.11.2014 liege daher ein Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung des Krankengeldes vor. Die Beklagte verweist auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014 (- L 5 KR 157/14 -), zu dem derzeit die Revision vor dem BSG (B 3 KR 22/15 R) anhängig ist. Im dort streitgegenständlichen Fall hatte sich die Klägerin zwar am letzten Tag des attestierten Zeitraums persönlich beim Arzt vorgestellt, das LSG befand jedoch, der Arzt habe eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht „nach außen dokumentiert“.

26

Die Beklagte hat das Versicherungsverhältnis ab dem 21.11.2014 als freiwillige Versicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V fortgeführt und am 25.04.2015 die Beitragsrückstände betreffend die hier streitige Zeit angemahnt sowie das Ruhen der Leistungen angedroht. Ab dem 01.01.2015 hat die Klägerin sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet und erhielt von dort Leistungen.

27

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

28

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

29

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

30

Die Klägerin hat dem Grunde nach (§ 130 SGG) einen Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014. Der Bescheid der Beklagten vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er war daher aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auch über den bewilligten Zeitraum hinaus Krankengeld bis zum 31.12.2014 zu gewähren.

31

Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) pflichtversichert. Die Versicherungspflicht ergab sich aus dem bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehenden Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III). Nach dem Ende der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit blieb dieses Versicherungsverhältnis auf Grund des tatsächlichen Bezuges von Krankengeld bzw. durch den Anspruch auf Krankengeld gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch in der hier streitigen Zeit erhalten.

32

Die Klägerin kann die Zahlung von Krankengeld für die streitige Zeit schon auf Grund der mit Bescheid vom 23.01.2014 verfügten Dauerbewilligung beanspruchen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte der Klägerin Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013 in Höhe von 30,61 Euro (brutto) kalendertäglich bewilligt. Diese unbefristete Dauerbewilligung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (I.). Sie wurde für die hier streitige Zeit weder zurückgenommen noch aufgehoben (II.). Die Bewilligungsentscheidung war bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zudem rechtmäßig. Eine wesentliche Änderung ist in der hier streitigen Zeit nicht eingetreten, da die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war. Auf ärztliche Feststellungen oder Prognosemitteilungen kam es hingegen nicht an (III.). Der anderslautenden Rechtsprechung des BSG ist nicht zu folgen (IV.). Durch die Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 hat sich diesbezüglich weder für die Zukunft noch für die Vergangenheit Wesentliches geändert (V.).

I.

33

Der Bescheid vom 23.01.2014 enthält die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013. Da die Bewilligung nicht nur für eine zurückliegende, zum Zeitpunkt der Entscheidung abgeschlossene Zeitspanne erfolgte, ist sie ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Ein solcher liegt vor, wenn die Regelungswirkungen des Verwaltungsaktes nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen. Dauerverwaltungsakte zeichnen sich durch Zukunftsgerichtetheit aus, wobei eine Begrenzung der Laufzeit unschädlich ist (Schütze in: v. Wulffen/Schütze, SGB X § 45 Rn. 62-74, beck-online). Ein Dauerverwaltungsakt liegt also vor, wenn der Verwaltungsakt sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot erschöpft oder einmalig die Sach- und Rechtslage gestaltet, sondern zukunftsorientiert über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus rechtliche Wirkung erzielt (Heße in: BeckOK SozR, SGB X § 48 Rn. 8, beck-online; vgl. auch Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 48 SGB X, Rn. 51). Die Bewilligung von Krankengeld stellt in diesem Sinne dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 83; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 67, alle Entscheidungen im Folgenden zitiert nach juris). Eine Bewilligung für einen im Entscheidungszeitpunkt abgelaufenen Zeitraum ist hingegen kein Dauerverwaltungsakt.

34

Demgemäß liegt mit dem Bescheid vom 23.01.2014 ein die Klägerin begünstigender Dauerverwaltungsakt vor, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit regelt. Eine Befristung der bewilligten Leistung enthält der Bescheid nicht. Diese Bewilligung der Zahlung von Krankengeld in Höhe von 30,61 Euro (brutto) kalendertäglich ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend, § 77 SGG.

35

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird weder „grundsätzlich“, noch wurde vorliegend eine „abschnittsweise Bewilligung“ vorgenommen. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt könnte im Einzelfall nur angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich erfolgt wäre. Die Zulässigkeit einer solchen Befristung wäre in diesem Fall an § 32 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zu messen, da die Gewährung von Krankengeld nicht im Ermessen der Krankenkasse steht. Vorliegend enthält der insofern rechtlich nicht zu beanstandende und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid vom 23.01.2014 (zu Recht) keine Befristung. Da ein förmlicher Bewilligungsbescheid vorliegt, sind in die einzelnen Auszahlungen durch die Beklagte keine weiteren (konkludenten) Entscheidungen hineinzudeuten.

36

Soweit das BSG seit dem Urteil vom 16.09.1986 (- 3 RK 37/85 -) in der Auszahlung des Krankengeldes zugleich eine konkludente Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse erkannt hat, erfolgte hierdurch zunächst die Abkehr vom zuvor angenommenen „Schalterakt“. Dem ist für die häufig vorliegenden Fallgestaltungen zuzustimmen, in denen die Krankenkasse keine förmliche Verwaltungsentscheidung erlassen hat, da spätestens in der für den Versicherten erkennbaren Auszahlung von Krankengeld zugleich auch dessen Bewilligung zum Ausdruck kommt. Die Auszahlung erfüllt die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Es liegt eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zu Grunde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit der Überweisung des Krankengeldes an den Versicherten erfolgt eine ausreichende Bekanntgabe dieser Entscheidung (§ 37 SGB X). Der Verwaltungsakt wird auf andere Weise - durch konkludentes Handeln - erlassen (§ 33 Abs. 2 SGB X; BSG, Urteil vom 16.09.1986 - 3 RK 37/85 -, Rn. 15).

37

Sofern allerdings das BSG in diesem Urteil die Annahme des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehen kann, mit der Krankengeldüberweisung sei ein Verwaltungsakt mit dem Verfügungssatz erlassen worden, es werde bis auf weiteres Krankengeld gewährt, sondern stattdessen annimmt, es sei noch zu klären, mit welchem Inhalt der leistungsgewährende Verwaltungsakt erlassen wurde, legt es den Grundstein für die in den letzten Jahren immer weiter sich von den gesetzlichen Regelungen entfernende obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. hierzu ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 99 ff.).

38

Das BSG behauptet im Ausgangspunkt, es seien Krankengeldbewilligungen mit verschiedenen Inhalten denkbar, um dann zu konstatieren (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16):

39

„In der Regel gewährt die Krankenkasse Krankengeld für einen bestimmten (Abrechnungs-) Zeitraum. Bei einer Krankengeldgewährung wegen Arbeitsunfähigkeit wird in der Krankengeldbewilligung auch die Entscheidung gesehen werden können, daß dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die laufende Zeit der vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht. Der Kassenarzt schreibt den Versicherten für eine bestimmte Zeit arbeitsunfähig. Gewährt die Krankenkasse aufgrund einer solchen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Krankengeld, so kann der Versicherte davon ausgehen, daß er für diese Zeit einen Anspruch auf Krankengeld hat. Soweit die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht anerkennen will, muß sie das dem Versicherten gegenüber zum Ausdruck bringen. Mit der Krankengeldbewilligung wird demnach auch über das - vorläufige - Ende der Krankengeldbezugszeit entschieden. Wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit; eines Entziehungsbescheides nach § 48 SGB X bedarf es dann nicht“.

40

Von dieser Annahme ausgehend, hält es das BSG für möglich, den (über die schlichte Bewilligung hinausgehenden) Inhalt der konkludenten Krankengeldbewilligung durch Auslegung zu ermitteln. Der Inhalt lasse sich in der Regel unter Berücksichtigung aller Umstände hinreichend genau bestimmen. Soweit die Auslegung (Erforschung des objektiven Erklärungswillens) noch Unklarheiten bestehen lasse, gehe das grundsätzlich zu Lasten der Kasse (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 18). Soweit der Kläger aufgrund der Umstände von einer Krankengeldbewilligung (auch) wegen Arbeitsunfähigkeit habe ausgehen dürfen, komme es vor allem darauf an, für welche Zeit Arbeitsunfähigkeit „ärztlich bescheinigt“ und von der Beklagten „anerkannt“ gewesen sei bzw. der Kläger den Umständen nach „von einer Anerkennung durch die Beklagte ausgehen“ durfte (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 19; im konkreten Fall erfolgte bezeichnenderweise eine Zurückverweisung, da das BSG den weiteren „Inhalt“ des leistungsgewährenden Verwaltungsaktes letztlich nicht feststellen konnte).

41

Bereits diese Überlegungen des BSG lassen jegliche Zuordnung der verwendeten, eher untechnischen Kriterien und behaupteten maßgeblichen Anforderungen zu den einschlägigen gesetzlichen Regelungen zum Krankengeld im SGB V vermissen. Weder wird begründet, warum es für die Krankengeldbewilligung auf die Zeit der „vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit“, die „Arbeitsunfähigschreibung“ für eine bestimmte Zeit, noch warum es überhaupt auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ankommen kann. Ohne dass nach den Vorschriften des SGB V eine Bescheinigung und eine ärztliche Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld sind, behauptet das BSG schon in diesem Urteil, der Anspruch auf Krankengeld ende „mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit“ (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 19). Völlig ungeprüft bleibt in dieser und in späteren Entscheidung des BSG (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R –, Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 15, hier insbesondere Rn. 24) die Frage, ob und unter welchen Maßgaben eine Krankenkasse überhaupt berechtigt wäre, die Gewährung von Krankengeld, auf das bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 38 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB I), mit einer Nebenbestimmung im Sinne einer Befristung zu verbinden (§ 32 Abs. 1 SGB X).

42

Das Vorliegen einer zeitlich befristeten Bewilligung von Krankengeld wird in den Entscheidungen des 1. Senates des BSG kurzerhand unterstellt, wobei sich die Befristung nur mittelbar aus dem ärztlichen Prognosezeitraum ergeben soll (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 24; vgl. auch Dreher, jurisPR-SozR 3/2015 Anm. 2: „nach und nach entstehende zeitlich begrenzte Ansprüche als Teile eines einheitlichen, aber „gestückelten“ Anspruchs). Selbst in einem Fall, in dem der Arzt kein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit, sondern lediglich mitgeteilt hatte, der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig; der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar, ist der 1. Senat des BSG von „Bewilligungsabschnitten“ ausgegangen, ohne die Anwendbarkeit des § 48 SGB X in Betracht zu ziehen (BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.). Woraus sich in diesem Fall das Ende des unterstellten Bewilligungsabschnitts hätte ergeben können, wird im Sachverhalt nicht mitgeteilt. Zwar führt der 1. Senat des BSG in der Entscheidung aus dem Jahr 2005 noch aus, eine Bewilligung von Krankengeld sei auch auf Dauer (auf unbestimmte Zeit bzw. bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer) denkbar, derartige Fälle kämen in der Praxis indessen nur ausnahmsweise und nur in atypischen Konstellationen vor (BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30). Im selben Absatz folgt hierzu dann gleichwohl die Mitteilung, nur eine Einstellung der Krankengeldzahlung vor Ablauf des vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit setze die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X voraus (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 30 unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 13.07.2004 - B 1 KR 39/02 R -). Eine Bezugnahme auf die im Einzelfall tatsächlich getroffene Bewilligungsentscheidung bzw. die Auslegung von deren vermeintlichem Inhalt erfolgen nicht.

43

Richtigerweise ist bei der Auslegung einer (nur) konkludenten Bewilligungsentscheidung davon auszugehen, dass die Behörde – sofern möglich - eine rechtlich zulässige Entscheidung getroffen hat. In eine durch schlichtes Verwaltungshandeln zum Ausdruck kommende Entscheidung mehr hineinzulesen als die Bewilligung der Leistung, insbesondere Nebenbestimmungen wie eine Befristung oder eine auflösende Bedingung zu konstruieren, die zum einen in einem förmlichen Verwaltungsakt wegen der rechtlichen Konsequenz einer Beendigung der Wirksamkeit durch Erledigung des Verwaltungsaktes – ohne klarstellenden „actus contrarius“ – so bestimmt wie möglich, verständlich und widerspruchsfrei verfügt sein müssten (vgl. Korte, Nebenbestimmungen zu begünstigenden Verwaltungsakten nach dem SGB X – Zulässigkeit und Reichweite, NZS 2014, 853, beck-online; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 32 SGB X, Rn. 13 m.w.N.) und zum anderen bei einer gebundenen Entscheidung nur ausnahmsweise zulässig sind und ihrerseits eine Ermessensbetätigung der Behörde erfordern, verbietet sich. Wenn also ein Versicherter bei der Krankenkasse Krankengeld beantragt hat, eine förmliche Entscheidung hierüber zwar nicht ergeht, er aber nach einiger Zeit eine erste Zahlung erhält, kann der Versicherte dem zunächst entnehmen, dass er tatsächlich einen bestimmten Betrag erhalten hat, möglicherweise anhand des Überweisungsträgers auch noch, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt. Als zu Grunde liegende Entscheidung der Krankenkasse kann er dieser Auszahlung zugleich entnehmen, dass die Krankenkasse seinen Anspruch auf Krankengeld offenbar bejaht hat. Hierin liegt die Bewilligung von Krankengeld. Eine Befristung liegt hierin nicht. Erst recht trifft in den hier bekannten Fällen die Annahme nicht zu, die Krankenkasse würde für die „attestierte“ Zeit eine abschnittsweise Zahlung vornehmen, die dann als eine befristete Bewilligung gedeutet werden könnte. Tatsächlich erfolgt die Auszahlung des Krankengeldes – wie auch im vorliegenden Fall – regelmäßig nur für die Zeit bis zur Ausstellung eines weiteren Auszahlscheines. Die in den Auszahlscheinen jeweils mitgeteilte voraussichtliche Dauer der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit („Zeit der vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit“, vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16) wirkt sich auf die durch Auszahlung konkludent erfolgende Bewilligung nicht aus.

44

Entgegen der den Entscheidungen des BSG (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16ff.; Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R –, Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 15, hier insbesondere Rn. 24) zu Grunde liegenden, aber nicht erkennbar überprüften und begründeten Annahme ist eine Befristung der Bewilligung von Krankengeld nach Maßgabe der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht zulässig. Denn gemäß § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Gewährung von Krankengeld steht bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 44 ff. SGB V nicht im Ermessen der Krankenkasse, ist also eine gebundene Entscheidung. Eine der beiden Alternativen des § 32 Abs. 1 SGB X (Ermächtigung oder Sicherstellungsfunktion) müsste daher erfüllt sein, damit eine Nebenbestimmung zur Krankengeldbewilligung zulässig wäre. In den einschlägigen Vorschriften des SGB V findet sich, anders als in anderen Leistungsgesetzen, die laufende Geldleistungen vorsehen (vgl. etwa § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, 102 Abs. 2 bis 4 SGB VI, § 41 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II), keine (bereichsspezifische) Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, die eine Befristung zulässt. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB V enthält keine gesetzlich vorgesehene Befristungsmöglichkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, sondern beschreibt die mögliche Leistungshöchstdauer. Ein Hinweis hierauf ist daher ebenfalls keine Befristung der Leistung, sondern hat lediglich deklaratorische Wirkung.

45

Ob darüber hinaus Nebenbestimmungen denkbar sind, die im Sinne des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden, ist zumindest zweifelhaft. Sofern etwa eine Befristung schon dann für zulässig gehalten wird, wenn „aufgrund der Eigenart des Verwaltungsaktes typischerweise damit zu rechnen“ sei, dass dessen Voraussetzungen nach einer gewissen Zeit wieder entfallen können, oder wenn im konkreten Einzelfall „greifbare Anhaltspunkte befürchten lassen, dass die Voraussetzungen möglicherweise wieder wegfallen“ können (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.04.2015 – L 7 SO 43/14 –, Rn. 35, mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 60/03 R - Rn. 25), ist hierin die Umgehung des Verfahrens nach § 48 SGB X offenkundig angelegt. § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X räumt die Möglichkeit einer Nebenbestimmung ausdrücklich nur ein, wenn diese sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt „werden“, nicht auch dafür, dass diese erfüllt „bleiben“ (vgl. Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, K § 32 Rn. 38). Der vom 6. Senat des BSG beschriebene „typische Anwendungsfall“ des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X in Form der Bewilligung einer Rente verbunden mit der Auflage, eine Lebensbescheinigung vorzulegen oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu melden (als obiter dictum in BSG, Urteil vom 31.10.2001 – B 6 KA 16/00 R –, Rn. 19) überzeugt nicht, da eine Rentengewährung wohl ausscheiden muss, wenn unbekannt ist, ob der Berechtigte noch lebt, wohingegen die Meldung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gerade nicht sicherstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Rentengewährung erfüllt werden, sondern nur die rechtzeitige Überprüfung und gegebenenfalls Änderung der Entscheidung ermöglichen soll. Die Annahme des BSG, ein Verwaltungsakt dürfe in Ansehung des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X auch schon vor Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen der in ihm getroffenen Regelung mit einer Nebenbestimmung ergehen, wenn eine abschließende Entscheidung dem Grunde nach noch nicht möglich ist, wobei durch Nebenbestimmungen sichergestellt werde, dass diese Regelung nur bei Eintritt dieser Voraussetzungen wirksam werde oder wirksam bleibe (BSG, Urteil vom 02.11.2012 – B 4 KG 2/11 R –, Rn. 13, 16 [sog. Vorwegzahlung] wegen ausgemachter Regelungslücke hinsichtlich einer vorläufigen Leistungsgewährung), ist nicht verallgemeinerungsfähig (gegen eine „erweiternde Auslegung“ des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X daher auch BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 6 KA 15/13 R -, Rn. 19 ff. m.w.N. zum Meinungsstand).

46

Im Fall einer Krankengeldbewilligung kann jedenfalls eine Befristung erkennbar nicht der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch (Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit) dienen. Ziel und Zweck der Befristung wäre hier allein die Vermeidung des nach § 48 SGB X vorgesehenen Verfahrens der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung bei Änderung der Verhältnisse. Eine Überprüfung hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen und erforderlichenfalls Korrektur der Entscheidung ist auch in diesem gesetzlich vorgesehenen Verfahren möglich und muss daher nicht durch eine Befristung sichergestellt werden.

47

Im vorliegenden Fall ist keine Befristung verfügt worden. Auf konkludent ergangene Entscheidungen ist nicht abzustellen, da die Beklagte tatsächlich in Form eines schriftlichen Verwaltungsaktes über den Anspruch entschieden hat. Es liegt hier mit dem Bescheid vom 23.01.2014 eine förmliche Verwaltungsentscheidung vor, so dass kein Bedürfnis besteht, in tatsächliche Handlungen der Beklagten mehr hineinzulesen, als den Vollzug der getroffenen Entscheidung in Form der abschnittsweisen Erfüllung des Krankengeldanspruchs. Wenn einem Versicherten etwa eine Rente gewährt wird, liegt in der monatlichen Zahlung, unabhängig davon, ob es sich um eine befristet gewährte Rente (§ 102 SGB VI) handelt oder nicht, lediglich die monatliche Erfüllung des aus der zu Grunde liegenden Bewilligungsentscheidung entspringenden und monatlich fällig werdenden Zahlungsanspruchs (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, vgl. auch § 337 Abs. 2 SGB III für die Auszahlung von Arbeitslosengeld I). Ebenso wird eine Krankenkasse, die dem Versicherten Krankengeld bewilligt hat, in der Regel die entsprechende Leistungspflicht durch abschnittsweise Auszahlungen erfüllen. Selbst wenn Krankengeld typischerweise nur eine vorübergehende krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Ausübung der Beschäftigung absichern soll, handelt es sich gleichwohl um eine Leistung, die für eine gewisse Dauer laufend zu gewähren ist. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt; ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen, § 47 Abs. 1 Satz 6 und 7 SGB V. Die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes wird in § 47 Abs. 3 SGB V in Bezug genommen. Sobald beim Versicherten wieder Arbeitsfähigkeit eintritt und dieser das auch erkennen kann und muss, sollte die Krankenkasse die Bewilligungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte von der Änderung der Verhältnisse Kenntnis nehmen muss, aufheben. Spätestens, wenn dem Versicherten die Anhörung (§ 24 Abs. 1 SGB X) zu der beabsichtigten Aufhebung der Krankengeldbewilligung zugeht, erlangt dieser die notwendige Kenntnis und kann sich auf die Rechtsfolgen einstellen.

48

Vorliegend hat die Beklagte daher richtigerweise eine Dauerbewilligung von Krankengeld mit Bescheid vom 23.01.2014 ab dem 05.08.2013 in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro brutto verfügt. Zugleich hat sie die Klägerin darüber informiert, dass die Auszahlung des Krankengeldes grundsätzlich einmal monatlich erfolge. Eine Auszahlung für einen kürzeren Zeitraum könne nur vorgenommen werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ende. Die Aufforderung an die Klägerin, den Zahlschein einmal monatlich vom Arzt ausfüllen zu lassen und zurückzusenden, enthält erkennbar keine Befristung der bewilligten Leistung. Auch wurde hiermit keine Bedingung (unselbstständige Nebenbestimmung) oder Auflage (selbstständige Nebenbestimmung) für die Zahlung aufgestellt (vgl. § 32 SGB X). Der Bescheid enthält keine Aussage dazu, ob und gegebenenfalls welche Folge es hätte haben können, wenn die Klägerin nicht monatlich einen Zahlschein hätte ausfüllen lassen, so dass es sich um nicht mehr als einen Hinweis handeln konnte. Jedenfalls ist die Klägerin der als Bitte formulierten Aufforderung nachgekommen, da sie in der hier streitigen Zeit im November 2014 sogar zwei Zahlscheine durch ihren Arzt ausstellen lies.

49

Diese Bewilligungsentscheidung vom 23.01.2014 ist zwischen den Beteiligten bindend geworden, § 77 SGG.

II.

50

Die unangefochtene Bewilligungsentscheidung war auch in der hier streitigen Zeit noch zwischen den Beteiligten bindend, da sie weder rechtmäßig zurückgenommen noch aufgehoben wurde.

51

1. Der Bescheid vom 05.03.2014 enthält selbst nur die Rücknahme der zuvor verfügten Beitragsbelastung und im Ergebnis die Erhöhung des Auszahlungsbetrages um 13 Cent pro Tag. Der neu hinzugefügte Zusatz dazu, wie das Krankengeld bewilligt wird, ist erkennbar keine Entscheidung im Einzelfall, sondern nur ein Hinweis auf die vermeintliche Bewilligungspraxis. Bei Erläuterungen oder Hinweisen einer erlassenden Behörde handelt es sich nicht um Nebenbestimmungen, weil ein entsprechender Regelungswille aus der im Zweifelsfall maßgeblichen Sicht des Empfängers nicht erkennbar wird (vgl. Korte, NZS 2014, 853, beck-online). Weder die bloße Wiedergabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen noch der Hinweis auf eine ständige Rechtsprechung oder die eigene (möglicherweise rechtswidrige) Bewilligungspraxis im Allgemeinen enthalten Regelungen des konkreten Einzelfalles. Sollte mit dem Hinweis auf die Bewilligungspraxis eine Befristung auf die jeweils attestierte Dauer der Arbeitsunfähigkeit beabsichtigt gewesen sein, hätte dies ausdrücklich verfügt werden müssen und wäre gegebenenfalls nach § 32 Abs. 1 SGB X gleichwohl nicht zulässig gewesen. Zudem wäre eine solche Nebenbestimmung „nachgeschoben“ und damit bei der gebundenen Entscheidung über die Krankengeldgewährung schon (ohne Aufhebung der zuvor unbefristet erteilten Bewilligungsentscheidung vom 24.01.2014) unzulässig.

52

2. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.12.2014 wurde die Dauerbewilligung jedenfalls nicht ausdrücklich aufgehoben. Die Beklagte teilte mit diesem Bescheid nur die von ihr vertretene Rechtsansicht mit, dass der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld trotz der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 20.11.2014 geendet habe. Die Beklagte ging – entsprechend dieser auf die obergerichtliche Rechtsprechung gestützten Auffassung – erkennbar davon aus, dass es einer Aufhebungsentscheidung vorliegend gerade nicht bedurfte. Da ein entsprechender Regelungswille daher nicht unterstellt werden kann, kann der Bescheid vom 17.12.2014 auch nicht als Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ausgelegt werden. Ob eine solche „stillschweigende“ Aufhebung überhaupt wirksam sein könnte, kann daher offengelassen werden.

53

Selbst wenn dem Bescheid vom 17.12.2014 der Regelungsgehalt einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X unterstellt werden könnte, fehlte es an den Voraussetzungen für eine rückwirkend (ab dem 21.11.2014) erfolgende Aufhebung der Dauerbewilligung vom 23.01.2014 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Selbst für die Zeit ab Zugang der (unterstellt) aufhebenden Entscheidung vom 17.12.2014 lagen die Voraussetzungen für eine Aufhebung noch nicht vor, da eine für den Krankengeldanspruch wesentliche Änderung der Sachlage in der Zeit vor dem 01.01.2015 nicht eingetreten war. Der Klägerin stand zu dieser Zeit der Anspruch auf Krankengeld weiterhin zu (dazu unter III.).

54

Eine vorsorgliche Aufhebung der Dauerbewilligung für die Zeit des Eintritts einer wesentlichen Änderung ist unzulässig, wurde in dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.12.2014 aber auch erkennbar nicht verfügt.

55

3. Welchen Regelungsgehalt der weitere Bescheid vom 17.12.2014 haben konnte, mit dem die Beklagte der Klägerin – im Widerspruch zum hier angefochtenen Bescheid vom selben Tag - mitteilte, dass nach Mitteilung des MDK ab dem 01.01.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestehe und Krankengeld somit nur bis 31.12.2014 gezahlt werden könne, kann hier offenbleiben, da die Klägerin Krankengeld nur bis zu dem genannten Datum beansprucht. Sofern hierin nicht eine Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 48 SGB X gesehen werden kann, wäre eine solche ab diesem Zeitpunkt jedenfalls auch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich gewesen.

III.

56

Selbst wenn man annehmen wollte, die Aufhebung einer Dauerbewilligung könne (ohne dass dies zum Ausdruck kommt) auch konkludent erfolgen, wäre eine (dem Bescheid vom 17.12.2014 unterstellte) rückwirkende Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig gewesen. Denn die Klägerin hatte bis zum 31.12.2014 einen Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch war am 26.07.2013 wirksam entstanden (1.), hat während der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit bis zum 04.08.2013 geruht und bestand anschließend bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 31.12.2014 fort (2.). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist in der hier streitigen Zeit nicht eingetreten.

57

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krankengeld ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach Versicherte, sofern sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten, vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören, Anspruch auf Krankengeld haben, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V wird bei Beziehern von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt.

58

1. Die Klägerin war im gesamten streitigen Zeitraum wegen der Folgen der am 26.07.2013 erlittenen Kreuzbandruptur am rechten Knie arbeitsunfähig.

59

Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; alle Urteile im Folgenden zitiert nach juris). Bei einem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherten Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III liegt Arbeitsunfähigkeit in diesem Sinne vor, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, selbst körperlich leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den er sich zuvor zwecks Erlangung des Arbeitslosengeld-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Das Krankengeld stellt sich in einem solchen Fall nicht als Ersatz für den Ausfall des auf Grund einer Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts dar, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R - und Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R -). Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind daher im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind (vgl. § 140 SGB III). Dies sind auch alle körperlich leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

60

Die Klägerin bezog im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosengeld nach den Vorschriften des SGB III. Die auch über den 20.11.2014 noch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit hat die Beklagte ausdrücklich anerkannt. Auch der behandelnde Arzt Dr. Sch… und der Arzt im MDK Dr. H… haben diese bestätigt.

61

Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ist bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 26.07.2013 entstanden (vgl. § 40 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuche [SGB I] i.V.m. § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V) und ruhte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V zunächst bis zum 04.08.2013, da die Klägerin noch Leistungsfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit erhielt. Für die Folgezeit hat die Beklagte der Klägerin Krankengeld lediglich bis zum 20.11.2014 gezahlt. Der Anspruch bestand jedoch auch über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Ende des mit der Klage geltend gemachten Zeitraums fort.

62

Einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bedurfte es vorliegend für die Entstehung des Anspruchs nicht, da anders als nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V bei Beziehern von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird. Weder kommt es auf den Zeitpunkt einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Winkler, info also 2000, 11, 15; Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 47b SGB V, Rn. 35; Tischler in: BeckOK, Stand: 01.09.2015, SGB V § 47b Rn. 5; Kruse in: LPK-SGB V, 4. Auflage 2012, § 47b Rn. 2), noch bedarf es für die Entstehung des Anspruchs überhaupt einer ärztlichen Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 44 ff.; so auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.07.2014 – L 16 KR 146/14 –, Rn. 37 und – L 16 KR 160/13 –, Rn. 40).

63

Der anderslautenden Rechtsprechung des BSG ist nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständig gewesenen 1. Senats des BSG sollte auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V neben Arbeitsunfähigkeit deren ärztliche Feststellung nach § 46 Satz 1 SGB V Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld sein (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 32). § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V (früher § 158 Abs. 1 Satz 2 AFG) ordne zwar die Gewährung von Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an. „Mit Rücksicht auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ sei dieser Bestimmung dennoch nicht zu entnehmen, dass es - anders als bei allen anderen Krankenversicherungsverhältnissen - insoweit auf den wirklichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit und nicht auf die ärztliche Feststellung ankommen soll (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35; dem folgend Brandts in: KassKomm, SGB V § 47b Rn. 13, die aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V mit dem BSG den Grundsatz herausliest, es sei bei allen KV-Verhältnissen die ärztlich „festgestellte“, nicht die „wirkliche“ AU gemeint, anders dieselbe dann aber für § 46 Satz 2 SGB V a.F.: Die Wartezeit (Karenzzeit) beginnt mit dem Eintritt der AU, nicht erst mit deren Feststellung, vgl. Brandts in: KassKomm, SGB V § 46 Rn. 22, 25). Der 1. Senat des BSG hat zwar den in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung) normierten Karenztag bei dem Entstehen des Krankengeldanspruchs in einem solchen Fall zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.2008 – B 1 KR 37/07 R –, Rn. 23). Gleichwohl hat er eine ärztliche Feststellung zur Anspruchsentstehung und (unter Berücksichtigung der eigenen „Rechtsprechung zu § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V“) sogar für die Anspruchsaufrechterhaltung für erforderlich erklärt (BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –, Rn. 21).

64

Anhand der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen lässt sich ein solches Erfordernis nicht begründen (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 44 ff.). Gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. § 46 SGB V ist in diesem Sinne eine spezielle gesetzliche Regelung zur Entstehung von Krankengeldansprüchen. Für die Fälle von Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung regelt § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld mit dem Beginn der jeweiligen Behandlung. Der bisherige Satz 2 der Norm (seit dem 23.07.2015 Satz 3) bestimmt für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, dass der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an entsteht. Der bisherige Satz 3 (jetzt Satz 4) enthält hierzu noch eine Modifikation bei einer entsprechenden Tarifwahl (nach § 53 Abs. 6 SGB V) eines nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten. Auch § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält eine spezielle Regelung, wonach für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bezieher von Arbeitslosengeld) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, der Anspruch also von diesem Tag an entsteht. Eine ärztliche Feststellung ist daher in all diesen Fällen nicht Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs.

65

Lediglich in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V wird für das Entstehen des Anspruchs eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vorausgesetzt. Bis zum 22.07.2015 enthielt die Regelung zudem einen sog. „Karenztag“, der mit der Neuregelung durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 entfallen ist. In den von der Norm erfassten Fällen entstand der Anspruch daher erst einen Tag nach bzw. entsteht er nunmehr von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.

66

Wiederum abweichend hiervon enthält aber § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V eine weitere Spezialregelung, wonach für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bezieher von Arbeitslosengeld) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, der Anspruch also von diesem Tag an entsteht. Eine ärztliche Feststellung wird in dieser Norm nicht zum Erfordernis der Anspruchsentstehung gemacht.

67

Das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung kann auch nicht „mit Rücksicht auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ in die Regelung des § 47b SGB V hineingelesen werden. Die Gesetzesentwicklung steht der Annahme entgegen, aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ergebe sich ein Grundsatz, wonach bei allen KV-Verhältnissen die ärztlich „festgestellte“, nicht die „wirkliche“ AU gemeint sei (so aberBrandts in: KassKomm, SGB V § 47b Rn. 13 unter Berufung auf BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35). Die Vorgängerregelung des § 46 SGB V war § 182 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Bis zum Jahr 1961 stellte diese Vorschrift auf den „Eintritt der Arbeitsunfähigkeit“ ab. Erst mit Änderung des § 182 Abs. 3 RVO durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12.07.1961 wurden die Worte "Eintritt der Arbeitsunfähigkeit" durch "ärztliche Feststellung" ersetzt und die Anzahl der Karenztage von zuvor drei auf nunmehr einen Tag reduziert. Vor dieser Gesetzesänderung war daher Anknüpfungspunkt für den Krankengeldanspruch stets der tatsächliche Beginn der Arbeitsunfähigkeit und nicht eine ärztliche Feststellung derselben.

68

Selbst wenn man aber mit der Rechtsprechung des BSG trotz der spezielleren Regelung des § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Arbeitslosengeldbezieher) für die Entstehung des Anspruchs eine ärztliche Feststellung für erforderlich halten würde, wäre diese Voraussetzung im Fall der Klägerin erfüllt. Tatsächlich hat der behandelnde Arzt Dr. Sch… die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 26.07.2013 und in der Folgezeit wiederholt ärztlich festgestellt.

69

Die „ärztliche Feststellung“ ist als tatsächliche Wahrnehmung des Arztes das Ergebnis einer persönlichen ärztlichen Untersuchung. Der Arzt muss auf Grund seiner Befunderhebung zu der Erkenntnis gelangen, dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht in der Lage ist, die im Einzelfall maßgeblichen Tätigkeiten zu verrichten. Als Erkenntnisvorgang ist die ärztliche Feststellung also die Erhebung der medizinisch relevanten Tatsachen und die Beurteilung von deren Auswirkungen auf das aktuelle Leistungsvermögen des Versicherten.

70

Über diese Feststellung stellt der Arzt für Versicherte, die von ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung oder aber von der Bundesagentur für Arbeit Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können, eine Bescheinigung im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V aus (vgl. § 5 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall – Entgeltfortzahlungsgesetz [EFZG]; § 5 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V [Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien], § 146 Abs. 3 SGB III). Die ärztliche Feststellung in diesem Sinne ist daher nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung, etwa der „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder dem Auszahlschein gleichzusetzen (zur notwendigen Differenzierung vgl. auch BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 26). Ob ein Arzt Arbeitsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt hat, kann erforderlichenfalls auch noch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung durch eine Befragung des Arztes ermittelt werden. Das Erfordernis eines „Attestes“ oder einer „Bescheinigung“ ist den gesetzlichen Bestimmungen zum Anspruch auf Krankengeld nicht zu entnehmen (zuletzt SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 53; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 39f.).

71

Sofern die Beklagte sich auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014 beruft, zu dem derzeit die Revision vor dem BSG (B 3 KR 22/15 R) anhängig ist, vermag die Kammer der dort vertretenen Auffassung nicht zu folgen. Das LSG Rheinland-Pfalz teilt in diesem Urteil mit, der Senat habe sich der Rechtsprechung des BSG angeschlossen, wonach „die Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ strikt zu handhaben sei (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014 – L 5 KR 157/14 –, Rn. 14). Im zugrundeliegenden Fall hatte sich die dortige Klägerin zwar am letzten Tag des attestierten Zeitraums persönlich beim Arzt vorgestellt, dieser habe jedoch (so das LSG) eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht „nach außen dokumentiert“. Es könne dahinstehen, ob die Angabe der Arbeitsunfähigkeit in den Krankenunterlagen des Arztes ausreichen würde, da der Arzt ausweislich des „von der Klägerin vorgelegten Ausdrucks“ des Krankenblatts lediglich eine Diagnose gestellt habe. Eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lasse sich hieraus gerade nicht entnehmen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014 – L 5 KR 157/14 –, Rn. 16). Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Arzt allerdings in einer vom Sozialgericht eingeholten Auskunft angegeben, die Klägerin sei bei der persönlichen Vorstellung arbeitsunfähig gewesen. Er habe die Arbeitsunfähigkeit diesem Tag auch festgestellt, aber nicht schriftlich bescheinigt, da die Anschlussbescheinigung am nächsten Tag durch einen anderen Arzt habe erfolgen sollen. Warum diese vom Arzt ausdrücklich bestätigte ärztliche Feststellung nicht ausreichen sollte, wird in der zitierten Entscheidung nicht begründet, sondern lediglich auf die am Folgetag (und damit vermeintlich zu spät) getätigte Attestierung abgestellt. Eine Definition des zur Klageabweisung angewandten Kriteriums „nach außen dokumentiert“ und eine Verortung desselben in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen enthält die Urteilsbegründung ebenfalls nicht, so dass auch nicht erkennbar wird, warum die Mitteilung des Arztes im Befundbericht gegenüber dem Sozialgericht nicht als hinreichende „Dokumentation“ angesehen wurde bzw. warum weitere Ermittlungen durch das LSG zu diesem für maßgeblich gehaltenen Umstand unterblieben sind. Die Behauptung, dass die Voraussetzung nur durch ein an diesem fraglichen Tag ausgestelltes Schriftstück zu erfüllen gewesen wäre, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, so dass sich der Rahmen der rechtlichen Prüfung nicht erschließt.

72

2. Der Anspruch ist vorliegend auch nicht deshalb entfallen, weil nicht „lückenlos“ ärztliche Feststellungen, Bescheinigungen oder Prognosen über die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vorliegen.

73

Bereits für die Entstehung des Anspruchs war, wie oben ausgeführt, eine ärztliche Feststellung nicht erforderlich. Selbst wenn man jedoch abweichend von der hier vertretenen Auffassung eine Feststellung nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V „bei allen“ Krankenversicherungsverhältnissen zur Entstehung des Anspruchs für erforderlich hält (so BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35, vgl. oben), entfiele der einmal entstandene Anspruch nicht deshalb, weil eine „Lücke in den AU-Feststellungen“ vorliegt oder weil keine „lückenlosen“ (gemeint bislang in Fällen der Karenzregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. tatsächlich sogar sich überschneidenden) ärztlichen Bescheinigungen oder aber Prognosen vorliegen.

74

Der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständigen 1. Senats des BSG (siehe hierzu IV.) kann auch in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Nach dieser Rechtsprechung hat der Versicherte auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich „rechtzeitig vor Fristablauf“ erneut ärztlich feststellen zu lassen und seiner Krankenkasse (spätestens innerhalb einer Woche) zu melden, um das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruches zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R-; Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –; Urteile vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R - und - B 1 KR 20/11 R -; Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R -; zuletzt noch BSG, Urteile vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R, B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R –).

75

Der 1. Senat des BSG nahm zur Begründung seiner Auffassung bislang auf den als „Ausschlussregelung“ bezeichneten § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. Bezug. Wie bereits unter III.1. erläutert, enthält § 46 SGB V jedoch lediglich eine Regelung zur Anspruchsentstehung. Erfordernisse für eine Aufrechterhaltung des Anspruchs ließen sich hieraus bislang nicht ableiten. Insbesondere waren dieser Norm keinerlei „gesetzliche Fristen“ für eine weitere ärztliche Feststellung oder für eine „erneute Vorlage“ einer „Bescheinigung“ oder gar die Notwendigkeit einer „Lückenlosigkeit“ derselben zu entnehmen. Ebenso wenig wird mit der Norm ein Ende des Anspruchs geregelt (so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12-; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13).

76

Sofern mit der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG eine „Lückenlosigkeit“ gefordert wird, kann sich dies allein auf die (in den regelmäßig ausgestellten Bescheinigungen neben der Mitteilung über die ärztliche Feststellung, dass Arbeitsunfähigkeit vorliege, zumeist ebenfalls enthaltene) Prognose über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit beziehen. In der über die Arbeitsunfähigkeit ausgestellten Bescheinigung macht der Arzt – da er gem. § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG hierzu angehalten ist – oftmals auch Angaben dazu, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bestehen wird. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine ärztliche „Feststellung“. Im Regelfall dürfte ein Arzt nicht in der Lage sein festzustellen, bis wann eine Arbeitsunfähigkeit dauern wird. Er kann nur feststellen, „dass“ sie im Zeitpunkt der Untersuchung besteht. Die Angabe einer voraussichtlichen Dauer ist lediglich eine Prognose im Sinne einer ärztlichen Vorhersage des vermuteten Krankheitsverlaufs. Diese ärztliche Prognose ist begrifflich zwingend von der tatsächlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 59 entgegen BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 13 mit der dort zu findenden paradoxen Formulierung, der Arzt habe sich „Gewissheit“ zu verschaffen, (…) wie lange die AU „voraussichtlich“ noch andauern wird).

77

Allein die ärztliche Prognose erstreckt sich über einen Zeitraum, sodass nur hieran anknüpfend eine „Lückenlosigkeit“ hergestellt werden könnte. Wie bereits ausgeführt, ist die ärztliche Feststellung die aktuelle, auf den Zeitpunkt der Untersuchung bezogene Tatsachenwahrnehmung. Begriffsnotwendig kann sich diese Feststellung nicht auf einen in die Zukunft gerichteten Zeitraum beziehen. Der Arzt kann nicht feststellen und sich „Gewissheit darüber verschaffen“, dass der Versicherte „voraussichtlich“ noch drei oder sechs Tage oder bis zum Ende der nächsten Woche arbeitsunfähig sein wird. Er kann im Regelfall nur eine Vermutung anstellen und eine entsprechende Prognose abgeben. Da aber eine ärztliche Prognose keine Voraussetzung für einen Krankengeldanspruch ist, kann auch nicht die „Lückenlosigkeit“ von Prognosen gefordert werden. Die Rechtsprechung, die hierauf gleichwohl abstellt, zeichnet sich dadurch aus, dass die verwendeten Begriffe „ärztliche Feststellung“, „ärztliche Bescheinigung“ und „voraussichtliche Dauer“ bzw. „Prognose hierüber“ offenbar inhaltlich nicht geklärt und in der Folge nicht sinnvoll voneinander unterschieden werden. Zudem wird es sich bei den entsprechenden Angaben hinsichtlich der „voraussichtlichen Dauer“ der Arbeitsunfähigkeit in Erkrankungsfällen, die erfahrungsgemäß eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, selten um eine echte Prognose hinsichtlich der vermuteten Dauer handeln, als vielmehr um das Datum, zu dem ein erneuter Arztbesuch angestrebt werden sollte. Gerade in den Fällen, in denen ein Arzt bei einer erkennbar längerfristigen Erkrankung gleichwohl ein in näherer Zukunft liegendes Datum in die Bescheinigung einträgt, wird deutlich, dass der Arzt hiermit jedenfalls nicht ein „Ende der Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigt. An eine derartige Erklärung unumkehrbare Rechtsfolgen zu knüpfen, verbietet sich daher.

78

Der materielle Anspruch besteht daher nach seiner Entstehung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauert und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht ist. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus einer in der „Bescheinigung" angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse den materiellen Anspruch zum Ende eines „Bewilligungszeitraums“, also durch eine Befristung der Bewilligung (zur Unzulässigkeit der Befristung siehe oben) enden lassen. Sofern die Krankenkasse tatsächlich eine bestandskräftige Entscheidung nur für einen bestimmten Zeitabschnitt getroffen haben sollte, wäre über die Folgezeit noch zu entscheiden. Dies hätte jedoch gleichwohl nicht zur Folge, dass der materielle Anspruch neu entstehen müsste (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12 - entgegen der Rechtsprechung des BSG; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 07.04.2014 - S 19 KR 10/13 -; SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 298/12 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Beschluss vom 08.09.2014 - S 19 KR 519/14 ER -; Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 - S 19 KR 959/13 -; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 - S 3 KR 405/13 -).

79

Sofern die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 sogar annimmt, die Klägerin habe spätestens am letzten (Werk-/Arbeits-)Tag des bisherigen „Krankschreibungszeitraums“ einen Arzt zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufsuchen müssen, übersieht sie zudem, dass gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V die Karenztagregelung für die Klägerin als Bezieherin von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) nicht einschlägig ist.

80

Selbst wenn man aber bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG die lückenlose Attestierung als Anspruchsvoraussetzung annehmen wollte, hätte die Klägerin diese Anforderung erfüllt. Denn bereits in der Arztanfrage vom 13.10.2014 hatte der Behandler Dr. Sch… eine weitere Arbeitsunfähigkeit „bis ca. Ende November 2014“ vorhergesagt. Auch im MDK-Gutachten vom 26.09.2014 war bereits eine Prognose für Ende November abgegeben worden. Der am 25.11.2014 ausgestellte weitere Zahlschein erging daher entgegen der Ansicht der Beklagten innerhalb der „bislang nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit“ (gemeint prognostizierte und entsprechend bescheinigte voraussichtlich Dauer). Die im Zahlschein vom 06.11.2014 mitgeteilte Prognose voraussichtlich bis 20.11.2014 konnte – ungeachtet der rechtlichen Qualifikation dieser ärztlichen Äußerungen – die anderen ärztlichen Aussagen nicht zurücknehmen oder aufheben. Ein „Grundsatz“, dass im Zweifel die kürzeste ärztliche Prognose maßgeblich ist, wurde bislang nicht aufgestellt und dürfte auch nicht zu begründen sein.

81

Ohne dass es nach der hier vertretenen Auffassung rechtlich darauf ankäme, ist noch darauf hinzuweisen, dass vorliegend auch keine „bewilligungsabschnittsweise“ Zahlung erfolgte, da die Beklagte weder eine - mit dem Bescheid vom 23.01.2014 angekündigte - monatliche Auszahlung des Krankengeldes noch eine Zahlung jeweils für den attestierten Zeitraum veranlasste, sondern offensichtlich allein das Ausstellungsdatum der Auszahlscheine maßgeblich für die Zahlungsabschnitte war.

IV.

82

Der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG hinsichtlich Fortgewährung von Krankengeld nur bei Erfüllung weiterer, gesetzlich nicht geregelter Obliegenheiten des Versicherten kann nicht gefolgt werden, da diese gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstößt und zu unhaltbaren Ergebnissen führt.

83

Der 1. Senat des BSG hat ein Verfahren der Krankengeldbewilligung mit wiederholten Feststellungs- und Meldeobliegenheiten etabliert, aus dem in den letzten Jahren für die Versicherten die Gefahr entstanden ist, auf Grund von "Bescheinigungslücken" trotz nachweisbar bestehender Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf Krankengeld zu verlieren. Dabei ist die dogmatische Konstruktion der durch das BSG aufgestellten Voraussetzungen so weit vom Gesetzeswortlaut entfernt, dass eine parlamentarische Willensbildung über die hierdurch bewirkten Rechtsfolgen ausgeschlossen werden kann. Die Dogmatik des BSG hat sich vielmehr durch wiederholte Bezugnahmen auf eigene Vorentscheidungen vom Gesetz immer weiter gelöst und verselbstständigt. Als Ausgangspunkt kann die in der bereits erwähnten Entscheidung aus dem Jahr 1986 erfolgte Einordnung der bloßen Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse als konkludent verfügter und auf das Ende des ärztlichen Prognosezeitraums zeitlich befristeter Bewilligungsverwaltungsakt angesehen werden (BSG, Urteil vom 16.09.1986 - 3 RK 37/85 - Rn. 12ff., allerdings ohne Verwendung des Rechtsbegriffs „Befristung“, stattdessen mit Formulierungen wie: der Anspruch „endet“ mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit, „der Anspruch fällt weg“, Entscheidung über „das - vorläufige - Ende“ der Krankengeldbezugszeit), weshalb folgerichtig für die Folgezeit eine neue bewilligende Entscheidung der Krankenkasse verlangt wurde (BSG, Urteil vom 09.12.1986 - 8 RK 27/84 - Rn. 12). Hieraus entwickelte sich ein „Grundsatz der abschnittsweisen Krankengeldbewilligung“ (BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R – Rn. 12; BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R - Rn. 29), der in der sich allmählich darauf einstellenden Praxis der Krankenkassen - wie auch im vorliegenden Fall - mittlerweile sogar unabhängig von der tatsächlich getroffenen Verwaltungsentscheidung für maßgeblich gehalten wird. Seit dem Jahr 2000 hat der 1. Senat des BSG erklärtermaßen über den Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V hinaus für das Vermeiden des Ruhens des Krankengeldanspruchs wiederholte Meldungen der Arbeitsunfähigkeit für erforderlich erklärt. Dieses Erfordernis habe auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden sei. Auch dann müsse der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig „vor Fristablauf“ ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wolle er das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17, möglicherweise mit Blick auf die Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Seit dem Jahr 2005 fügte der 1. Senat dieser Wendung noch das Erlöschen des Anspruchs hinzu (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -, Rn. 17), so dass nunmehr unterstellt wird, es gebe auch für weitere ärztliche Feststellungen eine gesetzliche Frist. Das BSG begründete diese Auffassung zunächst mit der „Befristung“ der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit und der daher regelmäßig angenommenen abschnittsweise erfolgenden Krankengeldbewilligung. Der Anspruch auf Krankengeld ende mit Ablauf des zuletzt „bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums“, wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringe (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 -). Werde das Krankengeld abschnittsweise gewährt, sei das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Erst wenn nach gegebenenfalls vorausgegangener Krankengeldgewährung eine erneute ärztliche Bescheinigung vorgelegt werde, bestehe für die Krankenkasse überhaupt Anlass, die weiteren rechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs und damit eines „neuen Leistungsfalles“ zu prüfen (so BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 31). Für die Entscheidung über die Weitergewährung des Krankengeldes hält es das BSG daher im Falle einer ärztlichen Prognose zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit wegen des hieraus abgeleiteten Anspruchsendes für erforderlich, dass jeweils erneut alle Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung geschaffen werden müssen (anders allerdings BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - im Fall einer ärztlichen Bescheinigung ohne Angabe zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit: eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasse, könne als für § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ausreichend angesehen werden). Im Jahr 2014 hat das BSG schließlich die bereits zuvor praktisch nicht mehr berücksichtigte Anknüpfung an eine Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse aufgegeben und nur unmittelbar die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes mitgeteilte Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer zur Grundlage für die zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs gemacht (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R; vgl. ergänzend zur Entwicklung dieser Rechtsprechung sehr ausführlich zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 98 ff.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juli 2014 – L 16 KR 160/13 – Rn. 26; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 65 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 49 ff.; vgl. auch Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.).

84

Auch mit den zuletzt getroffenen Entscheidungen vom 16.12.2014, mit denen der mittlerweile für das Krankengeldrecht nicht mehr zuständige 1. Senat des BSG seine bisherige Rechtsprechung noch einmal zu bekräftigen suchte (BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R), konnte der Senat den Vorwurf des fehlenden Bezuges zu einer gesetzlichen Grundlage nicht entkräften (vgl. hierzu die Entscheidungen der Kammer: SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 41 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 66 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 50 ff.; hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 126 ff.; kritisch auch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).

85

In besonderem Maße zurückzuweisen sind die Ausführungen des 1. Senates des BSG, es sei nicht Sache der KK, den Versicherten (…) auf die „besondere gesetzliche Regelung“ und „deren im Regelfall gravierende Folgen“ hinzuweisen; KKn seien nicht gehalten, Hinweise auf den „gesetzlich geregelten Zeitpunkt“ einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R –, Rn. 17 und Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 16, sogar mit dem Hinweis auf Schadensersatzansprüche des Versicherten gegen den Arzt). Es handelt sich erkennbar um den Versuch, eine gesetzliche Regelung zu suggerieren, ohne dass kenntlich gemacht wird, auf welche konkrete Norm hier Bezug genommen werden soll. Eine gesetzliche Regelung über einen Zeitpunkt für die erneut erforderliche AU-Feststellung mit im Regelfall gravierenden Folgen gab es im SGB V bislang nicht (zu der vom 1. Senat des BSG vorgenommenen unzulässigen Analogiebildung zu Lasten der Versicherten vgl. SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 45 f.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 70 f.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 51 f.; ausführlich SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 - unter Verweis auf die Bedeutung der Wortlautgrenze für die Auslegung von Gesetzestexten; zu der Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit Wirkung zum 23.07.2015 siehe unten V.). Im Übrigen ist festzustellen, dass in diesen letzten Entscheidungen offen mit unrichtigen Behauptungen hinsichtlich eines vermeintlichen „Wortlautes“ oder Gesetzesinhalts gearbeitet wurde, ohne dass auf die Sachargumente der entgegenstehenden Kritik inhaltlich eingegangen wurde (kritisch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).

86

Hervorzuheben ist zudem die sich aus der fortgesetzten Rechtsprechung ergebende Diskrepanz zwischen der Unverbindlichkeit des ärztlichen Attestes hinsichtlich der hiermit zu beweisenden Inhalte und zugleich der unterstellten Unabänderlichkeit der aus der ärztlichen Prognose gefolgerten Auswirkungen. Die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG verletzt bereits dadurch fundamentale Prinzipien des Verwaltungsverfahrensrechts, dass sie die im Verwaltungsverfahren per Verwaltungsakt getroffene Feststellung, ob ein Anspruch auf eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum besteht, mit dem materiellen Anspruch gleichsetzt, auf den sich diese Feststellung bezieht. Der materielle Anspruch ist vom per Bescheid festgestellten Anspruch zwingend zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 68). Hingegen schreibt der 1. Senat dem feststellenden Verwaltungsakt selbst materielle Wirkung auf den Anspruch zu, indem er behauptet, der Krankengeldanspruch ende mit der in der Bewilligung enthaltenen Bezugszeit (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30). Könnten Verwaltungsakte eine derartige Wirkung haben, wäre Rechtsschutz hiergegen unmöglich. Der Verwaltungsakt wäre hinsichtlich des hierin festgestellten Endes des Anspruchs entgegen § 62 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. §§ 77, 78 Abs.1 Satz 1 SGG nicht anfechtbar (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 120).

87

Indem das BSG zugleich ausführt, der Anspruch ende mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30; fortgesetzt im Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R -), wird dieser Fehler sogar noch vertieft, da nicht mehr die Entscheidung der Behörde, sondern nur noch die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthaltene „Befristung“, d.h. die vom Arzt zu ganz anderen Zwecken abgegebene Prognose über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit den materiellen Anspruch determinieren soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 20). Die Entscheidungspraxis des BSG läuft mittlerweile darauf hinaus, dass der Anspruch auf Leistungen nicht mit dem Ende des Bewilligungsabschnitts "endet", sondern dass der Arzt, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, mit der Angabe eines Datums für die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit das (vorläufige) Ende des materiellen Krankengeldanspruchs auf spätestens dieses Datum festlegt. Rechtsdogmatisch nicht begründbar und rechtsstaatlich bedenklich wird hierdurch dem Arzt eine (diesem nicht bewusste und aus nichts ableitbare) Entscheidungskompetenz unterstellt, gegen deren Ausübung zudem weder dem Versicherten Rechtsmittel zuerkannt, noch dem Arzt Aufhebungsmöglichkeiten zugesprochen werden. Die Prognose des Arztes, die Arbeitsunfähigkeit dauere voraussichtlich noch bis zu dem mitgeteilten Datum, wird zur „Feststellung“ der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Tag umgedeutet und hieran das Ende des materiellen Krankengeldanspruchs geknüpft. Der Versicherte wird nicht einmal „gehört“, wenn das weitere Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Es spielt zudem keine Rolle, aus welchem Grund der Arzt die Erklärung überhaupt abgegeben hat und ob er tatsächlich davon ausgegangen ist, dass die Arbeitsfähigkeit am Tag nach dem Ende des Prognosezeitraums wieder eintreten wird (vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 149).

88

Die durch die Rechtsprechung des BSG hergestellte Unumstößlichkeit dieser schriftlichen ärztlichen Erklärung zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit, die ungeachtet des tatsächlichen Erklärungswillens und ohne nachträgliche Anfechtungs- oder Korrekturmöglichkeiten auch nur innerhalb einer absoluten Ausschlussfrist (wieder) hergestellt werden kann, dürfte einmalig im deutschen Rechtssystem sein. Sie steht zudem deutlich im Widerspruch zu der vom 1. Senat des BSG erkannten Unverbindlichkeit der ärztlichen Bescheinigung für Krankenkassen und Gerichte (so bereits BSG, Beschluss vom 31.03.1998 – B 1 KR 56/96 B – Rn. 5; BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20 m.w.N.). Denn hinsichtlich der übrigen darin enthaltenen Angaben ist sie auch nach der Rechtsprechung des BSG lediglich ein Beweismittel wie jedes andere, sodass der durch sie bescheinigte Inhalt durch andere Beweismittel widerlegt werden kann (u.a. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20).

89

Sofern der 1. Senat für seine Auffassung anführt, der Gesetzgeber habe auch in Kenntnis der „jahrzehntelang bestehenden, wertungskonsistenten, in sich stimmigen“ höchstrichterlichen Rechtsprechung „aus gutem Grund“ davon abgesehen, die hier betroffenen gesetzlichen Grundlagen zu ändern (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R –, Rn. 22), kann für die Richtigkeit der dort vorgenommenen Rechtsanwendung aus dem „Untätigbleiben des Gesetzgebers“ nichts geschlussfolgert werden. Auf die Ausführungen des SG Mainz im Urteil vom 31.08.2015 (S 3 KR 405/13, Rn. 140 f.) kann Bezug genommen werden. Dort wird hierzu ausgeführt:

90

„Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verbreitete Praxis, das Festhalten an einer überkommenen Rechtsauffassung damit zu rechtfertigen, dass „der Gesetzgeber“ in Kenntnis der Rechtsprechung keine Gesetzesänderung vorgenommen habe, entbehrt einer rechtswissenschaftlichen Grundlage. Aus einer unterbliebenen Reaktion der Gesetzgebungsorgane auf eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich seriös nichts ableiten, außer der offenkundigen Tatsache, dass der der Rechtsprechung (vorgeblich) zu Grunde liegende Normtext unverändert geblieben ist. Die Interpretation der Untätigkeit der Gesetzgebungsorgane als legitimierende Billigung der Rechtsprechung ist aus verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht begründbar.

91

Dies beruht zunächst darauf, dass es in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes einen „Gesetzgeber“ nicht gibt, dessen monolithischer Wille jederzeit und zu jedem Problem unmittelbare Geltung beanspruchen könnte. Von einem „gesetzgeberischen Willen“ lässt sich nur metaphorisch sprechen und auch das nur bezogen auf das Ergebnis eines konkreten Gesetzgebungsvorgangs. Außerhalb von Gesetzgebungsvorgängen gibt es keinen „Gesetzgeber“, dessen schlichtes „Verhalten“ geltendes Recht schaffen könnte. Hieraus ergibt sich auch, dass die Geltung eines durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtextes, abgesehen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, nur durch Setzung weiterer Normtexte durch die gleichen oder durch höherrangige Gesetzgebungsorgane beseitigt werden kann. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn eine parlamentarische Mehrheit die Außerachtlassung des früher möglicherweise unter anderen politischen Mehrheitsverhältnissen gesetzten Normtextes durch die Rechtsprechung ausdrücklich billigen würde. Denn um einen zuvor durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtext legitimerweise außer Kraft zu setzen, bedarf es eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Das nach dem Grundgesetz vorgesehene Verfahren der Gesetzgebung mit Beteiligungsmöglichkeiten und Öffentlichkeit wird übergangen, wenn das Unterlassen des Gesetzgebers im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsprechung mit deren Positivierung durch Gesetz gleichgesetzt wird.“

V.

92

Die zum 23.07.2015 erfolgte Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) führt weder für die Zukunft noch rückwirkend zu einer wesentlichen Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen für den Fortbestand des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs. Die Änderung des Satz 1 der Vorschrift führt zum Wegfall des Karenztages. Der neu eingefügte Satz 2 der Vorschrift lautet:

93

„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.“

94

Der Regelungsbereich dieser Norm betrifft also lediglich Fälle, in denen bereits ein Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Derartige Fallkonstellationen entstehen vereinzelt, wenn ein Arzt – möglicherweise „auf Anweisung des MDK“ und sogar entgegen der eigenen Einschätzung (vgl. nur SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13) - ein Ende in der ausgestellten Bescheinigung mitgeteilt hat, obwohl die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich fortbestand. Auch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Arzt tatsächlich (zutreffend oder auch nicht) von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit ausgeht und dieses bescheinigt.

95

Auf die im Regelfall von der Rechtsprechung für die Begründung eines vermeintlichen Anspruchsendes bislang in Bezug genommene ärztliche Prognose ist die Regelung des § 46 Satz 2 SGB V aber bereits begrifflich nicht anwendbar. Die üblicherweise in den verwendeten Formularen vom Arzt bescheinigte Prognose über ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit ist gerade kein „bescheinigtes Ende“ derselben. Die durch die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG begründete Auffassung, wonach die in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentierte Prognose das Ende auch des materiellen Krankengeldanspruchs zur Folge habe (s.o.), lässt sich daher auch nicht auf die Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V stützen.

96

Der zwingenden Differenzierung zwischen ärztlicher Prognose und ärztlicher Bescheinigung des Endes tragen die in der als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) mit Wirkung zum 01.01.2016 vereinbarten Muster-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Rechnung, indem nunmehr vorgesehen ist, dass der bescheinigende Arzt neben einer Erst- oder Folgebescheinigung auch eine „Endbescheinigung“ erstellen kann, in der er nicht anzugeben hat, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen wird, sondern wann der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit war.

97

Ungeachtet des nur eingeschränkten Anwendungsbereichs der Neuregelung im Satz 2 des § 46 SGB V kann die bisherige Rechtsprechungspraxis mit dieser Norm weder gerechtfertigt noch in der Zukunft unter Berufung hierauf fortgeführt werden. Denn ein (neuer) Beendigungstatbestand kann aus der Norm auch weiterhin nicht abgeleitet werden. Eine Regelung, die eine Beendigung des Krankengeldanspruchs durch eine ärztliche Handlung („Feststellung der Arbeitsfähigkeit“, „Bescheinigung des Endes der Arbeitsunfähigkeit“) vorsieht, findet sich im SGB V weiterhin nicht. Sie wird von der Neuregelung allenfalls stillschweigend (im Hinblick auf die als Rechtslage unterstellte Rechtsprechung des BSG, vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R) vorausgesetzt. § 46 Satz 2 SGB V n.F. selbst enthält keinen ausdrücklichen Beendigungstatbestand (vgl. hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 160). Allenfalls mittels eines Umkehrschlusses könnte aus dem Umstand, dass der Anspruch „bestehen bleibt“, wenn eine Neufeststellung „spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt“ hergeleitet werden, dass er anderenfalls eben nicht bestehen bleibt. Eine solche (indirekte) Regelungstechnik entspricht allerdings nicht den Anforderungen des rechtsstaatlichen Gebotes der Normenklarheit und Normenwahrheit, wonach gesetzliche Regelungen so gefasst sein müssen, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Auch bei der Gewährung von Leistungen müssen die Normen in ihrem Inhalt für die Normunterworfenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung widerspruchsfrei sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 11 BvR 1749/01 – Rn. 61). Zudem wird eine derart indirekte, weil stillschweigende und nur aus dem Umkehrschluss erkennbar werdende Regelung eines Beendigungstatbestandes dem Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I nicht gerecht (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 161).

98

Weiterhin ergibt sich weder aus § 46 SGB V n.F. noch aus anderen Normen des SGB V das Erfordernis einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit, einer ärztlichen Prognose oder gar das Erfordernis, dass ein Arzt das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen habe. Vielmehr kann man (ebenfalls mittels Umkehrschlusses) aus § 46 Satz 2 SGB V n.F. ableiten, dass die prognostische Mitteilung des Arztes über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit gerade keine Auswirkungen auf den materiellen Krankengeldanspruch des Versicherten hat. Die Neuregelung bestätigt also keinesfalls die bisherige Rechtsprechung des BSG zur Wirkung der ärztlichen Prognose.

99

Erstmals aus der in der Neuregelung enthaltenen Formulierung „bescheinigtes Ende“ ergibt sich im Zusammenhang mit den Regelungen zum Krankengeldanspruch der Hinweis auf eine „Bescheinigung“. Wie ausgeführt, ist eine solche (anders als etwa nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG) für die Erlangung eines Krankengeldanspruchs bislang nicht Anspruchsvoraussetzung. Sollte bei der Neuregelung beabsichtigt gewesen sein, eine Bescheinigung (möglicherweise sogar mit einer absoluten Ausschlussfrist hinsichtlich des Datums der Ausstellung derselben) nunmehr zur Anspruchsvoraussetzung zu machen, wäre eine entsprechende Formulierung im Normtext möglich, aber auch erforderlich gewesen. Zudem ergibt sich aus der sprachlich möglicherweise verunglückten Konstruktion einer „weiteren Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit“ nach dem „bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit“ ein in den Gesetzgebungsmaterialien nicht diskutierter zusätzlicher Anspruch. Intendiert war vermutlich ein Normverständnis dahingehend, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (trotz entgegenstehender „Bescheinigung“) nicht endete und daher ihr Fortbestehen ärztlich festgestellt wird. Durch die gewählte Formulierung wird aber zudem (wohl unbeabsichtigt, vgl. die Beschlussempfehlung, BT-Drucks. 18/5123, S. 121 am Ende) das Fortbestehen des Krankengeldanspruches sogar für den Fall normiert, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (wie bescheinigt) endete und am nächsten Werktag eine neue Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird. Hierdurch wird ein durchgehender Krankengeldanspruch trotz zwischenzeitlicher Arbeitsfähigkeit über die bislang bestehenden Regelungen hinaus neu geschaffen. Dieser Effekt ist offensichtlich der (sich aus der in Bezug genommenen Rechtsprechung ergebenden) fehlenden sprachlichen Klarheit hinsichtlich der verwendeten Begriffe etwa der „Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“ bzw. einer „Bescheinigung“ geschuldet.

100

Mit der (bei konsequenter Anwendung der vorhandenen Normen nicht erforderlichen) Neuregelung des § 46 SGB V sollte aber erkennbar der bisherigen „Praxis“ (wohl der Entscheidungspraxis des 1. Senates des BSG) punktuell gegengesteuert werden und jedenfalls für die häufigen Fälle der Attestierung am Folgetag bzw. am folgenden Montag der nach dieser Rechtsprechung eintretende Verlust nicht nur des Krankengeldanspruchs, sondern auch der entsprechenden Mitgliedschaft verhindert werden (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 18/4095, S. 80 f. ; BT-Drucks. 18/5123, S. 121 – Beschlussempfehlung). Allerdings wurde hierbei ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs die „ständige Rechtsprechung“ des BSG mit der „Rechtslage“ gleichgesetzt und ausgeführt, nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V seien die Versicherten gehalten, eine „Folgekrankheitsbescheinigung spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf der (Erst-) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.“ Diese Obliegenheit der Versicherten sei höchstrichterlich in ständiger Rechtsprechung „bestätigt“ worden (BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R). Der Umstand, dass Verfasser eines Gesetzesentwurfes von einem nicht zutreffenden Inhalt bestehender gesetzlicher Regelungen ausgehen und diesen unterstellten Inhalt zur Grundlage einer Neuregelung machen, hat allerdings nicht zur Folge, dass hierdurch der unterstellte Norminhalt zum Gesetz wird. Tatsächlich existiert auch weiterhin keine gesetzliche Regelung (insbesondere nicht im SGB V), die im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankengeld eine „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder gar eine „Folgekrankheitsbescheinigung“ zum Gegenstand hat. Die Pflicht, derartige Bescheinigungen „spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf“ einer anderen Bescheinigung „vorzulegen“, wird dem Versicherten an keiner Stelle im Gesetz auferlegt.

101

Eine Billigung der „ständigen Rechtsprechung“ für alle von der Neuregelung nicht erfassten Fälle kann weder aus der Neuregelung selbst noch aus einem Untätigbleiben („Stillschweigen“) des Gesetzgebers im Übrigen abgeleitet werden. Auch eine jahrelange Rechtsprechung, die die gesetzlichen Regelungen außer Acht lässt, kann nicht dazu führen, dass diese Gesetze nicht mehr anzuwenden sind, solange sie nicht formell wirksam von den hierzu legitimierten Organen aufgehoben wurden (s.o.). Es wäre dem Gesetzgeber möglich, ein stärker formalisiertes Verfahren zur Erlangung und auch zur Aufrechterhaltung eines Krankengeldanspruches zu normieren. So könnte die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen mit einem zu bestimmenden Mindestinhalt und in einer bestimmten Frequenz zur Voraussetzung gemacht werden, vergleichbar der Regelung des § 5 EFZG für die Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung. Für den Krankengeldanspruch gibt es eine solche gesetzliche Regelung derzeit aber nicht. Den Normbetroffenen erschließt sich derzeit bei Lektüre der maßgeblichen Vorschriften der von der Rechtsprechung des 1. Senates des BSG aufgestellte „Pflichtenkanon“ (erneute „fristgemäße“ Neufeststellung, wiederholte Meldung, „Informationsverteilungslasten“ u.ä.; vgl. nur BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 28 f.) nicht. Nur bei Kenntnis der entsprechenden Urteile des BSG können Versicherte (und Krankenkassen) ahnen, welche Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung von Krankengeldansprüchen angeblich derzeit zu erfüllen sind. Bezeichnend ist insofern, dass sowohl die Entscheidungen der Krankenkassen als auch die mittlerweile flächendeckend durch diese versandten Hinweise an die Versicherten sich nicht auf Vorschriften des SGB V berufen können, sondern – wie auch im vorliegend angegriffenen Bescheid – allein der Hinweis auf die „aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ erfolgen kann.

102

Letztlich ist auch unter Berücksichtigung der Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V nur in den von der Norm überhaupt erfassten (weil nicht spezialgesetzlich geregelten) Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V weiterhin lediglich eine erste ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für die Entstehung des Krankengeldanspruchs erforderlich.

VI.

103

Abgesehen von der Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V und nach der Neuregelung für die Fälle des § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 SGB V n.F., in denen nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit eine Neufeststellung am nächsten Werktag erfolgt - finden sich keine weiteren vom Versicherten zu beachtenden Ausschlussfristen im Gesetz. In § 44 Abs. 1 SGB V wird ein Anspruch auf Krankengeld begründet, für dessen Entstehung lediglich das Vorliegen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, in den Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V deren ärztliche Feststellung und in den Fällen des § 46 Satz 2 SGB V a.F. bzw. nunmehr § 46 Satz 3 SGB V der Ablauf der jeweiligen Karenzzeit erforderlich ist. Aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ergibt sich das weitere Erfordernis der Meldung gegenüber der Krankenkasse, da - sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemeldet wird - der Anspruch trotzt Bestehens ruht, also nicht durchsetzbar ist, solange die Meldung nicht erfolgt (zum Erfordernis nur einer ersten Meldung vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 -; siehe zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 172). Sind diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung und Durchsetzbarkeit des Anspruchs durch den Versicherten erfüllt, ist die Krankenkasse zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet. Das Ende des einmal entstandenen materiellen Anspruchs kann sich dann lediglich aus dem Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen ergeben, wenn also die Arbeitsunfähigkeit endet (§ 44 Abs. 1 SGB V), wenn die Anspruchshöchstdauer des § 48 SGB V erreicht wird, wenn das Versicherungsverhältnis nicht mehr fortbesteht oder der Versicherte in eine Versichertengruppe ohne Anspruch auf Krankengeld fällt (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V) oder bei Ausschluss oder Wegfall des Krankengeldes nach §§ 50, 51 SGB V. An diese gesetzlichen Regelungen sind die Gerichte gebunden. Weitere, einschränkende Erfordernisse für die Entstehung oder den Fortbestand des einmal entstandenen Anspruchs aufzustellen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt, verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Dem stehen auch die einfachgesetzlichen Regelungen des § 2 Abs. 2 SGB I und § 31 SGB I entgegen.

104

Solange die genannten Voraussetzungen fortbestehen, fehlt es für eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X am Eintritt einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen. Das Vorliegen von lückenlosen oder sogar sich überschneidenden ärztlichen Prognosen hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer ist für den Krankengeldanspruch nicht von Bedeutung, so dass sich hieraus auch keine „wesentliche“ Änderung ergeben kann.

105

Daher war die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld für die geltend gemachte Zeit zu verurteilen.

106

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.

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Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu zahlen, soweit der Anspruch nicht durch Auszahlung von Leistungen durch den Beigeladenen für den gleichen Zeitraum gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt gilt.

2. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Krankengeld.

2

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, 1985 geborene Klägerin war als Service- und Thekenkraft in einem Eiscafé abhängig beschäftigt. Zum 30.09.2013 wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig gekündigt.

3

Am 30.09.2013 wurde bei der Klägerin durch die Gemeinschaftspraxis Dres…, Ärzte für Allgemeinmedizin, unter Verwendung des von den Krankenkassen hierfür vorgesehenen Formulars im Wege einer so genannten Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 06.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

4

Am 06.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … eine „Folgebescheinigung“ ausgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code G56.0 V (Verdacht auf Karpaltunnel-Syndrom) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 11.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

5

Am 11.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 28.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

6

Am 29.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 04.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

7

In einem „Auszahlschein“ vom 04.11.2013 bestätigte die Praxis Dr. …, dass noch Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Neben der bereits bekannten Diagnose G56.0 V wurde die Diagnose M54.4 G (Lumboischialgie, gesichert) angegeben. Die Frage, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen werde, wurde nicht beantwortet. Der nächste geplante Praxisbesuch wurde für den 08.11.2013 angegeben.

8

Eine weitere Folgebescheinigung wurde am 07.11.2013 durch die Praxis Dres. auf Grund der Diagnose M15.9 (Polyarthrose, nicht näher bezeichnet) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 30.09.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 15.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

9

Die Klägerin befand sich vom 11.11.2013 bis zum 15.11.2013 in akutstationärer Behandlung im Krankenhaus …, vom 03.12.2013 bis zum 06.12.2013 sowie vom 23.12.2013 bis zum 24.12.2013 in akutstationärer Behandlung im Krankenhaus der und vom 25.12.2013 bis zum 29.12.2013 in akutstationärer Behandlung im Diakonie-Krankenhaus ….

10

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 15.11.2013 durch den Arzt für Urologie Dr. … auf Grund der Diagnose N20.1 (Ureterstein) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 11.11.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 17.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

11

Dr. ... stellte am 18.11.2013 eine Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose R10.4 G (Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen, gesichert) aus. Hierbei wurde der Beginn der Arbeitsunfähigkeit (wohl versehentlich) auf den 18.11.2013 datiert und als Feststellungsdatum der 11.11.2013 genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 22.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

12

Mit Schreiben vom 18.11.2013 beabsichtigte die Beklagte der Klägerin mitzuteilen, dass sie seit dem 30.09.2013 arbeitsunfähig erkrankt sei und von der Beklagten Krankengeld erhalte. Da das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zum 30.09.2013 geendet habe, werde ihre Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung auf Grund des Krankengeldbezugs aufrechterhalten. Für das Weiterbestehen der Mitgliedschaft sei es unerlässlich, dass die Arbeitsunfähigkeit durchgehend attestiert und nachgewiesen werde. Eine Nachweislücke würde zum Verlust Krankenversicherungsschutzes bzw. zur Notwendigkeit einer Weiterversicherung ohne Krankengeldanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) führen. Der Gesetzgeber sehe vor, dass der Arzt spätestens am letzten Tag der aktuellen Arbeitsunfähigkeit deren weitere Dauer bescheinigt. Sollte die Arbeitsunfähigkeit erst später ärztlich festgestellt werden, entfalle die Mitgliedschaft und damit auch der Krankengeldanspruch. Wenn auf dem Auszahlschein im Feld „voraussichtlich bis“ ein konkretes Datum angegeben sei, sei ein Nachweis der lückenlosen Arbeitsunfähigkeit möglich und der Versicherungsschutz bestehe unverändert mit allen Vorteilen für die Klägerin fort. Die Klägerin wird abschließend darum gebeten, beim Ausfüllen durch ihren Arzt darauf zu achten, „damit eine reibungslose Krankengeldzahlung möglich“ sei.

13

Die Klägerin bestreitet den Zugang dieses Schreibens.

14

Mit Schreiben vom 19.11.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie der Klägerin Krankengeld in Höhe von 1.183,88 Euro für die Zeit bis zum 04.11.2013 überweisen habe. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, nach der gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben werden könne. Entsprechende Schreiben erfolgten am 02.12.2013 bezogen auf den Zeitraum vom 05.11.2013 bis zum 02.12.2013 in Höhe von 942,10 Euro, am 06.01.2014 bezogen auf den Zeitraum vom 03.12.2013 bis zum 30.12.2013 in Höhe von 960,12 Euro und am 29.01.2014 bezogen auf den Zeitraum vom 31.12.2013 bis zum 19.01.2014 in Höhe von 651,51 Euro.

15

Dr. … stellte am 21.11.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 (Nierenstein) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 11.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 29.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

16

Dr. … stellte am 28.11.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 G (Nierenstein, gesichert) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 21.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 03.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

17

In einem Auszahlschein vom 02.12.2013 gab Dr. … an, dass die Klägerin sich zuletzt am 21.11.2013 vorgestellt habe, weiterhin voraussichtlich bis zum 03.12.2013 arbeitsunfähig sei. Als Diagnose gab er Nieren- und Ureterstein an.

18

Am 06.12.2013 stellte das Krankenhaus der … eine weitere Erstbescheinigung aus. Hierbei wurde angegeben, dass die Klägerin seit dem 03.12.2013 arbeitsunfähig sei. An Stelle der vorgesehenen Angabe eines Datums für das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit wurde lediglich der Begriff „stationär“ eingetragen.

19

Dr. … stellte am 09.12.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 (Nierenstein) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 11.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 22.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

20

Am 26.12.2013 stellte das Urologische Zentrum … eine Folgebescheinigung auf Grund der Diagnosen N20.1 (Ureterstein) und N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 31.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

21

In einem weiteren Auszahlschein vom 30.12.2013 gab Dr. … an, dass die Klägerin sich zuletzt am 30.12.2013 vorgestellt habe, weiterhin voraussichtlich bis zum 13.01.2014 arbeitsunfähig sei. Als Diagnose gab er N20.0 (Nierenstein) an.

22

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 30.12.2013 durch die Praxis Dres. ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 30.12.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 13.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

23

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 13.01.2014 durch die Praxis … auf Grund der Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) und N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 13.01.2014 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 19.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

24

Am 20.01.2014 stellte die Praxis … eine Folgebescheinigung auf Grund der gleichen Diagnosen aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 31.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

25

Am 28.01.2014 stellte die Praxis … einen Auszahlschein aus und teilte hierin mit, dass Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis auf weiteres bestehe. Der nächste Praxisbesuch sei für den 30.01.2014 geplant. Als maßgebliche Diagnosen werden Zustand nach Nierenstein rechts, Verdacht auf Raynaud-Syndrom, Verdacht auf Psoriasis, Verdacht auf Polyarthritis und Erschöpfungssyndrom genannt.

26

Die Beklagte holte eine Stellungnahme beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz ein. Diese wurde am 28.01.2014 durch die beratende Ärztin Frau Dr. … nach telefonischer Rücksprache mit Dr. … abgegeben. Nach Einschätzung von Frau Dr. … sei die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nachvollziehbar. Die Handgelenke schmerzten, Gegenstände würden aus den Händen fallen gelassen, es bestehe Morgensteifheit. Es bestehe nicht der Eindruck, dass die Klägerin aggravieren würde.

27

Mit Bescheid vom 24.01.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Krankengeld nur bis zum 19.01.2014 gezahlt werden könne. Voraussetzung für den Bezug von Krankengeld sei, dass die Klägerin sich regelmäßig in ärztlicher Behandlung befinde und die Arbeitsunfähigkeit nahtlos nachgewiesen werde und eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Schriftlich sei die Klägerin hierüber am 18.11.2013 aufgeklärt worden. Die der Beklagten vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wiesen eine zeitliche Lücke auf. Es liege eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 19.01.2014 vor. Die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei jedoch erst am 20.01.2014 von Dr. … ausgestellt worden. Somit sei die Arbeitsunfähigkeit lediglich bis 19.01.2014 durchgehend nachgewiesen. Damit der Anspruch auf Krankengeld fortbestehe, hätte die Klägerin sich bis spätestens am 19.01.2014 wieder beim Arzt vorstellen und die weitere Arbeitsunfähigkeit nachweisen müssen. Da der 19.01.2014 ein Sonntag gewesen sei, hätte dies am letzten Arbeitstag vor dem 19.01.2014 geschehen müssen. Dies sei nicht geschehen.

28

Mit Bescheid vom 29.01.2014 bewilligte das beigeladene Jobcenter Bad Kreuznach der Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von 161,78 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014. Dem Ehemann der Klägerin wurde mit dem gleichen Bescheid ebenfalls Arbeitslosengeld II bewilligt.

29

Die Praxis … stellte am 31.01.2014 eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf Grund der Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) und N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts), F41.1 G (Generalisierte Angststörung, gesichert) und F41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet) aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 10.02.2014 arbeitsunfähig sein werde.

30

Ebenfalls mit Datum vom 31.01.2014 attestierte die Praxis … dass die Klägerin sich seit dem 13.01.20014 in ärztlicher Behandlung in der Praxis befinde. Sie sei wegen der Diagnosen Raynaud-Syndrom, Psoriasis, Polyarthritis (nicht näher bezeichnet), Psychovegetative Erschöpfung und Nierenstein fortlaufend krankgeschrieben. Aus Sicht des Arztes bestehe seit dem 13.01.2014 eine lückenlos dokumentierte Arbeitsunfähigkeit.

31

Mit Schreiben vom 07.02.2014 (Eingang 10.02.2014) wandte sich die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen die Ablehnung der weiteren Gewährung von Krankengeld durch die Beklagte. Zur Begründung führte sie aus, dass sie durchgehend krankgeschrieben gewesen sei. Ein Arztbesuch am 19.01.2014 wäre überhaupt nicht möglich gewesen, da dies ein Sonntag gewesen sei. Es sei daher völlig ausreichend, dass sie erst am darauffolgenden ersten Werktag der folgenden Woche den Arzt aufgesucht habe. Es handele sich immerhin um exakt die gleiche Erkrankung, wegen der die Klägerin schon längere Zeit krankgeschrieben gewesen sei.

32

Vom 10.02.2014 bis zum 21.02.2014 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im … Rheumazentrum ….

33

Mit Schreiben vom 20.02.2014 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass sie die durchgehende Arbeitsunfähigkeit nicht angezweifelt habe. Vielmehr gehe es hier um den Anspruch auf Krankengeld. Ab wann der Anspruch auf Krankgengeld bestehe sei im § 46 SGB V in Verbindung mit § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V geregelt. Dazu sei bereits mehrfach Rechtsprechung ergangen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R). Entscheidend sei, dass der Krankengeldanspruch immer von der Feststellung der (weiteren) Arbeitsunfähigkeit abhängig sei.

34

Die Praxis … stellte am 21.02.2014 eine „Folgebescheinigung“ aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 21.02.2014 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 05.03.2014 arbeitsunfähig sein werde.

35

Die Praxis … stellte am 13.03.2014 eine weitere Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf Grund der Diagnosen F41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet), M13.0 V B (Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits) und F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 01.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

36

Die Praxis … stellte am 01.04.2014 auf Grund der Diagnosen F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert), G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) und I73.0 (Raynaud-Syndrom, gesichert) eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 14.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

37

Mit Änderungsbescheid vom 07.04.2014 erhöhte der Beigeladene die Leistung von Arbeitslosengeld II u.a. auf Grund der Beendigung der Krankengeldzahlungen durch die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 auf insgesamt 350,37 Euro, für die Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 auf 646,12 Euro monatlich, für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.04.2014 auf 616,12 Euro und für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 30.06.2014 auf 221,12 Euro monatlich.

38

Die Praxis … stellte am 14.04.2014 auf Grund der Diagnosen F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert), G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) und I73.0 (Raynaud-Syndrom, gesichert) eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 23.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

39

Die Praxis … stellte am 22.04.2014 auf Grund der gleichen Diagnosen eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 28.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

40

Die Praxis … stellte am 28.04.2014 auf Grund der gleichen Diagnosen eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 09.05.2014 arbeitsunfähig sein werde.

41

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme beim MDK Rheinland-Pfalz ein. Die Stellungnahme erfolgte am 28.04.2014 durch die beratende Ärztin Frau Dr. … nach telefonischer Rücksprache mit Dr. ... . Frau Dr. … teilte mit, dass sie die Arbeitsunfähigkeit nachvollziehen und akzeptieren könne. Die Klägerin habe viele Schmerzen und keine Kraft in den Händen. Die Diagnose und auch die Kündigung hätten den seelischen Zustand der Klägerin schon massiv belastet. Die Klägerin könne die Arbeit als Servicekraft auf keinen Fall weiterhin ausüben. Auch eine Arbeit als „Putzfrau“ seit mit diesen Erkrankungen nicht möglich. Für die Zeit ab dem 10.05.2014 habe die Klägerin ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Arbeit ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Arbeiten mit hautreizenden Stoffen.

42

Mit einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 05.05.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der MDK in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 28.04.2014 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Klägerin ab dem 10.05.2014 dazu in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Zugluft oder Nässe und ohne Arbeit mit hautreizenden Stoffen auszuüben. Mit diesem Leistungsbild stehe die Klägerin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Ihre Arbeitsunfähigkeit ende daher am 09.05.2014. Arbeitsunfähigkeit sei Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld. Für den Fall, dass im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens Krankengeld über den 19.01.2014 hinaus zu zahlen sei, endete der Anspruch auf Krankengeld mit dem 09.05.2014.

43

Gegen das Schreiben vom 05.05.2014 erhob die Klägerin keinen Widerspruch.

44

Mit einem Änderungsbescheid vom 13.05.2014 erhöhte der Beigeladene die Leistung von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.04.bis zum 30.04.2014 auf 646,12 Euro.

45

Mit Bescheid vom 19.05.2014 hob der Beigeladene die Leistungsbewilligung gegenüber der Klägerin mit Wirkung zum 01.06.2014 auf.

46

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch sinngemäß zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Versicherte nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld hätten, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig mache oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt würden. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe nach § 46 SGB V bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Voraussetzung für die Zahlung von Krankengeld sei weiterhin, dass ein Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Ende die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger (hier durch Abmeldung wegen Endes des Arbeitsverhältnisses), bleibe die Mitgliedschaft solange erhalten, wie Anspruch auf Krankengeld bestehe oder Krankengeld bezogen werde. Dazu sei bereits mehrfach Rechtsprechung ergangen, zuletzt am 10.05.2012 durch das Bundessozialgericht (BSG). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe am 30.09.2013 geendet. Damit habe grundsätzlich auch die Mitgliedschaft und der Krankenversicherungsschutz geendet. Dieser sei durch die bis zum 19.01.2014 nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit und dem hiermit verbundenen Krankengeldanspruch aufrechterhalten worden. Die weitere Arbeitsunfähigkeit sei erst am 20.01.2014 erneut festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe kein Krankenversicherungsschutz nach § 192 SGB V mehr bestanden. Ein Anspruch aus Krankengeld aus dem beendeten Arbeitsverhältnis habe ab dem 20.01.2014 nicht mehr bestanden. Dazu hätte die weitere Arbeitsunfähigkeit bis spätestens 19.01.2014 festgestellt und nachgewiesen werden müssen. Das sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Ein Anspruch auf Krankengeld im Rahmen des so genannten nachgehenden Leistungsanspruchs nach § 19 Abs. 1 SGB V bestehe nicht, da die Klägerin ab dem 01.01.2014 durch den Bezug von Arbeitslosengeld II krankenversichert sei. Dieser Versicherungsschutz beinhalte keinen Krankengeldanspruch.

47

Die Klägerin hat am 05.06.2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie seit dem 30.09.2013 arbeitsunfähig gewesen sei und dies derzeit immer noch sei. Sie sei demzufolge dauerhaft krankgeschrieben und habe auch fortlaufend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Der 19.01.2014 sei ein Sonntag gewesen. Es sei der Klägerin nicht bekannt gewesen, dass sie spätestens am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit einen Arzt aufsuchen müsse, um eine Folgebescheinigung zu erlangen. Sie sei der Annahme gewesen, dass es genüge, wenn sie dies am folgenden Werktag tue, da Arztpraxen in der Regel an Wochenenden nicht geöffnet seien. Das von der Beklagten erwähnte Schreiben vom 18.11.2013 habe die Klägerin nicht erhalten, weshalb sie auch nicht gewusst habe, dass sie noch am letzten Tag der Erstbescheinigung, der ausgerechnet ein Sonntag gewesen sei, noch einen Arzt bzw. ein Krankenhaus hätte aufsuchen müssen. Sie sei der Auffassung, dass die Beklagte angesichts der gegebenen Umstände dazu verpflichtet sei, Krankengeld auch über den 19.01.2014 hinaus zu zahlen.

48

Die Klägerin beantragt,

49

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu zahlen.

50

Die Beklagte beantragt,

51

die Klage abzuweisen.

52

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

53

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

54

Auf Frage des Gerichts teilte die Beklagte mit, dass das kalendertägliche Krankengeld brutto 39,11 Euro und netto 34,29 Euro betragen würde.

55

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

56

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

57

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014. Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014.

58

Das Gericht konnte gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG zur Leistung dem Grunde nach verurteilen. Nach dieser Regelung ist Voraussetzung für den Erlass eines Grundurteils, dass gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Diese Voraussetzung ist bei dem streitgegenständlichen Anspruch auf Krankengeld aus § 44 SGB V erfüllt. Da die Klägerin im vorliegenden Fall lediglich den Erlass eines Grundurteils beantragt hat, durfte das Gericht hierüber gemäß § 123 SGG nicht hinausgehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 130 Rn. 2e, 11. Auflage 2014).

II.

59

Die Klage ist begründet.

60

Der Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

61

Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 gegen die Beklagte.

62

Die Klägerin kann die Zahlung von Krankengeld für den streitigen Zeitraum schon auf Grund einer Dauerbewilligung von Krankengeld verlangen. Die unbefristete Dauerbewilligung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (1). Sie wurde für die hier streitige Zeit weder wirksam zurückgenommen noch aufgehoben. Von einer wesentlichen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse ist für die hier streitige Zeit nicht auszugehen, da ein Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 20.01.2014 nicht nachgewiesen werden kann (2).

63

1. In der Auszahlung von Krankengeld an die Klägerin zunächst für den Zeitraum bis zum 04.11.2013 (mitgeteilt mit Schreiben vom 19.11.2013) liegt ein Dauerverwaltungsakt, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit regelt (vgl. SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 32). Die Leistungsbewilligung ist durch die Leistungsauszahlung konkludent „auf andere Weise“ im Sinne des § 33 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgt.

64

Die Zahlungsmitteilungen der Beklagten vom 19.11.2013, 02.12.2013, 06.01.2014 und 29.01.2014 stellen hingegen trotz der Rechtsbehelfsbelehrungen keine Verwaltungsakte dar. Den Schreiben lässt sich kein Verfügungssatz entnehmen, der einen Regelungscharakter besäße. Die Beklagte teilte der Klägerin jeweils lediglich mit, dass ein bestimmter Betrag von Krankengeld überwiesen wurde.

65

In Fällen, in denen die Krankenkasse keine förmliche Verwaltungsentscheidung erlassen hat, kommt in der für den Versicherten erkennbaren Auszahlung von Krankengeld zugleich auch dessen Bewilligung zum Ausdruck. Die Auszahlung erfüllt die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Es liegt eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zu Grunde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit der Überweisung des Krankengeldes an den Versicherten erfolgt eine ausreichende Bekanntgabe dieser Entscheidung (§ 37 SGB X). Der Verwaltungsakt wird auf andere Weise – durch konkludentes Handeln – erlassen (§ 33 Abs. 2 SGB X; BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 – Rn. 15).

66

Derartige Krankengeldauszahlungen sind entgegen der vom BSG erstmals im Urteil vom 16.09.1986 (3 RK 37/85) vertretenen Auffassung regelmäßig nicht als befristete Bewilligungsentscheidungen auszulegen (vgl. eingehend SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 37 ff.). Ungeprüft bleibt in dieser und allen späteren Entscheidung des BSG (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R – Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R – Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 13 f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R – Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R – Rn. 15 ff., hier insbesondere Rn. 24) die Frage, ob und unter welchen Maßgaben eine Krankenkasse überhaupt berechtigt wäre, die Gewährung von Krankengeld, auf das bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 38 Erstes Buch SozialgesetzbuchSGB I), mit einer Nebenbestimmung im Sinne einer Befristung zu verbinden (§ 32 Abs. 1 SGB X; SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 41).

67

Richtigerweise ist bei der Auslegung einer (nur) konkludenten Bewilligungsentscheidung davon auszugehen, dass die Behörde – sofern möglich – eine rechtlich zulässige Entscheidung getroffen hat. In eine durch schlichtes Verwaltungshandeln zum Ausdruck kommende Entscheidung mehr hineinzulesen als die Bewilligung der Leistung, insbesondere Nebenbestimmungen wie eine Befristung oder eine auflösende Bedingung zu konstruieren, die zum einen in einem förmlichen Verwaltungsakt wegen der rechtlichen Konsequenz einer Beendigung der Wirksamkeit durch Erledigung des Verwaltungsaktes – ohne klarstellenden „actus contrarius“ – so bestimmt wie möglich, verständlich und widerspruchsfrei verfügt sein müssten (vgl. Korte, NZS 2014, S. 853; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 32 Rn. 13 m.w.N.) und zum anderen bei einer gebundenen Entscheidung nur ausnahmsweise zulässig sind und ihrerseits eine Ermessensbetätigung der Behörde erfordern, verbietet sich (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 43). Wenn also ein Versicherter bei der Krankenkasse Krankengeld beantragt hat, eine förmliche Entscheidung hierüber zwar nicht ergeht, er aber nach einiger Zeit eine erste Zahlung erhält, kann der Versicherte dem zunächst entnehmen, dass er tatsächlich einen bestimmten Betrag erhalten hat, möglicherweise anhand des Überweisungsträgers auch noch, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt. Als zu Grunde liegende Entscheidung der Krankenkasse kann er dieser Auszahlung zugleich entnehmen, dass die Krankenkasse seinen Anspruch auf Krankengeld offenbar bejaht hat. Hierin liegt die Bewilligung von Krankengeld (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 43). Dies gilt gleichermaßen, wenn der Versicherte – wie vorliegend die Klägerin – lediglich die Mitteilung über eine Zahlung von Krankengeld erhält, ohne dass eine ausdrückliche Leistungsbewilligung für einen bestimmten Zeitraum erfolgt.

68

Eine Befristung der Bewilligung von Krankengeld ist nach Maßgabe der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht zulässig. Denn gemäß § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist, oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Gewährung von Krankengeld steht bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 44 ff. SGB V nicht im Ermessen der Krankenkasse, ist also eine gebundene Entscheidung. Eine der beiden Alternativen des § 32 Abs. 1 SGB X (Ermächtigung oder Sicherstellungsfunktion) müsste daher erfüllt sein, damit eine Nebenbestimmung zur Krankengeldbewilligung zulässig wäre. In den einschlägigen Vorschriften des SGB V findet sich, anders als in anderen Leistungsgesetzen, die laufende Geldleistungen vorsehen (vgl. etwa § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, 102 Abs. 2 bis 4 SGB VI, § 41 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II), keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, die eine Befristung zulässt. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB V enthält keine gesetzlich vorgesehene Befristungsmöglichkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, sondern legt die mögliche Leistungshöchstdauer fest. Ein Hinweis hierauf wäre daher ebenfalls keine Befristung der Leistung, sondern hätte lediglich deklaratorische Wirkung (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 44).

69

Ob anlässlich der Bewilligung von Krankengeld Nebenbestimmungen denkbar sind, die im Sinne des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden, ist äußerst zweifelhaft. § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X räumt die Möglichkeit einer Nebenbestimmung ausdrücklich nur ein, wenn diese sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt „werden“, nicht auch dafür, dass diese erfüllt „bleiben“. Im Fall einer Krankengeldbewilligung kann jedenfalls eine Befristung erkennbar nicht der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch (Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit und Aufrechterhaltung des Versichertenstatus) dienen. Ziel und Zweck der Befristung wäre hier allein die Vermeidung des nach § 48 SGB X vorgesehenen Verfahrens der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung bei Änderung der Verhältnisse. Eine Überprüfung hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen und erforderlichenfalls Korrektur der Entscheidung ist auch in diesem gesetzlich vorgesehenen Verfahren möglich und muss daher nicht durch eine Befristung sichergestellt werden (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 45 f.).

70

Demnach ist auch im vorliegenden Fall von einer konkludenten, unbefristeten Bewilligung von Krankengeld durch Auszahlung der Leistung auszugehen, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit bis auf Weiteres regelt. Diese Bewilligungsentscheidung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 SGG).

71

Weder wird die Krankengeldbewilligung generell, noch wurde sie im vorliegenden Fall „abschnittsweise“ vorgenommen. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt könnte im Einzelfall nur angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich erfolgt wäre. Das Schreiben vom 19.11.2013 ebenso wie die im Wesentlichen gleichlautenden Mitteilungen der Beklagten in der Folgezeit enthalten eine derartige Befristung nicht. Ein Verfügungssatz über die Bewilligung von Krankengeld ist in den Schreiben nicht enthalten. Es wird lediglich mitgeteilt, dass Krankengeld für einen bestimmten Zeitraum ausgezahlt wurde. Für den Adressaten des Bescheids ist auf Grund der verwendeten Formulierung nicht erkennbar, dass hiermit eine Befristung der (konkludenten) Krankengeldbewilligung erfolgt sein könnte.

72

2. Der vorliegend angefochtene Bescheid vom 24.01.2014 lässt sich als Aufhebungsverfügung gegenüber der konkludenten Bewilligungsentscheidung interpretieren. Die Beklagte ging zwar wohl davon aus, dass es einer Aufhebungsentscheidung vorliegend nicht bedurfte, hat aber mit der Äußerung, dass Krankengeld nur bis zum 19.01.2014 gezahlt werde, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass an der Krankengeldbewilligung ab diesem Zeitpunkt nicht festgehalten wird. Diese Aufhebungsentscheidung ist allerdings rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vorlagen. Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, ob die vor Erlass des Bescheids unterbliebene Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt und der Verfahrensfehler somit nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt wurde.

73

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

74

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

75

Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsentscheidung sind hier bereits deshalb nicht erfüllt, weil eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage zum 20.01.2014 nicht nachgewiesen werden kann. Die Klägerin hatte über den 19.01.2014 hinaus aller Wahrscheinlichkeit nach auch materiell-rechtlich einen Anspruch auf Krankengeld.

76

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte (2.1) Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht (2.2) oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und wenn sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören (2.3). Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der hier maßgeblichen bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (2.4). Ein durchsetzbarer Anspruch auf Krankengeld besteht nicht für Zeiten des Ruhens wegen des Bezugs von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt oder unterlassener Meldung der Arbeitsunfähigkeit (2.5).

77

2.1 Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die Versicherungspflicht der Klägerin ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit am 30.09.2013 gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war.

78

Anschließend blieb die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten auf Grund der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V jedoch gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch über den 30.09.2013 hinaus bestehen. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Das Ende des Beschäftigungsverhältnisses lässt bei fortdauerndem Anspruch auf Krankengeld oder Bezug von Krankengeld die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf die Leistung somit nicht entfallen. Die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ist daher zugleich Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs und Rechtsfolge des Krankengeldanspruchs. Für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld reicht es demnach aus, wenn der Versicherte zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs versicherungspflichtig ist, ohne nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V vom Krankengeldanspruch ausgeschlossen zu sein. Es genügt hierbei allerdings, dass die Entstehung des Krankengeldanspruchs nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. – wie vorliegend – auf den ersten Tag der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fällt (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R – Rn. 11 ff.). Hiervon abgesehen wurde die Mitgliedschaft der Klägerin über den 30.09.2013 aber auch bereits gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auf Grund des tatsächlichen Krankengeldbezugs für die Zeit ab dem 01.10.2013 aufrechterhalten.

79

2.2 Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin am 20.01.2014 und darüber hinaus jedenfalls bis zum 09.05.2014 arbeitsunfähig war. Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seine bisherige Erwerbstätigkeit auszuüben. Bei Verlust des Arbeitsplatzes nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit ist Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit abstrakt die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung (BSG, Urteil vom 14.02.2001 – B 1 KR 30/00 R – Rn. 13). Die Klägerin war zuletzt bis zum 30.09.2013 als Service- und Thekenkraft in einem Eiscafé abhängig beschäftigt und war seitdem bis zum vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend arbeitsunfähig bzw. hat Krankengeld bezogen. Das Beschäftigungsverhältnis wurde zum 30.09.2013 beendet, so dass als Maßstab für die Arbeitsfähigkeit generell eine Tätigkeit als Service- und Thekenkraft in der Gastronomie heranzuziehen ist.

80

Dass die Klägerin an diesem Maßstab gemessen am 20.01.2014 und im folgenden streitgegenständlichen Zeitraum aller Wahrscheinlichkeit nach arbeitsunfähig war, ergibt sich für die Kammer zunächst aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Auszahlscheinen der Praxis …/Dr. … vom 13.01.2014, 20.01.2014, 28.01.2014, 31.01.2014, 21.02.2014, 13.03.2014, 10.02.2014, 14.04.2014, 22.04.2014 und 28.04.2014. Hierbei wurden die Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert), N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts) und (später) Erschöpfungssyndrom, psychovegetative Erschöpfung sowie F41.1 G (Generalisierte Angststörung, gesichert) und F 41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet), F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert) und G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) gestellt und Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Der Hauptgrund für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lag in den Beschwerden in den Händen unklarer Diagnose, was sich auch in den Arztbriefen des Chirurgen und Orthopäden Dr. … vom 01.10.2013, des Medizinischen Versorgungszentrums … vom 31.10.2013, der Radiologie … vom 04.11.2013 und vom Krankenhaus der vom 08.01.2014 zeigt.

81

Dass die Klägerin bei diesem Krankheitsbild ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Servicekraft weder an ihrem früheren noch an einem vergleichbaren Arbeitsplatz hätte ausüben können, ist nachvollziehbar. Im Servicebereich der Gastronomie wird praktisch ständig mit den Händen gearbeitet, es müssen Speisen per Hand zubereitet und mit den Händen serviert werden.

82

Dass die Klägerin aller Wahrscheinlichkeit nach am 20.01.2014 und im folgenden streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig war, wird auch bestätigt durch die gutachterlichen Stellungnahmen des MDK Rheinland-Pfalz vom 28.01.2014 durch Frau Dr. … und vom 28.04.2014 durch Frau Dr. …, die beide im Ergebnis die Arbeitsunfähigkeit nicht bezweifeln. Die beratende Ärztin Frau Dr. … führt in ihrer Stellungnahme aus, dass sie die Arbeitsunfähigkeit nachvollziehen und akzeptieren könne. Die Klägerin habe viele Schmerzen und keine Kraft in den Händen. Die Diagnose und auch die Kündigung hätten den seelischen Zustand der Klägerin schon massiv belastet. Die Klägerin könne die Arbeit als Servicekraft auf keinen Fall weiterhin ausüben. Auch eine Arbeit als „Putzfrau“ seit mit diesen Erkrankungen nicht möglich. Für die Zeit ab dem 10.05.2014 habe die Klägerin ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Arbeit ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Arbeiten mit hautreizenden Stoffen.

83

Selbst für den Fall, dass die ärztlichen Befunde und das MDK-Gutachten nicht für zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichend gehalten würde, änderte dies nichts an der Rechtswidrigkeit der im Bescheid vom 24.01.2014 enthaltenen Aufhebungsverfügung. Denn die Beklagte trägt die objektive Beweislast für die Frage, ob eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten ist. Dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 20.01.2014 nicht mehr bestand, lässt sich angesichts der ärztlichen Bescheinigungen und Stellungnahmen des MDK auf Grund des Zeitablaufs nicht nachweisen.

84

2.3 Die Klägerin fällt nicht unter die nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausgeschlossenen Versichertengruppen.

85

2.4 Der Anspruch auf Krankengeld ist entstanden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

86

Die ärztliche Feststellung in diesem Sinne ist die Schlussfolgerung aus einer persönlichen ärztlichen Untersuchung, also der aus der Wahrnehmung des tatsächlichen Zustands des Patienten durch den Arzt gezogene Schluss auf die Arbeitsunfähigkeit (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38). Formelle oder verfahrensrechtliche Anforderungen an die ärztliche Feststellung ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Dass diese in der Praxis in der Regel auf formularmäßigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dokumentiert wird, ist lediglich eine tatsächliche Nebenfolge der Vorschriften zum arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsanspruch. Soweit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V zur Ausstellung von Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit verpflichtet sind und dies auch in den Regelungen der §§ 74, 275 Abs. 1a Satz 1, 277 Abs. 2 Satz 1, § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V Niederschlag findet, hat dies keine Auswirkungen auf den Begriff der ärztlichen Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. Diese Regelungen gehören nicht zur für den Anspruch auf Krankengeld einschlägigen Normtextmenge, da sie nicht die Rechtsposition des Versicherten gegen die Krankenkasse betreffen. Dasselbe gilt für die Vorschrift des § 275 Abs. 1a Satz 2 SGB V, wonach eine Prüfung durch den MDK unverzüglich „nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit“ zu erfolgen hat. Die Verkörperung der ärztlichen Feststellung wird hier zwar semantisch vorausgesetzt, da nur ein körperlicher Gegenstand „vorgelegt“ werden kann, jedoch nicht als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Krankengeld normiert. Voraussetzung für das Vorliegen (nicht: „Vorlage“) einer ärztlichen Feststellung ist mithin lediglich die Erhebung medizinisch relevanter Tatsachen durch einen Arzt sowie eine tatsächliche Beurteilung von deren Auswirkungen auf das aktuelle Leistungsvermögen des Versicherten durch den Arzt (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.07.2013 – L 11 KR 2003/13 B – Rn. 7).

87

Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wurde erstmals am 30.09.2013 festgestellt. Der Anspruch auf Krankengeld ist gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. dem Grunde nach daher am 01.10.2013 entstanden.

88

Solange eine Arbeitsunfähigkeit fortbesteht, genügt für die Aufrechterhaltung des materiellen Krankengeldanspruchs bis zum Ende der Anspruchshöchstdauer (§ 48 Abs. 1 SGB V) oder bis zum Ausschluss (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V) bzw. Wegfall (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V) des Anspruchs eine erste ärztliche Feststellung. Denn § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V regelt nur den Beginn des Krankengeldanspruchs (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 – L 4 KR 10/98 – Rn. 27; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.08.2002 – L 4 KR 144/00 – Rn. 36). Wenn auf dem Formular, auf dem die ärztliche Feststellung dokumentiert ist, zugleich eine Prognose für ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit getroffen wird, folgt hieraus – entgegen der Auffassung des 1. Senats des BSG (zuletzt mit Urteilen vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R; B 1 KR 35/14 R; B 1 KR 37/14 R) – keine zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs (SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 – S 5 KR 77/12 – Rn. 21 ff.; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 32 ff., SG Speyer, Urteile vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 39 ff. und vom 07.04.2014 – S 19 KR 10/13 – Rn. 43 ff.; SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 – S 3 KR 298/12 – Rn. 48 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 – L 16 KR 146/14 – Rn. 22 ff., L 16 KR 429/13 – Rn. 26 ff., L 16 KR 160/13 – Rn. 25 ff., L 16 KR 208/13 – Rn. 24 ff.; SG Speyer, Beschlüsse vom 08.09.2014 – S 19 KR 519/14 ER – Rn. 31 ff. und vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 33 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 41 ff.;SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 61 ff.; SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 409/14 – Rn. 56 ff.; Knispel, NZS 2014, S. 561 ff.; Schröder, ASR 2015, S. 160 f.).

89

Dies folgt zwingend aus einer semantischen Auslegung des Gesetzestextes unter Berücksichtigung der auf dem Gesetzesbindungsgebot beruhenden Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts.

90

§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der vorliegend einschlägigen, bis zum 22.07.2015 gültigen Fassung lautet:

91

"Der Anspruch auf Krankengeld entsteht (…) im übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt."

92

Demzufolge markiert der Tag der ärztlichen Feststellung den Entstehungszeitpunkt des Krankengeldanspruchs für den folgenden Tag. Ab dem Folgetag besteht ein Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange die sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich für die Entstehung des Krankengeldanspruchs ist (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) mithin nur, dass am Vortag ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat, nicht welche Angaben der Arzt hinsichtlich einer möglichen Dauer oder ggf. im Hinblick auf einen früheren Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemacht hat. Über das Ende des Krankengeldanspruchs enthält § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. keine Aussage. In § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ist auch nicht von mehreren „Arbeitsunfähigkeiten“ oder „Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit“ die Rede; die Begriffe werden im Singular verwendet.

93

Aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. geht des Weiteren nicht hervor, dass sich die „ärztliche Feststellung“ auf einen bestimmten Zeitraum beziehen kann oder muss. Dass der Vertragsarzt eine Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit abzugeben hat, ergibt sich lediglich aus der auf Grund von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-Richtlinie) sowie im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG (vgl. SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 37). In § 1 Abs. 1 der AU-Richtlinie wird terminologisch zwischen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und der Bescheinigung über ihre voraussichtliche Dauer differenziert. Diese Differenzierung steht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. und entspricht der Sachlogik. Ein Arzt kann zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellen, dass Arbeitsunfähigkeit vorliegt; im Hinblick auf die Zukunft kann er anhand eines gegenwärtigen Zustands nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, dass noch Arbeitsunfähigkeit vorliegen wird, d.h. eine Prognose abgeben. Ob eine Prognose sich als zutreffend erweist, kann nur im Nachhinein festgestellt werden. Dieser Logik folgt weitgehend auch die AU-Richtlinie, wenn unabhängig von der in § 5 Abs. 1 AU-Richtlinie geregelten Erstfeststellung eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zum Zwecke der Krankengeldzahlung ("Auszahlschein") in der Regel nicht für einen mehr als sieben Tag zurückliegenden und nicht mehr als für einen zwei Tage im Voraus liegenden Zeitraum erfolgen soll.

94

Es ist begrifflich mithin streng zu unterscheiden zwischen der von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. geforderten „ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“, der nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geforderten Prognose der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und einer ärztlichen Bescheinigung sowohl über das Datum der Feststellung als auch über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Dass ein Vertragsarzt gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V dazu verpflichtet ist, eine Bescheinigung über die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auszustellen, berührt die Entstehung des Krankengeldanspruchs nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. nicht. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Auszahlschein) gleichzusetzen (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 39). Auch das BSG hat noch in einem Urteil vom 10.05.2012 (B 1 KR 19/11 R – Rn. 26) die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen ärztlicher Feststellung, Bescheinigung der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit und Meldung der Arbeitsunfähigkeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) hervorgehoben. Eine ärztliche Bescheinigung ist – anders als beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber (§ 5 Abs. 1 EFZG) – demnach weder eine Voraussetzung für die Entstehung noch für den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld nach dem SGB V. Demzufolge ist auch die auf den formularmäßigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgesehene Abgabe einer Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit für den Anspruch auf Krankengeld nach dem SGB V gänzlich irrelevant (vgl. ausführlich SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 41 m.w.N.).

95

Aus dem Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ergibt sich somit ausschließlich eine Regelung für den Entstehungszeitpunkt des Krankengeldanspruchs, nicht für dessen zeitliche Begrenzung. Weitere materielle Wirkungen der ärztlichen Feststellung lassen sich anhand des Gesetzes nicht begründen. Dies wird bestätigt durch die amtliche Überschrift der Regelung: „Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld“. Es handelt sich hierbei um eine Spezialvorschrift zu § 40 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl. SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38).

96

Der Wortlaut eines Gesetzes steckt die äußersten Grenzen funktionell vertretbarer und verfassungsrechtlich zulässiger Sinnvarianten ab. Entscheidungen, die den Wortlaut einer Norm offensichtlich überspielen, sind unzulässig (Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 310, zum Ganzen Rn. 304 ff., 10. Auflage 2009). Die Bindung der Gerichte an das Gesetz folgt aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dass die Gerichte dabei an den Gesetzestext (im Sinne des amtlichen Wortlauts bzw. Normtextes) gebunden sind, folgt aus dem Umstand, dass nur dieser Gesetzestext Ergebnis des von der Verfassung vorgegebenen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens ist. Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip. Deshalb verstößt das BSG gegen Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG, wenn es seine Rechtsauffassung auf eine „ergänzende Auslegung des Gesetzes“ stützt (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 15) und postuliert, dass „das SGB V die Tatbestände der Beendigung eines Krg-Anspruchs nicht ausdrücklich vollständig in allen denkmöglichen Verästelungen“ regle und diese „geringere Normdichte (…) ihren sachlichen Grund in der Vielgestaltigkeit der Möglichkeiten der Beendigung“ habe (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 13).

97

Aus den gleichen Gründen scheitert auch Dreher (jurisPR-SozR 3/2015 Anm. 2 zum Urteil des BSG vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R) mit dem Versuch, für die Rechtsauffassung des BSG eine kohärente Begründung zu entwickeln. Er räumt zunächst ein, dass der Gesetzeswortlaut das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung auf den Fall der Entstehung des Krankengeldanspruchs beschränkt und § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. zum Anspruchsende oder -wegfall keine eigene Aussage trifft. Dennoch vertritt er die Auffassung, dass der Krankengeldanspruch von vornherein zeitlich begrenzt entstehe, wenn und soweit das ihn begründende „Beweissicherungsverfahren“ (gemeint ist der in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. vorausgesetzte „Gang zum Arzt“) nur eine zeitlich begrenzte Aussage ermögliche. Damit werde nicht die Entscheidungsbefugnis über den Anspruch auf den Arzt übertragen, sondern lediglich die Beweissicherung „dem Gesetzeswortlaut entsprechend“ in vollem Umfang dem Versicherten überantwortet. Die nach und nach entstehenden zeitlich begrenzten Ansprüche seien als Teile eines einheitlichen, aber „gestückelten“ Anspruchs aufzufassen.

98

Für diese Theorie fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt im Gesetzestext des SGB V. Zeitliche Beschränkungen des Krankengeldanspruchs ergeben sich ausschließlich aus § 48 SGB V. Soweit Dreher meint, diese Einschränkung mittels einer Auslegung des Begriffs des „Entstehens“ begründen zu können, geht dies fehl. Das Wort „entstehen“ hat in keiner denkbaren Verwendungsweise die Bedeutung von „Begrenzung“, „Untergang“ oder „Wegfall“. Es bedeutet schlicht das Gegenteil. Dass die Beweissicherung „dem Gesetzeswortlaut entsprechend“ dem Versicherten überantwortet werde, ist daher eine unsinnige Behauptung, die deshalb auch ohne Bezugnahme auf einen konkreten Gesetzeswortlaut auskommen muss.

99

Ebenso haltlos ist die nicht weiter begründete These des LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 02.10.2014 (L 5 KR 30/14 – nicht veröffentlicht), es sei mit dem Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres vereinbar, dass nicht nur die Entstehung, sondern auch der Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld von der vorherigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abhängig sei. Gerade hierfür gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt im Gesetzeswortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F.

100

Soweit das BSG sogar meint, der Gesetzeswortlaut des § 46 SGB V (a.F.) trage die Auffassung nicht, dass die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nur für die Entstehung des Krankengeldanspruchs Bedeutung habe (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 13), trifft dies offensichtlich nicht zu. Diese für jedermann erkennbar falsche Behauptung ist umso erstaunlicher, als eine unbefangene Gesetzeslektüre genügt, um sie zu widerlegen. Die entsprechende Vorschrift regelt ausdrücklich nichts anderes, als die Entstehung des Anspruchs.

101

Die Annahme, dass das Fortbestehen eines Krankengeldanspruchs nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts oder nach Ablauf des auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegebenen voraussichtlichen Enddatums einer erneuten ärztlichen Feststellung spätestens am letzten Tag vor Ablauf bedürfe, verstößt gegen das Gesetzesbindungsgebot und ist deshalb unter Geltung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V sowohl in der bis zum 22.07.2015 geltenden als auch in der neuen Fassung keine rechtswissenschaftlich vertretbare Position.

102

Darüber hinaus wird die hier vertretene Auffassung gestützt durch die Gesetzessystematik (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 75 ff.) und durch den Auslegungsgrundsatz der möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 81 ff.). Sie wird zudem bestätigt durch die historische Entwicklung des Gesetzes (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 86 ff.) und die Gesetzesbegründung (vgl. SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 90 ff.). Auf hiervon unabhängige Erwägungen zu „Sinn und Zweck“ der Regelung kommt es daher nicht an, wobei auch anhand dieses Maßstabs keine Argumente für die Auffassung des 1. Senats des BSG sprechen (vgl. SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 94 ff.). Letztere resultiert aus einer fehlerbehafteten Entwicklung der Rechtsdogmatik und führt zu abwegigen Ergebnissen (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 98 ff.). Durch die Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 hat sich diesbezüglich weder für die Zukunft noch für die Vergangenheit Wesentliches geändert (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 153 ff.).

103

2.5 Die Arbeitsunfähigkeit wurde der Beklagten fristgerecht gemeldet, sodass der Anspruch seit dem 20.01.2014 nicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhte.

104

Nach dieser Regelung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Regelung nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

105

Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine Tatsachenmitteilung. Diese muss der Krankenkasse zugehen. Hierfür ist weder eine bestimmte Form vorgeschrieben, noch muss die Meldung durch eine bestimmte Person erfolgen (so bereits BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 35/84 – Rn. 12 bezüglich der Vorgängerregelung des § 216 Abs. 3 RVO). Erforderlich ist lediglich, dass die Identität des Versicherten erkennbar ist und die Arbeitsunfähigkeit dieses Versicherten behauptet wird. Nicht erforderlich ist ein Hinweis auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (a. A. BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 35/84 – Rn. 12). Diese stellt lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld dar, deren Vorliegen von der Krankenkasse nach Antragstellung von Amts wegen zu ermitteln ist. Im vorliegenden Fall lässt sich den Verwaltungsvorgängen der Beklagten zwar nicht entnehmen, wann genau die Arbeitsunfähigkeit gemeldet wurde. Dass dies vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum der Fall gewesen sein muss, ergibt sich jedoch zwanglos aus der Tatsache, dass die Beklagte der Klägerin für die vorherigen Zeiträume Krankengeld ausgezahlt und mehrere Auszahlscheine zur Akte genommen hat. Da von einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist, war keine weitere Meldung der Arbeitsunfähigkeit mehr notwendig, um das Eintreten des Ruhens nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu verhindern (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 – L 4 KR 10/98 – Rn. 30; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 45 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 42 ff.; SG Trier, Urteil vom 21.11.2013 – S 1 KR 44/13 – Rn. 29).

106

Das BSG vertritt demgegenüber die Rechtsauffassung, dass die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengelds erneut gemeldet werden muss, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17; BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 18; offen gelassen noch BSG, Urteil vom 20.04.1999 – B 1 KR 15/98 R – Rn. 14). Diese Auffassung widerspricht dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V, in dem nur der Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Bezugspunkt für die Meldeobliegenheit genannt wird, nicht der Beginn eines Krankengeldbewilligungsabschnitts oder eines Feststellungszeitraumes. Dass hier zu Lasten der Versicherten über den Wortlaut hinweggegangen wird, deutet das BSG selbst in der Begründung zum Urteil vom 08.02.2000 an: "Anders als es der Wortlaut des § 49 Abs.1 Nr 5 Halbs 2 SGB V nahezulegen scheint (...)" (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17). Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip, so dass der Auffassung des BSG nicht gefolgt werden darf. Unausgesprochen vollzieht das BSG hier einen Analogieschluss, dessen Voraussetzungen jedoch nicht gegeben sind und vom BSG auch nicht dargelegt werden (vgl. bereits SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 45 ff.). Auch vor dem Hintergrund des Optimierungsgebots des § 2 Abs. 2 SGB I und des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I ist die durch das BSG vorgenommene Vervielfältigung der Meldeobliegenheit des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht vertretbar (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 42 ff.).

107

2.6 Die Klägerin hatte demnach auch über den 19.01.2014 hinaus aller Wahrscheinlichkeit nach einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Krankengeld, so dass eine wesentliche Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen zum 20.01.2014 oder zu einem früheren Zeitpunkt nicht nachgewiesen ist. Die Voraussetzung für eine Aufhebung der Bewilligung von Krankengeld zum 20.01.2014 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lagen demnach nicht vor.

108

2.7 Im Übrigen liegen auch die sonstigen Voraussetzungen für die durch den Bescheid vom 24.01.2014 rückwirkend zum 20.01.2014 verfügte Aufhebung der Leistungsbewilligung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vor. Die Änderung erfolgte nicht zu Gunsten der Klägerin (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

109

Die Klägerin ist auch nicht einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X).

110

Sie hat auch nicht nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).

111

Zuletzt gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin wusste oder nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Es ist bereits nicht nachzuweisen, dass sich hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 20.01.2014 eine Änderung ergeben hat, so dass erst recht kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die Klägerin selbst Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) von der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und damit vom Wegfall des materiell-rechtlichen Anspruchs auf Krankengeld gehabt haben könnte. Die „nicht fristgerechte“ Erstellung einer „Folgebescheinigung“ der Arbeitsunfähigkeit bzw. die „Lückenlosigkeit“ von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist wiederum kein Ausschlussgrund für den Anspruch auf Krankengeld, so dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob die Klägerin über die diesbezügliche Rechtsauffassung der Beklagten bzw. des BSG informiert war. Somit ist vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin das Hinweisschreiben der Beklagten vom 18.11.2013 tatsächlich erhalten hat.

112

3. Der Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 ist daher rechtswidrig und war aufzuheben.

113

4. Die Beklagte war darüber hinaus gemäß § 54 Abs. 4 SGG antragsgemäß (vgl. § 123 SGG) dem Grunde nach zur Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu verurteilen.

114

Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ist jedoch erloschen, soweit er auf Grund der für den gleichen Zeitraum erbrachten Leistung von Arbeitslosengeld II durch den Beigeladenen als erfüllt gilt.

115

Nach § 107 Abs. 1 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Hiermit wird Bezug genommen auf die in den §§ 102 bis 106 SGB X geregelten Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern.

116

Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene einen Erstattungsanspruch aus § 104 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist derjenige Leistungsträger gegenüber einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat, soweit der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat. Nachrangig verpflichtet ist nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.

117

Der Beigeladene ist in diesem Sinne nachrangig verpflichteter Leistungsträger. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen die (neben anderen Voraussetzungen) hilfebedürftig sind. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert nach näherer Bestimmung der §§ 11a, 11b SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Zu den anzurechnenden Einnahmen zählt auch das Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V. Hieraus folgt, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegenüber einem Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nachrangig ist, da im Falle der Leistung von Krankengeld ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ganz oder teilweise entfällt. Hätte die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung zur Gewährung von Krankengeld im Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 rechtzeitig erfüllt, wäre der Beigeladene auf Grund der Anrechnung des Einkommens aus Krankengeld gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht bzw. nicht im bewilligten Umfang zur Leistung verpflichtet gewesen.

118

Die Beklagte war im vorliegenden Verfahren deshalb nur zur Leistung von Krankengeld dem Grunde nach zu verurteilen, soweit die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X nicht reicht.

119

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

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Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 verurteilt, der Klägerin weiteres Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014.

2

Die 1980 geborene Klägerin war zuletzt als Altenpflegerin tätig. Aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2013 beendet. Seither war die Klägerin arbeitslos und bei der Beklagten wegen des Bezuges von Leistungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) pflichtversichert.

3

Die Klägerin erlitt am 26.07.2013 eine vordere Kreuzbandruptur am rechten Knie und wurde hierdurch arbeitsunfähig. Der Orthopäde Dr. Sch… stellte ihr am selben Tag eine Erstbescheinigung über diese Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose M23.5G [Chronische Instabilität des Kniegelenkes] aus und gab in der Bescheinigung zugleich an, die Klägerin sei voraussichtlich bis einschließlich 15.09.2013 arbeitsunfähig. Bis zum 04.08.2013 erhielt die Klägerin Leistungsfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit.

4

Am 15.08.2013 erfolgte im Universitätsklinikum M… arthroskopisch eine vordere Kreuzbandplastik mit Semitendinosus-Sehne am rechten Knie. Nachdem Komplikationen im Heilungsverlauf auftraten, erfolgte am 20.08.2014 eine weitere Arthroskopie wegen eines sog. Zyklops (Vernarbung im Bereich des Bandersatzes) sowie zur Endobuttonentfernung und Teilsynovektomie in den St.-Vincentius-Kliniken K….

5

Mit Bescheid vom 23.01.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld ab dem 05.08.2013. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid lautete:

6

„Sehr geehrte Frau Sch…,
aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie ab dem 05.08.2013 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro. Nach Abzug der Beiträge verbleibt ein Auszahlbetrag von kalendertäglich 30,48 Euro.

7

Das Krankengeld wird in Höhe des bisher von der Agentur für Arbeit gewährten Leistungssatzes gezahlt. Für die erste Zahlung benötigen wir die beiliegende Erklärung für den Bezug von Geldleistungen ausgefüllt und unterschrieben zurück. Den Zahlschein lassen Sie bitte einmal monatlich von Ihrem Arzt ausfüllen und senden ihn anschließend an uns zurück. Sobald uns der Zahlschein vorliegt, überweisen wir das Krankengeld auf Ihr Konto und senden Ihnen unaufgefordert einen neuen zu. Bitte beachten Sie, dass die Auszahlung des Krankengeldes grundsätzlich einmal monatlich erfolgt. Eine Auszahlung für einen kürzeren Zeitraum können wir nur vornehmen, wenn Ihre Arbeitsunfähigkeit endet.“

8

Am 06.02.2014 zahlte die Beklagte das Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013 bis einschließlich 31.01.2014 nach. In der Folgezeit zahlte sie das weitere Krankengeld dann – unabhängig von der im aktuellen Auszahlschein enthaltenen Mitteilung über die voraussichtliche weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit - jeweils bis zum Tag der jeweiligen Ausstellung des letzten Auszahlscheines.

9

Am 05.03.2014 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid. Dieser lautete:

10

„Sehr geehrte Frau Sch…,
aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie ab dem 05.08.2013 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro. Nach Abzug der Beiträge verbleibt ein Auszahlbetrag von kalendertäglich 30,61 Euro.

11

Das Krankengeld wird in Höhe des bisher von der Agentur für Arbeit gewährten Leistungssatzes gezahlt.

12

Das Krankengeld wird jeweils nur für die ärztlich attestierte voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bewilligt. Bei jeder Auszahlung sind die Leistungsvoraussetzungen neu zu prüfen. Hierzu übersenden Sie uns bitte den von Ihrem Arzt ausgefüllten Zahlschein. Sobald uns Ihr Zahlschein vorliegt, überweisen wir bei Vorliegen der Voraussetzungen das Krankengeld auf Ihr Konto und senden Ihnen unaufgefordert einen neuen zu.“

13

Die Ärzte Dr. Sch… und Dr. W… bescheinigten in der Folgezeit zunächst lückenlos auf Auszahlscheinen die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Darüber hinaus erteilte Dr. Sch… auf Veranlassung der Beklagten wiederholt Arztauskünfte. Zudem wurde auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK) wiederholt in die Bewertung der Arbeitsunfähigkeit eingeschaltet und bestätigte in einem Gutachten vom 20.06.2014, dass die Klägerin weder für die frühere Tätigkeit noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig sei. In einem weiteren Gutachten vom 26.09.2014 erläuterte der Arzt im MDK M… die eingetretenen Komplikationen und teilte mit, eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit sei nicht festzustellen. Nach jetzt erfolgter erfolgreicher Entfernung des Narbengewebes sei ein normaler postoperativer Heilungsverlauf zu erwarten. Die vollständige Wiederherstellung des erwerblichen Leistungsvermögens sei unter geeigneter Heilmitteltherapie innerhalb eines postoperativen Zeitraums von etwa drei bis vier Monaten, also bis ca. Ende November 2014 zu erwarten.

14

In einer Arztanfrage vom 13.10.2014 teilte Dr. Sch… nochmals mit, weitere Arbeitsunfähigkeit bestehe bis ca. Ende November 2014. In einen am 06.11.2014 ausgestellten Zahlschein trug er ein, die Klägerin sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich 20.11.2014 und in einem weiteren, allerdings erst am 25.11.014 ausgestellten Auszahlschein gab er eine voraussichtlich noch bis zum 09.12.2014 bestehende Arbeitsunfähigkeit an. In einer letzten Stellungnahme gab zudem der Arzt im MDK H… am 15.12.2014 an: „Zufriedenstellender Heilverlauf, Muskelaufbau derzeit, Kontrolle Ende Dezember, Rückinfo zu 31.12.14“. Dem behandelnden Arzt teilte der MDK-Arzt am selben Tag mit, die sozialmedizinischen Voraussetzungen für Arbeitsunfähigkeit lägen ab dem 31.12.2014 nicht mehr vor. Die Versicherte könne sich ab Januar 2015 wieder der Vermittlung einer leidensgerechten Tätigkeit zur Verfügung stellen.

15

Mit Bescheid vom 24.11.2014 informierte die Beklagte die Klägerin zunächst über das Ende der Bezugsdauer (78 Wochen) am 22.01.2015.

16

Mit hier angefochtenem Bescheid vom 17.12.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Anspruch auf Krankengeld ende trotz der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 20.11.2014. Der Krankengeldanspruch entstehe am Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Da Krankengeld abschnittsweise für die Zeit der jeweils attestierten Arbeitsunfähigkeit gewährt werde, gelte „dieser Grundsatz“ nicht nur bei der erstmaligen Feststellung, sondern auch bei jeder weiteren ärztlichen Feststellung mittels Folgebescheinigung oder Zahlschein. Der fortlaufende Krankengeldanspruch setze somit voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit von dem behandelnden Arzt lückenlos, also spätestens am letzten Tag der zuletzt bescheinigten AU, weiter festgestellt werde. Erfolge dies nicht, ende die Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch. Das Bundessozialgericht (BSG) habe diesen „Grundsatz“ in fortlaufender Rechtsprechung mehrfach bestätigt. Aufgrund der bis zum 20.11.2014 lückenlos nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit sei die Mitgliedschaft bis zu diesem Zeitpunkt erhalten geblieben. Erst am 25.11.2014 und damit nicht innerhalb der bislang nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit sei die weitere Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe aber keine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch mehr bestanden, so dass ein weiterer Krankengeldanspruch entfalle.

17

Mit weiterem Bescheid, ebenfalls vom 17.12.2014, teilte die Beklagte der Klägerin der Vollständigkeit halber mit, dass nach Mitteilung des MDK ab dem 01.01.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestehe. Krankengeld könne somit nur bis zum 31.12.2014 gezahlt werden.

18

Mit Schreiben vom 05.01.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den erstgenannten Bescheid vom 17.12.2014 ein, wobei sie sich zur Begründung darauf berief, durchgehend erkrankt zu sein. Auf das weitere Schreiben vom 17.12.2014 nahm sie hierbei Bezug, wonach Arbeitsunfähigkeit bis 01.01.2014 bestehe.

19

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin sinngemäß zurück. Nach „ständiger Rechtsprechung des BSG“ sei es die Verpflichtung der Versicherten, für eine rechtzeitige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu sorgen. Um den Krankengeldanspruch und damit die versicherungspflichtige Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten, hätte die Klägerin daher spätestens am letzten (Werk-/Arbeits-)Tag des bisherigen „Krankschreibungszeitraums“ einen Arzt zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufsuchen müssen. Das BSG habe diesen „Grundsatz“ in seinem aktuellen Urteil vom 04.03.2014 ausdrücklich bestätigt. Nach gesicherter Rechtsprechung des BSG gehe die verspätete Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit nur dann nicht zu Lasten des Versicherten, wenn dieser aufgrund von Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen sei, eine rechtzeitige Verlängerung der bisherigen Arbeitsunfähigkeit zu erlangen.

20

Am 24.03.2015 hat die Klägerin hiergegen die vorliegende Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, es könne nicht auf eine formalistische Betrachtungsweise ankommen, sondern nur darauf, ob sie tatsächlich durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Dass dies der Fall gewesen sei, könne durch den behandelnden Arzt bestätigt werden.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014 zu zahlen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die angefochtene Entscheidung und führt weiter aus, bei Krankengeldbewilligungen handele es sich nicht um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, da die Gewährung von Krankengeld nicht unbefristet, sondern lediglich abschnittsweise erfolge. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass in der abschnittsweisen Zahlung des Krankengeldes jeweils die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen sei, dass dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zustehe. Mit der Zahlung bis zum 20.11.2014 liege daher ein Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung des Krankengeldes vor. Die Beklagte verweist auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014 (- L 5 KR 157/14 -), zu dem derzeit die Revision vor dem BSG (B 3 KR 22/15 R) anhängig ist. Im dort streitgegenständlichen Fall hatte sich die Klägerin zwar am letzten Tag des attestierten Zeitraums persönlich beim Arzt vorgestellt, das LSG befand jedoch, der Arzt habe eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht „nach außen dokumentiert“.

26

Die Beklagte hat das Versicherungsverhältnis ab dem 21.11.2014 als freiwillige Versicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V fortgeführt und am 25.04.2015 die Beitragsrückstände betreffend die hier streitige Zeit angemahnt sowie das Ruhen der Leistungen angedroht. Ab dem 01.01.2015 hat die Klägerin sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet und erhielt von dort Leistungen.

27

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

28

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

29

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

30

Die Klägerin hat dem Grunde nach (§ 130 SGG) einen Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankengeld für die Zeit vom 21.11.2014 bis zum 31.12.2014. Der Bescheid der Beklagten vom 17.12.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er war daher aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auch über den bewilligten Zeitraum hinaus Krankengeld bis zum 31.12.2014 zu gewähren.

31

Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) pflichtversichert. Die Versicherungspflicht ergab sich aus dem bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehenden Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III). Nach dem Ende der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit blieb dieses Versicherungsverhältnis auf Grund des tatsächlichen Bezuges von Krankengeld bzw. durch den Anspruch auf Krankengeld gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch in der hier streitigen Zeit erhalten.

32

Die Klägerin kann die Zahlung von Krankengeld für die streitige Zeit schon auf Grund der mit Bescheid vom 23.01.2014 verfügten Dauerbewilligung beanspruchen. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte der Klägerin Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013 in Höhe von 30,61 Euro (brutto) kalendertäglich bewilligt. Diese unbefristete Dauerbewilligung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (I.). Sie wurde für die hier streitige Zeit weder zurückgenommen noch aufgehoben (II.). Die Bewilligungsentscheidung war bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zudem rechtmäßig. Eine wesentliche Änderung ist in der hier streitigen Zeit nicht eingetreten, da die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war. Auf ärztliche Feststellungen oder Prognosemitteilungen kam es hingegen nicht an (III.). Der anderslautenden Rechtsprechung des BSG ist nicht zu folgen (IV.). Durch die Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 hat sich diesbezüglich weder für die Zukunft noch für die Vergangenheit Wesentliches geändert (V.).

I.

33

Der Bescheid vom 23.01.2014 enthält die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit ab dem 05.08.2013. Da die Bewilligung nicht nur für eine zurückliegende, zum Zeitpunkt der Entscheidung abgeschlossene Zeitspanne erfolgte, ist sie ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Ein solcher liegt vor, wenn die Regelungswirkungen des Verwaltungsaktes nach dem zu Grunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen. Dauerverwaltungsakte zeichnen sich durch Zukunftsgerichtetheit aus, wobei eine Begrenzung der Laufzeit unschädlich ist (Schütze in: v. Wulffen/Schütze, SGB X § 45 Rn. 62-74, beck-online). Ein Dauerverwaltungsakt liegt also vor, wenn der Verwaltungsakt sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot erschöpft oder einmalig die Sach- und Rechtslage gestaltet, sondern zukunftsorientiert über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus rechtliche Wirkung erzielt (Heße in: BeckOK SozR, SGB X § 48 Rn. 8, beck-online; vgl. auch Brandenburg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 48 SGB X, Rn. 51). Die Bewilligung von Krankengeld stellt in diesem Sinne dann einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 83; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 67, alle Entscheidungen im Folgenden zitiert nach juris). Eine Bewilligung für einen im Entscheidungszeitpunkt abgelaufenen Zeitraum ist hingegen kein Dauerverwaltungsakt.

34

Demgemäß liegt mit dem Bescheid vom 23.01.2014 ein die Klägerin begünstigender Dauerverwaltungsakt vor, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit regelt. Eine Befristung der bewilligten Leistung enthält der Bescheid nicht. Diese Bewilligung der Zahlung von Krankengeld in Höhe von 30,61 Euro (brutto) kalendertäglich ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend, § 77 SGG.

35

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird weder „grundsätzlich“, noch wurde vorliegend eine „abschnittsweise Bewilligung“ vorgenommen. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt könnte im Einzelfall nur angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich erfolgt wäre. Die Zulässigkeit einer solchen Befristung wäre in diesem Fall an § 32 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zu messen, da die Gewährung von Krankengeld nicht im Ermessen der Krankenkasse steht. Vorliegend enthält der insofern rechtlich nicht zu beanstandende und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid vom 23.01.2014 (zu Recht) keine Befristung. Da ein förmlicher Bewilligungsbescheid vorliegt, sind in die einzelnen Auszahlungen durch die Beklagte keine weiteren (konkludenten) Entscheidungen hineinzudeuten.

36

Soweit das BSG seit dem Urteil vom 16.09.1986 (- 3 RK 37/85 -) in der Auszahlung des Krankengeldes zugleich eine konkludente Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse erkannt hat, erfolgte hierdurch zunächst die Abkehr vom zuvor angenommenen „Schalterakt“. Dem ist für die häufig vorliegenden Fallgestaltungen zuzustimmen, in denen die Krankenkasse keine förmliche Verwaltungsentscheidung erlassen hat, da spätestens in der für den Versicherten erkennbaren Auszahlung von Krankengeld zugleich auch dessen Bewilligung zum Ausdruck kommt. Die Auszahlung erfüllt die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Es liegt eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zu Grunde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit der Überweisung des Krankengeldes an den Versicherten erfolgt eine ausreichende Bekanntgabe dieser Entscheidung (§ 37 SGB X). Der Verwaltungsakt wird auf andere Weise - durch konkludentes Handeln - erlassen (§ 33 Abs. 2 SGB X; BSG, Urteil vom 16.09.1986 - 3 RK 37/85 -, Rn. 15).

37

Sofern allerdings das BSG in diesem Urteil die Annahme des Berufungsgerichtes nicht nachvollziehen kann, mit der Krankengeldüberweisung sei ein Verwaltungsakt mit dem Verfügungssatz erlassen worden, es werde bis auf weiteres Krankengeld gewährt, sondern stattdessen annimmt, es sei noch zu klären, mit welchem Inhalt der leistungsgewährende Verwaltungsakt erlassen wurde, legt es den Grundstein für die in den letzten Jahren immer weiter sich von den gesetzlichen Regelungen entfernende obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. hierzu ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 99 ff.).

38

Das BSG behauptet im Ausgangspunkt, es seien Krankengeldbewilligungen mit verschiedenen Inhalten denkbar, um dann zu konstatieren (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16):

39

„In der Regel gewährt die Krankenkasse Krankengeld für einen bestimmten (Abrechnungs-) Zeitraum. Bei einer Krankengeldgewährung wegen Arbeitsunfähigkeit wird in der Krankengeldbewilligung auch die Entscheidung gesehen werden können, daß dem Versicherten ein Krankengeldanspruch für die laufende Zeit der vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht. Der Kassenarzt schreibt den Versicherten für eine bestimmte Zeit arbeitsunfähig. Gewährt die Krankenkasse aufgrund einer solchen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Krankengeld, so kann der Versicherte davon ausgehen, daß er für diese Zeit einen Anspruch auf Krankengeld hat. Soweit die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht anerkennen will, muß sie das dem Versicherten gegenüber zum Ausdruck bringen. Mit der Krankengeldbewilligung wird demnach auch über das - vorläufige - Ende der Krankengeldbezugszeit entschieden. Wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit; eines Entziehungsbescheides nach § 48 SGB X bedarf es dann nicht“.

40

Von dieser Annahme ausgehend, hält es das BSG für möglich, den (über die schlichte Bewilligung hinausgehenden) Inhalt der konkludenten Krankengeldbewilligung durch Auslegung zu ermitteln. Der Inhalt lasse sich in der Regel unter Berücksichtigung aller Umstände hinreichend genau bestimmen. Soweit die Auslegung (Erforschung des objektiven Erklärungswillens) noch Unklarheiten bestehen lasse, gehe das grundsätzlich zu Lasten der Kasse (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 18). Soweit der Kläger aufgrund der Umstände von einer Krankengeldbewilligung (auch) wegen Arbeitsunfähigkeit habe ausgehen dürfen, komme es vor allem darauf an, für welche Zeit Arbeitsunfähigkeit „ärztlich bescheinigt“ und von der Beklagten „anerkannt“ gewesen sei bzw. der Kläger den Umständen nach „von einer Anerkennung durch die Beklagte ausgehen“ durfte (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 19; im konkreten Fall erfolgte bezeichnenderweise eine Zurückverweisung, da das BSG den weiteren „Inhalt“ des leistungsgewährenden Verwaltungsaktes letztlich nicht feststellen konnte).

41

Bereits diese Überlegungen des BSG lassen jegliche Zuordnung der verwendeten, eher untechnischen Kriterien und behaupteten maßgeblichen Anforderungen zu den einschlägigen gesetzlichen Regelungen zum Krankengeld im SGB V vermissen. Weder wird begründet, warum es für die Krankengeldbewilligung auf die Zeit der „vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit“, die „Arbeitsunfähigschreibung“ für eine bestimmte Zeit, noch warum es überhaupt auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ankommen kann. Ohne dass nach den Vorschriften des SGB V eine Bescheinigung und eine ärztliche Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld sind, behauptet das BSG schon in diesem Urteil, der Anspruch auf Krankengeld ende „mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit“ (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 19). Völlig ungeprüft bleibt in dieser und in späteren Entscheidung des BSG (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R –, Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 15, hier insbesondere Rn. 24) die Frage, ob und unter welchen Maßgaben eine Krankenkasse überhaupt berechtigt wäre, die Gewährung von Krankengeld, auf das bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 38 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB I), mit einer Nebenbestimmung im Sinne einer Befristung zu verbinden (§ 32 Abs. 1 SGB X).

42

Das Vorliegen einer zeitlich befristeten Bewilligung von Krankengeld wird in den Entscheidungen des 1. Senates des BSG kurzerhand unterstellt, wobei sich die Befristung nur mittelbar aus dem ärztlichen Prognosezeitraum ergeben soll (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 24; vgl. auch Dreher, jurisPR-SozR 3/2015 Anm. 2: „nach und nach entstehende zeitlich begrenzte Ansprüche als Teile eines einheitlichen, aber „gestückelten“ Anspruchs). Selbst in einem Fall, in dem der Arzt kein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit, sondern lediglich mitgeteilt hatte, der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig; der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar, ist der 1. Senat des BSG von „Bewilligungsabschnitten“ ausgegangen, ohne die Anwendbarkeit des § 48 SGB X in Betracht zu ziehen (BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.). Woraus sich in diesem Fall das Ende des unterstellten Bewilligungsabschnitts hätte ergeben können, wird im Sachverhalt nicht mitgeteilt. Zwar führt der 1. Senat des BSG in der Entscheidung aus dem Jahr 2005 noch aus, eine Bewilligung von Krankengeld sei auch auf Dauer (auf unbestimmte Zeit bzw. bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer) denkbar, derartige Fälle kämen in der Praxis indessen nur ausnahmsweise und nur in atypischen Konstellationen vor (BSG, Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30). Im selben Absatz folgt hierzu dann gleichwohl die Mitteilung, nur eine Einstellung der Krankengeldzahlung vor Ablauf des vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit setze die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X voraus (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 30 unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 13.07.2004 - B 1 KR 39/02 R -). Eine Bezugnahme auf die im Einzelfall tatsächlich getroffene Bewilligungsentscheidung bzw. die Auslegung von deren vermeintlichem Inhalt erfolgen nicht.

43

Richtigerweise ist bei der Auslegung einer (nur) konkludenten Bewilligungsentscheidung davon auszugehen, dass die Behörde – sofern möglich - eine rechtlich zulässige Entscheidung getroffen hat. In eine durch schlichtes Verwaltungshandeln zum Ausdruck kommende Entscheidung mehr hineinzulesen als die Bewilligung der Leistung, insbesondere Nebenbestimmungen wie eine Befristung oder eine auflösende Bedingung zu konstruieren, die zum einen in einem förmlichen Verwaltungsakt wegen der rechtlichen Konsequenz einer Beendigung der Wirksamkeit durch Erledigung des Verwaltungsaktes – ohne klarstellenden „actus contrarius“ – so bestimmt wie möglich, verständlich und widerspruchsfrei verfügt sein müssten (vgl. Korte, Nebenbestimmungen zu begünstigenden Verwaltungsakten nach dem SGB X – Zulässigkeit und Reichweite, NZS 2014, 853, beck-online; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 32 SGB X, Rn. 13 m.w.N.) und zum anderen bei einer gebundenen Entscheidung nur ausnahmsweise zulässig sind und ihrerseits eine Ermessensbetätigung der Behörde erfordern, verbietet sich. Wenn also ein Versicherter bei der Krankenkasse Krankengeld beantragt hat, eine förmliche Entscheidung hierüber zwar nicht ergeht, er aber nach einiger Zeit eine erste Zahlung erhält, kann der Versicherte dem zunächst entnehmen, dass er tatsächlich einen bestimmten Betrag erhalten hat, möglicherweise anhand des Überweisungsträgers auch noch, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt. Als zu Grunde liegende Entscheidung der Krankenkasse kann er dieser Auszahlung zugleich entnehmen, dass die Krankenkasse seinen Anspruch auf Krankengeld offenbar bejaht hat. Hierin liegt die Bewilligung von Krankengeld. Eine Befristung liegt hierin nicht. Erst recht trifft in den hier bekannten Fällen die Annahme nicht zu, die Krankenkasse würde für die „attestierte“ Zeit eine abschnittsweise Zahlung vornehmen, die dann als eine befristete Bewilligung gedeutet werden könnte. Tatsächlich erfolgt die Auszahlung des Krankengeldes – wie auch im vorliegenden Fall – regelmäßig nur für die Zeit bis zur Ausstellung eines weiteren Auszahlscheines. Die in den Auszahlscheinen jeweils mitgeteilte voraussichtliche Dauer der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit („Zeit der vom Kassenarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit“, vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16) wirkt sich auf die durch Auszahlung konkludent erfolgende Bewilligung nicht aus.

44

Entgegen der den Entscheidungen des BSG (BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 –, Rn. 16ff.; Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R –, Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R –, Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R –, Rn. 13f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R –, Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R –, Rn. 15, hier insbesondere Rn. 24) zu Grunde liegenden, aber nicht erkennbar überprüften und begründeten Annahme ist eine Befristung der Bewilligung von Krankengeld nach Maßgabe der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht zulässig. Denn gemäß § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Gewährung von Krankengeld steht bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 44 ff. SGB V nicht im Ermessen der Krankenkasse, ist also eine gebundene Entscheidung. Eine der beiden Alternativen des § 32 Abs. 1 SGB X (Ermächtigung oder Sicherstellungsfunktion) müsste daher erfüllt sein, damit eine Nebenbestimmung zur Krankengeldbewilligung zulässig wäre. In den einschlägigen Vorschriften des SGB V findet sich, anders als in anderen Leistungsgesetzen, die laufende Geldleistungen vorsehen (vgl. etwa § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, 102 Abs. 2 bis 4 SGB VI, § 41 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II), keine (bereichsspezifische) Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, die eine Befristung zulässt. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB V enthält keine gesetzlich vorgesehene Befristungsmöglichkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, sondern beschreibt die mögliche Leistungshöchstdauer. Ein Hinweis hierauf ist daher ebenfalls keine Befristung der Leistung, sondern hat lediglich deklaratorische Wirkung.

45

Ob darüber hinaus Nebenbestimmungen denkbar sind, die im Sinne des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden, ist zumindest zweifelhaft. Sofern etwa eine Befristung schon dann für zulässig gehalten wird, wenn „aufgrund der Eigenart des Verwaltungsaktes typischerweise damit zu rechnen“ sei, dass dessen Voraussetzungen nach einer gewissen Zeit wieder entfallen können, oder wenn im konkreten Einzelfall „greifbare Anhaltspunkte befürchten lassen, dass die Voraussetzungen möglicherweise wieder wegfallen“ können (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.04.2015 – L 7 SO 43/14 –, Rn. 35, mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 60/03 R - Rn. 25), ist hierin die Umgehung des Verfahrens nach § 48 SGB X offenkundig angelegt. § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X räumt die Möglichkeit einer Nebenbestimmung ausdrücklich nur ein, wenn diese sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt „werden“, nicht auch dafür, dass diese erfüllt „bleiben“ (vgl. Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, K § 32 Rn. 38). Der vom 6. Senat des BSG beschriebene „typische Anwendungsfall“ des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X in Form der Bewilligung einer Rente verbunden mit der Auflage, eine Lebensbescheinigung vorzulegen oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu melden (als obiter dictum in BSG, Urteil vom 31.10.2001 – B 6 KA 16/00 R –, Rn. 19) überzeugt nicht, da eine Rentengewährung wohl ausscheiden muss, wenn unbekannt ist, ob der Berechtigte noch lebt, wohingegen die Meldung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gerade nicht sicherstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Rentengewährung erfüllt werden, sondern nur die rechtzeitige Überprüfung und gegebenenfalls Änderung der Entscheidung ermöglichen soll. Die Annahme des BSG, ein Verwaltungsakt dürfe in Ansehung des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X auch schon vor Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen der in ihm getroffenen Regelung mit einer Nebenbestimmung ergehen, wenn eine abschließende Entscheidung dem Grunde nach noch nicht möglich ist, wobei durch Nebenbestimmungen sichergestellt werde, dass diese Regelung nur bei Eintritt dieser Voraussetzungen wirksam werde oder wirksam bleibe (BSG, Urteil vom 02.11.2012 – B 4 KG 2/11 R –, Rn. 13, 16 [sog. Vorwegzahlung] wegen ausgemachter Regelungslücke hinsichtlich einer vorläufigen Leistungsgewährung), ist nicht verallgemeinerungsfähig (gegen eine „erweiternde Auslegung“ des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X daher auch BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 6 KA 15/13 R -, Rn. 19 ff. m.w.N. zum Meinungsstand).

46

Im Fall einer Krankengeldbewilligung kann jedenfalls eine Befristung erkennbar nicht der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch (Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit) dienen. Ziel und Zweck der Befristung wäre hier allein die Vermeidung des nach § 48 SGB X vorgesehenen Verfahrens der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung bei Änderung der Verhältnisse. Eine Überprüfung hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen und erforderlichenfalls Korrektur der Entscheidung ist auch in diesem gesetzlich vorgesehenen Verfahren möglich und muss daher nicht durch eine Befristung sichergestellt werden.

47

Im vorliegenden Fall ist keine Befristung verfügt worden. Auf konkludent ergangene Entscheidungen ist nicht abzustellen, da die Beklagte tatsächlich in Form eines schriftlichen Verwaltungsaktes über den Anspruch entschieden hat. Es liegt hier mit dem Bescheid vom 23.01.2014 eine förmliche Verwaltungsentscheidung vor, so dass kein Bedürfnis besteht, in tatsächliche Handlungen der Beklagten mehr hineinzulesen, als den Vollzug der getroffenen Entscheidung in Form der abschnittsweisen Erfüllung des Krankengeldanspruchs. Wenn einem Versicherten etwa eine Rente gewährt wird, liegt in der monatlichen Zahlung, unabhängig davon, ob es sich um eine befristet gewährte Rente (§ 102 SGB VI) handelt oder nicht, lediglich die monatliche Erfüllung des aus der zu Grunde liegenden Bewilligungsentscheidung entspringenden und monatlich fällig werdenden Zahlungsanspruchs (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, vgl. auch § 337 Abs. 2 SGB III für die Auszahlung von Arbeitslosengeld I). Ebenso wird eine Krankenkasse, die dem Versicherten Krankengeld bewilligt hat, in der Regel die entsprechende Leistungspflicht durch abschnittsweise Auszahlungen erfüllen. Selbst wenn Krankengeld typischerweise nur eine vorübergehende krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Ausübung der Beschäftigung absichern soll, handelt es sich gleichwohl um eine Leistung, die für eine gewisse Dauer laufend zu gewähren ist. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt; ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen, § 47 Abs. 1 Satz 6 und 7 SGB V. Die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes wird in § 47 Abs. 3 SGB V in Bezug genommen. Sobald beim Versicherten wieder Arbeitsfähigkeit eintritt und dieser das auch erkennen kann und muss, sollte die Krankenkasse die Bewilligungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte von der Änderung der Verhältnisse Kenntnis nehmen muss, aufheben. Spätestens, wenn dem Versicherten die Anhörung (§ 24 Abs. 1 SGB X) zu der beabsichtigten Aufhebung der Krankengeldbewilligung zugeht, erlangt dieser die notwendige Kenntnis und kann sich auf die Rechtsfolgen einstellen.

48

Vorliegend hat die Beklagte daher richtigerweise eine Dauerbewilligung von Krankengeld mit Bescheid vom 23.01.2014 ab dem 05.08.2013 in Höhe von kalendertäglich 30,61 Euro brutto verfügt. Zugleich hat sie die Klägerin darüber informiert, dass die Auszahlung des Krankengeldes grundsätzlich einmal monatlich erfolge. Eine Auszahlung für einen kürzeren Zeitraum könne nur vorgenommen werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ende. Die Aufforderung an die Klägerin, den Zahlschein einmal monatlich vom Arzt ausfüllen zu lassen und zurückzusenden, enthält erkennbar keine Befristung der bewilligten Leistung. Auch wurde hiermit keine Bedingung (unselbstständige Nebenbestimmung) oder Auflage (selbstständige Nebenbestimmung) für die Zahlung aufgestellt (vgl. § 32 SGB X). Der Bescheid enthält keine Aussage dazu, ob und gegebenenfalls welche Folge es hätte haben können, wenn die Klägerin nicht monatlich einen Zahlschein hätte ausfüllen lassen, so dass es sich um nicht mehr als einen Hinweis handeln konnte. Jedenfalls ist die Klägerin der als Bitte formulierten Aufforderung nachgekommen, da sie in der hier streitigen Zeit im November 2014 sogar zwei Zahlscheine durch ihren Arzt ausstellen lies.

49

Diese Bewilligungsentscheidung vom 23.01.2014 ist zwischen den Beteiligten bindend geworden, § 77 SGG.

II.

50

Die unangefochtene Bewilligungsentscheidung war auch in der hier streitigen Zeit noch zwischen den Beteiligten bindend, da sie weder rechtmäßig zurückgenommen noch aufgehoben wurde.

51

1. Der Bescheid vom 05.03.2014 enthält selbst nur die Rücknahme der zuvor verfügten Beitragsbelastung und im Ergebnis die Erhöhung des Auszahlungsbetrages um 13 Cent pro Tag. Der neu hinzugefügte Zusatz dazu, wie das Krankengeld bewilligt wird, ist erkennbar keine Entscheidung im Einzelfall, sondern nur ein Hinweis auf die vermeintliche Bewilligungspraxis. Bei Erläuterungen oder Hinweisen einer erlassenden Behörde handelt es sich nicht um Nebenbestimmungen, weil ein entsprechender Regelungswille aus der im Zweifelsfall maßgeblichen Sicht des Empfängers nicht erkennbar wird (vgl. Korte, NZS 2014, 853, beck-online). Weder die bloße Wiedergabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen noch der Hinweis auf eine ständige Rechtsprechung oder die eigene (möglicherweise rechtswidrige) Bewilligungspraxis im Allgemeinen enthalten Regelungen des konkreten Einzelfalles. Sollte mit dem Hinweis auf die Bewilligungspraxis eine Befristung auf die jeweils attestierte Dauer der Arbeitsunfähigkeit beabsichtigt gewesen sein, hätte dies ausdrücklich verfügt werden müssen und wäre gegebenenfalls nach § 32 Abs. 1 SGB X gleichwohl nicht zulässig gewesen. Zudem wäre eine solche Nebenbestimmung „nachgeschoben“ und damit bei der gebundenen Entscheidung über die Krankengeldgewährung schon (ohne Aufhebung der zuvor unbefristet erteilten Bewilligungsentscheidung vom 24.01.2014) unzulässig.

52

2. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.12.2014 wurde die Dauerbewilligung jedenfalls nicht ausdrücklich aufgehoben. Die Beklagte teilte mit diesem Bescheid nur die von ihr vertretene Rechtsansicht mit, dass der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld trotz der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit am 20.11.2014 geendet habe. Die Beklagte ging – entsprechend dieser auf die obergerichtliche Rechtsprechung gestützten Auffassung – erkennbar davon aus, dass es einer Aufhebungsentscheidung vorliegend gerade nicht bedurfte. Da ein entsprechender Regelungswille daher nicht unterstellt werden kann, kann der Bescheid vom 17.12.2014 auch nicht als Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ausgelegt werden. Ob eine solche „stillschweigende“ Aufhebung überhaupt wirksam sein könnte, kann daher offengelassen werden.

53

Selbst wenn dem Bescheid vom 17.12.2014 der Regelungsgehalt einer Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X unterstellt werden könnte, fehlte es an den Voraussetzungen für eine rückwirkend (ab dem 21.11.2014) erfolgende Aufhebung der Dauerbewilligung vom 23.01.2014 nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Selbst für die Zeit ab Zugang der (unterstellt) aufhebenden Entscheidung vom 17.12.2014 lagen die Voraussetzungen für eine Aufhebung noch nicht vor, da eine für den Krankengeldanspruch wesentliche Änderung der Sachlage in der Zeit vor dem 01.01.2015 nicht eingetreten war. Der Klägerin stand zu dieser Zeit der Anspruch auf Krankengeld weiterhin zu (dazu unter III.).

54

Eine vorsorgliche Aufhebung der Dauerbewilligung für die Zeit des Eintritts einer wesentlichen Änderung ist unzulässig, wurde in dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.12.2014 aber auch erkennbar nicht verfügt.

55

3. Welchen Regelungsgehalt der weitere Bescheid vom 17.12.2014 haben konnte, mit dem die Beklagte der Klägerin – im Widerspruch zum hier angefochtenen Bescheid vom selben Tag - mitteilte, dass nach Mitteilung des MDK ab dem 01.01.2015 wieder Arbeitsfähigkeit bestehe und Krankengeld somit nur bis 31.12.2014 gezahlt werden könne, kann hier offenbleiben, da die Klägerin Krankengeld nur bis zu dem genannten Datum beansprucht. Sofern hierin nicht eine Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 48 SGB X gesehen werden kann, wäre eine solche ab diesem Zeitpunkt jedenfalls auch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich gewesen.

III.

56

Selbst wenn man annehmen wollte, die Aufhebung einer Dauerbewilligung könne (ohne dass dies zum Ausdruck kommt) auch konkludent erfolgen, wäre eine (dem Bescheid vom 17.12.2014 unterstellte) rückwirkende Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig gewesen. Denn die Klägerin hatte bis zum 31.12.2014 einen Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch war am 26.07.2013 wirksam entstanden (1.), hat während der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit bis zum 04.08.2013 geruht und bestand anschließend bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 31.12.2014 fort (2.). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist in der hier streitigen Zeit nicht eingetreten.

57

Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krankengeld ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach Versicherte, sofern sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten, vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören, Anspruch auf Krankengeld haben, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V wird bei Beziehern von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt.

58

1. Die Klägerin war im gesamten streitigen Zeitraum wegen der Folgen der am 26.07.2013 erlittenen Kreuzbandruptur am rechten Knie arbeitsunfähig.

59

Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; alle Urteile im Folgenden zitiert nach juris). Bei einem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherten Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III liegt Arbeitsunfähigkeit in diesem Sinne vor, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, selbst körperlich leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den er sich zuvor zwecks Erlangung des Arbeitslosengeld-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Das Krankengeld stellt sich in einem solchen Fall nicht als Ersatz für den Ausfall des auf Grund einer Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts dar, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R - und Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R -). Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind daher im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind (vgl. § 140 SGB III). Dies sind auch alle körperlich leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

60

Die Klägerin bezog im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosengeld nach den Vorschriften des SGB III. Die auch über den 20.11.2014 noch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit hat die Beklagte ausdrücklich anerkannt. Auch der behandelnde Arzt Dr. Sch… und der Arzt im MDK Dr. H… haben diese bestätigt.

61

Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ist bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 26.07.2013 entstanden (vgl. § 40 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuche [SGB I] i.V.m. § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V) und ruhte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V zunächst bis zum 04.08.2013, da die Klägerin noch Leistungsfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit erhielt. Für die Folgezeit hat die Beklagte der Klägerin Krankengeld lediglich bis zum 20.11.2014 gezahlt. Der Anspruch bestand jedoch auch über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Ende des mit der Klage geltend gemachten Zeitraums fort.

62

Einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bedurfte es vorliegend für die Entstehung des Anspruchs nicht, da anders als nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V bei Beziehern von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird. Weder kommt es auf den Zeitpunkt einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Winkler, info also 2000, 11, 15; Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 47b SGB V, Rn. 35; Tischler in: BeckOK, Stand: 01.09.2015, SGB V § 47b Rn. 5; Kruse in: LPK-SGB V, 4. Auflage 2012, § 47b Rn. 2), noch bedarf es für die Entstehung des Anspruchs überhaupt einer ärztlichen Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 44 ff.; so auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.07.2014 – L 16 KR 146/14 –, Rn. 37 und – L 16 KR 160/13 –, Rn. 40).

63

Der anderslautenden Rechtsprechung des BSG ist nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständig gewesenen 1. Senats des BSG sollte auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V neben Arbeitsunfähigkeit deren ärztliche Feststellung nach § 46 Satz 1 SGB V Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld sein (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 32). § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V (früher § 158 Abs. 1 Satz 2 AFG) ordne zwar die Gewährung von Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an. „Mit Rücksicht auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ sei dieser Bestimmung dennoch nicht zu entnehmen, dass es - anders als bei allen anderen Krankenversicherungsverhältnissen - insoweit auf den wirklichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit und nicht auf die ärztliche Feststellung ankommen soll (BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35; dem folgend Brandts in: KassKomm, SGB V § 47b Rn. 13, die aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V mit dem BSG den Grundsatz herausliest, es sei bei allen KV-Verhältnissen die ärztlich „festgestellte“, nicht die „wirkliche“ AU gemeint, anders dieselbe dann aber für § 46 Satz 2 SGB V a.F.: Die Wartezeit (Karenzzeit) beginnt mit dem Eintritt der AU, nicht erst mit deren Feststellung, vgl. Brandts in: KassKomm, SGB V § 46 Rn. 22, 25). Der 1. Senat des BSG hat zwar den in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung) normierten Karenztag bei dem Entstehen des Krankengeldanspruchs in einem solchen Fall zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.2008 – B 1 KR 37/07 R –, Rn. 23). Gleichwohl hat er eine ärztliche Feststellung zur Anspruchsentstehung und (unter Berücksichtigung der eigenen „Rechtsprechung zu § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V“) sogar für die Anspruchsaufrechterhaltung für erforderlich erklärt (BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –, Rn. 21).

64

Anhand der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen lässt sich ein solches Erfordernis nicht begründen (vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 44 ff.). Gemäß § 40 Abs. 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. § 46 SGB V ist in diesem Sinne eine spezielle gesetzliche Regelung zur Entstehung von Krankengeldansprüchen. Für die Fälle von Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung regelt § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld mit dem Beginn der jeweiligen Behandlung. Der bisherige Satz 2 der Norm (seit dem 23.07.2015 Satz 3) bestimmt für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgegeben haben, dass der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an entsteht. Der bisherige Satz 3 (jetzt Satz 4) enthält hierzu noch eine Modifikation bei einer entsprechenden Tarifwahl (nach § 53 Abs. 6 SGB V) eines nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten. Auch § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält eine spezielle Regelung, wonach für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bezieher von Arbeitslosengeld) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, der Anspruch also von diesem Tag an entsteht. Eine ärztliche Feststellung ist daher in all diesen Fällen nicht Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs.

65

Lediglich in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V wird für das Entstehen des Anspruchs eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vorausgesetzt. Bis zum 22.07.2015 enthielt die Regelung zudem einen sog. „Karenztag“, der mit der Neuregelung durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 entfallen ist. In den von der Norm erfassten Fällen entstand der Anspruch daher erst einen Tag nach bzw. entsteht er nunmehr von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.

66

Wiederum abweichend hiervon enthält aber § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V eine weitere Spezialregelung, wonach für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bezieher von Arbeitslosengeld) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, der Anspruch also von diesem Tag an entsteht. Eine ärztliche Feststellung wird in dieser Norm nicht zum Erfordernis der Anspruchsentstehung gemacht.

67

Das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung kann auch nicht „mit Rücksicht auf § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ in die Regelung des § 47b SGB V hineingelesen werden. Die Gesetzesentwicklung steht der Annahme entgegen, aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ergebe sich ein Grundsatz, wonach bei allen KV-Verhältnissen die ärztlich „festgestellte“, nicht die „wirkliche“ AU gemeint sei (so aberBrandts in: KassKomm, SGB V § 47b Rn. 13 unter Berufung auf BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35). Die Vorgängerregelung des § 46 SGB V war § 182 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Bis zum Jahr 1961 stellte diese Vorschrift auf den „Eintritt der Arbeitsunfähigkeit“ ab. Erst mit Änderung des § 182 Abs. 3 RVO durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12.07.1961 wurden die Worte "Eintritt der Arbeitsunfähigkeit" durch "ärztliche Feststellung" ersetzt und die Anzahl der Karenztage von zuvor drei auf nunmehr einen Tag reduziert. Vor dieser Gesetzesänderung war daher Anknüpfungspunkt für den Krankengeldanspruch stets der tatsächliche Beginn der Arbeitsunfähigkeit und nicht eine ärztliche Feststellung derselben.

68

Selbst wenn man aber mit der Rechtsprechung des BSG trotz der spezielleren Regelung des § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V auch bei Versicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Arbeitslosengeldbezieher) für die Entstehung des Anspruchs eine ärztliche Feststellung für erforderlich halten würde, wäre diese Voraussetzung im Fall der Klägerin erfüllt. Tatsächlich hat der behandelnde Arzt Dr. Sch… die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 26.07.2013 und in der Folgezeit wiederholt ärztlich festgestellt.

69

Die „ärztliche Feststellung“ ist als tatsächliche Wahrnehmung des Arztes das Ergebnis einer persönlichen ärztlichen Untersuchung. Der Arzt muss auf Grund seiner Befunderhebung zu der Erkenntnis gelangen, dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht in der Lage ist, die im Einzelfall maßgeblichen Tätigkeiten zu verrichten. Als Erkenntnisvorgang ist die ärztliche Feststellung also die Erhebung der medizinisch relevanten Tatsachen und die Beurteilung von deren Auswirkungen auf das aktuelle Leistungsvermögen des Versicherten.

70

Über diese Feststellung stellt der Arzt für Versicherte, die von ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung oder aber von der Bundesagentur für Arbeit Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können, eine Bescheinigung im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V aus (vgl. § 5 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall – Entgeltfortzahlungsgesetz [EFZG]; § 5 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V [Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien], § 146 Abs. 3 SGB III). Die ärztliche Feststellung in diesem Sinne ist daher nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung, etwa der „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder dem Auszahlschein gleichzusetzen (zur notwendigen Differenzierung vgl. auch BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 26). Ob ein Arzt Arbeitsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt hat, kann erforderlichenfalls auch noch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung durch eine Befragung des Arztes ermittelt werden. Das Erfordernis eines „Attestes“ oder einer „Bescheinigung“ ist den gesetzlichen Bestimmungen zum Anspruch auf Krankengeld nicht zu entnehmen (zuletzt SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 53; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 39f.).

71

Sofern die Beklagte sich auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014 beruft, zu dem derzeit die Revision vor dem BSG (B 3 KR 22/15 R) anhängig ist, vermag die Kammer der dort vertretenen Auffassung nicht zu folgen. Das LSG Rheinland-Pfalz teilt in diesem Urteil mit, der Senat habe sich der Rechtsprechung des BSG angeschlossen, wonach „die Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V“ strikt zu handhaben sei (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014 – L 5 KR 157/14 –, Rn. 14). Im zugrundeliegenden Fall hatte sich die dortige Klägerin zwar am letzten Tag des attestierten Zeitraums persönlich beim Arzt vorgestellt, dieser habe jedoch (so das LSG) eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht „nach außen dokumentiert“. Es könne dahinstehen, ob die Angabe der Arbeitsunfähigkeit in den Krankenunterlagen des Arztes ausreichen würde, da der Arzt ausweislich des „von der Klägerin vorgelegten Ausdrucks“ des Krankenblatts lediglich eine Diagnose gestellt habe. Eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lasse sich hieraus gerade nicht entnehmen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014 – L 5 KR 157/14 –, Rn. 16). Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Arzt allerdings in einer vom Sozialgericht eingeholten Auskunft angegeben, die Klägerin sei bei der persönlichen Vorstellung arbeitsunfähig gewesen. Er habe die Arbeitsunfähigkeit diesem Tag auch festgestellt, aber nicht schriftlich bescheinigt, da die Anschlussbescheinigung am nächsten Tag durch einen anderen Arzt habe erfolgen sollen. Warum diese vom Arzt ausdrücklich bestätigte ärztliche Feststellung nicht ausreichen sollte, wird in der zitierten Entscheidung nicht begründet, sondern lediglich auf die am Folgetag (und damit vermeintlich zu spät) getätigte Attestierung abgestellt. Eine Definition des zur Klageabweisung angewandten Kriteriums „nach außen dokumentiert“ und eine Verortung desselben in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen enthält die Urteilsbegründung ebenfalls nicht, so dass auch nicht erkennbar wird, warum die Mitteilung des Arztes im Befundbericht gegenüber dem Sozialgericht nicht als hinreichende „Dokumentation“ angesehen wurde bzw. warum weitere Ermittlungen durch das LSG zu diesem für maßgeblich gehaltenen Umstand unterblieben sind. Die Behauptung, dass die Voraussetzung nur durch ein an diesem fraglichen Tag ausgestelltes Schriftstück zu erfüllen gewesen wäre, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, so dass sich der Rahmen der rechtlichen Prüfung nicht erschließt.

72

2. Der Anspruch ist vorliegend auch nicht deshalb entfallen, weil nicht „lückenlos“ ärztliche Feststellungen, Bescheinigungen oder Prognosen über die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vorliegen.

73

Bereits für die Entstehung des Anspruchs war, wie oben ausgeführt, eine ärztliche Feststellung nicht erforderlich. Selbst wenn man jedoch abweichend von der hier vertretenen Auffassung eine Feststellung nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V „bei allen“ Krankenversicherungsverhältnissen zur Entstehung des Anspruchs für erforderlich hält (so BSG, Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - Rn. 35, vgl. oben), entfiele der einmal entstandene Anspruch nicht deshalb, weil eine „Lücke in den AU-Feststellungen“ vorliegt oder weil keine „lückenlosen“ (gemeint bislang in Fällen der Karenzregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. tatsächlich sogar sich überschneidenden) ärztlichen Bescheinigungen oder aber Prognosen vorliegen.

74

Der Rechtsprechung des bis Ende 2014 für das Krankengeldrecht zuständigen 1. Senats des BSG (siehe hierzu IV.) kann auch in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Nach dieser Rechtsprechung hat der Versicherte auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich „rechtzeitig vor Fristablauf“ erneut ärztlich feststellen zu lassen und seiner Krankenkasse (spätestens innerhalb einer Woche) zu melden, um das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruches zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -; Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R-; Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 38/06 R –; Urteile vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R - und - B 1 KR 20/11 R -; Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R -; zuletzt noch BSG, Urteile vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R, B 1 KR 19/14 R und B 1 KR 37/14 R –).

75

Der 1. Senat des BSG nahm zur Begründung seiner Auffassung bislang auf den als „Ausschlussregelung“ bezeichneten § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. Bezug. Wie bereits unter III.1. erläutert, enthält § 46 SGB V jedoch lediglich eine Regelung zur Anspruchsentstehung. Erfordernisse für eine Aufrechterhaltung des Anspruchs ließen sich hieraus bislang nicht ableiten. Insbesondere waren dieser Norm keinerlei „gesetzliche Fristen“ für eine weitere ärztliche Feststellung oder für eine „erneute Vorlage“ einer „Bescheinigung“ oder gar die Notwendigkeit einer „Lückenlosigkeit“ derselben zu entnehmen. Ebenso wenig wird mit der Norm ein Ende des Anspruchs geregelt (so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12-; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13).

76

Sofern mit der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG eine „Lückenlosigkeit“ gefordert wird, kann sich dies allein auf die (in den regelmäßig ausgestellten Bescheinigungen neben der Mitteilung über die ärztliche Feststellung, dass Arbeitsunfähigkeit vorliege, zumeist ebenfalls enthaltene) Prognose über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit beziehen. In der über die Arbeitsunfähigkeit ausgestellten Bescheinigung macht der Arzt – da er gem. § 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG hierzu angehalten ist – oftmals auch Angaben dazu, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bestehen wird. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine ärztliche „Feststellung“. Im Regelfall dürfte ein Arzt nicht in der Lage sein festzustellen, bis wann eine Arbeitsunfähigkeit dauern wird. Er kann nur feststellen, „dass“ sie im Zeitpunkt der Untersuchung besteht. Die Angabe einer voraussichtlichen Dauer ist lediglich eine Prognose im Sinne einer ärztlichen Vorhersage des vermuteten Krankheitsverlaufs. Diese ärztliche Prognose ist begrifflich zwingend von der tatsächlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 –, Rn. 59 entgegen BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 13 mit der dort zu findenden paradoxen Formulierung, der Arzt habe sich „Gewissheit“ zu verschaffen, (…) wie lange die AU „voraussichtlich“ noch andauern wird).

77

Allein die ärztliche Prognose erstreckt sich über einen Zeitraum, sodass nur hieran anknüpfend eine „Lückenlosigkeit“ hergestellt werden könnte. Wie bereits ausgeführt, ist die ärztliche Feststellung die aktuelle, auf den Zeitpunkt der Untersuchung bezogene Tatsachenwahrnehmung. Begriffsnotwendig kann sich diese Feststellung nicht auf einen in die Zukunft gerichteten Zeitraum beziehen. Der Arzt kann nicht feststellen und sich „Gewissheit darüber verschaffen“, dass der Versicherte „voraussichtlich“ noch drei oder sechs Tage oder bis zum Ende der nächsten Woche arbeitsunfähig sein wird. Er kann im Regelfall nur eine Vermutung anstellen und eine entsprechende Prognose abgeben. Da aber eine ärztliche Prognose keine Voraussetzung für einen Krankengeldanspruch ist, kann auch nicht die „Lückenlosigkeit“ von Prognosen gefordert werden. Die Rechtsprechung, die hierauf gleichwohl abstellt, zeichnet sich dadurch aus, dass die verwendeten Begriffe „ärztliche Feststellung“, „ärztliche Bescheinigung“ und „voraussichtliche Dauer“ bzw. „Prognose hierüber“ offenbar inhaltlich nicht geklärt und in der Folge nicht sinnvoll voneinander unterschieden werden. Zudem wird es sich bei den entsprechenden Angaben hinsichtlich der „voraussichtlichen Dauer“ der Arbeitsunfähigkeit in Erkrankungsfällen, die erfahrungsgemäß eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, selten um eine echte Prognose hinsichtlich der vermuteten Dauer handeln, als vielmehr um das Datum, zu dem ein erneuter Arztbesuch angestrebt werden sollte. Gerade in den Fällen, in denen ein Arzt bei einer erkennbar längerfristigen Erkrankung gleichwohl ein in näherer Zukunft liegendes Datum in die Bescheinigung einträgt, wird deutlich, dass der Arzt hiermit jedenfalls nicht ein „Ende der Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigt. An eine derartige Erklärung unumkehrbare Rechtsfolgen zu knüpfen, verbietet sich daher.

78

Der materielle Anspruch besteht daher nach seiner Entstehung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauert und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht ist. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus einer in der „Bescheinigung" angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse den materiellen Anspruch zum Ende eines „Bewilligungszeitraums“, also durch eine Befristung der Bewilligung (zur Unzulässigkeit der Befristung siehe oben) enden lassen. Sofern die Krankenkasse tatsächlich eine bestandskräftige Entscheidung nur für einen bestimmten Zeitabschnitt getroffen haben sollte, wäre über die Folgezeit noch zu entscheiden. Dies hätte jedoch gleichwohl nicht zur Folge, dass der materielle Anspruch neu entstehen müsste (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 -; SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 - S 19 KR 10/15 ER -; so schon SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 - S 5 KR 77/12 - entgegen der Rechtsprechung des BSG; ebenso SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 -; SG Speyer, Urteil vom 07.04.2014 - S 19 KR 10/13 -; SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 - S 3 KR 298/12 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 - L 16 KR 160/13 - und - L 16 KR 429/13 -; SG Speyer, Beschluss vom 08.09.2014 - S 19 KR 519/14 ER -; Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 - S 19 KR 959/13 -; SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 - S 3 KR 405/13 -).

79

Sofern die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26.02.2015 sogar annimmt, die Klägerin habe spätestens am letzten (Werk-/Arbeits-)Tag des bisherigen „Krankschreibungszeitraums“ einen Arzt zur weiteren Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufsuchen müssen, übersieht sie zudem, dass gemäß § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V die Karenztagregelung für die Klägerin als Bezieherin von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) nicht einschlägig ist.

80

Selbst wenn man aber bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG die lückenlose Attestierung als Anspruchsvoraussetzung annehmen wollte, hätte die Klägerin diese Anforderung erfüllt. Denn bereits in der Arztanfrage vom 13.10.2014 hatte der Behandler Dr. Sch… eine weitere Arbeitsunfähigkeit „bis ca. Ende November 2014“ vorhergesagt. Auch im MDK-Gutachten vom 26.09.2014 war bereits eine Prognose für Ende November abgegeben worden. Der am 25.11.2014 ausgestellte weitere Zahlschein erging daher entgegen der Ansicht der Beklagten innerhalb der „bislang nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit“ (gemeint prognostizierte und entsprechend bescheinigte voraussichtlich Dauer). Die im Zahlschein vom 06.11.2014 mitgeteilte Prognose voraussichtlich bis 20.11.2014 konnte – ungeachtet der rechtlichen Qualifikation dieser ärztlichen Äußerungen – die anderen ärztlichen Aussagen nicht zurücknehmen oder aufheben. Ein „Grundsatz“, dass im Zweifel die kürzeste ärztliche Prognose maßgeblich ist, wurde bislang nicht aufgestellt und dürfte auch nicht zu begründen sein.

81

Ohne dass es nach der hier vertretenen Auffassung rechtlich darauf ankäme, ist noch darauf hinzuweisen, dass vorliegend auch keine „bewilligungsabschnittsweise“ Zahlung erfolgte, da die Beklagte weder eine - mit dem Bescheid vom 23.01.2014 angekündigte - monatliche Auszahlung des Krankengeldes noch eine Zahlung jeweils für den attestierten Zeitraum veranlasste, sondern offensichtlich allein das Ausstellungsdatum der Auszahlscheine maßgeblich für die Zahlungsabschnitte war.

IV.

82

Der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG hinsichtlich Fortgewährung von Krankengeld nur bei Erfüllung weiterer, gesetzlich nicht geregelter Obliegenheiten des Versicherten kann nicht gefolgt werden, da diese gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung verstößt und zu unhaltbaren Ergebnissen führt.

83

Der 1. Senat des BSG hat ein Verfahren der Krankengeldbewilligung mit wiederholten Feststellungs- und Meldeobliegenheiten etabliert, aus dem in den letzten Jahren für die Versicherten die Gefahr entstanden ist, auf Grund von "Bescheinigungslücken" trotz nachweisbar bestehender Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf Krankengeld zu verlieren. Dabei ist die dogmatische Konstruktion der durch das BSG aufgestellten Voraussetzungen so weit vom Gesetzeswortlaut entfernt, dass eine parlamentarische Willensbildung über die hierdurch bewirkten Rechtsfolgen ausgeschlossen werden kann. Die Dogmatik des BSG hat sich vielmehr durch wiederholte Bezugnahmen auf eigene Vorentscheidungen vom Gesetz immer weiter gelöst und verselbstständigt. Als Ausgangspunkt kann die in der bereits erwähnten Entscheidung aus dem Jahr 1986 erfolgte Einordnung der bloßen Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse als konkludent verfügter und auf das Ende des ärztlichen Prognosezeitraums zeitlich befristeter Bewilligungsverwaltungsakt angesehen werden (BSG, Urteil vom 16.09.1986 - 3 RK 37/85 - Rn. 12ff., allerdings ohne Verwendung des Rechtsbegriffs „Befristung“, stattdessen mit Formulierungen wie: der Anspruch „endet“ mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit, „der Anspruch fällt weg“, Entscheidung über „das - vorläufige - Ende“ der Krankengeldbezugszeit), weshalb folgerichtig für die Folgezeit eine neue bewilligende Entscheidung der Krankenkasse verlangt wurde (BSG, Urteil vom 09.12.1986 - 8 RK 27/84 - Rn. 12). Hieraus entwickelte sich ein „Grundsatz der abschnittsweisen Krankengeldbewilligung“ (BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R – Rn. 12; BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R - Rn. 29), der in der sich allmählich darauf einstellenden Praxis der Krankenkassen - wie auch im vorliegenden Fall - mittlerweile sogar unabhängig von der tatsächlich getroffenen Verwaltungsentscheidung für maßgeblich gehalten wird. Seit dem Jahr 2000 hat der 1. Senat des BSG erklärtermaßen über den Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V hinaus für das Vermeiden des Ruhens des Krankengeldanspruchs wiederholte Meldungen der Arbeitsunfähigkeit für erforderlich erklärt. Dieses Erfordernis habe auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden sei. Auch dann müsse der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig „vor Fristablauf“ ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wolle er das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17, möglicherweise mit Blick auf die Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Seit dem Jahr 2005 fügte der 1. Senat dieser Wendung noch das Erlöschen des Anspruchs hinzu (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R -, Rn. 17), so dass nunmehr unterstellt wird, es gebe auch für weitere ärztliche Feststellungen eine gesetzliche Frist. Das BSG begründete diese Auffassung zunächst mit der „Befristung“ der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit und der daher regelmäßig angenommenen abschnittsweise erfolgenden Krankengeldbewilligung. Der Anspruch auf Krankengeld ende mit Ablauf des zuletzt „bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums“, wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringe (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 -). Werde das Krankengeld abschnittsweise gewährt, sei das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen. Erst wenn nach gegebenenfalls vorausgegangener Krankengeldgewährung eine erneute ärztliche Bescheinigung vorgelegt werde, bestehe für die Krankenkasse überhaupt Anlass, die weiteren rechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs und damit eines „neuen Leistungsfalles“ zu prüfen (so BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, Rn. 31). Für die Entscheidung über die Weitergewährung des Krankengeldes hält es das BSG daher im Falle einer ärztlichen Prognose zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit wegen des hieraus abgeleiteten Anspruchsendes für erforderlich, dass jeweils erneut alle Voraussetzungen für die Anspruchsentstehung geschaffen werden müssen (anders allerdings BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - im Fall einer ärztlichen Bescheinigung ohne Angabe zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit: eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasse, könne als für § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ausreichend angesehen werden). Im Jahr 2014 hat das BSG schließlich die bereits zuvor praktisch nicht mehr berücksichtigte Anknüpfung an eine Bewilligungsentscheidung der Krankenkasse aufgegeben und nur unmittelbar die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes mitgeteilte Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer zur Grundlage für die zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs gemacht (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R; BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R; vgl. ergänzend zur Entwicklung dieser Rechtsprechung sehr ausführlich zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 98 ff.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juli 2014 – L 16 KR 160/13 – Rn. 26; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 65 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 49 ff.; vgl. auch Knispel, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung NZS 2014, S. 561 ff.).

84

Auch mit den zuletzt getroffenen Entscheidungen vom 16.12.2014, mit denen der mittlerweile für das Krankengeldrecht nicht mehr zuständige 1. Senat des BSG seine bisherige Rechtsprechung noch einmal zu bekräftigen suchte (BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R), konnte der Senat den Vorwurf des fehlenden Bezuges zu einer gesetzlichen Grundlage nicht entkräften (vgl. hierzu die Entscheidungen der Kammer: SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 41 ff.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 66 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 50 ff.; hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 126 ff.; kritisch auch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).

85

In besonderem Maße zurückzuweisen sind die Ausführungen des 1. Senates des BSG, es sei nicht Sache der KK, den Versicherten (…) auf die „besondere gesetzliche Regelung“ und „deren im Regelfall gravierende Folgen“ hinzuweisen; KKn seien nicht gehalten, Hinweise auf den „gesetzlich geregelten Zeitpunkt“ einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 19/14 R –, Rn. 17 und Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 25/14 R –, Rn. 16, sogar mit dem Hinweis auf Schadensersatzansprüche des Versicherten gegen den Arzt). Es handelt sich erkennbar um den Versuch, eine gesetzliche Regelung zu suggerieren, ohne dass kenntlich gemacht wird, auf welche konkrete Norm hier Bezug genommen werden soll. Eine gesetzliche Regelung über einen Zeitpunkt für die erneut erforderliche AU-Feststellung mit im Regelfall gravierenden Folgen gab es im SGB V bislang nicht (zu der vom 1. Senat des BSG vorgenommenen unzulässigen Analogiebildung zu Lasten der Versicherten vgl. SG Speyer, Beschluss vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 45 f.; SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13 – Rn. 70 f.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 51 f.; ausführlich SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 - S 17 KR 247/12 - unter Verweis auf die Bedeutung der Wortlautgrenze für die Auslegung von Gesetzestexten; zu der Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit Wirkung zum 23.07.2015 siehe unten V.). Im Übrigen ist festzustellen, dass in diesen letzten Entscheidungen offen mit unrichtigen Behauptungen hinsichtlich eines vermeintlichen „Wortlautes“ oder Gesetzesinhalts gearbeitet wurde, ohne dass auf die Sachargumente der entgegenstehenden Kritik inhaltlich eingegangen wurde (kritisch Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 44 SGB V, Rn. 33 ff. und § 46 SGB V Rn. 30).

86

Hervorzuheben ist zudem die sich aus der fortgesetzten Rechtsprechung ergebende Diskrepanz zwischen der Unverbindlichkeit des ärztlichen Attestes hinsichtlich der hiermit zu beweisenden Inhalte und zugleich der unterstellten Unabänderlichkeit der aus der ärztlichen Prognose gefolgerten Auswirkungen. Die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG verletzt bereits dadurch fundamentale Prinzipien des Verwaltungsverfahrensrechts, dass sie die im Verwaltungsverfahren per Verwaltungsakt getroffene Feststellung, ob ein Anspruch auf eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum besteht, mit dem materiellen Anspruch gleichsetzt, auf den sich diese Feststellung bezieht. Der materielle Anspruch ist vom per Bescheid festgestellten Anspruch zwingend zu unterscheiden (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 –, Rn. 68). Hingegen schreibt der 1. Senat dem feststellenden Verwaltungsakt selbst materielle Wirkung auf den Anspruch zu, indem er behauptet, der Krankengeldanspruch ende mit der in der Bewilligung enthaltenen Bezugszeit (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30). Könnten Verwaltungsakte eine derartige Wirkung haben, wäre Rechtsschutz hiergegen unmöglich. Der Verwaltungsakt wäre hinsichtlich des hierin festgestellten Endes des Anspruchs entgegen § 62 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. §§ 77, 78 Abs.1 Satz 1 SGG nicht anfechtbar (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 120).

87

Indem das BSG zugleich ausführt, der Anspruch ende mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums (BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R –, Rn. 30; fortgesetzt im Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R -), wird dieser Fehler sogar noch vertieft, da nicht mehr die Entscheidung der Behörde, sondern nur noch die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthaltene „Befristung“, d.h. die vom Arzt zu ganz anderen Zwecken abgegebene Prognose über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit den materiellen Anspruch determinieren soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 20). Die Entscheidungspraxis des BSG läuft mittlerweile darauf hinaus, dass der Anspruch auf Leistungen nicht mit dem Ende des Bewilligungsabschnitts "endet", sondern dass der Arzt, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, mit der Angabe eines Datums für die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit das (vorläufige) Ende des materiellen Krankengeldanspruchs auf spätestens dieses Datum festlegt. Rechtsdogmatisch nicht begründbar und rechtsstaatlich bedenklich wird hierdurch dem Arzt eine (diesem nicht bewusste und aus nichts ableitbare) Entscheidungskompetenz unterstellt, gegen deren Ausübung zudem weder dem Versicherten Rechtsmittel zuerkannt, noch dem Arzt Aufhebungsmöglichkeiten zugesprochen werden. Die Prognose des Arztes, die Arbeitsunfähigkeit dauere voraussichtlich noch bis zu dem mitgeteilten Datum, wird zur „Feststellung“ der Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Tag umgedeutet und hieran das Ende des materiellen Krankengeldanspruchs geknüpft. Der Versicherte wird nicht einmal „gehört“, wenn das weitere Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Es spielt zudem keine Rolle, aus welchem Grund der Arzt die Erklärung überhaupt abgegeben hat und ob er tatsächlich davon ausgegangen ist, dass die Arbeitsfähigkeit am Tag nach dem Ende des Prognosezeitraums wieder eintreten wird (vgl. hierzu SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 149).

88

Die durch die Rechtsprechung des BSG hergestellte Unumstößlichkeit dieser schriftlichen ärztlichen Erklärung zum voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit, die ungeachtet des tatsächlichen Erklärungswillens und ohne nachträgliche Anfechtungs- oder Korrekturmöglichkeiten auch nur innerhalb einer absoluten Ausschlussfrist (wieder) hergestellt werden kann, dürfte einmalig im deutschen Rechtssystem sein. Sie steht zudem deutlich im Widerspruch zu der vom 1. Senat des BSG erkannten Unverbindlichkeit der ärztlichen Bescheinigung für Krankenkassen und Gerichte (so bereits BSG, Beschluss vom 31.03.1998 – B 1 KR 56/96 B – Rn. 5; BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20 m.w.N.). Denn hinsichtlich der übrigen darin enthaltenen Angaben ist sie auch nach der Rechtsprechung des BSG lediglich ein Beweismittel wie jedes andere, sodass der durch sie bescheinigte Inhalt durch andere Beweismittel widerlegt werden kann (u.a. BSG, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 18/04 R –, Rn. 20).

89

Sofern der 1. Senat für seine Auffassung anführt, der Gesetzgeber habe auch in Kenntnis der „jahrzehntelang bestehenden, wertungskonsistenten, in sich stimmigen“ höchstrichterlichen Rechtsprechung „aus gutem Grund“ davon abgesehen, die hier betroffenen gesetzlichen Grundlagen zu ändern (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R –, Rn. 22), kann für die Richtigkeit der dort vorgenommenen Rechtsanwendung aus dem „Untätigbleiben des Gesetzgebers“ nichts geschlussfolgert werden. Auf die Ausführungen des SG Mainz im Urteil vom 31.08.2015 (S 3 KR 405/13, Rn. 140 f.) kann Bezug genommen werden. Dort wird hierzu ausgeführt:

90

„Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verbreitete Praxis, das Festhalten an einer überkommenen Rechtsauffassung damit zu rechtfertigen, dass „der Gesetzgeber“ in Kenntnis der Rechtsprechung keine Gesetzesänderung vorgenommen habe, entbehrt einer rechtswissenschaftlichen Grundlage. Aus einer unterbliebenen Reaktion der Gesetzgebungsorgane auf eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich seriös nichts ableiten, außer der offenkundigen Tatsache, dass der der Rechtsprechung (vorgeblich) zu Grunde liegende Normtext unverändert geblieben ist. Die Interpretation der Untätigkeit der Gesetzgebungsorgane als legitimierende Billigung der Rechtsprechung ist aus verfassungsrechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht begründbar.

91

Dies beruht zunächst darauf, dass es in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes einen „Gesetzgeber“ nicht gibt, dessen monolithischer Wille jederzeit und zu jedem Problem unmittelbare Geltung beanspruchen könnte. Von einem „gesetzgeberischen Willen“ lässt sich nur metaphorisch sprechen und auch das nur bezogen auf das Ergebnis eines konkreten Gesetzgebungsvorgangs. Außerhalb von Gesetzgebungsvorgängen gibt es keinen „Gesetzgeber“, dessen schlichtes „Verhalten“ geltendes Recht schaffen könnte. Hieraus ergibt sich auch, dass die Geltung eines durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtextes, abgesehen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, nur durch Setzung weiterer Normtexte durch die gleichen oder durch höherrangige Gesetzgebungsorgane beseitigt werden kann. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn eine parlamentarische Mehrheit die Außerachtlassung des früher möglicherweise unter anderen politischen Mehrheitsverhältnissen gesetzten Normtextes durch die Rechtsprechung ausdrücklich billigen würde. Denn um einen zuvor durch die Gesetzgebungsorgane gesetzten Normtext legitimerweise außer Kraft zu setzen, bedarf es eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Das nach dem Grundgesetz vorgesehene Verfahren der Gesetzgebung mit Beteiligungsmöglichkeiten und Öffentlichkeit wird übergangen, wenn das Unterlassen des Gesetzgebers im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsprechung mit deren Positivierung durch Gesetz gleichgesetzt wird.“

V.

92

Die zum 23.07.2015 erfolgte Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) führt weder für die Zukunft noch rückwirkend zu einer wesentlichen Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen für den Fortbestand des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs. Die Änderung des Satz 1 der Vorschrift führt zum Wegfall des Karenztages. Der neu eingefügte Satz 2 der Vorschrift lautet:

93

„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.“

94

Der Regelungsbereich dieser Norm betrifft also lediglich Fälle, in denen bereits ein Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Derartige Fallkonstellationen entstehen vereinzelt, wenn ein Arzt – möglicherweise „auf Anweisung des MDK“ und sogar entgegen der eigenen Einschätzung (vgl. nur SG Speyer, Urteil vom 20.03.2015 – S 19 KR 969/13) - ein Ende in der ausgestellten Bescheinigung mitgeteilt hat, obwohl die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich fortbestand. Auch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Arzt tatsächlich (zutreffend oder auch nicht) von einem Ende der Arbeitsunfähigkeit ausgeht und dieses bescheinigt.

95

Auf die im Regelfall von der Rechtsprechung für die Begründung eines vermeintlichen Anspruchsendes bislang in Bezug genommene ärztliche Prognose ist die Regelung des § 46 Satz 2 SGB V aber bereits begrifflich nicht anwendbar. Die üblicherweise in den verwendeten Formularen vom Arzt bescheinigte Prognose über ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit ist gerade kein „bescheinigtes Ende“ derselben. Die durch die Rechtsprechung des 1. Senates des BSG begründete Auffassung, wonach die in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dokumentierte Prognose das Ende auch des materiellen Krankengeldanspruchs zur Folge habe (s.o.), lässt sich daher auch nicht auf die Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V stützen.

96

Der zwingenden Differenzierung zwischen ärztlicher Prognose und ärztlicher Bescheinigung des Endes tragen die in der als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) mit Wirkung zum 01.01.2016 vereinbarten Muster-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Rechnung, indem nunmehr vorgesehen ist, dass der bescheinigende Arzt neben einer Erst- oder Folgebescheinigung auch eine „Endbescheinigung“ erstellen kann, in der er nicht anzugeben hat, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen wird, sondern wann der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit war.

97

Ungeachtet des nur eingeschränkten Anwendungsbereichs der Neuregelung im Satz 2 des § 46 SGB V kann die bisherige Rechtsprechungspraxis mit dieser Norm weder gerechtfertigt noch in der Zukunft unter Berufung hierauf fortgeführt werden. Denn ein (neuer) Beendigungstatbestand kann aus der Norm auch weiterhin nicht abgeleitet werden. Eine Regelung, die eine Beendigung des Krankengeldanspruchs durch eine ärztliche Handlung („Feststellung der Arbeitsfähigkeit“, „Bescheinigung des Endes der Arbeitsunfähigkeit“) vorsieht, findet sich im SGB V weiterhin nicht. Sie wird von der Neuregelung allenfalls stillschweigend (im Hinblick auf die als Rechtslage unterstellte Rechtsprechung des BSG, vgl. BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R) vorausgesetzt. § 46 Satz 2 SGB V n.F. selbst enthält keinen ausdrücklichen Beendigungstatbestand (vgl. hierzu auch SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 160). Allenfalls mittels eines Umkehrschlusses könnte aus dem Umstand, dass der Anspruch „bestehen bleibt“, wenn eine Neufeststellung „spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt“ hergeleitet werden, dass er anderenfalls eben nicht bestehen bleibt. Eine solche (indirekte) Regelungstechnik entspricht allerdings nicht den Anforderungen des rechtsstaatlichen Gebotes der Normenklarheit und Normenwahrheit, wonach gesetzliche Regelungen so gefasst sein müssen, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Auch bei der Gewährung von Leistungen müssen die Normen in ihrem Inhalt für die Normunterworfenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung widerspruchsfrei sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 11 BvR 1749/01 – Rn. 61). Zudem wird eine derart indirekte, weil stillschweigende und nur aus dem Umkehrschluss erkennbar werdende Regelung eines Beendigungstatbestandes dem Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I nicht gerecht (vgl. schon SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 161).

98

Weiterhin ergibt sich weder aus § 46 SGB V n.F. noch aus anderen Normen des SGB V das Erfordernis einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit, einer ärztlichen Prognose oder gar das Erfordernis, dass ein Arzt das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen habe. Vielmehr kann man (ebenfalls mittels Umkehrschlusses) aus § 46 Satz 2 SGB V n.F. ableiten, dass die prognostische Mitteilung des Arztes über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit gerade keine Auswirkungen auf den materiellen Krankengeldanspruch des Versicherten hat. Die Neuregelung bestätigt also keinesfalls die bisherige Rechtsprechung des BSG zur Wirkung der ärztlichen Prognose.

99

Erstmals aus der in der Neuregelung enthaltenen Formulierung „bescheinigtes Ende“ ergibt sich im Zusammenhang mit den Regelungen zum Krankengeldanspruch der Hinweis auf eine „Bescheinigung“. Wie ausgeführt, ist eine solche (anders als etwa nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG) für die Erlangung eines Krankengeldanspruchs bislang nicht Anspruchsvoraussetzung. Sollte bei der Neuregelung beabsichtigt gewesen sein, eine Bescheinigung (möglicherweise sogar mit einer absoluten Ausschlussfrist hinsichtlich des Datums der Ausstellung derselben) nunmehr zur Anspruchsvoraussetzung zu machen, wäre eine entsprechende Formulierung im Normtext möglich, aber auch erforderlich gewesen. Zudem ergibt sich aus der sprachlich möglicherweise verunglückten Konstruktion einer „weiteren Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit“ nach dem „bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit“ ein in den Gesetzgebungsmaterialien nicht diskutierter zusätzlicher Anspruch. Intendiert war vermutlich ein Normverständnis dahingehend, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (trotz entgegenstehender „Bescheinigung“) nicht endete und daher ihr Fortbestehen ärztlich festgestellt wird. Durch die gewählte Formulierung wird aber zudem (wohl unbeabsichtigt, vgl. die Beschlussempfehlung, BT-Drucks. 18/5123, S. 121 am Ende) das Fortbestehen des Krankengeldanspruches sogar für den Fall normiert, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich (wie bescheinigt) endete und am nächsten Werktag eine neue Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird. Hierdurch wird ein durchgehender Krankengeldanspruch trotz zwischenzeitlicher Arbeitsfähigkeit über die bislang bestehenden Regelungen hinaus neu geschaffen. Dieser Effekt ist offensichtlich der (sich aus der in Bezug genommenen Rechtsprechung ergebenden) fehlenden sprachlichen Klarheit hinsichtlich der verwendeten Begriffe etwa der „Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“ bzw. einer „Bescheinigung“ geschuldet.

100

Mit der (bei konsequenter Anwendung der vorhandenen Normen nicht erforderlichen) Neuregelung des § 46 SGB V sollte aber erkennbar der bisherigen „Praxis“ (wohl der Entscheidungspraxis des 1. Senates des BSG) punktuell gegengesteuert werden und jedenfalls für die häufigen Fälle der Attestierung am Folgetag bzw. am folgenden Montag der nach dieser Rechtsprechung eintretende Verlust nicht nur des Krankengeldanspruchs, sondern auch der entsprechenden Mitgliedschaft verhindert werden (vgl. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 18/4095, S. 80 f. ; BT-Drucks. 18/5123, S. 121 – Beschlussempfehlung). Allerdings wurde hierbei ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs die „ständige Rechtsprechung“ des BSG mit der „Rechtslage“ gleichgesetzt und ausgeführt, nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V seien die Versicherten gehalten, eine „Folgekrankheitsbescheinigung spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf der (Erst-) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.“ Diese Obliegenheit der Versicherten sei höchstrichterlich in ständiger Rechtsprechung „bestätigt“ worden (BT-Drucks. 18/4095, S. 80 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.05.2012, Az. B 1 KR 20/11 R). Der Umstand, dass Verfasser eines Gesetzesentwurfes von einem nicht zutreffenden Inhalt bestehender gesetzlicher Regelungen ausgehen und diesen unterstellten Inhalt zur Grundlage einer Neuregelung machen, hat allerdings nicht zur Folge, dass hierdurch der unterstellte Norminhalt zum Gesetz wird. Tatsächlich existiert auch weiterhin keine gesetzliche Regelung (insbesondere nicht im SGB V), die im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankengeld eine „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ oder gar eine „Folgekrankheitsbescheinigung“ zum Gegenstand hat. Die Pflicht, derartige Bescheinigungen „spätestens ab dem Tag vor dem Ablauf“ einer anderen Bescheinigung „vorzulegen“, wird dem Versicherten an keiner Stelle im Gesetz auferlegt.

101

Eine Billigung der „ständigen Rechtsprechung“ für alle von der Neuregelung nicht erfassten Fälle kann weder aus der Neuregelung selbst noch aus einem Untätigbleiben („Stillschweigen“) des Gesetzgebers im Übrigen abgeleitet werden. Auch eine jahrelange Rechtsprechung, die die gesetzlichen Regelungen außer Acht lässt, kann nicht dazu führen, dass diese Gesetze nicht mehr anzuwenden sind, solange sie nicht formell wirksam von den hierzu legitimierten Organen aufgehoben wurden (s.o.). Es wäre dem Gesetzgeber möglich, ein stärker formalisiertes Verfahren zur Erlangung und auch zur Aufrechterhaltung eines Krankengeldanspruches zu normieren. So könnte die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen mit einem zu bestimmenden Mindestinhalt und in einer bestimmten Frequenz zur Voraussetzung gemacht werden, vergleichbar der Regelung des § 5 EFZG für die Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung. Für den Krankengeldanspruch gibt es eine solche gesetzliche Regelung derzeit aber nicht. Den Normbetroffenen erschließt sich derzeit bei Lektüre der maßgeblichen Vorschriften der von der Rechtsprechung des 1. Senates des BSG aufgestellte „Pflichtenkanon“ (erneute „fristgemäße“ Neufeststellung, wiederholte Meldung, „Informationsverteilungslasten“ u.ä.; vgl. nur BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 19/11 R -, Rn. 28 f.) nicht. Nur bei Kenntnis der entsprechenden Urteile des BSG können Versicherte (und Krankenkassen) ahnen, welche Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung von Krankengeldansprüchen angeblich derzeit zu erfüllen sind. Bezeichnend ist insofern, dass sowohl die Entscheidungen der Krankenkassen als auch die mittlerweile flächendeckend durch diese versandten Hinweise an die Versicherten sich nicht auf Vorschriften des SGB V berufen können, sondern – wie auch im vorliegend angegriffenen Bescheid – allein der Hinweis auf die „aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ erfolgen kann.

102

Letztlich ist auch unter Berücksichtigung der Neufassung des § 46 Satz 2 SGB V nur in den von der Norm überhaupt erfassten (weil nicht spezialgesetzlich geregelten) Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V weiterhin lediglich eine erste ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für die Entstehung des Krankengeldanspruchs erforderlich.

VI.

103

Abgesehen von der Meldefrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V und nach der Neuregelung für die Fälle des § 46 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 SGB V n.F., in denen nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit eine Neufeststellung am nächsten Werktag erfolgt - finden sich keine weiteren vom Versicherten zu beachtenden Ausschlussfristen im Gesetz. In § 44 Abs. 1 SGB V wird ein Anspruch auf Krankengeld begründet, für dessen Entstehung lediglich das Vorliegen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, in den Fällen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V deren ärztliche Feststellung und in den Fällen des § 46 Satz 2 SGB V a.F. bzw. nunmehr § 46 Satz 3 SGB V der Ablauf der jeweiligen Karenzzeit erforderlich ist. Aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ergibt sich das weitere Erfordernis der Meldung gegenüber der Krankenkasse, da - sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemeldet wird - der Anspruch trotzt Bestehens ruht, also nicht durchsetzbar ist, solange die Meldung nicht erfolgt (zum Erfordernis nur einer ersten Meldung vgl. schon SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 -; siehe zuletzt SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 –, Rn. 172). Sind diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung und Durchsetzbarkeit des Anspruchs durch den Versicherten erfüllt, ist die Krankenkasse zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet. Das Ende des einmal entstandenen materiellen Anspruchs kann sich dann lediglich aus dem Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen ergeben, wenn also die Arbeitsunfähigkeit endet (§ 44 Abs. 1 SGB V), wenn die Anspruchshöchstdauer des § 48 SGB V erreicht wird, wenn das Versicherungsverhältnis nicht mehr fortbesteht oder der Versicherte in eine Versichertengruppe ohne Anspruch auf Krankengeld fällt (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V) oder bei Ausschluss oder Wegfall des Krankengeldes nach §§ 50, 51 SGB V. An diese gesetzlichen Regelungen sind die Gerichte gebunden. Weitere, einschränkende Erfordernisse für die Entstehung oder den Fortbestand des einmal entstandenen Anspruchs aufzustellen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt, verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Dem stehen auch die einfachgesetzlichen Regelungen des § 2 Abs. 2 SGB I und § 31 SGB I entgegen.

104

Solange die genannten Voraussetzungen fortbestehen, fehlt es für eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X am Eintritt einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen. Das Vorliegen von lückenlosen oder sogar sich überschneidenden ärztlichen Prognosen hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer ist für den Krankengeldanspruch nicht von Bedeutung, so dass sich hieraus auch keine „wesentliche“ Änderung ergeben kann.

105

Daher war die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld für die geltend gemachte Zeit zu verurteilen.

106

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.

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Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu zahlen, soweit der Anspruch nicht durch Auszahlung von Leistungen durch den Beigeladenen für den gleichen Zeitraum gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt gilt.

2. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Krankengeld.

2

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, 1985 geborene Klägerin war als Service- und Thekenkraft in einem Eiscafé abhängig beschäftigt. Zum 30.09.2013 wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig gekündigt.

3

Am 30.09.2013 wurde bei der Klägerin durch die Gemeinschaftspraxis Dres…, Ärzte für Allgemeinmedizin, unter Verwendung des von den Krankenkassen hierfür vorgesehenen Formulars im Wege einer so genannten Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 06.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

4

Am 06.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … eine „Folgebescheinigung“ ausgestellt. Als maßgebliche Diagnose wurde der ICD-10-Code G56.0 V (Verdacht auf Karpaltunnel-Syndrom) genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 11.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

5

Am 11.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 28.10.2013 arbeitsunfähig sein werde.

6

Am 29.10.2013 wurde durch die Gemeinschaftspraxis Dr. … bei gleichbleibender Diagnose eine weitere Folgebescheinigung ausgestellt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 04.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

7

In einem „Auszahlschein“ vom 04.11.2013 bestätigte die Praxis Dr. …, dass noch Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Neben der bereits bekannten Diagnose G56.0 V wurde die Diagnose M54.4 G (Lumboischialgie, gesichert) angegeben. Die Frage, bis wann voraussichtlich Arbeitsunfähigkeit bestehen werde, wurde nicht beantwortet. Der nächste geplante Praxisbesuch wurde für den 08.11.2013 angegeben.

8

Eine weitere Folgebescheinigung wurde am 07.11.2013 durch die Praxis Dres. auf Grund der Diagnose M15.9 (Polyarthrose, nicht näher bezeichnet) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 30.09.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 15.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

9

Die Klägerin befand sich vom 11.11.2013 bis zum 15.11.2013 in akutstationärer Behandlung im Krankenhaus …, vom 03.12.2013 bis zum 06.12.2013 sowie vom 23.12.2013 bis zum 24.12.2013 in akutstationärer Behandlung im Krankenhaus der und vom 25.12.2013 bis zum 29.12.2013 in akutstationärer Behandlung im Diakonie-Krankenhaus ….

10

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 15.11.2013 durch den Arzt für Urologie Dr. … auf Grund der Diagnose N20.1 (Ureterstein) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 11.11.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 17.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

11

Dr. ... stellte am 18.11.2013 eine Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose R10.4 G (Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen, gesichert) aus. Hierbei wurde der Beginn der Arbeitsunfähigkeit (wohl versehentlich) auf den 18.11.2013 datiert und als Feststellungsdatum der 11.11.2013 genannt. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 22.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

12

Mit Schreiben vom 18.11.2013 beabsichtigte die Beklagte der Klägerin mitzuteilen, dass sie seit dem 30.09.2013 arbeitsunfähig erkrankt sei und von der Beklagten Krankengeld erhalte. Da das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zum 30.09.2013 geendet habe, werde ihre Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung auf Grund des Krankengeldbezugs aufrechterhalten. Für das Weiterbestehen der Mitgliedschaft sei es unerlässlich, dass die Arbeitsunfähigkeit durchgehend attestiert und nachgewiesen werde. Eine Nachweislücke würde zum Verlust Krankenversicherungsschutzes bzw. zur Notwendigkeit einer Weiterversicherung ohne Krankengeldanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) führen. Der Gesetzgeber sehe vor, dass der Arzt spätestens am letzten Tag der aktuellen Arbeitsunfähigkeit deren weitere Dauer bescheinigt. Sollte die Arbeitsunfähigkeit erst später ärztlich festgestellt werden, entfalle die Mitgliedschaft und damit auch der Krankengeldanspruch. Wenn auf dem Auszahlschein im Feld „voraussichtlich bis“ ein konkretes Datum angegeben sei, sei ein Nachweis der lückenlosen Arbeitsunfähigkeit möglich und der Versicherungsschutz bestehe unverändert mit allen Vorteilen für die Klägerin fort. Die Klägerin wird abschließend darum gebeten, beim Ausfüllen durch ihren Arzt darauf zu achten, „damit eine reibungslose Krankengeldzahlung möglich“ sei.

13

Die Klägerin bestreitet den Zugang dieses Schreibens.

14

Mit Schreiben vom 19.11.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie der Klägerin Krankengeld in Höhe von 1.183,88 Euro für die Zeit bis zum 04.11.2013 überweisen habe. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, nach der gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben werden könne. Entsprechende Schreiben erfolgten am 02.12.2013 bezogen auf den Zeitraum vom 05.11.2013 bis zum 02.12.2013 in Höhe von 942,10 Euro, am 06.01.2014 bezogen auf den Zeitraum vom 03.12.2013 bis zum 30.12.2013 in Höhe von 960,12 Euro und am 29.01.2014 bezogen auf den Zeitraum vom 31.12.2013 bis zum 19.01.2014 in Höhe von 651,51 Euro.

15

Dr. … stellte am 21.11.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 (Nierenstein) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 11.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 29.11.2013 arbeitsunfähig sein werde.

16

Dr. … stellte am 28.11.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 G (Nierenstein, gesichert) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 21.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 03.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

17

In einem Auszahlschein vom 02.12.2013 gab Dr. … an, dass die Klägerin sich zuletzt am 21.11.2013 vorgestellt habe, weiterhin voraussichtlich bis zum 03.12.2013 arbeitsunfähig sei. Als Diagnose gab er Nieren- und Ureterstein an.

18

Am 06.12.2013 stellte das Krankenhaus der … eine weitere Erstbescheinigung aus. Hierbei wurde angegeben, dass die Klägerin seit dem 03.12.2013 arbeitsunfähig sei. An Stelle der vorgesehenen Angabe eines Datums für das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit wurde lediglich der Begriff „stationär“ eingetragen.

19

Dr. … stellte am 09.12.2013 eine weitere Folgebescheinigung auf Grund der Diagnose N20.0 (Nierenstein) aus. Hierbei datierte er den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den 11.11.2013. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 22.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

20

Am 26.12.2013 stellte das Urologische Zentrum … eine Folgebescheinigung auf Grund der Diagnosen N20.1 (Ureterstein) und N39.0 (Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet) aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 31.12.2013 arbeitsunfähig sein werde.

21

In einem weiteren Auszahlschein vom 30.12.2013 gab Dr. … an, dass die Klägerin sich zuletzt am 30.12.2013 vorgestellt habe, weiterhin voraussichtlich bis zum 13.01.2014 arbeitsunfähig sei. Als Diagnose gab er N20.0 (Nierenstein) an.

22

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 30.12.2013 durch die Praxis Dres. ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 30.12.2013 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 13.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

23

Eine weitere Erstbescheinigung wurde am 13.01.2014 durch die Praxis … auf Grund der Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) und N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts) ausgestellt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 13.01.2014 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 19.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

24

Am 20.01.2014 stellte die Praxis … eine Folgebescheinigung auf Grund der gleichen Diagnosen aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 31.01.2014 arbeitsunfähig sein werde.

25

Am 28.01.2014 stellte die Praxis … einen Auszahlschein aus und teilte hierin mit, dass Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis auf weiteres bestehe. Der nächste Praxisbesuch sei für den 30.01.2014 geplant. Als maßgebliche Diagnosen werden Zustand nach Nierenstein rechts, Verdacht auf Raynaud-Syndrom, Verdacht auf Psoriasis, Verdacht auf Polyarthritis und Erschöpfungssyndrom genannt.

26

Die Beklagte holte eine Stellungnahme beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz ein. Diese wurde am 28.01.2014 durch die beratende Ärztin Frau Dr. … nach telefonischer Rücksprache mit Dr. … abgegeben. Nach Einschätzung von Frau Dr. … sei die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nachvollziehbar. Die Handgelenke schmerzten, Gegenstände würden aus den Händen fallen gelassen, es bestehe Morgensteifheit. Es bestehe nicht der Eindruck, dass die Klägerin aggravieren würde.

27

Mit Bescheid vom 24.01.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Krankengeld nur bis zum 19.01.2014 gezahlt werden könne. Voraussetzung für den Bezug von Krankengeld sei, dass die Klägerin sich regelmäßig in ärztlicher Behandlung befinde und die Arbeitsunfähigkeit nahtlos nachgewiesen werde und eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Schriftlich sei die Klägerin hierüber am 18.11.2013 aufgeklärt worden. Die der Beklagten vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wiesen eine zeitliche Lücke auf. Es liege eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 19.01.2014 vor. Die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei jedoch erst am 20.01.2014 von Dr. … ausgestellt worden. Somit sei die Arbeitsunfähigkeit lediglich bis 19.01.2014 durchgehend nachgewiesen. Damit der Anspruch auf Krankengeld fortbestehe, hätte die Klägerin sich bis spätestens am 19.01.2014 wieder beim Arzt vorstellen und die weitere Arbeitsunfähigkeit nachweisen müssen. Da der 19.01.2014 ein Sonntag gewesen sei, hätte dies am letzten Arbeitstag vor dem 19.01.2014 geschehen müssen. Dies sei nicht geschehen.

28

Mit Bescheid vom 29.01.2014 bewilligte das beigeladene Jobcenter Bad Kreuznach der Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von 161,78 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014. Dem Ehemann der Klägerin wurde mit dem gleichen Bescheid ebenfalls Arbeitslosengeld II bewilligt.

29

Die Praxis … stellte am 31.01.2014 eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf Grund der Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) und N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts), F41.1 G (Generalisierte Angststörung, gesichert) und F41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet) aus. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 10.02.2014 arbeitsunfähig sein werde.

30

Ebenfalls mit Datum vom 31.01.2014 attestierte die Praxis … dass die Klägerin sich seit dem 13.01.20014 in ärztlicher Behandlung in der Praxis befinde. Sie sei wegen der Diagnosen Raynaud-Syndrom, Psoriasis, Polyarthritis (nicht näher bezeichnet), Psychovegetative Erschöpfung und Nierenstein fortlaufend krankgeschrieben. Aus Sicht des Arztes bestehe seit dem 13.01.2014 eine lückenlos dokumentierte Arbeitsunfähigkeit.

31

Mit Schreiben vom 07.02.2014 (Eingang 10.02.2014) wandte sich die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen die Ablehnung der weiteren Gewährung von Krankengeld durch die Beklagte. Zur Begründung führte sie aus, dass sie durchgehend krankgeschrieben gewesen sei. Ein Arztbesuch am 19.01.2014 wäre überhaupt nicht möglich gewesen, da dies ein Sonntag gewesen sei. Es sei daher völlig ausreichend, dass sie erst am darauffolgenden ersten Werktag der folgenden Woche den Arzt aufgesucht habe. Es handele sich immerhin um exakt die gleiche Erkrankung, wegen der die Klägerin schon längere Zeit krankgeschrieben gewesen sei.

32

Vom 10.02.2014 bis zum 21.02.2014 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im … Rheumazentrum ….

33

Mit Schreiben vom 20.02.2014 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass sie die durchgehende Arbeitsunfähigkeit nicht angezweifelt habe. Vielmehr gehe es hier um den Anspruch auf Krankengeld. Ab wann der Anspruch auf Krankgengeld bestehe sei im § 46 SGB V in Verbindung mit § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V geregelt. Dazu sei bereits mehrfach Rechtsprechung ergangen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R). Entscheidend sei, dass der Krankengeldanspruch immer von der Feststellung der (weiteren) Arbeitsunfähigkeit abhängig sei.

34

Die Praxis … stellte am 21.02.2014 eine „Folgebescheinigung“ aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde mit dem 21.02.2014 angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 05.03.2014 arbeitsunfähig sein werde.

35

Die Praxis … stellte am 13.03.2014 eine weitere Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf Grund der Diagnosen F41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet), M13.0 V B (Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits) und F48.0 G (Neurasthenie, gesichert) aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 01.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

36

Die Praxis … stellte am 01.04.2014 auf Grund der Diagnosen F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert), G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) und I73.0 (Raynaud-Syndrom, gesichert) eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 14.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

37

Mit Änderungsbescheid vom 07.04.2014 erhöhte der Beigeladene die Leistung von Arbeitslosengeld II u.a. auf Grund der Beendigung der Krankengeldzahlungen durch die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 auf insgesamt 350,37 Euro, für die Zeit vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 auf 646,12 Euro monatlich, für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.04.2014 auf 616,12 Euro und für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 30.06.2014 auf 221,12 Euro monatlich.

38

Die Praxis … stellte am 14.04.2014 auf Grund der Diagnosen F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert), G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) und I73.0 (Raynaud-Syndrom, gesichert) eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 23.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

39

Die Praxis … stellte am 22.04.2014 auf Grund der gleichen Diagnosen eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 28.04.2014 arbeitsunfähig sein werde.

40

Die Praxis … stellte am 28.04.2014 auf Grund der gleichen Diagnosen eine weitere Folgebescheinigung aus. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit wurde auch hier nicht angegeben. In dem hierfür vorgesehenen Feld wurde angegeben, dass die Klägerin voraussichtlich bis zum 09.05.2014 arbeitsunfähig sein werde.

41

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme beim MDK Rheinland-Pfalz ein. Die Stellungnahme erfolgte am 28.04.2014 durch die beratende Ärztin Frau Dr. … nach telefonischer Rücksprache mit Dr. ... . Frau Dr. … teilte mit, dass sie die Arbeitsunfähigkeit nachvollziehen und akzeptieren könne. Die Klägerin habe viele Schmerzen und keine Kraft in den Händen. Die Diagnose und auch die Kündigung hätten den seelischen Zustand der Klägerin schon massiv belastet. Die Klägerin könne die Arbeit als Servicekraft auf keinen Fall weiterhin ausüben. Auch eine Arbeit als „Putzfrau“ seit mit diesen Erkrankungen nicht möglich. Für die Zeit ab dem 10.05.2014 habe die Klägerin ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Arbeit ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Arbeiten mit hautreizenden Stoffen.

42

Mit einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 05.05.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der MDK in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 28.04.2014 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Klägerin ab dem 10.05.2014 dazu in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Zugluft oder Nässe und ohne Arbeit mit hautreizenden Stoffen auszuüben. Mit diesem Leistungsbild stehe die Klägerin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Ihre Arbeitsunfähigkeit ende daher am 09.05.2014. Arbeitsunfähigkeit sei Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld. Für den Fall, dass im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens Krankengeld über den 19.01.2014 hinaus zu zahlen sei, endete der Anspruch auf Krankengeld mit dem 09.05.2014.

43

Gegen das Schreiben vom 05.05.2014 erhob die Klägerin keinen Widerspruch.

44

Mit einem Änderungsbescheid vom 13.05.2014 erhöhte der Beigeladene die Leistung von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.04.bis zum 30.04.2014 auf 646,12 Euro.

45

Mit Bescheid vom 19.05.2014 hob der Beigeladene die Leistungsbewilligung gegenüber der Klägerin mit Wirkung zum 01.06.2014 auf.

46

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch sinngemäß zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass Versicherte nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld hätten, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig mache oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt würden. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe nach § 46 SGB V bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Voraussetzung für die Zahlung von Krankengeld sei weiterhin, dass ein Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Ende die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger (hier durch Abmeldung wegen Endes des Arbeitsverhältnisses), bleibe die Mitgliedschaft solange erhalten, wie Anspruch auf Krankengeld bestehe oder Krankengeld bezogen werde. Dazu sei bereits mehrfach Rechtsprechung ergangen, zuletzt am 10.05.2012 durch das Bundessozialgericht (BSG). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe am 30.09.2013 geendet. Damit habe grundsätzlich auch die Mitgliedschaft und der Krankenversicherungsschutz geendet. Dieser sei durch die bis zum 19.01.2014 nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit und dem hiermit verbundenen Krankengeldanspruch aufrechterhalten worden. Die weitere Arbeitsunfähigkeit sei erst am 20.01.2014 erneut festgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe kein Krankenversicherungsschutz nach § 192 SGB V mehr bestanden. Ein Anspruch aus Krankengeld aus dem beendeten Arbeitsverhältnis habe ab dem 20.01.2014 nicht mehr bestanden. Dazu hätte die weitere Arbeitsunfähigkeit bis spätestens 19.01.2014 festgestellt und nachgewiesen werden müssen. Das sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Ein Anspruch auf Krankengeld im Rahmen des so genannten nachgehenden Leistungsanspruchs nach § 19 Abs. 1 SGB V bestehe nicht, da die Klägerin ab dem 01.01.2014 durch den Bezug von Arbeitslosengeld II krankenversichert sei. Dieser Versicherungsschutz beinhalte keinen Krankengeldanspruch.

47

Die Klägerin hat am 05.06.2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie seit dem 30.09.2013 arbeitsunfähig gewesen sei und dies derzeit immer noch sei. Sie sei demzufolge dauerhaft krankgeschrieben und habe auch fortlaufend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Der 19.01.2014 sei ein Sonntag gewesen. Es sei der Klägerin nicht bekannt gewesen, dass sie spätestens am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit einen Arzt aufsuchen müsse, um eine Folgebescheinigung zu erlangen. Sie sei der Annahme gewesen, dass es genüge, wenn sie dies am folgenden Werktag tue, da Arztpraxen in der Regel an Wochenenden nicht geöffnet seien. Das von der Beklagten erwähnte Schreiben vom 18.11.2013 habe die Klägerin nicht erhalten, weshalb sie auch nicht gewusst habe, dass sie noch am letzten Tag der Erstbescheinigung, der ausgerechnet ein Sonntag gewesen sei, noch einen Arzt bzw. ein Krankenhaus hätte aufsuchen müssen. Sie sei der Auffassung, dass die Beklagte angesichts der gegebenen Umstände dazu verpflichtet sei, Krankengeld auch über den 19.01.2014 hinaus zu zahlen.

48

Die Klägerin beantragt,

49

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu zahlen.

50

Die Beklagte beantragt,

51

die Klage abzuweisen.

52

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

53

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

54

Auf Frage des Gerichts teilte die Beklagte mit, dass das kalendertägliche Krankengeld brutto 39,11 Euro und netto 34,29 Euro betragen würde.

55

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

56

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

57

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014. Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014.

58

Das Gericht konnte gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG zur Leistung dem Grunde nach verurteilen. Nach dieser Regelung ist Voraussetzung für den Erlass eines Grundurteils, dass gemäß § 54 Abs. 4 SGG oder § 54 Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Diese Voraussetzung ist bei dem streitgegenständlichen Anspruch auf Krankengeld aus § 44 SGB V erfüllt. Da die Klägerin im vorliegenden Fall lediglich den Erlass eines Grundurteils beantragt hat, durfte das Gericht hierüber gemäß § 123 SGG nicht hinausgehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 130 Rn. 2e, 11. Auflage 2014).

II.

59

Die Klage ist begründet.

60

Der Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

61

Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 gegen die Beklagte.

62

Die Klägerin kann die Zahlung von Krankengeld für den streitigen Zeitraum schon auf Grund einer Dauerbewilligung von Krankengeld verlangen. Die unbefristete Dauerbewilligung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (1). Sie wurde für die hier streitige Zeit weder wirksam zurückgenommen noch aufgehoben. Von einer wesentlichen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse ist für die hier streitige Zeit nicht auszugehen, da ein Ende der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 20.01.2014 nicht nachgewiesen werden kann (2).

63

1. In der Auszahlung von Krankengeld an die Klägerin zunächst für den Zeitraum bis zum 04.11.2013 (mitgeteilt mit Schreiben vom 19.11.2013) liegt ein Dauerverwaltungsakt, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit regelt (vgl. SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 32). Die Leistungsbewilligung ist durch die Leistungsauszahlung konkludent „auf andere Weise“ im Sinne des § 33 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgt.

64

Die Zahlungsmitteilungen der Beklagten vom 19.11.2013, 02.12.2013, 06.01.2014 und 29.01.2014 stellen hingegen trotz der Rechtsbehelfsbelehrungen keine Verwaltungsakte dar. Den Schreiben lässt sich kein Verfügungssatz entnehmen, der einen Regelungscharakter besäße. Die Beklagte teilte der Klägerin jeweils lediglich mit, dass ein bestimmter Betrag von Krankengeld überwiesen wurde.

65

In Fällen, in denen die Krankenkasse keine förmliche Verwaltungsentscheidung erlassen hat, kommt in der für den Versicherten erkennbaren Auszahlung von Krankengeld zugleich auch dessen Bewilligung zum Ausdruck. Die Auszahlung erfüllt die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Es liegt eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zu Grunde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit der Überweisung des Krankengeldes an den Versicherten erfolgt eine ausreichende Bekanntgabe dieser Entscheidung (§ 37 SGB X). Der Verwaltungsakt wird auf andere Weise – durch konkludentes Handeln – erlassen (§ 33 Abs. 2 SGB X; BSG, Urteil vom 16.09.1986 – 3 RK 37/85 – Rn. 15).

66

Derartige Krankengeldauszahlungen sind entgegen der vom BSG erstmals im Urteil vom 16.09.1986 (3 RK 37/85) vertretenen Auffassung regelmäßig nicht als befristete Bewilligungsentscheidungen auszulegen (vgl. eingehend SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 37 ff.). Ungeprüft bleibt in dieser und allen späteren Entscheidung des BSG (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 12; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 39/02 R – Rn. 15; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 22/04 R – Rn. 29; Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 13 f.; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R – Rn. 10; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R – Rn. 15 ff., hier insbesondere Rn. 24) die Frage, ob und unter welchen Maßgaben eine Krankenkasse überhaupt berechtigt wäre, die Gewährung von Krankengeld, auf das bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 38 Erstes Buch SozialgesetzbuchSGB I), mit einer Nebenbestimmung im Sinne einer Befristung zu verbinden (§ 32 Abs. 1 SGB X; SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 41).

67

Richtigerweise ist bei der Auslegung einer (nur) konkludenten Bewilligungsentscheidung davon auszugehen, dass die Behörde – sofern möglich – eine rechtlich zulässige Entscheidung getroffen hat. In eine durch schlichtes Verwaltungshandeln zum Ausdruck kommende Entscheidung mehr hineinzulesen als die Bewilligung der Leistung, insbesondere Nebenbestimmungen wie eine Befristung oder eine auflösende Bedingung zu konstruieren, die zum einen in einem förmlichen Verwaltungsakt wegen der rechtlichen Konsequenz einer Beendigung der Wirksamkeit durch Erledigung des Verwaltungsaktes – ohne klarstellenden „actus contrarius“ – so bestimmt wie möglich, verständlich und widerspruchsfrei verfügt sein müssten (vgl. Korte, NZS 2014, S. 853; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 32 Rn. 13 m.w.N.) und zum anderen bei einer gebundenen Entscheidung nur ausnahmsweise zulässig sind und ihrerseits eine Ermessensbetätigung der Behörde erfordern, verbietet sich (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 43). Wenn also ein Versicherter bei der Krankenkasse Krankengeld beantragt hat, eine förmliche Entscheidung hierüber zwar nicht ergeht, er aber nach einiger Zeit eine erste Zahlung erhält, kann der Versicherte dem zunächst entnehmen, dass er tatsächlich einen bestimmten Betrag erhalten hat, möglicherweise anhand des Überweisungsträgers auch noch, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt. Als zu Grunde liegende Entscheidung der Krankenkasse kann er dieser Auszahlung zugleich entnehmen, dass die Krankenkasse seinen Anspruch auf Krankengeld offenbar bejaht hat. Hierin liegt die Bewilligung von Krankengeld (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 43). Dies gilt gleichermaßen, wenn der Versicherte – wie vorliegend die Klägerin – lediglich die Mitteilung über eine Zahlung von Krankengeld erhält, ohne dass eine ausdrückliche Leistungsbewilligung für einen bestimmten Zeitraum erfolgt.

68

Eine Befristung der Bewilligung von Krankengeld ist nach Maßgabe der anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht zulässig. Denn gemäß § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist, oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Gewährung von Krankengeld steht bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 44 ff. SGB V nicht im Ermessen der Krankenkasse, ist also eine gebundene Entscheidung. Eine der beiden Alternativen des § 32 Abs. 1 SGB X (Ermächtigung oder Sicherstellungsfunktion) müsste daher erfüllt sein, damit eine Nebenbestimmung zur Krankengeldbewilligung zulässig wäre. In den einschlägigen Vorschriften des SGB V findet sich, anders als in anderen Leistungsgesetzen, die laufende Geldleistungen vorsehen (vgl. etwa § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, 102 Abs. 2 bis 4 SGB VI, § 41 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II), keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, die eine Befristung zulässt. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 SGB V enthält keine gesetzlich vorgesehene Befristungsmöglichkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X, sondern legt die mögliche Leistungshöchstdauer fest. Ein Hinweis hierauf wäre daher ebenfalls keine Befristung der Leistung, sondern hätte lediglich deklaratorische Wirkung (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 44).

69

Ob anlässlich der Bewilligung von Krankengeld Nebenbestimmungen denkbar sind, die im Sinne des § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden, ist äußerst zweifelhaft. § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X räumt die Möglichkeit einer Nebenbestimmung ausdrücklich nur ein, wenn diese sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt „werden“, nicht auch dafür, dass diese erfüllt „bleiben“. Im Fall einer Krankengeldbewilligung kann jedenfalls eine Befristung erkennbar nicht der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch (Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit und Aufrechterhaltung des Versichertenstatus) dienen. Ziel und Zweck der Befristung wäre hier allein die Vermeidung des nach § 48 SGB X vorgesehenen Verfahrens der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung bei Änderung der Verhältnisse. Eine Überprüfung hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen und erforderlichenfalls Korrektur der Entscheidung ist auch in diesem gesetzlich vorgesehenen Verfahren möglich und muss daher nicht durch eine Befristung sichergestellt werden (SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 160/15 – Rn. 45 f.).

70

Demnach ist auch im vorliegenden Fall von einer konkludenten, unbefristeten Bewilligung von Krankengeld durch Auszahlung der Leistung auszugehen, der die Gewährung von Krankengeld auch für die Folgezeit bis auf Weiteres regelt. Diese Bewilligungsentscheidung ist bestandskräftig geworden und daher zwischen den Beteiligten bindend (§ 77 SGG).

71

Weder wird die Krankengeldbewilligung generell, noch wurde sie im vorliegenden Fall „abschnittsweise“ vorgenommen. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt könnte im Einzelfall nur angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich erfolgt wäre. Das Schreiben vom 19.11.2013 ebenso wie die im Wesentlichen gleichlautenden Mitteilungen der Beklagten in der Folgezeit enthalten eine derartige Befristung nicht. Ein Verfügungssatz über die Bewilligung von Krankengeld ist in den Schreiben nicht enthalten. Es wird lediglich mitgeteilt, dass Krankengeld für einen bestimmten Zeitraum ausgezahlt wurde. Für den Adressaten des Bescheids ist auf Grund der verwendeten Formulierung nicht erkennbar, dass hiermit eine Befristung der (konkludenten) Krankengeldbewilligung erfolgt sein könnte.

72

2. Der vorliegend angefochtene Bescheid vom 24.01.2014 lässt sich als Aufhebungsverfügung gegenüber der konkludenten Bewilligungsentscheidung interpretieren. Die Beklagte ging zwar wohl davon aus, dass es einer Aufhebungsentscheidung vorliegend nicht bedurfte, hat aber mit der Äußerung, dass Krankengeld nur bis zum 19.01.2014 gezahlt werde, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass an der Krankengeldbewilligung ab diesem Zeitpunkt nicht festgehalten wird. Diese Aufhebungsentscheidung ist allerdings rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vorlagen. Offenbleiben kann vor diesem Hintergrund, ob die vor Erlass des Bescheids unterbliebene Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt und der Verfahrensfehler somit nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt wurde.

73

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

74

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

75

Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsentscheidung sind hier bereits deshalb nicht erfüllt, weil eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage zum 20.01.2014 nicht nachgewiesen werden kann. Die Klägerin hatte über den 19.01.2014 hinaus aller Wahrscheinlichkeit nach auch materiell-rechtlich einen Anspruch auf Krankengeld.

76

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte (2.1) Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht (2.2) oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und wenn sie nicht zu den in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten ausgeschlossenen Versichertengruppen gehören (2.3). Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der hier maßgeblichen bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (2.4). Ein durchsetzbarer Anspruch auf Krankengeld besteht nicht für Zeiten des Ruhens wegen des Bezugs von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt oder unterlassener Meldung der Arbeitsunfähigkeit (2.5).

77

2.1 Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die Versicherungspflicht der Klägerin ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit am 30.09.2013 gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war.

78

Anschließend blieb die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten auf Grund der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V jedoch gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch über den 30.09.2013 hinaus bestehen. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder eine dieser Leistungen oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird. Das Ende des Beschäftigungsverhältnisses lässt bei fortdauerndem Anspruch auf Krankengeld oder Bezug von Krankengeld die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf die Leistung somit nicht entfallen. Die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ist daher zugleich Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs und Rechtsfolge des Krankengeldanspruchs. Für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld reicht es demnach aus, wenn der Versicherte zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs versicherungspflichtig ist, ohne nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V vom Krankengeldanspruch ausgeschlossen zu sein. Es genügt hierbei allerdings, dass die Entstehung des Krankengeldanspruchs nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. – wie vorliegend – auf den ersten Tag der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fällt (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R – Rn. 11 ff.). Hiervon abgesehen wurde die Mitgliedschaft der Klägerin über den 30.09.2013 aber auch bereits gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auf Grund des tatsächlichen Krankengeldbezugs für die Zeit ab dem 01.10.2013 aufrechterhalten.

79

2.2 Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin am 20.01.2014 und darüber hinaus jedenfalls bis zum 09.05.2014 arbeitsunfähig war. Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seine bisherige Erwerbstätigkeit auszuüben. Bei Verlust des Arbeitsplatzes nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit ist Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit abstrakt die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung (BSG, Urteil vom 14.02.2001 – B 1 KR 30/00 R – Rn. 13). Die Klägerin war zuletzt bis zum 30.09.2013 als Service- und Thekenkraft in einem Eiscafé abhängig beschäftigt und war seitdem bis zum vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend arbeitsunfähig bzw. hat Krankengeld bezogen. Das Beschäftigungsverhältnis wurde zum 30.09.2013 beendet, so dass als Maßstab für die Arbeitsfähigkeit generell eine Tätigkeit als Service- und Thekenkraft in der Gastronomie heranzuziehen ist.

80

Dass die Klägerin an diesem Maßstab gemessen am 20.01.2014 und im folgenden streitgegenständlichen Zeitraum aller Wahrscheinlichkeit nach arbeitsunfähig war, ergibt sich für die Kammer zunächst aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Auszahlscheinen der Praxis …/Dr. … vom 13.01.2014, 20.01.2014, 28.01.2014, 31.01.2014, 21.02.2014, 13.03.2014, 10.02.2014, 14.04.2014, 22.04.2014 und 28.04.2014. Hierbei wurden die Diagnosen I73.0 V B (Verdacht auf Raynaud-Syndrom, beidseits), L40.9 V B(Verdacht auf Psoriasis, nicht näher bezeichnet, beidseits), M13.0 V B(Verdacht auf Polyarthritis, nicht näher bezeichnet, beidseits), F48.0 G (Neurasthenie, gesichert), N20.0 Z R (Zustand nach Nierenstein rechts) und (später) Erschöpfungssyndrom, psychovegetative Erschöpfung sowie F41.1 G (Generalisierte Angststörung, gesichert) und F 41.9 V (Verdacht auf Angststörung, nicht näher bezeichnet), F43.2 G (Anpassungsstörungen, gesichert) und G56.0 G B (Karpaltunnelsyndrom beidseits, gesichert) gestellt und Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Der Hauptgrund für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit lag in den Beschwerden in den Händen unklarer Diagnose, was sich auch in den Arztbriefen des Chirurgen und Orthopäden Dr. … vom 01.10.2013, des Medizinischen Versorgungszentrums … vom 31.10.2013, der Radiologie … vom 04.11.2013 und vom Krankenhaus der vom 08.01.2014 zeigt.

81

Dass die Klägerin bei diesem Krankheitsbild ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Servicekraft weder an ihrem früheren noch an einem vergleichbaren Arbeitsplatz hätte ausüben können, ist nachvollziehbar. Im Servicebereich der Gastronomie wird praktisch ständig mit den Händen gearbeitet, es müssen Speisen per Hand zubereitet und mit den Händen serviert werden.

82

Dass die Klägerin aller Wahrscheinlichkeit nach am 20.01.2014 und im folgenden streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig war, wird auch bestätigt durch die gutachterlichen Stellungnahmen des MDK Rheinland-Pfalz vom 28.01.2014 durch Frau Dr. … und vom 28.04.2014 durch Frau Dr. …, die beide im Ergebnis die Arbeitsunfähigkeit nicht bezweifeln. Die beratende Ärztin Frau Dr. … führt in ihrer Stellungnahme aus, dass sie die Arbeitsunfähigkeit nachvollziehen und akzeptieren könne. Die Klägerin habe viele Schmerzen und keine Kraft in den Händen. Die Diagnose und auch die Kündigung hätten den seelischen Zustand der Klägerin schon massiv belastet. Die Klägerin könne die Arbeit als Servicekraft auf keinen Fall weiterhin ausüben. Auch eine Arbeit als „Putzfrau“ seit mit diesen Erkrankungen nicht möglich. Für die Zeit ab dem 10.05.2014 habe die Klägerin ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Arbeit ohne schweres Heben und Tragen, ohne besondere Belastungen für die Hände, ohne Arbeiten in Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Arbeiten mit hautreizenden Stoffen.

83

Selbst für den Fall, dass die ärztlichen Befunde und das MDK-Gutachten nicht für zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ausreichend gehalten würde, änderte dies nichts an der Rechtswidrigkeit der im Bescheid vom 24.01.2014 enthaltenen Aufhebungsverfügung. Denn die Beklagte trägt die objektive Beweislast für die Frage, ob eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten ist. Dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 20.01.2014 nicht mehr bestand, lässt sich angesichts der ärztlichen Bescheinigungen und Stellungnahmen des MDK auf Grund des Zeitablaufs nicht nachweisen.

84

2.3 Die Klägerin fällt nicht unter die nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausgeschlossenen Versichertengruppen.

85

2.4 Der Anspruch auf Krankengeld ist entstanden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

86

Die ärztliche Feststellung in diesem Sinne ist die Schlussfolgerung aus einer persönlichen ärztlichen Untersuchung, also der aus der Wahrnehmung des tatsächlichen Zustands des Patienten durch den Arzt gezogene Schluss auf die Arbeitsunfähigkeit (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38). Formelle oder verfahrensrechtliche Anforderungen an die ärztliche Feststellung ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Dass diese in der Praxis in der Regel auf formularmäßigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dokumentiert wird, ist lediglich eine tatsächliche Nebenfolge der Vorschriften zum arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsanspruch. Soweit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V zur Ausstellung von Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit verpflichtet sind und dies auch in den Regelungen der §§ 74, 275 Abs. 1a Satz 1, 277 Abs. 2 Satz 1, § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V Niederschlag findet, hat dies keine Auswirkungen auf den Begriff der ärztlichen Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. Diese Regelungen gehören nicht zur für den Anspruch auf Krankengeld einschlägigen Normtextmenge, da sie nicht die Rechtsposition des Versicherten gegen die Krankenkasse betreffen. Dasselbe gilt für die Vorschrift des § 275 Abs. 1a Satz 2 SGB V, wonach eine Prüfung durch den MDK unverzüglich „nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit“ zu erfolgen hat. Die Verkörperung der ärztlichen Feststellung wird hier zwar semantisch vorausgesetzt, da nur ein körperlicher Gegenstand „vorgelegt“ werden kann, jedoch nicht als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Krankengeld normiert. Voraussetzung für das Vorliegen (nicht: „Vorlage“) einer ärztlichen Feststellung ist mithin lediglich die Erhebung medizinisch relevanter Tatsachen durch einen Arzt sowie eine tatsächliche Beurteilung von deren Auswirkungen auf das aktuelle Leistungsvermögen des Versicherten durch den Arzt (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.07.2013 – L 11 KR 2003/13 B – Rn. 7).

87

Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wurde erstmals am 30.09.2013 festgestellt. Der Anspruch auf Krankengeld ist gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. dem Grunde nach daher am 01.10.2013 entstanden.

88

Solange eine Arbeitsunfähigkeit fortbesteht, genügt für die Aufrechterhaltung des materiellen Krankengeldanspruchs bis zum Ende der Anspruchshöchstdauer (§ 48 Abs. 1 SGB V) oder bis zum Ausschluss (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V) bzw. Wegfall (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V) des Anspruchs eine erste ärztliche Feststellung. Denn § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V regelt nur den Beginn des Krankengeldanspruchs (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 – L 4 KR 10/98 – Rn. 27; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.08.2002 – L 4 KR 144/00 – Rn. 36). Wenn auf dem Formular, auf dem die ärztliche Feststellung dokumentiert ist, zugleich eine Prognose für ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit getroffen wird, folgt hieraus – entgegen der Auffassung des 1. Senats des BSG (zuletzt mit Urteilen vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/14 R; B 1 KR 35/14 R; B 1 KR 37/14 R) – keine zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs (SG Trier, Urteil vom 24.04.2013 – S 5 KR 77/12 – Rn. 21 ff.; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 32 ff., SG Speyer, Urteile vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 39 ff. und vom 07.04.2014 – S 19 KR 10/13 – Rn. 43 ff.; SG Mainz, Urteil vom 04.06.2014 – S 3 KR 298/12 – Rn. 48 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 17.07.2014 – L 16 KR 146/14 – Rn. 22 ff., L 16 KR 429/13 – Rn. 26 ff., L 16 KR 160/13 – Rn. 25 ff., L 16 KR 208/13 – Rn. 24 ff.; SG Speyer, Beschlüsse vom 08.09.2014 – S 19 KR 519/14 ER – Rn. 31 ff. und vom 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER – Rn. 33 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 41 ff.;SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 61 ff.; SG Speyer, Urteil vom 30.11.2015 – S 19 KR 409/14 – Rn. 56 ff.; Knispel, NZS 2014, S. 561 ff.; Schröder, ASR 2015, S. 160 f.).

89

Dies folgt zwingend aus einer semantischen Auslegung des Gesetzestextes unter Berücksichtigung der auf dem Gesetzesbindungsgebot beruhenden Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts.

90

§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der vorliegend einschlägigen, bis zum 22.07.2015 gültigen Fassung lautet:

91

"Der Anspruch auf Krankengeld entsteht (…) im übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt."

92

Demzufolge markiert der Tag der ärztlichen Feststellung den Entstehungszeitpunkt des Krankengeldanspruchs für den folgenden Tag. Ab dem Folgetag besteht ein Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange die sonstigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich für die Entstehung des Krankengeldanspruchs ist (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) mithin nur, dass am Vortag ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat, nicht welche Angaben der Arzt hinsichtlich einer möglichen Dauer oder ggf. im Hinblick auf einen früheren Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemacht hat. Über das Ende des Krankengeldanspruchs enthält § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. keine Aussage. In § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ist auch nicht von mehreren „Arbeitsunfähigkeiten“ oder „Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit“ die Rede; die Begriffe werden im Singular verwendet.

93

Aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. geht des Weiteren nicht hervor, dass sich die „ärztliche Feststellung“ auf einen bestimmten Zeitraum beziehen kann oder muss. Dass der Vertragsarzt eine Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit abzugeben hat, ergibt sich lediglich aus der auf Grund von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-Richtlinie) sowie im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG (vgl. SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 37). In § 1 Abs. 1 der AU-Richtlinie wird terminologisch zwischen der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und der Bescheinigung über ihre voraussichtliche Dauer differenziert. Diese Differenzierung steht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. und entspricht der Sachlogik. Ein Arzt kann zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellen, dass Arbeitsunfähigkeit vorliegt; im Hinblick auf die Zukunft kann er anhand eines gegenwärtigen Zustands nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, dass noch Arbeitsunfähigkeit vorliegen wird, d.h. eine Prognose abgeben. Ob eine Prognose sich als zutreffend erweist, kann nur im Nachhinein festgestellt werden. Dieser Logik folgt weitgehend auch die AU-Richtlinie, wenn unabhängig von der in § 5 Abs. 1 AU-Richtlinie geregelten Erstfeststellung eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zum Zwecke der Krankengeldzahlung ("Auszahlschein") in der Regel nicht für einen mehr als sieben Tag zurückliegenden und nicht mehr als für einen zwei Tage im Voraus liegenden Zeitraum erfolgen soll.

94

Es ist begrifflich mithin streng zu unterscheiden zwischen der von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. geforderten „ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“, der nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geforderten Prognose der Dauer der Arbeitsunfähigkeit und einer ärztlichen Bescheinigung sowohl über das Datum der Feststellung als auch über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Dass ein Vertragsarzt gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V dazu verpflichtet ist, eine Bescheinigung über die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auszustellen, berührt die Entstehung des Krankengeldanspruchs nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. nicht. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Auszahlschein) gleichzusetzen (SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 39). Auch das BSG hat noch in einem Urteil vom 10.05.2012 (B 1 KR 19/11 R – Rn. 26) die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen ärztlicher Feststellung, Bescheinigung der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit und Meldung der Arbeitsunfähigkeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) hervorgehoben. Eine ärztliche Bescheinigung ist – anders als beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber (§ 5 Abs. 1 EFZG) – demnach weder eine Voraussetzung für die Entstehung noch für den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld nach dem SGB V. Demzufolge ist auch die auf den formularmäßigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgesehene Abgabe einer Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit für den Anspruch auf Krankengeld nach dem SGB V gänzlich irrelevant (vgl. ausführlich SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 41 m.w.N.).

95

Aus dem Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. ergibt sich somit ausschließlich eine Regelung für den Entstehungszeitpunkt des Krankengeldanspruchs, nicht für dessen zeitliche Begrenzung. Weitere materielle Wirkungen der ärztlichen Feststellung lassen sich anhand des Gesetzes nicht begründen. Dies wird bestätigt durch die amtliche Überschrift der Regelung: „Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld“. Es handelt sich hierbei um eine Spezialvorschrift zu § 40 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl. SG Speyer, Urteil vom 22.05.2015 – S 19 KR 959/13 – Rn. 38).

96

Der Wortlaut eines Gesetzes steckt die äußersten Grenzen funktionell vertretbarer und verfassungsrechtlich zulässiger Sinnvarianten ab. Entscheidungen, die den Wortlaut einer Norm offensichtlich überspielen, sind unzulässig (Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 310, zum Ganzen Rn. 304 ff., 10. Auflage 2009). Die Bindung der Gerichte an das Gesetz folgt aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dass die Gerichte dabei an den Gesetzestext (im Sinne des amtlichen Wortlauts bzw. Normtextes) gebunden sind, folgt aus dem Umstand, dass nur dieser Gesetzestext Ergebnis des von der Verfassung vorgegebenen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens ist. Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip. Deshalb verstößt das BSG gegen Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG, wenn es seine Rechtsauffassung auf eine „ergänzende Auslegung des Gesetzes“ stützt (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 15) und postuliert, dass „das SGB V die Tatbestände der Beendigung eines Krg-Anspruchs nicht ausdrücklich vollständig in allen denkmöglichen Verästelungen“ regle und diese „geringere Normdichte (…) ihren sachlichen Grund in der Vielgestaltigkeit der Möglichkeiten der Beendigung“ habe (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 13).

97

Aus den gleichen Gründen scheitert auch Dreher (jurisPR-SozR 3/2015 Anm. 2 zum Urteil des BSG vom 04.03.2014 – B 1 KR 17/13 R) mit dem Versuch, für die Rechtsauffassung des BSG eine kohärente Begründung zu entwickeln. Er räumt zunächst ein, dass der Gesetzeswortlaut das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung auf den Fall der Entstehung des Krankengeldanspruchs beschränkt und § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. zum Anspruchsende oder -wegfall keine eigene Aussage trifft. Dennoch vertritt er die Auffassung, dass der Krankengeldanspruch von vornherein zeitlich begrenzt entstehe, wenn und soweit das ihn begründende „Beweissicherungsverfahren“ (gemeint ist der in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. vorausgesetzte „Gang zum Arzt“) nur eine zeitlich begrenzte Aussage ermögliche. Damit werde nicht die Entscheidungsbefugnis über den Anspruch auf den Arzt übertragen, sondern lediglich die Beweissicherung „dem Gesetzeswortlaut entsprechend“ in vollem Umfang dem Versicherten überantwortet. Die nach und nach entstehenden zeitlich begrenzten Ansprüche seien als Teile eines einheitlichen, aber „gestückelten“ Anspruchs aufzufassen.

98

Für diese Theorie fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt im Gesetzestext des SGB V. Zeitliche Beschränkungen des Krankengeldanspruchs ergeben sich ausschließlich aus § 48 SGB V. Soweit Dreher meint, diese Einschränkung mittels einer Auslegung des Begriffs des „Entstehens“ begründen zu können, geht dies fehl. Das Wort „entstehen“ hat in keiner denkbaren Verwendungsweise die Bedeutung von „Begrenzung“, „Untergang“ oder „Wegfall“. Es bedeutet schlicht das Gegenteil. Dass die Beweissicherung „dem Gesetzeswortlaut entsprechend“ dem Versicherten überantwortet werde, ist daher eine unsinnige Behauptung, die deshalb auch ohne Bezugnahme auf einen konkreten Gesetzeswortlaut auskommen muss.

99

Ebenso haltlos ist die nicht weiter begründete These des LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 02.10.2014 (L 5 KR 30/14 – nicht veröffentlicht), es sei mit dem Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres vereinbar, dass nicht nur die Entstehung, sondern auch der Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld von der vorherigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abhängig sei. Gerade hierfür gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt im Gesetzeswortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F.

100

Soweit das BSG sogar meint, der Gesetzeswortlaut des § 46 SGB V (a.F.) trage die Auffassung nicht, dass die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nur für die Entstehung des Krankengeldanspruchs Bedeutung habe (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R – Rn. 13), trifft dies offensichtlich nicht zu. Diese für jedermann erkennbar falsche Behauptung ist umso erstaunlicher, als eine unbefangene Gesetzeslektüre genügt, um sie zu widerlegen. Die entsprechende Vorschrift regelt ausdrücklich nichts anderes, als die Entstehung des Anspruchs.

101

Die Annahme, dass das Fortbestehen eines Krankengeldanspruchs nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts oder nach Ablauf des auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegebenen voraussichtlichen Enddatums einer erneuten ärztlichen Feststellung spätestens am letzten Tag vor Ablauf bedürfe, verstößt gegen das Gesetzesbindungsgebot und ist deshalb unter Geltung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V sowohl in der bis zum 22.07.2015 geltenden als auch in der neuen Fassung keine rechtswissenschaftlich vertretbare Position.

102

Darüber hinaus wird die hier vertretene Auffassung gestützt durch die Gesetzessystematik (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 75 ff.) und durch den Auslegungsgrundsatz der möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 81 ff.). Sie wird zudem bestätigt durch die historische Entwicklung des Gesetzes (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 86 ff.) und die Gesetzesbegründung (vgl. SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 90 ff.). Auf hiervon unabhängige Erwägungen zu „Sinn und Zweck“ der Regelung kommt es daher nicht an, wobei auch anhand dieses Maßstabs keine Argumente für die Auffassung des 1. Senats des BSG sprechen (vgl. SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 94 ff.). Letztere resultiert aus einer fehlerbehafteten Entwicklung der Rechtsdogmatik und führt zu abwegigen Ergebnissen (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 98 ff.). Durch die Neuregelung des § 46 Satz 2 SGB V mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) mit Wirkung zum 23.07.2015 hat sich diesbezüglich weder für die Zukunft noch für die Vergangenheit Wesentliches geändert (vgl. ausführlich SG Mainz, Urteil vom 31.08.2015 – S 3 KR 405/13 – Rn. 153 ff.).

103

2.5 Die Arbeitsunfähigkeit wurde der Beklagten fristgerecht gemeldet, sodass der Anspruch seit dem 20.01.2014 nicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruhte.

104

Nach dieser Regelung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der Regelung nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

105

Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine Tatsachenmitteilung. Diese muss der Krankenkasse zugehen. Hierfür ist weder eine bestimmte Form vorgeschrieben, noch muss die Meldung durch eine bestimmte Person erfolgen (so bereits BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 35/84 – Rn. 12 bezüglich der Vorgängerregelung des § 216 Abs. 3 RVO). Erforderlich ist lediglich, dass die Identität des Versicherten erkennbar ist und die Arbeitsunfähigkeit dieses Versicherten behauptet wird. Nicht erforderlich ist ein Hinweis auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (a. A. BSG, Urteil vom 12.11.1985 – 3 RK 35/84 – Rn. 12). Diese stellt lediglich eine Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld dar, deren Vorliegen von der Krankenkasse nach Antragstellung von Amts wegen zu ermitteln ist. Im vorliegenden Fall lässt sich den Verwaltungsvorgängen der Beklagten zwar nicht entnehmen, wann genau die Arbeitsunfähigkeit gemeldet wurde. Dass dies vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum der Fall gewesen sein muss, ergibt sich jedoch zwanglos aus der Tatsache, dass die Beklagte der Klägerin für die vorherigen Zeiträume Krankengeld ausgezahlt und mehrere Auszahlscheine zur Akte genommen hat. Da von einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist, war keine weitere Meldung der Arbeitsunfähigkeit mehr notwendig, um das Eintreten des Ruhens nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu verhindern (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 – L 4 KR 10/98 – Rn. 30; SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 45 ff.; SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 42 ff.; SG Trier, Urteil vom 21.11.2013 – S 1 KR 44/13 – Rn. 29).

106

Das BSG vertritt demgegenüber die Rechtsauffassung, dass die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengelds erneut gemeldet werden muss, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17; BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – Rn. 18; offen gelassen noch BSG, Urteil vom 20.04.1999 – B 1 KR 15/98 R – Rn. 14). Diese Auffassung widerspricht dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 SGB V, in dem nur der Beginn der Arbeitsunfähigkeit als Bezugspunkt für die Meldeobliegenheit genannt wird, nicht der Beginn eines Krankengeldbewilligungsabschnitts oder eines Feststellungszeitraumes. Dass hier zu Lasten der Versicherten über den Wortlaut hinweggegangen wird, deutet das BSG selbst in der Begründung zum Urteil vom 08.02.2000 an: "Anders als es der Wortlaut des § 49 Abs.1 Nr 5 Halbs 2 SGB V nahezulegen scheint (...)" (BSG, Urteil vom 08.02.2000 – B 1 KR 11/99 R – Rn. 17). Eine Überschreitung der Wortlautgrenze verstößt sowohl gegen das Gesetzesbindungsgebot als auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip, so dass der Auffassung des BSG nicht gefolgt werden darf. Unausgesprochen vollzieht das BSG hier einen Analogieschluss, dessen Voraussetzungen jedoch nicht gegeben sind und vom BSG auch nicht dargelegt werden (vgl. bereits SG Mainz, Urteil vom 24.09.2013 – S 17 KR 247/12 – Rn. 45 ff.). Auch vor dem Hintergrund des Optimierungsgebots des § 2 Abs. 2 SGB I und des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I ist die durch das BSG vorgenommene Vervielfältigung der Meldeobliegenheit des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nicht vertretbar (SG Speyer, Urteil vom 22.11.2013 – S 19 KR 600/11 – Rn. 42 ff.).

107

2.6 Die Klägerin hatte demnach auch über den 19.01.2014 hinaus aller Wahrscheinlichkeit nach einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Krankengeld, so dass eine wesentliche Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen zum 20.01.2014 oder zu einem früheren Zeitpunkt nicht nachgewiesen ist. Die Voraussetzung für eine Aufhebung der Bewilligung von Krankengeld zum 20.01.2014 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lagen demnach nicht vor.

108

2.7 Im Übrigen liegen auch die sonstigen Voraussetzungen für die durch den Bescheid vom 24.01.2014 rückwirkend zum 20.01.2014 verfügte Aufhebung der Leistungsbewilligung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht vor. Die Änderung erfolgte nicht zu Gunsten der Klägerin (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

109

Die Klägerin ist auch nicht einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X).

110

Sie hat auch nicht nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).

111

Zuletzt gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin wusste oder nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Es ist bereits nicht nachzuweisen, dass sich hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 20.01.2014 eine Änderung ergeben hat, so dass erst recht kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die Klägerin selbst Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) von der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und damit vom Wegfall des materiell-rechtlichen Anspruchs auf Krankengeld gehabt haben könnte. Die „nicht fristgerechte“ Erstellung einer „Folgebescheinigung“ der Arbeitsunfähigkeit bzw. die „Lückenlosigkeit“ von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist wiederum kein Ausschlussgrund für den Anspruch auf Krankengeld, so dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob die Klägerin über die diesbezügliche Rechtsauffassung der Beklagten bzw. des BSG informiert war. Somit ist vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin das Hinweisschreiben der Beklagten vom 18.11.2013 tatsächlich erhalten hat.

112

3. Der Bescheid vom 24.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2014 ist daher rechtswidrig und war aufzuheben.

113

4. Die Beklagte war darüber hinaus gemäß § 54 Abs. 4 SGG antragsgemäß (vgl. § 123 SGG) dem Grunde nach zur Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 zu verurteilen.

114

Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ist jedoch erloschen, soweit er auf Grund der für den gleichen Zeitraum erbrachten Leistung von Arbeitslosengeld II durch den Beigeladenen als erfüllt gilt.

115

Nach § 107 Abs. 1 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Hiermit wird Bezug genommen auf die in den §§ 102 bis 106 SGB X geregelten Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern.

116

Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene einen Erstattungsanspruch aus § 104 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist derjenige Leistungsträger gegenüber einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat, soweit der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat. Nachrangig verpflichtet ist nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.

117

Der Beigeladene ist in diesem Sinne nachrangig verpflichteter Leistungsträger. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen die (neben anderen Voraussetzungen) hilfebedürftig sind. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert nach näherer Bestimmung der §§ 11a, 11b SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Zu den anzurechnenden Einnahmen zählt auch das Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V. Hieraus folgt, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegenüber einem Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nachrangig ist, da im Falle der Leistung von Krankengeld ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ganz oder teilweise entfällt. Hätte die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung zur Gewährung von Krankengeld im Zeitraum vom 20.01.2014 bis zum 09.05.2014 rechtzeitig erfüllt, wäre der Beigeladene auf Grund der Anrechnung des Einkommens aus Krankengeld gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht bzw. nicht im bewilligten Umfang zur Leistung verpflichtet gewesen.

118

Die Beklagte war im vorliegenden Verfahren deshalb nur zur Leistung von Krankengeld dem Grunde nach zu verurteilen, soweit die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X nicht reicht.

119

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.

(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben

1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben,
2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt. Geht der Krankenkasse die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 zum Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu, wirkt die Wahlerklärung erst zu dem Tag, der auf das Ende dieser Arbeitsunfähigkeit folgt.

(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler nach näherer Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
4.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Maßnahmen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,
11a.
Personen, die eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit vor dem 1. Januar 1983 aufgenommen haben, die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie mindestens neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Stellung des Rentenantrags nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren; für Personen, die am 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, ist anstelle des 1. Januar 1985 der 1. Januar 1992 maßgebend,
11b.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch
a)
auf eine Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches oder
b)
auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn der verstorbene Elternteil zuletzt als Beschäftigter von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches befreit war,
erfüllen und diese beantragt haben; dies gilt nicht für Personen, die zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert waren, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung mit Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder die Voraussetzungen der Nummer 11,
12.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt haben,
13.
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b)
bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte. Auf die nach Absatz 1 Nummer 11 erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Absatz 2 Nummer 2 des Ersten Buches) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt nicht für

1.
ein Adoptivkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, oder
2.
ein Stiefkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenzen nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen wurde.

(3) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird.

(4) Als Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nicht versicherungspflichtig, wer im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(4a) Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Bürgergeld privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Personen nach Satz 1 sind nicht nach § 10 versichert. Personen nach Satz 1, die am 31. Dezember 2015 die Voraussetzungen des § 10 erfüllt haben, sind ab dem 1. Januar 2016 versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nummer 2a, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen.

(6) Nach Absatz 1 Nr. 5 bis 7 oder 8 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig ist. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 6 mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 7 oder 8 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind.

(7) Nach Absatz 1 Nr. 9 oder 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 8, 11 bis 12 versicherungspflichtig oder nach § 10 versichert ist, es sei denn, der Ehegatte, der Lebenspartner oder das Kind des Studenten oder Praktikanten ist nicht versichert oder die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nummer 11b besteht über die Altersgrenze des § 10 Absatz 2 Nummer 3 hinaus. Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 9 geht der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 vor.

(8) Nach Absatz 1 Nr. 11 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Satz 1 gilt für die in § 190 Abs. 11a genannten Personen entsprechend. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31. März 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte nicht von einer der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in der am 10. Mai 2019 geltenden Fassung genannten Personen abgeleitet worden ist, geht die Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 vor.

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches, dem Teil 2 des Neunten Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

(9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. Bei Beendigung der Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 9 endet die Verpflichtung nach Satz 1 längstens zwölf Monate nach der Beendigung des privaten Versicherungsvertrages. Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

(10) nicht belegt

(11) Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Grunde nach besteht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) vom 13.4. bis 3.12.2004.

2

Der 1955 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert. Nach Beendigung einer Beschäftigung als angestellter Kfz-Meister bewilligte ihm die Bundesagentur für Arbeit ausgehend von einem Leistungsvermögen von 40 Wochenstunden vom 16.5.2002 bis 18.7.2003 Arbeitslosengeld (Alg). Der Kläger war ab 7.6.2003 fortlaufend ua wegen Spinalkanalstenose arbeitsunfähig krank und erhielt ab 19.7.2003 von der Beklagten Krg. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) bestätigte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit (AU) und regte wegen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine medizinische Reha-Maßnahme vor Ablauf der Vierjahresfrist in einer orthopädischen Fachklinik an. Die LVA bewilligte dem Kläger berufsfördernde, nicht aber die beantragten medizinischen Reha-Leistungen (Bescheid vom 18.2.2004), zu denen sich der Kläger indes gesundheitlich nicht in der Lage sah. Arzt S. bescheinigte der Beklagten, dass der Kläger weiterhin arbeitsunfähig sei; der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar, zumal sich alles noch verschlechtert habe (15.3.2004). Die Beklagte entschied aufgrund eines weiteren MDK-Gutachtens (keine weitere AU innerhalb von 14 Tagen; 6.4.2004), Krg wegen Beendigung der AU nur noch bis 12.4.2004 zu zahlen (Bescheid vom 6.4.2004). Mit seinem dagegen am 5.5.2004 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, das Gutachten sei nicht nachvollziehbar, da sich seine Befunde entsprechend der Einschätzung des Arztes S. verschlechtert hätten. Auf der Grundlage weiterer Beurteilungen (ua MDK: Vorgutachten zutreffend, langjähriges degeneratives Wirbelsäulenleiden, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens drei Stunden täglich möglich) wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.12.2004). Während das SG die Beklagte nach Beweiserhebung zur Krg-Zahlung verurteilte, weil der Kläger ab 13.4.2004 nicht zu vollschichtiger Arbeit fähig gewesen sei (Urteil vom 31.5.2007), wies das LSG die auf Krg-Gewährung bis 3.12.2004 gerichtete Klage ab: Der Kläger habe es versäumt, nach dem 12.4.2004 seine AU ärztlich feststellen zu lassen und die Feststellung der Beklagten zu melden (Urteil vom 17.9.2008). Den am 19.12.2008 gestellten Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 10.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2009). Klage (Gerichtsbescheid vom 19.8.2010) und Berufung sind ohne Erfolg geblieben: Es fehle eine ärztliche AU-Feststellung ab 13.4.2004 und deren Meldung (LSG-Urteil vom 1.2.2011).

3

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 46 S 1 Nr 2 und § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V. Ihn hätten im laufenden Rechtsbehelfsverfahren keine weiteren Obliegenheiten zur ärztlichen AU-Feststellung und Meldung getroffen.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. August 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 6. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 zurückzunehmen und dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 13. April 2004 bis zum 3. Dezember 2004 zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. Februar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht. Der erkennende Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Die unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten Krg-Anspruch auf der Grundlage des § 44 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGB X zu entscheiden. Es steht nicht fest, dass der Kläger vom 13.4. bis 3.12.2004 arbeitsunfähig war (dazu 1.). Die Entscheidung des LSG erweist sich weder ganz noch teilweise aus anderen Gründen als zutreffend (dazu 2.).

8

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (vgl § 44 Abs 1 S 1 SGB X). Wenn feststeht, dass der Kläger vom 13.4. bis 3.12.2004 arbeitsunfähig war, hat die Beklagte ihm für diese Zeit Krg unter Rücknahme des Bescheides vom 6.4.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2004 zu gewähren. In diesem Falle ist sie nämlich von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist, und hat deshalb die Sozialleistung Krg zu Unrecht nicht erbracht.

9

1. Nach § 44 Abs 1 Halbs 1 SGB V haben Versicherte ua Anspruch auf Krg, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ein nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V (in der Krankenversicherung der Arbeitslosen) versicherter Arbeitsloser ist in diesem Sinne arbeitsunfähig, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat. Das Krg stellt sich in der KVdA nicht als Ersatz für Ausfall des früher auf Grund Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts dar, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit (vgl BSGE 90, 72, 77 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 35; BSGE 94, 19 = SozR 4-2500 § 44 Nr 3, RdNr 16 zu zeitlichen Leistungseinschränkungen kranker Arbeitsloser, vgl auch mit zustimmender Anmerkung Bieback SGb 2005, 591 ff; Hase AuB 2005, 187; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 9; ferner BSGE 93, 59 = SozR 4-4300 § 125 Nr 1, RdNr 7). Entscheidend für die Beurteilung der AU Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist die Zumutbarkeit insoweit auch krankenversicherungsrechtlich an § 121 SGB III aF(ab 1.4.2012: § 140 SGB III nF durch Art 2 Nr 18 Gesetz vom 20.12.2011, BGBl I 2854) zu messen (BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 9, vgl auch Bieback SGb 2005, 591 ff; Hase AuB 2005, 187). Hat die Arbeitsverwaltung dem Arbeitslosen ein konkretes Arbeitsangebot nicht unterbreitet, liegt krankheitsbedingte AU vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (zB vollschichtig) zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des Alg-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat (vgl zum Ganzen BSGE 96, 182 = SozR 4-2500 § 44 Nr 9, RdNr 17 ff, 24; zustimmend zB Brandts in Kasseler Komm, Stand 1.12.2011, § 44 SGB V RdNr 45 ff; Joussen in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 44 RdNr 16; Schmidt in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.9.2011, Bd 2, § 44 SGB V RdNr 107g).

10

Es fehlen - aufgrund seiner Rechtsauffassung konsequent - Feststellungen des LSG dazu, dass der Kläger ab 13.4. bis 3.12.2004 gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage war, die Arbeiten vollschichtig zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des Alg-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hatte. Das SG bejahte zwar nur eine untervollschichtige Arbeitsfähigkeit im ersten Klageverfahren, die Beklagte bestritt diese aber mit ihrer dagegen gerichteten Berufung, ohne dass in der Folgezeit eine für das Revisionsgericht bindende Feststellung erfolgt ist. Die fehlenden Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

11

2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind die übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Krg-Anspruchs erfüllt, und es greifen keine Einwendungen hiergegen durch.

12

a) Die AU des Klägers vom 13.4. bis 3.12.2004 war ärztlich festgestellt. Anspruch auf Krg entsteht nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Bereits am 15.3.2004 bescheinigte Arzt S. der Beklagten, dass AU weiterhin bestehe und der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei. Die Erkrankung habe sich gegenüber dem Bericht an den MDK vom 17.11.2003 noch verschlimmert.

13

Die zeitlich weit über den 13.4.2004 hinausreichende Bescheinigung des (Vertrags-)Arztes S. ist nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil die Beklagte entschied, die Krg-Zahlung an den Kläger mit dem 12.4.2004 zu beenden. Wird das Krg abschnittsweise gewährt, ist zwar das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krg für jeden weiteren Bewilligungsab-schnitt neu zu prüfen (vgl BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 22 mwN). Dieser Grundsatz schließt es indes nicht aus, eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasst, als für § 46 S 1 Nr 2 SGB V ausreichend anzusehen. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - der Versicherte sich mit Rechtsbehelfen gegen die Entscheidung seiner KK wendet, die Krg-Zahlung noch innerhalb des Zeitraums zu beenden, für den ein Arzt bereits AU festgestellt hat. Die Feststellung muss nicht zwingend durch einen Vertragsarzt erfolgen (vgl BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 12 S 53 f; hM in der Literatur: Schmidt in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.9.2011, Bd 2, § 46 SGB V RdNr 24 f; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2011, § 44 RdNr 12; Brandts in Kasseler Komm, Stand 1.12.2011, § 46 SGB V RdNr 10; aA Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand Januar 2012, § 44 SGB V RdNr 16: nur nicht bei einem Notfall iS von § 76 Abs 1 S 2 SGB V; widersprüchlich Kruse in LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 46 RdNr 3). Mit der Notwendigkeit einer ärztlichen, nicht unbedingt vertragsärztlichen Feststellung harmoniert, dass unbeschadet des § 91 Abs 6 SGB V die Regelungen in den AU-Richtlinien (RL) über den Zeitpunkt der AU-Feststellung und ihren retro- und prospektiven Feststellungszeitraum den leistungsrechtlichen Krg-Tatbestand nicht ausgestalten(zur bloß vertragsärztlichen Pflicht, AU-Bescheinigungen zeitlich nach den AU-RL einzugrenzen, vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 25 mwN). Entsprechendes gilt für die Art und Weise der ärztlichen AU-Feststellung. Sie erfüllt auch dann die Voraussetzungen des § 46 S 1 Nr 2 SGB V, wenn sie nicht auf dem durch § 5 Abs 1 oder § 6 Abs 1 AU-RL dafür vorgesehenen Vordruck (Muster Nr 1 bzw 17) erfolgt.

14

Die KK ist zwar zur Beendigung von Krg-Zahlungen vor Ablauf ärztlich bescheinigter AU befugt. Denn der erkennende Senat misst dem Attest mit der ärztlichen Feststellung der AU lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme bei. Sie bildet eine Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der KK, ohne dass KK und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 28 mwN). Die KK kann sich insoweit aber nicht auf das Fehlen einer ärztlichen AU-Feststellung berufen, obwohl ihr eine solche Feststellung vorliegt, sie aber lediglich die Verhältnisse abweichend beurteilt.

15

Die Rechtsauffassung des erkennenden Senats entspricht nicht nur Wortlaut und Regelungssystem, sondern auch Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender AU sollen beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl bereits BSGE 24, 278, 279 = SozR Nr 16 zu § 182 RVO S Aa 13 RS mwN zur Entstehungsgeschichte der im SGB V insoweit unveränderten Regelung; BSGE 26, 111, 112 = SozR Nr 19 zu § 182 RVO S Aa 17 f; BSGE 90, 72, 81 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 39). Dementsprechend ist grundsätzlich für die Beurteilung der AU der versicherungsrechtliche Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung maßgebend (stRspr vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 21; Brandts in Kasseler Komm, Stand 1.12.2011, § 44 SGB V RdNr 3, 6). Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche AU feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann zB grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten AU akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezieht, die er bei AU nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in der gesamten Zeit zu Unrecht als arbeitslos statt - richtigerweise - als arbeitsunfähig behandelt worden (vgl BSGE 90, 72, 83 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 41; zum Ganzen BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 16 mwN). Missbrauch und praktische Schwierigkeiten stehen dagegen nicht in Rede, wenn die KK - wie hier die Beklagte - pflichtgemäß (§ 275 SGB V)eine AU-Bescheinigung überprüft und der bescheinigten Beurteilung dann nicht folgt.

16

b) In Einklang mit diesen Grundsätzen kann sich die Beklagte - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - auch nicht mit Erfolg auf ein Ruhen des Krg-Anspruchs nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V berufen. Danach ruht der Anspruch auf Krg, solange die AU der KK nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der AU erfolgt. Auch diese Regelung findet nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck keine Anwendung, wenn ein Versicherter - wie hier der Kläger - sich fristgerecht mit Rechtsbehelfen gegen die Entscheidung seiner KK wendet, die Krg-Zahlung - abweichend von einer ihr vorliegenden AU-Bescheinigung - noch innerhalb des Zeitraums zu beenden, für den ein Arzt ihm AU bescheinigt hat.

17

§ 49 Abs 1 Nr 5 SGB V soll die KK nämlich ebenso wie die Ausschlussregelung des § 46 S 1 Nr 2 SGB V lediglich davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krg-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen. Die Norm soll der KK die Möglichkeit erhalten, die AU zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können.

18

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Gewährung von Krg deshalb bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (vgl zB BSGE 29, 271, 272 = SozR Nr 8 zu § 216 RVO S Aa 6 RS; BSG SozR Nr 11 zu § 216 RVO; BSGE 38, 133, 135 = SozR 2200 § 182 Nr 7 S 8; BSGE 56, 13, 14 f = SozR 2200 § 216 Nr 7, S 19; BSG SozR 2200 § 216 Nr 11; BSGE 85, 271, 276 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15 f). Mit Blick darauf muss die AU der KK vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krg auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Dies hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der AU über die Weitergewährung des Krg neu zu befinden ist (stRspr, vgl nur BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15). Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der AU grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner KK melden, will er das Erlöschen (vgl dazu Beschluss des Senats vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B - mwN) oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden.

19

Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der AU um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist in diesem Sinne sowohl die Ausschlussregelung des § 46 S 1 Nr 2 SGB V als auch des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V strikt zu handhaben(vgl zum Ganzen, auch zu den Einschränkungen bei Umständen im Verantwortungsbereich der KKn BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 18 mwN; Brandts in Kasseler Komm, Stand 1.12.2011, § 49 SGB V RdNr 33; ablehnend zu § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V bei Weitergewährung von Krg Schmidt in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.9.2011, Bd 2, § 49 SGB V RdNr 110a). Liegt der KK dagegen eine ärztliche AU-Mitteilung zwecks Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für Krg vor, die die Rechtsposition des Versicherten erkennbar stützt, bedarf es keiner weiteren AU-Meldung.

20

Die gleichen Grundsätze gelten auch für Zeiträume, in denen Versicherter und KK über das Bestehen von AU als Voraussetzung eines Krg-Anspruchs streiten. Der Versicherte muss auch in einer solchen Situation - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - alle Obliegenheiten beachten, um seinen Krg-Anspruch zu erhalten. Er muss sich deshalb bei befristeten AU-Feststellungen vor Fristablauf erneut seine AU ärztlich bescheinigen lassen und dafür Sorge tragen, dass die KK hiervon Kenntnis erlangt. Die KK kann ihm nicht entgegenhalten, dass er sich - der Unsicherheit Rechnung tragend - mit seinem Restleistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt und Alg erhält. Hat die KK allerdings Kenntnis von einer ärztlichen AU-Bescheinigung und davon, dass der betroffene Versicherte weiterhin Krg beansprucht, sind die Obliegenheiten nach § 46 und § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V auch insoweit erfüllt. Einer zusätzlichen Information der KK bedarf es in diesem Rahmen nicht.

21

c) Die Höchstdauer des Krg-Anspruchs gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB V ist nicht überschritten. Danach erhalten Versicherte Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der AU an. Krg bis 3.12.2004 hält sich in diesem Rahmen, da der 7.6.2003 der Tag des Beginns der AU war.

22

d) Die zeitlichen Grenzen des § 44 Abs 4 SGB X sind beachtet, denn die Krg-Zahlung betrifft einen Krg-Anspruch für einen Teil des Jahres 2004. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden nach dieser Regelung Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Der Kläger stellte den Überprüfungsantrag im Dezember 2008.

23

e) Wenn das LSG feststellt, dass AU im og Zeitraum bestand, wird es auch zu klären haben, in welchem Umfang der dem Grunde nach gegebene streitbefangene Krg-Anspruch ggf nach § 107 SGB X als erfüllt gilt.

24

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Einer arbeitslosen Person sind alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.

(2) Aus allgemeinen Gründen ist eine Beschäftigung einer arbeitslosen Person insbesondere nicht zumutbar, wenn die Beschäftigung gegen gesetzliche, tarifliche oder in Betriebsvereinbarungen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstößt.

(3) Aus personenbezogenen Gründen ist eine Beschäftigung einer arbeitslosen Person insbesondere nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit ist eine Minderung um mehr als 20 Prozent und in den folgenden drei Monaten um mehr als 30 Prozent dieses Arbeitsentgelts nicht zumutbar. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an ist einer arbeitslosen Person eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Arbeitslosengeld.

(4) Aus personenbezogenen Gründen ist einer arbeitslosen Person eine Beschäftigung auch nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen. Sind in einer Region unter vergleichbaren Beschäftigten längere Pendelzeiten üblich, bilden diese den Maßstab. Ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs ist einer arbeitslosen Person zumutbar, wenn nicht zu erwarten ist, dass sie innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen wird. Vom vierten Monat der Arbeitslosigkeit an ist einer arbeitslosen Person ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs in der Regel zumutbar. Die Sätze 4 und 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Umzug ein wichtiger Grund entgegensteht. Ein wichtiger Grund kann sich insbesondere aus familiären Bindungen ergeben.

(5) Eine Beschäftigung ist nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie befristet ist, vorübergehend eine getrennte Haushaltsführung erfordert oder nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehört, für die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ausgebildet ist oder die sie oder er bisher ausgeübt hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.