Sozialgericht Nürnberg Urteil, 27. Nov. 2015 - S 11 U 212/11

bei uns veröffentlicht am27.11.2015

Gericht

Sozialgericht Nürnberg

Tenor

I. Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 werden aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Gesundheitsstörung "komplexes regionales Schmerzsyndrom" Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist.

III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin anlässlich des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

IV. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob ein „komplexes regionales Schmerzsyndrom“ (CRPS) Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist und der Klägerin Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen ist.

Die 1966 geborene Klägerin wollte am 19.02.2009 bei ihrer Arbeit einen Karton, der nach ihren Angaben 30 bis 40 kg gewogen hat, von einer Palette aus etwa 1,70 m Höhe herunterholen. Dabei riss der Karton, der in die Ellenbeuge bzw. auf den Ellenbogen (rechts) der Klägerin fiel. Daraufhin stellte sich die Klägerin in der Kreisklinik B-Stadt vor, wo eine Zerrung des Ellenbogens rechts festgestellt wurde. Bei einer MRT-Untersuchung am 31.03.2009 wurde eine Entzündung des Knochenvorsprungs am Oberarm im Bereich des Ellenbogengelenks der Speiche rechts (Epicondylitis radialis humeri) festgestellt. Aufgrund dieser Diagnose wurde das Heilverfahren zu Lasten der Beklagten von den behandelnden Ärzten abgebrochen und die Heilbehandlung zu Lasten der Krankenkasse weitergeführt. Am 04.05.2009 wurde wegen der weiterhin bestehenden Beschwerden eine Operation durchgeführt. Mit Bericht vom 28.03.2010 informierte die Chirurgin J. die Beklagte davon, dass es sich bei der Klägerin um einen schwersten Sudeck, den Arm betreffend, handele. Trotz intensiver Therapie finde sich eine nicht beeinflussbare Gebrauchsminderung des rechten Arms. Es werde eine Vorstellung der Klägerin in einer Klinik der Beklagten empfohlen. Mit Bericht vom 05.05.2010 teilte Dr. N., Chefarzt der Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie in der Kreisklinik B-Stadt, der Beklagten mit, dass eventuell doch von einem Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 19.02.2009 und dem nun bestehenden Schmerzsyndrom auszugehen sei. Auf Veranlassung der Beklagten gab anschließend der Chirurg Dr. G. am 27.05.2010 eine beratungsärztliche Stellungnahme ab, in der er die Auffassung vertrat, dass ein Zusammenhang zwischen dem Morbus Sudeck und dem Ereignis vom 19.02.2009 gegeben sei, wenn kein relevanter Vorschaden nachzuweisen sei. Daraufhin veranlasste die Beklagte ein stationäres Heilverfahren in der Unfallklinik M., eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch Prof. Dr. G. (Gutachten vom 11.10.2010) und eine Zusammenhangsbegutachtung durch Dr. N.. In seinem unfallchirurgischen Gutachten vom 15.12.2010 führte Dr. N. zusammenfassend aus, dass es aufgrund der Distorsion des rechten Ellenbogens im weiteren Verlauf zu einer Entzündungsreaktion gekommen sei, die letztendlich in einer Epicondylitis humeri radialis gemündet habe. Bei anhaltenden Beschwerden sei die Epicondylitis-Operation erfolgt, im weiteren Verlauf habe die Unfallversicherte ein CRPS Typ I entwickelt. Es lägen keine konkurrierenden Ursachen vor, es handele sich nicht um die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestünden vom Unfalltag bis heute. Derzeit bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30%.

Mit Schriftsatz vom 16.02.2011 trug die Bevollmächtigte der Klägerin insbesondere vor, dass die Beklagte von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgehe. Der Karton sei der Klägerin nicht in die rechte Ellenbeuge gefallen, sondern auf den Ellenbogen. Die Klägerin sei vor dem Unfallereignis bezüglich des Ellenbogens bewegungs- und schmerzfrei gewesen.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Dr. N. vom 01.03.2011 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2011 das Ereignis vom 19.02.2009 als Arbeitsunfall an und stellte weiterhin fest, dass ein Zusammenhang zwischen der festgestellten Entzündung des Knochenvorsprungs am Oberarm im Bereich des Ellenbogengelenks der Speiche rechts und dem Unfall vom 19.02.2009 nicht bestehe. Folglich bestehe auch kein Zusammenhang mit der daraufhin durchgeführten Operation am 04.05.2009 und dem sich daraus entwickelnden komplexen regionalen Schmerzsyndrom des rechten Arms. Daher bestehe auch kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 31.03.2009 hinaus. Die Vorschüsse auf Verletztengeld in Höhe von 450,00 Euro seien zu erstatten.

Hiergegen legte die Bevollmächtigte der Klägerin am 04.05.2011 unter Übersendung einer Stellungnahme des Physiotherapeuten D. (E. S.) vom 13.03.2011 Widerspruch ein und begründete ihn insbesondere damit, dass der Karton der Klägerin nicht in die Ellenbeuge, sondern auf den Ellenbogen gefallen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Erst nach Kenntnis des Schreibens der Beklagten vom 10.01.2011 an Dr. N. und nach Einsicht in die Unfallakte habe die Klägerin über ihre Bevollmächtigte den Unfallhergang dahingehend korrigiert, dass der Klägerin der Karton nicht in die Ellenbeuge, sondern auf das Ellenbogengelenk gefallen sei. Unter Berücksichtigung dieses Unfallhergangs sei es daher am 19.02.2009 zu einer Zerrung des rechten Ellenbogens gekommen, die mit Abbruch des Heilverfahrens durch Dr. N. am 31.03.2009 ausgeheilt gewesen sei. Die darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei auf die unfallunabhängige Diagnose der Epicondylitis zurückzuführen.

Hiergegen hat die Bevollmächtigte der Klägerin am 29.07.2011 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Zur Klagebegründung trägt sie mit Schriftsätzen vom 02.09.2011 und 20.09.2011 über ihr bisheriges Vorbringen hinaus insbesondere vor, dass der von der Beklagten selbst beauftragte Gutachter Prof. Dr. G. den richtigen Sachverhalt aufgenommen habe. Danach habe die Klägerin ihm gegenüber mitgeteilt, dass der Karton ins Rutschen gekommen und ihr auf den rechten Ellenbogen gefallen sei. In der Anamnese des freien unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten habe Dr. N. ausgeführt, dass ein direktes Trauma auf den Epicondylus stattgefunden habe.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2011 hat die Bevollmächtigte der Klägerin dem SG 14 Röntgenbilder nebst CT sowie eine CD mit MRT-Aufnahmen vom 31.03.2009 übermittelt. Anschließend hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Handchirurg und Orthopäde Dr. F. am 13.02.2012 aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 08.02.2012 ein Gutachten erstattet und darin insbesondere ausgeführt, dass sich bei der Untersuchung am gesamten rechten Arm eine massive Sudecksche Heilentgleisung mit aufgehobener Funktion des gesamten rechten Arms bei typischen klinischen und radiologischen Zeichen gezeigt habe. Eine Epicondylitis entstehe nicht durch ein reines Anpralltrauma. Aus dem Befund im Arztbericht vom 31.03.2009 lasse sich kein Hinweis auf eine Sudecksche Heilentgleisung finden. Die Funktion sei im Ellenbogengelenk noch deutlich eingeschränkt, dies könne jedoch auch auf die Gipsschienenruhigstellung zurückgeführt werden. Der Vollbeweis einer schwerwiegenden Verletzung durch das geschilderte Unfallgeschehen sei nicht möglich. Hier müsse auf den Kernspinbefund verwiesen werden. Der weitere Verlauf nach operativem Eingriff am Ellenbogengelenk rechts sei folglich nicht dem Unfallereignis anzulasten, ebensowenig die eingetretene Heilentgleisung mit einer jetzt noch bestehenden ausgeprägten Funktionsbehinderung. Eine unfallbedingte Gebrauchsbeeinträchtigung des rechten Arms bestehe nicht, es lägen keine Unfallfolgen vor.

Mit Schriftsätzen vom 13.04.2012 und 30.04.2012 wendet die Bevollmächtigte der Klägerin unter Übersendung des Schreibens der Chirurgin J. vom 25.04.2012 zum Gutachten des Dr. F. insbesondere ein, dass durch den Aufprall des Kartons ein Hämatom entstanden sei. Damit stehe fest, dass eine Prellung des Ellenbogens und nicht nur eine Zerrung in der Ellenbeuge stattgefunden habe. Festzustellen sei, dass der Morbus Sudeck bereits vor der OP vorhanden gewesen sei, jedoch fehlerhaft von dem Behandler nicht festgestellt worden sei. Zur weiteren Klagebegründung trägt sie mit Schriftsätzen vom 21.05.2012 und 31.07.2012 unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 05.07.2011 (B 2 U 17/10 R) insbesondere vor, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler stattgefunden habe. Die lange Ruhigstellung unmittelbar nach dem Bagatelltrauma vom 19.02.2009, nämlich vom 26.02.2009 bis 31.03.2009 und bis vier Wochen nach der Operation hätte nicht erfolgen dürfen, da die Schmerzen im Ellenbogen trotz Gipsruhigstellung unverändert stark gewesen seien, so stark, dass sogar die normalerweise völlig schmerzfreie Anwendung einer Elektrotherapie wegen des Auftretens einer Schwellung nicht mehr habe weitergeführt werden können. Ebenso habe keinesfalls die Operation durchgeführt werden dürfen, mithin in den bereits vorhandenen Morbus Sudeck (jetzt: CRPS) „hinein operiert“ werden dürfen. Dass der Morbus Sudeck bereits vor dem 31.03.2009 und vor dem 04.05.2009 vorhanden gewesen sei, ergebe sich auch aus den Feststellungen der Chirurgin Dipl.-Med. J. vom 16.06.2009, die zu diesem Zeitpunkt eine Überweisung in das Krankenhaus B-Stadt zur Schmerztherapie wegen Versteifung des Handgelenks, Ellenbogens und Schultergelenks, fehlendem Faustschluss bereits veranlasst gehabt habe, was eigentlich schon dem Stadium 2 des Morbus Sudeck entspreche. Das Stadium 1 des Morbus Sudeck sei mit einer Dauer von bis zu drei Monaten und länger vorausgegangen, sodass rückrechnend vom 16.06.2009 die Anzeichen für einen Morbus Sudeck bereits seit Anfang bis Mitte März 2009 bestanden haben müssten und von Seiten der behandelnden Ärzte der Kreisklinik B-Stadt fehlerhaft nicht festgestellt worden seien. Im Übrigen habe Dr. N. noch nachträglich mitgeteilt, dass es sich um einen BG-Fall gehandelt habe und die Beendigung der Behandlung zum 31.03.2009 unzutreffend gewesen sei. Soweit also mittelbare Unfallfolgen zu der schweren Folge der nunmehr bestehenden Funktionslosigkeit des rechten Arms der Klägerin geführt hätten, seien diese dem anerkannten Versicherungsfall im Sinne des § 11 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zuzurechnen.

Hierauf erwidert die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.06.2012 insbesondere, dass - abgesehen davon, dass die Beklagte keine Anhaltspunkte auf tatsächlich stattgefundene ärztliche Behandlungsfehler sehen könne - darauf hingewiesen werden müsse, dass der Behandler spätestens ab dem 31.03.2009 nicht mehr für die Rechnung der Beklagten tätig gewesen sei, sondern die Behandlung zu Lasten der Beklagten abgebrochen worden sei. Somit könne der Gesundheitsschaden nicht Folge einer durch die Beklagte mittelbar angeordneten Heilbehandlung sein.

Anschließend hat auf Antrag der Klägerin (Schriftsatz vom 30.04.2012) der Orthopäde Dr. R. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 14.11.2012 am 17.12.2012 gemäß § 109 SGG ein Gutachten erstellt und darin insbesondere die Auffassung vertreten, dass die Operation am 04.05.2009 während eines beginnenden Morbus Sudeck durchgeführt worden sei. Das ursächliche Ereignis für den Morbus Sudeck habe am 19.02.2009 stattgefunden. Durch die erneute Gipsruhigstellung postoperativ habe sich dann das Vollbild eines Morbus Sudeck entwickelt. Die Gipsruhigstellung habe die beginnende Sudecksche Erkrankung nicht verhindert, sondern verstärkt. Die MdE müsse mit 100% angenommen werden, da eine völlige Gebrauchsunfähigkeit des rechten Armes bestehe.

Hierauf entgegnet die Beklagte (Schriftsatz vom 09.01.2013), dass der kernspintomografische Befund vom 31.03.2009 eine mäßig ausgeprägte Epicondylitis ergeben habe, die weder nach der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. noch nach dem im Klageverfahren eingeholten Gutachten des Dr. F. und auch nicht nach dem Gutachten des Dr. R. als unfallbedingt anerkannt werden könne. Von der Kreisklinik B-Stadt sei am 31.03.2009 ein unauffällig äußerer Befund festgestellt worden, keine Blauverfärbung, keine vermehrte Behaarung oder vermehrtes Schwitzen. Die Behandlung sei zu diesem Zeitpunkt folgerichtig zu Lasten der Beklagten beendet worden. Die weitere Behandlung des unfallunabhängigen chronischen Reizzustandes der Sehnenansätze sei dann zu Lasten der Krankenkasse erfolgt. Im Verlauf dieser Behandlung sei am 04.05.2009 eine Operation (Denervierung nach Wilhelm) durchgeführt worden, was zu einem chronischen Schmerzsyndrom geführt habe. Dem Bericht des Krankenhauses der B. in R. vom 23.10.2009 sei zu entnehmen, dass es nach der im Mai durchgeführten Operation zu einer Verschlechterung der Beschwerden am rechten Unterarm der Klägerin mit rezidivierender Schwellung sowie zu einer sympathischen Dysregulation im Sinne eines CRPS gekommen sei. Diese Operation sei allerdings nicht aufgrund von Unfallfolgen notwendig gewesen. Der Bewertung der MdE mit 100 v. H. durch Dr. R. sei nicht zu folgen, da selbst der Verlust eines ganzen Armes im Schultergelenk nicht zu einer MdE von 100 führen würde.

Mit Schriftsätzen vom 31.01.2013, 15.02.2013, 22.02.2013 und 14.03.2013 wendet die Bevollmächtigte der Klägerin unter Übersendung einer Stellungnahme der Chirurgin J. vom 05.03.2013 hiergegen ein, dass der Chefarzt Dr. N. schriftlich erklärt habe, dass die Behandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 zu Unrecht abgeschlossen worden sei. Es sei nicht zutreffend, dass die Symptome nicht vor dem 31.03.2009 bestanden hätten. Im Juni 2009 seien bereits massive Anzeichen für einen Morbus Sudeck von der Chirurgin J. festgestellt worden. Dass sie im Krankenhaus nicht dokumentiert worden seien, spreche dafür, dass im Krankenhaus eine Fehldiagnose erfolgt sei. Die 12-wöchige Gipsruhigstellung nach dem 19.02.2009 habe das festgestellte CRPS-Syndrom ausgelöst. Diese Gipsruhigstellung sei anlässlich des Ereignisses am 19.02.2009 durch das Krankenhaus B-Stadt erfolgt. Allein daraus ergebe sich bereits, dass die nunmehr eingetretene Funktionslosigkeit des rechten Arms auf das Ereignis vom 19.02.2009 zurückzuführen sei.

Auf Veranlassung des Gerichts hat der gerichtliche Sachverständige Dr. F. ergänzend Stellung genommen. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat sich hierzu mit Schriftsätzen vom 06.05.2013, 17.06.2013, 28.06.2013 und 19.07.2013 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.05.2013 geäußert.

Gestützt auf eine Stellungnahme des Chirurgen/Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. M. vom 07.07.2013 trägt die Beklagte mit Schriftsätzen vom 22.07.2013 und 21.08.2013 insbesondere vor, dass eine posttraumatische Epicondylitis humeri radialis nicht angenommen werden könne. Diese Epicondylitis stelle jedoch den einzigen objektivierbaren Befund dar, der bis auf die angegebene Bewegungseinschränkung im Bereich des Ellenbogengelenks der Klägerin objektiviert sei. Ein objektivierbarer Gesundheitserstschaden liege dementsprechend nicht vor. Auch durch eine Bagatellverletzung könne ein chronisch regionales Schmerzsyndrom entstehen. Allerdings sei dann zu klären, ob eine Bagatellverletzung, die derart gering gewesen sei, dass sie keine objektivierbare Läsion hinterlassen habe, nicht auch bei jeder anderen Gelegenheit eintreten könne. Sowohl die klinische Beschreibung am 31.03.2009 mit unauffälligem Kolorit der Haut und fehlender vermehrter Schweißneigung oder Behaarung als auch der kernspintomografische Befund vom 31.03.2009 ließen zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf das Vorliegen eines chronisch regionalen Schmerzsyndroms zu, die objektivierbar wären. Gerade bildgebende Verfahren mit Röntgenaufnahmen oder Kernspintomografie hätten bereits zu einem früheren Zeitpunkt Veränderungen der Stoffwechselsituation im Knochen erkennen lassen, die auf das Vorliegen eines chronisch regionalen Schmerzsyndroms hinwiesen. Die Epicondylitis humeri radialis rechts, die nicht unfallbedingt sei, habe zur Durchführung der Operation geführt, sodass der weitere Verlauf mit der Entwicklung des chronisch regionalen Schmerzsyndroms und daraus resultierender Gebrauchsunfähigkeit als unfallunabhängig zu betrachten sei. Am 31.03.2009 hätten wieder völlig unauffällige Befunde vorgelegen (Schriftsatz vom 21.08.2013).

Hierauf entgegnet die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 02.09.2013 insbesondere, dass der Krankengymnast E. S. ein direktes Trauma auf den Ellenbogen dokumentiert habe und die Behandlungen aufgrund der erheblichen Schmerzen der Klägerin, die sich bereits vor der Operation am 04.05.2009 gezeigt hätten, abgebrochen und die Klägerin dann wieder in das Krankenhaus verwiesen habe. Dort sei nur eine Ruhigstellung des Arms veranlasst worden. Aufgrund dieser - grob fehlerhaften - Ruhigstellung des Arms sei es dann zu der Ausbildung der Sudeckschen Erkrankung gekommen. Die Sudecksche Heilentgleisung sei bereits vor der Operation vorhanden gewesen, sodass es grob fehlerhaft gewesen sei, in diese bereits beginnende Heilentgleisung „hinein zu operieren“. Durch die weitere Gipsruhigstellung, die nicht lege artis erfolgt sei, sei die Entwicklung des Schmerzsyndroms noch verschlimmert worden. Gegen die Ausbildung des Schmerzsyndroms erst bei der Operation am 04.05.2009 spreche, dass bereits Mitte Mai 2009 Dr. P. die Feststellungen eines Sudecks im Stadium 2 angestellt habe. Die Chirurgin Dipl.-Med. J. habe bereits am 15.06.2009 das Stadium 2 der Sudeckschen Heilentgleisung diagnostiziert. Wenn Dr. M. ausführe, dass das Stadium 1 in einem Zeitraum zwischen der ersten und siebten Woche eine starke Schmerzhaftigkeit auslöse, dann könne das Stadium 1 am 15.06.2009 wie auch am 24.05.2009 nicht mehr bestanden haben, denn zu diesen Zeitpunkten habe die Klägerin bereits länger als sieben Wochen starke Schmerzen gehabt.

Auf gerichtliche Veranlassung hat der gerichtliche Sachverständige Dr. F. am 16.01.2013 gemäß § 106 SGG erneut Stellung genommen.

Mit Schriftsatz vom 30.04.2014 weist die Beklagte demgegenüber darauf hin, dass auch Dr. F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.01.2013 korrekt wiedergegeben habe, dass der Bericht aus der Kreisklinik B-Stadt vom 31.03.2009, mit dem der Abbruch der Behandlung zu Lasten der Beklagten mitgeteilt worden sei, vom Oberarzt Dr. T. unterschrieben worden sei und nicht vom Chefarzt Dr. N.. Insofern könne wohl keine Äußerung von Dr. N. hierzu erfolgen.

Gemäß Beweisanordnung vom 04.02.2015 i. V. m. dem Beschluss vom 06.11.2015 hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Schmerzkrankheit Dr. I. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 13.05.2015 gemäß § 106 SGG ein Gutachten erstattet, in dem er zusammenfassend die Auffassung vertreten hat, dass es unerheblich sei, ob es zu einer Zerrung des Ellenbogens gekommen sei oder ob ein schwerer Karton in die Ellenbeuge oder auf die Außenseite des Ellenbogengelenks gefallen sei. Die operierte „Epicondylopathie“ sei in diesem Fall prinzipiell keine ausreichend gesicherte Diagnose. Wenn tatsächlich eine radiale Epicondylopathie vorgelegen hätte, so wäre sie keine Unfallfolge. Es sei eindeutig festzustellen, dass das Beschwerdebild und die Frequenz der Nachbehandlung einer normalen „Zerrung“ oder „Prellung“ nicht entsprächen. Derartige Banalverletzungen hätten auch die Behandlung mit einem Oberarmgips nicht notwendig gemacht. Das später diagnostizierte CRPS sei keine Operationsfolge gewesen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe es bereits vor dem Eingriff am 04.05.2009 vorgelegen. Eine konkrete Verschlechterung des sich entwickelnden CRPS durch den Eingriff sei zumindest nicht beweisbar. Ab dem Untersuchungstag (13.05.2015) sei die MdE mit 60 einzuschätzen.

Hiergegen wendet die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.06.2015 unter Übersendung der Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. M. vom 15.06.2015 insbesondere ein, dass für die Überzeugung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I., in der Zeit zwischen dem Trauma und der Operation am rechten Ellenbogengelenk habe sich ein CRPS entwickelt, jeglicher objektiver Nachweis fehle.

Daraufhin hat der gerichtliche Sachverständige Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2015 gemäß § 106 SGG insbesondere dargelegt, dass das Ereignis zu einer Traumatisierung des rechten Ellenbogengelenks geführt habe, wenn auch ohne radiologisch sicher nachweisbare strukturelle Unfallschäden. Der fehlende konkrete Nachweis bedeute aber nicht, dass ein Unfallereignis nicht vorgelegen habe.

Hierzu äußert sich die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 24.07.2015 insbesondere dahingehend, dass der Physiotherapeut E. S. die Behandlung Anfang März 2009 mit der Begründung abgebrochen habe, dass hier keine einfache Zerrung/Prellung vorgelegen habe, mithin stärkere Verletzungen vorgelegen haben müssten. Er habe auch ein Hämatom festgestellt. Des weiteren habe er festgestellt, dass vermehrtes Schwitzen vorliege und der Arm wohl ein beginnendes CRPS ausweise.

Hierzu entgegnet die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.08.2015, dass E. S. in seiner Stellungnahme vom 13.03.2011 als sichtbaren Befund eine Schwellung und ein Hämatom im Bereich des Olecranon beschreibe. Die von der Bevollmächtigten der Klägerin erwähnten sichtbaren Befunde erwähne E. S. jedoch nicht. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, wie diese Angaben zustande kämen. Es lägen keine Unterlagen vor, wonach E. S. ein vermehrtes Schwitzen aufgefallen sei.

Mit Schriftsatz vom 09.11.2015 trägt die Beklagte unter Übersendung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Univ. Prof. Dr. P. vom 03.11.2015 insbesondere vor, dass die radiologische Auswertung des MR vom 31.03.2009 ergeben habe, dass sich in diesem MR keine Hinweise auf ein beginnendes CRPS gefunden hätten. Es liege danach eine chronische Epicondylitis radialis vor, wodurch sich die chronischen Beschwerden der Klägerin zwanglos erklärten. Durch den Hinweis von Dr. I., dass es trotz der Banalität der Läsion schicksalshaft zu einer Heilentgleisung gekommen sei, werde bestätigt, dass es sich bei dem Ereignis vom 19.02.2009 um ein austauschbares Ereignis gehandelt habe, also die Diagnose CRPS nur gelegentlich des Ereignisses aufgetreten sei. Im Übrigen lasse sich die Diagnose CRPS erst nach dem nicht unfallbedingten operativen Eingriff am 04.05.2009 stellen.

Auf Veranlassung des Gerichts hat der gerichtliche Sachverständige Dr. I. am 19.11.2015 erneut ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass der Kernspintomografie keine erhebliche Bedeutung beizumessen sei. Der Hinweis, dass es nach der Prellung des Ellenbogengelenks schicksalshaft zu einer Heilentgleisung gekommen sei, bedeute nicht, dass das Unfallereignis ein austauschbares Ereignis gewesen sei. Es sei auch kein Fall eines spontan ohne jedwedes Ereignis aufgetretenes CRPS bekannt.

Das Gericht hat die ärztlichen Unterlagen der Chirurgin J. beigezogen und den Physiotherapeuten E. S. als sachverständigen Zeugen sowie den gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 einvernommen.

Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt zuletzt (öffentliche Sitzung vom 27.11.2015):

1. Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 werden aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Gesundheitsstörung „komplexes regionales Schmerzsyndrom“ Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin anlässlich des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten (Bände I und II) und der Gerichtsakte verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig (§§ 51, 54 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. HS und Abs. 4, 55 Abs. 1 Nr. 3, 57, 78, 87, 90 SGG).

Der von der Bevollmächtigten der Klägerin zuletzt gestellte Antrag (siehe öffentliche Sitzung vom 27.11.2015), festzustellen, dass die Gesundheitsstörung „komplexes regionales Schmerzsyndrom“ Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ist, stellt gegenüber dem im Schriftsatz vom 29.07.2011 gestellten Feststellungsantrag eine im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG zulässige Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung dar. Nach dieser Vorschrift ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Klageänderung ist hier zulässig, weil insoweit eine Klärung im Rahmen der hierfür erforderlichen medizinischen Sachverhaltsermittlung im Klageverfahren erfolgt ist und sie deshalb sachdienlich ist. Darüber hinaus hat die Beklagte ihre Einwilligung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG stillschweigend dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie sich ohne Widerspruch schriftsätzlich und in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 auf die geänderte Klage eingelassen hat.

Die Klage ist auch im Sinne des zuletzt gestellten Antrags begründet. Denn die Ziffern 2, 3 und 4 des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Unter Aufhebung der Ziffern 2, 3 und 4 der angefochtenen Bescheide war als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 ein „komplexes regionales Schmerzsyndrom“ festzustellen und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin anlässlich des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 Verletztengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer MdE von 60 v. H. der Vollrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Zu dieser Überzeugung gelangte das Gericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen medizinischen Befunde und Stellungnahmen, insbesondere aufgrund der schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. in seinem Gutachten vom 13.05.2015 einschließlich ergänzender Stellungnahmen vom 17.17.2015 und 19.11.2015 sowie aufgrund seiner Einvernahme und der Einvernahme des sachverständigen Zeugen E. S. in der öffentlichen Sitzung am 27.11.2015.

Die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und ggf. die Entschädigung durch Zahlung einer Verletztenrente setzt voraus, dass die Gesundheitsstörung Folge eines Versicherungsfalles, d. h. eines Arbeitsunfalles, ist. Der Arbeitsunfall muss wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt haben. Davon ist auszugehen, wenn er neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 28.06.1988, BSGE 63, 277). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d. h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSG, Urteil vom 27.03.1958, BSGE 7, 103, 106). Demgegenüber ist hinreichende Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheits(erst) schaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie den Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ausreichend.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ist nur dann zu bejahen, wenn mehr für als gegen die jeweilige Tatsache spricht (BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, Juris Rn. 4). Voraussetzung ist unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, Juris Rn. 4 m.w.N.). Die Anforderungen an die hinreichende Wahrscheinlichkeit sind grundsätzlich höher als diejenigen an die Glaubhaftmachung (BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, Juris Rn. 4). Bei der bei der Glaubhaftmachung zu fordernden hinreichenden Wahrscheinlichkeit genügt die gute Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei gewisse Zweifel bestehen bleiben können.

Demgegenüber ist der sogenannte Vollbeweis erst dann erbracht, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung, die bei an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist, zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.1963, 2 RU 75/61 = BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 22.09.1977, 10 RV 15/77 = BSGE 45, 1; vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R = Breithaupt 2000, 390 f.; vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B = Breithaupt 2001, 967 und Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2008, § 128 Rn. 3 c m.w.N.).

Ein im dargestellten Sinn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegender Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 19.02.2009 und dem bei der Klägerin im Vollbeweis erwiesenen „komplexen regionalen Schmerzsyndrom“ liegt vor. Der Abbruch der Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 erfolgte zu Unrecht.

Eine Gesamtwürdigung der in den Akten enthaltenen Befunde und Angaben über den Krankheitsverlauf sowie des Schadensbildes nach dem Unfall vom 19.02.2009 ergibt für das Gericht ohne Zweifel, dass das später diagnostizierte CRPS keine Operationsfolge war, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits vor dem Eingriff vom 04.05.2009 vorlag, d. h. bereits vor diesem Zeitpunkt im Vollbeweis erwiesen ist.

Daher erübrigt sich eine Erörterung, ob das CRPS eine mittelbare Unfallfolge aufgrund der Operation am 04.05.2009 im Sinne des § 11 SGB VII ist, sodass es unerheblich ist, dass diese Operation am 04.05.2009 von der Krankenkasse veranlasst wurde.

Für das Vorliegen eines CRPS vor dem 04.05.2009 und dem hinreichend wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen dem CRPS und dem Arbeitsunfall vom 19.02.2009 sprechen nach der zutreffenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. folgende maßgeblichen Umstände:

Bereits zum Zeitpunkt des Abbruchs der Behandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 bestanden bei der Klägerin „starke Berührungs- und Druckschmerzen mit Punctum maximum Außenseite rechter Ellenbogen“. Der Karteikartenauszug vom 29.06.2011 über die berufsgenossenschaftliche Behandlung berichtet über den Verlauf nach dem Arbeitsunfall: „Weiterhin noch Beschwerden bei Belastung, Rotation etc.“, „in Ruhe gut“. Am 10.03.2009 wurde mit der Bemerkung „keine Besserung der Beschwerden“ ein Oberarmcast angelegt. Der Oberarmcast wurde am 17.03.2009 entfernt, eingetragen wurde die Anmerkung „Schmerz wie Epicondylitis radialis und ulnaris“. Der Cast wurde gepolstert. Voltarengel wurde zur Anwendung empfohlen.

In Übereinstimmung mit den gutachterlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. geht auch das Gericht davon aus, dass aus den genannten Unterlagen eindeutig hervorgeht, dass die Klägerin nach dem Arbeitsunfall vom 19.02.2009 unter anhaltenden Schmerzen gelitten hat, sich wiederholt zur ärztlichen Behandlung vorgestellt hat, mit einer Oberarmschiene behandelt worden ist und therapieresistente Beschwerden geschildert hat, die im Verlauf zu Unrecht als Epicondylitis gewertet worden sind. Derartige Banalverletzungen hätten auch eine Behandlung mit einem Oberarmgips nicht notwendig gemacht.

Dies ergibt sich auch aus der Aussage des in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 einvernommenen sachverständigen Zeugen E. S. Dieser hat glaubhaft erklärt, dass die Klägerin bereits zwei Wochen nach dem Arbeitsunfall vom 19.02.2009 mit einer Verordnung der Kreisklinik B-Stadt zu ihm in die Praxis gekommen sei, die zweite Behandlung habe 4 Tage nach der ersten Behandlung, die dritte Behandlung habe ca. 3 Tage nach der ersten Behandlung stattgefunden. Während der drei Behandlungen war die Haut am Ellenbogen der Klägerin rechts bläulich-zyanotisch; die Haut sei glänzend gewesen, auch gelblich, so, als ob sich ein Bluterguss auflöse. Es habe eine Bewegungseinschränkung vorgelegen und die Klägerin habe unter starken Schmerzen gelitten, wobei der Schmerz während dieses Zeitraums der drei Behandlungen zunehmend gewesen sei. Er habe die Behandlung abgebrochen, weil er der Auffassung gewesen sei, dass man das Ganze nochmal genau untersuchen müsste. Somit entspricht das Beschwerdebild und die Frequenz der Nachbehandlung nicht einer normalen „Zerrung“ oder „Prellung“.

Hingegen spricht nicht gegen das Vorliegen eines CRPS, dass keine radiologisch und klinisch feststellbaren konkreten Strukturschäden des betroffenen Körperteils aufgetreten sind; ein CRPS kann nämlich auch ohne solche Strukturschäden auftreten.

In Übereinstimmung mit der zutreffenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. hat auch das behandelnde Krankenhaus nach Bekanntwerden des CRPS angenommen, dass der frühe Abbruch der Behandlung zu Lasten der Beklagten dem Verlauf nach nicht gerechtfertigt gewesen ist und zwischen dem später diagnostizierten CRPS I und dem Unfall ein hinreichender Zusammenhang besteht. Aus dem anamnestischen Verlauf und der medizinischen Dokumentation in den Akten zieht das Gericht den Schluss, dass ein beginnendes CRPS mit Beschwerden auch am Epicondylus als Epicondylitis gedeutet und operiert worden ist. Die Klägerin wurde nämlich am 04.05.2009 wegen einer vermuteten radialen Epicondylopathie rechts operativ behandelt. Wenn tatsächlich eine radiale Epicondylopathie vorgelegen hätte, so wäre sie - nach der zutreffenden übereinstimmenden Auffassung sämtlicher Gutachter - keine Unfallfolge. Denn eine traumatische Epicondylopathie - falls es sie überhaupt gibt - müsste - worauf Dr. I. in seinem Gutachten vom 13.05.2015 zu Recht hinweist - kernspintomografisch sekundäre Verletzungszeichen wie Knochenödem, Weichteilödem oder Einblutungen zeigen, was für alle Verletzungsfolgen des Bewegungsapparates gilt. Die Diagnose einer radialen Epicondylopathie wurde auch nicht ordnungsgemäß erarbeitet: Im Befundbericht vom 17.03.2009 ist die Rede von einem „Schmerz wie Epicondylitis radialis“ mit einem nicht genauer lesbaren Zusatz („und ulnar“?). Ein genauerer Befund fehlt, z. B. über eine Schmerzprovokation bei Betätigung der Unterarmstrecker.

Die von Dr. F. in seinem Gutachten vom 13.02.2012 vertretene Auffassung, dass der auf Blatt 6 der Unfallakte dokumentierte Befund gegen ein CRPS spreche, ist nicht stichhaltig. Es sei lediglich eine deutliche Bewegungsstörung notiert worden, was durch die Gipsruhigstellung bedingt sein könne. Insoweit verkennt Dr. F., dass - worauf Dr. I. in seinem Gutachten vom 13.05.2015 ebenfalls zu Recht hinweist - eine Ruhigstellung mit einer unter anderem zur Köperpflege abnehmbaren Schiene nicht zu einer erheblichen Bewegungsstörung mit Streckdefizit, Beugung lediglich bis zum rechten Winkel und weitgehend aufgehobener Außendrehfähigkeit des Unterarms führt, zumal die Schiene nur für kurze Zeit (10.03.2009 bis 31.03.2009) angelegt worden war. Vielmehr wurde in dem von Dr. F. zitierten Schriftstück eindeutig auf Schmerzen hingewiesen: Der Untersucher beschrieb starke Berührungs- und Druckschmerzen mit Punctum maximum auf der Außenseite des rechten Ellenbogengelenkes, also eindeutig nicht nur dort.

Der Einwand von Dr. F., dies sei nicht typisch für ein CRPS, ist nicht stichhaltig: Für ein CRPS sind nämlich die auf Blatt 6 der Akte der Beklagten notierten „starken Berührungs- und Druckschmerzen“ typisch. Dass eine Blauverfärbung nicht beschrieben wurde, spricht ebenfalls nicht dagegen, auch nicht das Fehlen einer vermehrten Behaarung oder vermehrten Schwitzens. Die Hautanhangsgebilde ändern sich im Laufe des CRPS allmählich, hierfür gibt es keine präzise zeitliche Definition. Auch der weitere Einwand des Dr. P., der Vollbeweis einer schwerwiegenden Verletzung sei nicht möglich, ist nicht stichhaltig. Denn ein CRPS tritt regelmäßig auch ohne konkrete nachweisbare strukturelle Schäden auf, das Fehlen struktureller Schäden im vorliegenden Fall spricht bei diesem Krankheitsbild nicht gegen eine traumatische Läsion.

In diesem Sinne sind auch die Einwände der Chirurgin Dr. J. gegen das Gutachten des Dr. F. vom 03.01.2012, die starken Beschwerden der Klägerin nach dem Unfall seien weder durch eine Epicondylitis noch durch eine Prellung erklärbar, berechtigt. Letztlich ist aufgrund der Feststellungen der behandelnden Chirurgin J. vom 16.06.2009, es seien bereits massive Anzeichen für einen Morbus Sudeck vorhanden, und ihrer Überweisung der Klägerin in das Krankenhaus B-Stadt zur Schmerztherapie sowie aufgrund der Diagnose des Dr. P., der bereits Mitte Mai 2009 einen Morbus Sudeck im Stadium 2 festgestellt hat, der Rückschluss zu ziehen, dass der Morbus Sudeck im Stadium 1 bereits vor Abbruch der Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 vorgelegen hat.

Hingegen vermögen die Ausführungen des beratenden Arztes Dr. M. in seinen Stellungnahmen vom 07.07.2013 und 15.06.2015, auf die sich die Beklagte beruft, das Gericht nicht zu überzeugen. Das Gericht folgt nicht der Beurteilung von Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 07.07.2013, ein objektivierbarer Gesundheitsschaden könne nicht angenommen werden, sodass ein Unfallereignis im Sinne des SGB VII nicht gegeben sei. Denn das Ereignis hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit - was der gerichtliche Sachverständige Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2015 nochmals ausdrücklich hervorhebt - zu einer Traumatisierung des rechten Ellenbogengelenks geführt, wenn auch ohne radiologisch sicher nachweisbare strukturelle Unfallschäden. Insoweit stehen die Ausführungen des Dr. M. auch im Widerspruch zur Anerkennung des Ereignisses vom 19.02.2009 als Arbeitsunfall durch die Beklagte. Denn die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall setzt nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII voraus, dass ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegt, d. h. ein Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt.

Soweit Dr. M. weiterhin ausführt, dass „…zu klären ist, ob eine Bagatellverletzung, die derart gering war, dass sie keine objektivierbare Läsion hinterließ, nicht auch bei jeder anderen Gelegenheit eintreten kann … dann handelt es sich ebenfalls nicht um einen Arbeitsunfall und dessen Folgen“ und er damit von einer sogenannten „Gelegenheitsursache“ ausgeht, ist seine Beurteilung ebenfalls nicht schlüssig.

Eine „Gelegenheitsursache“ liegt vor, wenn unfallunabhängige Faktoren bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens darstellen. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern das jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R, Juris Rn. 20). „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat und als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen ist und damit keine Ursache im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, Juris Rn. 18).

Wie bereits dargestellt, kann ein CRPS ohne nachweisbaren strukturellen Schaden auftreten. Daraus lässt sich jedoch nicht - worauf Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.11.2015 zu Recht hinweist - der Umkehrschluss ziehen, dass es ohne Trauma bei der Klägerin aufgetreten wäre oder dem CRPS keine traumatische Ursache zugrunde gelegen hat.

Insoweit begründet Dr. M. auch nicht, welche der „beiden Ursachen“ im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn welchen Gesundheitsschaden verursacht haben und welche unfallunabhängige Ursache die rechtlich allein wesentliche Bedingung für welchen Gesundheitsschaden war.

Soweit Dr. M. einwendet, Dr. I. habe auf Seite 3 seines Gutachtens festgestellt, dass die Behandlung mit Ruhigstellung des Arms im Ellenbogengelenk zu einer nahezu schmerzfreien Situation geführt habe, dies spreche dafür, dass eine Epicondylitis humeri radialis vorgelegen habe und ein CRPS nicht angenommen werden könne, ist dies ebenfalls unzutreffend. Dr. I. hat in seinem Gutachten gerade nicht mitgeteilt, dass im Gips eine Beschwerdebesserung aufgetreten ist. Hierzu wird ausdrücklich auf die Blätter 3 und 25 des Gutachtens von Dr. I. verwiesen.

Der Auffassung von Dr. M., dass eine Epicondylitis humeri radialis bestanden habe, vermag das Gericht ebensowenig zu folgen wie seine Behauptung, dass bei der Klägerin eine Hyperurikämie vorgelegen habe, die auch eine Schmerzsymptomatik im Bereich des Ellenbogengelenks im Sinne einer Epicondylopathie ermögliche. Denn damit können die massiven Beschwerden der Klägerin seit dem Arbeitsunfall am 19.02.2009 nicht erklärt werden.

Gegen das Vorliegen einer radialen Epicondylopathie spricht vor allem, dass ein solches Krankheitsbild regelmäßig im Gips erfolgreich behandelt wird und solche Patienten im Gips sogar beschwerdefrei sind. Die Klägerin war dies jedoch nicht. Dass eine radiale Epicondylopathie während der Ruhigstellung im Gips hat entstehen können, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil dieses Krankheitsbild Folge ständiger respektiver Gewichtsbelastungen des betroffenen Arms mit Betätigung der Unterarmstrecker ist.

Das Gericht vermag der Auffassung des Dr. M., das Fehlen intraoperativer Befunde spreche gegen die Annahme eines CRPS, nicht zu folgen. Es gibt nämlich keine intraoperativen Befunde, die für ein CRPS typisch sind. Dass sich im Operationsbericht vom 04.05.2009 keine Hinweise auf das Vorliegen eines CRPS I finden, versteht sich daher von selbst. Ferner entspricht die Tatsache, dass bei der Klägerin klinisch symptomlose Sehnenveränderungen kernspintomografisch erkennbar waren, einem nahezu physiologischen Phänomen, das für zahlreiche, nicht symptomatische Sehnenerkrankungen beispielsweise an der Achillessehne, der Drehmanschette, den Bandscheiben und dem Meniskus bekannt ist. Die Beurteilung des Dr. M. ist auch insoweit nicht nachvollziehbar, als dieser die Frage stellt, warum das Ereignis vom 19.02.2009 das maßgebliche Ereignis gewesen seien solle und nicht die Operation. Denn die Klägerin hat trotz der Ruhigstellung ihres Arms an anhaltenden Beschwerden gelitten, was eine Epicondylopathie ausschließt; vielmehr weisen die dokumentierten Schmerzen auf ein bereits vor der Operation bestehendes CRPS hin. Der Schmerzzustand am rechten Arm wurde lediglich irrtümlicherweise als radiale Epicondylopathie gewertet und operiert.

Soweit die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2015 die Auffassung vertritt, dass es bei der Klärung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem Unfallereignis und der Diagnose eines CRPS dann zu keinen großen Schwierigkeiten komme, wenn das CRPS im Anschluss an eine erhebliche Verletzung aufgetreten sei, ist dies zweifellos zutreffend. Der weitere Hinweis der Beklagten, dass es bei geringfügigen Verletzungen (z. B. leichten Prellungen) gelte, stets den Grad der Mitwirkung des Traumas an der Entstehung eines CRPS sorgfältig abzuwägen und Stellung zu nehmen, ob und warum eine leichte Gewebeschädigung ausnahmsweise wesentliche Teilursache oder ob sie vielmehr rechtsunerhebliche Gelegenheitsursache sei, ist zwar ebenfalls zutreffend formuliert, kann jedoch im vorliegenden Fall die Verneinung eines hinreichenden Kausalzusammenhangs zwischen dem bei der Klägerin diagnostizierten CRPS und dem Unfallereignis vom 19.02.2009 nicht begründen. Zum einen ist bekannt - worauf Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.07.2015 zutreffend hinweist - dass ein CRPS nicht selten nach einer Bagatellverletzung ohne konkreten strukturellen Schaden auftreten kann, beispielsweise nach harmlosen kleinen Prellungen oder Stauchungen. Zum anderen setzt die Annahme, der Arbeitsunfall vom 19.02.2009 stelle eine Gelegenheitsursache dar, voraus, dass zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 bereits ein Vorschaden vorgelegen hat, d. h. neben dem Arbeitsunfall eine weitere Ursache, die im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn für das Entstehen des Gesundheitsschadens CRPS ursächlich war. Einen solchen Vorschaden, der zum Zeitpunkt des Unfallereignisses am 19.02.2009 bereits vorgelegen haben soll, hat auch Dr. M. nicht benannt.

Auch die Stellungnahme des Radiologen Univ. Prof. Dr. P. vom 03.11.2015, auf die sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 0911.2015 beruft, überzeugt das Gericht nicht. Dieser führt aus, dass im MR vom 31.03.2009 keine Hinweise auf ein beginnendes CRPS zu sehen gewesen seien und eine chronische Epicondylitis radialis vorgelegen habe, die die chronischen Beschwerden der Klägerin zwanglos erklärten. Zur MR-Untersuchung vom 31.03.2009 führt er im Einzelnen aus: „Deutliche Ödembildung am Ansatz der Extensoren am Epicondylitis lateralis. Nach Kontrastmittelgabe findet sich hier am gemeinsamen Ansatz der Extensoren eine Kontrastmittelanreicherung. Auch die umgebene Synovialis in diesem Bereich zeigt eine KM-Anreicherung, die bis zum Olecranon reicht mit einem geringen Erguss im Ellenbogengelenk.“

Zu Recht weist der gerichtliche Sachverständige Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.11.2015 in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man ein Ödem vor allem in der Gegend des Olecranons sieht, das nichts mit einer Epicondylopathie zu tun hat. Am Ursprung der Extensoren sieht man eine kleine verwaschene Ödemzone (von dem befunderhebenden Radiologen am 31.03.2009 als „mäßig“ bezeichnet). Außerdem sieht man ein Ödem im proximalen Unterarm sowohl in der Speiche als auch in der Elle (Image 8, SER.901, T1W_TSE SPAIR post GD). Dieser Befund ist nicht beweisend für eine Epicondylitis radialis. Signalstörungen in den Sehnen finden sich auch bei symptomlosen Individuen überaus häufig, wie dies nicht erst seit der Boden-Studie von 1991 bekannt ist. Die Erklärung nicht bekannter Beschwerden mit dem radiologischen Befund ist definitiv nicht zulässig. Die Kernspintomografie hat hier keine Beweiskraft, radiologische Befunde und klinische Befunde korrelieren eben sehr häufig nicht. Im Übrigen ist im MR vom 31.03.2009 ein Weichteilödem, noch relativ begrenzt, in der Region des Ellenbogengelenkes streckseitig zu sehen, was einen Hinweis auf einen Sturz auf das Ellenbogengelenk darstellen könnte. Allerdings kommt diesem Befund in der Kernspintomografie keine erhebliche Bedeutung zu.

Entgegen der Anregung der Beklagten im Schriftsatz vom 09.11.2015 war das Gericht nicht gehalten, ein schmerztherapeutisches Gutachten gemäß § 106 SGG einzuholen. Denn im vorliegenden Fall ist die Kausalitätsfrage umstritten sowie der Zeitpunkt, ab dem ein CRPS im Vollbeweis erwiesen ist; für diese streitentscheidenden Fragen ist der langjährig erfahrene gerichtliche Sachverständige Dr. I. aufgrund seiner fachlichen Qualifikation durchaus kompetent.

Zusammenfassend ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass bereits vor dem operativen Eingriff am 04.05.2009 und letztlich auch vor dem Abbruch der Heilbehandlung am 31.03.2009 ein CRPS im Vollbeweis erwiesen und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 19.02.2009 zurückzuführen ist. Ob der operative Eingriff auf die Entwicklung der Symptome einen negativen Einfluss hatte, kann daher allenfalls für die Höhe der MdE Bedeutung haben. Der Arbeitsunfall vom 19.02.2009 hat nicht zu einer radialen Epicondylopathie geführt, sondern zu einer Prellung bzw. Zerrung des rechten Ellenbogengelenks ohne nachgewiesenen strukturellen Schaden. Ob es sich hierbei um eine Prellung oder Zerrung gehandelt hat, ist für die streitentscheidenden Fragen unerheblich. Schicksalshaft kam es dann trotz der Banalität der Läsion zu der Entwicklung einer Heilentgleisung. Das Unfallereignis war zur Überzeugung des Gerichts kein austauschbares Ereignis für die Entstehung des CRPS. Der Abbruch der Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten am 31.03.2009 erfolgte zu Unrecht.

Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I. sind auch insoweit überzeugend, als dieser die MdE mit 60 v. H. einschätzt. In diesem Zusammenhang führt er anlässlich seiner Befragung in der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2015 schlüssig aus, dass die MdE von 60 v. H. den Funktionsverlust mit den üblichen Schmerzen umfasst, besondere Schmerzen sind dabei in der MdE-Bewertung nicht berücksichtigt worden, weil sie rückblickend im Hinblick auf eine höhere MdE-Bewertung nicht ausreichend objektivierbar sind und aktuell nicht mehr im Vordergrund stehen. Die Stadien CRPS I, II und III wirken sich nicht auf eine MdE-Bewertung aus, sondern beschreiben lediglich den zeitlichen Ablauf des CRPS. Bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. I. war die Funktion des rechten Arms im Schultergelenk ganz erheblich eingeschränkt, im Ellenbogengelenk eingeschränkt, bezüglich der Unterarmdrehbeweglichkeit und der Handgelenksbeweglichkeit weniger ausgeprägt eingeschränkt, die aktive Funktion der Finger war bei passiver relativ weit möglicher Beugbarkeit ebenfalls weitestgehend eingeschränkt (Seite 33 seines Gutachtens). Daher ist die Bewertung der MdE mit 30 v. H. im von der Beklagten beauftragten Zusammenhangsgutachten vom 15.12.2010 nicht angemessen.

Ebensowenig ist der Einschätzung der MdE mit 100 v. H. durch den gemäß § 109 SGG gehörten Gutachter Dr. R. in seinem Gutachten vom 17.12.2012 zu folgen. Der komplette Verlust des Arms im Schultergelenk wäre mit einer MdE von 70 v. H. verbunden. Ein derartiger Befund liegt jedoch bei der Klägerin anatomisch nicht vor. Der aktuelle Befund kommt allerdings einer Amputation im Schultergelenk nahe, wobei ein solcher Zustand in bestimmten Situationen u. U. sogar günstiger wäre. Die rechte obere Extremität der Klägerin kann mit starken Einschränkungen nur zu geringen Tätigkeiten herbeigezogen werden. Ihre rechte Hand kann bei in Streckstellung eingesteiftem Ellenbogengelenk nur unter bestimmten Bedingungen als Gegenhand genutzt werden, ist also de facto nicht für Tätigkeiten geeignet. Die Feinmotorik ist nahezu aufgehoben. In der Praxis von Dr. I. unterzeichnete die Klägerin an der Anmeldung ein Dokument mit gestrecktem Arm mit der rechten Hand mit krakeliger Unterschrift; dabei wurde der Kugelschreiber mit der linken Hand in die rechte geführt, der Kugelschreiber wurde zwischen dem Daumen und dem gestreckten Zeigefinger eingeklemmt. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass der lang andauernde starke Schmerz bis zur Untersuchung der Klägerin durch Dr. I. am 13.05.2015 zurückgegangen ist. Ferner steht nicht fest und ist auch nicht beweisbar, dass der Eingriff am 04.05.2009 eine wesentliche Verschlechterung des CRPS im Sinne einer höheren MdE bedingt hat.

Aus den dargelegten Gründen ergibt sich, dass die Gesundheitsstörung „komplexes regionales Schmerzsyndrom“ als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.2009 festzustellen ist und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 2, 3 und 4 (= Erstattung der Vorschüsse auf Verletztengeld in Höhe von 450,00 Euro) des Bescheides vom 20.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 zu verurteilen war, die entsprechenden gesetzlichen Leistungen (§§ 45 ff., 56 ff. SGB VII) nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

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(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änd

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(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 11 Mittelbare Folgen eines Versicherungsfalls


(1) Folgen eines Versicherungsfalls sind auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge 1. der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung

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Bundessozialgericht Urteil, 05. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R

bei uns veröffentlicht am 05.07.2011

Tenor Die Revision wird zurückgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt.

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Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt.

Im Übrigen wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Juni 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, ob weitere Gesundheitsstörungen - ein Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts, sowie ein Zustand nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung dieser Vene und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts - als Unfallfolgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 festzustellen sind.

2

Der Kläger leitete am 10.9.2003 eine Tauchgruppe auf der Insel G. Er betrat mit voller Tauchausrüstung nebst Kamera mit einem Gesamtgewicht von ca 40 bis 60 kg das Wasser. Als dieses mehr als knie-, aber noch nicht hüfttief war, trat er auf einen Stein und knickte um. Eine Rotations-Streckbewegung des rechten Knies erfolgte dabei nicht.

3

Der Durchgangsarzt Dr. K. führte am 13.9.2003 eine durchgangsärztliche Untersuchung durch und diagnostizierte eine Distorsion des rechten Knies (Durchgangsarztbericht vom 16.9.2003). Nach einer weiteren Untersuchung vom 23.9.2003 äußerte Dr. K. den Verdacht auf Innenmeniskusläsion. Es bestehe die Indikation zur Arthroskopie; Aufnahme und Operation wurden für den folgenden Tag vereinbart. Am 24.9.2003 wurde die Arthroskopie durchgeführt, "unter" der Diagnose einer degenerativen Innenmeniskusläsion. Intraoperativ hatte sich keine frische Läsion gefunden. Es lag ein isolierter Lappenriss des Innenmeniskus vor, also ohne Verletzungen der Kniebänder. Es wurde eine Innenmeniskushinterhornresektion durchgeführt. Im Operationsbericht vom 24.9.2003 heißt es, das Hinterhorn selbst habe aufgefaserte Strukturen gezeigt, sodass die klinische Diagnose bestätigt sei.

4

In der Folgezeit trat beim Kläger im rechten Bein eine Teilthrombosierung der Vena saphena parva bei Stammvarikosis mit Insuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans auf. Am 15.10.2003 erfolgte deshalb eine Operation. Hierbei wurden gleichzeitig radikuläre Varizen am linken Unterschenkel operativ entfernt. Am 10.11.2003 wurde der Kläger wegen akuter linksthorakaler Schmerzen und Dyspnoe stationär behandelt, dabei wurde ua eine Lungenembolie bei Oberschenkelthrombose links diagnostiziert.

5

Die Beklagte stellte im Bescheid vom 1.12.2004 als Folgen des Versicherungsfalls des Klägers vom 10.9.2003 eine "folgenlos ausgeheilte Kniedistorsion rechts mit Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für den Zeitraum 13. bis 27.9.2003" fest. Einen Anspruch auf Rente lehnte sie mangels einer MdE von mindestens 20 vH ebenso ab wie die Anerkennung weiterer Unfallfolgen. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.3.2005 zurück, in dem sie den Gesundheitserstschaden als banale Distorsion des rechten Knies bezeichnete.

6

Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 6.10.2006 abgewiesen, weil keinerlei Unfallfolgen mehr festzustellen seien. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 15.6.2010 zurückgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003. Hinsichtlich des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion fehle es bereits an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis. Das Unfallereignis ohne entsprechende Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus sei nicht geeignet gewesen, einen isolierten Lappenriss des Innenmeniskus zu verursachen. Dieses Ereignis habe nur zu einer folgenlos ausheilenden Distorsion des Kniegelenks führen können. Auch der Zustand nach Unterschenkelvenen-Thrombose rechts im Bereich der Vena saphena parva mit operativer Entfernung des thrombotischen Gefäßes und einer Perforansvenenklappeninsuffizienz sei keine (mittelbare) Folge des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003. Dabei hat das LSG offen gelassen, ob diese Gesundheitsstörungen Folgen der arthroskopischen Operation des rechten Kniegelenks sind. Es handele sich nicht um "mittelbare Unfallfolgen" iS von § 8 SGB VII bzw § 11 SGB VII, denn sie seien nicht bei Erkennung oder Behandlung von Folgen des Versicherungsfalls eingetreten. Auf die subjektive Sicht des Klägers, die Arthroskopie am rechten Kniegelenk sei wegen dort bestehender Unfallfolgen erforderlich gewesen, komme es entgegen dem BSG-Urteil vom 24.6.1981 (2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 60 = SozR 2200 § 555 Nr 5) nicht an. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe mangels einer unfallbedingten MdE von mindestens 20 vH nicht.

7

Der Kläger rügt - nach Beschränkung seines Antrags - mit seiner Revision nur noch, dass das LSG von dem Urteil des BSG vom 24.6.1981 (2 RU 87/80, aaO) abgewichen sei und deshalb das Vorliegen von Unfallfolgen zu Unrecht verneint habe. Bereits die irrtümliche Annahme, die Arthroskopie sei wegen der Unfallfolgen durchgeführt worden, sei dafür ausreichend, eine mittelbare Unfallfolge zu bejahen.

8

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Hessischen LSG vom 15. Juni 2010 und das Urteil des SG Gießen vom 6. Oktober 2006 und die Ablehnung von Unfallfolgen im Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm einen Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts, einen Zustand nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung der Vena saphena parva rechts und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 festzustellen.

9

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er ein Recht auf Verletztenrente nicht mehr verfolgt hat, ist unbegründet, soweit er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt. Dieser Zustand ist keine Unfallfolge (im engeren oder im weiteren Sinn) des anerkannten Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 (hierzu unter 2.). Soweit er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Zustands nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung der Vena saphena parva rechts und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 begehrt, ist seine Revision im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar sind diese Gesundheitsbeeinträchtigungen keine (sog unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, da sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls, die Kniegelenksdistorsion rechts, verursacht wurden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es dem Senat jedoch nicht möglich, abschließend darüber zu befinden, ob sie aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII als (sog mittelbare) Unfallfolgen im weiteren Sinn festzustellen sind (im Einzelnen unter 3.).

11

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG war zulässig, ebenso die von ihm erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen.

12

Diese sind gemäß § 54 Abs 1 SGG statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs 1 Nr 3 SGG geltend machen. Er kann wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (vgl zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 29/07 R - Juris RdNr 14; aA BSG vom 15.2.2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 12 - Juris RdNr 13 zur Auslegung eines Antrags auf Verurteilung zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls als Feststellungsklage; vgl zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage für die Feststellung von Unfallfolgen Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 15c, 51. Lfg, V/2011; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b).

13

Die Sachentscheidungsvoraussetzungen dieser Klagearten liegen vor. Insbesondere ist der Kläger auch klagebefugt (formell beschwert) iS des § 54 Abs 2 Satz 1 SGG, weil er möglicherweise in seinem Anspruch auf Erlass von Verwaltungsakten, die Unfallfolgen feststellen sollen, verletzt ist.

14

Die Rechtsordnung sieht die vom Kläger als verletzt geltend gemachten Rechte vor, nämlich Rechtsansprüche gegen den Unfallversicherungsträger auf Feststellungen von Unfallfolgen eines Arbeitsunfalls (und ggf einer Berufskrankheit; vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 15b, 51. Lfg, V/2011). Grundsätzlich kann ein Versicherter vom Träger den Erlass feststellender Verwaltungsakte über das Vorliegen eines Versicherungsfalls und ggf der diesem zuzurechnenden Unfallfolgen beanspruchen. Hierzu ist der Unfallversicherungsträger auch iS von § 31 SGB I hinreichend ermächtigt. Feststellbare Unfallfolgen sind solche Gesundheitsschäden, deren wesentliche (Teil-) Ursache der Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls war oder die einem (uU nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind (dazu im Folgenden).

15

Anspruchsgrundlage für einen solchen Feststellungsanspruch eines Versicherten und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsakts für den Unfallversicherungsträger ist § 102 SGB VII. Nach dieser Vorschrift wird in den Fällen des § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV "die Entscheidung über einen Anspruch auf Leistung" schriftlich erlassen. Sie stellt nicht nur das Schriftformerfordernis für die in § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV genannten Arten von Entscheidungen auf. Sie enthält zudem ausdrücklich die Erklärung, dass der Unfallversicherungsträger über einen Anspruch auf Leistung selbst "entscheiden" darf. Die Entscheidung eines Unfallversicherungsträgers über das Bestehen/Nichtbestehen oder über Inhalt und Umfang eines Sozialleistungsanspruchs aus dem SGB VII ist aber stets eine hoheitliche (= öffentlich-rechtliche) Maßnahme zur Regelung (dh gemäß § 31 SGB I: auch zur Feststellung eines Rechts) eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (hier: Leistungsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung) mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (hier: gegenüber einem Versicherten).

16

Diese Ermächtigungsnorm ist zugleich Anspruchsgrundlage für den Versicherten. Zwar ist § 38 SGB I nicht anwendbar, der speziell materiell-rechtliche Ansprüche auf Sozialleistungen, nicht Ansprüche auf den Erlass von Verwaltungsakten betrifft. § 102 SGB VII begründet aber einen solchen öffentlich-rechtlichen Anspruch, weil er nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen soll, sondern auch dem Interesse eines aus der Norm abgrenzbaren Kreises Privater; diesen Begünstigten verleiht er zudem die Rechtsmacht, vom Hoheitsträger die Befolgung seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht rechtlich verlangen zu können (zu diesen Voraussetzungen eines subjektiv-öffentlichen Rechts BVerfGE 27, 297, 307 unter Bezugnahme auf Ottmar Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, 42 ff, 224; BSGE 97, 63, 70 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1; BVerwGE 107, 215, 220 mwN). § 102 SGB VII soll als den Verwaltungsträger verpflichtende Befugnis auch den Interessen der durch einen Unfall gesundheitsbeschädigten Versicherten an einer raschen und rechtsverbindlichen Klärung dienen. Der Versicherte kann auch Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist (Aufgabenkreis des Trägers) und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind.

17

Ermächtigung und Anspruchsgrundlage erfassen aber nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelner Anspruchselemente. Nach der Systematik des SGB VII sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln, nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Unfallfolgen (§§ 7 bis 13 iVm §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind.

18

Hierzu gehört zuerst der Versicherungsfall. Durch ihn wird ein Gesundheitserstschaden (eine Gesundheitsbeeinträchtigung) einer bestimmten versicherten Tätigkeit und dadurch zum einen dem Versicherten zugerechnet, der (nur) unfallversichert ist, wenn und solange er eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Zum anderen wird der Gesundheitserstschaden einem bestimmten Unfallversicherungsträger zugerechnet, dessen Verbandszuständigkeit für diesen Versicherungsfall und alle gegenwärtig und zukünftig aus ihm entstehenden Rechte dadurch begründet wird. Es entsteht also mit der Erfüllung des Tatbestandes eines Versicherungsfalls ein als Rechtsverhältnis feststellbares Leistungsrechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Träger als Inbegriff aller aus dem Versicherungsfall entstandenen und möglicherweise noch entstehenden Ansprüche (vgl hierzu auch Spellbrink in Schulin , Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 24, S 441 ff).

19

Zweitens gehören zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen die (sog unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Drittens zählen hierzu auch die (sog mittelbaren) Unfallfolgen im weiteren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die nicht wesentlich durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden, aber diesem oder einem (behaupteten) Unfallereignis aufgrund einer besonderen gesetzlichen Zurechnungsnorm zuzurechnen sind.

20

Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall(iS der §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung.

21

Zugleich werden ggf die Grundlagen und Grenzen eines Haftungsausschlusses nach §§ 104 ff SGB VII festgelegt. Ist der Unfallverletzte (wie im Regelfall) in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, bedarf es auch deshalb einer raschen verbindlichen Klärung des Vorliegens eines Versicherungsfalls und seiner Folgen, weil nach § 11 Abs 5 SGB V ein Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen ausgeschlossen ist, wenn der Leistungsbedarf im Wesentlichen durch eine Unfallfolge (oder eine Berufskrankheitsfolge) verursacht wird.

22

Zudem eröffnet § 55 Abs 1 Nr 3 SGG eine Feststellungsklage, wenn die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist. Zwar kann von der prozessrechtlichen Möglichkeit einer solchen Klage auf gerichtliche Feststellung einer Unfallfolge nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass im materiellen Recht eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Versicherten gegen seinen Unfallversicherungsträger auf behördliche Feststellung einer Unfallfolge existiert. Diese besondere Rechtsschutzform weist aber (wie § 55 Abs 1 Nr 1 SGG für die Feststellung eines Versicherungsfalls) darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber ein schutzwürdiges Interesse der Versicherten an einer solchen Feststellung anerkennt.

23

Der Tatbestand der Ermächtigungs- und Anspruchsgrundlage des § 102 SGB VII, auf die der Kläger sich somit grundsätzlich berufen kann, setzt voraus, dass der Versicherte einen Versicherungsfall und, soweit die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird, weitere Gesundheitsschäden erlitten hat, die im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einem (uU nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind.

24

In einem solchen in der Rechtsordnung vorgesehenen und ihm möglicherweise zustehenden Recht ist der Kläger durch die seine Feststellungsansprüche ablehnenden Entscheidungen der Beklagten möglicherweise verletzt, weil es nach seinem Vorbringen nicht ohne Sachprüfung ausgeschlossen ist, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsschäden Unfallfolgen sind.

25

Das Revisionsgericht hat somit, wie schon die Vorinstanzen, die Befugnis, über die mit der Revision weiter verfolgten Feststellungsansprüche gegen die Beklagte in der Sache zu entscheiden.

26

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge. Denn dieser Zustand ist weder eine (sog unmittelbare) Unfallfolge im engeren Sinne (sogleich unter a), noch eine (sog mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinne, hier aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII (hierzu unter b).

27

a) Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls iS des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des (hier anerkannten) Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", dh aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls (der Berufskrankheit) ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden. Die Beklagte hat den Erstschaden hier jedenfalls im Widerspruchsbescheid noch hinreichend als banale Distorsion des rechten Kniegelenks bestimmt.

28

Ob ein Gesundheitsschaden (hier: der Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts) dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls (hier: der Kniegelenksdistorsion rechts) als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist (sog haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr 12; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten.

29

Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.

30

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des Senats gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 15 ff mwN). Darauf ist hier nicht weiter einzugehen, da die Kniegelenksdistorsion rechts schon keine notwendige Bedingung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts war.

31

Es fehlt bereits an einem Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zwischen dem bindend anerkannten Erstschaden des Klägers, der Distorsion des Kniegelenks rechts, und dem Innenmeniskusschaden. Der Innenmeniskusschaden selbst war nicht als Gesundheitserstschaden oder als Unfallfolge im engeren Sinne anerkannt worden. Das Unfallereignis vom 10.9.2003, ein Umknicken ohne Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus, war keine Ursache für den Meniskusschaden im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war das Unfallereignis vom 10.9.2003 keine notwendige Bedingung für den Lappenriss des Innenmeniskushinterhorns des Klägers. Dem zu Grunde lag der vom LSG hinreichend klar festgestellte medizinische Erfahrungssatz, dass ein Umknicken ohne Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus bei einem intakten Meniskus keinen isolierten Lappenriss des Innenmeniskus verursachen kann. Da nicht gerügt und nicht ersichtlich ist, dass das LSG diesen medizinischen Erfahrungssatz nach Verfahren und Inhalt falsch festgestellt hat, besteht kein Rechtsgrund für das Revisionsgericht, das Bestehen und den Inhalt dieses Erfahrungssatzes ohne eine zulässig erhobene Verfahrensrüge selbst von Amts wegen zu prüfen (vgl hierzu auch BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - Juris RdNr 14 f).

32

b) Der Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion ist auch nicht aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII dem anerkannten Arbeitsunfall vom 10.9.2003 als (sog mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinn zuzurechnen.

33

Nach § 11 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalles auch solche Gesundheitsschäden (oder der Tod) eines Versicherten, die ua durch die Durchführung einer Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurde. Durch diese Vorschrift werden Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht wurden, dem Versicherungsfall "auch" dann zugerechnet, wenn sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls wesentlich verursacht wurden (vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 1, 46. Lfg, III/10; Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, § 11 RdNr 3, 33. Lfg, April 2007). Anders als § 555 Abs 1 RVO setzt § 11 Abs 1 SGB VII nicht mehr voraus, dass bei der Heilbehandlungsmaßnahme etc ein "Unfall" vorliegt, sodass auch Gesundheitsstörungen ohne neues Unfallereignis erfasst werden(vgl nur Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII-Kommentar, § 11 RdNr 9; Stand August 2001). § 11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die Gesundheitsschäden auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn sie etwa durch die Durchführung einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich verursacht wurden. Aber auch diese gesetzliche Zurechnung, die an die Stelle einer fehlenden Zurechnung kraft Wesentlichkeit tritt, setzt voraus, dass die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes des § 11 SGB VII durch das (behauptete oder anerkannte) Unfallereignis notwendig bedingt war.

34

Diese Voraussetzungen sind beim Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion nicht erfüllt. Denn er war - wie ausgeführt - nicht notwendig bedingt durch den Gesundheitserstschaden, der durch das Unfallereignis verursacht worden war. Er ist zudem nicht durch eine Heilbehandlung iS von § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII und nicht durch eine zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnete Untersuchung iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII verursacht worden. Denn dieser Zustand ergab sich nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG aus der Operation eines nicht unfallbedingten, sondern degenerativen Gesundheitsschadens, der schon vor der Operation bestand.

35

3. Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung des Zustands nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit deren operativer Entfernung und die Perforansvenenklappeninsuffizienz rechts als Unfallfolgen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

36

a) Zwar sind die vom Kläger geltend gemachten weiteren Erkrankungen keine Unfallfolgen im engeren Sinne, da sie nicht durch den Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls, die Kniegelenksdistorsion rechts, verursacht wurden. Denn diese war nach den Feststellungen des LSG schon keine notwendige Bedingung der degenerativen Innenmeniskushinterhornschädigung, durch deren Behandlung sie denkbarerweise vielleicht verursacht wurden. Unfallfolge im engeren Sinne kann aber nur ein Gesundheitsschaden sein, für den der Gesundheitserstschaden notwendige (und auf der zweiten Stufe dann auch wesentliche) Bedingung war.

37

Der Senat kann aber mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber befinden, ob diese Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII als (sog mittelbare) Unfallfolgen im weiteren Sinn dem anerkannten Arbeitsunfall vom 10.9.2003 zuzurechnen und festzustellen sind. Wären diese Gesundheitsschäden wesentlich durch die Erfüllung eines der Tatbestände des § 11 SGB VII verursacht und wären diese ihrerseits (nur) notwendig durch das Unfallereignis, das Umknicken am 10.9.2003, bedingt, so würden sie kraft Gesetzes dem anerkannten Versicherungsfall zugerechnet.

38

Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kommen nur die Zurechnungstatbestände (aa) der Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung (§ 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII) oder (bb) die Durchführung einer Heilbehandlung (§ 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII) in Betracht. Bei beiden Zurechnungstatbeständen kommt es nicht zwingend darauf an, ob ein Versicherungsfall "objektiv" vorlag oder ein Heilbehandlungsanspruch "wirklich" nach materiellem Recht bestand (hierzu unter cc).

39

aa) Die Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII umfasst sinngemäß auch die Aufklärung von Unfallfolgen im engeren Sinn. Dieser Zurechnungstatbestand setzt ausdrücklich nicht voraus, dass überhaupt ein Versicherungsfall objektiv vorliegt. Die Zurechnung erfolgt allein aufgrund der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Träger zur Sachverhaltsaufklärung angeordneten (nicht notwendig ärztlichen) Untersuchung. Die durch die Teilnahme wesentlich verursachten Gesundheitsschäden werden letztlich dem Versicherungsträger zugerechnet, der für die Aufklärung des behaupteten Unfallhergangs und zur Entscheidung über das Vorliegen/Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls und von Unfallfolgen verbandszuständig ist (vgl hierzu noch im Einzelnen unter 3. b, bb). Es kommt also grundsätzlich nur darauf an, ob eine solche Untersuchung gegenüber dem Versicherten angeordnet wurde und er an ihr teilgenommen sowie wesentlich dadurch Gesundheitsschäden erlitten hat.

40

bb) Die Durchführung einer Heilbehandlung iS des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII liegt vor, wenn der Träger dem Versicherten einen Anspruch auf eine bestimmte Heilbehandlungsmaßnahme nach den §§ 26 ff SGB VII (nicht notwendig durch Verwaltungsakt in Schriftform) bewilligt oder ihn durch seine Organe oder Leistungserbringer zur Teilnahme an einer solchen (diagnostischen oder therapeutischen) Maßnahme aufgefordert hat und der Versicherte an der Maßnahme des Trägers gemäß den Anordnungen der Ärzte und ihres Hilfspersonals teilnimmt. Auch hier beruht die gesetzliche Zurechnung auf der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger (oder diesem zurechenbar) bewilligten oder angesetzten Maßnahme. Insbesondere kommt es rechtlich nicht darauf an, ob die Bewilligung oder Ansetzung der Heilbehandlungsmaßnahme durch den Träger objektiv rechtmäßig war oder ob objektiv ein Anspruch auf (ermessensfehlerfreie Entscheidung <§ 26 Abs 5 Satz 1 SGB VII> über die Bewilligung eines Anspruchs auf diese) Heilbehandlung bestand.

41

Auch insoweit dient die Vorschrift gerade dazu, im Ergebnis die Gleichbehandlung zwischen den Kranken- und Rentenversicherten, die durch ihre Teilnahme an Behandlungen und medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 15a SGB VII sogar eine unfallversicherte Tätigkeit verrichten, und den Unfallversicherten herzustellen, die auf Veranlassung des Unfallversicherungsträgers an unfallversicherungsrechtlichen Sachverhaltsaufklärungs- oder Heilbehandlungsmaßnahmen teilnehmen. Allerdings bestimmt die Zurechnungsvorschrift nicht, dass die Teilnahme an solchen und anderen in § 11 SGB VII genannten Maßnahmen gleichfalls eine versicherte Tätigkeit ist oder ihr gleichsteht. Schon deshalb handelt es sich bei den Fällen des § 11 SGB VII nicht um sog kleine Versicherungsfälle, obwohl die Struktur dieser Zurechnung ihnen ähnlich ist, da sie nicht notwendig einen "ersten" Versicherungsfall voraussetzt.

42

cc) Bei den besonderen Zurechnungstatbeständen kommt es also, entgegen dem LSG, nicht notwendig darauf an, dass objektiv, dh aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne wirklich vorlagen. Erforderlich ist nur, dass der Träger die Maßnahmen gegenüber dem Versicherten in der Annahme des Vorliegens oder der Aufklärungsbedürftigkeit des Sachverhalts eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat. In diesem Sinne muss nur das angenommene, behauptete oder gegebene Unfallereignis (bei einer Berufskrankheit: die Einwirkung) notwendige Bedingung der Durchführung der Untersuchungs- oder der Heilbehandlungsmaßnahme gewesen sein.

43

Für die Frage, ob eine derartige Durchführung einer gegenüber dem Versicherten angeordneten Maßnahme vorliegt, an der er grundsätzlich pflichtig teilnehmen muss, kommt es entscheidend darauf an, ob der Träger (durch seine Organe) oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck vermittelt haben, es solle eine solche Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, an der er teilnehmen solle. Zwar reicht die bloß irrige Vorstellung des Versicherten, er nehme an einer solchen Maßnahme teil, nicht aus, einen Zurechnungstatbestand zu erfüllen. Das hat im Übrigen der Senat in seiner vom LSG genannten und von der Revision im Wesentlichen angeführten Entscheidung vom 24.6.1981 (2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 60 = SozR 2200 § 555 Nr 5) auch nicht gesagt. Dort ging es ausdrücklich um eine vom Unfallversicherungsträger angeordnete Heilmaßnahme. Anders liegt es jedoch, wenn der Träger oder seine Leistungserbringer für den Versicherten den Anschein (beim Erlass von Verwaltungsakten oder bei der Abgabe von Willenserklärungen auch den Rechtsschein) gesetzt haben, es solle eine solche unfallversicherungsrechtliche Maßnahme durchgeführt werden. Das ist der Fall, wenn ein an Treu und Glauben orientierter Versicherter an der Stelle des konkret Betroffenen die Erklärungen und Verhaltensweisen der auf Seiten des Trägers tätig gewordenen Personen als Aufforderung zur Teilnahme an einer vom Unfallversicherungsträger gewollten Maßnahme verstehen durfte. Es kommt also nicht nur auf die "Innenseite" des Trägers und seiner Hilfskräfte an, sondern maßgeblich auch darauf, was wie gegenüber dem Versicherten verlautbart wurde. Denn dieser ist kein bloßes Objekt hoheitlicher Maßnahmen des Trägers; vielmehr setzt jede "Durchführung" einer Untersuchungs- oder Heilmaßnahme seine mitwirkende Teilnahme voraus.

44

b) Das LSG wird folglich zu ermitteln haben, ob die von Dr. K. am 23.9.2003 veranlasste und am 24.9.2003 durchgeführte Arthroskopie und/oder die anschließende Resektion des Innenmeniskushinterhorns rechts Maßnahmen iS des § 11 Abs 1 Nr 1 oder Nr 3 SGB VII waren. Dabei hat es zwischen der Arthroskopie (aa) und der anschließenden Resektion (bb) zu unterscheiden. Lag objektiv bei beiden ärztlichen Maßnahmen keine Durchführung einer Heilbehandlung und keine Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts (oder des Vorliegens einer Unfallfolge) angeordneten Untersuchung vor, so ist zu prüfen, ob der Kläger - nach den soeben unter 3. a) cc) aufgezeigten Kriterien - aufgrund des Verhaltens des Durchgangsarztes nach Treu und Glauben berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass die Behandlung/Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Durchführung einer Heilbehandlung iS des § 11 SGB VII durchgeführt wurde und er zur Mitwirkung daran aufgefordert war (hierzu unter c). Läge einer dieser Zurechnungstatbestände vor, so wäre schließlich ggf noch zu entscheiden, ob die Arthroskopie oder die Resektion die weiteren geltend gemachten Gesundheitsschäden (rechtsseitige Thrombosen etc) rechtlich wesentlich (mit-)verursacht haben (unter d).

45

aa) Die Tatsachenfeststellungen des LSG reichen nicht aus, abschließend zu entscheiden, ob die am 24.9.2003 durchgeführte Arthroskopie (zur Resektion sogleich unter bb) eine zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnete Untersuchung iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII war. Sie sind insoweit nicht eindeutig und in sich widersprüchlich. Zudem unterscheidet das LSG nicht zwischen der Arthroskopie und der anschließend durchgeführten Resektion.

46

Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils des LSG hatte Dr. K. wegen Verdachts auf Innenmeniskusläsion die Indikation zur Arthroskopie gestellt und Aufnahme und "Operation" des Klägers für den folgenden Tag vereinbart. Mit der diagnostischen Arthroskopie könnte der Durchgangsarzt gemäß § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII (der sinngemäß auch die Aufklärung von Unfallfolgen umfasst) eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet haben. Denn Untersuchungen zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls sind nicht nur, aber insbesondere ärztliche Untersuchungen darüber, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen eines Versicherungsfalls vorliegen oder welche gesundheitlichen Folgen dieser hat (vgl BSGE 52, 16, 17), also insbesondere Untersuchungen zur Feststellung, ob ein Gesundheitserstschaden bzw welche Unfallfolgen vorliegen.

47

Die Anordnung muss nicht durch den Unfallversicherungsträger selbst, sondern kann auch durch einen Durchgangsarzt erfolgen (offengelassen in BSGE 52, 16, 17; so Keller in Hauck/ Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 15, 46. Lfg, III/10; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2011, § 11 Anm 10 iVm 12.1; Rapp in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 11 RdNr 9; Wagner in JurisPK-SGB VII, Stand 01/2009, § 11 RdNr 28).

48

Nach § 27 Abs 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger(Vertrag gemäß § 34 Abs 3 SGB VII zwischen dem Hauptverband der gewerblichen BGen, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen BGen, dem Bundesverband der Unfallkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen in der ab 1.5.2001 geltenden Fassung, HVBG-Info 2001, 755) beurteilt und entscheidet der Durchgangsarzt, ob eine allgemeine Heilbehandlung nach § 10 dieses Vertrags oder eine besondere Heilbehandlung nach § 11 SGB VII erforderlich ist. Er erstattet dem Unfallversicherungsträger unverzüglich den Durchgangsarztbericht gemäß § 27 Abs 2 des Vertrags.

49

Soweit ein Durchgangsarzt in dieser Funktion zur Feststellung von Art und Ausmaß der Gesundheitsstörungen eines Unfallereignisses eine weitere Untersuchung anordnet, ist dies jedenfalls eine Anordnung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII. Soweit er selbst zur Behandlung einer von ihm als unfallbedingt eingeschätzten Gesundheitsbeeinträchtigung ohne weiteren Kontakt mit dem Unfallversicherungsträger tätig wird, kann es sich um die Durchführung einer Heilbehandlung handeln (dazu unten).

50

Insofern kann der Senat jedenfalls zum Zwecke der Prüfung der Zurechnungstatbestände des § 11 SGB VII auch offenlassen, wie die Rechtsbeziehung zwischen dem Durchgangsarzt und dem Unfallversicherungsträger im Einzelnen öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist(vgl nur Pross, Zum Rechtsverhältnis zwischen Durchgangsarzt und Berufsgenossenschaft, 1972; hierzu hat insbesondere die zivilrechtliche Rechtsprechung zum Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB iVm Art 34 GG geklärt, wann der Durchgangsarzt in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt; vgl BGH, Urteil vom 28.6.1994, VI ZR 153/93 = VersR 1994, 1195; Urteil vom 9.12.2008, VI ZR 277/07 - BGHZ 179, 115 = VersR 2009, 401; BGH, Urteil vom 9.3.2010, VI ZR 131/09 = VersR 2010, 768). Denn das Handeln des Durchgangsarztes im Rahmen der Voraussetzungen der Zurechnungstatbestände des § 11 SGB VII muss sich der Unfallversicherungsträger grundsätzlich zurechnen lassen.

51

Die hierzu fehlenden Feststellungen sind nicht deshalb unerheblich, weil das LSG in seinem Urteil auch ausgeführt hat, dass die Arthroskopie "unter der Diagnose" einer degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion durchgeführt worden sei. Weiterhin ging das LSG davon aus, dass die operativen Eingriffe ausschließlich der operativen Heilbehandlung der degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion nach bereits vorbestehender klinischer Diagnostik gedient hätten. Offen blieb hierbei aber, wer zu welchem Zeitpunkt die Diagnose einer degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion gestellt hat. Unklar bleibt nach den Feststellungen des LSG auch, ob diese Diagnose bereits vor Beginn der Arthroskopie oder der Resektion erfolgt ist.

52

Ferner ist nicht festgestellt oder ersichtlich, dass eine ggf erfolgte Anordnung einer diagnostischen Arthroskopie dem Kläger gegenüber widerrufen worden wäre. Das LSG wird deshalb Dr. K. zu den Umständen und seinen Anordnungen im Rahmen der am 23.9.2003 erfolgten Untersuchung des Klägers zu befragen haben. Maßgebend für das Vorliegen des besonderen Zurechnungstatbestands des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII sind dabei die Anordnungen und sonstigen dem Versicherten gegenüber vorgenommenen Verhaltensweisen des konkret die Operation ankündigenden und durchführenden Dr. K., der durch sein dem Unfallversicherungsträger zurechenbares Handeln den Tatbestand des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII eröffnen kann. Entscheidend ist insoweit die dem Versicherten verdeutlichte ärztliche Handlungstendenz des Durchgangsarztes vor Durchführung der Maßnahme. Die Handlungstendenz muss darauf gerichtet gewesen sein, Unfallfolgen zu erkennen bzw zu behandeln (vgl Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, § 11 RdNr 12, 33. Lfg, April 2007). Die "objektive", nachträgliche Einschätzung eines diagnostischen und therapeutischen Zusammenhangs der Operation mit einem bereits bestehenden degenerativen Schaden durch einen unbeteiligten Arzt (wie sie das LSG durch Dr. A. eingeholt hat), ist in diesem rechtlichen Zusammenhang unbeachtlich.

53

Maßgeblich ist mithin auch, ob und ggf welche Erklärungen Dr. K. über seine Handlungstendenz gegenüber dem Kläger abgegeben hat. Dies wird das LSG noch im Einzelnen durch Befragung des Dr. K. und des Klägers zu ermitteln haben. Hierbei wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG erklärt hat, dass die Arthroskopie vom Durchgangsarzt als BG-Heilbehandlung angeordnet worden ist.

54

bb) Der Senat kann ebenso nicht abschließend darüber entscheiden, ob es sich bei der im Zusammenhang mit der Arthroskopie durchgeführten Hinterhornresektion um eine Heilbehandlung iS des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII gehandelt hat. Auch hierzu wird das LSG Dr. K. zu befragen haben. Als Durchgangsarzt könnte Dr. K. als Leistungserbringer für den Unfallversicherungsträger gemäß § 26 Abs 5 Satz 1 SGB VII im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung bestimmt und mit der Festlegung der Behandlung den Naturalleistungsanspruch des Klägers konkretisiert haben.

55

Der Durchgangsarzt ist nach § 27 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger(aaO) ermächtigt, mit Wirkung für den Unfallversicherungsträger über die erforderliche Behandlungsmaßnahme zu entscheiden (vgl Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 34 RdNr 7; vgl Benz in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 26 RdNr 50; vgl auch Stähler in JurisPK-SGB VII, § 28 RdNr 14 ff). Dies gilt insbesondere auch für die Einleitung eines sog besonderen Heilverfahrens gemäß §§ 34 Abs 1 Satz 3, 28 Abs 4 SGB VII für Versicherungsfälle, für die wegen ihrer Art oder Schwere besondere unfallmedizinische Behandlung angezeigt ist. Insofern ist hier auch aufzuklären, ob Dr. K. die Resektion dem Kläger (und ggf auch der Beklagten) gegenüber als von der Arthroskopie im Wesentlichen untrennbare Maßnahme der (allgemeinen oder besonderen) berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung dargestellt bzw "bewilligt" hat, ohne den Kläger insofern auf die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Dabei ist auch zu prüfen, ob Dr. K. gegenüber dem Kläger bereits vor der Operation klargestellt hat, dass diese ausschließlich nicht unfallbedingt durchgeführt werde, da die Diagnose eines unfallunabhängigen degenerativen Meniskusschadens gestellt worden sei.

56

Denkbar ist nach den Mitteilungen des LSG schließlich auch, dass Dr. K. dem Kläger gegenüber (vor oder während der Operation) eine unfallbedingte Arthroskopie klar von der anschließenden nicht unfallbedingten Resektion getrennt hat. Eine derartige Trennung könnte ggf die diagnostische Heilbehandlung auf die Arthroskopie beschränkt haben, sodass die Resektion keine Heilmaßnahme gewesen wäre und ggf ausschließlich aus der Resektion folgende Gesundheitsschäden (zu der ggf notwendigen Differenzierung der durch die Arthroskopie und die Resektion wesentlich verursachten Gesundheitsschäden siehe unter d) nicht zugerechnet würden. Wird vom Durchgangsarzt für den Versicherten klar und eindeutig abgrenzbar ein zusätzlicher Eingriff zur Behebung eines - von vornherein als solches bezeichneten - unfallunabhängigen Leidens vorgenommen, so können die aus diesem Eingriff resultierenden Folgen nicht mehr dem ersten Unfallereignis zugeordnet werden (vgl BSG vom 30.10.1991 - 2 RU 41/90 und BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 34/92).

57

c) Das LSG wird auch deshalb eine genaue Ermittlung der Umstände und Anordnungen anlässlich der Untersuchung des Klägers am 23.9.2003 vorzunehmen haben, weil der Kläger - wie bereits ausgeführt - seine Revision im Wesentlichen unter (unzutreffender) Berufung auf ein Urteil des Senats zu § 555 RVO(BSGE 52, 57 = SozR 2200 § 555 Nr 5) darauf stützt, er sei jedenfalls subjektiv der Überzeugung gewesen, die Operation finde im Rahmen einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung statt.

58

§ 11 SGB VII setzt zwar - wie aufgezeigt - nicht notwendig voraus, dass ein Versicherungsfall oder auch nur ein Unfallereignis oder ein unfallbedingter Gesundheitsschaden objektiv vorliegen. Andererseits kann aber die bloß subjektive, irrige Vorstellung, eine Untersuchung oder Behandlung werde im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung angeordnet oder durchgeführt, den spezifischen Zurechnungszusammenhang der Tatbestände des § 11 SGB VII nicht auslösen.

59

Ein Zurechnungstatbestand nach § 11 Abs 1 oder Abs 2 SGB VII kann aber auch dann erfüllt sein, wenn der Leistungsträger oder der insofern ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt (hierzu bereits soeben unter 3. b) bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder auch den Rechtsschein gesetzt hat, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (einschließlich einer Unfallfolge) angeordnet werde. Das ist stets der Fall, wenn ein vernünftiger, "billig und gerecht" denkender Versicherter aufgrund des Verhaltens des Unfallversicherungsträgers (bzw seiner Organe) und der Durchgangsärzte davon ausgehen durfte, er sei aufgefordert oder ihn treffe die Obliegenheit gemäß §§ 62, 63 SGB I, an der Maßnahme mitzuwirken (zum Prüfmaßstab bereits oben 3. a, cc).

60

d) Die Voraussetzungen der Zurechnungstatbestände des § 11 Abs 1 Nr 1 und/oder Nr 3 SGB VII können also gegeben sein, wenn das LSG zu der Feststellung gelangt, dass die Arthroskopie als Untersuchungsmaßnahme gemäß § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII bzw die Resektion als Heilbehandlung gemäß § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII vom Durchgangsarzt der Beklagten zurechenbar angeordnet worden ist. Schließlich können diese Zurechnungstatbestände auch dann vorliegen, wenn die Beklagte (oder der für sie handelnde Durchgangsarzt) dem Kläger als rechtstreuen Versicherten gegenüber den objektivierbaren Anschein oder Rechtsschein gesetzt hat, dass die Untersuchung bzw Operation im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeit durchgeführt werde.

61

Gelangt das LSG in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren zu der Überzeugung, dass einer dieser Tatbestände des § 11 SGB VII vorliegt, so wird es abschließend festzustellen haben, ob die Durchführung der Heilmaßnahme/Untersuchung die wesentliche Ursache der als Unfallfolgen im weiteren Sinne geltend gemachten Gesundheitsschäden ist. Bislang hat es das LSG - von seiner Rechtsansicht her folgerichtig - unterlassen, festzustellen, ob die geltend gemachten Gesundheitsschäden rechtlich wesentlich (überhaupt und ggf auf welche dieser beiden Maßnahmen) auf die Arthroskopie oder die Resektion zurückzuführen sind. Dabei wird zum einen - je nachdem, welcher Zurechnungstatbestand ggf vorliegt - zu ermitteln sein, ob die Gesundheitsschäden, insbesondere die Thrombose der Vena saphena parva rechts, durch die Arthroskopie oder die Innenmeniskushinterhornresektion (oder durch beide) notwendig verursacht wurden. In diesem Zusammenhang sind ggf auch (im Blick zB auf die Stammvarikosis etc) Feststellungen erforderlich, ob und welche weiteren Gesundheitsstörungen beim Kläger vorliegen, die uU ebenfalls notwendige Ursachen waren. Ggf ist die rechtliche Wesentlichkeit der notwendigen Ursachen zu beurteilen (siehe oben).

62

Das LSG wird in der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Folgen eines Versicherungsfalls sind auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge

1.
der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung,
2.
der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels,
3.
der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung
einschließlich der dazu notwendigen Wege.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die Versicherten auf Aufforderung des Unfallversicherungsträgers diesen oder eine von ihm bezeichnete Stelle zur Vorbereitung von Maßnahmen der Heilbehandlung, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder von Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung aufsuchen. Der Aufforderung durch den Unfallversicherungsträger nach Satz 1 steht eine Aufforderung durch eine mit der Durchführung der genannten Maßnahmen beauftragte Stelle gleich.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Folgen eines Versicherungsfalls sind auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge

1.
der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung,
2.
der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels,
3.
der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung
einschließlich der dazu notwendigen Wege.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die Versicherten auf Aufforderung des Unfallversicherungsträgers diesen oder eine von ihm bezeichnete Stelle zur Vorbereitung von Maßnahmen der Heilbehandlung, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder von Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung aufsuchen. Der Aufforderung durch den Unfallversicherungsträger nach Satz 1 steht eine Aufforderung durch eine mit der Durchführung der genannten Maßnahmen beauftragte Stelle gleich.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.