|
|
| Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Die Berufung ist statthaft, ein Ausschlussgrund gemäß § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Streitig ist eine Beitragsnachforderung von EUR 58.696,50. |
|
| Der Kläger ist klagebefugt, denn er behauptet im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, durch den angegriffenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Da eine Beitragsnachforderung gegenüber dem L-e.V. durch die Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn übergegangen wäre, ist er befugt, sich gegen diese Nachforderung im Klageverfahren zu wenden. |
|
| Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 22. November 2010 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2008 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 19. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben ihre Tätigkeit im Altenpflegeheim des Klägers im jeweils streitgegenständlichen Zeitraum als gesamtsozialversicherungspflichtig Beschäftigte ausgeübt, weshalb die Beklagte zu Recht Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Umlage U 2 fordert. |
|
| 1. Die genannten Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere sind der Änderungsbescheid vom 10. August 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008 gemäß § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) inhaltlich hinreichend bestimmt, obwohl als Adressat dieser Bescheide der L-e.V. benannt ist, der zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bescheide nicht mehr existierte. |
|
| Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht auch auf den Adressaten eines Verwaltungsaktes (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 154/11 R - in Juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist bei unrichtiger Angabe des Adressaten eine Auslegung nach dem objektiven Verständnishorizont des Empfängers (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) möglich. Eine Nichtigkeit eines Bescheides wegen Unbestimmtheit scheidet danach aus, wenn die Auslegung des Bescheides etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt (zuletzt: BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 7/11; juris; Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 2.92 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 68 S. 4; Beschlüsse vom 25. März 1996 a.a.O. S. 53 f. und vom 6. September 2008 - 7 B 10.08; juris). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG geht der BFH davon aus, dass konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts die Angabe des Inhaltsadressaten ist, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll, der Adressat sich allerdings auch durch Auslegung ermitteln lässt (BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - IV R 91/05 und Urteil vom 15. April 2010 - IV R 67/07 -; beide in juris). Das BSG (Urteil vom 21. Februar 1985 - 11 RA 6/84 - SozR 1300 § 37 Nr. 1) hat unter Anschluss an die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17. Mai 1974 - VI R 197/71 -, BFHE 112, 452 mit weiteren Hinweisen) entschieden, dass zwar der „Adressat“ des Verwaltungsaktes nicht unbedingt im Anschriftenfeld des Bescheides bezeichnet werden muss; werde dort nur der Bevollmächtigte genannt, genüge es, dass der Adressat jedenfalls aus dem sonstigen Inhalt des Bescheides mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit entnommen werden könne. |
|
| Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Nennung des L-e.V. im Bescheid vom 10. August 2007 und im Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008 als Adressat unschädlich. Die Auslegung ergibt, dass der Kläger Adressat der beiden Bescheide war und die geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlage U 2 zahlen sollte und dies auch für den Kläger erkennbar war. Beide Bescheide übersandte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Diese konnten aufgrund des Inhalts der Bescheide eindeutig entnehmen, dass diese die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) betrafen, insbesondere der Änderungsbescheid vom 10. August 2007 den ordnungsgemäß adressierten vorangegangenen Bescheid vom 13. April 2007 abänderte. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Kläger die Klage unter seinem Namen erhob und dadurch zum Ausdruck brachte, sich auch nach Aufhebung der Forderung von Säumniszuschlägen als Schuldner der von der Beklagten nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge anzusehen. Nicht entscheidend ist, dass der Sachbearbeiter der Beklagten in Unkenntnis der erfolgten Verschmelzung des L-e.V. auf den Kläger bewusst und gewollt den L-e.V. als Adressaten bezeichnet hat. |
|
| Dass der Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Beitragsschuldner ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch im Zivilrecht können Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden können, wenn dem nicht berechtigte Schutzinteressen des Vollstreckungsschuldners entgegenstehen. Solche verneint der BGH dann, wenn Prozess- und Vollstreckungsgericht identisch sind und daher auch das Vollstreckungsgericht über die für die Auslegung des Titels erforderlichen Kenntnisse verfügt (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - BGHZ 156, 339). Hiermit vergleichbar ist die Situation bei der zwangsweisen Durchsetzung von Beiträgen durch die den Beitragsbescheid erlassende Behörde, die zudem bei der Vollstreckung weitergehenden rechtlichen Bindungen als ein privater Gläubiger unterworfen ist. |
|
| 2. Die genannten Bescheide sind materiell rechtmäßig. |
|
| Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen von Prüfungen bei den Arbeitgebern nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. |
|
| Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 SGB VI sowie § 60 Abs. 1 SGB XI die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Anteil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden - die Beklagte fordert die Umlage nur für das Jahr 2006 nach - nach dem seit 1. Januar 2006 geltenden § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht. |
|
|
|
| Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber steht. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7). |
|
| Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R; juris). Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. August 1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - SozR 2200 § 1227 Nr. 8; Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 15; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - a.a.O.). |
|
| Ausgehend hiervon haben die Beklagte und das SG zutreffend die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) bei dem L-e.V., als abhängige Beschäftigung angesehen. Auch nach Auffassung des Senats überwiegen bei einer Gesamtbetrachtung die Umstände, die im hier streitigen Zeitraum für ein abhängiges und dem Grunde nach sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) bis 3) bei dem Kläger sprechen. |
|
| Da schriftliche Vereinbarungen zwischen dem L-e.V., und den Beigeladenen zu 1) bis 3) nicht geschlossen worden sind, richtet sich die Beurteilung der Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) bis 3) nach dem zwischen ihnen und dem L-e.V., praktizierten Ablauf. Dieser gestaltete sich bei den Beigeladenen zu 1) bis 3) gleich. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die Ausführungen des Verwaltungsleiters des Klägers, Herrn S, im Verwaltungsverfahren, die schriftlichen Stellungnahmen der Beigeladenen zu 1) und 2) sowie die Anhörung der Beigeladenen zu 1) und des Verwaltungsleiters der Klägerin durch das SG im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22. November 2010. |
|
| Die Beigeladenen zu 1) bis 3) waren in die Betriebsorganisation des L-e.V. eingegliedert. Dies ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Regelungen über die Beziehungen der Pflegekassen zu den Pflegeeinrichtungen, insbesondere aus den Vorschriften über die Zulassung zur Pflege durch einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI. Nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI sind stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) im Sinne des SGB XI selbstständig wirtschaftende Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige: |
|
| 1. unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden, 2. ganztägig (vollstationär) oder nur tagsüber oder nur nachts (Teil stationär) untergebracht und verpflegt werden können. |
|
| Nach § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI - in der bis 30. Juni 2008 und damit im Prüfungszeitraum vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Qualitätssicherung und zur Stärkung des Verbraucherschutzes in der Pflege (Pflege-Qualitätssicherungsgesetz - PQsG -) vom 9. September 2001 (BGBl. I, S. 2320) - dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die |
|
| 1. den Anforderungen des § 71 SGB XI genügen, 2. die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten, 3. sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 80 SGB XI einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln; |
|
| ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt. Auch die Pflegeeinrichtungen, die wie der L-e.V. keinen Versorgungsvertrag hatten, sondern aufgrund des Bestandsschutzes nach § 73 Abs. 3 SGB XI zugelassen waren, müssen die Anforderungen nach Paragraph 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI erfüllen (§ 73 Abs. 3 Satz 2 SGB XI). Allein diese gesetzlichen Regelungen im SGB XI für die Zulassung von stationären Pflegeeinrichtungen (Pflegeheimen) zeigen, dass alle in Pflegeheimen tätigen Pflegekräfte sich an den Vorgaben des jeweiligen Pflegeheimes ausrichten und diese bei ihrer Tätigkeit beachten müssen. Der L-e.V. musste deshalb darauf achten, dass alle im Altenheim tätigen Pflegekräfte sich auch an die Vorgaben, die für den Abschluss des Versorgungsvertrages notwendig sind, halten. Er hatte damit die Rechtsmacht, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) vorzugeben. Auch konnten die Beigeladene zu 1) bis 3) – wie alle anderen im Altenheim tätigen Pflegekräfte – nur unter der ständigen Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft tätig sein. Unter ständiger Verantwortung im Sinne von § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI steht die Versorgung nur, wenn eine verantwortliche Pflegefachkraft die den einzelnen Heimbewohnern zukommenden Pflegeleistungen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert. Das Pflegegeschehen muss grundsätzlich in seiner Gesamtheit von verantwortlichen Pflegefachkräften angeleitet und überwacht werden. Zwar verlangt dies keine Rund-um-die-Uhr-Präsenz der verantwortlichen Pflegefachkraft. Jedoch würde eine nur partielle Befassung mit dem Pflegebedarf der Heimbewohner dem Auftrag der „ständigen“ Verantwortung bereits dem Wortsinne nach nicht gerecht. § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI bezweckt eine weitere Verbesserung der Pflegequalität durch ein zusätzliches personales Element (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 22. April 2009 - B 3 P 14/07 R - SozR 4-3300 § 71 Nr. 1). |
|
| Der Aufgabenbereich der Beigeladenen zu 1) bis 3) konnte sich damit nicht von dem der abhängig beschäftigten Mitarbeiter unterscheiden. Dass auch tatsächlich kein Unterschied bestand, ergibt sich für den Senat aus den übereinstimmenden Bekundungen der Beigeladenen zu 1) bis 3) und des Verwaltungsleiters des Klägers. Vielmehr hatte der Dienst als Nachtwache als solcher ein besonderes Gepräge, unabhängig, ob er von den Beigeladenen zu 1) bis 3) oder, wie von der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG bekundet, von der fest angestellten Teilzeitkraft versehen wurde. Die erhöhte Selbstständigkeit der Nachtwache resultierte nur daraus, dass diese allein mit den zu Pflegenden im Heim war und nach den Bekundungen des Verwaltungsleiters des Klägers für den Notfall ein Hintergrunddienst benachrichtigt werden konnte. Darin wird deutlich, dass letztlich der L-e.V. gegenüber den zu Pflegenden zuständig blieb. Auch dass von der Nachtwache keine Pflegedokumentation, sondern nur eine Verlaufsdokumentation zu führen gewesen sein soll, lag nach der Aussage des Verwaltungsleiters in der mündlichen Verhandlung vor dem SG an der Größe der Einrichtung und galt für alle Nachtwachen, unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Handhabung, gleichermaßen. Nach den Ausführungen der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung des Senats vermag der Senat allerdings keinen Unterschied in der Dokumentation zu erkennen. Danach wurden in die Dokumentation die außergewöhnlichen Ereignisse eingetragen, wie z.B. Stürze oder Erbrechen. Diese Eintragungen haben auch in der normalen Pflegedokumentation zu erfolgen, ebenso wie pflegerische Maßnahmen, die allerdings in der Nacht nicht regelmäßig anfallen. |
|
| Daraus ergibt sich dann auch, dass ein umfassendes Weisungsrecht des L-e.V. nach Art, Ort, Zeit und Dauer der Ausführung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) bestand. |
|
| Der Senat wertet es weiter als maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihre Tätigkeit in dem Altenpflegeheim nach Maßgabe des Miet- und Betreuungsvertrages zwischen dem L-e.V. und den Bewohnern erbracht haben. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) traten den Bewohnern des Altenpflegeheims wie Bedienstete des L-e.V. gegenüber. Sie erbrachten ihre Betreuungstätigkeit nicht im Auftrag und auf Rechnung der zu Pflegenden, sondern allein für den L-e.V. |
|
| Fehlende Einzelweisungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr ist die innerhalb eines vorgegebenen Rahmens frei gestaltete Arbeitsleistung bei höher qualifizierten Tätigkeiten üblich, ohne Anhaltspunkt für eine Selbstständigkeit zu sein. Von daher tritt in der Gesamtwürdigung für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung die Eingebundenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) in den Betrieb des L-e.V. und ihre "dienende Teilhabe" am Arbeitsprozess des L-e.V. in den Vordergrund. Die zu verrichtende Tätigkeit ergab sich aus der Natur der Sache, in gewissem Umfang erfolgten Weisungen, indem bei der Übergabe durch den Tagesdienst auf zu beachtende Besonderheiten hingewiesen wurde, zum Beispiel akut Erkrankte. |
|
| Die Übergaben vom Tagesdienst und nach der Nachtwache wiederum an den Tagesdienst bekräftigten eine Einbindung in den Betrieb. Dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) an weiteren Aktivitäten, wie Ausflügen, Besprechungen, Pflegeplanungen nicht beteiligt gewesen sein sollen, fällt hingegen nicht ins Gewicht, da sich dies aus der Eigenart der Tätigkeit (ausschließlich) als Nachtwache ergibt. |
|
| Ein gewichtiges Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) ist, dass sie - im Sinne dieses vom Senat regelmäßig besonders gewichteten Kriteriums - kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmensrisiko trugen (dazu und zum Folgenden z.B. Urteil des Senats vom 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 - juris). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris). Den Beigeladenen zu 1) bis 3) war für die Durchführung der jeweils übernommenen Nachtwachen eine Vergütung nach Arbeitsstunden garantiert. Die Gefahr eines wirtschaftlichen Verlustes bestand nicht. Das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, ist zunächst ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt oder unständig Beschäftigter ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 -, juris). Es muss deshalb ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brach liegen (Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 -, juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2009 - L 16 R 5/08 - juris). Die Beigeladenen zu 1) bis 3) trugen auch kein Unternehmerrisiko, weil sie nicht eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt hatten. Die Arbeitsmittel wurden vom L-e.V. bereitgestellt. Vorliegend fehlen weitere typische Merkmale der unternehmerischen Tätigkeit. So mussten die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihre Dienste höchstpersönlich erbringen und durften nicht - wie typischerweise der Unternehmer - übernommene Aufträge delegieren (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R; juris). Die Verpflichtung, Dienste persönlich zu erbringen, ist ein wesentliches Merkmal abhängiger Tätigkeit. Andererseits trugen sie auch nicht die Verantwortung für die Durchführung der übernommenen Aufträge, die sie im Verhinderungsfall absagen konnten, mit der Folge, dass der L-e.V. selbst für Ersatz sorgte. Das Risiko der Insolvenz des Klägers ist ebenfalls nicht als typisches Unternehmerrisiko zu bewerten, da es nicht wesentlich vom Risiko einer Arbeitgeberinsolvenz für den Arbeitnehmer abweicht. Ein „Kundeninsolvenzrisiko“ wie im vom BSG entschiedenen Fall der Familienbetreuerin (BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R; juris) bestand hier nicht. Ebenso wenig bestand hier ein Kapitalrisiko für den vorzeitigen Abbruch des Auftrags. |
|
| Schließlich kann auch das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruchs oder eines vertraglichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung nicht als Indiz für ein Unternehmerrisiko gewertet werden. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten. Letztlich ist dies ebenso wenig wie die Gewerbeanmeldung, die ebenfalls auf der Tatsache beruht, dass eine selbstständige Tätigkeit gewollt war, nicht entscheidend. Vielmehr ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte vertragliche Beziehung maßgebend. Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 12. Dezember 2008 - L 4 R 3542/05 - und vom 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 - beide in juris). |
|
| Soweit sich sowohl der Kläger als auch Beigeladene zu 1) darauf berufen, die Beigeladenen zu 1) bis 3) hätten Einsätze ablehnen können, gibt dies für die Statusbeurteilung nichts her. Da im Falle der Ablehnung kein Anspruch auf weitere Aufträge bestand, entspricht die Situation der einer angestellten Pflegekraft, die bei Ablehnung einer Arbeit ebenso dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes ausgesetzt ist (Urteil des Senats vom 17. Dezember 1999 - L 4 KR 2023/98; nicht veröffentlicht). |
|
| Die Feststellung der DRV Bund mit Bescheiden vom 08. Juni 2008 gegenüber der Beigeladenen zu 2) und vom 28. Juni 2008 gegenüber der Beigeladenen zu 1), dass sie in ihrer Tätigkeit als selbstständige Altenpflegerinnen nicht kraft Gesetzes der Versicherungspflicht zu Rentenversicherung unterliegen, steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Gesetzeszweck von § 2 SGB VI ist es, bestimmte Berufsgruppen trotz ihrer Selbstständigkeit in die Rentenversicherung aufzunehmen (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand April 2012, Rdnr. 2 zu § 2 SGB VI m. w. N.). Die vorgelegten Bescheide besagen nur, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht zu einer Berufsgruppe gehören, die trotz selbstständiger Tätigkeit versicherungspflichtig in der Rentenversicherung ist. Ob eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, kann nur jeweils im Verhältnis zu dem einzelnen Auftraggeber geprüft werden, weshalb auch Bescheide betreffend die nicht am hiesigen Verfahren beteiligten Frau C. bei einem ebenfalls nicht an diesem Verfahren beteiligten Auftraggeber keine Aussagekraft für den hier zu beurteilenden Sachverhalt haben. Dies gilt gleichermaßen für das anhängige Berufungsverfahren L 11 R 2599/12 betreffend die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in einer anderen Pflegeeinrichtung. |
|
| Die Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass § 7b SGB IV in der vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung vorliegend keine Anwendung findet, so dass die Beschäftigungsverhältnisse am 1. Januar 2003 (Beigeladene zu 1), am 1. Juli 2006 (Beigeladene zu 2) und 1. März 2003 (Beigeladene zu 3) begannen. § 7b SGB IV wurde durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. I 2000, S. 2) mit Wirkung vom 01. Januar 1999 (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes) in das SGB IV eingefügt und durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 3024) wieder aufgehoben. Danach galt Folgendes: Stellt ein Versicherungsträger außerhalb des Verfahrens nach § 7a SGB IV - wie hier erfolgt - fest, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn der Beschäftigte |
|
| 1. zustimmt, 2. für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung einer Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht und 3. er oder sein Arbeitgeber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen ist. |
|
| Mit dieser Regelung sollten insbesondere die Fälle der Arbeitgeberprüfung nach § 28p SGB IV erfasst werden. Für die Arbeitgeber von Personen, deren Status als nichtselbstständig Beschäftigter festgestellt wurde, sollte damit eine gewisse Erleichterung bei den allein von ihnen aufzubringenden rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen geschaffen werden. Die Vorschrift diente also vorrangig dem Schutz der Arbeitgeber (Urteile des erkennenden Senats vom 12. Dezember 2008 - L 4 R 3542/05 - und 02. September 2011 - L 4 R 1036/10 - a.a.O.). |
|
| § 7b SGB IV findet keine Anwendung, weil der L-e.V. grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Beteiligten die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt haben, wenn also außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Unter Berücksichtigung der individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit müssen die Sorgfaltspflichten in einem das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigenden Ausmaß verletzt worden sein. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die von der erwerbsmäßig tätigen Person auszuführenden Arbeiten üblicherweise von im Betrieb des Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmern verrichtet werden, sodass eher von einer Beschäftigung, denn von einer selbstständigen Tätigkeit hätte ausgegangen werden dürfen (Urteile des erkennenden Senats vom 12. Dezember 2008 - L 4 R 3542/05 - und 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 - a.a.O.; so auch Knospe in Hauck/Noftz, § 7b (alt) Rdnr. 14, Stand Juli 2008). Die Tatsache, dass die Beigeladene zu 2) dieselbe Tätigkeit beim Kläger zuvor als abhängig Beschäftigte ausgeübt hatte, begründet grobe Fahrlässigkeit, ebenso wie der Umstand, dass neben den Beigeladenen zu 1) bis 3) auch eine abhängig Beschäftigte für dieselbe Arbeitsleistung, nämlich Nachtwachen, eingesetzt, wurde. Dies hätte den L-e.V. zumindest veranlassen müssen, den Status der Beigeladenen zu 1) bis 3) durch die Einzugsstelle oder durch die DRV Bund im Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV prüfen zu lassen. Dem ist er jedoch nicht nachgekommen, weshalb ihn der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit trifft. |
|
| Die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge berechnete die Beklagte mit Ausnahme der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung für die Beigeladene zu 2) (Beitragssatz von 1,95 v.H. statt 1,7 v.H.) - dem hat die Beklagte mit dem in der mündlichen Verhandlung des Senats abgegebenen Teilanerkenntnis Rechnung getragen - zutreffend. Der Senat verweist insoweit auf die dem Änderungsbescheid vom 10. August 2007 beigefügten Anlagen. Einwände hat der Kläger insoweit nicht erhoben. |
|
| 3. Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Da die angegriffenen Bescheide formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt sind, ist nicht erkennbar, woraus sich die Feststellung, diese seien gegenstandslos, ergeben sollte. |
|
|
|
| 6. Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass. |
|
|
|