Sozialgericht München Gerichtsbescheid, 22. März 2018 - S 39 KR 1832/17

bei uns veröffentlicht am22.03.2018

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.11.2017 verurteilt, die Kosten einer stationären beidseitigen Mammareduktionsplastik entsprechend des Antrags der Klägerin vom 10.04.2017 zu übernehmen.

II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten einer beidseitigen stationären Mammareduktionsplastik.

Die 1973 geborene Klägerin hat nach Mitteilung der behandelnden Ärzte eine ausgeprägte beidseitige Mammahyperplasie und seit Jahren zunehmende Beschwerden im Schulter- und Nackenbereich. Mit Schreiben vom 10.04.2017, welches bei der Beklagten nach eigener Angabe am 12.04.2016 einging, beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik. Sie legte hierzu Atteste ihrer behandelnden Ärzte vor.

Mit Schreiben vom 20.04.2017 forderte die Beklagte bei der Klägerin zur Vorlage an den MDK die Übersendung einer Fotodokumentation sowie die Mitteilung, in welchem Krankenhaus der Eingriff stattfinden solle, an. Die Klägerin übersandte die Fotodokumentation samt Angabe des gewünschten Krankenhauses am 18.05.2017 an die Beklagte, bei welcher dies am 22.0.05.2017 einging.

Die Beklagte legte die Unterlagen dem MDK vor. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Kostenübernahme nicht empfohlen werden könne.

Mit Bescheid vom 13.06.2017 lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag ab und verwies darauf, dass es keinen direkten kausalen Zusammenhang zwischen Mammahyperplasie und Wirbelsäulenbeschwerden gebe. Der MDK habe anhand der Fotodokumentation auch keine Entstellung anerkennen können.

Mit Schreiben vom 19.06.2017 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Sie verwies darauf, dass sie sich seit 10 Jahren durchgehend in physiotherapeutischer und fachärztlicher Behandlung befinde. Eine Reduzierung ihrer Beschwerden habe bisher nicht erreicht werden können. Sie legte weitere ärztliche Atteste vor. Die Beklagte beauftragte nochmals den MDK mit der Begutachtung. Dieser hielt am Ergebnis des Erstgutachtens fest.

Mit Bescheid vom 28.08.2017 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin ab und hob den Bescheid vom 13.06.2017 auf. Des Weiteren hob die Beklagte in diesem Bescheid die eingetretene fiktive Genehmigung ohne Nennung einer Rechtsgrundlage auf. Es bestehe kein materiell-rechtlicher Anspruch, daher sei die Genehmigungsfiktion aufzuheben. Ein überwiegendes Interesse der Klägerin sei nicht festzustellen. Es seien noch keine Kosten entstanden. Der Antrag müsse nochmals geprüft werden. Da der MDK dazu komme, dass die Kostenübernahme nicht empfohlen werden könne, sei diese abzulehnen.

Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 15.09.2017 Widerspruch ein.

Durch Widerspruchsbescheid vom 02.11.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28.08.2017 als unbegründet zurück. Es habe kein Anspruch der Klägerin auf die beantragte Leistung bestanden, da die sozialmedizinischen Voraussetzungen des Anspruchs nicht erfüllt seien. Die fiktive Genehmigung sei zu Recht aufgehoben worden. Dies sei nach § 45 SGB X zulässig, da mangels materiell-rechtlichen Anspruchs die fiktive Genehmigung rechtswidrig gewesen sei. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin sei nicht feststellbar.

Dagegen hat die Bevollmächtigte der Klägerin am 01.12.2017 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Diese hat sie dahingehend begründet, dass der Antrag der Klägerin gemäß § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt gelte. Die Rücknahme habe nur erfolgen dürfen bei Nichtvorliegen der hier aber erfüllten Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.11.2017 zu verurteilen, gemäß dem Antrag der Klägerin vom 10.04.2017 die Kostenübernahme einer stationären beidseitigen Mammareduktionsplastik in der Frauenklinik Dr. C. in A-Stadt im Rahmen der Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.

Nach Hinweis des Gerichts, dass die eingetretene Genehmigungsfiktion nach der Entscheidung des BSG vom 07.11.2017, B 1 KR 15/17 R nur bei Nichtvorliegen der formellen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V zurückgenommen werden darf, verwies die Beklagte darauf, dass der 3. Senat des BSG eine andere Auffassung vertrete (Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R).

Mit Schreiben vom 20.02.2017 sind die Beteiligten zu einer möglichen Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts verwiesen.

Gründe

Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und wurde auch form- und fristgerecht erhoben.

Die Klage ist auch begründet da die Klägerin auf Grund der Regelung des § 13 Abs. 3a S. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die beantragte beidseitige Mammareduktionsplastik hat. Die Beklagte hat nicht innerhalb der in § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V vorgesehenen Frist entschieden und die Klägerin hierüber auch nicht in der in § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V vorgeschriebenen Form informiert.

Gemäß § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, muss sie dies gemäß § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitteilen. Die Leistung gilt gemäß § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V nach Ablauf der Frist als genehmigt, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt. Normzweck der genannten Regelungen ist es, den Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Entscheidung fristgerecht erfolgt oder eine Selbstbeschaffung zulässig sein wird. Die vorgeschriebene Schriftform (vgl. § 126 BGB) trägt der Bedeutung der Mitteilung Rechnung und hat Klarstellungs- und Beweisfunktion.

Die Klägerin hat am 10.04.2017 (Eingang 12.04.2017) einen hinreichend bestimmten Sachleistungsantrag auf Kostenübernahme einer beidseitigen Mammareduktionsplastik gestellt. Anträge sind nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sie müssen jedoch hinreichend bestimmt oder durch Auslegung bestimmbar sein. Dies ist der Fall, wenn ein entsprechender förmlicher Verwaltungsakt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausreichend bestimmt wäre. Aus dem Antrag muss daher - ggf. im Rahmen der Auslegung - erkennbar sein, für wen, welche Leistungen, in welchem Umfang erbracht werden sollen. Auslegungszweifel gehen hierbei zulasten des Antragstellers. Es ist allerdings ausreichend, wenn sich der Versicherte derart an die Krankenkasse wendet, dass diese erkennen kann, dass und welche Leistung er begehrt (vgl. KassKomm/ Schifferdecker SGB V § 13 Rn. 118). Der Antrag der Klägerin genügt diesen Anforderungen. Die Klägerin hat eine beidseitige Mammareduktionsplastik unter Vorlage ärztlicher Atteste beantragt. Dieser Antrag der Klägerin ist als Tenor eines entsprechenden bewilligenden Verwaltungsakts ausreichend bestimmt. Eine weitere Einschränkung des Antrags durch Angabe des Leistungserbringers ist zur Bestimmtheit des Antrags nach Entscheidung des Bundessozialgerichts ausdrücklich nicht erforderlich (vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R, Rn. 20). Es ist auch für das Gericht nicht erkennbar, wie die Frage des Behandlers, bei grundsätzlicher freier Arztwahl, die Prüfung der medizinischen Erforderlichkeit einer beantragten Leistung beeinflussen können soll. Auch die angeforderte Fotodokumentation ist zur Bestimmtheit des Antrags nicht erforderlich. Denn die Beklagte muss nur wissen, was die Klägerin will. Der Antrag ist nicht erst dann bestimmt, wenn alle ggfs. erforderlichen Unterlagen zur medizinischen Prüfung vorliegen. Dies gilt für eine Fotodokumentation umso mehr, da diese auch entbehrlich wäre, wenn der MDK eine persönliche Begutachtung der Klägerin vornehmen würde.

Die Klägerin durfte die beantragte Leistung auch für erforderlich halten. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, entschieden, dass die Gesetzesregelung diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich anordnet, diese sich aber aus dem Regelungszusammenhang und -zweck ergibt. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Die Ärzte der Klägerin befürworteten die beantragte Mammareduktionsplastik und diese ist auch grundsätzlich eine durch die GKV zu erbringende Leistung. Sie durfte diese daher für erforderlich halten.

Die Beklagte hat zu dem Antrag der Klägerin eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt. Damit ist die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB von fünf Wochen einschlägig. Diese hat die Beklagte nicht eingehalten und der Klägerin die Gründe hierfür auch nicht vor Ablauf der Frist unter Einhaltung der erforderlichen Form und damit rechtzeitig mitgeteilt. Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beginnt nach § 26 Abs. 1 und 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch am auf den Antragseingang folgenden Tag und endet mit dem Ablaufe des Tages der letzten Woche, der nach seiner Benennung dem Tag des Antragseingangs entspricht. Der Antrag der Klägerin ist unstreitig am 12.04.2016 bei der Beklagten eingegangen. Die Frist von fünf Wochen lief damit am 17.05.2017 ab. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten über den Antrag der Klägerin erfolgte am 13.06.2017 und damit weit außerhalb der Frist. Eine den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindernde schriftliche Mitteilung nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V erfolgte nicht. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, entschieden: „Will eine Krankenkasse den Eintritt der Genehmigungsfiktion eines Antrags auf Krankenbehandlung hinausschieben, muss sie den Antragsteller von einem hierfür hinreichenden Grund und einer taggenau bestimmten Fristverlängerung jeweils vor Fristablauf in Kenntnis setzen.“ Ein solches Schreiben wurde von der Beklagten nicht versandt.

Die kraft Gesetzes eingetretene Genehmigungsfiktion ist auch nicht wirksam durch den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 28.08.2017 wieder beseitigt worden. Eine Rücknahme der fiktiv eingetretenen Genehmigung aus materiell-rechtlichen Gründen nach § 45 SGB X ist nicht möglich. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V wirkt wie ein positiver Bewilligungsbescheid (vgl. vgl. BSG, Urteil vom 08. März 2016 - B 1 KR 25/15 R -, BSGE SozR 4-2500 § 13 Nr. 33). Sie bleibt daher wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R). Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist, vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 08.03.2016 (a. a. O.) darauf hingewiesen und im Urteil vom 07.11.2017, - B 1 KR 24/17 R, ausdrücklich entschieden, dass sich die Rechtmäßigkeit der Genehmigungsfiktion nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V beurteilt, „nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs“ (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R, Rdnr. 32). Da vorliegend die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V erfüllt waren (siehe oben), war eine Rücknahme der fingierten Genehmigung durch die Beklagte nach § 45 SGB X vorliegend nicht möglich, weil kein rechtswidriger Verwaltungsakt im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X vorliegt. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass der 3. Senat des BSG eine andere Auffassung vertrete, kann das Gericht dieser Auffassung nicht folgen. Der 3. Senat hat sich in der Entscheidung vom 11.05.2017, B 3 KR 30/15 R, Rn. 50,51 juris, nur ähnlich einem obiter dictum geäußert („Allerdings neigt der erkennende 3. Senat - im Unterschied zum Urteil des 1. Senats des BSG vom 08.03.2016 […] - zu der Auffassung, dass […]). Eine Festlegung ist mit der Neigung zu einer Auffassung nicht verbunden. Im vom 3. Senat entschiedenen Fall war die Rücknahme nach § 45 SGB X letztlich nicht entscheidungserheblich. Es liegt daher auch keine entsprechende Entscheidung des 3. Senats vor. Auch in den Entscheidungen vom 15.03.2018 hat der 3. Senat nicht entschieden, dass die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs die Rücknahme der Genehmigungsfiktion rechtfertigen, er hat vielmehr wiederum nicht zu dieser Frage entschieden (vgl. Terminbericht Nr. 9/18 vom 16.03.2018). Höchstrichterlich gibt es damit derzeit nur die vom 1. Senat getroffene Entscheidung. Das Gericht folgt dieser. Es ist nicht klar, wie der 3. Senat sich verhalten wird, sollte bei ihm diese Frage auch entscheidungserheblich werden. Er müsste dann den großen Senat anrufen und eine Entscheidung herbeiführen. Bis dahin kann nur auf die Entscheidung des 1. Senats verwiesen werden. Die Kammer hält die vom 1. Senat getroffene Entscheidung auch für richtig. Denn könnte jede eingetretene Genehmigungsfiktion dann wieder aufgehoben werden, wenn der materiell-rechtliche Leistungsanspruch nicht besteht, würde die Reglung des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V ins Leere laufen. Denn jeder Fall der eingetretenen Genehmigungsfiktion, auf dessen Leistung kein materiell-rechtlicher Anspruch besteht, könnte dann über § 45 SGB X wieder in den Zustand vor Eintritt der Genehmigungsfiktion zurückversetzt (und abgelehnt) werden. Die Norm des § 13 Abs. 3a SGB V würde dann von ihrem Schutzzweck her ins Gegenteil verkehrt. Eigentlich soll dem Versicherten durch das enthaltene Beschleunigungsgebot möglichst schnell Klarheit darüber verschafft werden, ob er sich die Leistung beschaffen darf. Bei der Auslegung der Norm durch die Beklagte ist das Gegenteil der Fall. Das Verfahren wird durch Eintritt der Genehmigungsfiktion, Erlass eines Ablehnungsbescheids, Widerspruchsverfahren, Erlass eines Rücknahmebescheids und ggfs. hiergegen Widerspruchsverfahren, sogar noch weiter verzögert. Darüber hinaus setzt sich der Versicherte in diesen Fällen bei selbstständiger Leistungsbeschaffung (was er nach der Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V nach Fristablauf ja gerade tun soll) einem unkalkulierbaren Kostenrisiko aus, da er nicht weiß, ob die eingetretene Genehmigungsfiktion aufgehoben wird, weil die Beklagte (lange nach Ende der Fristen des § 13 Abs. 3a SGB V) zu dem Ergebnis kommt, es habe kein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch bestanden. Die Genehmigungsfiktion wird dadurch von einer Patientenschutznorm zu dem größten Kostenrisiko, dem sich der Versicherte im Rahmen des SGB V selbst aussetzen kann, ohne es zu wissen.

Die Klägerin hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der beantragten Mammareduktionsplastik.

Damit war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

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(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnun

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 26 Fristen und Termine


(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist. (2) Der Lauf einer Frist, die von einer B

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(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Juni 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine Kopforthese einschließlich deren Anpassung.

2

Eine Kopforthese ist ein leichter Helm, der nach einem Schädelabdruck oder einem 3D-Schädelscan individuell angefertigt und in der Regel mehrere Monate lang für 23 Stunden täglich vom Säugling getragen wird. In dieser Zeit wird sie dem Kopfwachstum entsprechend mehrfach angepasst.

3

Bei dem am 30.1.2013 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse versicherten Kläger bestand seit der Geburt an einer rechtsseitig abgeflachten Asymmetrie des Schädels (Plagiocephalus rechts) ohne frühzeitige Verknöcherung der Schädelnähte (dh nicht synostotisch verursacht), die mittels Lagerungstherapie, Krankengymnastik und osteopathischen Behandlungen nicht ausgeglichen werden konnte. Auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung einer dynamischen Kopforthese vom 24.4.2013 und eines hierzu von einer Firma für Orthopädietechnik gefertigten Kostenvoranschlags über 1965,34 Euro ging für ihn am 30.4.2013 ein entsprechender Antrag auf Versorgung bei der Beklagten ein. Diese lehnte den Antrag ab, da die Versorgung mit einer Kopforthese eine nicht anerkannte Behandlungsmethode sei, deren medizinischer Nutzen nicht hinlänglich durch Studien nachgewiesen sei (Bescheid vom 28.5.2013).

4

Bei der ärztlich verordneten Vermessung des Schädels per Scan am 21.5.2013 zeigte sich bei dem Kläger eine Differenz der Schädeldiagonalen von 10,3 mm. Die Firma für Orthopädietechnik stellte den Eltern des Klägers die dynamische Kopforthese nach Scan am 28.8.2013 in Rechnung. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nach Aktenlage ein und wies den Widerspruch des Klägers mangels positiver Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Kopforthesentherapie zurück (Widerspruchsbescheid vom 3.9.2013). Die Helmtherapie endete mit Erhebung der Abschlussdaten am 5.11.2013.

5

Das SG hat die auf Erstattung der gezahlten oa Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 3.3.2014). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V seien nicht gegeben. Trotz des kurzen Zeitfensters von wenigen Monaten zur Regulierung der Schädelasymmetrie sei die Leistung nicht so eilbedürftig gewesen, als dass vor Behandlungsbeginn eine Entscheidung der Krankenkasse nicht habe abgewartet werden können. Auf den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und der Selbstbeschaffung der Leistung durch den Kläger komme es jedoch nicht entscheidend an, weil die Beklagte jedenfalls den Antrag nicht rechtswidrig abgelehnt habe. Es handele sich um eine neue Therapiemethode, die der GBA nicht empfohlen habe und die zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) abrechnungsfähig gewesen sei; insbesondere nicht nach der Krankheitsbilder des Stütz- und Bewegungsapparates betreffenden EBM-Ä-Ziffer 18310, die als Zusatzpauschale in Höhe von 21,60 Euro die Kopforthesentherapie nicht ausreichend abbilde. Es habe auch kein Ausnahmetatbestand vorgelegen, aufgrund dessen ein Anspruch auch ohne positive Empfehlung des GBA in Betracht kommen könne. Unerheblich sei deshalb, ob der Plagiocephalus Krankheitswert gehabt habe (Urteil vom 11.6.2015).

6

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Es habe sich um eine unaufschiebbare Leistung iS des § 13 Abs 3 Alt 1 SGB V gehandelt, da die Behandlung einer Schädelasymmetrie während der erheblichen Wachstumsphase innerhalb eines nur sehr kurzen Zeitfensters begonnen werden müsse. Nach einer Entscheidung des SG Leipzig (Urteil vom 16.12.2014 - S 27 KR 488/13) sei davon auszugehen, dass die Behandlung mittels einer Kopforthese durch die EBM-Ä-Ziffer 18310 ausreichend abgebildet werde, sodass eine positive Empfehlung des GBA nicht erforderlich sei. Zudem werde in der Medizin diskutiert, dass die Lagerungsasymmetrie zu Hirnveränderungen mit motorischen und kognitiven Defiziten führen könne. Da die Standardtherapien mittels Lagerung und Physiotherapie nicht ausreichten, müsse die Kopforthesentherapie nach der Rechtsprechung des BVerfG zur Vermeidung einer grundgesetzwidrigen notstandsähnlichen Situation erbracht werden. Schließlich habe der GBA ein Verfahren zur Überprüfung der Methodik der Kopforthesenbehandlung nicht zeitgerecht durchgeführt, obwohl die Gemeinsame Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin bereits in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2012 eine weitere wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Thematik angeregt habe.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 3. März 2014 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2013 zu verurteilen, ihm 1965,34 Euro zu erstatten.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts und führt ergänzend aus, von einer notstandsähnlichen Situation könne nicht schon dann ausgegangen werden, wenn eine mögliche, aber unwahrscheinliche Folge schwerwiegend sein könne. Da die Auswertung der zahlreichen Studien zur Kopforthesenbehandlung längere Zeit in Anspruch nehme, sei auch nicht von einem Systemversagen auszugehen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

11

Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat nicht abschließend über den vom Kläger gegen die beklagte Krankenkasse geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Herstellung und Anpassung einer Kopforthese in Höhe von 1965,34 Euro entscheiden.

12

Versicherte erhalten die Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs 1 S 1, Abs 2 SGB V), und die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs 1 SGB V). Wie das LSG zutreffend entschieden hat, ergibt sich der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch zwar nicht aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V(hierzu 1.). Zum darüber hinaus aber noch in Betracht kommenden Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs 3a SGB V fehlt es an Feststellungen des LSG, ohne die der Senat nicht beurteilen kann, ob sich der Erstattungsanspruch aus dieser Vorschrift ergibt(hierzu 2.). Die Sache war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

13

1. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach beiden Alternativen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF in der bis heute unveränderten Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266) lagen nicht vor.

14

Nach dieser Vorschrift sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1, hierzu a>) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt 2, hierzu b>) und Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt den primär auf die Sach- oder Dienstleistung gerichteten Anspruch, wenn das Sachleistungs- bzw Naturalleistungssystem versagt und sich die Versicherten die Leistungen selbst beschaffen (vgl zB BSGE 73, 271, 276 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 9, 15; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 106). Das Unvermögen der Krankenkasse, die Leistung rechtzeitig zu erbringen, sowie die rechtswidrige Verweigerung der Sachleistung berechtigen den Versicherten, sich die Leistung in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips selbst zu beschaffen. Deshalb besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich nach beiden Alternativen des § 13 Abs 3 S 1 SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen(stRspr, vgl zB BSGE 70, 24, 26 = SozR 3-2500 § 12 Nr 2 S 1, 3; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 10 mwN).

15

a) Die Beklagte hat es nicht versäumt, eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig zu erbringen.

16

Unaufschiebbar ist eine Leistung, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht und daher die Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet werden kann. Leistungen, auf die kein Anspruch besteht, können schon mangels Notwendigkeit nicht dringlich sein. So verhält es sich hier. Eine Behandlung mittels Kopforthese gehört bis heute nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV; vgl hierzu näher die Parallelentscheidungen des Senats zum Komplex vom 11.5.2017 zu den Aktenzeichen B 3 KR 1/16 R, B 3 KR 6/16 R und B 3 KR 17/16 R). Die Schädelasymmetrie des Klägers erreichte darüber hinaus keinen Krankheitswert und bot aufgrund ihrer geringen Ausprägung auch im Rahmen von Vorsorgeleistungen keinen Anlass zur Behandlung mittels Kopforthese (hierzu b>).

17

Zudem hätte selbst bei einer Behandlungsnotwendigkeit kein Eilbedürfnis für eine Leistung im Sinne einer Unaufschiebbarkeit bestanden. Denn dies setzt voraus, dass der angestrebte Behandlungserfolg bei einem Abwarten der Entscheidung der Krankenkasse nicht mehr eintreten kann oder dass ein weiteres Zuwarten - zB wegen der Intensität der Schmerzen - nicht mehr zumutbar ist; das Ausmaß der Dringlichkeit einer Notfallbehandlung iS des § 76 Abs 1 S 2 SGB V, die regelmäßig als Sachleistung zu gewähren ist, muss nicht erreicht sein(vgl zB BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 13 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23; vgl BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris RdNr 14 mwN; Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 42 mwN).

18

Wie das Berufungsgericht revisionsrechtlich beanstandungsfrei ausgeführt hat, lag ein solches Eilbedürfnis nicht vor. Es bestand danach kein hinreichender Grund dafür, nicht zunächst die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Zwar wird die Kopforthesentherapie in der Regel zwischen dem vierten und dem sechsten bzw spätestens bis zum 12. Lebensmonat begonnen, weil in den ersten sechs Lebensmonaten wegen des schnellen Kopfwachstums die besten Erfolge zu erwarten sind (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, 2012, S 6, 9, abrufbar unter: www.neuropaediatrie.com/info_fuer_aerzte/stellungnahmen.html - recherchiert im April/Mai 2017 ; ähnlich Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 15; Funke ua, Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 438, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017). Da der Kläger aber bei Antragstellung erst ca drei Monate alt war, gab es jedenfalls ein Zeitfenster von bis zu mehreren Monaten. Eine Entscheidung der Krankenkasse war aber innerhalb weniger Wochen zu erwarten (vgl § 13 Abs 3a SGB V). Medizinische Gesichtspunkte dafür, dass die Behandlung selbst in diesem zeitlichen Rahmen keinen Aufschub mehr duldete, sind nicht ersichtlich. Versicherte dürfen sich eine Behandlung indessen regelmäßig erst dann selbst beschaffen, wenn die Krankenkasse die Möglichkeit zur Prüfung und Erbringung im Wege der Sachleistung hatte. Denn mit der Selbstbeschaffung einer Leistung können Gesundheitsgefahren verbunden sein, Behandlungsalternativen können übersehen werden, und die Einhaltung des Sachleistungsprinzips liegt zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen nicht nur im Interesse des betroffenen Antragstellers, sondern auch grundsätzlich im Interesse der Versichertengemeinschaft (vgl §§ 2, 12 SGB V; vgl auch zB BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 12).

19

b) Die Beklagte hat die Versorgung des Klägers mittels Kopforthese auch nicht iS von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V zu Unrecht abgelehnt, sondern zu Recht.

20

Der Kläger hatte zu dem Zeitpunkt, als er sich die Kopforthese selbst beschaffte (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V allgemein näher vgl zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 29 RdNr 14 und Nr 32 RdNr 10; BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 13) keinen Anspruch auf die Kopforthese als Sachleistung. Schon deshalb kommt es hier darauf, ob dem Kläger die Kosten für die Kopforthese durch die ablehnende Entscheidung entstanden sind, - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - nicht an.

21

Ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einer Kopforthese schied aus, weil die Schädelasymmetrie bei ihm von solch geringer Ausprägung war, dass es sich nicht um eine (behandlungsbedürftige) Krankheit iS des § 27 Abs 1 S 1 SGB V(in der insoweit unverändert gebliebenen Fassung durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20.12.1988, BGBl I 2477) handelte (dazu aa>). Es bestand auch kein Anlass zur Versorgung mit einer Kopforthese im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen iS des § 23 Abs 1 SGB V(in der in der insoweit unverändert gebliebenen Fassung durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626). Bei einer Schädelasymmetrie von so geringem Ausmaß, wie sie beim Kläger vor der Versorgung gegeben war, kommt es auf einen ggf vom GBA zu bewertenden Nutzen einer Kopforthese nicht an (vgl hierzu aber Parallelentscheidungen des BSG vom 11.5.2017 zu den Aktenzeichen B 3 KR 1/16 R, B 3 KR 6/16 R und B 3 KR 17/16 R). Denn die Frage, ob einer körperlichen Unregelmäßigkeit im Einzelfall Krankheitswert zukommt und ob daher überhaupt Behandlungsmaßnahmen nach § 27 Abs 1 SGB V indiziert sind, ist nicht vom GBA, sondern allein von den Gerichten zu entscheiden. Gleiches gilt für das Ausmaß an Regelwidrigkeit des kindlichen Kopfes, das als Anlass für die Gewährung medizinischer Vorsorgemaßnahmen iS des § 23 Abs 1 SGB V erreicht sein muss(dazu bb>).

22

aa) Nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Voraussetzung des Behandlungsanspruchs auch mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V) ist daher das Vorliegen einer Krankheit im Rechtssinne. Unter einer Krankheit versteht die Rechtsprechung einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand, der behandlungsbedürftig ist oder Arbeitsunfähigkeit bedingt. Regelwidrig ist ein Körperzustand, der vom Leitbild eines gesunden Menschen abweicht, wobei nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zukommt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 28 RdNr 10; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f).

23

Die Schädelasymmetrie des Klägers bestand unmittelbar vor der Versorgung mit der Kopforthese ausweislich des am 21.5.2013 erfolgten Schädelscans bei einer Differenz der Schädeldiagonalen von 10,3 mm. Darin liegt kein regelwidriges krankheitswertiges Ausmaß im dargelegten Sinne.

24

In der zu dieser Zeit vorliegenden Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin zu dynamischen Kopforthesen ("Helmtherapie", Studie der Autoren: Rosenbaum, Borusiak, Schweitzer, Berweck, Sprinz, Straßburg, Klepper, 2012, S 2 f, veröffentlicht im Internet unter: www.neuropaediatrie.com/info_fuer_aerzte/stellungnahmen.html - recherchiert im April/Mai 2017) werden insoweit Studien aufgeführt, nach denen zur Vermessung der Schädelasymmetrie zwei Diagonalen auf den knöchernen Schädel projiziert werden, die durch den Kreuzungspunkt von Längs- und Querdurchmesser des Schädels gehen und jeweils um 30 Grad vom Längsdurchmesser des Schädels abweichen. Wird die Längendifferenz dieser beiden Diagonalen durch die größere Diagonalenlänge dividiert, ergibt sich ein Wert, der bis zu 3 mm bzw 3,5 mm als Normwert angesehen wird; bei einem Wert bis einschließlich 12 mm liegt danach eine milde/moderate Form der Asymmetrie vor und erst wenn der Wert 12 mm übersteigt, muss von einer moderaten bis schweren Form der Asymmetrie ausgegangen werden. Das korrespondiert mit der Bewertung von Funke ua (Funke ua in Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 440 f, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017), nach der Werte bis 10 mm dem Normbereich zugerechnet werden (so auch Frey, Analyse der subjektiven Beurteilung der Kopforthesentherapie bei Lagerungsplagiocephalus durch Eltern behandelter Kinder in der craniofacialen Sprechstunde des Universitätsklinikums Würzburg, Dissertation, 2014, S 12); erst ab Werten von 15 mm und mehr wird danach eine Asymmetrie erreicht, bei der eine Helmtherapie indiziert sein kann. Die Plausibilität des Normbereichs bis 10 mm erklären die Autoren ua mit einem Kontrollkollektiv von 20 Säuglingen, bei denen nie die Diagnose einer Schädelasymmetrie gestellt wurde, und die durchschnittlich eine Differenz von 6 mm und eine Streuung bis 11 mm aufwiesen. Zu berücksichtigen ist bei alledem, dass die Asymmetrie als solche das Wohlbefinden des Kindes nicht beeinträchtigt (vgl hierzu ua Biedermann, Kinder- und Jugendarzt, 2010, 723, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de , recherchiert im April/Mai 2017 ) und ein medizinischer Nutzen der Helmtherapie über eine rein kosmetische Verbesserung der Schädelasymmetrie hinaus nicht belegt ist (Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin zu dynamischen Kopforthesen - "Helmtherapie", aaO, S 9). Milde Deformitäten können zudem mit rechtzeitiger Lagerungstherapie und ggf Physiotherapie gut behandelt werden (Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission, ebenda).

25

Beim Kläger lag ausgehend davon bei einer bei ihm bestehenden Differenz von 10,3 mm eine (nur) milde Form der Schädelasymmetrie vor, die nach der Einteilung von Funke ua (Funke ua in: Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 440 f, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de, recherchiert im April/Mai 2017) beinahe noch im Normbereich lag. Für das Vorliegen funktioneller Einschränkungen gab es keine Anhaltspunkte. Es existierten zu der Zeit, als die Eltern des Klägers die Kopforthese selbst beschafften, keine wissenschaftlich haltbaren Daten, die einen Zusammenhang zwischen einer Schädelasymmetrie im Säuglingsalter und späteren Erkrankungen oder Beeinträchtigungen, weder somatisch noch psychisch, belegen (vgl Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission, aaO, S 4). Die körperliche Unregelmäßigkeit beeinträchtigte den Kläger in seinen Körperfunktionen nicht und wirkte in diesem Ausmaß auch keinesfalls entstellend. Solche Folgen waren auch bei weiterem Zuwarten ohne therapeutische Einwirkungen nicht zu erwarten, sodass ausgehend von den dargestellten Erkenntnissen keine Krankheit im Rechtssinne vorlag.

26

Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass zwar durchaus schon Frühstadien einer Erkrankung oder Krankheitsanlagen und sogar Krankheitsrisiken in bestimmtem Maße oder der hinreichende Verdacht einer Krankheit einen Behandlungsanspruch auslösen können (vgl hierzu ausführlich zB E. Hauck, NJW 2016, 2695; Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 27 SGB V RdNr 30 ff, insbesondere RdNr 83 ff, Stand Mai 2005). Es lagen aber insbesondere ausgehend von den durch die gemeinsame Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin zu dynamischen Kopforthesen ausgewerteten Studien (vgl Stellungnahme der Kommission aus 2012, aaO) keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine milde/moderate Form der Schädelasymmetrie ohne weitere Behandlung in einem fortgeschrittenen Alter Krankheitswert im Rechtssinne erreichen könnte.

27

bb) Das Klagebegehren führt gleichermaßen nicht unter dem Blickwinkel des § 23 Abs 1 SGB V zum Erfolg.

28

Nach dieser Regelung haben Versicherte (schon) Anspruch auf ärztliche Behandlung einschließlich Versorgung mit Hilfsmitteln, wenn diese notwendig sind,

1.    

eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,

2.    

einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,

3.    

Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder

4.    

Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.

29

Diese Vorschrift gewährt Ansprüche zur Abwendung eines Krankheitsrisikos mithin bereits vor der Manifestation einer Krankheit iS des § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Allerdings setzt ein Leistungsanspruch im Vorfeld einer Krankheit wenigstens eine Schwächung der Gesundheit oder das Drohen von Krankheit oder deren Verschlimmerung voraus oder Pflegebedürftigkeit, die es zu vermeiden gilt (vgl zB Schütze in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 23 RdNr 19 ff mwN). Beim Kläger lagen indessen - wie bereits ausgeführt - weder hinreichende Anhaltspunkte für eine bevorstehende Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit vor, noch handelte es sich um eine Schwächung der Gesundheit iS von § 23 Abs 1 Nr 1 SGB V. Geschwächt ist die Gesundheit, wenn sie - ohne krankheitswertig iS des § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu sein - im Hinblick auf eine drohende Erkrankung so angegriffen ist, dass die körperliche Leistungsfähigkeit abweichend vom Normalzustand des altersgerecht gesunden Menschen alltäglichen gesundheitlichen Belastungen nicht mehr standzuhalten vermag, oder wenn der Allgemeinzustand so labil ist, dass bei gleichbleibender Belastung - außerberuflich und beruflich - mit dem Ausbruch einer Erkrankung zu rechnen ist(vgl zB Schütze in jurisPK-SGB V, aaO, § 23 RdNr 34 mwN). Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben.

30

Ein Versorgungsanspruch kann ebenso nicht auf § 23 Abs 1 Nr 2 SGB V gestützt werden, nach dem speziell bei Kindern bereits eine Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung einen Behandlungsanspruch auslöst. Die gesundheitliche Entwicklung eines Kindes ist gefährdet, wenn der Entwicklungsprozess der altersgerechten Ausbildung der körperlichen, geistigen und seelischen Anlagen entweder bereits zurückgeblieben oder auf andere Weise beeinträchtigt oder mit Wahrscheinlichkeit mit einer Beeinträchtigung zu rechnen ist (vgl zB Schütze, aaO, § 23 RdNr 42 mwN). Es lagen - wie bereits beschrieben - keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer Schädelasymmetrie von solch moderater Form, wie sie beim Kläger bestand, mit Entwicklungsbeeinträchtigungen im Hinblick auf körperliche, geistige oder seelische Funktionen zu rechnen war. Zwar setzt eine Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung iS des § 23 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht unbedingt eine zu erwartende Funktionseinbuße voraus; vielmehr können danach auch anderweitige Beeinträchtigungen, wie etwa Wachstumsschwächen oder vergleichbare Entwicklungsverzögerungen von rechtlich relevantem Ausmaß schon Leistungsansprüche auslösen. Individuelle Unterschiede, die sich im Leitbild des Zustandes eines gesunden Menschen halten, sind für das Leistungsrecht der GKV jedoch grundsätzlich unbeachtlich. Krankenversicherungsrechtlich relevant können Beeinträchtigungen daher auch in Bezug auf die gesundheitliche Entwicklung von Kindern nur dann sein, wenn sie über die Bandbreite individueller Verschiedenheiten hinaus als wesentliche Störung der normalen kindlichen Entwicklung erscheinen. Ist eine Funktionsbeeinträchtigung dagegen nicht zu erwarten, muss die drohende Beeinträchtigung für das betroffene Kind das erträgliche Maß überschreiten, und es müssen zweckmäßige und wirtschaftliche Reaktionsmöglichkeiten bestehen.

31

Die Leistungsvoraussetzungen nach § 23 SGB V sind bei einer Schädelasymmetrie, die - wie bei dem Kläger - nahe beim Normbereich liegt, jedenfalls für eine Versorgung mit einer Kopforthese nicht erfüllt, da eine solch geringfügige Normabweichung wirtschaftlicher mit einer Lagerungstherapie und ggf Physiotherapie behandelt werden kann und selbst unbehandelt mit einem Rückgang der Asymmetrie im Laufe der Entwicklung zu rechnen ist(so Stellungnahme der gemeinsamen Therapiekommission der Gesellschaft für Neuropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, aaO, S 5 f, 9). Zudem leben sowohl zahlreiche Kinder und vor allem Säuglinge als auch viele Menschen im erwachsenen Alter mit Schädelasymmetrien in diesem Ausmaß ohne Einschränkungen (vgl Funke ua in Kinder- und Jugendarzt 2010, 437, 440 f, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de sowie Biedermann, Kinder- und Jugendarzt, 2010, 723, abrufbar unter: www.kinder-undjugendarzt.de , recherchiert im April/Mai 2017 ).

32

2. Zu den Voraussetzungen eines auf § 13 Abs 3a SGB V gestützten Kostenerstattungsanspruchs fehlt es an notwendigen Feststellungen des Berufungsgerichts, weshalb die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden muss(§ 170 Abs 2 SGG).

33

a) Abs 3a des § 13 SGB V war in Bezug auf den am 30.4.2013 bei der Beklagten eingegangenen Antrag des Klägers auf Versorgung mit einer Kopforthese bereits anwendbar. Die Regelung wurde nämlich mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Art 2 Nr 1 Patientenrechtegesetz vom 20.2.2013, BGBl I 277) mit Wirkung zum 26.2.2013 geschaffen.

34

b) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Krankenkasse die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15 des SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

35

c) Der Anwendung von § 13 Abs 3a SGB V im Falle des Klägers steht S 9 dieser Vorschrift nicht entgegen, denn die Versorgung eines Säuglings mit einer Kopforthese zur Behandlung einer Schädelasymmetrie gehört nicht zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation.

36

Die Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen nach dem SGB IX dienen nach ihrer im Gesetz angelegten Zielrichtung primär der Förderung der Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie der Vermeidung und dem Entgegenwirken von Benachteiligungen (§ 1 S 1 SGB IX).Eine trennscharfe Abgrenzung zu sonstigen Leistungen der GKV ist allerdings mangels hinreichend konkreter normativer Vorgaben und Überschneidungen der Ziele (vgl § 11 Abs 2 SGB V sowie § 4 Abs 1 Nr 1, § 26 Abs 1 Nr 1 SGB IX) schwierig. Die Abgrenzung zwischen stationärer Rehabilitation und Krankenhausbehandlung hat die Rechtsprechung bisher im Wesentlichen nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden, der Intensität der ärztlichen Tätigkeit und dem Hauptziel der Behandlung getroffen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 14 Leitsatz und RdNr 13 ff unter Fortführung von BSGE 94, 139 = SozR 4-2500 § 112 Nr 4). Die sog "erweiterte ambulante Physiotherapie" - eine medizinische Trainingstherapie unter Kombination von Leistungen, die der "Funktionswiederherstellung oder Funktionsverbesserung nach Unfallverletzungen mit Störungen ganzer Funktionsketten oder nach Berufskrankheiten" dient und nur in speziellen Rehabilitations-Zentren mit entsprechender personeller, apparativer und räumlicher Ausstattung erbracht werden kann - wird der ambulanten Rehabilitation zugeordnet (BSGE 105, 271 = SozR 4-2500 § 40 Nr 5 Leitsatz 3 und RdNr 24 ff), weil es sich um eine nachakute, intensivierte Therapieform mit auf die Rehabilitation bezogener Zielrichtung handelt. Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ist insoweit insbesondere die gesetzlich unterschiedlich definierte Zweckdienlichkeit nach § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V(= "um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern") und nach § 31 Abs 1 Nr 2 SGB IX(= "um den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern") zu berücksichtigen.

37

Danach handelt es sich bei einem Hilfsmittel, das - wie hier die Kopforthese - nicht im Rahmen einer stationären oder ambulanten Rehabilitationsmaßnahme eingesetzt wird, jedenfalls dann nicht um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, wenn es nach der Zielrichtung seines Einsatzes primär einer (akuten) Krankenbehandlung dienen soll. Soweit der Schädelasymmetrie Krankheitswert zukommt, zielt der Einsatz einer Kopforthese hauptsächlich auf die Heilung der Krankheit (vgl § 27 Abs 1 S 1 SGB V) und nicht darauf, eine Behinderung oder deren Folgen günstig zu beeinflussen oder abzuwenden (vgl § 11 Abs 2 SGB V; § 4 Abs 1 Nr 1, § 26 SGB IX). Die Schädelasymmetrie soll nämlich mittels der Kopforthese als technisches Hilfsmittel und zwar in Form einer - wie dargestellt - eng zeitgebundenen Akutbehandlung therapiert werden; demgegenüber liegt eine Behinderung weder bereits vor noch ist mit ihrem Eintritt typischerweise unmittelbar zu rechnen.

38

d) Einem mithin grundsätzlich in Betracht kommenden Anspruch des Klägers auf Erstattung der für die Kopforthesenversorgung aufgewandten Kosten aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V steht - anders als einem Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V - auch nicht entgegen, dass eine Sachleistung betroffen ist, die allgemein nicht zum Leistungskatalog der GKV gehört.

39

Weder der Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V noch der Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3a S 7 SGB V setzen voraus, dass die Leistung objektiv medizinisch notwendig und vom Leistungsumfang der GKV umfasst ist. Voraussetzung dafür ist vielmehr lediglich, dass der Versicherte subjektiv von der Erforderlichkeit der Leistung ausgehen durfte (BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25). Auch insoweit folgt der 3. Senat der Auffassung des 1. Senats uneingeschränkt.

40

Obwohl die Schädelasymmetrie beim Kläger von ihrem Ausmaß her weder eine Krankheit im Rechtssinne darstellte noch eine rechtlich relevante Gefährdung seiner gesundheitlichen Entwicklung befürchten ließ, durfte der Kläger jedenfalls die beantragte Kopforthesentherapie für eine medizinisch erforderliche Leistung halten, die nicht "offensichtlich" außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Denn der behandelnde Arzt brachte spätestens mit der Verordnung der Kopforthese dem Kläger gegenüber zum Ausdruck, dass er der konkret vorliegenden körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert beimaß und dass er annahm, die Kopforthesentherapie stelle insoweit eine geeignete und erforderliche Behandlung im System der GKV dar. Der Kläger war nicht gehalten, diesen medizinischen Standpunkt des behandelnden Arztes anzuzweifeln, ihn näher zu überprüfen oder von Dritten (im Sinne der Einholung einer Zweitmeinung) bestätigen zu lassen. Hinzu kommt, dass es aus fachmedizinischer Einschätzung heraus für den Krankheitswert von Schädelasymmetrien keine klar definierten Grenz- oder wenigstens Orientierungswerte gab, dass eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung dazu fehlte und dass einige Krankenkassen die Kopforthesentherapie in Einzelfällen durchaus bewilligten.

41

e) Der Senat kann allerdings auf der Basis der Feststellungen des LSG, an die er gebunden ist (§ 163 SGG), nicht beurteilen, ob der Kläger den Ablauf der Frist abwartete, bevor er sich die Kopforthese selbst beschaffte.

42

aa) Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3a S 7 SGB V setzt nämlich auch voraus, dass die Frist, innerhalb derer die Krankenkasse über den Leistungsantrag zu entscheiden hat, abgelaufen ist, bevor sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschafft. Ein solcher Erstattungsanspruch kommt danach nur in Betracht, wenn die Leistung "nach Ablauf der Frist" beschafft wurde. Neben dem Wortlaut spricht für das Erfordernis des Fristablaufs auch die Gesetzesbegründung, nach der die Vorschrift der Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens dient (vgl Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, BT-Drucks 17/10488, S 32 zu Art 2 zu Nr 1) und dass die Selbstbeschaffung (nur) für den Fall einer nicht rechtzeitigen Leistungserbringung durch die Krankenkasse vorgesehen ist (vgl Begründung, ebenda, BT-Drucks 17/10488, S 32 zu Art 2 zu Nr 1; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 17/10488 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, BT-Drucks 17/11710, S 29 f zu Art 2 zu Nr 1). Denn die Krankenkasse muss wegen der mit der Selbstbeschaffung von Leistungen verbundenen Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken weiterhin die rein faktische Möglichkeit haben, sich mit dem Leistungsbegehren in der ihr zustehenden Zeit zu befassen, es zu prüfen und ggf Behandlungsalternativen aufzuzeigen (vgl bereits ua BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 12§ 13 abs 3 sgb v>).

43

bb) Zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Kopforthese durch die Eltern des Klägers fehlen jedoch hinreichende Feststellungen des LSG.

44

Da seitens der beklagten Krankenkasse ein MDK-Gutachten erst im Widerspruchsverfahren eingeholt wurde, hatte sie gemäß § 13 Abs 3a S 1 SGB V grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Diese Drei-Wochen-Frist endete nach § 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1, 2, § 188 Abs 2 BGB mit Ablauf des 21.5.2013, da der Antrag in Form des Kostenvoranschlags am 30.4.2013 bei der Beklagten eingegangen war. Bis zum Ablauf der Frist am 21.5.2013 erging indessen weder ein Bescheid der Beklagten noch eine Mitteilung an den Kläger über einen Grund für die Nichteinhaltung der Frist.

45

Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich der Kläger die Kopforthese bereits vor Ablauf des 21.5.2013 selbst beschaffte. Denn auffällig ist, dass die ersten Messungen für die Anfertigung der Kopforthese schon am 21.5.2013 erfolgten. Der Kläger selbst hat dieses Datum im Klageverfahren als Therapiebeginn bezeichnet (Schreiben an das SG vom 20.9.2013). Das Berufungsgericht hat die Feststellung, ob sich der Kläger an diesem Tag die Leistung bereits selbst beschaffte, ausdrücklich offengelassen; aus seiner Sicht war dies konsequent, da es im Rahmen eines Anspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V darauf nicht ankam. Ermittlungen hierzu müssen aber im zurückverwiesenen Verfahren nachgeholt werden.

46

Eine Leistung ist nach der Rechtsprechung des Senats selbst beschafft, wenn im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer bezogen auf die Leistung ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft zustande gekommen ist und sich der Versicherte damit einer endgültigen rechtlichen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt hat (vgl zu Hilfsmittel-Leistungen: BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 12; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 20 ff). Zwar werden Verpflichtungsgeschäfte regelmäßig verbindlich abgeschlossen, bevor der Leistungserbringer mit den ersten Ausführungshandlungen beginnt; das ist aber rechtlich nicht zwingend, und die Vereinbarung eines Vorbehalts zur verpflichtenden Abnahme der Kopforthese - beispielsweise in Abhängigkeit vom Messergebnis - ist zumindest nicht ausgeschlossen. Das LSG wird deshalb zu ermitteln haben, ob die Eltern des Klägers eine verbindliche Vereinbarung mit entsprechender Zahlungsverpflichtung bezüglich der Kopforthese erst nach Ablauf des 21.5.2013 eingegangen waren. Hatten sie sich bereits am 21.5.2013 oder früher gegenüber dem Leistungserbringer verbindlich verpflichtet, die Kopforthese abzunehmen und entsprechende Zahlung zu leisten, scheidet ein Kostenerstattungsanspruch auch nach § 13 Abs 3a S 7 SGB V aus.

47

f) Sollte das LSG aufgrund der von ihm nachzuholenden Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, dass eine verbindliche Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der Kosten für die Kopforthese erst nach Ablauf des 21.5.2013 erfolgte, wäre die gesetzliche Genehmigungsfiktion für die Kopforthesentherapie nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V eingetreten.

48

Gleichwohl steht auch in diesem Fall noch nicht abschließend fest, ob der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch dann gegeben wäre. Denn es fehlen Feststellungen des LSG dazu, ob die Beklagte die in diesem Fall kraft Gesetzes fiktiv eingetretene Genehmigung möglicherweise wirksam zurückgenommen hat. Diese Feststellungen sind im Falle des Eintritts der gesetzlichen Genehmigungsfiktion ebenfalls vom LSG nachzuholen.

49

Zwar liegt in der einfachen Leistungsablehnung - wie vorliegend in dem Bescheid der Beklagten vom 28.5.2013 - weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Rücknahme der fingierten Genehmigung (allgemein ebenso 1. Senat BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 32), sodass es nicht darauf ankommt, ob sich der Kläger die Kopforthese vor oder nach dem Erlass dieses Bescheides beschaffte.

50

Allerdings neigt der erkennende 3. Senat - im Unterschied zum Urteil des 1. Senats des BSG vom 8.3.2016 (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, Leitsatz 4 und RdNr 32) -zu der Auffassung, dass die durch § 13 Abs 3a S 7 SGB V gesetzlich fingierte Genehmigung grundsätzlich nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff SGB X aufgehoben werden kann, wobei deren Voraussetzungen an dem materiell-rechtlich genehmigten Leistungsanspruch zu bemessen sind. Der Auffassung des 1. Senats, eine Krankenkasse könne eine fingierte Leistungsgenehmigung nur zurücknehmen, widerrufen oder aufheben, wenn die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion von Anfang an nicht vorlagen oder später entfallen sind (BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, Leitsatz 4), steht das Verständnis des erkennenden Senats gegenüber, dass die allgemeinen Regelungen zur Bestandskraft von Verwaltungsakten und deren Modifikation (§§ 39 ff, 44 ff SGB X) auch auf die fingierte Genehmigung (entsprechende) Anwendung finden; denn einer (nur) fingierten Genehmigung kann keine stärkere Bestandskraft zukommen, als einer ausdrücklich mittels eines formellen Verwaltungsakts erteilten Genehmigung (für die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 44 ff SGB X insoweit auch Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, K § 13 RdNr 58l, Bearbeitungsstand November 2016; Schifferdecker in Kasseler Komm, § 13 SGB V RdNr 140 ff, Stand Einzelkommentierung Mai 2017; Padé, jurisPR-SozR Nr 23/2016 Anm 1; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Krüger, NZS 2016, 521, 522, der - bedenkenswert - § 42a VwVfG als Generalnorm bzw lex generalis für Fiktionsregelungen ansieht und Parallelwertungen anregt; aA Hackstein, SGb 2016, 596, 597; Ulrich in Festschrift für Kohte, 2016, S 617, 622 ff). "Fingiert" wird nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V nur der Erlass der Genehmigung selbst, nicht aber deren Rechtmäßigkeit. Die Verwaltung müsste daher die Möglichkeit haben, eine der objektiven Rechtslage widersprechende, lediglich aufgrund der gesetzlichen Fiktion eingetretene Genehmigung ebenso aufzuheben, als wäre sie im Wege eines formellen begünstigenden Verwaltungsakts erlassen worden, nämlich grundsätzlich unter Abwägung mit Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes des Betroffenen entsprechend den Regelungen der §§ 44 ff SGB X. Für diese Sichtweise spricht - unbeschadet weiterer mit zu erwägender Gesichtspunkte - auch, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB V gar nicht erst eintreten würde, wenn ihre Voraussetzungen von Anfang an nicht vorlagen oder später entfallen sind, dh wenn insbesondere der Fristablauf noch nicht eingetreten war.

51

Ist die - abhängig von den Feststellungen des LSG vorliegend möglicherweise eingreifende - fingierte Genehmigung auf eine Leistung gerichtet, auf die der Versicherte keinen Sachleistungsanspruch nach dem Recht der GKV hat, könnte sie daher nach dem Verständnis des Senats unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X jedenfalls zurückgenommen werden, solange der Versicherte noch keinen Gebrauch von ihr gemacht, dh solange er sich die Leistung noch nicht selbst beschafft und noch keine Kosten veranlasst hat.

52

Es erscheint dem 3. Senat indessen untunlich, dass er sich insoweit bereits im jetzigen Verfahrensstadium eine abschließende Überzeugung bildet und ein Anfrage- und Vorlageverfahren nach § 41 Abs 3 SGG einleitet; ohne entsprechende Feststellungen des LSG kann von der Entscheidungserheblichkeit der im Raum stehenden Rechtsfrage für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nicht ohne Weiteres ausgegangen werden.

53

3. In seiner abschließenden Entscheidung muss das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens befinden.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. September 2016 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Dezember 2015 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von 13 771,44 Euro zuzüglich Zinsen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen.

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin beantragte befundgestützt die Versorgung mit "medizinisch erforderlichen Liposuktionen" (11.9.2013). Die Beklagte lehnte dies ab: Nach Beurteilung des Sozialmedizinischen Dienstes sei die Leistung nicht notwendig (Bescheid vom 24.10.2013, Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014). Die Klägerin hat sich daraufhin die Liposuktionen auf eigene Kosten (15 271,44 Euro) in einer Privatklinik selbst verschafft (stationär vom 15. bis 17., ambulant am 18.12.2014; Einzelrechnungen ärztliche Behandlung 13 421,44 Euro, Pauschale "Allgemeinanästhesie" 1500 Euro, Übernachtungen 350 Euro). Sie ist mit ihrer Klage auf Erstattung dieses Betrags zuzüglich Zinsen ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 8.12.2015). Das LSG hat ihre Berufung zurückgewiesen: Die Liposuktion falle nicht unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Qualität und Wirksamkeit dieser neuen Behandlungsmethode seien nicht ausreichend belegt. Ein Anspruch folge auch nicht aus einer fingierten Genehmigung wegen verzögerter Verbescheidung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Die Regelung erfasse nur Leistungen, die grundsätzlich zum Leistungskatalog der GKV gehörten. Im Übrigen entsprächen die Rechnungen für Anästhesie und Übernachtung nicht der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ - (Beschluss vom 13.9.2016).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Die Genehmigungsfiktion trete bereits dann ein, wenn die beantragte Leistung - wie hier - nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liege. Die Rechnungen für Anästhesie und Übernachtung seien nicht zu beanstanden, da die von der Klägerin in Anspruch genommene Privatklinik in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei sei.

4

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. September 2016 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 24. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 zu verurteilen, 15 271,44 Euro zuzüglich Zinsen hierauf in Höhe von 4 vom Hundert seit dem 1. Januar 2015 zu zahlen,

hilfsweise,

den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. September 2016 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Dies gilt auch bezüglich des geltend gemachten Zinsanspruchs. Zwar erstreckt sich die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 S 1 SGG) nicht auf den Zinsanspruch (zum Begründungserfordernis für jeden Streitgegenstand: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 164 RdNr 9d mwN; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2017, § 164 Anm 21a Buchst bb mwN). Das fehlende Vorbringen zur Nebenforderung ist aber unschädlich, weil die mit der Revision auch insoweit angestrebte kassatorische Entscheidung nach der Revisionsbegründung denknotwendig von der Entscheidung über den Hauptanspruch abhängt (stRspr, zB BSG SozR 4-7912 § 96 Nr 1 RdNr 7, auch für BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 23.6.2015 - B 1 KR 24/14 R - Juris RdNr 7 = USK 2015-25; BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 8; Leitherer aaO; Hauck in Zeihe/Hauck, aaO, Anm 27e Buchst bb).

8

Die Revision ist teilweise - hinsichtlich der Anfechtung der Ablehnung der beantragten Leistung - begründet, teilweise - hinsichtlich des Anspruch auf Zahlung von 13 771,44 Euro - im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 und S 2 SGG) und im Übrigen - hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von weiteren 1500 Euro - unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die zulässige Klage (dazu 1.) ist überwiegend begründet. Darüber, ob die Klägerin aufgrund fingierter Genehmigung ihres Antrags einen Erstattungsanspruch auf 13 771,44 Euro Kosten der selbst beschafften Liposuktionen oder nur auf 13 741,44 Euro nebst Zinsen hat, kann der erkennende Senat nicht abschließend entscheiden. Es bedarf noch weiterer Feststellungen (dazu 2.). Die spätere Ablehnung der beantragten Leistung verletzt die Klägerin in ihren Rechten (dazu 3.). Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen. Der Klägerin entstanden im Rechtssinne keine Kosten in Höhe von 1500 Euro für Anästhesie (dazu 4.).

9

1. Die von der Klägerin erhobene allgemeine Leistungsklage ist zulässig. Nach § 54 Abs 5 SGG kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Hierfür genügt es, dass ein bindender Verwaltungsakt (§ 77 SGG) vorliegt, der Leistungsträger aber gleichwohl nicht leistet (vgl BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 22 f; s ferner Zeihe in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2017, § 54 RdNr 43b). Ist die Genehmigung einer beantragten Leistung kraft Fiktion erfolgt, steht dies der Bewilligung der beantragten Leistung durch einen Leistungsbescheid mit der Rechtsfolge gleich, dass das in seinem Gegenstand durch den Antrag bestimmte Verwaltungsverfahren beendet ist und dem Versicherten - wie hier - unmittelbar aus der fingierten Genehmigung ein Anspruch auf Versorgung mit der Leistung zusteht. Beschafft sich der Versicherte während des Verfahrens die Leistung selbst und begehrt Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten, ändert sich die statthafte Klageart nicht.

10

Die allgemeine Leistungsklage tritt nicht hinter die Feststellungsklage zurück (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Mit der allgemeinen Leistungsklage kann ein Kläger effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 S 1 GG) erlangen, wenn sich eine KK - wie hier - weigert, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte Leistung zu erbringen. Ihm bleibt nur die Leistungsklage, um einen Vollstreckungstitel zu erhalten (§ 199 Abs 1 Nr 1 SGG). Eine Vollstreckung aus Verwaltungsakten gegen die öffentliche Hand ist nicht vorgesehen (vgl BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 23; BSGE 75, 262, 265 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2 S 15). Die allgemeine Leistungsklage und nicht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ist statthaft. Denn die Klägerin stützt ihr Begehren gerade auf den Eintritt der fingierten Genehmigung ihres Antrags (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). § 86 SGG findet keine Anwendung. Die Beklagte setzte mit dem späteren Erlass der Ablehnungsentscheidung (Bescheid vom 24.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.3.2014) das mit Eintritt der Genehmigungsfiktion beendete, ursprüngliche Verwaltungsverfahren nicht im Rechtssinne fort, sondern eröffnete ein neues eigenständiges Verfahren.

11

Die daneben im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) erhobene isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung, mit der die Beklagte eine neue Sachentscheidung traf, ist zulässig (vgl ähnlich BSGE 75, 262, 265 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2 S 15).

12

2. Die Klägerin hat, wenn ihr kein Eigenanteil für drei Tage stationärer Behandlung anzurechnen ist, Anspruch auf Zahlung von 13 771,44 Euro Kosten selbst beschaffter Liposuktionen nebst Zinsen aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit dem 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage sind in dieser Höhe erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu a). Die von der Klägerin beantragten Liposuktionen gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu b). Die Klägerin beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihr 13 771,44 Euro Kosten ggf abzüglich eines in der Höhe noch festzustellenden Eigenanteils (dazu c).

13

a) Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3a S 7 SGB V ist eröffnet. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN) greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 9). Die Klägerin stellte nach dem 25.2.2013, am 19.11.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung künftig zu leistender Liposuktionen.

14

Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung. Die Regelung erfasst ua Ansprüche auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Reha gerichtet sind (vgl dazu ausführlich BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 11 ff); auf letztere finden die §§ 14 f SGB IX Anwendung(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V). Die Klägerin begehrt demgegenüber die Gewährung von Kostenerstattung für Krankenbehandlung, die teilweise ambulant und teilweise in Form stationärer Krankenhausbehandlung erfolgte (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 39 SGB V).

15

b) Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck (vgl ausführlich BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 19 f). Gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25; BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - RdNr 12, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

16

Die von der Klägerin beantragten Liposuktionen galten in diesem Sinne wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn die leistungsberechtigte Klägerin (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

17

aa) Die Klägerin ist als nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen ua in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 22).

18

bb) Die Klägerin beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung von Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(vgl näher BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 23). Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30; BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16, BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 3-4100 § 242q Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46; BSG SozR 4-3500 § 102 Nr 1 RdNr 11; BVerwGE 123, 261 RdNr 53 = Juris; BVerwGE 84, 335, 338; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 33 RdNr 4; Mutschler in Kasseler Komm, Stand März 2017, § 33 SGB X RdNr 4).

19

Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V)zu gewähren, verschafft dem Adressaten - wie dargelegt - eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten. Die Vollstreckung erfolgt nach den Regelungen über vertretbare Handlungen (vgl § 199 Abs 1 Nr 1, § 198 Abs 1 SGG, § 887 ZPO). Es genügt hierfür, dass das Behandlungsziel klar ist. Dass hinsichtlich der Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, beeinträchtigt den Charakter einer Leistung als vertretbare Handlung nicht (vgl Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 887 ZPO RdNr 2 mwN). Diese allgemeinen Grundsätze gelten ebenso, wenn Patienten zur Konkretisierung der Behandlungsleistung auf die Beratung des behandelnden Arztes angewiesen sind.

20

Der Antrag der Klägerin genügte diesen Anforderungen. Er richtete sich auf die Versorgung mit "medizinisch erforderlichen Liposuktionen" jedenfalls an den Beinen, ohne dies weiter einzuschränken, etwa hinsichtlich der Methode - Einsatz eines Lasers, der Leistungsart stationär oder ambulant oder der Art des ggf behandelnden Krankenhauses. Die Klägerin untermauerte mit den beigefügten Unterlagen ihr Begehren, ohne es etwa auf dort ua empfohlene zwei stationäre Sitzungen zu beschränken. Die Klägerin war nicht darauf festgelegt, sich nur stationär oder nur ambulant behandeln zu lassen, sondern wollte nach ihrem klaren Antrag das medizinisch Erforderliche. Es bedarf keiner Vertiefung, ob - wofür viel spricht - ein solcher Antrag grundsätzlich auf die Behandlung durch zugelassene Leistungserbringer, jedenfalls nicht durch Privatkliniken gerichtet ist, wenn die begehrte Leistung konkret im Naturalleistungssystem vorgesehen ist. So lag es hinsichtlich der stationären, nicht aber der ambulanten Liposuktionen. Letztere konnte die Beklagte als neue, nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthaltene Behandlungsmethode mangels Empfehlung des GBA und Verankerung im EBM ohnehin nur im Wege der Kostenfreistellung verschaffen (vgl zum Grundsatz BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 30/16 R - RdNr 8 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; Hauck, NZS 2007, 461). Eine solche Beschränkung wirkte jedenfalls nach der Ablehnungsentscheidung der Beklagten nicht mehr (vgl dazu unten II c aa, RdNr 24).

21

cc) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 Fall 2 SGB V), die aufgrund der Unterrichtung der Klägerin von der MDK-Begutachtung lief (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V), ohne der Klägerin Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Sie teilte ihr keinerlei Gründe mit. Die Frist begann am Donnerstag, dem 12.9.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) ging der Antrag der Klägerin am 11.9.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Mittwoch, dem 16.10.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später über den Antrag der Klägerin (Bescheid vom 24.10.2013, genauer Zugangszeitpunkt nicht festgestellt).

22

dd) Der Antrag betraf eine Leistung, die die Klägerin für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25 f mwN), bewirkt die Begrenzung auf "erforderliche Leistungen" nach § 13 Abs 3a S 7 SGB V eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Die Regelung soll es dem Berechtigten einerseits erleichtern, sich die ihm zustehenden Leistungen zeitnah zu beschaffen, ihn andererseits aber nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Klägerin durfte aufgrund der fachlichen Befürwortung ihres Antrags durch ihre Ärzte Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems für geeignet und erforderlich halten, ohne Einzelheiten zu den Voraussetzungen ambulanter und stationärer Leistungserbringung wissen zu müssen. Das LSG hat keine Anhaltspunkte hierfür festgestellt. Wie oben dargelegt (vgl oben unter II 2 b bb, RdNr 20) bedarf es keiner Feststellung dazu, dass die Klägerin mit ihrem Antrag auch die Inanspruchnahme einer Privatklinik einbezog und dies von Anfang an für erforderlich halten durfte. Denn eine solche Eingrenzung entfiel später aufgrund der vollständigen Ablehnung einer Leistung durch die Beklagte (vgl unten II 2 c aa, RdNr 24). Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch aus den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG).

23

c) Die Klägerin beschaffte sich zulässig in einer Privatklinik die erforderlichen genehmigten Leistungen der stationären und ambulanten Liposuktionen selbst (hierzu aa). Hierfür entstanden ihr 13 771,44 Euro Kosten abzüglich des ggf anzurechnenden Eigenanteils (hierzu bb).

24

aa) Die Klägerin durfte sich die Liposuktionen in einer Privatklinik selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vornherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33 mwN). Legen sie ehrlich und korrekt gegenüber dem ausgewählten Leistungserbringer die Leistungsablehnung offen, muss dieser sich nicht auf eine Leistung zu Lasten der GKV einlassen.

25

Die selbstbeschafften Liposuktionen entsprachen den genehmigten Leistungen und waren legitimer Weise auch noch zum Zeitpunkt der Beschaffung aus Sicht der Klägerin erforderlich. Die fingierte Genehmigung umfasste jedenfalls Liposuktionen an den Beinen zur Behandlung des Lipödems der Klägerin. Dazu gehörte auch die der Klägerin von Prof. Dr. P. empfohlene Laserliposuktion und die Behandlung im Rahmen von drei Eingriffen (zwei stationären in einer Privatklinik und einem ambulanten), die die Klägerin sich selbst beschaffte.

26

Die Klägerin durfte diese genehmigten Leistungen, die sie sich selbst beschaffte, auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung für erforderlich halten. Sie beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung und musste bei der Beschaffung nicht annehmen, die fingierte Genehmigung habe sich bereits erledigt, die Leistung sei nicht mehr (subjektiv) erforderlich.

27

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene der Klägerin - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 30 mwN; § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24). Sie schützt hiermit den Adressaten. Es kann aber etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 30 mwN). Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten berührte nicht die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion. Die Ablehnung der Leistung regelte weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X)der fingierten Genehmigung (vgl auch BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 32). Geänderte Umstände, die die Genehmigung durch Eintritt eines erledigenden Ereignisses entfallen lassen könnten, hat weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

28

bb) Ob der Klägerin dadurch erstattungsfähige Kosten in Höhe von 13 771,44 Euro entstanden, dass sie sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte, hängt davon ab, ob sie ohne Selbstbeschaffung der Leistung keinen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl zum Grundsatz Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; ausführlich BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31). Der eigenständige Anspruch der KKn nach dem SGB V gegen die Versicherten auf Zuzahlungen mindert zwar nicht den gesetzlichen Anspruch auf die Naturalleistung (vgl BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 9 RdNr 16), wohl aber den Erstattungsanspruch. Das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nachzuholen haben.

29

Der Klägerin entstanden durch die Selbstbeschaffung Kosten. Die Klägerin schuldete aufgrund des Behandlungsvertrags rechtswirksam Vergütung in Höhe von 13 771,44 Euro, die sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG unter Berücksichtigung der Kostenvoranschläge und Rechnungen beglich. Sie vereinbarte einen Vertrag entsprechend einem totalen Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag oder einem gespaltenen Arzt-Krankenhaus-Vertrag (vgl hierzu zB BGH Urteil vom 14.1.2016 - III ZR 107/15 - NJW 2016, 3027 RdNrn 23 ff). Prof. Dr. P. schuldete und leistete hiernach die vereinbarte ärztliche Behandlung (Liposuktion), Dr. S. die "Allgemeinanästhesie" und die Privatklinik P. GmbH jedenfalls die Unterbringung und Verpflegung. Die Rechnung über die Behandlung durch Prof. Dr. P. begründete einen rechtswirksamen Vergütungsanspruch. Sie unterfiel dem Anwendungsbereich der GOÄ (§ 1 Abs 1 GOÄ). Die Klägerin hatte nämlich weder einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen noch ging es um eine Vereinbarung zwischen Krankenhausträger und Arzt über dessen Zuziehung im Rahmen allgemeiner Krankenhausleistungen, sondern um der Klägerin geschuldete ärztliche Leistungen (vgl dazu zB BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 38 mwN; BGHZ 183, 143). Die Rechnung begründete die Fälligkeit der Vergütung, weil sie die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ erfüllte(vgl BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 mwN; BGHZ 170, 252, 257).

30

Auch die Rechnung der Privatklinik P. GmbH über die Unterbringung und Verpflegung begründete einen rechtswirksamen Vergütungsanspruch. Da keine "berufliche Leistung der Ärzte" in Rede steht, findet die GOÄ hierauf keine Anwendung (§ 1 Abs 1 GOÄ). Die vereinbarte Vergütung verstieß auch nicht gegen das öffentlich-rechtliche Preisrecht für Krankenhausbehandlungen. Der Anwendungsbereich des KHEntgG und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) ist für nicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG geförderte Krankenhäuser - wie hier die Privatklinik P. GmbH - für Abrechnungen gegenüber den Patienten nicht eröffnet (§ 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG; § 20 S 1, § 17 Abs 5 KHG). Sie werden aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung als Privatkrankenanstalt betrieben und sind in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei(vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23 RdNr 39 ff; BGH Beschluss vom 21.4.2011 - III ZR 114/10 - RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158). Dafür, dass etwas anderes gilt, weil die Voraussetzungen der Regelung des § 17 Abs 1 S 5 KHG(eingefügt durch Art 6 Nr 1a GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983 mWv 1.1.2012) - räumliche Nähe zu einem Krankenhaus und organisatorische Verbundenheit mit diesem (zum str Anwendungsbereich vgl zB OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.3.2017 - 12 U 143/16 - Juris, Revision anhängig BGH, Az: IV ZR 123/17) - erfüllt sind, ist weder etwas festgestellt noch vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Pauschalpreis von 350 Euro für die Unterbringung und Verpflegung vom 15. bis 17.12.2014 verstößt nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten; insbesondere besteht kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.

31

Der erkennende Senat kann indes nicht entscheiden, ob und ggf in welcher Höhe die Klägerin einen Eigenanteil an der stationären Behandlung zu tragen hatte, der den Erstattungsbetrag mindert. Versicherte, die wie die Klägerin das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 S 2 SGB V ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs 1 S 2 SGB VI sowie die nach § 40 Abs 6 S 1 SGB V geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach S 1 anzurechnen(vgl § 39 Abs 4 SGB V idF durch Art 3 Nr 2 Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 vom 17.3.2009, BGBl I 534, mWv 25.3.2009). Die im Gesetz vorgesehene Zuzahlung zur stationären Krankenhaus- oder Reha-Behandlung ist für jeden angefangenen Behandlungstag, also auch für den Aufnahme- und den Entlassungstag, zu entrichten (vgl BSGE 89, 167 = SozR 3-2500 § 40 Nr 4, LS 1). Die Regelung des § 62 Abs 1 S 1 SGB V(idF durch Art 1 Nr 30 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190, mWv 1.1.2004) begrenzt die Höhe der während jedes Kalenderjahres zu leistenden Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze. Wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die KK eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Es fehlt an Feststellungen zu den anrechenbaren Tagen im Jahr 2014 erfolgter vollstationärer Behandlung der Klägerin und zu ihrer Belastungsgrenze.

32

d) Der Zinsanspruch auf den Erstattungsbetrag ergibt sich aus § 44 Abs 1 SGB I. Seine Höhe hängt ua vom Umfang des Erstattungsanspruchs ab.

33

3. Die Ablehnungsentscheidung (Bescheid vom 24.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.3.2014) ist rechtswidrig. Sie verletzt die Klägerin in ihrem sich aus der fiktiven Genehmigung ihres Antrags ergebenden Leistungsanspruch (vgl dazu oben, II 2).

34

4. Der Klägerin entstanden im Rechtssinne keine Kosten in Höhe von 1500 Euro für Anästhesie dadurch, dass sie sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Die Rechnung von Dr. S. begründete keinen rechtswirksamen Vergütungsanspruch. Sie unterfiel entsprechend dem oben (siehe unter II 2) Ausgeführten dem Anwendungsbereich der GOÄ (§ 1 Abs 1 GOÄ). Die Rechnung begründete keine Fälligkeit der Vergütung, weil sie die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ nicht erfüllte(vgl dazu oben II 2 c bb, RdNr 29; und zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 mwN; BGHZ 170, 252, 257). Versicherten entstehen dann keine Kosten im Rechtssinne, wenn der behandelnde Arzt anstelle der Vergütung von Einzelleistungen ein Pauschalhonorar ohne Bezugnahme auf das Leistungsverzeichnis der GOÄ in Rechnung stellt und den Auslagenersatz pauschaliert (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 79 mwN; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 22; BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 29; BVerfG NJW 1992, 737; BGH NJW 2006, 1879 ff). Trotzdem - ohne positive Kenntnis dieser Rechtslage - geleistete Zahlungen kann der Patient vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (vgl BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 22; BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 29; BGH NJW 2006, 1879 ff). Die Rechnung von Dr. S. für "Allgemeinanästhesie" am 15. und 16.12.2014 belief sich pauschal auf insgesamt 1500 Euro, ohne die für die berechnete Leistung relevanten Gebührennummern und den Steigerungssatz zu benennen.

35

5. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

                          

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Psychotherapie.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeittherapie (16.12.2013). Die Beklagte beauftragte Dr. D mit der Begutachtung, ohne den Kläger hierüber zu informieren (17.12.2013). Dr. D hielt die aktuell wirksame Psychodynamik der Erkrankung für nicht erkennbar und erwartete keinen hinreichenden Behandlungserfolg. Die Beklagte lehnte es ab, die Therapie zu bewilligen (Bescheid vom 27.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 5.5.2014). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Gerichtsbescheid vom 11.8.2014). Der Kläger hat sich 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie selbst beschafft und danach sein Klagebegehren auf Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 2200 Euro gerichtet. Das LSG hat unter Anpassung des Tenors die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ihr Schweigen auf den Leistungsantrag habe dessen Bewilligung fingiert (Urteil vom 17.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V. Die Regelung begründe allein einen Kostenerstattungsanspruch für "erforderliche" Leistungen. Hieran habe es gefehlt.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

                 
        

hilfsweise,

                 
        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger 2200 Euro zu zahlen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu 1.). Die vom Kläger beantragten - hier nur noch streitigen - 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu 3.).

8

1. Der Kläger kann sich für die Erstattung der Kosten auf den Anspruch aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V nach dessen zeitlichem und sachlichem Anwendungsbereich berufen.

9

a) Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN)greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Der Kläger stellte nach dem 25.2.2013, am 16.12.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Psychotherapie.

10

b) Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn der Kläger verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

11

Die Regelung findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche Leistung passt hierauf nicht (vgl zu Wortlaut und Regelungssystem aa). Versicherte können sich jederzeit Kredite zur Überbrückung von Zeiten verschaffen, in denen bei ihnen ein Bedarf entsteht, weil KKn den Versicherten zustehende Geldleistungsansprüche nicht auszahlen. Es bedarf hierfür keines besonderen Rechtsmechanismus, die gesetzliche Verzinsungsregelung greift (vgl § 44 SGB I). Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip" aus (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Die späteren Änderungen des Gesetzentwurfs (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 11) geben keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Auslegung.

12

Der Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion ist auch für Leistungen zur medizinischen Reha nicht gegeben. Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm (dazu aa), Entstehungsgeschichte (dazu bb) und Regelungszweck im Gesamtsystem (dazu cc). Die vom Kläger begehrte und selbstbeschaffte Psychotherapie ist nicht Gegenstand der medizinischen Reha, sondern der Krankenbehandlung (dazu dd).

13

aa) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

14

bb) Nach den Gesetzesmaterialien gelten für Leistungen zur medizinischen Reha die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Das Gesetz stellt dies ausdrücklich klar (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1).

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cc) Auch der Regelungszweck im Gesamtsystem verdeutlicht, dass das Gesetz Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgeklammert. Schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX)würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs 3a SGB V nicht kompatibel. Leitete der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX),könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX).

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dd) Der Begriff der Leistungen zur medizinischen Reha ist funktionsadäquat auszulegen: Einerseits umfasst er in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenver-hältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind(vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 RdNr 14 mwN). Einbezogen sind zB Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl zB BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 16 ff). Dieser Schutzmechanismus darf nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" ausgehebelt werden. Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle.

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Andererseits erstreckt sich dieser Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V - bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne - nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch zB teilweise Arbeitstherapie (vgl zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21 ff, 26 mwN). Versicherte der GKV - wie der Kläger - haben gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB V ua Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die "notwendig sind, um eine Behinderung (…) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern". Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Die KKn - gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha - sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen indes nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet(vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18).

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Speziell für Psychotherapie unterscheidet das SGB V zwischen ärztlicher Behandlung einschließlich Psychotherapie (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (vgl zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs 1 S 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha, zu deren Bestandteilen auch Psychotherapie gehören kann, und ergänzenden Leistungen andererseits (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V). Im Regelungsbereich ambulanter ärztlicher Behandlung im Rechtssinne wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien (RL) nach § 92 SGB V durchgeführt(vgl § 28 Abs 3 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 2 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 10). Um eine solche Leistung psychotherapeutischer Krankenbehandlung ging es dem Kläger.

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2. Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V)ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; dazu a). Das folgt aus dem oben aufgezeigten Wortlaut und dem Binnensystem der Norm (vgl oben, II. 1. b aa), Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die vom Kläger beantragte Leistung galt in diesem Sinne als genehmigt (dazu b).

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a) Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V)und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

21

b) Die vom Kläger beantragte Psychotherapie galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn der leistungsberechtigte Kläger (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von 25 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeitpsychotherapie, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

22

aa) Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK.

23

bb) Der Kläger beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung einer Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG(Verwaltungsverfahrensgesetz idF durch Art 1 Nr 5 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften - 4. VwVfÄndG - vom 11.12.2008, BGBl I 2418 mWv 18.12.2008) normierten Grundsätzen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 15) gilt "eine beantragte Genehmigung (…) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (…), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 16). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(zu § 13 SGB V: Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 73; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; s auch Gemeinsames Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der KKn und der Verbände der KKn auf Bundesebene zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V vom 15.5.2013, S 20; zu § 42a VwVfG: U Stelkens in P Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 35 mwN).

24

So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

25

cc) Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

26

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43).

27

Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

28

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 SGB V), ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen: Sie teilte ihm keinerlei Gründe mit. Die Frist von drei Wochen ist maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete (vgl zur Pflicht § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (aA Rieker, NZS 2015, 294, 296). Die Frist begann am Dienstag, dem 17.12.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)ging der Antrag des Klägers am 16.12.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Montag, dem 6.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später, am 27.1.2014, über den Antrag des Klägers.

29

3. Der Kläger beschaffte sich die erforderliche Leistung von 24 Sitzungen Psychotherapie selbst, nachdem sie als genehmigt galt (dazu a). Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu b).

30

a) Die genehmigte Leistung, die sich der Kläger beschaffte, war auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung erforderlich. Der Kläger beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung von 25 Sitzungen Psychotherapie. Er beschaffte sich die Leistung zeitnah nach Eingreifen der Genehmigungsfiktion. Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung nicht mehr (subjektiv) erforderlich gewesen wäre.

31

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24; rechtsähnlich BVerwGE 48, 87, 90, 92 ff zu § 19 Abs 4 S 3 BBauG vom 23.6.1960, BGBl I 341). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). In diesem Sinne ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Geänderte Umstände, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Beschaffung entfallen ließen, hat indes weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

32

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger sei deshalb nicht "schutzbedürftig", weil ihm vor Selbstverschaffung der genehmigten Therapiemaßnahmen die ablehnende Entscheidung der Beklagten zugegangen und seine Therapeutin Kenntnis vom Begutachtungsergebnis erlangt habe. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Information der Therapeutin über das Gutachten lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X).

33

b) Dem Kläger entstanden nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dadurch Kosten in Höhe von 2200 Euro, dass er sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Selbstbeschaffung der Leistung einen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30).

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist.

(2) Der Lauf einer Frist, die von einer Behörde gesetzt wird, beginnt mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist.

(4) Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.

(5) Der von einer Behörde gesetzte Termin ist auch dann einzuhalten, wenn er auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt.

(6) Ist eine Frist nach Stunden bestimmt, werden Sonntage, gesetzliche Feiertage oder Sonnabende mitgerechnet.

(7) Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, können verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Behörde kann die Verlängerung der Frist nach § 32 mit einer Nebenbestimmung verbinden.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Psychotherapie.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeittherapie (16.12.2013). Die Beklagte beauftragte Dr. D mit der Begutachtung, ohne den Kläger hierüber zu informieren (17.12.2013). Dr. D hielt die aktuell wirksame Psychodynamik der Erkrankung für nicht erkennbar und erwartete keinen hinreichenden Behandlungserfolg. Die Beklagte lehnte es ab, die Therapie zu bewilligen (Bescheid vom 27.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 5.5.2014). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Gerichtsbescheid vom 11.8.2014). Der Kläger hat sich 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie selbst beschafft und danach sein Klagebegehren auf Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 2200 Euro gerichtet. Das LSG hat unter Anpassung des Tenors die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ihr Schweigen auf den Leistungsantrag habe dessen Bewilligung fingiert (Urteil vom 17.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V. Die Regelung begründe allein einen Kostenerstattungsanspruch für "erforderliche" Leistungen. Hieran habe es gefehlt.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

                 
        

hilfsweise,

                 
        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger 2200 Euro zu zahlen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu 1.). Die vom Kläger beantragten - hier nur noch streitigen - 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu 3.).

8

1. Der Kläger kann sich für die Erstattung der Kosten auf den Anspruch aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V nach dessen zeitlichem und sachlichem Anwendungsbereich berufen.

9

a) Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN)greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Der Kläger stellte nach dem 25.2.2013, am 16.12.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Psychotherapie.

10

b) Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn der Kläger verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

11

Die Regelung findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche Leistung passt hierauf nicht (vgl zu Wortlaut und Regelungssystem aa). Versicherte können sich jederzeit Kredite zur Überbrückung von Zeiten verschaffen, in denen bei ihnen ein Bedarf entsteht, weil KKn den Versicherten zustehende Geldleistungsansprüche nicht auszahlen. Es bedarf hierfür keines besonderen Rechtsmechanismus, die gesetzliche Verzinsungsregelung greift (vgl § 44 SGB I). Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip" aus (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Die späteren Änderungen des Gesetzentwurfs (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 11) geben keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Auslegung.

12

Der Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion ist auch für Leistungen zur medizinischen Reha nicht gegeben. Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm (dazu aa), Entstehungsgeschichte (dazu bb) und Regelungszweck im Gesamtsystem (dazu cc). Die vom Kläger begehrte und selbstbeschaffte Psychotherapie ist nicht Gegenstand der medizinischen Reha, sondern der Krankenbehandlung (dazu dd).

13

aa) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

14

bb) Nach den Gesetzesmaterialien gelten für Leistungen zur medizinischen Reha die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Das Gesetz stellt dies ausdrücklich klar (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1).

15

cc) Auch der Regelungszweck im Gesamtsystem verdeutlicht, dass das Gesetz Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgeklammert. Schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX)würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs 3a SGB V nicht kompatibel. Leitete der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX),könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX).

16

dd) Der Begriff der Leistungen zur medizinischen Reha ist funktionsadäquat auszulegen: Einerseits umfasst er in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenver-hältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind(vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 RdNr 14 mwN). Einbezogen sind zB Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl zB BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 16 ff). Dieser Schutzmechanismus darf nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" ausgehebelt werden. Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle.

17

Andererseits erstreckt sich dieser Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V - bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne - nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch zB teilweise Arbeitstherapie (vgl zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21 ff, 26 mwN). Versicherte der GKV - wie der Kläger - haben gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB V ua Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die "notwendig sind, um eine Behinderung (…) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern". Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Die KKn - gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha - sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen indes nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet(vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18).

18

Speziell für Psychotherapie unterscheidet das SGB V zwischen ärztlicher Behandlung einschließlich Psychotherapie (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (vgl zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs 1 S 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha, zu deren Bestandteilen auch Psychotherapie gehören kann, und ergänzenden Leistungen andererseits (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V). Im Regelungsbereich ambulanter ärztlicher Behandlung im Rechtssinne wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien (RL) nach § 92 SGB V durchgeführt(vgl § 28 Abs 3 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 2 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 10). Um eine solche Leistung psychotherapeutischer Krankenbehandlung ging es dem Kläger.

19

2. Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V)ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; dazu a). Das folgt aus dem oben aufgezeigten Wortlaut und dem Binnensystem der Norm (vgl oben, II. 1. b aa), Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die vom Kläger beantragte Leistung galt in diesem Sinne als genehmigt (dazu b).

20

a) Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V)und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

21

b) Die vom Kläger beantragte Psychotherapie galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn der leistungsberechtigte Kläger (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von 25 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeitpsychotherapie, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

22

aa) Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK.

23

bb) Der Kläger beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung einer Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG(Verwaltungsverfahrensgesetz idF durch Art 1 Nr 5 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften - 4. VwVfÄndG - vom 11.12.2008, BGBl I 2418 mWv 18.12.2008) normierten Grundsätzen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 15) gilt "eine beantragte Genehmigung (…) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (…), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 16). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(zu § 13 SGB V: Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 73; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; s auch Gemeinsames Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der KKn und der Verbände der KKn auf Bundesebene zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V vom 15.5.2013, S 20; zu § 42a VwVfG: U Stelkens in P Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 35 mwN).

24

So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

25

cc) Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

26

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43).

27

Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

28

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 SGB V), ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen: Sie teilte ihm keinerlei Gründe mit. Die Frist von drei Wochen ist maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete (vgl zur Pflicht § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (aA Rieker, NZS 2015, 294, 296). Die Frist begann am Dienstag, dem 17.12.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)ging der Antrag des Klägers am 16.12.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Montag, dem 6.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später, am 27.1.2014, über den Antrag des Klägers.

29

3. Der Kläger beschaffte sich die erforderliche Leistung von 24 Sitzungen Psychotherapie selbst, nachdem sie als genehmigt galt (dazu a). Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu b).

30

a) Die genehmigte Leistung, die sich der Kläger beschaffte, war auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung erforderlich. Der Kläger beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung von 25 Sitzungen Psychotherapie. Er beschaffte sich die Leistung zeitnah nach Eingreifen der Genehmigungsfiktion. Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung nicht mehr (subjektiv) erforderlich gewesen wäre.

31

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24; rechtsähnlich BVerwGE 48, 87, 90, 92 ff zu § 19 Abs 4 S 3 BBauG vom 23.6.1960, BGBl I 341). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). In diesem Sinne ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Geänderte Umstände, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Beschaffung entfallen ließen, hat indes weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

32

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger sei deshalb nicht "schutzbedürftig", weil ihm vor Selbstverschaffung der genehmigten Therapiemaßnahmen die ablehnende Entscheidung der Beklagten zugegangen und seine Therapeutin Kenntnis vom Begutachtungsergebnis erlangt habe. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Information der Therapeutin über das Gutachten lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X).

33

b) Dem Kläger entstanden nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dadurch Kosten in Höhe von 2200 Euro, dass er sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Selbstbeschaffung der Leistung einen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30).

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Psychotherapie.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeittherapie (16.12.2013). Die Beklagte beauftragte Dr. D mit der Begutachtung, ohne den Kläger hierüber zu informieren (17.12.2013). Dr. D hielt die aktuell wirksame Psychodynamik der Erkrankung für nicht erkennbar und erwartete keinen hinreichenden Behandlungserfolg. Die Beklagte lehnte es ab, die Therapie zu bewilligen (Bescheid vom 27.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 5.5.2014). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Gerichtsbescheid vom 11.8.2014). Der Kläger hat sich 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie selbst beschafft und danach sein Klagebegehren auf Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 2200 Euro gerichtet. Das LSG hat unter Anpassung des Tenors die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ihr Schweigen auf den Leistungsantrag habe dessen Bewilligung fingiert (Urteil vom 17.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V. Die Regelung begründe allein einen Kostenerstattungsanspruch für "erforderliche" Leistungen. Hieran habe es gefehlt.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

                 
        

hilfsweise,

                 
        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger 2200 Euro zu zahlen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu 1.). Die vom Kläger beantragten - hier nur noch streitigen - 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu 3.).

8

1. Der Kläger kann sich für die Erstattung der Kosten auf den Anspruch aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V nach dessen zeitlichem und sachlichem Anwendungsbereich berufen.

9

a) Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN)greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Der Kläger stellte nach dem 25.2.2013, am 16.12.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Psychotherapie.

10

b) Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn der Kläger verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

11

Die Regelung findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche Leistung passt hierauf nicht (vgl zu Wortlaut und Regelungssystem aa). Versicherte können sich jederzeit Kredite zur Überbrückung von Zeiten verschaffen, in denen bei ihnen ein Bedarf entsteht, weil KKn den Versicherten zustehende Geldleistungsansprüche nicht auszahlen. Es bedarf hierfür keines besonderen Rechtsmechanismus, die gesetzliche Verzinsungsregelung greift (vgl § 44 SGB I). Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip" aus (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Die späteren Änderungen des Gesetzentwurfs (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 11) geben keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Auslegung.

12

Der Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion ist auch für Leistungen zur medizinischen Reha nicht gegeben. Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm (dazu aa), Entstehungsgeschichte (dazu bb) und Regelungszweck im Gesamtsystem (dazu cc). Die vom Kläger begehrte und selbstbeschaffte Psychotherapie ist nicht Gegenstand der medizinischen Reha, sondern der Krankenbehandlung (dazu dd).

13

aa) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

14

bb) Nach den Gesetzesmaterialien gelten für Leistungen zur medizinischen Reha die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Das Gesetz stellt dies ausdrücklich klar (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1).

15

cc) Auch der Regelungszweck im Gesamtsystem verdeutlicht, dass das Gesetz Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgeklammert. Schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX)würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs 3a SGB V nicht kompatibel. Leitete der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX),könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX).

16

dd) Der Begriff der Leistungen zur medizinischen Reha ist funktionsadäquat auszulegen: Einerseits umfasst er in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenver-hältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind(vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 RdNr 14 mwN). Einbezogen sind zB Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl zB BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 16 ff). Dieser Schutzmechanismus darf nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" ausgehebelt werden. Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle.

17

Andererseits erstreckt sich dieser Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V - bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne - nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch zB teilweise Arbeitstherapie (vgl zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21 ff, 26 mwN). Versicherte der GKV - wie der Kläger - haben gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB V ua Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die "notwendig sind, um eine Behinderung (…) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern". Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Die KKn - gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha - sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen indes nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet(vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18).

18

Speziell für Psychotherapie unterscheidet das SGB V zwischen ärztlicher Behandlung einschließlich Psychotherapie (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (vgl zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs 1 S 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha, zu deren Bestandteilen auch Psychotherapie gehören kann, und ergänzenden Leistungen andererseits (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V). Im Regelungsbereich ambulanter ärztlicher Behandlung im Rechtssinne wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien (RL) nach § 92 SGB V durchgeführt(vgl § 28 Abs 3 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 2 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 10). Um eine solche Leistung psychotherapeutischer Krankenbehandlung ging es dem Kläger.

19

2. Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V)ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; dazu a). Das folgt aus dem oben aufgezeigten Wortlaut und dem Binnensystem der Norm (vgl oben, II. 1. b aa), Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die vom Kläger beantragte Leistung galt in diesem Sinne als genehmigt (dazu b).

20

a) Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V)und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

21

b) Die vom Kläger beantragte Psychotherapie galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn der leistungsberechtigte Kläger (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von 25 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeitpsychotherapie, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

22

aa) Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK.

23

bb) Der Kläger beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung einer Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG(Verwaltungsverfahrensgesetz idF durch Art 1 Nr 5 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften - 4. VwVfÄndG - vom 11.12.2008, BGBl I 2418 mWv 18.12.2008) normierten Grundsätzen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 15) gilt "eine beantragte Genehmigung (…) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (…), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 16). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(zu § 13 SGB V: Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 73; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; s auch Gemeinsames Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der KKn und der Verbände der KKn auf Bundesebene zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V vom 15.5.2013, S 20; zu § 42a VwVfG: U Stelkens in P Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 35 mwN).

24

So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

25

cc) Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

26

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43).

27

Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

28

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 SGB V), ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen: Sie teilte ihm keinerlei Gründe mit. Die Frist von drei Wochen ist maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete (vgl zur Pflicht § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (aA Rieker, NZS 2015, 294, 296). Die Frist begann am Dienstag, dem 17.12.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)ging der Antrag des Klägers am 16.12.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Montag, dem 6.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später, am 27.1.2014, über den Antrag des Klägers.

29

3. Der Kläger beschaffte sich die erforderliche Leistung von 24 Sitzungen Psychotherapie selbst, nachdem sie als genehmigt galt (dazu a). Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu b).

30

a) Die genehmigte Leistung, die sich der Kläger beschaffte, war auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung erforderlich. Der Kläger beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung von 25 Sitzungen Psychotherapie. Er beschaffte sich die Leistung zeitnah nach Eingreifen der Genehmigungsfiktion. Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung nicht mehr (subjektiv) erforderlich gewesen wäre.

31

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24; rechtsähnlich BVerwGE 48, 87, 90, 92 ff zu § 19 Abs 4 S 3 BBauG vom 23.6.1960, BGBl I 341). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). In diesem Sinne ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Geänderte Umstände, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Beschaffung entfallen ließen, hat indes weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

32

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger sei deshalb nicht "schutzbedürftig", weil ihm vor Selbstverschaffung der genehmigten Therapiemaßnahmen die ablehnende Entscheidung der Beklagten zugegangen und seine Therapeutin Kenntnis vom Begutachtungsergebnis erlangt habe. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Information der Therapeutin über das Gutachten lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X).

33

b) Dem Kläger entstanden nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dadurch Kosten in Höhe von 2200 Euro, dass er sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Selbstbeschaffung der Leistung einen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30).

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. April 2017 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 24. Februar 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin mit einer Abdominalplastik zu versorgen.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer Hautstraffungsoperation am Bauch (Abdominalplastik).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin beantragte befundgestützt die stationäre Versorgung mit einer Abdominalplastik nach vorausgegangener massiver Gewichtsabnahme (17.12.2013). Die Beklagte informierte die Klägerin darüber, dass der Sozialmedizinische Dienst (SMD) "eingeschaltet" werde (Schreiben vom 8.1.2014). Der SMD hielt die Abdominalplastik nicht für medizinisch erforderlich. Die Beklagte lehnte die beantragte Versorgung ab (Bescheid vom 10.2.2014; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2014). Das SG hat die Beklagte verpflichtet, eine Bauchfettschürzenresektion zu gewähren (Gerichtsbescheid vom 24.2.2016). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte für den Fall des Eintritts einer fiktiven Genehmigung der Abdominalplastik diese mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen (§ 45 SGB X; Bescheid vom 28.7.2016). Das LSG hat den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage gegen die Ablehnungs- und die Rücknahmeentscheidung abgewiesen: Die Rücknahme sei Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden (§ 96 SGG)und habe rechtmäßig eine ggf fingierte Genehmigung beseitigt. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Versorgung mit einer Abdominalplastik zu (Urteil vom 6.4.2017).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 96 SGG und § 45 SGB X. Der Rücknahmebescheid sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Im Übrigen sei er rechtswidrig. Maßstab für die Prüfung der Rechtswidrigkeit sei § 13 Abs 3a SGB V.

4

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. April 2017 aufzuheben, die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 24. Februar 2016 zurückzuweisen und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2016 aufzuheben.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis und weitgehend in der Begründung für zutreffend. Das LSG sei aber unzutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die Abdominalplastik für erforderlich habe halten dürfen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage gegen die Leistungsablehnung (Bescheid vom 10.2.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2014) und die Rücknahme (Bescheid vom 28.7.2016) abgewiesen. Die zulässige Klage (dazu 1.) ist begründet. Die Klägerin hat aufgrund fingierter Genehmigung ihres Antrags einen Naturalleistungsanspruch auf Versorgung mit der beantragten Abdominalplastik (dazu 2.). Die fingierte Genehmigung ist nicht erloschen. Insbesondere ist ihre Rücknahme aufzuheben, denn sie ist rechtswidrig (dazu 3.). Auch die Ablehnung der beantragten Leistung verletzt die Klägerin in ihren Rechten (dazu 4.).

8

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind in einer Klage im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) zusammen verfolgte drei zulässige Klagebegehren: Die allgemeine Leistungsklage auf Versorgung mit einer Abdominalplastik (dazu a), die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung (dazu b) und die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die während des Berufungsverfahrens zum Gegenstand des Rechtsstreits gewordene Rücknahmeentscheidung (dazu c).

9

a) Die von der Klägerin erhobene allgemeine Leistungsklage ist zulässig. Nach § 54 Abs 5 SGG kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Hierfür genügt es, dass ein bindender Verwaltungsakt (§ 77 SGG) vorliegt, der Leistungsträger aber gleichwohl nicht leistet (vgl BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 22 f; BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R - Juris RdNr 9, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; s ferner Zeihe in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2017, § 54 Anm 43b). Ist die Genehmigung einer beantragten Leistung kraft Fiktion erfolgt, steht dies der Bewilligung der beantragten Leistung durch einen Leistungsbescheid gleich.Die Genehmigungsfiktion bewirkt ohne Bekanntgabe (§§ 37, 39 Abs 1 SGB X) einen in jeder Hinsicht voll wirksamen Verwaltungsakt iS von § 31 S 1 SGB X. Durch den Eintritt der Fiktion verwandelt sich der hinreichend inhaltlich bestimmte Antrag in den Verfügungssatz des fingierten Verwaltungsakts. Er hat zur Rechtsfolge, dass das in seinem Gegenstand durch den Antrag bestimmte Verwaltungsverfahren beendet ist und dem Versicherten - wie hier - unmittelbar ein Anspruch auf Versorgung mit der Leistung zusteht (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 8 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

10

Die allgemeine Leistungsklage tritt nicht hinter die Feststellungsklage zurück (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Mit der allgemeinen Leistungsklage kann ein Kläger effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 S 1 GG) erlangen, wenn sich eine KK - wie hier - weigert, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte Leistung zu erbringen. Ihm bleibt nur die Leistungsklage, um einen Vollstreckungstitel zu erhalten (§ 199 Abs 1 Nr 1 SGG). Eine Vollstreckung aus Verwaltungsakten gegen die öffentliche Hand ist nicht vorgesehen (vgl BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 23; BSGE 75, 262, 265 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2 S 15). Die allgemeine Leistungsklage und nicht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ist statthaft. Denn die Klägerin stützt ihr Begehren gerade auf den Eintritt der fingierten Genehmigung ihres Antrags (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V), auf einen fingierten Leistungsbescheid, der in Bestandskraft erwachsen ist. § 86 SGG findet keine Anwendung.

11

b) Die gegen die Ablehnungsentscheidung neben der allgemeinen Leistungsklage erhobene isolierte Anfechtungsklage ist zulässig (vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 10 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Beklagte setzte mit ihrer Leistungsablehnung nicht das mit Eintritt der Genehmigungsfiktion beendete, ursprüngliche Verwaltungsverfahren fort, sondern eröffnete ein neues eigenständiges Verfahren.

12

c) Das LSG musste auf Klage über die Rücknahme der fingierten Genehmigung entscheiden. Sie ist zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden (§ 96 Abs 1 SGG idF durch Art 1 Nr 16 Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444, mWv 1.4.2008 iVm § 153 Abs 1 SGG). Danach wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Die Rücknahme der fingierten Genehmigung änderte in diesem Sinne die Ablehnungsentscheidung. Ein späterer Verwaltungsakt ändert oder ersetzt dann einen früheren, angefochtenen, wenn er den Verfügungssatz des Ursprungsbescheides ersetzt, abändert oder unter Aufrechterhaltung des Rechtsfolgenausspruchs dessen Begründung so modifiziert, dass sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt ändert. Es genügt auch, wenn der spätere in die Regelung des früheren Verwaltungsakts eingreift und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert (vgl BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, RdNr 7 mwN; Estelmann in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2017, § 96 Anm 8b). Dies dient dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (Art 19 Abs 4 GG). Es harmoniert mit dem maßgeblichen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (vgl dazu BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 32). Dementsprechend bezieht überzeugend auch Rspr des BSG Verwaltungsentscheidungen in das Gerichtsverfahren ein, mit denen ein Versicherungsträger es während eines Gerichtsverfahrens ablehnt, hinsichtlich des gerichtlichen Streitgegenstands nach § 44 SGB X tätig zu werden oder einer Änderung Rechnung zu tragen. Dies bezweckt zu vermeiden, dass - durch welcher Art Vorgehen auch immer - über denselben Streitgegenstand mehrere gerichtliche Verfahren nebeneinander geführt werden (BSG SozR 4-1500 § 96 Nr 3 RdNr 10). Es entspricht auch dem Regelungszweck, den Streitstoff konzentriert im Interesse umfassender beschleunigter Erledigung einer einheitlichen und nicht mehreren, sich denkmöglich widersprechenden Entscheidungen zuzuführen, indem ein Zweit- oder Drittprozess ausgeschlossen wird (vgl Estelmann in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2017, § 96 Anm 1c aa). Geeigneter Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit der Regelung des § 96 Abs 1 SGG ist nur die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung. Die Klägerin greift gerade nicht den fingierten Verwaltungsakt an, sondern stützt ihre allgemeine Leistungsklage auf ihn.

13

Das Auslegungsergebnis kollidiert nicht mit dem durch die Neuregelung verfolgten Ziel des Gesetzgebers, die alsbald nach Inkrafttreten des SGG unter Berufung auf die Prozessökonomie erfolgte analoge Anwendung der Vorschrift auf die Fälle zu begrenzen, in denen der angefochtene Verwaltungsakt selbst ersetzt oder abgeändert wird (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BR-Drucks 820/07 S 22 f; s ferner Estelmann in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2017, § 96 Anm 1d).

14

In diesem Sinne änderte die Rücknahme der fingierten Genehmigung die angefochtene Ablehnungsentscheidung. Die Rücknahmeentscheidung hob die fingierte Genehmigung auf. Die Aufhebung der Genehmigung änderte die Grundlage für die nun zu treffende Entscheidung über den Leistungsantrag. Die Rücknahmeentscheidung änderte mit der darin liegenden Leistungsablehnung für die Zukunft zugleich die ursprünglich ergangene Ablehnungsentscheidung auf geänderter Sachverhaltsgrundlage (vgl zu einem Sachverhalt mit Rücknahme und ausdrücklicher erneuter Ablehnung BSG Urteil vom 7.11.2017 - B 1 KR 2/17 R - vorgesehen für SozR).

15

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Versorgung mit der beantragten Abdominalplastik als Naturalleistung. Er entstand kraft fingierter Genehmigung des Antrags (dazu a). Die Voraussetzungen der Fiktion der Genehmigung sind erfüllt. § 13 Abs 3a SGB V(idF durch Art 2 Nr 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013, BGBl I 277, mWv 26.2.2013) erfasst die von der Klägerin erst im Dezember 2013 beantragte Leistung nicht nur zeitlich (vgl dazu BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 9), sondern auch als eine ihrer Art nach der Genehmigungsfiktion zugängliche Leistungsart (dazu b). Die Klägerin war leistungsberechtigt (dazu c). Sie erfüllte mit ihrem Antrag die Voraussetzungen eines genehmigungsfähigen, den Lauf der Frist auslösenden Antrags auf Versorgung mit einer Abdominalplastik (dazu d). Die Klägerin durfte die beantragte Leistung für erforderlich halten (dazu e). Die Beklagte hielt die gebotene Frist für eine Verbescheidung nicht ein (dazu f).

16

a) Gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 12 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25). Ausdrücklich regelt das Gesetz, dass, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Wortlaut des § 13 Abs 3a S 6 SGB V dem Naturalleistungsanspruch nicht bloß nicht entgegen, sondern gebietet diesen sogar. Ohne den nachfolgenden Satz 7 bliebe es allein bei diesem Anspruch. Denn eine KK darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (vgl § 2 Abs 2 SGB V)Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsehen (vgl § 13 Abs 1 SGB V). Nach dem Regelungssystem entspricht dem Naturalleistungsanspruch der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz. § 13 Abs 3a S 7 SGB V begrenzt den sich aus der Genehmigungsfiktion ergebenden Anspruch schon nach seinem Wortlaut nicht, sondern erweitert die Handlungsoptionen neben der Inanspruchnahme der Leistung in Natur um die Selbstbeschaffung mit Kostenerstattung. Dies vermeidet eine sachwidrige Ungleichbehandlung iS von Art 3 Abs 1 GG. Denn nur der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Berechtigten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht auch der Sanktionscharakter der Norm (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 12 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25; zum Sanktionscharakter Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Berechtigte sollen nach dem Regelungszweck des § 13 Abs 3a SGB V sehr schnell zur Feststellung ihrer Ansprüche kommen. Dazu erzeugt die Vorschrift bei den KKn einen erheblichen Zeit- und Handlungsdruck. Schlösse § 13 Abs 3a S 7 SGB V den Naturalleistungsanspruch aus, wäre der mittellose Versicherte zur Durchsetzung seiner Ansprüche im wirtschaftlichen Ergebnis weiterhin darauf verwiesen, den Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Bekanntgabe eines bewilligenden Bescheides abzuwarten und müsste im Falle von grundlosen Verzögerungen Untätigkeitsklage erheben(§ 88 Abs 1 SGG). Wäre der Naturalleistungsanspruch ausgeschlossen, kämen gerade die Berechtigten nicht in den Genuss der neu geregelten Sanktionswirkung, die in besonderem Maße schutzbedürftig sind, weil ihnen entweder eine Vorfinanzierung überhaupt nicht möglich ist oder sie auch bei durchschnittlichem Einkommen und Vermögen finanziell überfordert sind, eine teure Leistung vorzufinanzieren, die regelhaft mit schwerwiegenden bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheiten assoziiert ist. Das verkennt die Beklagte.

17

Soweit das LSG und die Beklagte unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte der Norm gleichwohl mit vereinzelten abweichenden Stimmen einen Naturalleistungsanspruch als Rechtsfolge der Genehmigungsfiktion verneinen, geht diese Ansicht fehl (einen Naturalleistungsanspruch bejahend zB LSG für das Saarland Urteil vom 17.5.2017 - L 2 KR 24/15 - Juris RdNr 34; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.3.2017 - L 1 KR 623/15 - Juris RdNr 26; Bayerisches LSG Urteil vom 12.1.2017 - L 4 KR 37/15 - Juris RdNr 42 ff; LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 3.11.2016 - L 5 KR 197/15 - Juris RdNr 18; Bayerisches LSG Urteil vom 28.6.2016 - L 5 KR 323/14 - Juris RdNr 27; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 25 ff = NZS 2016, 311, und nahezu die gesamte veröffentlichte umfängliche SG-Rspr; einen Naturalleistungsanspruch ablehnend zB v Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 603 f; Helbig in jurisPK-SGB V, § 13 RdNr 69 ff, Update-Stand 3.11.2017; zutreffend dagegen Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Oktober 2017, § 13 RdNr 58l und 58r; Schifferdecker in Kasseler Komm, Stand Juli 2017, SGB V, § 13 RdNr 145). Die ursprüngliche geplante Regelung in Art 2 Nr 1 PatRVerbG-Entwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 17/10488 S 7) ist unmaßgeblich. Der Entwurf sah zunächst lediglich eine Fristsetzung durch den Antragsteller und eine an den Fristablauf gebundene Berechtigung zur Selbstbeschaffung der erforderlichen Leistung vor. Diese Konzeption wurde jedoch durch die vom Ausschuss für Gesundheit (14. Ausschuss) empfohlenen (BT-Drucks 17/11710 S 11), mit § 13 Abs 3a S 5 und 6 SGB V Gesetz gewordenen Änderungen iS eines fingierten Verwaltungsakts (Genehmigung) grundlegend geändert. Letztlich will die einen Naturalleistungsanspruch ablehnende Meinung die von ihr als gesetzgeberische Fehlleistung bewertete Rechtsfolge des § 13 Abs 3a S 6 SGB V(vgl nur Helbig in jurisPK-SGB V, § 13 RdNr 71, Update-Stand 3.11.2017: "missglückte Wortwahl") entgegen dem eindeutigen Wortlaut nicht anwenden. Sie vernachlässigt dabei, dass § 13 Abs 3a SGB V bewusst abweichend von den sonstigen in § 13 SGB V geregelten Kostenerstattungstatbeständen geregelt ist und sich wie der Erstattungsanspruch(vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V) nur auf subjektiv "erforderliche" Leistungen erstreckt (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 13 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25). Soweit die Beklagte dagegen einwendet, auch nach der Ausschussbegründung (BT-Drucks 17/11710 S 30) diene § 13 Abs 3a S 6 SGB V nur der Vorbereitung des Kostenerstattungsanspruchs in dem Sinn, dass eine Fristsetzung durch den Versicherten entbehrlich sei, beachtet sie nicht, dass es für die Herbeiführung dieser von ihr behaupteten eingeschränkten Rechtsfolge der Regelung in § 13 Abs 3a S 6 SGB V nicht bedurft hätte. Für die Eröffnung eines Kostenerstattungsanspruchs als einer bloß weiteren Alternative zu den in § 13 Abs 3 SGB V bereits geregelten Fällen, wäre der "Ablauf der Frist"(§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) ausreichend.

18

b) Die Regelung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V ist auf den Antrag der Klägerin sachlich anwendbar. Die Regelung erfasst ua Ansprüche auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind (vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 11 ff); auf letztere finden die §§ 14 f SGB IX Anwendung(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V). Die Klägerin begehrt demgegenüber die Gewährung von Krankenbehandlung in Form stationärer Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 39 SGB V).

19

c) Die Klägerin ist als bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen ua in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK (vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 16 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 22).

20

d) Die Klägerin beantragte als Leistung hinreichend bestimmt eine Abdominalplastik iS einer Hautstraffungsoperation, nicht iS einer Operation zur Reduzierung des Bauchfetts, wie der deshalb klarzustellende Tenor des Gerichtsbescheides nahelegt. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Der Antrag hat eine Doppelfunktion als Verfahrenshandlung (vgl dazu oben, unter II. 1.) und als materiell-rechtliche Voraussetzung (vgl zur Doppelfunktion zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits iS von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 23). Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 17 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

21

Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V)zu gewähren, verschafft dem Adressaten - wie dargelegt - eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten. Die Vollstreckung erfolgt nach den Regelungen über vertretbare Handlungen (vgl § 199 Abs 1 Nr 1, § 198 Abs 1 SGG, § 887 ZPO). Es genügt hierfür, dass das Behandlungsziel klar ist. Dass hinsichtlich der Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, beeinträchtigt den Charakter einer Leistung als vertretbare Handlung nicht (vgl Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 887 ZPO RdNr 2 mwN). Diese allgemeinen Grundsätze gelten ebenso, wenn Patienten zur Konkretisierung der Behandlungsleistung auf die Beratung des behandelnden Arztes angewiesen sind (vgl insgesamt BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 18 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

22

Der Antrag der Klägerin vom 17.12.2013 genügte diesen Anforderungen. Er war auf die Versorgung mit einer Abdominalplastik gerichtet (vgl entsprechend BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 19 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

23

e) Der Antrag der Klägerin betraf auch eine Leistung, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 21 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 26).

24

Dieser Auslegung steht weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) entgegen. § 13 Abs 3a SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von deren Anforderungen ab, indem er in seinem Satz 6 selbst in den Fällen, in denen eine KK einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat. Wären nur die auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche außerhalb von § 13 Abs 3a SGB V gerichteten Anträge fiktionsfähig, wäre die Regelung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V obsolet(dies verkennend: LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff = NZS 2014, 663; v Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 604; Knispel, SGb 2014, 374 ff; vgl dagegen BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 22 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

25

Die von der Klägerin begehrte Abdominalplastik liegt nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (vgl zB entsprechend BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R - RdNr 22, dort zur Liposuktion, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Klägerin durfte nach den Feststellungen des LSG die beantragte Abdominalplastik auch für erforderlich halten.

26

Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden, denn die Beklagte bringt diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vor (vgl § 163 SGG). Soweit sie mit ihrer Gegenrüge (vgl dazu Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand April 2017, § 164 Anm 32a bb mwN) sinngemäß rügt, das LSG habe die Grenzen freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) überschritten, bezeichnet sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen(vgl dazu BSGE 118, 137 = SozR 4-2400 § 90 Nr 1, RdNr 30 mwN). Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Im Falle der Rüge eines Verstoßes gegen die Grenzen freier Beweiswürdigung kann das Revisionsgericht nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat, und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens ausreichend und umfassend berücksichtigt hat.Die Beweiswürdigung steht innerhalb dieser Grenzen im freien Ermessen des Tatsachengerichts (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Wer diesen Verfahrensverstoß rügt, muss das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Einzelnen darlegen (vgl BSG Beschluss vom 27.4.2016 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 13; BSGE 95, 112 = SozR 4-2600 § 101 Nr 2, RdNr 12, 13; BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9 mwN). Daran fehlt es, wenn die Revisionsbegründung lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt. So verhält es sich hier.

27

Die Beklagte meint, das LSG habe sich nicht auf folgende Äußerungen stützen dürfen: Die Hausärztin Dr. F. habe auf eine noch gar nicht vorhandene Stellungnahme verwiesen, Dr. K. sich nicht zur Operationsindikation geäußert und Prof. Dr. L. eine medizinische Indikation bejaht, ohne sie zu begründen. Die Beklagte geht aber nicht auf die Begründung des LSG ein, dass die Beklagte selbst sich veranlasst sah, eine Begutachtung durch den SMD einzuleiten, und dass auch das SG den Anspruch der Klägerin auf der Grundlage eines positiven Sachverständigengutachtens bejaht hat.

28

f) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der ab 18.12.2013 (dazu aa) beginnenden Drei-Wochen-Frist (dazu bb), sondern erst nach Fristablauf (dazu cc).

29

aa) Maßgeblich für den Fristbeginn war der Eingang des Antrags bei der Beklagten. Hierbei ist es unerheblich, ob die betroffene KK meint, der maßgebliche Sachverhalt sei noch aufzuklären. Das folgt aus Wortlaut, Regelungssystem, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) - oder wie hier des SMD -, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V: ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen). Kann die KK die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 25 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

30

Ein hinreichender Grund für die Nichteinhaltung der Frist kann insbesondere die im Rahmen der Amtsermittlung (§ 20 SGB X) gebotene Einholung von weiteren Informationen beim Antragsteller oder Dritten sein, um abschließend über den Antrag entscheiden zu können. In diesem Sinne führen die Gesetzesmaterialien beispielhaft an, "dass die Versicherten oder Dritte nicht genügend oder rechtzeitig bei einer körperlichen Untersuchung mitgewirkt oder von einem Gutachter angeforderte notwendige Unterlagen beigebracht haben" (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zum PatRVerbG-Entwurf, BT-Drucks 17/11710 S 30 zu § 13 Abs 3a S 4 SGB V). Die Regelung des Fristbeginns mit Antragseingang entspricht auch dem Zweck des § 13 Abs 3a SGB V, die Bewilligungsverfahren bei den KKn zu beschleunigen(BT-Drucks 17/10488 S 32; vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 26 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

31

Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, in § 13 Abs 3a SGB V Regelungen aufzunehmen entsprechend § 42a Abs 2 S 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) über den Fristbeginn("Eingang der vollständigen Unterlagen"; hierauf dennoch abstellend zB LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.2.2016 - L 9 KR 412/15 B ER - Juris RdNr 11) oder entsprechend § 32 Abs 1a S 3 und 4 SGB V(eingefügt mit Wirkung zum 1.1.2012 durch Art 1 Nr 5 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Danach ist in Fällen eines Genehmigungsverfahrens bei langfristigem Behandlungsbedarf mit Heilmitteln, das eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf von vier Wochen nach Antragstellung vorsieht, der Lauf der Frist bis zum Eingang der vom Antragsteller zur Verfügung zu stellenden ergänzenden erforderlichen Informationen unterbrochen. Die Nichtübernahme solcher Regelungen in § 13 Abs 3a SGB V dient dazu, eine zügige Bescheidung der Anträge im Interesse der betroffenen Versicherten zu erreichen(BT-Drucks 17/6906 S 54; zutreffend Bayerisches LSG Urteil vom 12.1.2017 - L 4 KR 295/14 - Juris RdNr 56; vgl insgesamt BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

32

Nach diesen Grundsätzen begann die Frist am 18.12.2013 zu laufen. Denn der maßgebliche Antrag der Klägerin ging der Beklagten am Dienstag dem 17.12.2013 zu (vgl § 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB).

33

bb) Die Frist endete am Dienstag, dem 7.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Nach dem aufgezeigten Regelungssystem galt die gesetzliche Drei-Wochen-Frist (vgl § 13 Abs 3a S 1 Fall 1 SGB V). Die Beklagte informierte die Klägerin bereits nicht rechtzeitig innerhalb dieser Frist über die für erforderlich gehaltene Begutachtung durch den SMD. Ihr Schreiben, mit dem sie die Klägerin sinngemäß über eine zu veranlassende Begutachtung durch den SMD informierte, datierte erst vom 8.1.2014 und ging der Klägerin auch nicht früher zu. Maßgeblich ist - wie im Falle der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördeninternen Entscheidung über die Information (vgl §§ 39, 37 SGB X; BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 29 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 28; unzutreffend Bayerisches LSG Beschluss vom 25.4.2016 - L 5 KR 121/16 B ER - Juris RdNr 26).

34

cc) Die Beklagte beschied den Antrag nicht bis zum Fristablauf am Dienstag, dem 7.1.2014, sondern erst später mit Erlass des Bescheides vom 10.2.2014.

35

3. Die entstandene Genehmigung ist auch nicht später erloschen. Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene der Klägerin - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. In diesem Sinne ist eine KK nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Die Voraussetzungen eines Erlöschenstatbestands sind nicht erfüllt. Die Beklagte regelte mit der Ablehnung der Leistung weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme, eine Aufhebung oder einen Widerruf (vgl hierzu §§ 45, 47, 48 SGB X)der fingierten Genehmigung (vgl auch BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 36 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 32). Die Rücknahme der Genehmigung ist aufzuheben, denn sie ist rechtswidrig (dazu a). Die Genehmigung hat sich auch nicht auf andere Weise erledigt (dazu b).

36

a) Die Rücknahme der fiktiven Genehmigung nach § 45 SGB X verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf Versorgung mit einer Abdominalplastik. Die Rücknahmevoraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die Genehmigung rechtmäßig ist (dazu aa). Die Rücknahmeentscheidung ist weder mittels Umdeutung noch anderweitig aufrechtzuerhalten (dazu bb).

37

aa) § 45 Abs 1 SGB X bestimmt: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Grundvoraussetzung der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts - hier: der fingierten Genehmigung - ist nach der klaren Gesetzesregelung, dass der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Daran fehlt es.

38

Maßstab der Rechtmäßigkeit der Genehmigung ist § 13 Abs 3a SGB V. In Einklang mit Wortlaut und Entstehungsgeschichte soll nach dem Regelungssystem die Genehmigungsfiktion die Berechtigten vom Risiko entlasten, dass eine beantragte Leistung nicht in den Leistungskatalog der GKV fällt. § 13 Abs 3a SGB V begründet hierzu einen eigenen Anspruch der Berechtigten, den ihnen das Gesetz kraft Genehmigungsfiktion durch fingierten Verwaltungsakt zuerkennt. Der Gesetzgeber ging damit bewusst über den bisher mittels sachleistungsersetzender Kostenerstattung gewährten Schutz hinaus (vgl dazu § 13 Abs 3 SGB V). Während dort die Berechtigten im Streitfall bei auf eigene Kosten selbstbeschafften Leistungen das Risiko der Nichterweislichkeit der Voraussetzungen ihres Leistungsanspruchs tragen, genügt in den Fällen des § 13 Abs 3a SGB V der Eintritt der Genehmigungsfiktion, weil deren Voraussetzungen erfüllt sind. Der Gesetzgeber begegnet mit der Regelung des § 13 Abs 3a SGB V einem spezifischen Systemversagen, der nicht zeitgerechten Entscheidung der KK über einen hiervon erfassten Leistungsantrag. Der berechtigte Antragsteller soll schnell Gewissheit erlangen, ob ihm die beantragte Leistung endgültig zusteht. Dementsprechend ist die KK nach Eintritt der Genehmigungsfiktion zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die dem Berechtigten durch Selbstbeschaffung einer erforderlichen Leistung entstanden sind (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Die Berechtigten tragen nur noch das geringere Risiko der Nichterweislichkeit der Voraussetzungen des Eintritts der Genehmigungsfiktion. Der dabei fingierte Verwaltungsakt erwirkt verfahrensrechtlichen Vertrauensschutz durch die Schranken für seine Beseitigung (vgl insbesondere §§ 45, 47, 39 SGB X). Gleichen Schutz wie bei Selbstverschaffung gewährt der Eintritt der Genehmigungsfiktion für Berechtigte, die Erfüllung ihres kraft Genehmigungsfiktion entstandenen Anspruchs in Natur von ihrer KK verlangen. Dieser Naturalleistungsanspruch sichert unter Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG), dass Berechtigte ihren Sozialleistungsanspruch nicht nur dann realisieren können, wenn sie hinreichend vermögend sind, um eine sofortige Selbstbeschaffung vorzufinanzieren. Der gesetzliche Regelungszweck würde verfehlt, wollte man einen rechtmäßig nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V fingierten Verwaltungsakt als einen eine Leistung rechtswidrig bewilligenden Verwaltungsakt ansehen. Die Gesamtregelung bezweckt, das Interesse aller Berechtigten an einem beschleunigten Verwaltungsverfahren zu schützen und zögerliche Antragsbearbeitung der KKn zu sanktionieren. Eine Genehmigung ist dementsprechend rechtmäßig, wenn die oben aufgezeigten Voraussetzungen der Norm erfüllt sind (§ 13 Abs 3a SGB V; vgl oben und BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 11 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 19 ff). So lag es hier, wie oben dargelegt.

39

Die dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Wie bereits oben ausführlich dargelegt, sind nach der Gesetzeskonzeption unter Nutzung aller Auslegungsmethoden und Einbeziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG die Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs für die Rechtmäßigkeit des Eintritts der Genehmigungsfiktion ohne Belang (vgl auch BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 35, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31). Es widerspräche der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X, für die Rücknahme einer nach § 13 Abs 3a SGB V fingierten Genehmigung nicht auf deren Voraussetzungen abzustellen, sondern auf die Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag Begehrten. Dafür fehlt ein tragfähiger Grund. Soweit die Beklagte meint, es sei erheblich, ob die fingierte Genehmigung im Widerspruch zum materiellen Recht hinsichtlich der Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag Begehrten stehe, verkennt sie, dass auch die Regelung des § 13 Abs 3a SGB V zum materiellen Recht gehört. Sie hat nämlich materiell-rechtliche genehmigte Leistungsansprüche zum Gegenstand. Eine Abkehr von der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X ist damit nicht zu rechtfertigen.

40

Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt auch jeder Grund, eine Durchbrechung der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X aus einer entsprechenden Anwendung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG abzuleiten(vgl zur Auslegung der Regelung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG zB Uechtritz in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 42a RdNr 45 ff mwN; s ferner zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 42a VwVfG Caspar, AöR 2000, 131 - Der fiktive Verwaltungsakt - Zur Systematisierung eines aktuellen verwaltungsrechtlichen Instituts). Soweit man der Regelung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG Rechtsgedanken entsprechend dem Vorbringen der Beklagten entnehmen will, kommt deren entsprechende Anwendung auf Rücknahmen fingierter Genehmigungen gemäß § 13 Abs 3a SGB V nach § 45 SGB X nicht in Betracht.

41

Es fehlt bereits an einer unbewussten Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bewusst die Vorschriften über das Verwaltungsverfahren eigenständig im Ersten Kapitel des SGB X für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden geregelt, die nach dem SGB ausgeübt wird (vgl § 1 Abs 1 S 1 SGB X). Die Regelungen unterscheiden sich gezielt teilweise von jenen des VwVfG des Bundes. Eine pauschale Lückenfüllung des SGB X durch Regelungen des VwVfG ist ausgeschlossen, erst recht eine Änderung der ausdrücklichen Regelungen des Ersten Kapitels des SGB X durch abweichende Rechtsgedanken des VwVfG.

42

Der Regelung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG sind im Übrigen überhaupt keine Rechtsgedanken entsprechend dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen. Aus dem jeweils berufenen Fachrecht und nicht aus § 42a Abs 1 S 2 VwVfG folgt, welcher Maßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Rücknahme eines fingierten Leistungsverwaltungsakts anzuwenden ist. § 42a VwVfG eröffnet dem Fachgesetzgeber ein "Regelungsangebot" mit einem "vollständigen Regelungskonzept", das es ihm erlaubt, die Regelungen des Fachrechts auf spezifische Besonderheiten zu beschränken(vgl U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 2 mwN). Dementsprechend bestimmt in der Rspr des BVerwG das jeweilige Fachrecht Inhalt und Tragweite der jeweils betroffenen Genehmigungsfiktion (vgl zB BVerwGE 127, 208 RdNr 37 ff mwN zur Fiktionswirkung des § 71 Abs 2 S 1 LuftVG; BVerwG Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 54/87 - Juris RdNr 25 zur Fiktionswirkung des § 19 Abs 3 S 6 BBauG aF; vgl zum Bestand öffentlich-rechtlicher Fiktionsnormen im Verwaltungsrecht außerhalb des SGB Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, 1998, S 234 ff). Es liegt auf der Hand, dass das Fachrecht etwa bei fingierten Genehmigungen mit potentiell drittbelastender Doppelwirkung andere Erwägungen vornimmt als bei lediglich begünstigenden Genehmigungen von sozialrechtlichen Naturalleistungen. Dementsprechend erfasst die Regelung des § 42a VwVfG nach Maßgabe des jeweiligen Fachrechts nur gesetzlich vorgesehene Genehmigungen eines Verhaltens oder eines Vorhabens(Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl 2017, § 42a RdNr 9; vgl auch Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks 16/10493 S 15: "Für Genehmigungsverfahren … muss die Geltung einer Genehmigungsfiktion vorgesehen sein …" ). Nicht dazu gehören Verwaltungsakte, die Ansprüche auf Geld- oder Naturalleistungen mittels Fiktion begründen (U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 20; dies vernachlässigend Krüger, NZS 2016, 521, 522). Das vorliegend relevante Fachrecht wurzelt in § 13 Abs 3a SGB V.

43

Das gilt auch hinsichtlich des Zusammenspiels von den Regelungen zur Rücknahme von Verwaltungsakten (§ 45 SGB X)mit den speziellen, in sich abgeschlossenen Regelungen des Eintritts einer Genehmigungsfiktion von Naturalleistungsanträgen aus dem Leistungskatalog der GKV, die nicht Leistungen der medizinischen Rehabilitation betreffen (§ 13 Abs 3a SGB V). Der erkennende Senat hat hier denn auch keinen Raum für eine analoge Anwendung der Regelungen des § 42a VwVfG gesehen. Er hat lediglich bei Anwendung der Regelung des § 13 Abs 3a SGB V die Achtung ergänzender allgemeiner Grundsätze eingefordert, die ihren Niederschlag auch in Regelungen des § 42a VwVfG gefunden haben, soweit sie mit der Regelung des § 13 Abs 3a SGB V vereinbar sind. Das hat der erkennende Senat hinsichtlich des Erfordernisses der hinreichenden Bestimmtheit eines Antrags nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V bejaht(vgl BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 17, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 23). Dieser differenzierte Rückgriff auf ergänzende allgemeine Grundsätze gibt keinen Anlass zu einer Analogie contra legem.

44

Zu Unrecht meint die Beklagte, die gesetzestreue Auslegung des erkennenden Senats bewirke, dass Versicherte die Leistung "unabänderlich" und "unverrückbar" beanspruchen könnten. Soweit ein Antragsteller die vom ihm begehrte Leistung nicht für subjektiv erforderlich halten darf (vgl ähnlich den Ausschluss des Vertrauensschutzes gemäß § 45 Abs 2 S 3 Nr 1 bis 3 SGB X), verhindert dies nicht nur den Eintritt der Genehmigungsfiktion. Geht die KK in Unkenntnis des Rechtsmissbrauchs des Antragstellers vom Eintritt der Genehmigungsfiktion aus und bescheinigt sie dem Antragsteller sein Recht, damit er sich bei Leistungserbringern hierauf berufen kann, ermöglicht die Rücknahme der fingierten Genehmigung der KK, den Rechtsschein einer eingetretenen Fiktion der Genehmigung zu beseitigen. Macht die KK wegen der ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Naturalleistung oder Kostenerstattung einen Erstattungsanspruch mittels Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten geltend (§ 50 Abs 3 SGB X), finden die §§ 45, 48 SGB X entsprechende Anwendung(§ 50 Abs 2 SGB X; vgl allgemein BSGE 60, 239, 240 = SozR 1300 § 45 Nr 26 S 84; BSGE 75, 291, 292 f = SozR 3-1300 § 50 Nr 17 S 46 f; BSG SozR 4-1300 § 50 Nr 3 RdNr 19 ff). Nichts anderes gilt im Ergebnis, wenn die KK etwa aufgrund einstweiliger Verfügung vorläufig Sachleistungen erbringen muss und sich später die Rechtswidrigkeit herausstellt (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 28 RdNr 8 mwN, auch für BSGE vorgesehen).

45

Die Beklagte vermag auch mit dem Hinweis auf Patientenschutz keinen anderen Prüfungsmaßstab zu rechtfertigen. Das gesamte Leistungsgeschehen der GKV wird ärztlich gesteuert und veranlasst (§ 15 Abs 1 SGB V), jedenfalls, soweit nicht Hilfsmittel betroffen sind. Ob bei diesen etwas anderes zu gelten hat, muss der erkennende Senat nicht entscheiden. Die ärztlichen Behandler unterliegen erheblichen Sorgfalts-, Informations- und bei Pflichtverletzungen Schadensersatzpflichten (vgl § 630a Abs 2, §§ 630c ff BGB), sei es aus dem krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringungsverhältnis (§ 2 Abs 1 und 4, § 70, § 76 Abs 4 SGB V), aus Behandlungsvertrag oder aus Delikt. Auf dieser Ebene erfolgt der Patientenschutz für alle Versicherten, die Leistungen aus dem System der GKV heraus erhalten. Die KKn können und dürfen in aller Regel die Leistungserbringung nicht präventiv kontrollieren. Dies gilt sowohl für Kostenerstattungsfälle (vgl § 13 Abs 2, § 13 Abs 3 S 1 Fall 1, § 13 Abs 3a S 7 SGB V) als auch bei unmittelbarer Inanspruchnahme zugelassener Leistungserbringer zur Erfüllung des (ggf nur vermeintlichen) Naturalleistungsanspruchs des Versicherten (vgl auch BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 31 bis 34). Ein Leistungserbringer muss bei einem Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion auch nicht ein von ihm nicht für tragbar gehaltenes Haftungsrisiko eingehen (vgl § 630h BGB).

46

Die Beklagte kann für sich auch nichts aus der Begründung zum Gesetzentwurf eines Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ableiten. Diese geht für die künftige Nachfolgeregelung zu § 15 SGB IX entsprechend der Rspr des erkennenden Senats zu § 13 Abs 3a SGB V davon aus, dass für den Vertrauensschutz der Leistungsberechtigten die allgemeinen Maßstäbe für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte gelten. Ausgenommen von der Kostenerstattung seien damit nur Evidenzfälle, die von der sozialgerichtlichen Rspr bereits zur Konkretisierung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V herausgearbeitet wurden(vgl Gesetzentwurf der BReg eines BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 238, zu Art 1 § 18).

47

bb) Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit in Fällen wie hier eine Rücknahme nach § 45 SGB X in eine Aufhebung nach § 48 SGB X umgedeutet(vgl § 43 SGB X)oder anderweit überführt werden kann oder dem entgegensteht, dass die Rücknahme dadurch in ihrem "Wesen" verändert und die Klägerin infolgedessen in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann (vgl dazu zB BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 8 KN 20/97 R - Juris RdNr 35 mwN; BSG SozR 4-2600 § 89 Nr 3 RdNr 33 ff; BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 34; Steinwedel in Kasseler Komm, Stand Juli 2017, § 43 SGB X RdNr 20). Wird eine fingierte Genehmigung ausgehend von den Voraussetzungen des § 13 Abs 3a SGB V nachträglich rechtswidrig, kann die KK sie ggf im Verfahren nach § 48 SGB X aufheben. Eine Dauerwirkung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig werden kann (vgl Steinwedel in Kasseler Komm, Stand Juli 2017, § 45 SGB X RdNr 19). Das gilt auch für fingierte Genehmigungen. Sie eröffnen dem Versicherten die Handlungsoptionen der Inanspruchnahme einer Naturalleistung oder Kostenerstattung, von denen er nicht sofort Gebrauch machen muss. Ob im Falle von Hilfsmitteln etwas anderes gilt, lässt der Senat offen. Die Voraussetzungen einer Aufhebung sind nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG aber jedenfalls nicht erfüllt.

48

b) Die Genehmigung der Abdominalplastik hat sich auch nicht auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X). Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31; BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 13 f; BSG SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 18 mwN). Umstände, die die Genehmigung entfallen lassen könnten, hat weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich. Entgegen der Meinung der Beklagten genügt es hierfür nicht, dass das LSG die Klage abgewiesen hat und die Klägerin seither nicht mehr subjektiv von der Erforderlichkeit der beantragten Leistung ausgehen dürfe. Abgesehen davon, dass der erkennende Senat das LSG-Urteil aufgehoben hat, macht die Beklagte bloß geltend, dass die fingierte Genehmigung mit Abschluss des Berufungsverfahrens rechtswidrig geworden sei. Dies ist aber kein Fall einer Erledigung auf andere Weise. Die Abdominalplastik ist nach den tatsächlichen, vom LSG festgestellten Verhältnissen durchführbar. Die Leistung ist auch aus rechtlichen Gründen nicht unmöglich geworden.

49

4. Die Ablehnungsentscheidung verletzt die Klägerin in ihrem sich aus der fiktiven Genehmigung ihres Antrags ergebenden Leistungsanspruch (vgl dazu oben, unter II. 2. und 3.).

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Psychotherapie.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeittherapie (16.12.2013). Die Beklagte beauftragte Dr. D mit der Begutachtung, ohne den Kläger hierüber zu informieren (17.12.2013). Dr. D hielt die aktuell wirksame Psychodynamik der Erkrankung für nicht erkennbar und erwartete keinen hinreichenden Behandlungserfolg. Die Beklagte lehnte es ab, die Therapie zu bewilligen (Bescheid vom 27.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 5.5.2014). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Gerichtsbescheid vom 11.8.2014). Der Kläger hat sich 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie selbst beschafft und danach sein Klagebegehren auf Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 2200 Euro gerichtet. Das LSG hat unter Anpassung des Tenors die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ihr Schweigen auf den Leistungsantrag habe dessen Bewilligung fingiert (Urteil vom 17.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V. Die Regelung begründe allein einen Kostenerstattungsanspruch für "erforderliche" Leistungen. Hieran habe es gefehlt.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

                 
        

hilfsweise,

                 
        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger 2200 Euro zu zahlen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu 1.). Die vom Kläger beantragten - hier nur noch streitigen - 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu 3.).

8

1. Der Kläger kann sich für die Erstattung der Kosten auf den Anspruch aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V nach dessen zeitlichem und sachlichem Anwendungsbereich berufen.

9

a) Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN)greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Der Kläger stellte nach dem 25.2.2013, am 16.12.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Psychotherapie.

10

b) Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn der Kläger verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

11

Die Regelung findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche Leistung passt hierauf nicht (vgl zu Wortlaut und Regelungssystem aa). Versicherte können sich jederzeit Kredite zur Überbrückung von Zeiten verschaffen, in denen bei ihnen ein Bedarf entsteht, weil KKn den Versicherten zustehende Geldleistungsansprüche nicht auszahlen. Es bedarf hierfür keines besonderen Rechtsmechanismus, die gesetzliche Verzinsungsregelung greift (vgl § 44 SGB I). Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip" aus (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Die späteren Änderungen des Gesetzentwurfs (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 11) geben keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Auslegung.

12

Der Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion ist auch für Leistungen zur medizinischen Reha nicht gegeben. Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm (dazu aa), Entstehungsgeschichte (dazu bb) und Regelungszweck im Gesamtsystem (dazu cc). Die vom Kläger begehrte und selbstbeschaffte Psychotherapie ist nicht Gegenstand der medizinischen Reha, sondern der Krankenbehandlung (dazu dd).

13

aa) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

14

bb) Nach den Gesetzesmaterialien gelten für Leistungen zur medizinischen Reha die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Das Gesetz stellt dies ausdrücklich klar (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1).

15

cc) Auch der Regelungszweck im Gesamtsystem verdeutlicht, dass das Gesetz Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgeklammert. Schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX)würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs 3a SGB V nicht kompatibel. Leitete der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX),könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX).

16

dd) Der Begriff der Leistungen zur medizinischen Reha ist funktionsadäquat auszulegen: Einerseits umfasst er in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenver-hältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind(vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 RdNr 14 mwN). Einbezogen sind zB Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl zB BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 16 ff). Dieser Schutzmechanismus darf nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" ausgehebelt werden. Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle.

17

Andererseits erstreckt sich dieser Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V - bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne - nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch zB teilweise Arbeitstherapie (vgl zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21 ff, 26 mwN). Versicherte der GKV - wie der Kläger - haben gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB V ua Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die "notwendig sind, um eine Behinderung (…) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern". Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Die KKn - gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha - sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen indes nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet(vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18).

18

Speziell für Psychotherapie unterscheidet das SGB V zwischen ärztlicher Behandlung einschließlich Psychotherapie (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (vgl zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs 1 S 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha, zu deren Bestandteilen auch Psychotherapie gehören kann, und ergänzenden Leistungen andererseits (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V). Im Regelungsbereich ambulanter ärztlicher Behandlung im Rechtssinne wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien (RL) nach § 92 SGB V durchgeführt(vgl § 28 Abs 3 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 2 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 10). Um eine solche Leistung psychotherapeutischer Krankenbehandlung ging es dem Kläger.

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2. Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V)ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; dazu a). Das folgt aus dem oben aufgezeigten Wortlaut und dem Binnensystem der Norm (vgl oben, II. 1. b aa), Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die vom Kläger beantragte Leistung galt in diesem Sinne als genehmigt (dazu b).

20

a) Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V)und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

21

b) Die vom Kläger beantragte Psychotherapie galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn der leistungsberechtigte Kläger (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von 25 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeitpsychotherapie, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

22

aa) Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK.

23

bb) Der Kläger beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung einer Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG(Verwaltungsverfahrensgesetz idF durch Art 1 Nr 5 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften - 4. VwVfÄndG - vom 11.12.2008, BGBl I 2418 mWv 18.12.2008) normierten Grundsätzen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 15) gilt "eine beantragte Genehmigung (…) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (…), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 16). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(zu § 13 SGB V: Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 73; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; s auch Gemeinsames Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der KKn und der Verbände der KKn auf Bundesebene zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V vom 15.5.2013, S 20; zu § 42a VwVfG: U Stelkens in P Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 35 mwN).

24

So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

25

cc) Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

26

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43).

27

Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

28

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 SGB V), ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen: Sie teilte ihm keinerlei Gründe mit. Die Frist von drei Wochen ist maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete (vgl zur Pflicht § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (aA Rieker, NZS 2015, 294, 296). Die Frist begann am Dienstag, dem 17.12.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)ging der Antrag des Klägers am 16.12.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Montag, dem 6.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später, am 27.1.2014, über den Antrag des Klägers.

29

3. Der Kläger beschaffte sich die erforderliche Leistung von 24 Sitzungen Psychotherapie selbst, nachdem sie als genehmigt galt (dazu a). Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu b).

30

a) Die genehmigte Leistung, die sich der Kläger beschaffte, war auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung erforderlich. Der Kläger beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung von 25 Sitzungen Psychotherapie. Er beschaffte sich die Leistung zeitnah nach Eingreifen der Genehmigungsfiktion. Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung nicht mehr (subjektiv) erforderlich gewesen wäre.

31

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24; rechtsähnlich BVerwGE 48, 87, 90, 92 ff zu § 19 Abs 4 S 3 BBauG vom 23.6.1960, BGBl I 341). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). In diesem Sinne ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Geänderte Umstände, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Beschaffung entfallen ließen, hat indes weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

32

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger sei deshalb nicht "schutzbedürftig", weil ihm vor Selbstverschaffung der genehmigten Therapiemaßnahmen die ablehnende Entscheidung der Beklagten zugegangen und seine Therapeutin Kenntnis vom Begutachtungsergebnis erlangt habe. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Information der Therapeutin über das Gutachten lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X).

33

b) Dem Kläger entstanden nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dadurch Kosten in Höhe von 2200 Euro, dass er sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Selbstbeschaffung der Leistung einen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30).

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.