Sozialgericht München Beschluss, 04. Nov. 2016 - S 37 AS 2122/16 ER

04.11.2016

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, den Antragstellern zu 1) bis 3) für den Zeitraum 01.09.2016 bis 31.10.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu den bereits vorläufig geleisteten Beträgen von 64,53 € für Kosten der Unterkunft monatlich insgesamt weitere 405,-€ für die Kosten der Unterkunft zu gewähren.

Im Übrigen wird der darüber hinausgehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

II. Der Antragsgegner erstattet den Antragstellern ½ ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten.

III. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und RA Dr. B. beigeordnet.

Gründe

I.

Am 09.05.16 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für sich und ihre beiden Kinder, geboren am XX.XX.1999 und F., geboren am XX.XX.2014, die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft leben.

Laut Aktenvermerk des Antragsgegners hatte die Antragstellerin beim Antragsgegner am 09.05.2016 vorgesprochen und mitgeteilt, dass sie alleinerziehend sei, zwei Kinder habe und als Projektassistentin zu monatlich ca. 550,-€ brutto arbeite; derzeit wohne sie noch bei ihrem Expartner mietfrei in C-Stadt, sie verfüge wie auch ihr älterer Sohn lediglich über Girokonto, sonst sei kein weiteres Vermögen vorhanden. Im Aktenvermerk ist weiter festgehalten, die Antragstellerin sei auf die für sie gültige Mietobergrenze (Kaltmiete In Höhe von monatlich 690,-€) hingewiesen worden.

In ihrer Begründung zum Erstausstattungsantragt vom 03.06.2016 erklärte sie, sie habe sich bereits am 26.01.2016 von ihrem Lebensgefährten getrennt und zwar zunächst innerhalb der bestehenden Wohnung.

Am 10.05.16 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, sie habe bisher noch keine Wohnung gefunden, habe jedoch nunmehr soeben eine Zusage erhalten für Wohnung in A- Stadt, die sie ab 01.06.2016 mit ihren Kindern beziehen könne. Den Mietvertrag bekomme sie im Laufe der Woche. Die Kaltmiete betrage knapp 1.100,-€ und liege somit über der Mietobergrenze. Sie wolle wissen, ob sie den Mietvertrag dem Antragsgegner zusenden könne, um diese Wohnung vom Antragsgegner „genehmigen“ zu lassen. Es sei sehr dringend, da es schwer gewesen sei, überhaupt eine Wohnung zu finden und sie nur Absagen erhalten habe, worauf der Antragsgegner erwiderte, es werde „nicht funktionieren“, der Antragstellerin würden 400,-€ monatlich fehlen, die Versorgung ihrer Kinder sei nicht sichergestellt.

Auf die Frage der Antragstellerin, ob sie den Mietvertrag genehmigen lassen müsse, erklärte der Antragsgegner, der Mietvertrag müsse nur genehmigt werden, wenn die Antragstellerin eine Kaution und Arbeitslosengeld II beantragte. Diese sei dann vor der Unterzeichnung dem Jobcenter vorzulegen.

Lt. vorgelegtem Mietvertrag vom 13.05.2016 ab 01.06.2016 beträgt die Nettomiete 1.095,-€, die Heizkostenvorauszahlung 110,-€ und die Betriebskostenvorauszahlung 120,-€ im Monat.

Vorgelegt wurden außerdem der Arbeitsvertrag der Antragstellerin mit der Firma D. beginnend ab 01.06.2016, Entgeltabrechnungen des Arbeitgebers, der Aushilfsvertrag des Sohnes sowie die angeforderten Kontoauszüge.

Mit Bescheid vom 01.06.2016 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig für die Zeit vom 01.06.2016 bis 31.10.2016: Für Juni und Juli 425,53 €, für August 495,44 € €, für September und Oktober 425,53 €, für Mai 2016 wurde die Leistung abgelehnt, da aufgrund einer Abfindung Hilfebedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Die Bewilligung sei vorläufig erfolgt, da schwankendes Einkommen erziele. Weiter wurde zur Begründung der Entscheidung ausgeführt, dass der Antragstellerin bereits vor Eingehung des Mietvertrages mitgeteilt worden sei, dass die ab dem 01.06.2016 angemietete Wohnung in A-Stadt 405,-€ über der maßgeblichen Mietobergrenze liege; es werde daher nur die angemessene Kaltmiete In Höhe von 690,-€ für eine dreiköpfige Familie bewilligt, zuzüglich der Nebenkosten. Auf die dazugehörigen Berechnungsblätter der Entscheidung aus der unpaginiert vorgelegten Leistungsakte des Antragsgegners wird Bezug genommen.

Aus der Berechnung der Kosten der Unterkunft ergibt sich, dass der Antragsgegner als angemessene Kaltmiete einen Betrag von 690,-€ angesetzt hat. Hierzu wurden Heizkosten In Höhe von 110,-€ monatlich und allgemeine Nebenkosten In Höhe von 120,- als zu berücksichtigende Kosten der Unterkunft berücksichtigt, insgesamt somit ein Betrag von 920,-€ für die Bedarfsgemeinschaft und somit 306,67 € für jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Nicht berücksichtigt wurden außerdem die Stellplatz - Kosten In Höhe von 40,-€ monatlich.

Mit Bescheid vom 14.07.2016 wurde der (vorläufige) Bescheid vom 01.06.2016 für die Zeit vom 01.08.2016 bis 31.10.2016 abgeändert und für August 2016 vorläufig 134,44 € und für September und Oktober 2016 vorläufig 64,53 € den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bewilligt. Zur Begründung wurde angegeben, für den Sohn F. werde Unterhalt In Höhe von 361,-€ bezahlt.

Mit Bescheid vom 12.07.2016 hatte der Antragsgegner den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für August 2016 In Höhe von 234,44 € und für September und Oktober 2016 jeweils 164,63 € bewilligt. Dem dagegen eingelegten Widerspruch hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 14.09.2016 „abgeholfen“ und den Bescheid vom 12.07.2016 wieder aufgehoben. Der Bescheid sei rechtswidrig gewesen und deshalb aufzuheben gewesen, da die Einkommensanrechnung fehlerhaft gewesen sei wie auch die Nichtaufrechterhaltung der Vorläufigkeit.

Am 04.08.2016 legte der Prozessbevollmächtigte gegen die Bescheide vom 01.06.2016, 12.07.2016 und 14.07.2016 Widerspruch ein.

Zuvor hatte bereits die Antragstellerin selbst am 15.06.2016 gegen den Bescheid vom 01.06.2016 Widerspruch eingelegt. Bei Zufluss der Abfindung In Höhe von 2.943,85 € am 03.05.2016 habe sich das Konto der Antragsteller im Minus befunden (- 1.327,89 €), es könne deshalb nur ein Teil der Abfindung angerechnet werden. Im Übrigen müsse diese Abfindung als Vermögen und nicht als Einkommen betrachtet werden. Außerdem sei zumindest für die ersten Monate die volle Miete durch den Antragsgegner zu übernehmen. In der Höhe der vom Antragsgegner angegebenen Mietobergrenze von 690,-€ kalt sei keine drei-Zimmerwohnung vor Ort oder im näheren Umkreis zu finden. Sie habe keine Zeit mehr gehabt, weiter nach einer passenden Wohnung zu suchen, das Zusammenleben mit dem Ex-Partner sei für sie eine große psychische Belastung gewesen, was zu einer beginnenden Depression und häufigeren Krankschreibungen geführt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2016 wurden die Widersprüche der Antragstellerin vom 15.06.2016 und 04.08.2016 gegen die Bescheide vom 01.06.2016 und 14.07.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Ein Abdruck davon befindet sich im hinteren Teil der nicht paginierten Leistungsakte des Antragsgegners; auf den Inhalt der Begründung wird Bezug genommen.

Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 20.10.2016 unter dem AZ S 37 AS 2488/16 Klage zum Sozialgericht München.

Am 07.09.2016 ersuchte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller das Sozialgericht München um Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz und beantragte,

  • 1.Der Antragstellerin werden vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II gewährt

  • 2.Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens

  • 3.Es wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. gewährt.

Auf die hierzu vorgebrachten Gründe wird Bezug genommen (Blatt 1 bis 4, 72 der Gerichtsakten).

In der Antragserwiderung vom 19.09.2016 beantragte der Antragsgegner, den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abzulehnen.

Die Antragstellerin sei umfassend über die einschlägige Sach- und Rechtslage, insbesondere über die Mietobergrenzen im Landkreis B-Stadt informiert worden. Dennoch habe die Antragstellerin am 13.05.2016 einen Mietvertrag über eine 3-Raum-Wohnung zu einem Netto-Kaltmietpreis von 1.095,-€ in A-Stadt abgeschlossen. Die Mietobergrenze im Landkreis B-Stadt sei lt. einem vom Antragsgegner in Auftrag gegebenen Gutachten der „G- Firma AG“ für den Vergleichsraum Ober- und A-Stadt für eine 3-Personen- Bedarfsgemeinschaft auf 790,-€ anzusetzen (vgl. Gutachten Blatt 88 bis 133 der Gerichtsakten). Der zuständige Sachbearbeiter habe die Antragstellerin noch davor gewarnt, den Mietvertrag abzuschließen, da die Kaltmiete 395,-€ über der Mietobergrenze liege. Mit Bescheid vom 01.06.2016 seien die Leistungen von Mai 2016 bis Oktober 2016 vorläufig bewilligt worden. Dabei sei für die Kaltmiete lediglich eine Betrag von 700,- € berücksichtigt worden. Der Bescheid vom 12.07.2014, wodurch fälschlicherweise ab August nur ein um 100,-€ zu geringes Einkommen angesetzt wurde, sei nach Widerspruchseinlegung wieder aufgehoben worden. Mit Änderungsbescheid vom 14.07.2016 seien die Leistungen ein weiteres Mal ab August 2016 neu berechnet worden, da die Antragstellerin für ihren zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Sohn F. Unterhalt In Höhe von 361,-€ erhalte. Im vorliegenden Verfahren halte die Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag aufrecht und füge hinzu, dass sie aus diversen Gründen ortsgebunden sei. Eine 6-monatige Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft komme hier nicht in Betracht, da die Antragstellerin bereits vor Abschluss des Mietvertrages ihre Kostensenkungsobliegenheit gekannt habe. Die „Rechtfertigungstatbestände“ des § 22 Abs. Satz 3 SGB II kämen deshalb nicht in Betracht.

Der Prozessbevollmächtigte erwiderte, dass das Gutachten der Firma G-Firma nicht den Anforderungen des BSG genüge. Im Übrigen werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Antragsgegner die Antragstellerin auf ihre Kostensenkungsobliegenheit hingewiesen und der Antragstellerin von der Unterzeichnung des Mietvertrages abgeraten habe. Außerdem sei § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch auf den vorliegenden Fall anwendbar: Die Antragstellerin habe über einen längeren Zeitraum vergeblich versucht, eine Wohnung innerhalb der Mietobergrenze zu finden; außerdem sei ihr aufgrund der dargelegten Umstände nicht zumutbar gewesen, in der Wohnung länger zu verbleiben.

Zur weiteren Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakten des AG sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Vorliegender Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auszulegen. Zwar wurde der Antrag formal nur für die Antragstellerin gestellt, im Rubrum des Antrags sind jedoch drei Antragsteller aufgeführt, nämlich die 1) Frau A. und zu 2) und zu 3) ihre beiden Kinder und F.. Auch wenn der Antrag dahin formuliert, dass lediglich die Antragstellerin Leistungen geltend macht, die vom Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II erhält, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinde und monatlich 451,87 € verdiene, etc., so wird doch in der Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung deutlich, dass Leistungen für alle im Rubrum bezeichneten Antragsteller begehrt werden.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht im Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift). Die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz setzt hierbei einen Anordnungsanspruch (als materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung) sowie einen Anordnungsgrund, also einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind dabei glaubhaft zu machen.

Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache und die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund) stehen dabei in unmittelbarer Beziehung zueinander: je schwerer die mit der Versagung von einstweiligen Rechtsschutz verbundenen Belastungen für den jeweiligen Antragsteller sind, desto geringer sind die an die Erfolgsaussicht zu stellenden Anforderungen.

Im vorliegenden Fall ist ein Anordnungsanspruch der Antragsteller glaubhaft gemacht.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für Kosten der Unterkunft den angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf anzuerkennen, wenn es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermietung oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens sechs Monate. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die von der Antragstellerin geschuldete Miete den Umfang der Angemessenheit überschreitet. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem vom Antragsgegner vorgelegten Gutachten der G-Firma aus dem Jahr 2016, in welchem eine Obergrenze für Netto-Kaltmieten in A-Stadt von 790,-€ für eine Bedarfsgemeinschaft mit drei Personen angesetzt wird (vgl S. 19 des Gutachtens, Blatt 98 der Gerichtsakten). Die Netto-Kaltmiete der Antragstellerin beträgt jedoch 1.095,-€. Dieses Gutachten ist ausführlich und plausibel und wäre auch als schlüssiges Konzept für die Feststellung der Mietobergrenze geeignet, wenn es – wie vom BSG gefordert- Obergrenzen für die jeweiligen Brutto-Kalt- Mieten erstellt hätte. Sie kann also nur mittelbar als Maßstab insoweit dienen, als sie Aussagen über die Netto-Kaltmieten trifft, die im Falle der Antragstellerin um 305,- € überschritten wird.

Auch der Antragsgegner hat die Mietobergrenze nur für die Netto-Kalt-Miete festgestellt und dabei auch noch die Mietobergrenze von 690,-€ und nicht die von 790,-€ der Leistungsberechnung zugrunde gelegt. Diese Grenze von 690,-€ wurde der Antragstellerin von Anfang an als die für ihre Bedarfsgemeinschaft maßgebliche Grenze genannt. Sie wurde dadurch u.U. in die Irre geführt und kam –wie vorgetragenzu dem Ergebnis, dass zu dieser Mietobergrenze von 690,-€ Kaltmiete tatsächlich keine angemessene Wohnung gefunden werden könne. Es erscheint als nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der Nennung der falschen Mietobergrenze ein Anspruch der Antragstellerin zumindest für die ersten 6 Monate des Leistungsbezuges auf die vollen Kosten der Unterkunft besteht. Da im vorliegenden Fall existenzsichernde Leistungen geltend gemacht werden und die Antragstellerin darlegt, dass sie möglicher Weise für die ersten 6 Monate Anspruch auf die vollen Kosten der Unterkunft hat, ist der Anordnungsanspruch deshalb glaubhaft gemacht.

Damit ist der Differenzbetrag von 405,-€ nach Kopfteilen durch drei zu teilen und ergibt einen vorläufigen Nachzahlungsbetrag von Kosten der Unterkunft für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft von mtl. 135,-€ für die restlichen Monate September und Oktober 2016 des Bewilligungszeitraumes.

Weitere bzw. höhere Ansprüche haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. So hat der Antragsgegner zutreffend das Einkommen der Antragsteller unter Berücksichtigung der Freibeträge festgestellt. Der Einwand der Antragstellerin, der Antrag auf Leistungen für Mai 2016 solle nicht berücksichtigt werden, die ihr im Mai 2016 zugeflossene Abfindung sei deshalb nicht als Einkommen, sondern als Vermögen anzusehen, kann nicht berücksichtigt werden. So hat das BSG in einer Entscheidung vom 24.04.2015 (B 4 AS 22/14 R) festgestellt, dass eine einseitige Disposition über die Gestaltung des Sozialrechtsverhältnisses nicht zulässig ist. Die Bestimmung, ob ein Zufluss materiellrechtlich als Einkommen oder als Vermögen zu werten ist, unterliegt nicht mehr der Disposition des Hilfebedürftigen, wenn er sich durch seine Antragstellung in das Regime des SGB II begeben hat.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, zum Zeitpunkt des Zuflusses der Abfindung habe sich das Girokonto im Minus befunden, ist auf BSG, Urteil vom 29.4.2015, B 14 AS 10/14 R Rnr. 31 ff zu verweisen. Darin heißt es:

„… Die zugeflossenen 8000 Euro sind in dieser Höhe als einmalige Einnahme iS des § 11 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigen. Eine Minderung durch die Rückführung des Solls auf dem Konto des Klägers in Höhe von 2985,89 Euro, das seine Bank aufgrund des zwischen beiden vereinbarten Dispositionskredits in Höhe von 2900 Euro hingenommen hatte, im Zeitpunkt des Zuflusses der 8000 Euro kommt grundsicherungsrechtlich nicht in Betracht.

aa) In Höhe des Kontosolls bestand eine Verbindlichkeit, eine Schuld, des Klägers gegenüber seiner Bank, die durch Verrechnung seitens der Bank im Rahmen einer Kontokorrentabrede mit dem Kläger getilgt worden ist (zum vereinbarten Dispositionskredit vgl K. P. Berger in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, vor § 488 RdNr. 52, 55 ff,

§ 488 RdNr. 3, 32, 147 f, 207, 228; Schürnbrand in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, § 491 RdNr. 50, § 504 RdNr. 7 ff). Zahlungen auf Verbindlichkeiten - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme der Aufwendungen zur Erfüllung von titulierten Unterhaltsverpflichtungen (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) - sind indes nicht vom Einkommen abzusetzen (vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 18 RdNr. 25; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291

= SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, RdNr. 19; BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11b Nr. 4 RdNr. 27). Es kommt für die Berücksichtigung der 8000 Euro als Einkommen rechtlich lediglich auf deren Zufluss an, und es ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Gutschrift der 8000 Euro auf dem Konto des Klägers ein positiver Kontostand auf diesem Konto ergeben hat (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 200/10 R - juris RdNr. 13).

Die normative Berücksichtigung der am 27.6.2011 zugeflossenen 8000 Euro bleibt deshalb davon unberührt, dass diese Einnahme aufgrund des mit der Bank vereinbarten Dispositionskredits teilweise dazu gedient hat, das Kontosoll zurückzuführen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Einkommensverwendung, durch die der Zufluss der 8000 Euro nicht teilweise den Charakter als Einkommen verliert (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 17 RdNr. 25; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 43/07 R - juris RdNr. 28). Vielmehr erweist sich deren Einkommenscharakter eben darin, dass hieraus das Kontosoll zurückgeführt werden konnte (zum in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert einer Befreiung von Schulden bzw Verringerung von Verbindlichkeiten vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 60 RdNr. 21). …“

Im Übrigen sind Fehler bei der Höhe der Leistungsberechnung nicht erkennbar. Insoweit war deshalb der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Dass der Antragsgegner im Bescheid vom 12.07.2016 den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für August 2016 in Höhe von 234,44 € und für September und Oktober 2016 jeweils 164,63 € bewilligt hatte und dem dagegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 14.09.2016 „abgeholfen“ und den Bescheid vom 12.07.2016 wieder aufgehoben hatte, weil dieser rechtswidrig und deshalb aufzuheben gewesen sei, da die Einkommensanrechnung fehlerhaft gewesen sei wie auch die Nichtaufrechterhaltung der Vorläufigkeit, ist zwar rechtswidrig, hat aber auf die vorliegende Entscheidung keinen Einfluss. Die „Abhilfe“ ist zwar in Wirklichkeit eine Verböserung der mit Widerspruch angefochtenen Entscheidung. Sie kann nicht im Wege des Widerspruchsverfahrens ergehen, sondern nur nach den Regeln der §§ 44 ff SGB X. Dennoch bleibt diese „Abhilfe – Entscheidung“ für die vorliegende Entscheidung unbeachtlich, da bei der Höhe des Anordnungsanspruchs der zugeflossene Unterhalt unabhängig von dieser Entscheidung berücksichtigt werden muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Hierbei wurde berücksichtigt, dass der Antrag des Prozessbevollmächtigten vage gehalten ist: Beantragt werden „höhere Leistungen“; es wird jedoch nicht ausgeführt, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Ziel des Antragsverfahrens die Gewährung der ungekürzten Kosten der Unterkunft und die Nichtberücksichtigung der anteiligen Einmalzahlungen in den verbleibenden Monaten September und Oktober des Bewilligungszeitraums 01.06.2016 bis 31.10.2016 gewesen ist. Damit erscheint die Kostenquote von ½ als angemessen.

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(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 werden zurückgewiesen.

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 geändert und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. September 2012 insgesamt zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungs- und das Revisionsverfahren Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der zu berücksichtigenden Höhe einer Einnahme.

2

Die 1953 geborene Klägerin und der 1962 geborene Kläger leben in eheähnlicher Gemeinschaft und beziehen seit Oktober 2005 als Bedarfsgemeinschaft Alg II. Das beklagte Jobcenter bewilligte ihnen für den Zeitraum vom 1.6.2011 bis 31.10.2011 Alg II in Höhe von 968,36 Euro monatlich (Regelbedarf je 328 Euro, Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von zusammen 312,36 Euro; Bescheid vom 20.6.2011).

3

Der Kläger ist Miterbe nach seinem am 15.2.2011 verstorbenen Vater. Am 27.6.2011 wurden seinem Konto 8000 Euro gutgeschrieben, die er von seinem Bruder als Zahlung aus dem Erbe erhalten hatte. Zum Zeitpunkt der Gutschrift betrug der mit seiner Bank vereinbarte Dispositionskredit des Klägers 2900 Euro. Sein Konto war zu diesem Zeitpunkt mit 2985,89 Euro im Soll. Nach Gutschrift der 8000 Euro betrug das Guthaben 5014,11 Euro. Das auf dem Konto vorhandene Guthaben belief sich am 2.8.2011 auf 3505,23 Euro, am 1.9.2011 auf 2255,23 Euro, am 30.9.2011 auf 1819,35 Euro und am 1.10.2011 auf 1005,85 Euro.

4

Nachdem der Kläger am 28.6.2011 dem Beklagten den Eingang der 8000 Euro mitgeteilt hatte, hob dieser mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 8.7.2011 die Leistungsbewilligung durch den Bescheid vom 20.6.2011 ab 1.8.2011 ganz auf: Ihr Partner - der Kläger - habe am 27.6.2011 Einkommen in Höhe von 8000 Euro erzielt. Damit seien die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig iS des § 9 SGB II, sodass ein Anspruch auf Alg II nicht mehr bestehe. Ab 1.8.2011 zahlte der Beklagte weder an die Klägerin noch an den Kläger Alg II. Beide Kläger legten durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 ein. Der vollen Berücksichtigung der 8000 Euro stehe der gleichzeitige Abfluss in Höhe von 2985,89 Euro im Rahmen des Dispositionskredits entgegen. Die Kläger wiesen darauf hin, dass sie aufgrund der Aufhebung der Bewilligung sich selbst in der Kranken- und Pflegeversicherung versichern müssten, sodass sich ihr Bedarf um Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich insgesamt 291,28 Euro erhöhe. Während des Widerspruchsverfahrens hob der Beklagte gegenüber dem Kläger durch Bescheid vom 8.9.2011 den Bescheid vom 20.6.2011 über die Leistungsbewilligung ab 1.8.2011 ganz auf. Durch Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 8.7.2011 als unbegründet zurück.

5

Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 13.10.2011 bewilligte ihnen der Beklagte ab 1.11.2011 - aufgrund nicht geklärter Vermögensverhältnisse vorläufig - Alg II ohne Berücksichtigung eines Einkommens aus der Erbschaft wie zuvor in Höhe von 968,36 Euro monatlich.

6

Die von beiden Klägern gegen den Bescheid vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 erhobenen Klagen blieben vor dem Sozialgericht (SG) ohne Erfolg (Urteil vom 26.9.2012). Die von ihnen mit dem Begehren eingelegten Berufungen, dass nur ein Einkommen von 5014,11 Euro berücksichtigt werde, waren teilweise erfolgreich. Das Landessozialgericht (LSG) verurteilte den Beklagten, den Klägern im Oktober 2011 einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 253,79 Euro zu gewähren; im Übrigen wies es die Berufungen zurück (Urteil vom 23.1.2014): Das dem Kläger am 27.6.2011 zugeflossene Einkommen in Höhe von 8000 Euro sei ab dem Folgemonat des Zuflusses nach § 11 Abs 3 SGB II auf den Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen, wobei unerheblich sei, dass das Konto des Klägers bei der Gutschrift überzogen gewesen sei und die Bank in dieser Höhe eine Verrechnung vorgenommen habe. Denn Einkommen sei auch all das, was der Betroffene einsetze, um sich von einer Schuld zu befreien. Es ergebe sich nach Bereinigung um die Versicherungspauschale ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von monatlich 1303,33 Euro, dem der Bedarf der Kläger im streitigen Zeitraum einschließlich der Zahlungen zur Kranken- und Pflegeversicherung mit monatlich 1259,64 Euro gegenüberstehe. Dieses Einkommen habe den Bedarf beider Kläger im Zeitraum vom 1.8.2011 bis 30.9.2011 gedeckt, weshalb die Aufhebung der Leistungsbewilligung insoweit rechtmäßig sei. Ein Anspruch auf die Gewährung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung habe indes im Oktober 2011 bestanden. Denn am 1.10.2011 habe sich das Kontoguthaben des Klägers auf 1005,85 Euro belaufen. Dieser Betrag habe den Alg II-Bedarf der Kläger von 968,36 Euro überstiegen, aber nicht ausgereicht, um ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zu zahlen.

7

Sowohl die Kläger als auch der Beklagte haben die vom LSG zugelassenen Revisionen eingelegt. Die Kläger wenden sich gegen die volle Berücksichtigung der Gutschrift auf dem Konto des Klägers in Höhe von 8000 Euro, obwohl den Klägern bereite Mittel aufgrund der Rückführung des Kontosolls nur in Höhe von 5014,11 Euro zur Verfügung gestanden hätten. Nur dieser Betrag sei nach § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aufzuteilen gewesen, weshalb für den Zeitraum vom 1.8.2011 bis 31.10.2011 der monatliche Leistungsanspruch der Kläger nicht vollständig entfallen wäre.

8

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. September 2012 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2011 insoweit aufzuheben, als der Beklagte Einkommen von mehr als 5014,11 Euro berücksichtigt hat.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2014 zu ändern und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. September 2012 insgesamt zurückzuweisen.

10

Mit seiner Revision macht er eine Verletzung des § 11 Abs 3 SGB II geltend, denn danach sei nicht zu berücksichtigen, ob die zugeflossene einmalige Einnahme im gesamten sechsmonatigen Verteilzeitraum als bereites Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden habe.

11

Die Kläger beantragen insoweit,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet, die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

13

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die Urteile des LSG und des SG. Das Urteil des LSG ist Gegenstand auf die Revision des Beklagten, soweit es diesen zur Leistung in Höhe von 253,79 Euro für Oktober 2011 verurteilt hat, und auf die Revisionen der Kläger, soweit es ihre weitergehenden Berufungen gegen das Urteil des SG zurückgewiesen hat. Das Urteil des SG ist insgesamt Gegenstand auf die Revisionen der Kläger, weil es ihre Klagen gegen die Berücksichtigung eines Einkommens von mehr als 5014,11 Euro abgewiesen hat. Streitgegenstand ist zum anderen der Bescheid des Beklagten vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011, durch den das den Klägern durch Bescheid vom 20.6.2011 bis zum 31.10.2011 bewilligte Alg II ab August 2011 ganz aufgehoben worden ist. Streitig ist der Zeitraum vom 1.8.2011 bis 31.10.2011.

14

2. Zutreffende Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Diese ist bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung des Bescheides vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 zulässig auf dessen Anfechtung beschränkt (zur Bescheidauslegung, die auch dem Revisionsgericht obliegt, vgl BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11). Zwar ist der Bescheid vom 8.7.2011 nur an die Klägerin adressiert, seine Regelung erfasst indes nach seinem Verfügungssatz und seiner Begründung auch den Kläger. So ist der Bescheid vom Beklagten auch umgesetzt worden, denn beiden Klägern zahlte er ab August 2011 kein Alg II mehr, und so ist der Bescheid auch von den Klägern verstanden worden, denn in deren beider Namen legte der vom Kläger bevollmächtigte Rechtsanwalt am 27.7.2011 Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.7.2011 ein. Vor diesem Hintergrund ist der im Widerspruchsverfahren ergangene, an den Kläger adressierte Bescheid vom 8.9.2011 eine sog wiederholende Verfügung und kein weiterer anfechtbarer Verwaltungsakt, denn es wird die Regelung im Bescheid vom 8.7.2011 mit Blick auf den Kläger nur wiederholt (zur wiederholenden Verfügung vgl BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 16; Engelmann in von Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 32). Dementsprechend ist auch der an den Bevollmächtigten beider Kläger adressierte Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 dahin auszulegen, dass durch diesen beider Widersprüche gegen den Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 zurückgewiesen worden sind.

15

Die Kläger begehren die teilweise Aufhebung der sie beschwerenden Aufhebungsentscheidung, weil die Bewilligung von Alg II bei einer Berücksichtigung von 5014,11 Euro statt 8000 Euro nur teilweise hätte aufgehoben werden dürfen. Mit der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 hätten die Kläger insoweit Anspruch auf Zahlung des ihnen durch Bescheid vom 20.6.2011 für den streitigen Zeitraum bewilligten Alg II. Die nur teilweise Anfechtung ist zulässig, weil die nur teilweise Aufhebung der Aufhebungsentscheidung des Beklagten nicht von vornherein ausscheidet (zur Teilanfechtung vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 4, 8b).

16

3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legende Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist die letzte Verwaltungsentscheidung.

17

Die angefochtene Aufhebungsentscheidung für die Zukunft durch Bescheid vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 ist materiell-rechtlich kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft, sondern ihre Regelungswirkung erschöpft sich in der Aufhebung der zuvor erfolgten Bewilligung. Der gerichtlichen Überprüfung dieser Aufhebungsentscheidung ist deshalb die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über die Aufhebung - Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 - gegebene Sach- und Rechtslage, nicht aber eine spätere Entwicklung zugrunde zu legen (zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts bei Anfechtungsklagen gemäß dem materiellen Recht vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 33, 33a).

18

4. Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt ist die Aufhebungsentscheidung rechtmäßig. Die auf § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützte Aufhebung für die Zukunft(dazu 5.) ist formell rechtmäßig (dazu 6.) und hinreichend bestimmt (dazu 7.). Die Aufhebungsentscheidung ist auch materiell rechtmäßig, denn dem Kläger war eine einmalige Einnahme in Höhe von 8000 Euro zugeflossen, die in dieser Höhe zu berücksichtigen war und im Aufhebungszeitpunkt absehbar die Bedarfe der Kläger im Aufhebungszeitraum deckte (dazu 8.). Der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebung steht nicht entgegen, dass im Oktober 2011 die noch vorhandenen Mittel der Kläger nicht ausreichten, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zu zahlen (dazu 9.).

19

5. Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II(diese und alle weiteren Vorschriften des SGB II in der seit 1.4.2011 geltenden Fassung aufgrund der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach gilt auch im SGB II: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

20

6. Der Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 ist formell rechtmäßig.

21

a) Er leidet nicht an einem Anhörungsmangel. Zwar fehlen Feststellungen des LSG dazu, ob die Kläger vor Erlass des Aufhebungsbescheides durch den Beklagten angehört worden waren (§ 24 Abs 1 SGB X). Doch konnte von einer Anhörung des Klägers abgesehen werden, weil durch die Aufhebung iS des § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X nicht von tatsächlichen Angaben des Klägers, der den Eingang der 8000 Euro dem Beklagten mitgeteilt hatte, zu seinen Ungunsten abgewichen werden sollte. Zudem sollte durch die Aufhebung iS des § 24 Abs 2 Nr 5 SGB X die einkommensabhängige Leistung Alg II den geänderten Verhältnissen, nämlich der Einnahme des Klägers in Höhe von 8000 Euro, angepasst werden. Ob auch von einer Anhörung der Klägerin abgesehen werden konnte, kann offen bleiben, denn eine unterbliebene Anhörung ist nach den vom LSG in Bezug genommenen streitbefangenen Bescheiden jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden und ist deshalb nach § 41 SGB X unbeachtlich(zu den Anforderungen an eine Heilung vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 20).

22

b) Der Aufhebungsbescheid wahrt auch das Erfordernis der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (§ 37 SGB X) als formelle Voraussetzung für das Wirksamwerden gegenüber beiden Klägern (zu den Anforderungen an eine Bekanntgabe vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 22). Der an die Klägerin adressierte Bescheid vom 8.7.2011 ist dieser bekanntgegeben worden. Diese Bekanntgabe ist zwar nicht nach § 38 SGB II dem von diesem belastenden Aufhebungsbescheid betroffenen Kläger zuzurechnen(zu den Grenzen des § 38 SGB II vgl BSG aaO RdNr 26). Doch ist ihm gegenüber der Bescheid nach allgemeinen Grundsätzen wirksam bekanntgegeben worden (zu deren Anforderungen vgl BSG aaO RdNr 28). Denn zum einen ist der Wille des Beklagten, die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Bedarfsgemeinschaft durch Bescheid vom 8.7.2011 über die Klägerin auch zielgerichtet dem Kläger bekanntgeben zu wollen, daraus ersichtlich, dass nach seinem Inhalt das durch den Bescheid vom 20.6.2011 beiden Klägern als Bedarfsgemeinschaft bewilligte Alg II ab 1.8.2011 ganz aufgehoben worden ist, sodass auch der Kläger von der Aufhebung betroffen sein sollte. Eine Kenntnisnahme ist zum anderen durch den Kläger spätestens zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem er dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt am 18.7.2011 den Auftrag zur Einlegung des Widerspruchs erteilte. Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 an beide Kläger erfolgte gegenüber dem für beide im Widerspruchsverfahren aufgetretenen Bevollmächtigten.

23

7. Der Aufhebungsbescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).

24

Das Bestimmtheitserfordernis bezieht sich sowohl auf den Adressaten als auch den Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes (zu den Anforderungen vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30). Dem Bescheid vom 8.7.2011 lässt sich eindeutig entnehmen, dass beide Kläger betroffen sind. Dafür ist nicht nur das Adressfeld maßgeblich, in dem allein die Klägerin genannt wird, sondern die Bestimmung des oder der Adressaten kann sowohl durch den Text im Verfügungssatz als auch durch die Begründung des angefochtenen Bescheides erfolgen (BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 17). Vorliegend ergibt sich - wie ausgeführt - hieraus, dass neben der Klägerin auch der Kläger von der Aufhebung betroffen und damit Adressat des Bescheides vom 8.7.2011 ist. Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die Bestimmtheit des Verfügungssatzes in diesem Bescheid, weil sich klar und unzweideutig erkennen lässt, dass beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angesprochen sind und ihnen gegenüber die Alg II-Bewilligung vom 20.6.2011 ab 1.8.2011 ganz aufgehoben wird. Aus der Begründung, die auf den Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder Bezug nimmt, war für die Kläger ohne Weiteres zu erkennen, dass Einkommen des Klägers auf den Bedarf beider Kläger angerechnet wurde und damit der individuelle Leistungsanspruch ganz entfiel.

25

8. Der Aufhebungsbescheid ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - Erlass des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 - auch materiell rechtmäßig. Denn durch den Eingang von 8000 Euro am 27.6.2011 auf das Konto des Klägers ist iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers und zugleich eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen beider Kläger eingetreten, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides vom 20.6.2011 - eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorgelegen haben, weil durch die Berücksichtigung dieser Einnahme ihre Hilfebedürftigkeit iS des SGB II entfiel, weshalb die Bewilligung (zumindest) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben war.

26

a) Nach § 19 Abs 1 Satz 1 und § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Alg II, wenn sie - neben weiteren, hier nicht im Streit stehenden Voraussetzungen - hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1 SGB II ua, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Bei Personen, die als Partner in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach den insoweit nicht angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) bildeten die Kläger, beide erwerbsfähige Leistungsberechtigte, als eheähnliche Gemeinschaft eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 1 und Nr 3 Buchst c SGB II), weshalb Einkommen oder Vermögen des einen nach Maßgabe des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II beim anderen Bedarfsgemeinschaftsmitglied für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist.

27

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des LSG verfügte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht über eigenes Einkommen und verfügten die Kläger in diesem Zeitraum nicht über zu berücksichtigende Vermögenswerte. Doch ist der Kläger nach den Feststellungen des LSG Miterbe nach seinem am 15.2.2011 verstorbenen Vater geworden und erhielt er als Zahlung aus dem Erbe 8000 Euro, die seinem Konto am 27.6.2011 gutgeschrieben wurden.

28

b) Diese Erbschaft ist im Zeitpunkt des Erbfalls am 15.2.2011 Einkommen, nicht Vermögen (dazu c). Einkommen aus der Erbschaft ist indes zu berücksichtigen erst am 27.6.2011, als dem Kläger 8000 Euro als bereites Mittel tatsächlich zuflossen (dazu d). Die zugeflossenen 8000 Euro sind aufgrund der normativen Vorgaben des § 11 Abs 3 SGB II in dieser Höhe als einmalige Einnahme zu berücksichtigen(dazu e) und im Verteilzeitraum vom 1.7.2011 bis 31.12.2011 gleichmäßig aufzuteilen (dazu f). Die normativ zu berücksichtigenden monatlichen Teilbeträge überstiegen den Alg II-Bedarf der Kläger, ohne dass es hierfür darauf ankommt, dass am 1.7.2011 nicht mehr 8000 Euro als bereite Mittel vorhanden waren (dazu g). Denn es ist vorliegend zu unterscheiden zwischen dem tatsächlichen Zufluss einer einmaligen Einnahme, die durch die normativ vorgegebene Aufteilung in einem Verteilzeitraum zu berücksichtigen ist, und den bereiten Mitteln, die in den Monaten des Verteilzeitraums zur Verfügung stehen. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung deckten die noch vorhandenen bereiten Mittel den Bedarf der Kläger im Aufhebungszeitraum, sodass die normativ vorgegebene Berücksichtigung der einmaligen Einnahme von 8000 Euro zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt vom Beklagten nicht zu korrigieren war (dazu h).

29

c) Bei der Erbschaft handelt es sich um Einkommen, nicht um Vermögen. Einkommen ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (stRspr seit BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18). Ein solcher rechtlich maßgeblicher anderer Zufluss ergibt sich bei einem Erbfall aus § 1922 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), nach dem mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge), was nach § 1922 Abs 2 BGB auch für den Anteil eines Miterben gilt. Eine Erbschaft ist indes grundsicherungsrechtlich nur dann Vermögen, wenn der Erbfall vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 20; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - vorgesehen für SozR 4 RdNr 17). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weil der Kläger - in Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin - seit Oktober 2005 ohne Unterbrechungen Alg II bezog und der Erblasser erst am 15.2.2011 verstarb.

30

d) Das Einkommen ist indes erst mit dem tatsächlichen Zufluss am 27.6.2011 zu berücksichtigen. Auch wenn, wie vorliegend aufgrund von § 1922 BGB, normativ ein anderer als der tatsächliche Zufluss maßgeblich für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist, ist die Erbschaft dem Bedarf als Einkommen erst in dem Zeitpunkt gegenüberzustellen, in dem sie den Klägern tatsächlich als bereites Mittel zur Deckung ihres Bedarfs zur Verfügung stand (vgl BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 22; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - vorgesehen für SozR 4 RdNr 18). Dies ist vorliegend am 27.6.2011 der Fall, als die Zahlung aus dem Erbe in Höhe von 8000 Euro dem Konto des Klägers gutgeschrieben wurde.

31

e) Die zugeflossenen 8000 Euro sind in dieser Höhe als einmalige Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II zu berücksichtigen. Eine Minderung durch die Rückführung des Solls auf dem Konto des Klägers in Höhe von 2985,89 Euro, das seine Bank aufgrund des zwischen beiden vereinbarten Dispositionskredits in Höhe von 2900 Euro hingenommen hatte, im Zeitpunkt des Zuflusses der 8000 Euro kommt grundsicherungsrechtlich nicht in Betracht.

32

aa) In Höhe des Kontosolls bestand eine Verbindlichkeit, eine Schuld, des Klägers gegenüber seiner Bank, die durch Verrechnung seitens der Bank im Rahmen einer Kontokorrentabrede mit dem Kläger getilgt worden ist (zum vereinbarten Dispositionskredit vgl K. P. Berger in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, vor § 488 RdNr 52, 55 ff, § 488 RdNr 3, 32, 147 f, 207, 228; Schürnbrand in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, § 491 RdNr 50, § 504 RdNr 7 ff). Zahlungen auf Verbindlichkeiten - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme der Aufwendungen zur Erfüllung von titulierten Unterhaltsverpflichtungen (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB II) - sind indes nicht vom Einkommen abzusetzen (vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 11b Nr 4 RdNr 27). Es kommt für die Berücksichtigung der 8000 Euro als Einkommen rechtlich lediglich auf deren Zufluss an, und es ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Gutschrift der 8000 Euro auf dem Konto des Klägers ein positiver Kontostand auf diesem Konto ergeben hat (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 200/10 R - juris RdNr 13).

33

Die normative Berücksichtigung der am 27.6.2011 zugeflossenen 8000 Euro bleibt deshalb davon unberührt, dass diese Einnahme aufgrund des mit der Bank vereinbarten Dispositionskredits teilweise dazu gedient hat, das Kontosoll zurückzuführen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Einkommensverwendung, durch die der Zufluss der 8000 Euro nicht teilweise den Charakter als Einkommen verliert (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 25; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 43/07 R - juris RdNr 28). Vielmehr erweist sich deren Einkommenscharakter eben darin, dass hieraus das Kontosoll zurückgeführt werden konnte (zum in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert einer Befreiung von Schulden bzw Verringerung von Verbindlichkeiten vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 21).

34

bb) Dies wäre ebenso, wenn die Auffassung der Kläger zuträfe, dass die Rückführung des Kontosolls durch Verrechnung seitens der Bank mit einer Pfändung vergleichbar sei. Denn auch gepfändete Einkommensteile sind grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 18; vgl zur ausnahmsweisen Nichtberücksichtigung, wenn die Rückgängigmachung der Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisiert werden kann, BSG aaO RdNr 19 ff); zudem sind die 8000 Euro dem Konto des Klägers tatsächlich gutgeschrieben worden. Aus Rechtsgründen war der Kläger wegen der fortbestehenden Kontokorrentabrede nicht gehindert, am 27.6.2011 von seinem Konto 8000 Euro abzuheben; ob er grundsicherungsrechtlich hierauf verwiesen werden könnte, ist für die Frage nach der Berücksichtigung von 8000 Euro oder nur von 5014,11 Euro als zugeflossenes Einkommen nicht relevant.

35

Etwas anderes folgt nicht aus dem Urteil des Senats vom 12.6.2013 (B 14 AS 73/12 R), dem sich ein für die hier aufgeworfene Frage maßgeblicher Rechtssatz nicht entnehmen lässt. Denn in jenem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob eine im Juli 2011 - dem letzten Monat eines Bewilligungszeitraums - zugeflossene einmalige Einnahme in voller Höhe zu Beginn des Folgebewilligungszeitraums ab August 2011 zu berücksichtigen war, obwohl noch im Juli 2011 die Hälfte des zugeflossenen Geldes an den Treuhänder im Insolvenzverfahren überwiesen worden war. Während dort im Rahmen eines Fortbewilligungsantrags nur die zur Verfügung stehenden bereiten Mittel zu Beginn des neuen Bewilligungszeitraums Berücksichtigung fanden (zu einer entsprechenden Situation vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57), geht es vorliegend um den Zufluss einer einmaligen Einnahme inmitten des laufenden Bewilligungszeitraums und die Frage, ob die Einnahme in Höhe ihres tatsächlichen Zuflusses zu berücksichtigen und der Aufhebungsentscheidung über die laufende Bewilligung zugrunde zu legen ist.

36

Schließlich ergibt sich anderes nicht aus dem Urteil des 4. Senats vom 16.5.2012 (B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60). In diesem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob sich die Aufwendungen für Unterkunftskosten im Folgemonat minderten, obwohl der Vermieter ein Betriebskostenguthaben in voller Höhe gegen Mietrückstände aufgerechnet hatte. Während dort die Mittel aus dem Guthaben den Leistungsberechtigten schon nicht ausgezahlt wurden und zu prüfen war, ob sie diese realisieren konnten, ist vorliegend die einmalige Einnahme durch Gutschrift auf dem Konto des Klägers diesem tatsächlich zugeflossen.

37

f) Ausgehend vom Tag des Zuflusses der 8000 Euro am 27.6.2011 begann der nach § 11 Abs 3 SGB II zu bestimmende Verteilzeitraum mit dem Zuflussfolgemonat am 1.7.2011 und endete am 31.12.2011. Nach § 11 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB II sind zwar einmalige Einnahmen in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen; sofern für den Zuflussmonat - wie hier im Juni 2011 - bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele indes der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist nach § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Die 8000 Euro waren deshalb hier auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen, weil durch die Berücksichtigung der 8000 Euro in einem Monat der Leistungsanspruch der Kläger entfallen wäre, der aufgrund der letzten Bewilligung vom 20.6.2011 monatlich 968,36 Euro betrug.

38

g) Der normativ vorgegebenen Aufteilung ab 1.7.2011 zugrunde zu legen sind die zugeflossenen 8000 Euro, ohne dass es darauf ankommt, dass am 1.7.2011 auf dem Konto des Klägers 8000 Euro nicht mehr als bereite Mittel vorhanden waren.

39

Denn es ist jedenfalls bei einer Aufhebung wie vorliegend für die Zukunft zu unterscheiden zwischen dem tatsächlichen Zufluss einer einmaligen Einnahme im laufenden Bewilligungszeitraum, die nach der normativen Vorgabe des § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II aufzuteilen ist, und den bereiten Mitteln, die in den Monaten des Verteilzeitraums noch tatsächlich zur Verfügung stehen. Wird die einmalige Einnahme zwischen dem Tag ihres tatsächlichen Zuflusses und dem ersten Tag des Verteilzeitraums im laufenden Bewilligungszeitraum (teilweise) verwendet - was in der gesetzlichen Konstruktion des § 11 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB II einer Aufteilung erst ab dem Zuflussfolgemonat angelegt ist -, führt dies nicht zu einer Minderung der aufzuteilenden einmaligen Einnahme im Aufhebungszeitraum(vgl BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 25). Dass nach § 11 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB II die Einnahme ab dem Zuflussfolgemonat zu berücksichtigen und auf sechs Monate aufzuteilen ist, bewirkt nicht, dass es nach dem Tag des tatsächlichen Zuflusses mit dem Monatsersten des Zuflussfolgemonats einen zweiten Tag gibt, an dem rechtlich nach der Höhe der im Verteilzeitraum aufzuteilenden einmaligen Einnahme zu fragen ist.

40

Im Verteilzeitraum war ein monatlicher Teilbetrag von 1012,05 Euro zu berücksichtigen. Denn ausgehend von 8000 Euro waren neben der Versicherungspauschale auch monatliche Beiträge für öffentliche Versicherungen nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 Buchst a SGB II abzusetzen, weil aufgrund der durch den Beklagten vollständig aufgehobenen Alg II-Bewilligung der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz der Kläger entfiel(vgl BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 73/12 R - juris RdNr 17, 27). Insoweit hatten die Kläger monatliche Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 291,28 Euro aufzuwenden (8000 Euro ./. 6 Monate = 1333,33 Euro abzüglich der Versicherungspauschale von 30 Euro und der Beiträge von 291,28 Euro = 1012,05 Euro). Dieser monatliche Teilbetrag überstieg das im Aufhebungszeitraum bewilligte monatliche Alg II von 968,36 Euro und führte zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit.

41

h) Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über die Aufhebung - Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 - war der Aufhebungsbescheid vom 8.7.2011 nicht rechtswidrig geworden, weil noch genügend bereite Mittel vorhanden waren, um im Aufhebungszeitraum den Alg II-Bedarf der Kläger zu decken und ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Denn nach den Feststellungen des LSG überstieg am 30.9.2011 das Kontoguthaben des Klägers von 1819,35 Euro die Summe aus Alg II-Bedarf und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

42

9. Entgegen der Auffassung des LSG ist vorliegend nicht darüber zu entscheiden, ob die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung rechtmäßige Aufhebungsentscheidung auch für Oktober 2011 in diesem Monat rechtswidrig geworden ist (s bereits oben 3.).

43

a) Allerdings war das LSG an einer Entscheidung darüber, ob im Oktober 2011 die bereiten Mittel der Kläger ausreichten, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zu zahlen, nicht bereits deshalb gehindert, weil es damit über den Streitgegenstand des Verfahrens hinausgehen würde. Denn aufgrund der vollständigen Aufhebung des den Klägern bewilligten Alg II für die Zukunft entfiel auch ihr mit dem Alg II-Bezug verbundener Schutz in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Im Rahmen seiner Aufhebungsentscheidung war deshalb durch den Beklagten zu prüfen, ob die Kläger im Aufhebungszeitpunkt absehbar über genügend Mittel verfügten, um im Aufhebungszeitraum ihren Versicherungsschutz selbst sicherzustellen oder ob ihnen insoweit ein Zuschuss nach § 26 SGB II zu leisten war; der Zuschuss ist insoweit vom Anfechtungsbegehren der Kläger umfasst.

44

b) Bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 16.9.2011 verfügten die Kläger indes - wie ausgeführt - über genügend bereite Mittel auch zur Beitragszahlung. Nur hierauf kommt es vorliegend an.

45

Zwar ist es leistungsrechtlich nicht unbeachtlich, ob eine tatsächlich zugeflossene einmalige Einnahme im Verteilzeitraum noch zur Verfügung steht. Denn bei der Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme als Einkommen kommt es auch darauf an, ob zugeflossenes Einkommen im Verteilzeitraum als bereites Mittel geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 13); hieran hat sich durch die Neuregelung des § 11 Abs 3 SGB II nichts geändert. Doch dass die Kläger nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt - Widerspruchsbescheid vom 16.9.2011 - mit den ihnen am 1.10.2011 zur Verfügung stehenden bereiten Mitteln von 1005,85 Euro am 1.10.2011 zwar ihren Alg II-Bedarf von 968,36 Euro decken, nicht jedoch die vollen monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von insgesamt 291,28 Euro zahlen konnten, berührt nicht die Rechtmäßigkeit der vollständigen Aufhebung der Alg II-Bewilligung auch für Oktober 2011 (s bereits oben 8 h).

46

Die nach der letzten Verwaltungsentscheidung vom 16.9.2011 entstandene tatsächliche Lücke zwischen den zu zahlenden Beiträgen und den noch freien bereiten Mitteln im Oktober 2011 hätte nur auf einen neuen Leistungsantrag der Kläger im und für den Oktober 2011 durch einen Zuschuss nach § 26 SGB II geschlossen werden können, an dem es indes fehlt(zur Überprüfung der Einkommensberücksichtigung im Verteilzeitraum auf entsprechenden Vortrag des Leistungsberechtigten vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 14).

47

10. Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme von 8000 Euro in der Weise umsetzte, dass er zunächst durch die angefochtene Aufhebungsentscheidung das den Klägern bis 31.10.2011 bewilligte Alg II für die Zukunft ab 1.8.2011 ganz aufhob, und eine Aufhebung für die Vergangenheit - Juli 2011 - nur ankündigte. Denn weder sind die Kläger hierdurch beschwert und ist auf ihre Anfechtungsklage hin nur die konkrete Aufhebungsentscheidung, die vom 1.8.2011 bis 31.10.2011 wirkte, zu prüfen, noch zwingt § 11 Abs 3 SGB II den Beklagten zur Umsetzung der Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme in einem Verteilzeitraum in nur einem Bescheid.

48

11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Vom Einkommen abzusetzen sind

1.
auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge
a)
zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind,
b)
zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind,
soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden,
4.
geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
5.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
6.
für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Absatz 3,
7.
Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,
8.
bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.
Bei der Verteilung einer einmaligen Einnahme nach § 11 Absatz 3 Satz 4 sind die auf die einmalige Einnahme im Zuflussmonat entfallenden Beträge nach den Nummern 1, 2, 5 und 6 vorweg abzusetzen.

(2) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit mehr als 400 Euro, gilt Satz 1 nicht, wenn die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt.

(2a) § 82a des Zwölften Buches gilt entsprechend.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 der Betrag nach § 8 Absatz 1a des Vierten Buches von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die

1.
eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen,
2.
eine nach § 57 Absatz 1 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, eine nach § 51 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme oder eine nach § 54a des Dritten Buches geförderte Einstiegsqualifizierung durchführen,
3.
einem Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder dem Jugendfreiwilligendienstegesetz nachgehen oder
4.
als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen außerhalb der in § 11a Absatz 7 genannten Zeiten erwerbstätig sind; dies gilt nach dem Besuch allgemeinbildender Schulen auch bis zum Ablauf des dritten auf das Ende der Schulausbildung folgenden Monats.
Bei der Anwendung des Satzes 1 Nummer 3 gilt das Taschengeld nach § 2 Nummer 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, tritt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 an die Stelle des Betrages nach § 8 Absatz 1a des Vierten Buches der Betrag von 250 Euro monatlich. Sofern die unter Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Personen die in § 11a Absatz 3 Satz 2 Nummer 3 bis 5 genannten Leistungen, Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch oder einen Unterhaltsbeitrag nach § 10 Absatz 2 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes erhalten, ist von diesen Leistungen für die Absetzbeträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag in Höhe von mindestens 100 Euro abzusetzen, wenn die Absetzung nicht bereits nach Satz 1 oder nach Absatz 2 Satz 1 erfolgt ist. Satz 4 gilt auch für Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben.

(3) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich

1.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 520 Euro beträgt, auf 20 Prozent,
2.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 520 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 30 Prozent und
3.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.
Anstelle des Betrages von 1 200 Euro tritt für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1 500 Euro. In den Fällen des Absatzes 2b ist Satz 2 Nummer 1 nicht anzuwenden.

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Dezember 2011 wird geändert und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 8. April 2009 werden insgesamt zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind für alle Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Strittig ist nur noch für Januar 2007 die Höhe des vom beklagten Jobcenter den Klägern zu zahlenden Arbeitslosengeldes II (Alg II) im Hinblick auf die Berücksichtigung von Zahlungen des Klägers zu 2 auf Unterhaltsrückstände als Absetzbetrag von seinem Erwerbseinkommen.

2

Die Klägerin zu 1, geboren im Jahr 1973, und der Kläger zu 2, geboren im Jahr 1966, lebten zusammen in einem Haushalt mit den Kindern der Klägerin Lisa, geboren am 28.9.1992, und Laura, geboren am 1.8.1996. Beide Kinder erhielten jeweils monatlich 257 Euro Unterhalt und 154 Euro Kindergeld. Monatlich waren für die Unterkunft zu zahlen 287,68 Euro Grundmiete, 100,84 Euro Betriebskosten sowie 93,12 Euro Heizkosten - ohne Warmwasserbereitung. Der Kläger hatte monatlich ein Erwerbseinkommen von 960 Euro brutto und 746,90 Euro netto sowie Ausgaben für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von 21,05 Euro und Fahrkosten von 64,60 Euro. Außerdem leistete er monatlich Zahlungen auf einen Unterhaltstitel in Höhe von 269 Euro in dieser Höhe sowie weitere 150 Euro auf Rückstände von ebenfalls titulierten Unterhaltsforderungen ihm gegenüber aus der Vergangenheit.

3

Der Beklagte bewilligte den Klägern für Januar 2007 insgesamt 690,67 Euro Alg II (für die Klägerin 339,75 Euro, für den Kläger 350,92 Euro) und berücksichtigte dabei die Regelleistungen, jeweils ein Viertel der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung sowie Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung (für die Klägerin: 35,79 Euro, für den Kläger: 51,13 Euro; Bewilligungsbescheid vom 11.1.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18.4.2007; Widerspruchsbescheid vom 24.4.2007).

4

Das Sozialgericht (SG) hat die auf höheres Alg II gerichteten Klagen abgewiesen (Urteil vom 8.4.2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufungen der Kläger den Beklagten verurteilt, für Januar bis September 2007 weiteres Alg II, davon für Januar 2007 an die Klägerin weitere 59,98 Euro und den Kläger weitere 48,81 Euro, zu zahlen, und ihre weitergehenden Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 7.12.2011). Zur Begründung hat es neben der rechnerischen Herleitung der Beträge als für das Ergebnis entscheidend ausgeführt, dass die Zahlungen des Klägers auf die Unterhaltsrückstände als Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch in der damaligen Fassung (SGB II aF) zu berücksichtigen seien, weil nach dem Wortlaut der Vorschrift die Absetzung nicht auf die laufenden Unterhaltszahlungen begrenzt sei, der Sinn der Regelung ebenfalls für diese Auslegung spreche und die Zahlungen auch nicht mit einer freiwilligen Schuldentilgung vergleichbar seien.

5

Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung des § 11 Abs 2 SGB II aF, weil es sich bei der Zahlung auf Unterhaltsrückstände um die Tilgung von Schulden handeln würde, nicht aber um laufende Unterhaltszahlungen.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Dezember 2011 zu ändern und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 8. April 2009 insgesamt zurückzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben auf Vorschlag des Senats sich hinsichtlich der im Revisionsverfahren ursprünglich ebenfalls umstrittenen Monate Februar bis September 2007 dem Ausgang des Verfahrens hinsichtlich des Monats Januar 2007 unterworfen sowie einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Urteil des LSG vom 7.12.2011 ist zu ändern und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des SG vom 8.4.2009 sind insgesamt zurückzuweisen. Denn weder die Klägerin noch der Kläger haben für Januar 2007 einen Anspruch auf höheres Alg II als ihnen der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden in Höhe von 339,75 Euro für die Klägerin und von 350,92 Euro für den Kläger bewilligt hat.

10

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die aufgrund des Teilvergleichs zwischen den Beteiligten auf den Monat Januar 2007 beschränkte Überprüfung der Verurteilung des Beklagten durch das LSG zur Zahlung von weiteren 59,98 Euro an die Klägerin und weiteren 48,81 Euro an den Kläger, einschließlich der entsprechenden Änderungen des Urteils des SG und der Bescheide des Beklagten. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, insbesondere ist die Revision des Beklagten zulässig, ebenso die Klagen und Berufungen der Kläger. Aufgrund des von allen Beteiligten erklärten Einverständnisses kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

11

Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf höhere Leistungen sind §§ 19 ff iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2006, BGBl I 3376, im Folgenden: SGB II aF). Denn in Rechtstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, werden von den Klägern erfüllt, ebenso wenig liegt ein Ausschlusstatbestand(vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II) vor. Strittig ist nur das Ausmaß ihrer Hilfebedürftigkeit und damit die Höhe ihrer Ansprüche auf Alg II.

12

Die Kläger haben keine höheren Ansprüche auf Alg II als die ihnen vom Beklagten bewilligten 339,75 Euro für die Klägerin und 350,92 Euro für den Kläger, weil sie nur jeweils einen Anspruch auf 326,04 Euro haben, wie sich aus der Verteilung nach § 9 Abs 2 SGB II(dazu 4.) ihres zu berücksichtigenden Einkommens von insgesamt 214,51 Euro (dazu 3.) auf ihren jeweiligen Bedarf von 431,41 Euro (dazu 2.) und den ihrer Bedarfsgemeinschaft angehörenden Tochter Lisa in Höhe von 15,41 Euro (dazu 1.) ergibt. Ob sie zu berücksichtigendes Vermögen nach § 12 SGB II haben, kann angesichts dessen dahingestellt bleiben.

13

1. Die Klägerin und der Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft, weil sie, wie dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen entnommen werden kann, in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zusammenleben (vgl § 7 Abs 3 Nr 1, 3 SGB II aF).

14

Die Tochter Laura der Klägerin ist nicht Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft, weil sie ihren Bedarf aus ihrem Einkommen decken kann (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II). Denn ihr Bedarf aus 207 Euro Regelleistung plus anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in Höhe von 120,41 Euro (287,68 Euro Grundmiete plus 100,84 Euro Betriebskosten plus 93,12 Euro Heizkosten - ohne Warmwasserbereitung - ergibt 481,64 Euro, dividiert nach dem Kopfteilprinzip durch vier) liegt unter ihrem zu berücksichtigenden Einkommen von 381 Euro, berechnet aus den 257 Euro Unterhalt plus 154 Euro Kindergeld, bereinigt um die Versicherungspauschale nach § 3 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 20.10.2004 (BGBl I 2622, im Folgenden: Alg II-V 2004), sodass sogar ein Kindergeldüberhang von 53,59 Euro verbleibt.

15

Die Tochter Lisa der Klägerin ist hingegen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger, weil sie ihren Bedarf aus ihrem Einkommen nicht decken kann (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II). Denn ihr Bedarf aus 276 Euro Regelleistung plus anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in Höhe von 120,41 Euro liegt über ihrem zu berücksichtigenden Einkommen von 381 Euro, berechnet aus den 257 Euro Unterhalt plus 154 Euro Kindergeld, bereinigt um die Versicherungspauschale nach § 3 Nr 1 Alg II-V 2004(BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 23 RdNr 20 ff), sodass eine Deckungslücke von 15,41 Euro verbleibt.

16

2. Der Bedarf der Kläger errechnet sich mit jeweils 431,41 Euro, bestehend aus 311 Euro Regelleistung nach § 20 Abs 3 SGB II aF und 120,41 Euro anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Einen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II haben sie jeweils nicht, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat.

17

Denn die den Klägern vom Beklagten gewährten Mehrbedarfe wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II sind Teil des vorliegend umstrittenen Alg II(vgl nur Urteil des Senats vom heutigen Tage in der Sache B 14 AS 65/12 R mwN). Ein Anspruch auf einen solchen Mehrbedarf ist für die Kläger zu verneinen, da die bei ihnen bestehenden Erkrankungen Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus Typ I als Ernährung Vollkost bedingen und der Kostenaufwand für diese mit dem in der Regelleistung enthaltenen Ernährungsanteil zu decken ist (vgl die Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge von 2008 und die entsprechenden Ausführungen im zuvor genannten Urteil des Senats). Besondere Umstände des Einzelfalles, die eine andere Bewertung nach sich ziehen könnten, sind vom LSG nicht festgestellt worden; von den Beteiligten sind keine dahingehenden Rügen erhoben worden.

18

3. Bei den Klägern ist ein Einkommen von insgesamt 214,51 Euro zu berücksichtigen.

19

Das Einkommen der Klägerin von 23,59 Euro ergibt sich aus dem Kindergeldüberhang ihrer Tochter Laura in Höhe von 53,59 Euro (vgl § 11 Abs 1 Satz 1, 3 SGB II aF), bereinigt um die Versicherungspauschale nach § 3 Nr 1 Alg II-V 2004.

20

Beim Kläger ist ein Erwerbseinkommen von 190,92 Euro zu berücksichtigen. Dieser Betrag ergibt sich ausgehend von seinem Nettoeinkommen von 746,90 Euro, wenn es um die einkommensbezogenen Absetzbeträge von insgesamt 286,98 Euro (dazu a) und die Zahlung auf den titulierten laufenden Unterhalt (dazu b) bereinigt wird (746,90 - 286,98 - 269 = 190,92 Euro). Seine Zahlung auf die Unterhaltsrückstände ist jedoch - entgegen dem Urteil des LSG - nicht von seinem Erwerbseinkommen abzusetzen (dazu c). Dem steht die Rechtsprechung zu den "bereiten Mitteln" nicht entgegen (dazu d).

21

a) Die einkommensbezogenen Absetzbeträge des Klägers errechnen sich ausgehend von seinem Nettoeinkommen von 746,90 Euro mit insgesamt 286,98 Euro wie folgt: Anstelle des Grundfreibetrags nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF ist ein Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 3 SGB II aF von 130,98 Euro anzusetzen, weil der Kläger nach den Feststellungen des LSG zu berücksichtigende monatliche Aufwendungen nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3, 5 SGB II aF iVm § 3 Alg II-V 2004 in Höhe von 130,98 Euro hatte (Versicherungspauschale 30 Euro, Kfz-Haftpflichtversicherung 21,05 Euro, Werbungskostenpauschale 15,33 Euro, Fahrkosten 64,60 Euro), plus 140 Euro Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II aF sowie 16 Euro Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr 2 SGB II aF, weil das Bruttoeinkommen 960 Euro betrug.

22

b) Außerdem sind - unstreitig - die laufenden Unterhaltszahlungen von 269 Euro pro Monat abzusetzen (vgl § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF), weil es sich um eine Zahlung auf eine entsprechende titulierte Forderung handelt.

23

c) Die Zahlung des Klägers in Höhe von weiteren 150 Euro auf Rückstände aus ebenfalls titulierten Unterhaltsforderungen ihm gegenüber aus der Vergangenheit ist jedoch - entgegen dem Urteil des LSG - nicht als Absetzbetrag von seinem Erwerbseinkommen zu berücksichtigen.

24

Das LSG hat hinsichtlich dieses Betrags ebenfalls die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF bejaht, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht auf die laufenden Unterhaltszahlungen begrenzt sei und eine teleologische Einschränkung der Vorschrift in dem Sinne, dass Unterhaltsrückstände nicht erfasst sein sollten, weil es sich um Schulden handele, nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift(Hinweis auf BT-Drucks 16/1410 S 20) nicht gerechtfertigt sei, vielmehr habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrag nicht als "bereites" und damit als einsatzfähiges Einkommen zur Verfügung stehe, auch wenn noch keine Pfändung zugunsten eines Unterhaltsgläubigers erfolgt sei.

25

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Wortlaut des früheren, im strittigen Zeitraum geltenden § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF, der mit dem heutigen § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB II identisch ist, lautet: "Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag" und bezieht sich auf den einleitenden Satzteil "Vom Einkommen sind abzusetzen". Dem LSG ist zuzubilligen, dass dem Wortlaut der Norm nicht entnommen werden kann, ob es sich um laufende Unterhaltsverpflichtungen handeln muss oder ggf auch Schulden für die Vergangenheit umfasst sein können. Entscheidend ist jedoch, und darüber geht das LSG hinweg, dass nach dem Wortlaut nur Aufwendungen bis zur Höhe des in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrags abgesetzt werden können, nicht aber darüber hinausgehende, nicht titulierte Beträge (BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 78/10 R - BSGE 107, 106 = SozR 4-4200 § 11 Nr 35). Dem vom LSG festgestellten Unterhaltstitel entsprechen nur die vom Kläger erbrachten Aufwendungen für die - laufenden - Unterhaltszahlungen in Höhe von 269 Euro, die auch als Absetzbetrag bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt wurden. Die vom Kläger begehrte und vom LSG bejahte Absetzung seiner Zahlungen von weiteren 150 Euro für Unterhaltsrückstände geht gerade über diesen titulierten Betrag pro Monat hinaus.

26

Für diese an dem Unterhaltstitel und dem in ihm bezeichneten Betrag orientierte Auslegung streiten auch der Sinn und Zweck dieses Absetzbetrags, der einerseits bezogen ist auf die nach dem Monatsprinzip des SGB II (§ 41 SGB II) zu berechnenden Einnahmen der leistungsberechtigten Person und andererseits auf die ebenfalls nach Monaten berechneten Unterhaltsverpflichtungen sowie das den Leistungen nach dem SGB II ebenso wie den Unterhaltszahlungen zugrunde liegende Ziel, den aktuellen Lebensbedarf der betroffenen Personen zu sichern. Dies folgt auch aus der Gesetzesbegründung, die auszugsweise lautet: "Mit der Einfügung von Nummer 7 wird geregelt, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, den Betroffenen nicht als 'bereites', d. h. einsatzfähiges Einkommen zur Verfügung stehen" (BT-Drucks 16/1410 S 20). Auch hierin wird der aktuelle Bezug zu dem titulierten Betrag zur Befriedigung des Unterhaltsbedarfs deutlich. Aus diesem gemeinsamen Ziel sowohl der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als auch der Zahlung von Unterhalt, die Existenz der betroffenen Personen in bestimmten Zeitabschnitten zu sichern, wird deutlich, dass eine Auslegung, die eine Zahlung auf Schulden für die Vergangenheit miteinbezieht, die nicht von dem aktuell fälligen Titel umfasst sind, über das gesetzgeberische Ziel hinausgeht, zumal die Berücksichtigung von Aufwendungen zur Erfüllung titulierter gesetzlicher Unterhaltspflichten im Ergebnis bewirkt, dass die Unterhaltspflicht mittelbar vom Jobcenter getragen wird. Aus diesen Überlegungen folgt auch, dass entgegen der Auffassung des LSG eine Gleichstellung von Zahlungen auf Unterhaltsrückstände mit laufenden Unterhaltszahlungen grundsätzlich nicht möglich ist, weil sich beide Zahlungsziele grundlegend unterscheiden. Laufende Zahlungen dienen der Befriedigung des aktuellen Bedarfs, während Zahlungen auf Unterhaltsrückstände zunächst die Vergangenheit betreffen, auch wenn diese in aller Regel Auswirkungen auf die Gegenwart hat.

27

Aus systematischen Gründen spricht gegen eine Berücksichtigung von Zahlungen auf Unterhaltsrückstände als Absetzbetrag, dass als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen zu berücksichtigen sind und Ausnahmen nur für bestimmte Einnahmen und bestimmte Absetzbeträge gemacht werden (vgl § 11 SGB II aF; §§ 11 bis 11b SGB II nF). Angesichts dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses bedarf das Eingreifen einer Ausnahme einer klaren gesetzlichen Rechtsgrundlage (den Ausnahmecharakter betonend auch Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11b RdNr 257 ff). Zudem ist zu beachten, dass das SGB II die Übernahme von Schulden nur ausnahmsweise vorsieht, nämlich zur Sicherung der Unterkunft, aber auch dann in der Regel nur darlehensweise (§ 22 Abs 5 SGB II aF, § 22 Abs 8 SGB II nF; vgl zur grundsätzlichen Verneinung der Übernahme von Schulden schon die Gesetzesbegründung zum Entwurf des SGB II in BT-Drucks 15/1516 S 56 sowie: BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 14; Söhngen in Juris-PK SGB II, § 11b RdNr 16). Dies folgt aus dem Zweck der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in einer aktuellen Notlage das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum zu sichern (vgl § 1 Abs 1 SGB II nF). Die durch die Berücksichtigung einer Zahlung auf Unterhaltsschulden als Absetzbetrag von den Einnahmen bewirkte mittelbare Übernahme von solchen Schulden durch das Jobcenter ist damit nicht in Einklang zu bringen.

28

Aus der Vorschrift des § 170 Strafgesetzbuch (StGB) über die Strafbarkeit bei einer Verletzung der Unterhaltspflicht folgt nichts Anderes, weil diese voraussetzt, dass der Betreffende "sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht" und auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit erfüllt ist(Fischer, StGB, 60. Aufl 2013, § 170 RdNr 8 ff). Dass eine Person, die neben ihrem Erwerbseinkommen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als sog Aufstocker erhält, diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, ist von weiteren Voraussetzungen abhängig, nicht aber die automatische Folge einer Nichtzahlung auf Unterhaltsrückstände, wenn die laufenden Unterhaltspflichten erfüllt werden.

29

Die Regelung des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF trägt im Übrigen durch ihre Bezugnahme auf den in dem Unterhaltstitel festgelegten Betrag auch Gründen der Verwaltungspraktikabilität Rechnung, weil durch die Vorlage des Titels und des Nachweises der Zahlung der Absetzbetrag relativ einfach zu bestimmen ist(BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 78/10 R - BSGE 107, 106 = SozR 4-4200 § 11 Nr 35, RdNr 16). Dies ist aber nicht mehr der Fall, wenn über den titulierten Betrag hinausgehende Zahlungen auf Unterhaltsrückstände als Abzugsbetrag berücksichtigt werden, wie es nach der Entscheidung des LSG der Fall wäre.

30

d) Die Zahlung der 150 Euro auf die Unterhaltsrückstände führt auch nicht aufgrund der Rechtsprechung zu Einkommen als "bereiten Mitteln" zu einer entsprechenden Verringerung des zu berücksichtigenden Einkommens. Diese Rechtsprechung bezieht sich vielmehr auf die Berücksichtigung von fiktiven Einnahmen, insbesondere in Fallkonstellationen, in denen den Anspruchstellern eine größere einmalige Einnahme zugeflossen war, die nach den jeweiligen normativen Vorgaben auf mehrere Monate aufzuteilen war und letztlich in den jeweiligen Monaten eine fiktive Einkommensanrechnung erfolgte (vgl § 2 Abs 3 Alg II-V 2004, heute § 11 Abs 3 SGB II nF; vgl BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57; BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62), oder wenn bestimmte Einkommensteile zB gepfändet waren und von daher von vornherein nicht zur Verfügung standen (BSG vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 19: Pfändung; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 22: Einbehaltung eines Betriebskostenguthabens). Vorliegend ist jedoch nicht die Berücksichtigung einer fiktiven oder den Klägern grundsätzlich von vornherein nicht zur Verfügung stehenden Einnahme umstritten, sondern ein Absetzbetrag von einem realen Einkommenszufluss im jeweiligen Monat, also letztlich die Berücksichtigung einer bestimmten mangels Pfändung nicht zwingenden Einkommensverwendung.

31

Auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF geht davon aus, dass es sich bei den zufließenden Einnahmen grundsätzlich um bereite Mittel handelt, solange keine Pfändung erfolgt ist(ebenso BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 78/10 R - BSGE 107, 106 = SozR 4-4200 § 11 Nr 35, RdNr 21) und hat gerade mit dieser Begründung den weiteren Absetzbetrag wegen der erbrachten laufenden Unterhaltszahlungen bis zur titulierten Höhe geschaffen.

32

4. Der Anspruch der Klägerin und des Klägers auf jeweils 326,04 Euro Alg II im Januar 2007 errechnet sich aus ihren Gesamtbedarfen von jeweils 431,41 Euro plus dem Restbedarf der ihrer Bedarfsgemeinschaft angehörenden Tochter Lisa in Höhe von 15,41 Euro und der anteilsmäßigen Verteilung ihres zu berücksichtigenden Einkommens von insgesamt 214,51 Euro nach § 9 Abs 2 SGB II.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg II und die Rückforderung überzahlter Leistungen.

2

Die 1985 geborene Klägerin stand seit März 2005 im Bezug von Alg II bei dem Beklagten. Sie übte vom 1.10.2005 bis Juli 2006 eine Nebentätigkeit mit einem Verdienst von 400 Euro aus. Außerdem leitete die Mutter der Klägerin das Kindergeld überwiegend in Höhe von 150 Euro an diese weiter. Ferner erhielt die Klägerin auf ihr Konto Zuwendungen ihres Vaters in unterschiedlicher Höhe. Im November 2006 forderte der Beklagte die Klägerin zur Vorlage von Kontoauszügen auf.

3

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21.3.2007 hob der Beklagte die Bewilligungsbescheide in Höhe von 1765 Euro wegen zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilten Einkommens auf und setzte mit vier weiteren Änderungsbescheiden vom gleichen Tag das Alg II für die Aufhebungszeiträume neu fest. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4.9.2007 zurück. Mit Erstattungsbescheid vom 15.2.2008 reduzierte der Beklagte die Erstattungsforderung auf einen Betrag von 1419 Euro.

4

Das SG hat nach persönlicher Anhörung und Vernehmung der Eltern der Klägerin als Zeugen die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.10.2009). Der Beklagte hat mit Teilanerkenntnis vom 22.4.2010 die angefochtenen Bescheide für August 2006 in Höhe eines Erstattungsbetrages von 75 Euro aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und ausgeführt, Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide sei nicht die im Widerspruchsbescheid genannte Rücknahme nach § 45 SGB X, sondern die Aufhebung nach § 48 SGB X. Denn die in unregelmäßiger Höhe erfolgten Zuwendungen seien jeweils nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 25.10.2005 (Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2006) und vom 21.3.2006 (Zeitraum ab 1.4.2006) zugeflossen. Einkommen sei nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II alles, was der Hilfebedürftige im Bedarfszeitraum wertmäßig dazu erhalte. Die Gutschriften seien unabhängig davon Einkommen, ob das Konto im Zeitpunkt der Buchung im Haben oder im Soll gestanden habe. Sowohl die Klägerin als auch ihr Vater hätten die Zuwendungen als "Schenkungen" bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie einen unentgeltlichen und endgültigen Vermögenszufluss zugunsten der Klägerin darstellen sollten. Es habe sich nicht um zweckbestimmte Leistungen gehandelt. Durch die Verwendung zum Ausgleich von Kontoüberziehungen, die durch die Finanzierung des Lebensunterhalts entstanden seien, sei im Ergebnis nur die finanzielle Lage hergestellt worden, die der Deckung des Lebensunterhalts durch vorhandene Mittel entspreche.

5

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 11 SGB II und verweist auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie vorgetragen hatte, die Zuwendungen hätten dem Zweck gedient, ihr einen über dem Existenzminimum liegenden Lebensstandard zu ermöglichen. Insoweit seien die Voraussetzungen für eine Nichtberücksichtigung gegeben.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. April 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Oktober 2009 sowie die Bescheide vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2007 in der Form der Änderungsbescheide vom 15. Februar 2008 und des Teilanerkenntnisses vom 22. April 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist zulässig.

9

Sie ist insbesondere in hinreichender Form begründet worden (§ 164 Abs 2 SGG), obwohl die Klägerin auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen hat. Dies ist ausnahmsweise unbedenklich, weil sich die Klägerin dort bereits mit den Fragen des materiellen Rechts auseinandergesetzt hat, die sich auch im Revisionsverfahren stellen. Unter diesen Voraussetzungen würde eine erneute eigenständige Begründung auf eine bloße Wiederholung des bereits Vorgetragenen hinauslaufen. Unter derartigen Umständen darf der Revisionskläger mit einer Bezugnahme begründen (BSG SozR 1500 § 164 Nr 3, 4, 27; BSG Urteil vom 9.8.1995 - 9 RVs 3/95, juris RdNr 7).

10

Die Revision ist unbegründet.

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die den Zeitraum vom 1.1. bis 31.8.2006 betreffenden Bescheide, mit denen der Beklagte die Bewilligung von Alg II teilweise aufgehoben hat und die Erstattung von (noch) 1344 Euro verlangt.

12

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg II mit Wirkung für die Vergangenheit ist § 48 Abs 1 SGB X. Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X iVm § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II; § 330 Abs 3 SGB III).

13

Es ist nicht zu beanstanden, dass das LSG die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X bejaht hat, denn die Klägerin hat infolge der Zuwendungen ihres Vaters Einkommen erzielt, das zu einer Minderung ihres Anspruchs auf Alg II geführt hat. Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem BVG und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten und Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält(BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 15). Verbindlichkeiten sind - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme der Aufwendungen zur Erfüllung von titulierten Unterhaltspflichten - nicht vom Einkommen abzuziehen (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25). Da es bei der Einordnung lediglich auf den Zuwachs beim Leistungsberechtigten ankommt, ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Zahlungen ein positiver Kontostand auf dem Konto der Klägerin ergeben hat.

14

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG waren die vom Vater der Klägerin veranlassten Zahlungen auch nicht als Darlehen zu qualifizieren. Eine Berücksichtigung der fraglichen Zuwendungen kann also nicht unter dem Gesichtspunkt verneint werden, dass die Zahlungen aufgrund eines zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen Darlehensvertrages getätigt wurden und mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden worden sind (vgl BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 17 ff).

15

Schließlich kann entgegen der Auffassung der Revision eine Nichtberücksichtigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung der Zuwendungen erfolgen. Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II sind nicht als Einkommen Einnahmen zu berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären.

16

§ 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II will verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, sowie dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden(zuletzt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R - RdNr 21). Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung zu der bis 31.3.2011 geltenden Rechtslage entschieden, dass zweckbestimmte Einkünfte auch auf privatrechtlicher Grundlage begründet werden können (BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R - RdNr 21). Eine auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistung ist dann zweckbestimmt iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II, wenn ihr über die Tilgungsbestimmung hinaus erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist. Der erkennende Senat versteht dies als eine Vereinbarung, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll (privatrechtlicher Verwendungszweck; BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 29; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R - RdNr 22).

17

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich die Vereinbarung eines privatrechtlichen Verwendungszwecks nicht. Das LSG hat hierzu ausgeführt, es sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Überzeugung, dass der Vater der Klägerin die fraglichen Zuwendungen in der Annahme getätigt habe, diese benötige Geld, um ihr überzogenes Girokonto auszugleichen bzw das Soll zu verringern. Die Zuwendungen seien letztlich dazu bestimmt gewesen, der Klägerin zur allgemeinen Lebensführung und damit auch zur Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen. Mit diesen tatsächlichen Ausführungen wird lediglich eine Motivation bzw Erwartung des Zuwendenden beschrieben, eine vertragliche Bestimmung zur Verwendung der zugewandten Mittel wurde jedoch auf dieser Basis gerade nicht getroffen. Der Vater nahm keinen Einfluss auf die Verwendung der der Klägerin durch den Kontoausgleich zugeflossenen Beträge. Unabhängig davon handelt es sich bei der Motivation, der Klägerin im Ergebnis einen oberhalb des Existenzminimums angesiedelten Lebensstandard zu verschaffen, auch nicht um einen gegenüber dem mit der Gewährung von SGB II-Leistungen verfolgten Zielen qualitativ abweichenden Zweck.

18

Der von dem Beklagten jetzt noch geltend gemachte Erstattungsbetrag in Höhe von 1344 Euro ist jedenfalls nicht zu Ungunsten der Klägerin rechtswidrig.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Februar 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Unterkunftskosten nach dem SGB II für Dezember 2009.

2

Die laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehenden Kläger zu 1 bis 3 wohnten bis zum 31.10.2008 in einer Wohnung im O weg in K Am 1.11.2008 zogen sie ohne vorherige Zustimmung des Beklagten in ihre derzeitige Wohnung im Ö weg um. Für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.12.2009 bewilligte der Beklagte SGB II-Leistungen in Höhe von 1212 Euro monatlich (Bescheid vom 12.6.2009). Hierin enthalten war nur ein von dem Beklagten für Kosten der Unterkunft als angemessen angesehener Betrag in Höhe von 485 Euro (je Kläger 161,66 Euro), nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 600 Euro monatlich.

3

Aus einer für den Zeitraum 1.1.2008 bis 31.12.2008 erstellten Betriebskostenabrechnung des früheren Vermieters vom 2.10.2009, dem Beklagten zugegangen am 6.10.2009, ergab sich ein Guthaben in Höhe von 1006,78 Euro. Der Vermieter informierte den Beklagten am 16.10.2009 darüber, dass der Betrag aufgrund diverser Mietschulden nicht ausgezahlt werde. Dem Kläger zu 2 teilte er mit, wegen "aufgelaufener, noch ausstehender Mietrückstände" werde das Guthaben in voller Höhe "verrechnet" (Schreiben vom 11.11.2009).

4

Der Beklagte errechnete ein Betriebskostenguthaben der Kläger für den Teilzeitraum vom 1.1.2008 bis 31.10.2008 in Höhe von 838,99 Euro; hiervon entfielen nach seiner Ansicht 785,40 Euro auf die aktuelle Bedarfsgemeinschaft, weil zeitweise auch mehr Personen im Haushalt gelebt hätten. Dies berücksichtigend bewilligte der Beklagte den Klägern für Dezember 2009 lediglich die Regelleistungen in Höhe von 727 Euro, weil hinsichtlich der Kosten der Unterkunft das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 485 Euro bedarfsmindernd anzurechnen sei (Bescheid vom 23.11.2009). Gleichzeitig hob er mit weiteren Bescheiden vom 23.11.2009 die Leistungsbewilligungen ab 1.12.2009 teilweise in Höhe von 161,66 Euro bei dem Kläger zu 2, gegenüber der Klägerin zu 1 in Höhe von 161,68 Euro und hinsichtlich der Klägerin zu 3 in Höhe von 161,66 Euro (Gesamthöhe von 485 Euro) gemäß § 22 Abs 1 S 4 SGB II auf. Das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung sei im Dezember 2009 in Höhe eines Betrages von 485 Euro und im Januar 2010 in Höhe von 300,40 Euro bedarfsmindernd auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung anzurechnen, weil nicht nur faktische Rückzahlungen, sondern bereits Guthaben die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstandenen Aufwendungen des Leistungsberechtigen minderten (Bescheide vom 23.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 2.2.2010).

5

Das SG hat die Bescheide vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010 aufgehoben (Urteil vom 17.2.2011). Den Klägern stünden auch für Dezember 2009 die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in der festgesetzten Höhe zu, weil keine wesentliche Änderung in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei. § 22 Abs 1 S 4 SGB II könne nur angewandt werden, wenn dem Hilfebedürftigen eine Rückzahlung oder ein Guthaben zufließe, über das er tatsächlich verfügen könne. Nach dem Wortlaut der Norm sei zwar davon auszugehen, dass eine faktische "Rückzahlung" an den Berechtigten nicht erforderlich sei. Ausreichend sei vielmehr ein positiver Saldo, dh eine Forderung, die gegenüber einem anderen geltend gemacht werden könne, bzw allein eine schriftliche Fixierung bzw Eintragung des Guthabens. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift komme eine Minderung jedoch nur in Betracht, wenn dem Hilfebedürftigen tatsächlich Mittel zur Verfügung stünden, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten könne, weil ansonsten eine Bedarfsunterdeckung bestehe. Gerade weil den Klägern die Disposition über das Guthaben entzogen gewesen sei, liege keine Schuldentilgung vor. Die Kläger hätten nicht über das Guthaben verfügen können und auch keinen Einfluss auf die Entscheidung des Vermieters gehabt, das Guthaben mit bestehenden Schulden zu verrechnen.

6

Mit seiner Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 S 4 SGB II. Die Vorschrift sei auch anzuwenden, wenn die Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben dem Leistungsempfänger tatsächlich nicht zur Verfügung stehe. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, weil das Wort "Gutschrift" keine Zahlung beinhalte, sondern allein die schriftliche Fixierung bzw Eintragung eines Guthabens als bestehenden Anspruch eines Anderen beinhalte. Der Umstand, dass die Gutschrift als Einkommen des Leistungsberechtigten angesehen werde und nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II nur einer besonderen Anrechnungsform auf die Leistung unterliege, spreche ebenfalls dafür, dass auch die Rückerstattung, die zur Schuldentilgung verwandt werde, seinen Leistungsanspruch mindere. Der Sicherungsauftrag des SGB II beinhalte nicht, dass der Leistungsberechtigte in jedem Leistungsmonat auch den vollen Leistungsbetrag zu erhalten habe; vielmehr müssten Leistungsempfänger private Schulden aus der Regelleistung finanzieren. Allerdings ergebe sich - entgegen den Berechnungen in den Bescheiden vom 23.11.2009 - im November ein Minderungsbetrag in Höhe von 485 Euro und - im streitgegenständlichen Monat Dezember 2009 - nur ein solcher in Höhe von 300,40 Euro, weshalb die Bewilligung nur in dieser Höhe aufzuheben sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Februar 2011 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

9

Die Kläger machen geltend, das Guthaben dürfe nicht angerechnet werden, weil es nicht zugeflossen sei. Sie hätten auch kein Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Verwendung des Guthabens gehabt. Im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum sei ihr Bedarf gleich geblieben.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob und in welcher Höhe der Beklagte die Kosten der Unterkunft der Kläger im Dezember 2009 aufheben durfte, kann nicht abschließend entschieden werden. Hierzu fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) des SG, die es dem Senat ermöglichen würden, Grund und Höhe der Aufhebungsentscheidung zu überprüfen.

11

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolgerin kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 S 1 SGB II) getreten sind. Dieser kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen nicht, weil der Gesetzgeber sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraum bewegt(BSG SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

12

2. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Sprungrevision bestehen nicht. Nachdem der Beklagte - nach Zustellung des Urteils am 28.2.2011 bzw 4.3.2011 - am 9.3.2011 die Zulassung der Sprungrevision beantragt und die Kläger mit Schriftsatz vom 24.3.2011, welcher am selben Tag zur Gerichtsakte gelangte, der beantragten Zulassung der Sprungrevision zugestimmt hatten, hat das SG diese zugelassen (Beschluss vom 29.3.2011). Eine nach Zustellung des vollständigen Urteils abgegebene Erklärung ist regelmäßig als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision zu werten (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4 mwN). Das BSG ist an die Zulassung durch das SG gebunden (§ 161 Abs 2 S 2 SGG).

13

3. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010, mit denen er die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Monat Dezember 2009 teilweise aufgehoben hat. Die Kläger haben die Bescheide zu Recht mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) angegriffen.

14

Mit ihren in der Vorinstanz gestellten Anträgen, die Bescheide vom 23.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010 aufzuheben, haben die Kläger den Streitstoff ausdrücklich auf die Aufhebung der mit Bescheid vom 12.6.2009 (auch) für Dezember 2009 bereits bewilligten Kosten für Unterkunft durch den Beklagten in einer Gesamthöhe von 485 Euro beschränkt. Der Höhe nach ist die Prüfung im Revisionsverfahren darauf begrenzt, ob der Beklagte berechtigt war, diese Leistungen aufzuheben. An der Möglichkeit eines isolierten Rechtsstreits allein über die Kosten der Unterkunft und Heizung hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für das laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung: BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 11). Das SG wird allerdings zu berücksichtigen haben, dass der Beklagte im Revisionsverfahren anerkannt hat, dass die mit Bescheid vom 12.6.2009 bewilligten Unterkunftskosten (ohnehin) nur in Höhe von 300,40 Euro aufzuheben sind und insofern ein Teilanerkenntnis vorliegt (Schriftsatz vom 6.7.2011; vgl zum Vorrang des normativen Anrechnungszeitraums vor dem sonst geltenden Zuflussprinzip nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II: Urteil des Senats vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 15 ff).

15

4. Die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010 beurteilt sich nach § 40 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 12.6.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Änderung durch das Betriebskostenguthaben und dessen Berücksichtigung sind hier auch weitere, den Grund und die Höhe der bewilligten Unterkunftskosten beeinflussende Berechnungsfaktoren einzubeziehen (siehe hierzu unter 8). Auch insofern sind noch weitere Feststellungen des SG erforderlich.

16

5. Das in der Betriebskostenabrechnung vom 2.10.2009 ausgewiesene Guthaben ist grundsätzlich als Einkommen iS von § 11 Abs 1 SGB II iVm mit der Sonderregelung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen, was er bereits vor Antragstellung hatte. Dabei ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht ihr Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend. Auch für Rückerstattungen von Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen ist nicht von dieser Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen abzuweichen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 16 mwN; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5, RdNr 37; s aber BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 42, RdNr 12 zur Stromkostenerstattung und BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16, RdNr 17 für den Ausnahmefall, dass mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde).

17

Nach der Sonderregelung zur Einkommensanrechnung von Rückzahlungen und Guthaben des § 22 Abs 1 S 4 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706; nunmehr - in geringfügig veränderter Fassung des § 22 Abs 3 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011) mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Mit der unklaren Formulierung "mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" wird zum Ausdruck gebracht, dass eine unmittelbare Anrechnung der Guthaben auf die Kosten der Unterkunft und Heizung und ohne Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11 Abs 2 SGB II, nicht jedoch eine abweichende individuelle Bedarfsfestsetzung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung des Folgemonats, erfolgen soll. § 22 Abs 1 S 4 SGB II ist eine Sonderregelung zur Anrechnung von Einkommen iS des § 11 SGB II, die eingeführt wurde, um den mit der Einkommensberücksichtigung nach § 11 SGB II häufig einhergehenden Abzug der Versicherungspauschale zu vermeiden und zugleich die Anrechnung des Guthabens dem kommunalen Träger zugute kommen zu lassen(BT-Drucks 16/1696 S 26). § 22 Abs 1 S 4 SGB II verändert für Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, lediglich die in § 19 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) bestimmte Reihenfolge der Berücksichtigung von Einkommen und modifiziert den Zeitpunkt der Anrechnung in Bezug auf die Zuflusstheorie und - durch die ausdrückliche gesetzliche Zuordnung zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung - die Regelungen des § 11 Abs 2 SGB II(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 17 ff; s auch Urteil des Senats vom 16.5.2012 - B 4 AS 159/11 R).

18

Es handelt sich hier um ein Guthaben, das dem Bedarf für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 S 4 SGB II zuzuordnen ist. § 22 Abs 1 S 4 SGB II ist auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass ein Guthaben nur dann (im Folgemonat) zu berücksichtigen ist, wenn es sich (aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen oÄ) im Monat der Gutschrift oder später tatsächlich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgewirkt hat(so LSG Hamburg Urteil vom 16.7.2009 - L 5 AS 81/08 - NZS 2010, 230, juris RdNr 26). Zwar könnte hierfür die Fassung des Gesetzes sprechen ("mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" anstelle "sind als Einkommen bei der Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen"). Eine derart weitgehende Ankoppelung der Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens als Einkommen an Vereinbarungen und ein tatsächliches Handeln des Vermieters und/oder des Leistungsberechtigten ist mit dieser Regelung jedoch nicht verbunden. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber insoweit vom Einkommensbegriff des § 11 SGB II abweichen und Einkommen nur dann berücksichtigen wollte, wenn der Vermieter oder der Leistungsberechtigte dieses Guthaben auch für einen bestimmten Zweck tatsächlich verwenden.

19

Der Anwendung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II steht auch nicht entgegen, dass das Betriebskostenguthaben aus einem früheren Mietverhältnis stammt. Eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs 1 S 4 SGB II nicht. Insofern gilt der allgemeine Grundsatz, dass während der Hilfebedürftigkeit zugeflossenes Einkommen zur Bedarfsdeckung heranzuziehen ist und bei der Anrechnung von Einkommen regelmäßig auf den Zeitraum des Erzielens von Einkommen in Geld oder Geldeswert und nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem es "erwirtschaftet" wurde (BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17, RdNr 23 ff). Über die in der Literatur diskutierte Frage, ob das Guthaben von vornherein nur teilweise berücksichtigt werden kann, weil die Ansparung aus einer Zeit stammt, in welcher der Leistungsträger nicht die tatsächlichen, sondern nur die aus seiner Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen hat (vgl hierzu zB Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 116), musste der Senat nicht entscheiden, weil der Beklagte - nach Aktenlage - im Jahre 2008 die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen hat.

20

6. Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob - wie das SG und die Kläger meinen - das Betriebskostenguthaben nach Maßgabe des § 11 Abs 1 SGB II iVm § 22 Abs 1 S 4 SGB II deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil der Betrag den Klägern nicht direkt zugewandt, sondern von dem früheren Vermieter "wegen aufgelaufener, noch ausstehender Mietrückstände verrechnet" worden ist.

21

Auch insofern handelt es sich - nach den allgemeinen Grundsätzen zum Begriff und zur Berücksichtigung von Einkommen - grundsätzlich um zugeflossenes Einkommen iS von § 11 Abs 1 SGB II. Zwar enthält § 11 Abs 1 S 1 SGB II keine weitergehende Definition dessen, was als Einkommen gilt. Eine Betriebskostenrückzahlung, die dem Hilfebedürftigen nicht ausgezahlt wird, sondern mit aufgelaufenen oder künftigen Mietforderungen des Vermieters von diesem verrechnet wird, bewirkt aber bei ihm einen "wertmäßigen Zuwachs", weil sie wegen der damit ggf verbundenen Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit oder Zukunft einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (s BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33, S 68 f zur Aufrechnung mit Arbeitsentgeltansprüchen; vgl BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2 zu gepfändeten Einkommensteilen; zu einem von der Vermieterin verrechneten Betriebs- und Heizkostenguthaben mit zukünftigen Mietzahlungen: BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 16).

22

Handelt es sich demnach um grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen, wird das SG noch zu prüfen haben, ob die Kläger das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 - auch wenn es (zunächst) an einer "tatsächlichen Verfügungsgewalt" fehlte - auch aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisieren konnten. Nur wenn dies festgestellt worden ist, standen den Klägern bereite Mittel zur Bedarfsdeckung nicht zur Verfügung und muss - in gleicher Weise wie bei gepfändeten Teilen des Alg II - die mögliche Folge einer Tilgung von Mietschulden aus der Vergangenheit durch Rückzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen hingenommen werden (vgl zur Pfändung BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2 mwN; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 100 f; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 11 RdNr 41). Diese Prüfung ist erforderlich, obwohl das Betriebskostenguthaben mit Kosten der Unterkunft und Heizung "verrechnet" worden ist. Zwar sind Aufwendungen der Kosten der Unterkunft und Heizung von dem SGB II-Träger zu übernehmen, wenn sie auf einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und tatsächlich gezahlt werden (BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 zum Staffelmietvertrag; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 47, RdNr 14). Der hier von dem Vermieter vorgenommenen Einbehaltung des Betriebskostenguthabens liegt jedoch keine Vereinbarung zwischen den Klägern und ihrem Vermieter zugrunde, sondern sie ist als Aufrechnungserklärung iS des § 388 BGB die bloße Ausübung eines Gestaltungsrechts des Vermieters. Die ungeprüfte Akzeptanz des allein tatsächlichen Vermieterhandelns käme - so der Beklagte zu Recht - der im SGB II grundsätzlich nicht möglichen "freiwilligen" Schuldentilgung gleich. Insofern haben die beiden für die Grundsicherung nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG bereits in anderem Zusammenhang darauf verwiesen, dass bei der Abgrenzung der als Zuschuss übernahmefähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II von den Schulden iS von § 22 Abs 5 SGB II ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II danach zu unterscheiden ist, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen, bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf handelt oder nicht(zur Übernahme einer Heizkostennachforderung des Vermieters nach § 22 Abs 1 SGB II: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38, RdNr 17; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Regelung des § 22 Abs 5 SGB II verdeutlicht, dass - auch im Bereich der Unterkunftskosten - Schulden nur dann und auch nur als Darlehen übernommen werden sollen, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

23

7. Bei den vor diesem Hintergrund noch erforderlichen Feststellungen zur Realisierbarkeit des Einkommens aus der Betriebskostenabrechnung des ehemaligen Vermieters wird zu berücksichtigen sein, dass eine Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB ein Erlöschen der Forderung des Klägers aus der Betriebskostenabrechnung bewirken kann(§ 389 BGB). Ihre Wirksamkeit setzt jedoch ua die hinreichende Bestimmtheit auch der Gegen- bzw Passivforderung, dh hier der vom Vermieter behaupteten Mietrückstände (vgl allgemein zB Grüneberg in Palandt, BGB, 67. Aufl 2008, § 388 RdNr 1; Wenzel in Münchner Kommentar, BGB, 5. Aufl 2007, § 366 BGB RdNr 2, 10; BGH Urteil vom 6.11.1990 - XI ZR 262/89 - NJW-RR 1991, 169 f; BGH Urteil vom 17.9.2001 - II ZR 275/99 - NJW 2001, 3781 f; vgl zu Verrechnungsregelungen in Mietverträgen zB BGH Urteil vom 20.6.1984 - VIII ZR 337/82 - NJW 1984, 2404 ff) sowie deren Fälligkeit (vgl zB BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33 S 67) voraus.

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Allerdings dürfen an die Realisierungsmöglichkeiten zur Auszahlung des Guthabens keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, ein Zusammenwirken von Vermieter und Leistungsberechtigten zum Ausgleich von Mietschulden ist aber zu vermeiden. Ggf hat der SGB II-Träger den Leistungsberechtigten bei der Verfolgung berechtigter Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Vermieter zu unterstützen (vgl hierzu Urteil des 14. Senats vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53, RdNr 16 ff). Besteht kein (zivilrechtlicher) Anspruch des Klägers gegen den früheren Vermieter auf Auszahlung des Guthabens an ihn oder ist dieser nicht ohne weiteres zu realisieren, kann der Bewilligungsbescheid vom 12.6.2009 nicht aus diesem Grund aufgehoben werden. Entgegen der Ansicht des Beklagten rechtfertigt § 22 Abs 1 S 4 SGB II und das mögliche Ergebnis einer Schuldentilgung dann keine - die Grundsätze der Berücksichtigung von Einkommen und den Bedarfsdeckungsgrundsatz außer Acht lassende - Kürzung der existenznotwendigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

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8. Kommt das SG zu einer Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens als Einkommen, wird es ggf auch die - von seinem rechtlichen Standpunkt nachvollziehbar - bisher unterlassenen Feststellungen zum Anteil des in dem Guthaben enthaltenen Betrags für Haushaltsenergie nachzuholen haben, die nicht zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zählen (§ 22 Abs 1 S 4, 2. Halbs SGB II).

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Wesentlich iS des § 48 Abs 1 SGB X sind weiter nur Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt - hier den Bescheid vom 12.6.2009 nicht hätte erlassen dürfen (vgl zB BSG SozR 1300 § 48 Nr 22, S 50; vgl auch BSGE 102, 295 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 10; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38, RdNr 15). Grundsätzlich sind daher bei der Prüfung, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der bindende Ursprungsbescheid - hier also der Bescheid vom 12.6.2009 - in der festgesetzten Höhe zu Lasten des Leistungsberechtigten aufgehoben werden durfte, neben der Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens auch die weiteren, den Grund und die Höhe beeinflussenden Berechnungsfaktoren der bereits bewilligten Leistungen - unter Berücksichtigung des § 44 SGB X - einzubeziehen, soweit Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit dargetan oder ersichtlich sind(vgl auch BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23; vgl Steinwedel in Kasseler Komm § 48 SGB X RdNr 28). Insofern wird das SG auch zu beachten haben, dass der Beklagte im Aufhebungsmonat Dezember 2009 nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten, sondern nur deutlich geringere, von ihm als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft übernommen und seine damalige Praxis nach eigenen Angaben im Verhandlungstermin vor dem Senat zwischenzeitlich geändert hat.

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Das SG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.